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Kampf gegen eine mächtige Industrie

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Heute ist das kaum vorstellbar, doch Zucker war lange Zeit so kostbar, dass sich nur Adelige und reiche Bürger den Süßmacher leisten konnten. Auch Preußens Könige haben am weißen Gold prächtig verdient, mit einer Zuckersteuer. Vor gut 150 Jahren war sie einer der größten Einnahmeposten im Staatshaushalt. Kein Wunder, dass sich auch später keine Regierung davon trennen mochte. Eine abgespeckte Form der früheren Zuckersteuer wurde in Deutschland erst 1993 abgeschafft.



Der weltweite Zuckerkonsum ist laut WHO äußerst bedenklich

Doch nun werden erste Stimmen laut, die eine Zuckersteuer zurückfordern. Nicht weil der Staat dringend neue Einnahmequellen sucht, sondern aus ganz anderen Gründen. Eine Abgabe, auf die etwa Diabetesverbände schon länger pochen, soll helfen, den hohen Zuckerkonsum einzudämmen. Denn der Stoff, ohne den Kuchen, Schokolade und andere Leckereien ungenießbar wären, ist in Verruf geraten. Das einstige Luxusgut hat sich zu einem billigen Massenprodukt entwickelt.

Weltweit hat sich der Zuckerkonsum in den vergangenen fünf Jahrzehnten verdreifacht – und das hat Folgen. Zucker kann krank machen, warnen nicht nur Mediziner. Übergewicht und Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes, Karies, Krebs, ja sogar Alzheimer werden mit hohen Zuckerrationen in Verbindung gebracht. Nun schlägt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Alarm. Sie hat eine neue Richtlinie veröffentlicht, in der sie die maximal empfohlene Tagesration halbiert. Zucker soll demnach nur noch maximal fünf Prozent des täglichen Kalorienbedarfs eines Menschen abdecken. Bisher lag die empfohlene Höchstgrenze bei zehn Prozent.

Vor allem in der Lebensmittelindustrie wird man das nicht gerne hören. Die neue WHO-Regel könnte vielen Produzenten das Geschäft vermasseln. Zucker versüßt viele Nahrungsmittel, den Konsumenten schmeckt’s – und das sorgt für hohe Umsätze und Gewinne. Der Süßmacher ist in fast allen Fertigprodukten zu finden. Sogar saure Gurken, Tütensuppen und Fischsnacks lassen sich so besser verkaufen. Ernährungsexperten kritisieren, dass vor allem Nahrungsmittel für Kinder viel zu süß seien. Sie sehen darin eine der Hauptursachen dafür, warum immer mehr Kinder zu viele Kilos auf die Waage bringen.

Die Zucker- und Lebensmittelindustrie spielt das Problem herunter und verweist darauf, dass der Pro-Kopf-Verbrauch der Deutschen seit Jahren im Schnitt unverändert bei 35 Kilogramm pro Jahr liege. Was sie nicht sagt, ist, dass damit nicht der gesamte Verbrauch erfasst wird. Es fehlen die versteckten Süßmacher. Diese Angaben wären jedoch wichtig, mehr als 80 Prozent der Zuckermenge, die jeder Einzelne zu sich nimmt, steckt in Fertigprodukten.

Wie viel Zucker genau in den Lebensmitteln enthalten ist, können Kunden im Supermarkt aber nur schwer erkennen, weil die Kennzeichnung auf der Verpackung intransparent und unverständlich ist. Verbraucherschützer monieren das. Bei einem Test im vergangenen Jahr fanden sie bis zu 70 verschiedene Süßmacher in Lebensmitteln, aber nicht alle werden in der Nährwerttabelle als Zucker angegeben. Viele Menschen essen deshalb vermutlich mehr Zucker, als ihnen bewusst ist.

Der Kampf der WHO gegen den hohen Zuckerverbrauch ist auch ein Kampf gegen die mächtige Lebensmittelindustrie. Die versucht, das angekratzte Image des Süßmachers mit teuren Kampagnen aufzuwerten. Die Parallelen in der Lobbyarbeit zur Tabakindustrie sind nicht zu übersehen. In der Branche wird bereits heftig darüber diskutiert, ob Zucker der neue Tabak wird - und zu einem ebenso heftig umkämpften Streitobjekt. Inwieweit die süße „Droge“ überhaupt mit Tabak verglichen werden kann, ist freilich umstritten. Bei Tabak ist die Lage eindeutig, er schadet nicht nur Rauchern selbst, sondern auch jenen, die daneben stehen. Rauchen macht süchtig, auch das steht fest. Das Suchtpotenzial von Zucker ist dagegen umstritten. Zucker macht – ähnlich wie Alkohol – auch nicht krank, aber eben nur, wenn ein gesundes Maß nicht überschritten wird.

Die WHO hat dieses – aus ihrer Sicht – gesunde Maß für Zucker nun nach unten korrigiert. Das ist ein wichtiger Schritt, der allein aber noch nichts bewirkt. Die Lebensmittelindustrie wird ihre Rezepturen nicht freiwillig ändern. Diese Erfahrung hat auch Mexiko gemacht, das Land mit dem höchsten Cola-Verbrauch weltweit. Um die zunehmende Fettleibigkeit der Mexikaner in den Griff zu bekommen, hat die Regierung im November eine Strafsteuer auf kalorienhaltiges Essen und Getränke eingeführt. Auch in Großbritannien wird über eine Zuckersteuer diskutiert. Ob eine solche Abgabe tatsächlich etwas nützt, muss sich zeigen. Eine gesündere Ernährung lässt sich nicht erzwingen. Mehr Aufklärung und mehr Transparenz wäre dafür ein erster wichtiger Schritt. Das bedeutet eine eindeutige Angabe aller Süßmacher auf Verpackungen, dann kann jeder selbst entscheiden. Wenn die Lebensmittelindustrie nicht freiwillig dazu bereit ist, muss der Gesetzgeber sie eben dazu zwingen.

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