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Funky, karg, hart

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Seltsam altmodisch ist der Blick in diese imaginäre Zukunft. Da hantiert ein junger Mann mit einer backsteingroßen Fernbedienung vor einer alten, staubig grauen Fernsehbildröhre. Im nächsten Moment gleitet er in eine traumhafte, in violettes Dämmerlicht getauchte Parallelwelt hinüber, in der eine geheimnisvolle Sogkraft ihn bald ins Innere eines Raumschiffes locken wird. Auf die Tanzfläche, in den wabernden Nebel einer Science-Fiction-Disco.

Der Schauspieler Anton Yelchin stellt diesen sehnsüchtigen Schlafwandler dar, im zweiteiligen Kurzfilm, den Jacob Gentry zum neuen, zweiten Album der Band Broken Bells gedreht hat. „After The Disco“ heißt es anspielungsreich, es ist das Werk eines Super-Duos: Produzent Brian Burton, bekannt unter dem Künstlernamen Danger Mouse, trifft auf James Mercer, den Sänger der Gruppe The Shins.



Liebeserklärungen an den sentimentalen Fortschrittsglauben der Popkultur: die zweite Albumveröffentlichung des Produzentenduos James Mercer und Brian Burton.

Natürlich bezieht die Wucht einer solchen Konstellation ihre Energie zu allererst aus der Bedeutung ihrer Einzelteile: Danger Mouse ist als einer der cleversten Pop-Produzenten der Gegenwart. Er versteht sich sehr gut darauf, die nostalgische Symbolgewalt der Sixties-Musikstile – von Soul bis Psychedelic Rock – zeitgemäß zu renovieren. „Crazy“, 2006 mit dem Sänger Cee-Lo Green unter dem Namen Gnarls Barkley veröffentlicht, gehört zu den großen Ohrwürmern der jüngeren Vergangenheit. Auch für die Gorillaz, Beck, Norah Jones und die Black Keys saß er am Mischpult.

Der Gegenpart: James Mercer, Gründer und Frontmann einer der großen Indie-Pop-Bands der Nullerjahre, die nach einer Soundtrack-Präsenz im Film „Garden State“ mit ihren zarten, melancholischen Songs zur Lieblingsband leicht gelangweilter Twentysomethings wurde. Gemeinsam, als Broken Bells, geht es Burton und Mercer um die Vollendung des Popsongs – oder um den Spaß am Experiment. Oder vielmehr: um beides.

So funktioniert der besagte Science-Fiction-Kurzfilm auch nicht wie ein herkömmlicher Videoclip, sondern als Teil des Gesamtkunstwerks. Er ist weniger Illustration, als eher Teil der Musik, die ohnehin so klingt, als sei sie wie ein Film-Soundtrack auf cineastische Visionen komponiert. Ebenso diffus, wie die Videobilder zwischen popkultureller Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsvision schweben, fließen auch im Sound die historischen Zeiten ineinander: halliger Downbeat-Indie-Pop, Hippie-Psychedelia, Siebziger-Disco und melancholischer Retrofuturismus.

Ein bemerkenswerter Spagat zwischen Alt und Neu

Die Zukunft, die Mercer und Burton herbeizitieren, ist eine längst vergangene, eine, die an die Weltraumfilme der Fünfziger und Sechziger denken lässt, etwa an Roger Vadims „Barbarella“. Mercer und er seien fasziniert davon, welche Utopien die Leute damals hatten, hat Burton kürzlich in einem Interview erzählt. Vor der Studioarbeit daheim in Los Angeles hätten sie sich erst einmal Michael Andersons Science Fiction „Flucht ins 23. Jahrhundert“ angesehen.

Ihren Weg in die Songs auf „After The Disco“ hat die Aura der alten Filme auf vielfältige Weise gefunden. Gleich am Anfang von „Holding On For Life“ surrt der zittrige Klang eines Theremins, eines vor allem in den Sechzigerjahren beliebten elektronischen Instruments. Wie ein außerirdisches Gespenst spukt es durch die Platte, die mal die Bee Gees, mal Prince oder David Bowie heraufbeschwört. Man hört Klangeffekte wie aus der Kommandozentrale eines Raumschiffs, Hollywood-Streicher, Achtzigerjahre-Synthesizer, Referenzen, die nach all den Revivals der vergangenen Jahrzehnte alt und doch zeitlos klingen. Liebeserklärungen an den sentimentalen Fortschrittsglauben der Popkultur, Stehblues-Songs für eine Zukunft, die es nie geben wird.

Die nervöse Fülle der Stile mischt Danger Mouse zu einem erstaunlich schlüssigen Gesamtbild zusammen. Er ist ein Meister des Mash-ups, heute noch viel mehr als vor zehn Jahren, als er durch seine im Internet kursierende Kreuzung aus dem „White Album“ der Beatles und Jay-Zs „The Black Album“ bekannt wurde. Bemerkenswert ist der Spagat zwischen Alt und Neu, den er auf „After The Disco“ versucht, aber vor allem, weil er zugleich eine zweite Vermischung vollzieht: die von Alternative Rock und elektronischer Tanzmusik, die zuletzt auch Daft Punk oder Arcade Fire probierten. Die Authentizität, das Unverfälschte der Instrumente, die nicht etwa digital simuliert, sondern live eingespielt wurden, verschwimmt in der Bearbeitung. Im Computer wird alles zu Spielmaterial.

So finden Mercer und Burton eine Klangästhetik, um die ihrer Musik zugrunde liegende Retro-Orientierung abzufangen, diese unscharfe Sehnsucht nach dem, was hätte sein können.

Die Songs sind zugleich verspielt und karg, funky und metallisch hart. Die Broken Bells arbeiten die Vergangenheit nicht nur für die Nostalgiker auf, sondern klopfen sie auf die Bedürfnisse des Hier und Jetzt hin ab. Das ‘Danach’ im Albumtitel verweist also nicht nur auf die Katerstimmung im Anschluss an eine durchtanzte Nacht – es meint auch einen dauerhaften Verlust. „Nothing we know here remains“, singt Mercer in „Control“. Für Euphorie in derart unsicheren Zeiten sorgt bekanntlich die Musik. „After The Disco“ ist ein guter Anfang.

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