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Tüftler fürs Sinnliche

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Da sitzt er also und wirkt so unscheinbar wie ein Familienvater, der zum Elternabend geht. Das Hemd unter einem grünen Pulli verborgen, dunkle Hose, bequeme Schuhe. Tony Fadell, der Mann, der seine Idee von Thermostaten und Rauchmeldern, die nicht nur smart, sondern auch noch schön sind, gerade für 3,2 Milliarden Dollar an Google verkauft hat.

Er könnte stolz sein, dass sich eines der erfolgreichsten Technologieunternehmen der Welt ausgerechnet für ihn interessiert. Er könnte wehmütig sein, weil er nun nicht mehr Herr über eine wendige Mannschaft von 300 Mitarbeitern ist, sondern nur noch einer von mehr als 50000 Angestellten in einem Konzern, in dem andere Spielregeln gelten.

Und was denkt er nun, eine knappe Woche nachdem der Deal verkündet wurde?

„So viel hat sich gar nicht geändert.“

Es gibt Firmen, die Google geschluckt und groß gemacht hat. Und es gibt Firmen, die Google geschluckt und plattgemacht hat. Fadell, 44, weiß noch nicht, zu welcher Sorte seine vor gut drei Jahren gegründete Firma Nest gehören wird. Er habe, so sagt er, dieses Vertrauen, dass er nun Dinge erschaffen kann, die die Welt verändern.

Die Übernahme durch Google sei wie eine Hochzeit, sagt er. „Die Unterschrift unter dem Deal, das ist nur ein Dokument.“ Aber ob man wirklich gemeinsam durch dick und dünn gehen will, das überlege man sich doch vorher. Und zwar gründlich. Es sei ihm nicht um das Geld gegangen, sondern um die Beziehung. „Am Ende ist Geld eben doch nur Geld. Es kommt darauf an, was man damit macht.“ Risikokapitalgeber, die sein Unternehmen bislang unterstützt haben, die könnten ihm nicht den Zutritt zu Fabriken verschaffen, nicht zu Rechenzentren in allen Ecken der Erde, argumentiert er. Sie könnten nicht den guten Draht zu Politikern vermitteln und auch keine talentierten Entwickler. Google schon, das will er sagen, auch wenn er es nicht offen ausspricht. „Wenn man nur des Geldes wegen heiratet, wird man in der Regel nicht sehr glücklich.“



Tony Fadell, der Gründer von Nest, hat seine Firma gerade an Google verkauft und hofft nun,  jenseits der USA zu expandieren.

Mit Dingen, die die Welt verändern, kennt sich Fadell aus. Und auch damit, die Menschen von diesen Dingen zu überzeugen, wenn noch gar nicht zu erkennen ist, wie mächtig das, woran er da tüftelt, einmal werden kann. Vielleicht wirkt er auch deshalb so gelassen. Das Leben hat es bislang recht gut mit ihm gemeint. Seit Anfang der Neunzigerjahre ist er im Silicon Valley, dem Tal der technologischen Innovationen. Vorhin auf der Bühne der Konferenz DLD in München hat er gesagt, dass er diesen Milliardendeal eigentlich verdient habe. Die Moderatorin hat gelacht. Im Publikum haben manche laut geklatscht, manche fanden das aber auch eine Spur zu arrogant. Dabei ist Fadell keiner, der daran glauben würde, dass es eine höhere Gerechtigkeit gibt, die dafür sorgt, dass jeder irgendwann mal dran ist. Er glaubt an den Kapitalismus. Daran, dass man hart arbeiten muss für seinen Erfolg. Der Erfolg von Nest, der „basiert nicht auf Glück, nicht auf ...“ Er reißt die Arme empor und posaunt ein „Ooooh!“ heraus, um die Aufregung nachzuäffen, für die der Milliardendeal in der vergangenen Woche gesorgt hat. „Unser Erfolg basiert auf harter Arbeit.“

Seinen Sinn für Tüfteleien hat Tony Fadell von seinem Großvater. Der Leiter eines Schulbezirks im US-Bundesstaat Michigan, unweit der Großen Seen, ermunterte seinen Enkel, alle möglichen Dinge zu basteln bis hin zu ferngesteuerten Autos. Einen Computer benutzte der alte Mann zwar nie, Tony Fadell ziehen sie in ihren Bann. Sein erstes Patent meldet er als Teenager an – einen neuen Prozessor für den Apple-II-Computer. Noch während er an der University of Michigan Computerwissenschaften studiert, tüftelt er nebenbei an einigen Unternehmen. Mal geht es um Lernsoftware, mal um einen tragbaren Computer im Taschenformat.

Nach dem Studium heuert Fadell bei einigen Technologiefirmen an. Er arbeitet lange bei Philips. Und irgendwann um die Jahrtausendwende hat er diese Idee von einem tragbaren Musikspieler – und dem dazu passenden Internetladen, in dem man seine Lieblingsstücke als einzelne Dateien kaufen könnte. In mehreren Unternehmen stellt er seine Idee vor. Alle winken ab. Dann klingelt mitten im Skiurlaub sein Handy: Apple ist interessiert. Fadell geht also mit Anfang 30 zu dem Konzern, der damals tief in der Krise steckt. Und er macht innerhalb von sechs Monaten aus seiner Idee ein Produkt, das die Unterhaltungsindustrie umkrempelt: den iPod.

Steve Jobs, so hat Fadell einmal gesagt, habe ihn gelehrt, wie wichtig es ist, sich ganz genau anzusehen, wie die Menschen mit einem Gerät umgehen – und dabei auch auf die vermeintlich kleinen Dinge wie die Verpackung zu achten. Und noch etwas hat Fadell von dem Gründer und langjährigen Apple-Chef gelernt: dass es einen Menschen geben muss, eine Art Richter, der letztlich entscheidet, wie ein Produkt auszusehen hat – kein Team mit mehreren gleichrangigen Mitgliedern. Vielleicht ist er auch deshalb weitergezogen. Weil er der oberste Richter sein wollte, was er bei Apple nicht so einfach hätte werden können. Zwar leitete Fadell die iPod-Sparte, verantwortete dort 18 Versionen des Musikspielers. Doch es lief nicht gut zwischen ihm und der Führungsriege des Konzerns. Und so verabschiedete er sich, um eineinhalb Jahre später gemeinsam mit Matt Rogers in einer Garage in Palo Alto Nest zu gründen. Auch Rogers kommt von Apple. So wie etwa jeder Dritte bei Nest. Man sieht das den Thermostaten an ebenso wie dem Rauchmelder, der im vergangenen Herbst folgte: Die Geräte sind von einer schlichten Schönheit, intuitiv bedienbar. Das Thermostat von Nest ist eine etwas dickere Scheibe und verfügt über zwei Funktionen: drehen, um die Temperatur nach oben und unten zu regulieren, und drücken, um in ein Menü zu gelangen.

Fadell nennt sich selbst einen „studierten Ingenieur und selbst ernannten Designer“. Wenn er jemanden besucht, endet das schnell mal in einem Verkaufsgespräch, denn Fadell hat oft etwas auszusetzen. „Ich war kürzlich im Büro von jemandem“, erzählt er, „das sah wunderschön aus. Die Vertäfelung, ein Traum. Hier ein Bild von Matisse, da eines von Picasso – alles ganz fabelhaft. Aber dann, direkt neben diesem Bild ...“, Fadell tut jetzt so, als ob er sich persönlich gekränkt fühlt und deutet mehrfach auf eine Wand, als ob er direkt davor stünde, „... ist dieses hässliche beige Thermostat.“ Fadells Hand hängt in der Luft, jederzeit bereit, das Ding aus der Wand zu reißen. Wie kann es sein, fragt er, dass Thermostate, die für den Energieverbrauch so zentral sind, derart schnöde und unbedienbar seien? Fadell spricht den Mann im Büro darauf an, der findet das Thermostat auch hässlich – und zack, ein Kunde mehr.

In jungen Jahren ist Fadell mit seiner aufbrausenden, auch belehrenden Art bei älteren Kollegen auch angeeckt. „Ich musste erst lernen, meine Emotionen zu kontrollieren“, gibt er später zu. Aber manchmal gewinnen die Gefühle doch. Die Leidenschaft ebenso wie die Wut. Wenn er eine Frage für abwegig hält, dann zeigt er das. Zum Beispiel, wenn man von ihm wissen will, ob das wirklich eine gute Idee ist, ausgerechnet mit Google, jenem Datenkraken, vor dem sich die Deutschen gruseln, die Hoheit über die hiesigen Heizungen erobern zu wollen.

Frage: Werden die Daten, die Nest sammelt, an Google weitergegeben? Das Thermostat passt sich schließlich den Gewohnheiten der Menschen an, und das funktioniert nur, wenn es viele Daten sammelt. Google seinerseits macht sein Geld praktisch ausschließlich damit, Daten zu sammeln – und so sein Werbegeschäft zu optimieren. Die Frage, was mit den Daten passiert, ist also zentral.

Sein erstes Patent meldete er schon als Teenager an – für einen Prozessor

Fadell beteuert, dass er die Sorgen verstehe. Und dass er sie ernst nehme. Aber sein Gesicht sagt etwas anderes. Er legt die Stirn in Falten, kräuselt die Lippen – und formt damit dann ein spöttisches Grinsen. Die Menschen, so formuliert er es schließlich, fürchten sich nicht vor etwas, das passiert, sondern vor etwas, das passieren könnte. „Aber in dieser Welt könnte nun einmal eine ganze Menge passieren.“

Immerhin, auf der DLD-Konferenz gibt Fadell nun ein Versprechen: Sollte es Änderungen in den Nutzungsbestimmungen von Nest geben, dann würden diese transparent kommuniziert und nur dann umgesetzt, wenn die Nutzer sich dazu bereit erklären. Das ist wenig. Denn die Frage, ob es möglich sein wird, das Thermostat oder den Rauchmelder auch dann ohne Einbußen nutzen zu können, wenn man der Änderung nicht zustimmt, bleibt unbeantwortet.

Nest steht damit nicht allein da: Immer mehr Menschen misstrauen Technologieunternehmen – und zwar zu Recht. Die Firmen versprechen regelmäßig, nichts Böses zu tun. Später aber, wenn der eigene Dienst dann populär wird, wollen sie von ihren Kunden doch immer mehr Daten. Sie sind in der besseren Verhandlungsposition, schließlich besitzen sie das Produkt, an das sich die Kunden in all den Jahren gewöhnt haben. Gebt uns eure Daten – und wir machen euer Leben leichter. Das ist der Deal. Auch Fadell ist sich dieses Misstrauens bewusst. Er sagt: „Ich weiß nicht, was ich machen könnte, außer alles transparent zu kommunizieren.“ Vertrauen brauche nun einmal Zeit. Und diese Zeit beginnt jetzt.

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