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Wolfsein

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Ich bin kein Wolf. Wobei ich es auch für unsinnig hielte, mich als Schaf zu bezeichnen, weil mir dieser übermäßige Gebrauch von Dualismen gehörig auf die Nerven geht. Sie sind doch nichts als der Versuch, Kompliziertes zu vereinfachen, vielleicht ein menschlicher Reflex. Aber ich muss mich doch nicht allen Reflexen hingeben. Es ist nunmal so, dass ich gemerkt habe, dass ich viel mehr vom Leben zurückbekommen kann, wenn ich mich nicht sofort auf alles einlasse, ohne einmal kurz gedacht zu haben und meinem Gehirn die Ehre zu erteilen, nicht nur einer der zahlreichen Organe meines Körpers zu sein. So war das zum Beispiel mit Olaf. Natürlich haben mich irgendwann seine gestreiften Socken im Flur, die so sehr zu ihm passten, weil sie diesen Spieß, diese Langweile, die nur Menschen ausstrahlen können, denen so langweilig ist, dass sie es schon vergessen haben, ausdrückten, in den Wahnsinn getrieben. Das schlimmste an Olaf war, dass ich ihn irgendwann einfach nicht mehr riechen konnte. Jedes seiner Haare im Abfluss, jedes Geräusch aus seinem Zimmer und jede verdammte Socke im Flur ließ mich über meinen Blutdruck nachdenken, obwohl ich das sonst nie tue, wie das auch sonst nie ein Mensch in meinem Alter tut. Olaf war einer dieser Menschen, die mich so nervös machten, dass ich begann, in zu verabscheuen. Er war langweilig, er war spießig und vorallem hatte er diese Art, mich nervös zu machen, weil ich, jedes Mal, wenn ich merkte, dass ich irgendetwas mit Olaf gemeinsam hatte, Angst bekam, ich könne irgendwann so enden wie er. Produkt der Apathie und der grenzenlosen Anpassungsfähigkeit. Ja, Olafs Socken waren mehr als nur Socken, sie waren wie riesige Stoffsäcke, die sich von alleine aufbliesen um sich über meinen Kopf zu stülpen und mir die Luft abzuschnüren. Dennoch war ich  nicht ausgezogen. Ich habe ihn ertragen, wenn auch nicht akzeptiert. Zumindest nicht vorerst. Als Yoav in mein Leben trat, wie man das so schön sagt, wurde eh einiges anders. Denn als er kam, merkte ich, dass ich Olaf nicht eine Sekunde länger ansehen konnte. Olaf hatte sich selbst so sehr aufgegeben, seine Persönlichkeit war so klein geworden neben all den Sorgen um das Sonderangebot um die Ecke und die Zeit, die die Waschmaschine für einen Waschgang brauchte, dass es für jeden Menschen, der das Leben liebte oder es zumindest versuchte, das richtige Leben meine ich, unmöglich gewesen wäre, Olaf dabei zuzusehen, wie er Lebensfreude verschandelte.


Ich bin kein Wolf und dennoch habe ich mir oft gewünscht, mehr Wolf zu sein. Seit ich hier lebe, bin ich es glaube ich mehr geworden. Das sagten sie alle, denen ich erzählte, dass ich wegwollte, in die Ferne. Die sind unfreundlich da drüben, sagten sie, die werden dich abhärten, sagten die anderen. Und dennoch schien ich mit jedem Tag mehr diejenige zu werden, die ich immer hatte werden wollen. Hingefallen, etliche Male und immer einmal mehr aufgestanden. 


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