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Zehn Fakten zum Pillenstreit

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1. So wirkt sie


Die Pille danach ist ein Hormonpräparat. Ein Gelbkörperhormon, das in geringerer Konzentration auch in der Antibabypille enthalten ist, hemmt den Eisprung. Wenn sie innerhalb von 24 Stunden nach dem Sex genommen wird, kann sie 95 Prozent der ungewollten Schwangerschaften verhindern. Nach 24 bis 48 Stunden sind es immerhin noch 85 Prozent, insgesamt spricht man davon, dass die Pille danach noch 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr wirken kann. Die Pille danach gilt ausdrücklich nicht als Schwangerschaftsabbruch, sondern als Mittel zur Schwangerschaftsvermeidung. Nebenwirkungen gibt es natürlich auch, und die können mitunter unschön sein: Kopfschmerzen, verspätete Menstruationsblutungen, Zwischenblutungen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Allerdings haben viele andere rezeptfreie Medikamente ähnliche oder gar stärkere Nebenwirkungen. Allein die Nebenwirkungen können also eigentlich kein Argument für die Rezeptpflicht sein.

2. Die Rechtslage in Deutschland...


In Deutschland gibt es die Pille danach nicht einfach so zu kaufen. Man braucht ein Rezept vom Arzt, muss ihn dafür also extra aufsuchen und ein Beratungsgespräch führen. Das Rezept muss nicht von einem Gynäkologen ausgestellt werden, ein Allgemeinmediziner – oder am Wochenende die Notaufnahme im Krankenhaus – tut’s auch. In Deutschland kam die Pille danach 2013 knapp 400.000 mal zum Einsatz.


War das eine Panikflucht nach Kondomvergesslichkeit?

3. ... und in anderen europäischen Ländern


In Sachen Pille danach ist Deutschland alles andere als ein Vorreiter. Die meisten europäischen Länder folgten einer Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die kam 2010 zu dem Ergebnis, dass Frauen und Mädchen das Medikament auch ohne ärztliche Beratung und ohne Rezept einnehmen können, ohne sich dabei einem größeren Risiko auszusetzen. Im Moment ist die Pille danach also in 28 europäischen Ländern ohne Rezept zu haben. Nur Polen, Italien und eben Deutschland halten bislang an der alten Regelung fest. In den USA ist die Pille danach übrigens auch ohne Rezept erhältlich.

4. Die Position der Union


Gesundheitsminister Gröhe (CDU) eröffnete die gerade laufende Debatte vergangenes Wochenende mit einem Interview in der Welt am Sonntag. Er sei gegen eine Aufhebung der Rezeptpflicht, sagte er, und im Laufe der Woche pflichteten ihm prominente Unionsabgeordnete bei. Seine Argumente: Die Pille danach habe mitunter „schwere Nebenwirkungen“, man müsse ergo eine gute Beratung gewährleisten, und da sei die vertrauliche Atmosphäre einer Arztpraxis der beste Weg. Damit stellt sich der Gesundheitsminister auch gegen den Expertenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, der die Aufhebung der Rezeptpflicht zuletzt Mitte Januar empfohlen hat. Momentan deutet nichts darauf hin, dass die Union von ihrer Haltung abrückt.

5. Die Position von SPD und Opposition


Die Pille danach taucht wohl aus gutem Grund nicht im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union auf: Man ist sich uneinig. Die SPD will, dass das Verhütungsmittel auch ohne Rezept in der Apotheke zu kaufen ist. Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitspolitiker und Talkshow-Dauergast mit Fliege, warf Gröhe nach dessen Interview „Bevormundung von Frauen“ vor. Die Opposition ist gleicher Meinung.

6. Die Position der deutschen Ärzte


Der Fachverband der Gynäkologen und die Bundesärztekammer warnen: Sie halten die Einnahme die Pille danach für nicht ganz ungefährlich. Das Präparat bedeute einen gravierenden Eingriff in den Hormonhaushalt, ähnlich wie bei Gröhe ist von gravierenden Nebenwirkungen die Rede. (Hier eine Stellungnahme des Berufsverbands der Frauenärzte und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie als PDF)

7. #wiesmarties


Auf Twitter versammeln sich die Gegner der Union unter dem Hashtag #wiesmarties. Er bezieht sich auf ein Zitat des  CDU-Gesundheitspolitikers Jens Spahn. Er befürwortet die Rezeptpflicht und begründete sie mal mit dem Satz, dass solche Pillen nun mal keine Smarties seien.

8. Die Petition


Als Reaktion auf Gröhes Interview stellte Stefanie Lohaus eine Petition auf change.org ein und forderte Gröhe auf, seine Haltung zu überdenken und die Rezeptpflicht für die Pille danach aufzuheben. Sie ist Gründerin und Chefredakteurin des Missy Magazins. In der Petition, die innerhalb von zwei Tagen fast 20.000 Unterstützer fand, heißt es: „In Deutschland wird auf dem Rücken der Frauen eine moralische Debatte geführt, keine medizinische. Dies ist im Jahr 2014 nicht hinnehmbar.“

9. Die moralische Frage


Eigentlich ist ja längst klar: Die Debatte ist keine Abtreibungsdebatte. Das hat die katholische Kirche bereits eingesehen, und auch Gröhe betonte, es gehe nicht darum, vermeintlichen Sittenverfall zu bekämpfen. Aber auch Verhütung ist ja im Katholizismus noch immer ein Problem. Besonders deutlich wurde das im Dezember, als eine junge Frau in zwei katholischen Kliniken abgewiesen wurde, als sie nach einer Vergewaltigung ein Rezept für die Pille danach wollte. Nach heftiger Kritik meldete sich Kardinal Meisner zu Wort. Er gilt als ziemlich konservativer Kirchenvertreter, sagte aber jetzt, er halte die Pille danach für Vergewaltigungsopfer für vertretbar.  

10. Umwege


Wo eine Pille ist, ist auch ein Weg. Der führt zum Beispiel nach Österreich oder andere Nachbarländer, in denen die Pille danach leichter zugänglich ist. Und, logisch, auch das Internet hat eine Umleitung parat. Die Online-Praxis "DrEd" hat ihren Sitz in Großbritannien. Dort ist es Ärzten erlaubt, Rezepte auszustellen, ohne dass sie den Patienten in ihrer Praxis empfangen haben. Seit einer Weile verschickt der Web-Doktor für 25 Euro also auch Rezepte für die Pille danach. Wer sie braucht, füllt einen Online-Fragebogen aus und kann die Pille dann in einer von deutschlandweit 750 Apotheken abholen, die mit DrEd einen Vertrag geschlossen haben. Dieses Verfahren finden weder Unions- noch SPD-Politiker gut.

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