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Die Scham am Strand

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Sandburgen und Saufen am Strand? Damit ist jetzt in einigen Urlaubsregionen Schluss.

Endlich am Strand! Nirgends ist der Mensch so frei wie hier. Zumindest denkt er das - während seiner Vorfreude auf den anstehenden Urlaub am Meer. Nichts, was sich dem Blick bis zum Horizont entgegenstellte. Nichts oder nichts Überflüssiges, was man am Körper tragen müsste. Dazu diese Weite, dieses Licht, dieser feine Sand! Wie sollte man sich da nicht leicht und frei fühlen? Frei zu tun, was man möchte, etwa mannshohe Sandburgen aufschütten oder barbusige Schönheiten modellieren.

Da verbreitet die Katholische Nachrichtenagentur folgende Meldung: An der Copacabana, dem natürlichen Habitat des Stringtangas, hätten sich nun die Sandbildhauer aus freien Stücken dazu verpflichtet, ihren Badenixen Strandröcke anzumodellieren statt der üblichen, auch 'Zahnseide' genannten Höschen. Der Grund: Franziskus, der bescheidene Papst, ist in dieser Woche hier auf dem Weltjugendtag und soll dabei nicht auf dicke Sandhintern und kaum verhüllte Brüste schauen müssen. Ob da nicht doch ein wenig sanfter Druck von Seiten des Erzbischofs ausschlaggebend war?



Eimersaufen am Ballermann? Das geht nur noch bis 22 Uhr.

Es wäre jedenfalls nicht verwunderlich und würde gut zur Reglementierungswut passen, mit der weltweit Strände in Freiluft-Lehranstalten verwandelt werden. So dürfen seit kurzem doch tatsächlich die teutonischen Ballermänner an der Strandpromenade der Playa de Palma ab 22 Uhr abends ihre Sangria-Eimer nicht mehr leersaugen und weder Bier noch Schnäpse unter freiem Himmel trinken. Das sei nicht vereinbar mit dem Qualitätstourismus, den man hier etablieren wolle, sagte ein Stadtrat, der nächtliche Müllberg aus Bierdosen, Scherben und Plastiktüten anderen Gästen nicht zumutbar. Dass Zuwiderhandelnde nur 'informiert', nicht aber mit Geldstrafen belegt werden sollen, ist südländisch sympathisch, wird die Kampftrinker aber wohl nicht stark beeindrucken.

Richtig an den Kragen geht es dagegen einer anderen deutschen Spezialität, den Sandburgen. Wo früher der Vater mit dem Klappspaten einen Sicht- und Windschutzwall kreisförmig um den Strandkorb aufgehäuft hat, den die Kinder mit Muscheln verzierten, ist heute meist nur noch plattes Land. Viele Orte an Nord- und Ostsee erlauben den Bau von Sandburgen nicht mehr. Die Küste müsse geschützt, der Strandspaziergänger vor dem Sturz in mondkraterartige Sandlöcher bewahrt werden.

Soziologen vermuten den Grund fürs Sandburgensterben allerdings ganz woanders: Die berühmte Handtuchmentalität der deutschen Urlauber habe sich über die Jahrzehnte geändert. Territoriale Besitzansprüche, die mit der Aufschüttung des Sandwalls bekräftigt wurden, seien nicht mehr so weit verbreitet. Zudem schäme sich heute keiner mehr fürs schnöde Faulenzen und Müßiggehen, was für die Wirtschaftswundergeneration ein weiterer Grund für die schweißtreibende Arbeit an den Strandburgen gewesen sein soll.

Unbehelligt von soziologischen Entwicklungen und Verboten bleiben die Kindersandburgen, auch Kleckerburgen genannt. Sie werden nach Bauantrag und langwierigem Planfeststellungsverfahren mancherorts noch genehmigt.

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