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"Zu zehn Prozent braucht es Hirn"

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Soul ist auch nach 50 Jahren nicht tot zu kriegen. Einer der Gründe dafür: Mayer Hawthorne. Der 34-Jährige aus Detroit gilt als Fackelträger des Vermächtnisses von Motown und hält dessen Erbe auch auf seinem neuen Album stilecht am Leben. Ein Interview über die Arbeit als Dachdecker, Snoop Dogg und Autofahrten mit seinem Vater.

jetzt.de: Du spielst verschiedene Instrumente. Das Bass-Spielen hat dir dein Vater beigebracht. Ist er mit deinen Fertigkeiten zufrieden?
Mayer Hawthorne: Ja. Er hält mich sogar für besser als sich selbst, aber das ist Quatsch. Außerdem haben wir grundverschiedene Spielstile.  

Dann ist er mit dem bisherigen Verlauf deiner Karriere vermutlich zufrieden, oder?
Mein Vater war immer sehr skeptisch bezüglich meines Entschlusses, Berufsmusiker zu werden. Er spielt selbst seit Ewigkeiten in einer Band und weiß daher, wie schwer es ist, als Berufsmusiker Fuß zu fassen. Daher hat er immer sehr viel Wert darauf gelegt, dass ich in der Schule aufpasse und meinen Abschluss mache. Aber klar: Mein Vater ist mein größter Fan.  

Welcher Beruf hat ihm denn für dich vorgeschwebt?

Er wollte immer, dass ich Chinesisch lerne. Er war der Meinung, das würde mir auf ewig einen Job garantieren. Ich hatte aber keinen Bock darauf. Stattdessen habe ich Informatik gelernt. Fand er auch okay.  

Gab es einen Punkt, an dem seine Skepsis plötzlich zu Stolz wurde?

Diesen Punkt gab es bisher noch nicht, fürchte ich. Der Stolz ist zwar da, aber seine Nervosität wird er wohl nie ganz ablegen können. Ich bin ja genauso und habe Angst, dass morgen alles vorbei sein könnte.  



Hat als Kind für Frisörbesuche Platten bekommen: Mayer Hawthorne.

Wir kritisch ist dein Vater, wenn du ihm neue Sachen vorspielst?
Mein Vater ist mein größter Kritiker. Aber dafür liebe ich ihn auch. Sobald ich einen neuen Song fertig habe, schicke ich den immer sofort zu meinen Eltern. Manchmal ist das schmerzhaft. Eins meiner Lieblingsstücke vom neuen Album ist "Allie Jones" und das habe ich meinem Vater voller Stolz zugeschickt. Sein Kommentar dazu war: "Find ich irgendwie komisch. Gefällt mir nicht." Da war ich platt.  

Und?
Zwei Tage später schrieb er mir erneut und meinte: "Ich hab mir den Song noch mal angehört. So schlecht ist er doch nicht. Er wächst mit der Zeit."  

Änderst du denn manchmal etwas an deinen Songs auf Anraten deiner Eltern – oder packst sie gar nicht erst auf ein Album?
Nein. Aber ihre Meinung ist mir wichtig. Es gibt höchstens 15 Leute auf der Welt, deren Meinung mir wirklich etwas bedeutet.  

Wessen Meinung ist dir denn wichtiger – die von deinen Eltern oder die von Leuten wie Snoop Dogg oder Justin Timberlake, die bekanntermaßen deine Fans sind?

Die Meinung meiner Familie und enger Freunde bedeutet mir mehr. Obwohl ich sagen muss, dass Snoop mittlerweile ein guter Freund von mir ist – dadurch ist mir auch seine Einschätzung wichtiger geworden. Aber nur, weil jemand berühmt ist, interessiert mich nicht automatisch dessen Meinung. Es gibt schließlich eine ganze Menge Celebrities mit furchtbarem Musikgeschmack.  

Wie heißt denn eigentlich die Band deines Vaters?
The Breakers. Die spielen aber keine eigenen Songs, sondern konzentrieren sich auf Coverversionen von Classic-Rock-Songs.  

Profitieren sie von deinem Ruhm?

Klar - neulich war ein Foto meines Vaters in der Entertainment Weekly. Er ist jetzt auch berühmt!  

Wenn du auf Spotify registriert bist, kannst du hier das neue Album "Where Does This Door Go" hören:
Mayer Hawthorne – Where Does This Door Go

Stimmt es eigentlich, dass dich deine Eltern früher immer mit Platten bestochen haben, wenn sie wollten, dass du etwas tust?
Manchmal, ja. Ich habe es als Kind gehasst, zum Friseur zu gehen, und habe regelmäßig Wutanfälle bekommen. Um mich zu beschwichtigen, habe ich von meinen Eltern dann immer eine Platte gekriegt. Daher stammt auch mein DJ-Name "Haircut". 

Andere
Kinder hätten Spielzeug vielleicht besser gefunden...
Aber Platten haben mich fasziniert. Das waren die Spielzeuge, die ich haben wollte. Ich war besessen davon. Natürlich hatte ich auch ein paar Transformers und G.I.-Joe-Figuren – fand ich aber langweilig im Vergleich zu Platten.  

Das hast du dir vermutlich bei deinen Eltern abgeguckt, oder?

Ja, meine Eltern hatten eine große Plattensammlung und haben immer viel Musik aufgelegt. Sie haben mir auch viel über Musik beigebracht. Mein Vater hatte damals einen Laden für gebrauchte Autoteile, zu dem sind wir morgens immer in seinem alten Ford Bronco gefahren und haben dabei Radio gehört. Und mein Vater konnte mir zu jeder Gruppe etwas erzählen: wie der Leadsänger heißt, wann die letzte Platte rauskam oder wie das Konzert war. Dadurch habe ich eine tolle musikalische Allgemeinbildung bekommen.  

Du hast mal gesagt, ein perfekter Sonntag bedeute für dich zuhause Musik zu hören und Platten zu sortieren. Wann hattest du das letzte Mal einen solchen Sonntag?
Ach, das ist noch gar nicht so lange her. Ich achte sehr darauf, dass ich mir ausreichend Zeit dafür nehme. Das finde ich wichtig. Und das genieße ich auch entsprechend.  

Gibt es denn eine bestimmte Platte, die alles für dich bedeutet und die du nicht für eine Million Dollar verkaufen würdest?

Ja, es gibt ein paar Platten, die einen sentimentalen Wert für mich haben, der in Geld kaum aufzuwiegen ist. Es gibt zum Beispiel eine Platte der Band Shorty’s Portion, von der ich auch den Song "Fantasy" für meine "Impressions"-EP gecovert habe. Die habe ich von meinem guten Freund und Förderer Peanut Butter Wolf geschenkt bekommen. Ich habe nie ein weiteres Exemplar dieser Platte gesehen, vermutlich gibt es davon auf der ganzen Welt nur noch 50 Stück. Aber der Wert, den sie für mich hat, liegt noch nicht einmal in ihrer Seltenheit, sondern in dem Umstand, dass ich sie von Peanut Butter Wolf geschenkt bekommen habe, einem meiner allerbesten Freunde. Diese Platte würde ich nie verkaufen.  

Bevor du mit der Musik durchgestartet bist, hast du eine ganze Reihe verschiedener Jobs gemacht. Welches war der schlimmste von allen?
Oje, ich habe so viele Scheißjobs gemacht... Aber am schlimmsten war es wahrscheinlich als Dachdecker. Ich musste bei über 40 Grad auf schwarzen Teerdächern in Detroit herumrobben und alte Dachplatten abnehmen. Dann musste ich die neuen Dachplatten, jede wog so um die 60 Kilo, die Leiter rauftragen und auf dem Dach festnageln. Das war echt hart, aber ich hab’s ein paar Sommer lang durchgezogen.  

Was hat dir der Job rückblickend gebracht?

Dieser Job hat einen Mann aus mir gemacht und mir den Wert von harter Arbeit gelehrt. Ich komme ja aus Detroit, einer Arbeiterstadt, und dort lernt man, dass man hart arbeiten muss, um etwas zu erreichen. Meine Eltern haben immer gesagt: "Zu zehn Prozent braucht es Hirn, zu 90 Prozent Schweiß" – und diese Erkenntnis hat mir wahnsinnig geholfen, als ich vor ein paar Jahren nach Los Angeles gezogen bin. In L.A. sind ja alle wahnsinnig relaxt, jeden Tag scheint die Sonne, es herrscht eine entspannte Atmosphäre. Deswegen sind die Leute da wahrscheinlich auch etwas fauler. Als wir dort hingezogen sind, haben wir natürlich weiterhin so hart an unseren Songs gearbeitet, wie wir es von zuhause kannten – und das hat uns letztlich den Erfolg gebracht. Wir haben unsere Konkurrenz regelrecht an die Wand gearbeitet.

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