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Claire, ärgere Dich nicht

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Ein kahler Backstageraum im Münchner Club „Strom“, noch eine Stunde bis zum Soundcheck vor dem Heimspielkonzert der Münchner Musikaufsteiger des Jahres 2013. Sängerin Josie, Gitarrist Flo und Keyboarder Nepomuk werfen sich in die Sofas, die zwei anderen Bandmitglieder, Matthias und Fridolin, werkeln noch draußen auf der Bühne. Josie stellt ihren Kaffeebecher lieber auf den Boden, weit weg vom Spielbrett auf dem Tisch. Sie sei ein großer Schussel, sagt sie unter Röhrenverstärkerlachen und deutet auf eine blaue Stelle auf ihrer Nase, während Nepomuk das Spiel mit einer Sechs eröffnet.





jetzt.de: Ist vergangenes Jahr eigentlich irgendwas schiefgegangen bei euch?
Flo: Es kommt jeden Tag irgendein Problem. Aber nichts ist irreparabel.

Richtig auf die Schnauze geflogen seid ihr wirklich nie?

Josie: Na – ich, kurz vor der Tour. Ich bin die Treppe raufgefallen. Ich lege mich oft auf die Schnauze: Während der Tour war ich dreimal im Krankenhaus.

Woran liegt’s? Trunkenheit? Mangelndes Koordinationsvermögen?

Flo:
Es ist eine Kombination aus beidem.

Ihr habt 2013 einen sehr schnellen, steilen Aufstieg hingelegt, da kam viel Neues auf euch zu. Hattet ihr Angst, mal was richtig zu versauen?

Josie: Natürlich hatten wir diese Angst. Aber wenn man keine Versagensängste hätte, dann hätte man auch nicht den Ansporn, besser zu werden.
Flo:Trotzdem: Manche Dinge sind hart, wenn sie zum ersten Mal kommen. Das Album zu schreiben war mit extremen Selbstzweifeln verbunden. Als wir nach drei Monaten im Studio saßen und alles durchhörten, wussten wir nicht mehr: Ist das super, oder sind die fünfzehn Songs alle Dreck?

Wie geht ihr vor, wenn ihr euch in solchen Fragen uneinig seid?

Flo: Mit einer Mischung aus Diplomatie und Demokratie. Zum Glück sind wir zu fünft, da gibt’s immer eine Mehrheit.

Ihr habt im vergangenen Jahr sehr viel Lob bekommen. Welches war das größte?

In diesem Moment schlägt Josie eine Figur: „Moment, ich darf was bewerben! Unsere Tour, jetzt im März!“
Nepomuk: Die größte Ehre war, dass Giorgio Moroder himself einen Remix für uns gemacht hat. Und dass wir ihn auch noch getroffen haben und einen Kaffee mit ihm trinken waren.
Josie: Eigentlich hat er erzählt, und wir saßen da und haben ihn mit großen Augen angeschaut.

Endlich, Glück für mich! Ich schlage Nepomuk. Und wühle mit meiner unangenehmen Frage in Josies dunkler Vergangenheit.
Josie, du bist in der ersten Staffel von „The Voice of Germany“ angetreten. Und gescheitert. Warum?
Flo:
Du hast die Aufzeichnung nicht gesehen, oder? Sonst würdest du die Frage nicht stellen.
Lautes Lachen, Freude über den Seitenhieb. Überhaupt: In dieser Band ist des Öfteren eine Atmosphäre wie auf Klassenfahrt in der letzten Reihe im Bus: Jungs-Gedisse in Reinkultur. Josie teilt da gern mit aus, aber jetzt antwortet sie ernst und gelassen, ohne peinlich berührt zu sein. Sie scheint Niederlagen abhaken zu können.

Josie: Ich hab mich auf die Bühne gestellt und hatte keine Ahnung, was ich da mache. Ich habe den Song gehasst, der war von Taylor Swift. Ich hätte ihn auch ablehnen können, aber mein Selbstbewusstsein war gleich null. Das Ergebnis war furchtbar, ich fand es selbst mies. Ich hab mich dafür geschämt.
Und dann hast du dir lieber eine Band gesucht?
Josie:
Das denken viele, weil Xavier Naidoo gesagt hat, ich solle mir eine Band suchen – und ein bisschen später gab es Claire. Aber da besteht kein Zusammenhang.

Euer Album heißt „The Great Escape“: Ist Weglaufen eine Lösung?

Flo:
Darum geht es gar nicht. Es ist eigentlich wie bei diesem Spiel hier: Da will ich ja auch nicht vor dem Gegner weglaufen, sondern meine Figuren ins Häuschen bringen. Für uns ist „escape“ nicht unbedingt ein negativ besetztes Wort. Gemeint ist eher Zuflucht als Flucht. Josie Musik ist generell ein Zufluchtsort. Es gibt nichts, was meine Stimmung mehr beeinflussen kann.

Was machst du dann, wenn du schlecht drauf bist? Was zum Aufmuntern hören oder die Selbstmitleidsnummer?

Josie:
Ich koste schlechte Laune oder Traurigkeit schon eher aus.
Jetzt schlägt Flo wieder eine Figur. Er lehnt sich zurück, selbstzufrieden, vorfreudig auf das, was er gleich sagen will. Bislang gab’s Standardwerbesprüche, jetzt will er was Besonderes loswerden:
Flo:
Es geht um Nahrungsaufnahme. Das Crack-Sandwich.
Nepomuk:
(ruft aufgeregt) Woah! Das Crack-Sandwich!
Das Crack-Sandwich?

Flo
: Das Crack-Sandwich! Das heißt bei uns so, weil es unglaublich süchtig macht. Das macht der Würstlkönig in der Lindwurmstraße in München am Goetheplatz. Bei dem gibt es ein Grillfleisch-Sandwich. Nepomuk: (ruft noch aufgeregter) Mit Jahrhundertsoße!
Flo:
Genau, die Soße ist der Shit. Ich mag auch den Typen. Der öffnet und schließt seinen Laden, wie er Bock hat. Passt auch zum Crack: Er ist wie ein Dealer – du weißt nie, ob er da ist und Stoff hat.

Ihr habt einen großen Altersunterschied in der Band. Matthias ist mit 31 der Älteste, euer Drummer ist 20. Ist das ein Problem?

Flo:
Im Gegenteil: Der Altersunterschied ist ein Grund dafür, warum wir funktionieren. Weil sich Erfahrung mit purer Naivität mischt. Du brauchst beides. Manchmal muss man einfach losrennen, naiv, ohne Ziel, ohne Nachdenken und Planen und Angst vor Konsequenzen. Und manchmal brauchst du Erfahrung und Besonnenheit.

Die Zeit läuft ab, der Soundcheck wartet. Wir beenden das Spiel, ohne einen Gewinner zu küren. Aber wir einigen uns darauf, wenigstens einen Verlierer zu bestimmen: Nepomuk, der noch am meisten Figuren im Starthäuschen hat.
 


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