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Was mir das Herz bricht: Karussells

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Diese Geschichte beginnt in Paris, unter dem Eiffelturm. Es ist Februar, kalt, ein bisschen nass und schon dunkel. Der Eiffelturm leuchtet, wie in Paris immer alles leuchtet. Ich bin mit drei Schulfreunden da, Klassenfahrt. Wir wollen noch zum Trocadéro. Vom Eiffelturm aus muss man vorher über eine sechsspurige Straße. Die Pariser fahren in den Feierabend, hupend, zu schnell, viele Autos sind verbeult. Als wir vorm Zebrastreifen stehen, sehe ich, dass sich auf der anderen Straßenseite ein Karussell dreht.

Ich weiß bis heute nicht, warum ich gerade in diesem Moment an diesem Karussell hängengeblieben bin. Es hatte ein blaues Zeltdach und war eines dieser Karussells, die so aussehen, wie die Karussells in Kinderbüchern. Pferde mit viel zu buntem Zaumzeug drehten sich nicht besonders schnell, drei oder vier Kinder saßen auf den Pferden, ihre Mütter warteten davor. In einem Verkaufsstand daneben gab es Popcorn und gebrannte Mandeln. Als wir über die Straße gingen, hörte man durch das Hupen und Brummen des Pariser Feierabendverkehrs die Musik, die das Karussell spielte. Es war eine Musik wie aus einer Spieluhr. Dieses Klingeln, was einem das Gefühl von Geborgenheit, von guter alter Zeit gibt.

Ich war tieftraurig. Von einem auf den anderen Moment. Obwohl es dazu keinen Grund gab. Die Leute, die dort standen, waren alle fröhlich. Und eigentlich sind Karussells ja auch dazu da, damit Kinder lachen und nicht weinen. Wir gingen zum Trocadéro. Abends in der Jugendherberge dachte ich nicht mehr an das Karussell. Und das blieb so.


Knack!

Bis im vergangenen Jahr. Ich war in Szeged, das liegt in Südost-Ungarn. Es war Fischsuppenfest. Die Ungarn feiern gerne Feste, meistens sind sie nach irgendeiner Speise benannt. Zwei Wochen zuvor war Paprika-Fest. Ich war mit meiner Freundin und ein paar ihrer Kommilitonen dort. Aus irgendeinem Grund wartete ich gerade alleine am Ende einer Brücke, als mir das Karussell auffiel. Es hatte ebenfalls ein Zeltdach, auch drehten sich Pferde. Ein fröhlicher Ungar saß in einem Häuschen daneben und drückte auf einen Startknopf. Sofort war das Karussell aus Paris wieder da, sofort war ich wieder traurig.

Ich fing an, mir Gedanken zu machen. Woher kommt das? Ich habe keinen besonderen Bezug zu Karussells. Klar gab es bei uns auf dem Dorf welche, ich bin sie auch gefahren, aber es war nichts Besonderes. Ich bin auch nicht wahnsinnig sentimental, als Journalist legt man sich berufsbedingt eher einen gewissen Grundzynismus zu.

Vielleicht liegt es daran, dass kaum etwas so aus der Zeit gefallen wirkt, wie Karussells. Kinder spielen mit drei Jahren auf dem Ipad, mit acht haben sie eine Playstation. Nicht alle, weiß ich, aber in meiner Vorstellung hat sich das so festgesetzt. In Freizeitparks sind Attraktionen nur dann cool, wenn mindesten 3G auf den Körper wirken. Die Tatsache, dass auch heute noch Kinder daran Spaß haben, auf dem Rücken von bunten Pferden zu sitzen und langsam zu Spieluhrmusik im Kreis zu fahren, ist eigentlich rührend. Aber irgendwas in mir glaubt, dass das nicht so bleiben wird. In meiner Vorstellung verkauft der Ungar Jahr für Jahr weniger Tickets. Er sitzt in seinem Häuschen und freut sich darüber, dass die vier Kinder Spaß an seinem Karussell haben, aber gleichzeitig denkt er an die Schlange, die sich früher vor dem Schalter gebildet hat. Er sieht die Achtjährigen, die an ihm vorbeigehen, während sie auf ihr Smartphone starren. Abends putzt der Mann die Pferde und macht sich Gedanken darüber, wie es weitergehen soll. Ob es sich überhaupt noch lohnt, von Budapest nach Szeged zu fahren.

Ich glaube, es ist das Gefühl, da etwas sterben zu sehen. Vor meinen Augen. Und ohne das es etwas gibt, was man dagegen tun kann. Während sich vor meinen Augen die Besucher des Festes immer schneller bewegen, dreht sich das Karussell einfach langsam weiter. In ein paar Jahren, wenn keine Kinder mehr gekommen sind, wird der Mann das Karussell zum letzten Mal anhalten. Er wird einen Knopf drücken und die Musik wird nicht mehr spielen.         

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