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Es gab immer viel Spargel

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Elias Hauck lacht nicht. Auf der Leinwand vor ihm wird eine Karikatur gezeigt, die gerade einen Wettbewerb gewonnen hat. Elias sieht: eine Figur mit einem Globus als Kopf, die bis zu den Knien in einer Brandung aus Blut steht, daneben der Schriftzug "Syrien". Die Figur fragt: "Wo ist denn nun die 'rote Linie'?" Elias findet das nicht witzig. Er steht im Foyer der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin, die heute die "Rückblende" veranstaltet, einen Wettbewerb für politische Karikatur und Fotografie, er trinkt von seinem Weißwein und pickt unbeeindruckt die vegetarischen Häppchen von der Häppchenplatte. Dann entdeckt er einen Stapel Papierservietten mit dem Aufdruck der Landesvertretung, Wappen in Bordeauxrot, und freut sich auf einmal sehr. "Ach", sagt er, "die find' ich immer gut. Wenn Gäste kommen!" Er steckt die Servietten in die Innentasche seines Jacketts.

Elias Hauck, 35 Jahre, Zeichner, und sein Partner Dominik Bauer haben bei der "Rückblende" diesmal nichts gewonnen. Zusammen sind sie das Comic-Duo "Hauck & Bauer", vor zwei Jahren wurde hier einer ihrer Cartoons ausgezeichnet. Man kennt sie vor allem aus der Rubrik "Am Rande der Gesellschaft" in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Elias ist außerdem der Mann, der "Sonja – das Frauenmagazin für Witze" erfunden hat, eine Art Frauenzeitschriften-Satire. Und im März bringt er ein Buch mit dem Namen "Alles Spargel oder was? Die heißesten Spargelwitze der Welt" heraus. Elias hat Spargelcartoons gesammelt und die lustigsten zusammengestellt. Ja, wirklich: Spargelcartoons.




Elias lacht über vieles, was man bis dahin noch gar nicht witzig fand. Zum Beispiel über die Idee, auf einem Sofa in einer Druckerei zu schlafen.

Elias Hauck lacht also nicht über Syrien-Karikaturen, die böse, kritisch und subtil sein wollen. Aber über Spargelcartoons, die all das nicht sein wollen. Es ist eine Art Königsklasse des einfachen Humors, der auch in den "Hauck & Bauer"-Cartoons steckt und auch in "Sonja". Ohne Doppelbödigkeit, ohne Ironie, ohne Boshaftigkeit. Niedlich, ohne naiv zu sein, einfach, ohne dumm zu sein. Vielleicht ist das der Humor der 2010er Jahre, vielleicht ist das die Post-Ironie. Wenn es so ist, dann ist Elias Hauck einer ihrer wichtigsten Vertreter.

Wenn man ihn trifft, versteht man ihn allerdings erstmal nicht, weil einiges an ihm nicht zusammenpasst. An diesem Tag, an dem er später eine Preisverleihung besuchen muss, sieht er ziemlich seriös aus für jemanden, der bald ein Buch mit Spargelwitzen herausbringt. Sogar ein bisschen eitel. Er trägt einen schwarzen Mantel und Anzugschuhe, die dunklen Haare sind ordentlich frisiert. Aber der Mensch im Mantel ist dann überhaupt nicht steif, eher ein bisschen zappelig, gut gelaunt, unbeschwert. Auf dem Weg durch den Ernst-Thälmann-Park in seinem Bezirk Prenzlauer Berg plaudert er sehr freundlich los, man muss gar nichts fragen. Er erzählt, wo er wohnt, dass er im Sommer oft unter der Trauerweide liegt und wie unfassbar viel Wigald Boning arbeitet. Während man aus manchen berufslustigen Menschen keinen ernstgemeinten Satz herausbekommt, ständig abwägen muss zwischen Ironie und Nicht-Ironie, ist dieser hier ganz angenehm ungefährlich und mitteilsam.

Es ist sehr kalt in Berlin, Elias vergräbt beim Spazieren die Hände in den Manteltaschen, zieht die Schultern hoch, und zwischendurch hüpft er immer wieder drei Schritte, vielleicht wegen der Kälte, vielleicht wegen Energieüberschuss. Er könnte dann auch ein fröhlicher kleiner Junge sein, den man in seine Kommunionsschuhe gesteckt hat, in denen er zwei verschiedenfarbige Socken trägt, eine rot und eine gelb, "das passiert mir manchmal", sagt er. Ein kleiner fröhlicher Junge würde sich allerdings nicht den Ernst-Thälmann-Park für einen Fototermin aussuchen, der zwischen Plattenbauten, einem sozialistischen Denkmal und einem grauen Schneehimmel eingeklemmt ist. "Das ist so schön trostlos", sagt Elias. Es klingt begeistert.

Der Trick: Alles ist schon witzig. Man muss nur auf die Idee kommen, darüber zu lachen.

Nach dem Abitur wollte er eigentlich an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach studieren, aber er ist froh, dass er sich doch dagegen entschieden hat. "Vielleicht wäre ich da versaut worden", sagt er. Stattdessen zog er 1999 von Unterfranken nach Berlin und kellnerte. 2003 haben sich Dominik und er, die sich seit der Schulzeit kennen, initiativ bei der FAS beworben. Der Redakteur war so begeistert, dass er sofort Platz im "Leben"-Teil freiräumte, der damals noch "Gesellschaft" hieß. Rechts am Rand laufen die Cartoons herunter, daher auch der Name, "Am Rande der Gesellschaft". Hauck & Bauer arbeiten außerdem für Titanic und Spiegel Online, mittlerweile machen sie auch Trickfilme für Anke Engelkes Fernsehsendung "Anke hat Zeit".

Ein Hauck & Bauer-Cartoon entsteht, indem Dominik Bauer in Frankfurt einen Witz schreibt, dann Elias in Berlin anruft und ihn diktiert. Elias zeichnet ihn und zwar sehr schlicht, schwarz-weiß, Filzstift auf Papier. Die Schlichtheit macht viel vom Humor der Cartoons aus. Aus wenigen Worten entsteht ein Witz, aus wenigen Strichen ein Gesichtsausdruck. Die besten Cartoons von Hauck & Bauer sorgen dafür, dass man lachen muss, natürlich, aber auch ein bisschen traurig oder ein bisschen gerührt ist. Die Figuren sind oft einsam oder verhalten sich in einer Situation, die einem erst mal bekannt vorkommt, eine kleine Spur daneben, zum Beispiel, indem sie aussprechen, was sie besser nur gedacht hätten. Elias zeichnet Geschichten. Mindestens ein Bild, maximal vier Bilder lang. "Wie Stenographie" seien sie, hat der Medienjournalist Stefan Niggemeier im Vorwort für einen Hauck & Bauer-Sammelband geschrieben, "wie eine Kurzschrift auf das Leben." Und die Genialität der Stenographie ist bekanntlich: Einfachheit.

Nach dem Fototermin im Park besucht Elias seinen Freund Martin Z. Schröder in dessen Druckerei, mit alten Setzkästen und riesigen Druckmaschinen. Elias hat von ihm seine Visitenkarten drucken lassen. "Elias Hauck" steht darauf, und darunter: "Den Rest kann man ja googeln." Beim Kaffee erzählt er eine Spargelgeschichte, angeblich macht er seit einem Jahr nichts anderes, behauptet zumindest Schröder. Diese handelt von Zeichnerkollege OL: "Der hat in der Spargelsaison zweieinhalb Kilo Spargel eingefroren, um im Januar Spargel essen zu können", sagt Elias und lacht. Er findet das wirklich irre witzig, Spargel im Januar! Überhaupt lacht er dauernd, meistens ein Mal laut und hell heraus, dann zieht er das Kinn ein bisschen ein und gluckert noch etwas nach. "Wer gerne lacht, kennt Elias Hauck", hat die Intro mal über ihn geschrieben. Darüber hat er sich besonders gefreut. Eben allerdings, als er seinen Mantel an die Garderobe gehängt hat, lachte er nicht. "Kommste dran?", hatte Schröder gefragt, weil Elias Hauck nämlich ziemlich klein ist. Da hat er nur "Ja" gesagt und etwas ratlos ausgesehen.



Einer seiner liebsten Comicstrips ist dieser hier.

Das ist natürlich auch eine einfache Art, einen Witz zu machen: auf Kosten anderer. Aber auch ziemlich unkreativ. In "Sonja – das Frauenmagazin für Witze" gibt es ein Interview mit Inge Maux, der Schauspielerin aus Ulrich Seidls Film "Paradies: Liebe", in dem sie eine Sextouristin spielt. Das wirkt erst mal so, als werde sie dort vorgeführt, damit man sie auslachen kann. Es klingt ein bisschen ausgedacht, wenn sie zum Beispiel auf die Frage "Was wollen Frauen wirklich?" antwortet "Goody! Spontan fällt mir ein 'geliebt werden'." Aber es ist nicht ausgedacht. Das Interview wurde genau so geführt und ist trotzdem witzig, ohne Inge Maux in die Pfanne zu hauen.

"Die ist einfach so nett und gut gelaunt!", erzählt Elias, als er vor der "Rückblende" in einem Café am Alexanderplatz Chai Latte mit Honig trinkt, das wahrscheinlich unironischste Getränk der Welt, und es klingt wieder von Herzen begeistert. Inge Maux hat auch zugestimmt, dass ihr Foto auf dem "Sonja"-Titel erscheint. Drunter steht ein Zitat: "Ich lach irrsinnig gern". "Und das stimmt einfach", sagt Elias. Keine Spur von Boshaftigkeit, auch nicht auf die Frage hin, warum er das denn macht, dieses Heft, für das er Kollegen um Inhalte bittet, für die er sie nicht bezahlen kann, und das kistenweise in seinem Flur herumsteht. Elias Hauck sagt nicht, dass er das macht, weil er Frauenmagazine so bescheuert findet, sondern "weil das einfach rausmusste. Und es gibt zu wenig Witzemagazine mit Frauen und zu wenig Frauenmagazine mit Witzen." Man muss ihm das einfach glauben, so unschuldig sieht er aus, wenn er davon erzählt. Seine Mimik ist ganz unverkniffen, keine Listigkeit, keine schmalen Augen, immer ein ganz gerades Herausschauen. Man kann sich nicht vorstellen, dass sich dahinter ein fieser Gedanke versteckt.

Noch ein Versuch, das Fiese, Dreckige, wenigstens das Präpubertäre in seinem Humor zu finden: Warum zur Hölle eigentlich Spargelwitze? Aber Elias sagt nichts von Penisgemüse oder dass die Spargelsaison nervt, sondern: "Da wo ich herkomme, ist Spargelanbaugebiet, es gab immer viel Spargel." So einfach ist das. Was er außer Spargel witzig findet? Politisches Kabarett jedenfalls nicht, das findet er furchtbar, da gäbe es doch nie neue Sichtweisen, die Leute bekämen nur ihre Meinung bestätigt. Aber er mag Helge Schneider, "weil der was gemacht hat, was niemand gewollt hat, diese Nicht-Witze."

Sehr gelacht hat Elias auch bei "Fack ju, Göhte", und seine Lieblingsszene beschreibt er so: "Als Uschi Glas Katja Riemann diese selbstgetöpferte Skulptur auf den Schreibtisch stellt und sagt: 'Das hab ich für dich in der Burn-Out-Klinik gemacht' – da hat's mich zerrissen!" Er kann das gar nicht erzählen, ohne dabei noch mal darüber zu lachen. Helge Schneider und die "Fack ju, Göhte"-Szene haben etwas gemeinsam: Sie sind genial einfach und sie sind genial unironisch. In einem von Elias' liebsten Hauck & Bauer-Cartoons ist der Protagonist übrigens ein niedliches Häschen. Auch Häschenwitze sind so. Genial einfach, genial unironisch.

Im Bus, auf dem Weg zur Preisverleihung, lacht Elias dann plötzlich auch wieder. "Ich musste grade dran denken, dass Martin Z. Schröder heute erzählt hat, dass er sich vorgenommen hat, mal auf dem Sofa in der Druckerei zu schlafen!" Bis jetzt fand man das noch gar nicht witzig. Aber vielleicht ist das der Trick: Alles ist schon witzig, man muss nur auf die Idee kommen, darüber zu lachen. Und Elias Hauck hat diese Idee einfach die ganze Zeit. Er sitzt da, streckt seine Füße in den Anzugschuhen und den verschiedenfarbigen Socken von sich und lacht sehr laut in den Bus. Witzbolde, sagt er, seien oft albern, er fände sich aber eher ernst. Eigentlich stimmt das nicht, denn Elias Hauck ist schon ein bisschen albern. Aber es stimmt doch, denn er meint das ja völlig ernst.
 



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