Kollege M. liegt krank im Bett, mit der schlimmsten Migräne seit zehn Jahren, die er auf seinen vor kurzem genossenen Urlaub zurückführt. Irgendwie klingt das bei einem bekennenden Workaholic nach einer Rebellion des puritanischem Arbeitsethos, jedes Nachlassen wird bestraft, aber es scheint tatsächlich so zu sein, dass Änderungen der Routine Anfälle auslösen können. Ich kann solche Dinge nicht beurteilen, ich weiß noch nicht einmal besonders viel über „normale“ Kopfschmerzen zu berichten. Was auch immer das nun wieder über mein Arbeitsethos aussagt.
Am Dienstag treffe ich diverse „Verlagsmenschen“ bei einer Art halbprivatem Stammtisch. Nur eine davon ist allerdings tatsächlich bei einem Verlag angestellt, die anderen verkaufen Computerspiele, Apps oder E-Books beim Großhändler. Hach ja, so weit ist es also schon gekommen mit dem Untergang des Abendlandes, mag man seufzen. Die Wahrheit ist wohl, dass die „richtigen“ Verlagsmenschen entweder zu wichtig oder zu beschäftigt sind, um sich für solche Treffen mit Vertriebsleuten zu interessieren. Eine erstaunlich weltfremde Hochschulabsolventin ist auch dabei, die den Kontakt zu uns als Einstieg in die Bücherwelt nutzen möchte. Leider scheint sie weder zu wissen, was sie interessiert, noch was sie kann, und ich frage mich, ob ich vor sieben Jahren auf Andere auch so naiv gewirkt habe. Immerhin hatte ich damals aber noch kein graues Haar.
Die zweite Wochenhälfte wird von einer Tagung bis zum Platzen gefüllt, alle Abende sind lang und mal mehr, mal weniger spannend. Kollege M. ist wieder gesund und sitzt mit seinem ein wenig zu betörenden Rasierwasser neben mir; der Praktikant hält sich weiterhin tapfer und liest in den Pausen eine Goethe-Biografie. Mein eigenes Lesefutter besteht aus George Eliots Middlemarch, angeblich der beste englische Roman aller Zeiten. Leider ist er sehr dick, aber trotz des abschreckenden Untertitels A Study of Provincial Life immerhin amüsant.
Ins Kino und in den schwedischen Möbelmarkt schaffen wir es auch noch, ersteres bietet das wunderschöne Grand Budapest Hotel, das meine bisher eher skeptische Haltung zu Wes Anderson erkennbar umkrempelt. Im Möbelmarkt gibt’s dagegen Auflaufform und Blumentöpfe. Das einzige Training, zu dem ich es in dieser Woche schaffe, fällt gemeinerweise aus, dafür bietet der Sonntag immerhin einen ausführlichen Flirt mit dem einäugigen Kater Einstein. Zur Ukraine will ich schon seit Wochen viel mehr schreiben, doch mir fällt kaum mehr ein als: hoffentlich geht das alles nicht noch viel schiefer. Meine russische Lieblingszeitung berichtet jedenfalls, in den Straßen von Simferopol werde das noch unbekannte Ergebnis des Referendums bereits in russischen Nationalfarben gefeiert.