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Wie eine Bankenpleite

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Die Sehnsüchte waren groß nach dem virtuellen Geld. Nun ist es der Schaden. In der Nacht zum Dienstag ist die größte Börse für die virtuelle Bitcoin-Währung mit dem Namen Mt.Gox verschwunden. Anlagen im Wert von mehr als 300 Millionen Dollar könnten damit weg sein.



Bitcoin-Anleger in Tokio wollen ihr Geld zurück

Die Webseite von Mt. Gox ist nicht mehr erreichbar, der Chef weg und das Büro in Tokio verwaist, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. „In der Community herrscht weithin Einigkeit, dass Mt.Gox insolvent ist. Die Geschäftsleitung von Mt.Gox hat jede offene Kommunikation bewusst vermieden. Eine böswillige Täuschung der Kunden der Börse ist nicht von der Hand zu weisen“, heißt es in einer Stellungnahme des deutschen Bundesverbandes Bitcoin e.V. Auch Gründer und Vorstandschef Mark Karpeles war zunächst nicht aufzufinden, am Nachmittag meldete er sich dann mit einem Kurzstatement: „Wir sind an einem Wendepunkt unseres Geschäfts.“ Am Sonntag war Karpeles als Vorstand der Handelsorganisation Bitcoin Foundation zurückgetreten.

Schon Anfang Februar hatte das Unternehmen alle Bitcoin-Konten wegen „ungewöhnlicher Aktivitäten“ bis auf weiteres gesperrt. Nutzer hatten schon länger Sicherheitslücken bemängelt und Zentralbanken, auch die Bundesbank, vor den Gefahren des „privaten Geldes“ gewarnt. Der Kurs der Cyber-Währung, der je nach Handelsplattform ohnehin stark variiert, brach bei Mt. Gox seit Anfang Februar um mehr als 80 Prozent auf 135 Dollar ein.

Also ist er jetzt aus, der Traum für die erste virtuelle und unregulierte Währung der Welt? „Dieser tragische Vertrauensbruch bei Kunden von Mt. Gox resultiert aus dem Verhalten des Unternehmens und reflektiert nicht die Seriosität oder den Wert von Bitcoins“, so sechs Branchenvertreter – Coinbase, Kraken, Bitstamp, BTC China, Blockchain and Circle – in einer gemeinsamen Stellungnahme. Allerdings hatten auch andere Betreiber von Bitcom-Handelsplätzen schon mit Sicherheitsproblemen und Hackerattacken zu kämpfen.

„Der Fall Mt. Gox ist vergleichbar mit einer Bankenpleite. Eine Lagerstätte und Handelsplattform für Bitcoin verschwindet vom Markt, und die Anleger tragen das Risiko. Das heißt aber nicht automatisch, dass die Währung an sich am Ende ist“, erklärt Thorsten Polleit, Honorarprofessor und Währungsexperte an der Frankfurt School of Finance. Er fordert seit Jahren einen freien Wettbewerb des Geldes anstelle des herrschenden staatlichen Monopolgeldsystems, in dem Zentralbanken die Geschicke lenken – und dafür in der Finanzkrise auch Kritik ernteten.

Den Traum von einer Parallelwährung oder einem Alternativgeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel gibt es freilich schon lange, im Großen wie im Kleinen, mit Namen wie Freigeld, Wir-Geld, Regio und anderen. Meist bleibt es ein Nischenphänomen, aber gerät das etablierte Geld in Verruf oder in eine Krise, dann bekommen die alternativen Ideen Auftrieb. Und auch dieses Mal ist es so, da sind sich Experten einig. Die 2009 entwickelten Bitcoins bedienen die Sehnsucht der Menschen nach einem Geld, das nicht beliebig vermehrbar ist. Ein von einer Gruppe von Mathematikern entwickelter Algorithmus soll dafür sorgen, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Bitcoins geben wird – 21 Millionen, irgendwann im Jahr 2140 oder auch danach.

Derzeit sind rund zwölf Millionen Bitcoins geschaffen oder geschürft, wie die Anhänger der virtuellen Währung in Anlehnung ans Gold schürfen sagen. Data Mining ist der englische Fachbegriff. Ähnlich wie im Minengewerbe, wo das Edelmetall unter immer größeren Mühen und Kosten tief unter der Erde abgebaut werden muss, ist der Algorithmus so programmiert, dass auch die Schürfrate der Bitcoins immer weiter abnimmt. Das sorgt für die wichtigste Eigenschaft von Geld, das seine Wertigkeit behalten soll – die Knappheit. Eine Eigenschaft, die im Zuge der Finanzkrise nicht mehr oder zumindest nicht mehr für jeden gegeben ist. Tatsächlich geben Zentralbanken seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 immer mehr Geld zu immer niedrigeren Zinsen an die Geschäftsbanken aus, um sie vor Schieflagen zu bewahren. Oder sie kaufen regelmäßig Staatsanleihen von frisch geschaffenem Geld. Da das Geld bisher meist im Bankensektor hängen blieb oder an die Börsen floss, blieben die Verbraucherpreise trotz der lockeren Politik weitgehend stabil. Aber immer mehr Menschen zweifeln, ob und wie lange das so bleibt – und suchen nach Alternativen.

Nun also Bitcoin. „Die virtuelle Währung hat durch die Finanzkrise enorm an Auftrieb gewonnen“, so Polleit, der gespannt ist, wie weit der Preis fallen wird, „bevor sich genügend Anleger finden, die es wert finden, wieder in Bitcoins einzusteigen“. Was für ihn ein wichtiges Prinzip des freien Geldwettbewerbs ist, ist für Bitcoin-Nutzer und vor allem die Betreiber von Bitcoin-Börsen eine Existenz-Frage. Bis Dienstagabend war immer noch unklar, ob wirklich ein nicht behobener Software-Fehler einen Run auf die Mt.Gox-Konten und damit den Zusammenbruch ausgelöst hat oder ob auch ein Betrug stattgefunden hat. Einem firmeninternen Dokument zufolge, dessen Echtheit noch nicht bestätigt ist, sollen etwa 774000 Bitcoins gestohlen worden sein, ein virtueller Bankraub sozusagen, darunter das Eigenkapital der Börse von 120000 Bitcoins. Experten wie Aaron König von der Global Bitcoin Alliance, die die Verbreitung des virtuellen Geld fördert, gehen mit dem Fall Mt.Gox besonders hart ins Gericht: „Mt.Gox ist gestartet, als Bitcoin noch eine Art Spielgeld für Computernerds war und hat es nicht geschafft, seine Software an die deutlich höheren Sicherheitsstandards anzupassen, die heute notwendig sind. Es ist gut, dass dieses Unternehmen jetzt vom Markt verschwunden ist und professionellere Anbieter an seine Stelle treten.“

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