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Der verlorene Vater

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Das NSU-Trio Beate Zschäpe (l-r), Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.Die Eltern Böhnhardts haben vergeblich versucht, die Drei zum Aufgeben zu überreden.

Jürgen Böhnhardt ist jetzt 69 Jahre alt, das ist nicht wirklich betagt, aber er ist gealtert vor der Zeit. Bis vor ein paar Jahren war er Ingenieur. Er muss tüchtig gewesen sein in seinem Beruf. Er hat, als die Industrie in der DDR zusammenbrach, seinen Job in Jena behalten. Und er hat, das sagt er selbst, „viele Stunden“ in seinem Betrieb verbracht. Zu Hause dagegen scheint Vater Böhnhardt eher eine Nebenrolle gespielt zu haben, fast wie ein Gast. Selbst als die Polizei zu Hausdurchsuchungen wegen seines Sohnes anrückte, hat er das weggeschoben. „Das war meist morgens, da war ich schon im Betrieb“, sagt er. Ein einziges Mal sei er selbst dabei gewesen.

Jürgen Böhnhardt ist der Vater von Uwe Böhnhardt, der die rechtsradikale Terrorgruppe NSU mit gegründet und zehn Menschen erschossen haben soll. Der Vater will von der Entwicklung seines Sohnes nicht viel mitbekommen haben. Er scheint zu diesen Männern zu gehören, die klar trennen: Für Familie und Haushalt ist die Frau zuständig, für den Job der Mann. Obwohl auch seine Frau voll berufstätig war, als Lehrerin. Sie hat im NSU-Prozess bereits im Dezember Rede und Antwort gestanden und deutlich gemacht, wer im Hause Böhnhardt das Sagen hat: sie.

Nun steht ihr Mann als Zeuge vor Gericht und man gewinnt den Eindruck, dass er sich am liebsten rausgehalten hat aus dem, was in seiner Familie ablief. Und er sei ein friedfertiger Mensch, absolut gegen Gewalt. Seinen Sohn habe er nie geschlagen. „Ich bin vielleicht ein bisschen zu feige, als dass man ihm eine ordentliche Ohrfeige gegeben hätte“, sagt er. „Aber dann wäre ich vielleicht selbst wegen Körperverletzung angeklagt worden.“



Vater von Uwe Böhnhardt, Jürgen, sagte im Prozess gegen Beate Zschäpe aus.

Vater Böhnhardt hat nicht gesehen, was geschah: dass sein Sohn sich immer eindeutiger als Rechtsradikaler kleidete. Dass er Waffen hatte. Dass er mit braunen Kameraden loszog. Für alles hat er eine besänftigende Erklärung. „Springerstiefel und Bomberjacken – das ist zu der Zeit normal gewesen“, sagt der Vater. Und die Waffen? „Ein Taschenmesser würde ich nicht als Waffe bezeichnen.“

Als ihm die Polizei Bilder des Sohnes auf Demonstrationen zeigte, brüllend, mit aufgerissenem Mund, da will er auch das nicht recht wahrhaben: „Das waren krasse Bilder, aber vielleicht war das auf dem Sportplatz. Man kann ja Schnappschüsse machen und die Bilder auch ganz anders interpretieren.“ Der Sohn beschwichtigte die Eltern. Er äußere doch nur seine Meinung. Als die Eltern mit ihm diskutieren wollten, ging er in sein Zimmer und ließ sie stehen. „Wir wissen nicht, woher er das hat“, sagt der Vater über die Ideologie des Sohnes.

Den Opfern des NSU und ihren Familien drückt er sein Beileid aus. Sein Sohn habe „böse Sachen gemacht, gemeingefährliche Sachen, wenn das alles so gewesen ist“. Nun sei der Sohn tot, und der Verlust eines Angehörigen werde „ewig an einem hängen bleiben“. Er sei dankbar, dass die Familien der Opfer ihn und seine Frau nie beschimpft oder bedroht hätten, „auch wenn wir uns vielleicht falsch verhalten haben“. Die Eltern hielten zu Uwe Böhnhardt, auch als er 1998 gemeinsam mit Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in den Untergrund ging. Die Eltern trafen sich bis 2002 ein paar Mal heimlich mit dem Trio, gaben Geld und Kleidung.

Einmal, vor dem Abtauchen, fragte ein Richter, warum die Eltern ihren erwachsenen Sohn nicht auf die Straße setzten. „Das müssen Sie einer Mutter mal sagen“, sagt Vater Böhnhardt. Und dann hätten sie ja noch weniger Einfluss auf ihren Uwe gehabt. Offenbar war den Eltern das Bild ihres Sohnes im Kopf, als er zum ersten Mal ins Gefängnis musste. Sie hatten ihn dort besucht, er war „wieder ein ganz kleines Kind, das geheult hat und am Fenster stand, als wir gingen“. Als der Sohn wieder draußen war, sei er härter gewesen, zu sich selbst und zu anderen.

Als der Sohn dann verschwand und die Eltern ihn nur noch wenige Male sahen, wollten sie ihn zurückholen. Als sie ihren Uwe und seine zwei Freunde trafen, hätten sie auf die „Kinder“ eingeredet: „Stellt euch!“ Doch die drei hätten das nicht gewollt – „ums Verrecken nicht“, sagt Jürgen Böhnhardt.

Über Beate Zschäpe sagt Jürgen Böhnhardt, sie sei eine „freundliche, nette junge Frau“ gewesen. Sie habe mitgeholfen im Haushalt, sei bereit gewesen, etwas zu lernen: Backen und Kochen – „was eben eine Frau machen muss“. Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt seien ein „nettes Pärchen“ gewesen. Erst später, sagt der Vater, habe er mitbekommen, dass auch Zschäpe auf rechten Demos mitmarschierte.

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