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Regal flach halten. Fragen überhalb der Brüstungshöhe.

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Es ist so. Sie kennen Frau Hauswart bereits und auch unseren Balkon. Nun, unser Balkon soll schöner werden, das sagen nicht nur wir, das sagt das ganze Haus, das ganze Haus wird gestrichen. Hierzu gibt es in diesem Haus einen Aushang. Sie wissen, es gibt zu allem in diesem Haus einen Aushang. Welche Fahrräder in den Fahrradständer vorm Haus dürfen, welche in den Fahrradkeller sollten, welche zu entsorgen sind. Aushänge mit Verweis auf die Oberbranddirektion, Aushang mit Verweis auf den Aushang der Hausverwaltung. Aushänge zum Schließen von Türen, flankiert von Aufklebern „Finger weg“. Aushänge, die die nachbarschaftliche Verantwortung im Wäschekeller einfordern. Alle gezeichnet von Frau Hauswart.
(Diese Zettelwirtschaft springt auf einige Bewohner über. Ich hatte schon ein Knöllchen von unseren Parknachbarn in der Garage. Damals verhüllten sie die unserem Auto zugewandte Seite ihres alten Mercedes noch mit einem aufgeklappten Umzugskarton. Mittlerweile mit Platzefolie. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Nun also der Aushang zum Gerüstbau und zu den Malerarbeiten. Wann, wo, wie, was man zu beachten habe. Unten wird in Fettdruck daran erinnert, dass es in München nicht erlaubt sei, Gegenstände auf dem Balkon zu haben, die höher als die Brüstung ragten. Am Nachmittag schaue ich mir die Balkone genauer an. Die, die nun gemalert werden. Wie vermutet, ragt nur auf unserem ragt etwas über die Brüstung. Der Wäscheständer. Im ersten Moment fühle ich mich ertappt und bewundere Frau Hauswart für ihre indirekte Kommunikation. Sie hätte mir auch ein Knöllchen unter der Tür durchschieben können.

Dann aber: ernsthaft? In München soll das verboten sein? Gegenstände auf dem Balkon, die höher als die Brüstung ragen? Wer soll das denn kontrollieren? Beziehungsweise: wen interessiert das? Im Gegensatz zu sonst kann ich im ganzen Aushang leider keinen Verweis auf eine übergeordnete Vollzugstelle zu finden, wie nachlässig.
Beherzt überlege ich, das Kreisverwaltungsreferat anzurufen und zu fragen, wer denn in dieser Stadt nun für die Balkone und ihre Gegenstände zuständig sei. Schließlich will ich noch ein Regal aufstellen. Leider ist dort schon Feierabend und ich frage das Internet.

Das Internet lehrt mich, dass ich auf meinem Balkon Wäsche trocknen darf, auch, wenn es einen Wäschekeller gibt. Puh. Ich darf sogar die „große Wäsche“ trocknen, wenn der Balkon zum Hinterhof weist. Gut, unser Balkon geht zur Straße, das ist aber gewissermaßen der Hinterhof des Hauses. Denn der eigentliche Hinterhof der Anlage ist groß, grün, bespielplatzt und es weisen 75 Prozent der Balkone dorthin. Dieses Panoptikum gilt sicherlich nicht als Hinterhof im klassischen Sinne. Es stellt eher die Bühne dar. (Weswegen ich mit dem Zwack genau nie zum Spielen in den Hof gehe.)

Weiterhin lerne ich, dass unser Balkon zwar zu unserem Sondereigentum zählt, nicht aber alles uns gehört. Uns gehört: der begehbare Bodenbelag, der innenseitige Balkonanstrich. Die Balkonplatte hingegen, sowie die Isolierungsschicht, das Balkongeländer, die Balkonbrüstung, die Balkontrennwand (auch, wenn sie unser Nachbar im Nachhinein erweitert hat) gehören der Eigentümergemeinschaft und sind deren ästhetischem und anderem Empfinden unterworfen. Dieses ästhetische Empfinden, Sie erinnern sich vielleicht, ist beige.
Balkonmöbel, lese ich weiter, seien jedoch erlaubt, wenn es sich nicht um Vorratsschränke oder Kühltruhen handele.

Wenn ich nun also ein Regal aufstellen möchte, das höher als die Brüstung ragt: muss es dann den Eigentümern gefallen? Oder dem KVR? Oder nur Frau Hauswart? Und bei Nichtgefallen: wer hängt mir dann ein Knöllchen ans Regal? Und darf ich unterhalb der Brüstung Bier kühlen?
Und: wem gehört eigentlich die Maus, die in der Wärmedämmung auf unserem Balkon wohnt?
Und außerdem: wenn der konstruktive Bodenbelag von Balkonen der Eigentümergemeinschaft gehört, gehört der dann auch der Wasserschaden in unserer Küche, der sich aus dem darüber liegenden Balkonabfluss ergibt?
Sie dachten, das sei einfach, Balkontür auf und gut ist es. Von wegen.
Angesichts der Komplexität der Lage unseres Sondereigentums rufe ich doch besser das KVR an. Aber vorher hole ich noch die Wäsche rein.


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