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Der Oscar-Lieferjunge

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Brad Pitt warf immer mehr 20-Dollar-Scheine in den Büffelhut von Pharrell Williams. Kein Wunder, er hatte sich die Pizza auch derart genüsslich in den Mund geschoben, als hätte er drei Tage lang nicht gegessen. „Du hattest zwei Stücke“, sagte Moderatorin Ellen DeGeneres, die nach der kulinarischen Überraschung während der Oscar-Verleihung Trinkgeld für den Lieferjungen sammelte. Produzent Harvey Weinstein gab 200 Dollar, Lupita Nyong‘o hatte kein Bargeld dabei, also spendete sie Lippenbalsam. Insgesamt kamen 600 Dollar zusammen, die DeGeneres auf 1000 Dollar aufrundete. Nur: Der Lieferant war schon wieder weg.




Wenn Hollywoodstars hungern, hilft nur Pizzalieferant Edgar Martirosyan (links, neben Ellen DeGeneres)

Wie sich jetzt herausstellte, ist dieser junge Mann mit der roten Mütze, der da Pizza an Jared Leto, Meryl Streep, Kevin Spacey, Harrison Ford und Julia Roberts verteilte, kein Schauspieler, der für eine witzige Einlage während der ansonsten recht steifen Veranstaltung engagiert wurde. Nein, Edgar Martirosyan arbeitet tatsächlich bei einem Lieferservice auf dem Sunset Strip, ihm gehört die Filiale. „Ich bin gleich zurückgefahren, weil an diesem Abend ziemlich viel los war – ich bin nur deshalb ins Dolby Theatre gefahren, weil die anderen fünf Lieferanten unterwegs waren“, sagt er, „Bestellung aufgenommen, geliefert, das war‘s.“ DeGeneres überreichte ihm das Trinkgeld einen Tag später in ihrer Talkshow, überhaupt wird der 30 Jahre alte Martirosyan nun als Mensch gewordener amerikanischer Traum gefeiert.

Er wurde in Armenien geboren, seine Familie zog nach Moskau um, als er zehn war. Dort durfte er hin und wieder Hollywoodfilme sehen und war begeistert von „Pretty Woman“ und der Hauptdarstellerin Julia Roberts. „Sie war meine Traumfrau“, sagt Martirosyan. Als Teenager kam er in die USA, fand eine Anstellung beim Lieferservice Big Mama‘s and Papa‘s Pizzeria. Er war zunächst einer der Typen, die an einer Straßenecke stehen und Flyer verteilen oder mit einem überdimensionalen Schild darauf hinweisen, dass es da ein paar Meter weiter leckere Pizza gibt. Martirosyan arbeitete sich recht schnell nach oben, wurde Lieferant, dann Koch, später Manager. Seit einigen Jahren ist er Inhaber der Filiale auf dem Sunset Strip. Die Geschäfte laufen durchwachsen, die Konkurrenz ist groß in diesem Viertel.

Am Samstag bekam er dann einen Anruf, dass er während der Verleihung der Academy Awards zehn Pizzen liefern sollte. „Sie haben mir gesagt, dass es für die Autoren wäre“, sagt er. Doch DeGeneres habe ihn nach seiner Ankunft zu den Stars geführt – ohne Anweisungen, wie er sich zu verhalten habe. „Ich war schockiert. Als ich gemerkt habe, dass ich auf der Bühne war, habe ich überhaupt nicht verstanden, was da gerade passiert. Ich habe mir gedacht: Was mache ich hier?“

Etwas länger als zwei Minuten dauerte sein Auftritt, der Werbewert für die Lieferkette (bereits im Guinnessbuch für die größte jemals gelieferte Pizza) dürfte bei mehreren Millionen Dollar liegen – ein 30-Sekunden-Spot während der Show kostete 1,8 Millionen Dollar. Die Webseite besuchten in der Stunde nach Martirosyans Lieferung mehr als 60000 Menschen, das Unternehmen verkündete am Montag, dass die Bestellungen in den mehr als 20 Filialen in Kalifornien fünfmal so hoch waren wie an anderen Tagen – kurzzeitig ging der Teig aus.

Martirosyan geht mit seinem Ruhm locker um: „Ich drehe jetzt nicht durch. Das Extrageschäft ist sehr gut, aber eigentlich war es nur ein gewöhnlicher, wenn auch anstrengender Tag.“ Ziemlich cool für einen, der gerade 1000 Dollar Trinkgeld von Hollywoodstars bekommen und seiner Traumfrau Pizza gebracht hat. Über die sagt er natürlich: „Sie ist in Wirklichkeit noch schöner.“

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