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Wunderbare Melancholie

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Es ist ordentlich was los in Linda’s Tavern an diesem Mittwochabend. Es gibt Bier für vier Dollar und drei Mini-Burger für fünf Dollar. An den Holzwänden sind Plakate für Bands angebracht, die bald auftreten werden, in der Mitte steht ein alter Billardtisch. Hin und wieder wirft jemand Geld in die Jukebox, die CDs abspielt. Ein Blick auf die Titelliste verrät, dass die Scheiben seit bestimmt 15 Jahren nicht mehr getauscht wurden. Überhaupt ist Linda’s Tavern herrlich abgeranzt und wunderbar dreckig, eine Grunge-Bar zum Wohlfühlen. Hier, in dieser Kneipe auf dem Capitol Hill in Seattle, wurde Kurt Cobain zum letzten Mal lebend gesehen.

Es gibt keine Plakette am Eingang, die darauf hinweist, nicht einmal ein Foto von Kurt Cobain irgendwo an der Wand. Die CDs von Nirvana sind in der Jukebox zu finden, das ist aber auch schon alles. Die Geschichte wird weitergegeben von den Menschen an der Bar, die Bier trinken und Burger essen und die Jukebox bedienen. In zerrissenen Jeans und Chucks, mit Schlabbershirt und Jutejacke habe Cobain am 5.April 1994 ein paar Bier getrunken und die Einladung zu einer Party ausgeschlagen. Das erzählt einer, der an diesem Abend ebenfalls hier war. Danach sei Cobain hinausgegangen. Er habe sich kurz Seattle angesehen, dann sei er verschwunden. Mehr erfährt man nicht. Mehr gibt es nicht zu erzählen. Ja, Cobain war hier, bevor er sich erschoss. Na und?



Der Nirvana-Frontsänger Kurt Cobain bei einer Show 1992.

Wer wissen möchte, wie es damals zuging in Seattle, wie die Evolution einer Stadt einherging mit der Entwicklung einer Musikrichtung, wie die Künstler gespalten waren zwischen Authentizität und kommerziellem Erfolg, der sollte einen Abend mit Bruce Pavitt verbringen. Der 55-Jährige hat einst mit seinem Partner Jonathan Poneman das Label SubPop gegründet. Er hat Nirvana, Mudhoney und Soundgarden entdeckt, und er hat dafür gesorgt, dass diese Stadt im Nordwesten der USA von der Pop-Welt wahrgenommen wurde.

Bruce Pavitt lebt in einem alten Holzhaus, nicht weit von Linda’s Tavern entfernt. Die Stufen quietschen bei jedem Schritt bedenklich. Auf der Veranda liegen Rauchutensilien, über dem Eingang hängen kleine Banner mit buddhistischen Sprüchen. Eine Klingel gibt es nicht. Es ist kalt, die Wolken hängen so tief, dass man glaubt, sie mit einem beherzten Sprung erreichen zu können. In Seattle ist ohnehin das ganze Jahr über Herbst, diese wunderbar melancholische Jahreszeit. Die Einwohner sind das gewohnt, sie kleiden sich entsprechend. Pavitt trägt eine dunkle Arbeiterhose, schwarze Stiefel, Schiebermütze.

„Die Kleidung hat zunächst einmal nichts mit der Musik zu tun“, sagt er. Was damals als Outfit des Grunge, als Zeichen der Rebellion interpretiert wurde – es war reine Notwendigkeit. Die Menschen von Seattle schufteten beim Flugzeughersteller Boeing oder am Hafen, aufgrund des Wetters war es wichtig, möglichst viele Lagen zu tragen – also zwei Shirts, ein Flanellhemd oder einen dicken Pulli, darüber möglichst noch eine warme Jacke. Dazu Handschuhe, Jutemütze, haltbare Schuhe. Es war nicht das Outfit des Grunge, es war die Kleidung der Einwohner von Seattle.

Die jungen Menschen trafen sich damals in Pioneer Square, einem Viertel im Süden von Downtown mit Galerien und schrulligen kleinen Läden. In den zahlreichen Bars spielten die Bands der Stadt, auswärtige kamen kaum einmal nach Seattle. „Durch die Isolation entwickelte sich langsam eine eigene Identität“, sagt Pavitt. „Keiner der Musiker glaubte daran, jemals Karriere damit machen zu können.“ Es sei tatsächlich so romantisch gewesen, wie es klingt: In Ermangelung anderer Freizeitmöglichkeiten beschäftigten sich die Jugendlichen mit dieser wilden, dreckigen und authentischen Musik: mit Grunge. „Sie konnten Risiken eingehen, weil sie nichts zu verlieren hatten und weil nicht jeder Fehler gleich im Internet zu sehen war“, sagt Pavitt. Musik war ein Weg für die jungen Menschen, anderen jungen Menschen mitzuteilen, wie beschissen das Leben in Seattle war.

Bruce Pavitt war damals eine der prägenden Figuren in dieser Musikszene, er war Radiomoderator, ihm gehörte ein Plattenladen, er brachte ein Musikmagazin heraus. Am 1. April 1988 gründete er mit Jonathan Poneman das Label SubPop, er war damals gerade 29 Jahre alt. „Wir lebten von der Hand in den Mund und waren nach quasi einem Monat pleite“, sagt Pavitt. Er sagt aber auch: „Es war eine magische Zeit.“ Und ja, in dieser magischen Zeit erfuhr Pavitt von einer Band mit dem Namen Nirvana; sie kam nicht aus Seattle, sondern aus dem zwei Stunden entfernten Aberdeen. Wer Seattle als melancholisch beschreibt, der muss Aberdeen depressiv nennen. Die Band hatte eine Kassette geschickt und sollte nun, Anfang April 1988, in Seattle auftreten.

„Es war 20 Uhr an einem Sonntagabend in Pioneer Square. Nirvana spielte im Central Saloon, sie waren die Vorband von Chemistry Side. Es war niemand da! Nur der Türsteher, der Barkeeper, mein Partner und ich. Die Band starrte während des ganzen Konzerts nur auf ihre Schuhe“, sagt Pavitt. „Kurts Stimme war unglaublich. Wir haben beschlossen, eine Single mit zwei Liedern zu veröffentlichen. Eines der Lieder war ein Coversong: ,Love Buzz‘ von Shocking Blue. Das zeigt, wie schwach das Material von Nirvana damals noch war.“

SubPop wurde zum Treffpunkt für all jene, die sich mit Grunge identifizierten: „Wir wussten, dass Seattle eine der heißesten Szenen war“, sagt Pavitt: „Wir mussten nur noch den Rest der Welt davon überzeugen.“ Seine Idee war eine Europa-Tournee von Nirvana, Mudhoney und TAD Ende 1989 mit einem gemeinsamen Konzert am Ende in London. So sollte die Welt vom „Seattle Sound“ erfahren.

Für Nirvana war die Tour zunächst eine Katastrophe. Kurt Cobain zerstörte während des Konzerts in Rom seine letzte Gitarre, erlitt einen Nervenzusammenbruch und erklärte die Band für aufgelöst. „Wir haben ihn beruhigt und eine neue Gitarre gekauft, wir haben uns gekümmert, als ihm auf der Fahrt nach Genf Ausweis und Geldbeutel gestohlen wurden“, sagt Pavitt. Cobain machte weiter, die Show in London war ein Erfolg. Über diese wilden Tage hat Pavitt ein Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel „Experiencing Nirvana – Grunge in Europe, 1989“.

Danach ging alles ganz schnell. Aus einer Untergrund-Bewegung wurde ein weltweites Phänomen, Seattle war der Nabel der Musikwelt. Und noch viel mehr: Plötzlich galt die Stadt nicht mehr als altmodisches Arbeiterkaff, in dem es dauernd regnete. Die Menschen tauschten die Adjektive „traurig“ und „altmodisch“ gegen „melancholisch“ und „romantisch“. Und überhaupt galt Regen nun als viel cooler als dieser dauernde Sonnenschein in Kalifornien.

Zahlreiche Technologieunternehmen wie Amazon, Microsoft und Expedia ließen sich in der Gegend um Seattle nieder, sie errichteten beeindruckende Gebäude, die tatsächlich die Wolken berührten. Es gibt Starbucks, Nordstrom, Costco, T-Mobile USA. Nicht weit von Pioneer Square stehen mittlerweile zwei prächtige Arenen, in die die Menschen vom Central Saloon aus pilgern – nicht zu Konzerten, sondern zu Sportveranstaltungen. Die Stadt gilt immer noch als eine der am schnellsten wachsenden Metropolen der USA: 1980 lebten 490000 Menschen in Seattle, heute sind es mehr als 630000. Die Stadt gilt als modern, lebenswert, erfolgreich. Also genau das Gegenteil von dem, was Grunge eigentlich auszudrücken versuchte.
„Es war eine Revolution, als das Album ,Nevermind‘ Anfang 1992 Michael Jackson von Platz eins der Charts stieß“, sagt Pavitt. Nirvana allerdings hatte inzwischen einen Vertrag mit dem großen Label DGC Records unterschrieben, SubPop war an den Einnahmen nur beteiligt. Die Songs wurden nicht in Seattle, sondern in einem Studio in Los Angeles produziert. Soundgarden unterschrieb bei A&M Records, Mudhoney bei Reprise Records. „Ich war nicht glücklich, doch rückblickend war es absolut verständlich“, sagt Pavitt. Er selbst verkaufte 1996 seine Anteile an SubPop für einen siebenstelligen Betrag. Sein Partner wollte das Label zu einer weltweiten Marke aufbauen, doch damit konnte sich Pavitt nicht mehr identifizieren.

In ganz Seattle war dieser Widerspruch zwischen Identität und Kommerz zu spüren. Jede kommerziell erfolgreiche Band stand im Verdacht, die Seele des Grunge verscherbelt zu haben. Den Musikern war dieser Zwiespalt bewusst, nicht wenige betäubten das schlechte Gewissen mit Drogen. „Heroin war sicherlich nicht die Droge für Rockstars“, sagt Michelle Alexander, sie arbeitete damals als Sängerin und Tänzerin in Seattle: „Es war billig, das Zeug von der Straße, das sich jeder leisten konnte.“ Heroin war nicht die Droge des Grunge, es war die Droge der Stadt Seattle.

Der Tod von Kurt Cobain stellte eine Zäsur dar, für die Musik wie für Seattle. „Zuerst gab es eine Phase der Trauer, weil da nicht nur ein genialer Musiker, sondern auch eine beeindruckende Persönlichkeit auf tragische Weise ums Leben gekommen ist“, sagt Pavitt. Zum 20. Todestag wird es Analysen geben, ob dieser Mensch nun ein genialer Musiker oder ein kaputter Junkie gewesen ist. Wahrscheinlich war er beides. Vor einer Woche veröffentlichte die Polizei von Seattle 35 neue Fotos vom Tatort. Darauf zu sehen: der Abschiedsbrief, Cobains Führerschein, eine Holzbox mit Heroin-Utensilien. Keine neuen Erkenntnisse, keine Enthüllungen, keine Verschwörungstheorien, nur weitere Erinnerungen an diesen wichtigen Tag der Musikgeschichte. Was sein Tod für Seattle bedeutete: „Die Menschen in der Stadt dachten gemeinsam darüber nach, wie hoch der Preis sein kann, erfolgreich und berühmt zu sein. Viele überlegten, ob sie das wirklich haben wollten.“ Sich über das beschissene Leben zu beschweren, darüber zu singen, das war in Ordnung. Sich dieses Leben gleich zu nehmen, das ging dann doch zu weit.

Wer heute durch Pioneer Square spaziert, der sieht nur wenige Flanellhemden und Jutejacken. Die Menschen tragen elegante Mäntel, schicke Schals, teure Hüte. Seattle ist immer noch wunderbar melancholisch, aber nicht mehr so depressiv, so wütend, so lebensabgewandt wie noch vor 25 Jahren. Das bedeutet jedoch nicht, dass Grunge verschwunden wäre aus dieser Stadt. Der Musikstil ist nach wie vor präsent. In Linda’s Tavern etwa. Mit Bier für vier Dollar und einer mit Grunge-Liedern herausragend bestückten Jukebox.

Twitter-Blockade in der Türkei ist illegal

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Istanbul – Das türkische Verfassungsgericht hat die Sperre des Kurznachrichtendienstes Twitter für illegal erklärt. Das höchste Gericht der Türkei sieht in dem seit 20.März geltenden Twitter-Verbot einen Verstoß gegen Artikel 26 der Verfassung, der die freie Meinungsäußerung garantiert. Die Entscheidung fiel nach Berichten türkischer Medien vom Mittwoch einstimmig. Twitter war von der staatlichen Kommunikationsbehörde TIB ohne Gerichtsbeschluss blockiert worden. Die Behörde hatte dies, zehn Tage vor den Kommunalwahlen in der Türkei, mit drei Beschwerden gegen Twitter begründet, denen der Kurzbotschaftendienst nicht nachgekommen sei.



Die Twitter-Sperre in der Türkei ist verfassungswidrig.

Nun hatten wiederum drei Türken gegen den Blackout geklagt, zwei Rechtsprofessoren und der Vizechef der größten Oppositionsfraktion, der CHP, Sezgin Tanrıkulu. Das Verfassungsgericht schickte seine Entscheidung sofort an TIB und das Informationsministerium. Der Strafrechtler Ersan Șen sagte dem türkischen Sender NTV: „Die Regierung kann dem Urteil nichts mehr entgegensetzen.“ Auch andere Juristen rechneten mit einer raschen Aufhebung der Twitter-Sperre. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Metin Feyzioĝlu sagte der Zeitung Hürriyet: „Falls sie sich nicht an diese Entscheidung halten, werden wir TIB verklagen und den Beschluss des Verfassungsgerichts zur Begründung dazulegen.“

Nach Twitter hatte die Regierung auch Youtube blockiert. Millionen Türken umgehen seither die Blockaden mit technischen Tricks, die mit geringen Mehrkosten verbunden sind. Premier Recep Tayyip Erdoğan hatte vor dem Verbot gegen die sozialen Medien, die in der Türkei sehr beliebt sind, heftig gewettert. Twitter und Youtube hatten immer wieder illegal und legal abgehörte Telefonate von Erdoğan mit Vertrauten veröffentlicht. In den Gesprächen ging es vor allem um Bestechungsgelder für Regierungsmitglieder. Trotz der massiven Korruptionsvorwürfe erreichte Erdoğans islamisch-konservative Partei AKP bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag landesweit erneut eine klare Mehrheit.

Ein endgültiges Wahlergebnis gibt es noch nicht. Tausende Stimmzettel müssen nach Beschwerden neu ausgezählt werden. Auch in der Hauptstadt Ankara werden die Stimmen noch einmal kontrolliert. Hier betrug der Abstand zwischen dem bisherigen AKP-Bürgermeister und seinem CHP-Herausforderer nach der ersten Zählung nur ein Prozent. In anderen Orten ist es noch knapper. In der Stadt Yalova am Marmarameer trennte beide Bewerber zunächst nur eine Stimme. Bis zum 6. April sollen die lokalen Wahlkommissionen ihre Entscheidungen in den Streitfällen bekannt geben. Es wurden auch schon Säcke mit Stimmzetteln im Müll gefunden. Unklar ist, warum an vielen Auszählorten plötzlich das Licht für Minuten ausging. Energieminister Taner Yıldız erklärte dies zunächst mit einem Sturm, dann mit einer Katze in einem Trafo. Dafür musste sich Yıldız am Mittwoch viel Spott gefallen lassen.

Die Gefahren der Untiefe

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Mit dem exquisit rätselhaften Titel „Erst grau dann weiß dann blau“ wurde die niederländische Schriftstellerin Margriet de Moor vor einem knappen Vierteljahrhundert berühmt. Später hießen ihre Romane, deutlich bodenständiger, „Der Virtuose“, „Kreutzersonate“, „Herzog von Ägypten“ oder „Der Jongleur“, „Sturmflut“ oder „Der Maler und das Mädchen“. Bei ihrem jüngsten Werk soll es für die Autorin nicht ganz leicht gewesen sein, ihren deutschen Verlag von der Beibehaltung des Originaltitels „Mélodie d’amour“ zu überzeugen: Man fürchtete, das Publikum damit auf die falsche Fährte, wenn nicht gar auf die Kitschspur zu lenken.





Am Ende des Romans werden 200 Pferde vor dem Ertrinken im Wattenmeer gerettet, was wohl mit diesen passiert?

In der Tat steht die beschwingte Lockerheit des karibisch-französischen Welthits aus den Fünfzigerjahren, der hier zitiert wird, in auffallendem Kontrast zum Inhalt des Romans. Kurios aber ist, dass der aus Cayenne stammende Chansonnier Henri Salvador das Lied 1948 als „Maladie d’amour“ veröffentlichte, zu deutsch „Liebeskrankheit“. Wann und wie auch immer daraus die harmlosere „Liebesmelodie“ wurde und ob die Verfasserin, ausgebildete Pianistin und Sängerin, von der Urversion gewusst hat oder nicht: Das wäre Ihr Titel gewesen, Madame de Moor.

Die Spielarten, Irrwege und Auswüchse des Gefühls, das wir Liebe nennen, weil uns nichts Besseres einfällt, sind seit jeher Margriet de Moors literarische Domäne. Diesmal entwirft sie eine Liebes-Pathologie in Rondoform: In vier Kapiteln mit ineinander verschlungenen Episoden und mehrfachem Perspektivwechsel führt sie Menschen vor, die von jener übermächtigen Empfindung krank oder fast verrückt werden, die daran zugrunde gehen oder unter ihrem Einfluss andere zugrunde richten. Aber sie erzählt auch von jenen, die mit der sogenannten Liebe pragmatischer umgehen, weil sie sich von ihren Emotionen nicht beherrschen lassen – oder weil sie gelernt haben, schmerzliche Erfahrungen in ihrem Innern einzukapseln.

Die Zentralfigur, der nette Archäologe Luuk Doesburg, ist so ein Fall. Er hat eine Ehefrau und eine Geliebte, gönnt sich trotzdem noch eine Affäre und scheint alles gut im Griff zu behalten. Zwar erfahren wir nichts über seine Gefühlslage in dieser Konstellation, aber wir blicken in sein Innenleben, als er noch zur Schule geht und eines Tages seinen Vater mit der schönen Untermieterin in flagranti ertappt. Vielleicht hat er sich bei diesem Vorfall ein Trauma eingehandelt und sich daraufhin einen Schutzpanzer zugelegt: Es gehört zu Margriet de Moors literarischer Kunstfertigkeit, dass sie solche Fragen offenlässt.

So liefert sie auch keine psychologische Erklärung dafür, dass Luuks Vater Gustaaf, der als Chef eines Rotterdamer Saugbaggerunternehmens im niederländischen Delta-Projekt der Fünfziger- und Sechzigerjahre reüssiert hat, die glückliche Ehe mit seiner Frau Atie für die emotionslose Parallelbeziehung zu deren Freundin Marina aufs Spiel setzt. Die Konsequenzen aber führt sie uns gleich eingangs drastisch vor Augen: In einer fast schauerromantischen Nacht- und Regenszene irrt Gustaaf durch den um 1970 noch erhaltenen Rest der Rotterdamer Altstadt, um ein letztes Mal Atie zu sehen, die nach schwerer Krankheit gestorben ist.

Vor Jahren hat sie sich von ihm getrennt, und er liebt sie nach wie vor, obwohl er längst mit Marina und der gemeinsamen Tochter zusammenlebt. In seiner Hilflosigkeit gibt er, Vater von vier Söhnen, die ihm nun als Sargträger entgegenkommen, eine durchaus komische Figur ab. Das bekommt dem Roman gut, denn es signalisiert, dass alle folgenden oder in Rückblenden erzählten Liebesverirrungen auch unter diesem Aspekt betrachtet werden können.

Die Autorin bleibt in der Rolle der distanzierten, zuweilen amüsierten Beobachterin, was die Handlungsweise ihrer liebeskranken Figuren betrifft, doch in der Schilderung ihrer Symptomatik entfaltet sie eine geradezu unheimliche Intensität. Sie lässt die sanfte, ausgeglichene Atie in einem frappierenden Moment zur Furie werden, die sich in den Nacken ihres Gatten verbeißt. Und sie führt die Lehrerin Cindy, die sich immer tiefer in ihre Abhängigkeit von dem leichtlebigen Luuk verstrickt, wie spielerisch auf der Grenze zwischen Sehnsucht und wahnhaftem Stalking entlang, bis sie im Autobus, einen Revolver in der Hand, vor dem Mann ihrer Träume und seiner ahnungslosen neuen Flamme ohnmächtig zusammensinkt.

Doch auch die Rivalin hat ihr Päckchen zu tragen: Roselynde wird umgetrieben von der Erinnerung an ihren Bruder Rogier, dem sie in obsessiver, vielleicht gar inzestuöser Zuneigung verbunden war. Die Namen der Geschwister klingen, als seien sie den alten Büchern entsprungen, die Rogiers Lebensinhalt waren, und ihre Tragödie hat archaische Wucht. Ist Roselynde schuld am Tod ihrer Freundin Iris, in die der Bruder sich verliebte? Wurde die Krankheit, an der er bald darauf starb, durch seinen Liebeskummer ausgelöst, sodass die Schwester auch seinen Tod indirekt verschuldete? Roselynde, deren Ehe mit Rogiers Freund Arthur unter jener Last zerbrochen ist, tröstet sich über solche Fragen in ihrer harmonischen Beziehung zu Luuk hinweg – nicht wissend, dass sie um ein Haar abermals Teil eines tödlichen Dreiecks geworden wäre.

Die erstaunlichste Figur ist Luuks Frau Myrte, die mit den Affären ihres Mannes offenbar keine Probleme hat, die nicht einmal an ihn denkt. Wir begegnen ihr im letzten Kapitel auf einem holländischen Küstenwanderweg, an der Seite einer Jugendfreundin. Deren Vater, ein berühmter Wasserbau-Architekt, war vor vier Jahrzehnten Myrtes große Liebe: Er lag, auf den Tod erkrankt, in der Klinik, in der sie Schwesternschülerin war. Margriet de Moor hält sich auch bei dieser Episode an das Motto ihres französischen Kollegen Francis de Miomandre, das sie ihrem Roman vorangestellt hat: „Le comment n’est pas le pourquoi“, das Wie ist nicht das Warum.

Motive und Zusammenhänge bleiben im Dunkeln, sollen auch nicht durchleuchtet werden. Es geht allein darum, wie die Geschichte erzählt wird, mit all den mäandernden Abschweifungen, die eine Fülle farbiger Details aus Hollands Nachkriegszeit und Gegenwart transportieren, aus einer sich unablässig im Fluss befindenden, immer wieder vom Wasser bedrohten Gesellschaft. Am Ende werden zweihundert Pferde vor dem Ertrinken im Wattenmeer gerettet. Was das mit der Liebe zu tun hat? Wohl nur dies: Es ist ein überraschender, überwältigender und gnadenlos vergänglicher Glücksmoment.

„An der Schwelle einer Ära“

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Budapest – Der Kossuth Lajos tér ist praktisch fertig – pünktlich zur Wahl. Vor Kurzem noch glich der Platz am neugotischen Parlament einem aufgerissenen Bauschlund, aber jetzt herrscht hier schönste Ordnung. Nur ein paar leere Betonsockel stauben im Wind, sie harren der Denkmäler, die dort noch aufgestellt werden. Alles soll hier wieder so aussehen wie vor 1944; der öffentliche Raum soll an die gute Zeit nach den Habsburgern erinnern, vor den Deutschen, vor den Russen – an die Ära von Reichsverweser Miklós Horthy also, der Ungarn in der Zwischenkriegszeit führte, als es unabhängig war. Als es noch nicht bedrängt war von europäischer Regelungswut und von multinationalen Finanzhaien, von kommunistischen und neoliberalen Ideologen im eigenen Land, von Skeptikern und Schlechtrednern und all jenen, die „Stimmung gegen Ungarn“ machen.



Der ungarische Premier könnte am Sonntag weiter dazugewinnen.

Diese Diktion klingt, für deutsche Ohren zumal, beängstigend. Aber so wirbt Ministerpräsident Viktor Orbán, der das Land seit 2010 mit einer Zweidrittelmehrheit regiert, für seine Politik. Auch auf dem Heldenplatz in Budapest, mitten im Wahlkampf 2014: „Ungarn wird wieder zu den erfolgreichen und stolzen Nationen zählen“, rief der Premier am Nationalfeiertag. Es stehe an „der Schwelle einer Ära, die es frei und stark“ macht. „Wir verhindern, dass wir von anderen beraubt werden.“ Ungarn schütze seine Familien vor „Monopolisten, Kartellen und imperialen Bürokraten“. Am vergangenen Wochenende dann das gleiche Bild: Orbán vor Hunderttausenden, aus dem ganzen Land mit Bussen herangekarrt, mit derselben Botschaft: Orbáns Regierungszeit werde als „Wunder“ eingehen in die Geschichte. Man habe die „halbe Welt gegen sich“ gehabt, aber „standgehalten“, sei „zu den christlichen Wurzeln zurückgekehrt“ und habe eine „Nation geeint, die zersplittert über das Karpatenbecken und rund um die Welt gewesen war“.

Den Heldenplatz soll bald schon ein gigantisches Museumsquartier schmücken, eine Krönung der nächsten Legislaturperiode. Aber zunächst einmal geht es jetzt um den 6. April, um die Sitze im Parlament. Der Kossuth Lajos tér ist, wie auch der Heldenplatz, ein Symbol für alles, wofür Orbán steht. Denn Geschichtspolitik ist bei Fidesz immer auch Kulturkampf. Deshalb kehrt auch das Denkmal des ungarischen Revolutionärs Lajos Kossuth hierher zurück, ein Held des Unabhängigkeitskampfes von 1848. Selbst Ferenc Kumin nimmt Bezug auf diesen Platz als „Analogie für vieles, das in den vergangenen vier Jahren politisch in Ungarn geschah“: Erst habe es „hysterische Kritik“ gegeben, nun aber, da alles so schön geworden sei, heiße es, „das hat die Regierung gut gemacht“.

Hat sie? Kumin ist Staatssekretär, Regierungssprecher und ein hyperflexibler Verteidiger jenes Mannes, der sich selbst lieber im Monolog vor dem Volk präsentiert als in der Auseinandersetzung mit Kritikern. Auch einem TV-Duell mit seinem Herausforderer, dem Sozialisten Attila Mesterházy, stellt sich Orbán nicht. Mesterházy sei kein würdiger Kandidat, lässt er ausrichten. Sein Sprecher Kumin begründet noch einmal mit der Geschichte, warum ein mächtiger Ministerpräsident, der eine „nationale Revolution“ vollbracht hat, nicht mit einem anderen Spitzenkandidaten im Fernsehen debattieren möchte: Es fehle „das Vertrauen“. Eine Partei wie die sozialistische, die 2006 die Proteste gegen ihre Politik niedergeknüppelt und sich weder personell noch ideologisch wirklich erneuert habe, sei als Ansprechpartner nicht vertrauenswürdig genug.

Andererseits: Fidesz hat, so scheint es jedenfalls, auch kaum Wahlkampf nötig. Die Umfragen sagen wieder einen Erdrutschsieg vorher, die Opposition ist schon im Vorfeld marginalisiert. Außerdem: Beim letzten Mal gab es für 53 Prozent der Stimmen zwei Drittel der Sitze. Mittlerweile ist das Wahlrecht – zum Teil aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichts – reformiert, das Mehrheitsprinzip zum Vorteil von Fidesz weiter gestärkt worden. Die Wahlkreise wurden neu zugeschnitten, es gibt nur noch einen Wahlgang, die Stimmverteilung wurde zugunsten der stärksten Partei revidiert. Nun braucht es für eine Zweidrittelmehrheit nur noch etwa 45 Prozent. Das sollte locker zu schaffen sein. Regierungskommunikator Kumin spricht schon mal entspannt von einer „Konsolidierungsphase“ nach den Wahlen. Schließlich sieht ja auch die Bilanz der vergangenen vier Jahre Orbán – aus dessen Sicht jedenfalls – super aus: Retter eines Landes vor dem Untergang. Das Defizitverfahren in Brüssel gestoppt. Das Wachstum beschleunigt. Den Schuldenberg abgebaut. Löhne und Renten angehoben. Fremdwährungskredite verbilligt. Eine neue Verfassung, ein neues Bildungssystem geschaffen. Ein neues Mediengesetz, ein neues Steuersystem eingeführt. Die Multis zurückgedrängt, per Sondersteuern jene geschröpft, die von Ungarns Niedergang am meisten profitiert haben. Eine Revolution an den Wahlurnen, danach ein Regimewechsel, ein echter Abschied vom Kommunismus und seinen Agenten, die Ungarn immer noch im Würgegriff hielten. An diesem Sonntag will Orbán erneut triumphieren und eine verfassungsändernde Mehrheit holen.
 
Aber da gibt es ja noch die Opposition, oder besser: zwei. Da ist das Parteienbündnis „Regierungswechsel“, das bis vor Kurzem noch „Zusammenschluss“ hieß und sich nach einem Gerichtsbeschluss umbenennen musste. Bis vor einigen Monaten hatte man noch hochfliegende Pläne: Kräfte bündeln, gemeinsame Listen aufstellen. Orbáns Lügengebäude niederreißen mitsamt seinen geschönten Finanzdaten, seinem erratischen Wirtschaftskurs, seiner europafeindlichen Haltung, seinem Demokratieabbau und seinem autokratischen Gehabe, seiner versteckten Korruption, seinem Griff nach den Pfründen des Staates – all das wollte man den Menschen sagen, um sie zu wecken.

Zum Bündnis gehören die MSZP mit Spitzenkandidat Mesterházy sowie Ex-Premier und Wirtschaftsfachmann Gordon Bajnai mit seiner Gruppierung „Gemeinsam 2014“, der zugunsten von Mesterházy auf die Spitzenkandidatur verzichtet hatte. Der selbst unter Linken verhasste Ex-Premier Ferenc Gyurcsány und zwei links-grüne Kleinparteien mischen auch mit.

Aber: Personalquerelen, ein Steuerskandal, ein nur brüchiger Frieden zwischen den Gruppierungen und eine auf Orbán zugeschnittene Medien- und Wahlkampflandschaft haben die hochfliegenden Blütenträume verkümmern lassen. Deshalb triumphiert – bisher halblaut, aber doch schon sehr bedrohlich – die andere Oppositionspartei, die in Umfragen mittlerweile auf bis zu 20 Prozent kommt und damit fast schon gleichauf mit dem Bündnis „Regierungswechsel“ liegt. Man erwarte bei der Wahl am Sonntag eine schöne „Überraschung“, heißt es bei der rechtsextremen Jobbik, die schon jetzt mit elf Prozent im Parlament vertreten ist.

Kurz vor der Wahl ist Jobbik-Chef Gábor Vona auf Reisen und unabkömmlich, er schickt den wortgewandten Abgeordneten Márton Gyöngyösi. Der hatte 2012 Schlagzeilen gemacht, als er forderte, die Doppelstaatsbürgerschaft aller Parlamentarier offenzulegen, die einen israelischen Pass hätten – also klarzumachen, wer Jude sei. Heute will er über den Vorwurf des Antisemitismus nicht mehr reden, auch Roma-feindlich sei seine Partei nicht. „Wir haben nur etwas gegen destruktive und negative Elemente in der Gesellschaft.“ Das seien Menschen, die glaubten, sie könnten von öffentlichem Geld leben und kriminell sein. Jobbik will, weil sie unter Horthy einst so effizient gewesen sei, eine Gendarmerie einführen, in der die Ungarische Garde aufgehen soll. Bei Horthy und seinen Meriten ist sich Ungarns Rechte ohnehin recht einig: Dies sei eine für Ungarn hocherfolgreiche Periode gewesen – sogar verlorene Gebiete habe man zurückerlangt, so Gyöngyösi. Dass sich Horthy mit den Nazis verbündete, Bürgerrechte beschnitt, unter ihm die Judenverfolgung begann – das ist für den Jobbik-Mann kein Thema.

Tagesblog - 3. April 2014

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9:45 Uhr: Apropos Essen! Der hessische Rapper und Muskelmann Kollegah hat soeben den nützlichsten Ernährungstipp der Woche gegeben, für den man ihm so kurz vorm Start der Freibadsaison gar nicht dankbar genug sein kann: Vorsicht, Salat lässt den Bizeps schrumpfen!

http://www.youtube.com/watch?v=5BPdbUTD4oM

Danke an die Kollegahs, äh, Kollegen von Puls, die die Dirndl-Damen aus dem Video gestern exklusiv interviewt haben!

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9:00 Uhr: Moin, Herrschaften! Erste Meldung des Tagesbloggers vom Dienst: Habe gerade ein nervenzerfetzendes Frühstück to go auf dem Altstadtring hinter mir.




#livefastdieyoung

Das Halsbrecherische daran war natürlich vor allem der Versuch, während der Fahrt ein Foto von der Banane zu machen. Hätte fast eine Streugutkiste und zwei OB-Wahlplakate gerammt. Alles für EUCH!

klau|s|ens collage zur denkmal-enthüllung beethoven des markus lüpertz – www.klausens.com

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klau|s|ens, man vergisst auch so schnell, wie es vorher aussah. das denkmal.


verhüllt. – ja, das verhüllte hat stets seinen reiz.


nachher ist es dann enthüllt. ent, ent, ent!


aber man sieht nur einen teil.


ist das, was wir in unserer collage (unten) sehen, nicht das ganze denkmal? da in der mitte drin?


nein, denn es gibt den eins-kopf und dann (vertikal gedacht) weiter unten, davor gelagert, noch den zwei-kopf.


den zwei-kopf von beethoven sehen wir nicht?


nein, denn lüpertz und publikum stehen da rum. ist nicht im bildausschnitt drin.


dann sieht man den zwei-kopf immer nur, wenn keine gruppe um das denkmal steht?


so wird es realiter dann wohl sein. aber ich stelle dir eine frage.


welche?


wie oft stehen solche gruppen so dicht um ein denkmal im öffentlichen raum?


bei stadtführungen vielleicht.


da hast du recht, aber nur wenn die gruppe verdammt groß ist, sieht man den zwei-kopf nicht.


ansonsten sieht man ihn?


ich denke ja. es soll wohl um die zwei personen/personalitäten von beethoven gehen: die glorifizierte und dann die andere, die des realen beethoven-lebens. oder man kann auch sagen: alltagsmensch und übersteigertes genie. oder: popstar und leidendes wesen. und, und, und. der dualitäten kein ende. (es entspricht der idee der maske. der zwei-kopf übernimmt die funktion einer maske. aber genau umgekehrt, weil der zwei-kopf unten ja mehr den realen menschen wohl zeigt.)


zwei identitäten = viele identitäten.


so wie bei klausens und zweitklausens. (wir zeigen das durch unsere LIVE-gedichte zu enthüllung, zum beispiel. LINK.)


von der denkmalenthüllung? 30.3.2014? bonn? sonntags?


ja, es sprachen doch werner müller, jürgen nimptsch und jürgen flimm.


dazu das bläserquintett des beethovenorchesters.


und wir dichteten für das im-menschen-schizophrene aller zeiten.






HOMEPAGE VON KLAU|S|ENS:
http://www.klausens.com

Berlin- Real-Mix 03/14

City Lights


Was wir hatten.

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Was wir hatten war nicht viel. Was wir hatten war eigentlich Nichts. Was wir hatten waren Entwürfe von Eventualitäten, Skizzen von Möglichkeiten, geschrieben auf kleinen Notizblättern, auf Servietten, vielleicht, geschrieben nebenbei, wenn gerade Zeit und wo gerade Platz war, geschrieben, ohne einen Gedanken an den Ausgang zu verschwenden, geschrieben, ohne einen Plan zu haben vom großen Ganzen. Was wir hatten waren Gesprächsfetzen, festgehalten in einer Loseblattsammlung. Was wir hatten waren Versatzstücke. Was wir hatten war kein Anfang, es war die Möglichkeit eines Anfangs, die Möglichkeit des Entwurfs eines Vorworts für einen eventuellen Anfang, für die Gelegenheit, ein leeres Blatt Papier zu gestalten, als erstes von vielen, die hätten folgen können, und es so zu gestalten, wie immer es uns beliebte.

Was wir hatten war ein Vielleicht, ein Eventuell, ein Gegebenenfalls.
Das war es, was wir hatten.

Und was haben wir jetzt?

Was ist dein Notfalltalent?

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Beinahe alle Lufthansa-Piloten sind gerade im Streik. Vor allem die Langstreckenflüge will die Konzernleitung aber nicht ausfallen lassen. Deshalb steigen die Manager nun teilweise wieder selbst ins Cockpit. Viele von ihnen sind Piloten, die entweder nebenbei in Teilzeit fliegen oder aber regelmäßig im Flugsimulator üben – sie lassen das Organisieren sein und ersetzen die streikenden Angestellten.





Manchmal gehört etwas Überwindung dazu, doch manche seiner Fähigkeiten muss man in bestimmten Momenten wieder anwenden, entweder, weil es einem selbst oder anderen sehr weiterhilft oder weil sich sonst niemand findet, der es machen könnte. Diese Art der Spontaneität ist nicht nur im Flugverkehr gefragt, sondern auch in anderen beruflichen Situationen: Im Fall der Aufrüstung zum Beispiel müssen Reservisten manchmal ihren eigentlichen Job aufgeben, um wieder dem Militär zu dienen – ob sie wollen oder nicht.

Auch im Alltag helfen manchmal Kenntnisse, die man mal gelernt und verinnerlicht hat. Eine Freundin von mir, die früher als Krankenpflegerin gearbeitet hat, wusste zum Beispiel sofort, wie wir das angebrochene Bein eines Freundes beim Campen vorläufig schienen: Einfach die Isomatte rumwickeln und mit Tape fixieren. Zwar musste er trotzdem noch ins Krankenhaus, aber erstmal hat es ihm geholfen und vor allem den Schmerz gelindert.  

Wie handhabst du Situationen, in denen dein Hoheitswissen gefragt ist? Hast du ein verstaubtes Talent, das du in brenzligen Situationen noch anwenden kannst, obwohl du es schon lange nicht mehr gebraucht hast? Wir wollen von dir hören, wann du improvisatorisch die Initiative ergriffen hast und was dabei herausgekommen ist.

Tagesblog - 4. April 2014

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17:00 Uhr: Gleich mach ich Feierabend. Zuvor aber noch: Erinnert ihr euch an dieses Video? 

http://www.youtube.com/watch?v=IyDdVJ81Ixs

Joanne Milne (mehr dazu auf SZ.de) hat seit Geburt das sogenannte Usher-Syndrom, sie kam ohne Gehör zur Welt. In dem Video sieht und hört man, wie sie nach 39 Jahren dank einer Hörprothese zum ersten Mal etwas hört. Seit dem Video ist sie berühmt, es gab viele positive, aber auch negative Rückmeldungen. In einem in einem Gastbeitrag im britischen Guardian hat sich Joanne jetzt zum ersten Mal selbst geäußert. Sehr lesenswert!  

Ein schönes Wochenende wünsch ich!  

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16:45 Uhr: Immer zum Wochenende: die Jungs- bzw. Mädchenfrage. Dieses Mal fragt Valerie: Jungs, denkt ihr über die Beule in eurer Hose nach? Wer sich das schon immer fragt, findet hier die Antwort von Elias.  





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16:20 Uhr: Die beiden Jungs im Hintergrund geben das nie zu, aber ich bin überzeugt, dass irgendjemand - ich will hier keine Verdächtigungen anstellen - sobald ich den Raum verlasse, meine Wasserflasche schüttelt (die Vorstellung ist aber auch zu gut, ich mag solche Streiche ja schon). Denn jeden Tag, wenn ich nachmittags an meine mitgebrachte Flasche Wasser denke und sie öffne(n will), hinterlasse ich erst mal eine kleine Sauerei auf dem Schreibtisch, und das, ob wohl sie schon den ganzen Tag im Rucksack ruht. Und wie kommt es überhaupt, dass ich da auch beim 300. Mal nicht daran denke und einfach drauf los aufschraube?

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16:05 Uhr: Bei diesem Text von jetzt-User synthie_und_roma musste ich sehr lachen (auch wenn er nicht ganz neu ist und er ihn schon woanders veröffentlicht hat): Er stellt „Fünf Entwürfe für ein deutsches ‚Breaking Bad’“ vor. Das ZDF gab ja vor kurzem bekannt, eine deutsche Version der Serie zu machen, deswegen sind synthie_und_romas Vorschläge so aktuell wie nie. Unter anderem der hier:
„Christel Meff – Gefangene der Herzen“. In den Hauptrollen: Lord (Heiner Lauterbach), Ärztin (Veronika Ferres), Steilküste (Willi Herren). Hier von links nach rechts im Bild:





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(Foto: dpa)

15:40 Uhr: In Belgien wurde gerade ein Gesetzesentwurf abgesegnet, nach dem Sexismus unter Strafe gestellt wird. Eine gute Idee? Unsere Praktikantin Nicola hat sich dazu einen interessanten Text angesehen. Hier geht's zu ihrem Textmarker.

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14:50 Uhr: Wer uns auf Instagram folgt, hat es gerade schon gesehen: Kaum bin ich zwei Minuten nicht im Redaktionszimmer, schon haben Jakob und Jan unsere höchst seriöse Tagesdiensttafel umfunktioniert. Jan hat das Ganze übrigens auch in Bewegtbild festgehalten. Wie sie sich freuen!!!

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14:30 Uhr: Gerade habe ich diese schönen Frankfurt-Fotos von jetzt-User apollyon entdeckt. Zum Beispiel das hier:





Erinnert mich daran, dass ich bisher immer nur durch Frankfurt durch (bzw. daran vorbei) gefahren bin, auch diese Woche wieder zwei Mal, und noch nie in der Stadt war. Sollte ich demnächst ändern!

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13:45 Uhr:
Ich lese gerade diesen spannenden Text bei den SZ.de-Kollegen: wie Erzieher mit Kindern von Rechtsextremen umgehen. Hab ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht. Texte, bei denen ich mir genau das denke, liebe ich am meisten!

Außerdem los in der Welt:

* Afghanistan 1: Morgen ist Parlamentswahl.
* Afghanistan 2: Die deutsche Kriegsfotografin Anja Niedringhaus ist heute bei einem Anschlag in der Provinz Khostums Leben gekommen.
* Schockiert mich ja schon: die Rolle des amerikanischen Stützpunkts Ramstein im US-Drohnenkrieg. Mehr dazu hier.
* Und als ehemaliger Formel-1-Fan muss ich auch das weitermelden: Schumacher erlebt "Momente des Bewusstseins".
* Und weil ich mich darüber auch immer ärgere: Das Zeit Magazin hat auf seiner Deutschlandkarte diese Woche eingezeichnet, wo es wie viele Geschäftseinträgt mit Genitiv-Apostroph gibt.

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13:20 Uhr: Die Mittagspause ist heute ausgefallen. Stattdessen gab es eine "Flute" mit Schinken und Käse - am Schreibtisch, weil ich auf einen Anruf warte. War aber auch gut. Und so kann ich gleich auf unseren neuen Text auf der Startseite hinweisen:





Unsere Praktikantin Anne hat mit Pieter Spinder gesprochen, dem Gründer der Knowmads-Schule in Amsterdam. Dort entscheiden die Studenten selbst, was sie studieren. Ob das funktioniert? Manchmal recht chaotisch, aber: ja!

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12:20 Uhr: Für Tierfotos - außer von Katzen - bin ich eigentlich immer zu haben. Auf Twitter habe ich gerade den Instagram-Account von @biddythehedgehogempfohlen bekommen: Auch wenn Igel das bestimmt alles nicht wollen - die Fotos sind unheimlich toll!

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11:40 Uhr:
Ihr erinnert euch an unsere Geschichte mit dem "letzten Versuch"? Ich hab dafür endlich Kraulen gelernt. Also fast. Im Nachhinein wären mir noch ein paar Sachen eingefallen, die ich gern können würde, aber die ich nie kapiert hab. Freihändig Fahrradfahren zum Beispiel. Und Schminken. Ich hab das nie so wirklich gecheckt, also abgesehen von Wimperntusche und Lippenstift. Gestern war ich deswegen in einer Parfümerie, von der ich noch einen Gutschein von Weihnachten hatte, um mich beraten zu lassen. Das Ergebnis war erschreckend. Es sah aus, als hätte ich vier Tage nicht geschlafen. Und die Spuren der Schlaflosigkeit schwarz nachgemalt. Und, als würde ich immer erstaunt gucken, der aufgemalten Augenbrauenform nach zu urteilen. Aber irgendwie habe ich es auch nicht übers Herz gebracht, nach dem Abschminktuch zu verlangen. Und musste so U-Bahn-Fahren.
Ich werde das jedenfalls unversucht lassen mit dem Schminken. Habt ihr auch so was, das ihr aufgegeben habt zu checken?

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11:05 Uhr:
Na toll, diesen Tweet von den Kollegen von Puls hab ich viel zu spät gelesen. Jetzt kann ich nicht mehr hören, warum. Wer weiß Rat?





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09:35 Uhr: Im Ticker wollen wir heute wissen, welches Talent ihr im Notfall auspacken könnt oder vielleicht schon mal ausgepackt habt. Ich musste vor ein paar Monaten meine Erste-Hilfe-Skills hervorkramen - ich sage nur: Jugendrotkreuz - und war selbst überrascht, wie gut das geklappt hat mit der Platzwunden-Erstversorgung. Sogar die Sanitäter haben mich dafür gelobt. Welches verstaubte Talent könnt ihr in brenzligen Situationen noch anwenden, obwohl ihr es schon lange nicht mehr gebraucht habt? Diskutiert mit!

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09:15 Uhr: Wieder zurück aus der Konferenz bei Süddeutsche.de, zum Glück. Für mich ist heute jeder Weg eine große Anstrengung. Ich war zwei Tage in Köln und bin am zweiten Tag statt zu frühstücken auf den Dom gestiegen, weil ich immer gern auf irgendwelche Türme steige. 533 Stufen waren das. Der Weg rauf war zwar anstrengend, aber okay, nur runter haben meine Beine irgendwie gezittert, was seit gestern zum schlimmsten Muskelkater meines Lebens geworden ist. Ziemlich blöd, weil ich morgen auf eine Hochzeit eingeladen bin und den Tag in hohen Schuhen verbringen soll. Anti-Muskelkater-Tipps also bitte zu mir! Ich schlürfe derweil Magnesiumbrausepulversaft. Obwohl ich gar nicht weiß, ob das was bringt.

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08:20 Uhr:
Guten Morgen! Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass es im Moment morgens noch nicht so hell ist. Beim Fensterbrett-Kaffee (zwecks fehlendem Balkon) war's halb acht. Und er schmeckt auch im Schatten. Man beachte die Blumenwiese. Und natürlich die Lieblings-Schaf-Tasse.


Ramstein ist Zentrum im US-Drohnenkrieg

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Der amerikanische Stützpunkt Ramstein spielt eine weit bedeutendere Rolle im US-Drohnenkrieg als bisher bekannt. Das ergaben Recherchen der Süddeutschen Zeitung, des Norddeutschen Rundfunks und des Westdeutschen Rundfunks. Bislang ging man davon aus, dass lediglich Drohnenangriffe in Afrika von Deutschland aus gesteuert werden. Dokumente des amerikanischen Militärs und die Aussage eines ehemaligen Drohnenpiloten legen nun aber nahe, dass auch Einsätze in Pakistan und in Jemen über Ramstein abgewickelt werden. In beiden Ländern sind nach Schätzung der Nichtregierungsorganisation Bureau of Investigative Journalism seit dem Jahr 2004 etwa 1000 Zivilisten bei Drohnenangriffen getötet worden.



Ein Teilstück des US-Luftwaffenstützpunktes Ramstein in Rheinland-Pfalz.

Ramstein ist der größte US-Militärflugplatz außerhalb der Vereinigten Staaten und dient als Daten-Drehscheibe für den Drohnenkrieg, wie aus vielen Dokumenten hervorgeht. Die ferngesteuerten Fluggeräte senden ihre Daten via Satellit zu einer Bodenstation auf dem Stützpunkt in Rheinland-Pfalz, wo das Signal empfangen und per Glasfaserkabel in die USA weitergeleitet wird.

Im sogenannten Distributed Ground System-4 (DGS-4) in Ramstein werden zudem Live-Bilder der Drohnen analysiert und mit nachrichtendienstlichen Erkenntnissen abgeglichen. Die Piloten der ferngesteuerten Fluggeräte, die meist in den USA sitzen, erhalten über ein verschlüsseltes Chat-Programm namens mIRC Analysen und Anweisungen aus dem DGS-4. „Ohne Deutschland wäre der gesamte Drohnenkrieg des US-Militärs nicht möglich“, sagte der ehemalige Drohnenpilot Brandon Bryant der SZ. Der 28-Jährige war bis April 2011 auf einem Luftwaffenstützpunkt in New Mexico stationiert und steuerte von dort aus Drohnen. Bei Dienstbeginn habe er „immer als erstes in Ramstein angerufen“, sagt Bryant.

Die Bundesregierung beharrt darauf, keinerlei Kenntnis davon zu haben, dass US-Stützpunkte in Deutschland in den Drohnenkrieg der Amerikaner eingebunden seien. Washington habe versichert, dass von Deutschland aus „ferngesteuerte Luftfahrzeuge weder geflogen noch befehligt“ werden“, teilte ein Sprecher mit.

In Militärzeitschriften und Jobprofilen auf dem Karriereportal Linkedin beschreiben amerikanische Mitarbeiter dagegen offen die Funktionsweise des Analysezentrums DGS-4. In mehreren solcher Profile berichten Militärs und Zivilangestellte aus Ramstein über ihre Beteiligung an den Drohneneinsätzen im „weltweiten Krieg gegen den Terror“.

In Berlin trat am Donnerstag der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Mitglieder des Gremiums sollen in den kommenden Monaten die Spionage-Tätigkeit des US-Geheimdienstes NSA untersuchen. Grüne und Linke beantragten, den im russischen Exil lebenden ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden einzuladen. Auch SPD-Obmann Christian Flisek sagte, Snowden sei ein geeigneter Zeuge. Die Union warnte vor voreiligen Festlegungen.

Generation Krieg

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Mohammad Sameer Atayee hat von einem Aufbruch geträumt. Doch sein Wunsch wird sich nicht erfüllen, das ist ihm schon klar geworden, noch bevor er am Samstag seine Stimme abgibt. „Ich wollte eigentlich, dass dieses Mal ein neues Gesicht antritt“, sagt der 22-Jährige, der an einer privaten Universität Pharmazie studiert hat, nun aber eine Schneiderei betreibt. Den Kabuler ärgert es, dass sich die Präsidentschaftskandidaten auf ihre mächtigen Netzwerke stützen könnten, dass vor allem ihr Geld entscheidend sei: „Das gibt ihnen die Möglichkeit, bei den Wahlen anzutreten“, ist Atayee überzeugt.



Ein junger Afghane trägt eine Wahlurne in Kabul.

Gerade in den urbanen Zentren Afghanistans ist in Zeiten des Kriegs eine Generation herangewachsen, die sich für Politik interessiert, die sich nach einer wirtschaftlichen Perspektive sehnt, die ein friedliches Land aufbauen will, das nicht von Männern mit alten Seilschaften regiert wird. „Wir hatten gehofft, dass der politische Wandel vielleicht schon 2014 beginnt, aber die bekannten Machtstrategen haben sich ihren Einfluss bewahrt“, sagt der Kabuler Politikanalyst Haroun Mir über das Feld der Präsidentschaftskandidaten. Der Blick der jungen Generation richtet sich seiner Meinung nach daher schon auf die nächste Abstimmung im Jahr 2019.

Die Gruppe der Erstwähler könnte einen wichtigen Machtfaktor bilden, schon allein wegen ihrer schieren Masse. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 68 Prozent der Afghanen noch nicht einmal 25 Jahre alt. Doch die Perspektive dieser Generation ist nicht gerade vielversprechend. Die Wirtschaft hängt fast ausschließlich am Tropf des Westens, der sein Engagement nach 13 Jahren am Hindukusch reduziert und Ende 2014 die meisten Soldaten abziehen wird. Eine auf eigenen Füßen stehende, vom Krieg unabhängige Wirtschaft ist in Afghanistan nicht entstanden. Die Regierung in Kabul ist auf ausländisches Geld angewiesen, ebenso wie Armee und Polizei es sind.

Stolz verweist der Westen darauf, dass am Hindukusch so viele Kinder wie noch nie zur Schule gehen, dass eine neue, wissbegierige Generation heranwächst. Doch nicht nur fehlende Jobs sind ein Problem, auch die prekäre Sicherheitslage bereitet jungen Menschen wie Atayee nach wie vor Sorgen. Sein ganzes Leben war bislang von Gewalt und Konflikten geprägt: Als Kind erlebte er den afghanischen Bürgerkrieg, danach die Schreckensherrschaft der Taliban. Schließlich marschierte der Westen nach dem 11. September 2001 ein, Hamid Karsai wurde Präsident. Damit verbanden die Afghanen vor allem die Hoffnung auf Sicherheit und einen bescheidenen Wohlstand. „Die Menschen in Afghanistan sind arm, jedem Politiker, der etwas verspricht, wird das zunächst einmal geglaubt“, sagt Atayee. Doch die schönen Perspektiven seien bislang nicht eingelöst worden .

Für den Pharmazeuten sind nicht nur die Taliban ein Hindernis für stabilere Verhältnisse in seinem Land. Wenn afghanische Politiker sich ernsthaft für einen Frieden einsetzten, könnte der auch auf den Weg gebracht werden, glaubt Atayee. Doch aus der Unsicherheit lasse sich eben auch Profit schlagen. Wie der junge Mann haben viele Afghanen kein Vertrauen in ihr politisches System entwickelt. Aber zur Wahl gehen, das steht für ihn fest, will er am Samstag trotzdem.

DEINER! Die Schwierigkeit des Possessivs.

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Es ist so. Der Zwack hat diverse Begegnungen mit "MEEEEEEIIIIIINS!" hinter sich – Kinder, die einfach gerne mit ihrem eigenen Spielzeug spielen. Oder mit Spielzeug, das niemandem gehört, sie aber zuerst hatten und es nicht hergeben wollen. Ersteres kennt der Zwack nicht: kaum sind wir auf dem Spielplatz, wird dieser nach mehr oder weniger verfügbaren Fahrzeugen abgegrast, der eigene Bagger steht irgendwo. Für andere Kinder. In der zweiten Situation beäugt der Zwack so lange das ersehnte Spielzeug, bis es schließlich frei ist, um es sich zu schnappen und dann nicht mehr herzugeben.

Jetzt spricht der Zwack zwar, allerdings nicht sonderlich elaboriert. Das hat Vorteile. Ein größeres Kind versucht den Zwack argumentativ davon zu überzeugen, dass es gerne selbst mit dem Betonmischer spielen möchte. Der Zwack schaut und dann: „Mischer!“ Viele Kinder haben eine Art Beißhemmung und lassen ihre Mama das Problem lösen. Oder mich. Manche nehmen dem Zwack das Fahrzeug einfach weg. Passiert seltener, zeigt aber der Nachteil von Noch-nicht-sprechen-können: der Zwack hat keinen Ausdruck für „Das hab ich zuerst gehabt“. Er weint.

Zurzeit kommt eine Verwirrung hinzu: der Zwack übt „Ich“ und „Du“ und „dein“ und „mein“. Wir sitzen beim Essen, ich vergesse, in der dritten Person zu sprechen, sage also nicht: „Möchte der Zwack das noch essen oder kann die Mama das aufessen?“
Mit Verlaub, das mag einfacher sein, aber so spricht niemand. Ich frage also: „Möchtest Du das noch essen oder kann ich das essen?“ Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten: Antwortete er „Ja“, würde ich es essen. Riefe er auf dem Weg des Essens zu meinem Mund „NEIN!“, kriegte er es. Antwortet er „Nein“, würde ich es auch essen. Riefe er auf dem Weg des Essens in meinen Mund „Nein!“, kriegte er es. Ist doch einfach. („Ja!“ würde er nicht rufen. Vielleicht „Ja! Essen.“ Mit viel Glück „Ja! Essen. Zwack.“ Dann kriegte er es auch.)
Ich frage also, ob er das noch essen wolle oder ob ich es essen könne. Der Zwack entscheidet sich nicht wie sonst bei Oder-Fragen für ja oder nein, sondern deutet auf mich und sagt: „Ich.“

Ähnlich zurück auf dem Spielplatz. Manchmal, wenn der Zwack ein Fahrzeug hat, dessen er sich nicht sicher ist und dann aber schnell ein weiteres holen möchte oder klettern oder oder oder, bringt er das Fahrzeug zu mir und sagt: „Nehmen.“ Dann muss ich auf fremde Fahrzeuge aufpassen, denen manchmal schon ein Kind nachweint. Super. Aber eine gute Strategie, Dinge in Sicherheit zu bringen.

Die andere Strategie ist das gesprochene Wort. Der Zwack weiß, dass andere Kinder „meins“ sagen, wenn ihnen was gehört und „deins“, wenn es seins ist. Was passiert? Genau. Der Zwack umklammert das Fahrzeug und ruft „DEINER! DEINER!“. Die Kinder, die davon ausgehen, dass sie dann ihren Mischer wiederbekommen, liegen falsch und bleiben verwirrt zurück. Der Zwack bleibt ebenfalls verwirrt, weil die Kinder nach „DEINER! DEINER!“ weiter am Fahrzeug ziehen und ihn erwartungsvoll anschauen. Am Ende ist alles gut, falls er es behalten kann. Oder falls er schnell nach dem Verlust ein neues findet.

Es ist wirklich schwierig, ihm das zu erleichtern. Ich fürchte, er muss das selbst rausfinden. Zum Glück stehen im Normalfall ja genug Bagger, Mischer und Kipper rum. Und wirklich wegessen tu ich ihm auch nichts.

Karriere durch Rückzug

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Wie stolz er auf das Amt war, konnte man bereits am ersten Tag nach seiner Berufung erkennen. Die größte deutsche Boulevard-Zeitung hatte ihn an diesem 30.Januar zum „Gewinner des Tages“ erklärt. Philipp Mißfelder schnitt die Meldung aus, fotografierte sie – und twitterte das Bild mit der Bemerkung: „Transatlantik-Koordinator: Eine spannende neue Aufgabe, die ich gerne übernehme!“ Die Bundesregierung hatte ihn am Vortag zu ihrem „Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit“ ernannt – zuständig für die Kontakte in die USA und nach Kanada. Es gibt deutlich unwichtigere Aufgaben, die das Kabinett zu vergeben hat. Kein Wunder also, dass Mißfelder die Meldung stolz verbreitete. Umso erstaunter war das politische Berlin jetzt: Am Donnerstag verkündete Mißfelder, wiederum via Twitter, dass er das Amt niederlegen wolle – keine zehn Wochen nach der Amtsübernahme im Januar. Was ist da passiert?

In seinem Tweet schreibt Mißfelder lapidar: „Das Parteiamt eines Landesschatzmeisters ist für mich unvereinbar mit der Aufgabe als Amerika-Beauftragter.“ Dass Mißfelder auf dem Parteitag der NRW-CDU Ende April als Schatzmeister kandidieren will, ist allerdings schon länger bekannt. Warum also der Rücktritt jetzt? Und warum verzichtet jemand auf ein Amt, das einen regelmäßig nach Washington führt, um stattdessen NRW zu bereisen? Mißfelder ist in der CDU ja nicht irgendwer.



Kein Jungpolitiker der Union ist so gut vernetzt wie Philipp Mißfelder. Aber reicht das?

Der 34-Jährige hat eine selbst für Apparatschicks beeindruckende Funktionärskarriere hinter sich. 1998 wurde er Bundesvorsitzender der Schüler Union, seit 2002 ist er Chef der Jungen Union. Der Mann sitzt seit 1999 im Bundesvorstand der CDU – damals war Wolfgang Schäuble noch Parteichef. Seit 2008 gehört er auch dem engsten Führungszirkel der CDU an, dem Präsidium. In der Partei gibt es in seiner Alterskohorte vermutlich niemanden, der über ein besseres Netzwerk verfügt. Böse Zungen in der Union sagen auch, es gebe keinen, der das Kungeln so gut beherrsche.

Jetzt hat Mißfelder aber gleich mehrere Probleme. Zum einen erreicht er die Altersgrenze der Jungen Union – er darf deshalb nicht mehr als Vorsitzender kandidieren. Damit bricht ihm die Hausmacht weg. Das könnte auf längere Sicht auch sein Bundestagsmandat gefährden. Mißfelders Wahlkreis Recklinghausen1 ist seit 1961 fest in Händen der SPD, der Christdemokrat ist also auf eine Absicherung auf der Landesliste angewiesen. Das letzte Mal stand er dort nur auf Platz14. Das reichte zwar für den Einzug in den Bundestag. Mißfelder kann sich aber nicht sicher sein, dass er ohne seine Funktion als JU-Chef auch in Zukunft einen sicheren Platz bekommt. Vor diesem Hintergrund ist die Bewerbung als Schatzmeister sinnvoll, obwohl sie ein Rückschritt auf die Landesbühne ist. Als Schatzmeister sitzt man qua Amt auch im engsten Führungszirkel der Landes-CDU – so jemanden kann man bei der Listenaufstellung kaum übergehen. In der Spitze der NRW-CDU gibt es sogar einige, die glauben, Mißfelder könnte irgendwann nach dem Bezirksvorsitz der Ruhr-CDU streben. Der Verband ist mit rund 25 000Mitgliedern der größte in Nordrhein-Westfalen. Mißfelder hätte dann endgültig eine neue Hausmacht.

Das alles erklärt den Wunsch Mißfelders, Schatzmeister zu werden. Aber warum der Rücktritt als US-Koordinator? Er sehe einen möglichen Interessenskonflikt zwischen den beiden Ämtern, sagt Mißfelder. In der vergangenen Woche hat er mehrere Gespräche mit Parteifreunden geführt, bei denen ihm offenbar klar wurde, dass sich die Ämter nicht gefahrlos gleichzeitig ausüben lassen. Was würde zum Beispiel passieren, wenn Mißfelder als Koordinator der Bundesregierung bei den Gesprächen über das Freihandelsabkommen mit den USA eine Position vertritt, die Thyssen hilft – und der Konzern zufällig später Geld an die CDU spendet? Auch in der NRW-CDU hatte man sich deshalb in den vergangenen Tagen Sorgen gemacht, die Partei kann keinen neuen Skandal gebrauchen. Seit den Fällen Pofalla und von Klaeden ist auch die Union sensibel geworden. „Als US-Koordinator ist Mißfelder ein Amtsträger, Amtsträger dürften aber nie Schatzmeister sein“, heißt es in der Spitze der Landes-CDU. Mißfelder musste sich also entscheiden – und das hat er jetzt getan.

Geknackt

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Es ist der wohl größte Datendiebstahl, den es je in Deutschland gegeben hat: Ermittler haben Listen mit 18 Millionen Zugangsdaten von Internetnutzern entdeckt. Noch ist nicht klar, wer betroffen ist. Doch besonders gefährdet sind User, die für unterschiedliche Online-Dienste dieselbe Kombination aus E-Mail-Adresse und Passwort nutzen. Nach Informationen des Spiegel haben Fahnder der Staatsanwaltschaft Verden die gestohlenen Passwörter entdeckt, die möglicherweise den Zugriff auf Nutzerkonten erlauben. Erst im Januar hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mitgeteilt, dass Kriminelle etwa 16 Millionen Zugangsdaten erbeutet hatten.



Bis zu drei Millionen deutsche Internetnutzer könnten von dem Datenklau betroffen sein.

Bereits bei diesem Datenfund wurde aber nicht bekannt, wofür diese Passwörter gelten. Es handelte sich dabei um Listen, die aus einer Reihe von E-Mail-Adressen mit jeweils einem zugehörigen Passwort bestehen. Denkbar ist, dass mindestens ein Teil der Einträge den Zugriff auf die jeweiligen E-Mail-Konten ermöglicht, sowie auch auf andere Accounts, etwa in sozialen Netzwerken oder bei Online-Shops, falls dort die gleichen Anmeldedaten benutzt werden.

Lutz Gaebel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden, konnte auf Anfrage nicht bestätigen, dass es sich im aktuellen Fall um eine ähnlich strukturierte Liste von Passwörtern handelt. „Wir haben Daten“, sagte er, „mehr können wir aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen.“ Allerdings sei der Fund im Umfeld der Ermittlungen zum vorherigen Fall angesiedelt. Unklar ist, wie viele verschiedene Nutzer von der illegalen Datensammlung tatsächlich betroffen sind. Die Behörden gehen von bis zu drei Millionen deutschen Internetnutzern aus. Gaebel wollte diese Schätzung nicht bestätigen.

18 Millionen Datensätze sind jedenfalls kaum mit 18 Millionen Internetnutzern gleichzusetzen. Einzelne E-Mail-Adressen könnten mehrmals mit unterschiedlichen Passwörtern auftauchen, also verschiedene Konten eines Users beschreiben. Bereits bei der im Januar aufgetauchten Liste ergaben Stichproben des IT-Sicherheitsmagazins iX, dass sich darunter auch eine Menge Datenmüll befinde.

Laut Gaebel seien aber die aktuell gefundenen Zugangsdaten viel aktueller. Demnach könnten jetzt mehr Nutzer von der illegalen Datensammlung betroffen sein. Wie die Ermittler zu dieser Einschätzung kommen, wollte die Staatsanwaltschaft aber nicht bekannt geben.

Unklar war auch schon bei dem Fall im Januar, wie die Kriminellen an die Datensätze gelangt sind. Denkbar ist, dass ein Teil der betroffenen Nutzer auf sogenannte Phishing-Mails hereingefallen ist oder Schadsoftware auf ihre Rechner eingeschleust wurde.

Es liegt allerdings nahe, dass eine derart umfangreiche Liste mit Zugangsdaten sich aus verschiedenen Quellen speist. So könnte ein Teil der Passwörter von einer Datenbank eines kleineren Online-Dienstes – etwa eines Internet-Diskussionsforums – stammen, der nicht ausreichend gegen Hacker-Angriffe geschützt war.

Internet-Nutzer machen oft die gleichen Fehler. Viele verwenden bei jedem Online-Dienst dieselbe Kombination aus E-Mail-Adresse und Passwort. Deshalb sollten Nutzer grundsätzlich bei jedem Log-in ein anderes Kennwort verwenden. Geraten dann Kriminelle an diese Informationen, ist nur ein einzelnes Konto betroffen.

Um vorzubeugen, dass ein Online-Konto überhaupt gehackt wird, hilft es, ein sicheres Passwort auszuwählen und regelmäßig zu erneuern. Es setzt sich im Idealfall aus Groß- und Kleinbuchstaben, Zahlen sowie Sonderzeichen zusammen. Experten raten davon ab, echte Wörter oder gar Bestandteile der damit verbundenen E-Mail-Adresse zu verwenden. Ein gängiger Trick für ein sicheres und trotzdem gut zu merkendes Passwort ist, sich einen Satz auszudenken und aus den Anfangsbuchstaben der einzelnen Wörter das Kennwort zu bilden.

Zwei Euro für jede Eins

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Gute Bildung ist Geld wert, das würden Ökonomen und Sonntagsredner sofort unterschreiben. Aber wie viel? Media Markt lieferte im Juli 2011 mit einer Werbeaktion eine überraschende Antwort: Für jede Eins im Schulzeugnis gebe es zwei Euro Rabatt, warb der Elektronik-Fachmarkt in einem Passauer Wochenblatt – und lockte damit viele junge Kunden an.

Der Verbraucherzentralen Bundesverband (VZBV) fand die Aktion alles andere als originell. Er hat den Elektronikkonzern bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gezerrt. Dort wollten die Verbraucherschützer derartige Werbung für unlauter erklären lassen. Vergebens: Der BGH hat die Klage am Donnerstag abgewiesen.



Kaufen die Einser-Schüler etwas, das sie von sich aus nicht gekauft hätten?

Dabei liegt hier aus Sicht der Verbraucherschützer ein Missstand vor: „Die Schüler werden dazu aufgefordert, etwas zu kaufen, was sie womöglich gar nicht wollen“, sagt die VZBV-Juristin Susanne Einsiedler. Daneben erzeuge die Aktion, die in Passau nur zwei Tage lief, Druck auf die Kinder. Als Anreiz, sich mehr in der Schule anzustrengen, gehe die Werbung auch nur bedingt durch – schließlich wurde die Anzeige am Ende des Schuljahrs gedruckt.

Wie häufig in den vergangenen Jahren Media Markt Schülern für gute Noten Rabatte gab, ist unklar. Zeugnisaktionen „werden und wurden durchgeführt“, sagt eine Media-Markt-Sprecherin. Die Details seien von Aktion zu Aktion verschieden, mal werden beispielsweise Zweier mit einem Euro entlohnt. Die Werbeaktionen seien stets Sache der jeweiligen Filialen, so die Media-Markt-Sprecherin. Die Aktionen würden sehr gerne angenommen, betont sie, in der Regel kämen die jüngeren Schüler zusammen mit ihren Eltern. „Wir gehen nicht davon aus, dass wir die Unerfahrenheit der Kinder ausnutzen.“

Tatsächlich haben Verbraucherschützer beim VZBV nur eine einzige Beschwerde erhalten. Und bei der ging es nicht mal darum, dass die Aktion womöglich falsche Lernanreize setze oder die Unmündigkeit von Kindern ausnutze. Eine Mutter aus Passau hatte im Juli 2011 die Werbeanzeige gesehen und war mit ihrem Kind in einen Media Markt gerannt, da gab es ja schließlich etwas umsonst. Die Mitarbeiter im Media Markt wollten dann aber das Zeugnis des Kindes kopieren, was nicht aus der Anzeige hervorging. Die Mutter weigerte sich und beschwerte sich beim VZBV.

Einmal angestachelt, ging es den Verbraucherschützern zuletzt um mehr als Datenschutz: Bereits vor dem Landgericht Passau konnten sie 2012 erstreiten, dass Media Markt in der Anzeige hätte erwähnen müssen, dass Zeugnisse im Rahmen der Rabattaktion kopiert werden. Allerdings bekamen die Verbraucherschützer nur teilweise recht: Sie wollten die Zeugniswerbung und vergleichbare Kampagnen als unlauter erklären und damit verbieten lassen. Damit waren sie erst vor dem Landgericht Passau und dann vor dem Oberlandesgericht München gescheitert. Für das BGH-Urteil war nun ausschlaggebend, dass sich die Werbekampagne von Media Markt auf kein konkretes Produkt bezog. Die Werbung übe auch keinen unangemessenen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der Schulkinder aus, so das Gericht.

Beim VZBV löst das Urteil Enttäuschung aus: „Im Wettbewerbsrecht kommt der Schutz von Kindern möglicherweise noch nicht ausreichend zum Ausdruck“, sagt Susanne Einsiedler. Andere dürften sich über das Urteil freuen: „Bei mir würde das bei fünf Einsern und sieben Zweiern dann 17Euro machen“, schrieb ein Schüler namens MacMiniG4 bereits 2010 in einem Online-Forum . 17 Euro – dafür kann man sich schon so manches Computerspiel kaufen.

Fast unverspurt auf's Mitterlochjoch

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Ausgangspunkt ist das Skigebiet Maseben. Vom Parkplatz aus (1.900m) folgt der anfangs extrem steilen Piste hinauf bis zur Bergstation „Atlantis der Berge“. Schließlich geht man bis zum Ende des letzten Schlepplifts und taucht schließlich in eine wohltuende Ruhe ohne hektisches Treiben.





Die Mitterlochspitze ist gehüllt in Wolken, doch dieses Wechselspiel zwischen Licht und Schatten hatte heute etwas Besonderes.





Wir waren die 6ten, die sich heute auf den Weg zu diesem Gipfel machten.





Und somit durften wir uns auf unverspurte Hänge freuen.





Auf dem Mitterlochjoch (3.000m) angekommen war für mich Schluss. Ohne Steigeisen wollte ich die kurze Steilstufe nicht gehen, machte eine kurze Pause,





genoss die Aussicht





und blickte noch mal kurz Richtung verwolkten Gipfel, bevor ich durch wunderbare Tiefschneehänge surfte...




Die Hippie-Uni

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Mathe und Deutsch: okay. Aber eine Fahrtkarte kaufen? Da setzt’s bei jedem fünften Schüler aus. Deutsche Schüler können keine Probleme des alltäglichen Lebens lösen – das besagt das Ergebnis des neuesten PISA-Tests. Schnell ertönte darauf die Forderung nach Bildung, die Kreativität und selbstständiges Denken fördert. Aber wie soll das gehen? 




Räume: selbst gestaltet, Essen: selbst gekocht, Unterricht: selbst ausgesucht: Das sind Knowmads

„Indem wir den Leuten ihr Selbstvertrauen zurückgeben“, sagt Pieter Spinder. In der Knowmads-Business-School, die er 2010 in Amsterdam gegründet hat, versucht er genau das. Denn er glaubt, dass in jedem Menschen Kreativität steckt, nur werde den Leuten im Alter von 13 bis 18 Jahren zu viel vorgegeben, alles sei zu formalisiert. So verlieren sie ihre Kreativität. In Spinders Hochschule sollen sie die wieder erlangen – indem sie möglichst viel selber machen.  

Die 20 bis 35 Jahre alten Studenten besuchen die Schule ein Jahr lang – und was sie dabei machen, das entscheiden sie selbst. Die Herausforderung sei, nicht zu viel vorzugeben. „Wir geben ihnen ein leeres Blatt Papier“, erklärt Spinder. Damit meint er den Lehrplan, die Studenten müssen ihn selbst gestalten. Auch wenn die Schule einen Teil der Kurse organisiert, gleich zu Beginn wird den Studenten die Hälfte ihrer 5500 Euro Studiengebühren zurückgegeben: Damit sollen sie selbst Workshops organisieren. Einen geregelten Tagesablauf gibt es nicht, dennoch lassen sich ungefähr gleichbleibende Muster erkennen. „Meistens kommen die Studenten so morgens um neun und bleiben bis lange in die Nacht, bis elf oder zwölf Uhr“, sagt Spinder. „Sie haben Schlüssel zu ihrer Uni, putzen und kochen gemeinsam, arbeiten im Garten und gestalten die Räume, so wie sie es wollen.“  




Pieter Spinder, der Gründer der Knowmads-Schule


Statt Semestern gibt es hier „Tribes“, statt 100 Studenten besteht ein Tribe aus sechs bis zwölf Studenten. Die kommen aus aller Welt und haben verschiedene Hintergründe, es gibt Schul-, und Studienabbrecher ebenso wie Leute mit abgeschlossenem Studium. Unterstützt werden sie nicht von Professoren, sondern „Tribe-Leaders“, die kann man sich wie eine Mischung aus Lehrer und Freund vorstellen. Sie halten Workshops oder helfen den Studenten bei ihren Projekten, coachen sie, kochen, laden sie regelmäßig zum Essen zu sich nach Hause ein. An Stelle eines festen Stundenplans gibt es nur lose Rahmenbedingungen. Montags zum Beispiel ein gemeinsames Frühstück, auch mit den Leuten aus dem „Greenhouse“, dem Co-Working-Space nebenan oder anderen Besuchern, Dienstag und Donnerstag Workshops, Freitags gibt es oft Vorträge, die „What-the-fuck-Lectures“ genannt werden. Mittwochs arbeitet man an Projekten, an eigenen oder welchen, die in Kooperation mit NGOs oder Unternehmen laufen. Mit Start-ups, oder großen wie der Telekom. Idealerweise sollten die Studenten mit den Projekten ihre Studiengebühren wieder reinholen – tatsächlich, sagt Spinder, sei das bisher nur zwei Absolventen gelungen. Geld ist insgesamt nicht das Ziel der Knowmads, vielmehr Gutes. Die Schule will verantwortungsbewusstes Unternehmertum lehren.  

Und nach dem Jahr? Die Studenten bekommen keinen anerkannten Abschluss. Eine deutsche Absolventin arbeite in der Innovationsabteilung von Volkswagen, sagt Spinder. Andere haben eine Slowfood-Firma gegründet. Er meint, zunehmend werde der Abschluss weniger wichtig. Tribe-Leader Jake Esman findet den Erfolgsansatz falsch: „Es geht nach dem Jahr nicht direkt darum, erfolgreich zu sein. Die Studenten sollen Dinge finden, die für sie selbst bedeutungsvoll sind, wir wollen ihre inneren Anreize und Motivation finden und fördern.“ 

 Sich selbst finden, herausfinden, was man will – das ist ein wichtiger Teil der Ausbildung. So heißen die Workshops der Studierenden nicht nur „Marketing“ oder „Getting Things done“ sondern behandelten alles, was die Studenten interessiert. Einer habe sich Journalismus gewünscht, erklärt ein Tribe-Leader. Also kam eine Journalistin und zeigte den Studenten, wie Reporter und Redakteure arbeiten. Manchmal gibt es auch Workshops zu Körperbewusstsein. Eben genau zu dem, was die Studenten gerade „brauchen“.  

„Brauchen“, das sagt Pieter Spinder oft. Er gebe den Studenten Aufmerksamkeit und Unterstützung, gebe ihnen das, was fehlt. Spinder doziert nebenher an einer anderen Hochschule in Amsterdam und hat Wirtschaft und Philosophie studiert. Auch die anderen aktuellen Tribe-Leader kommen aus der Wirtschaft und haben einen Uni-Abschluss. Doch das sei egal. Sie mögen nicht, dass man sie danach fragt, was jemand für Zertifikate hat. Verständlich, denn Uniabschlüsse setzen Grenzen. Und schon das Wort „Knowmads“ drückt Grenzenlosigkeit aus. Es setzt sich aus „Know“, Wissen, und „Nomads“, Nomaden, zusammen. Nach der Definition von John Moravec, einem Forscher zur Zukunft von Bildung und Arbeit, ist ein Knowmad jemand, der kreativ und innovativ ist und überall, mit allen und jederzeit arbeiten kann. Bei einem Nomaden ist nicht wichtig, wo er herkommt, sondern was er kann. 

In der Schule in Amsterdam geht es dezidiert um Unternehmertum. Doch Spinder sagt, Knowmads funktioniere auch in anderen Bereichen. In Tel Aviv gebe es ein Knowmads-Programm für Lehramtsstudenten. Man kann dort einen 4-jährigen Bachelor machen. Die Philosophie dahinter ist die gleiche. „Es ist egal, ob ich Lehrer bin oder Unternehmer. Es geht darum, selbst in Aktion zu treten.“ 


Spinder hat Erfahrung mit alternativen Bildungsprojekten, vor Knowmads hat er zum Beispiel bei der niederländischen Version der Kaospiloten doziert, einem inzwischen eingestellten Studiengang für kreatives Management. Das normale Bildungssystem sei „industriell“. Formalisiert und veraltet. Dabei rufe die Gesellschaft nach Kreativität und Flexibilität.  

Dass es bei den Knowmads chaotisch zugeht, verleugnet niemand. Jaron Reisman, ein Tribe-Leader, betont: „Wir machen das Leben nicht leichter. Leute einfach mit Wissen zu füttern, das ist einfacher als sie zu inspirieren, wirklich ihr eigenes Leben zu leben“. Wer hier ankomme, lande in einem Chaos. Alles ändere sich ständig. Aber genau das bräuchten die Studenten. „Denn genauso ist die Welt.“ 


5 Entwürfe für ein deutsches Breaking Bad.

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Farbenfrohes (LSD?) Bad Pyrmont

Das Zweite Deutsche Fernsehen ist das Bad Pyrmont des TV: Provinziell, etwas in die Jahre gekommen und latent konservativ. 
Kein Wunder also, dass der Sender vom Lerchenberg die Spatzen von den Dächern pfeifen hört und seinen Innovations-Drang nicht drosseln kann (frei nach Amseln Kiefer). Grandiose Idee: nach dem Erfolgsvorbild der legendären Serie „Breaking Bad“ soll es ein deutsches Breaking Bad geben – im Sinne des ZDF also eher ein „Breaking Bad Pyrmont“. Vielversprechend scheint schon der Plot: Charakter-Darsteller und Oscar-Preisträger Bastian Pastewka druckt Falschgeld, wie die BILD Zeitung Wahrheiten und versucht irgendjemanden damit zu retten.


Hört sich langweilig an, aber wir können die Drehbuch-Redaktionen des ZDF retten. Hier sind 5 Vorschläge für ein vollkommen neues deutsches Breaking Bad, die perfekt zum Zweiten Deutschen Fernsehen und seinem Publikum passen. Denn: Mit dem Zweiten zieht man besser Meth-Lines.


Christel Meff – Gefangene der Herzen




Lord (Heiner Lauterbach), Ärztin (Veronika Ferres), Steilküste (Willi Herren) v.l.n.r.

Christel Meff (Veronika Ferres) ist eine deutsche Ärztin, die sich in einem englischen Lord (Heiner Lauterbach) verliebt hat, der an einer britischen Steilküste in einem weitläufigen, mit Rosenbüschen bewachsenen Cottage wohnt. Die Mutter des Lords (Iris Berben) ist gegen die Verbindung mit einer Bürgerlichen – dazu noch vom Kontinent – und intrigiert wie Oppermann in der großen Koalition.


So weit bekannt und beliebt an einem Sonntag um 20:15 Uhr im ZDF. Was aber niemand weiß: Der Lord hatte schon lange seinen gutdotierten Job in einem alteingessenen Bankinstitut verloren und angefangen, Meth zu kochen. Kein Wunder, dass er auch Christel Meff vollkommen verfällt. Berüchtigt nach einigen Monaten sein Meth-Mouth: total verschmiert mit dem Lippenstift von Christel Meff sieht er aus wie der Joker, nur kommt er nicht mehr zum Stich, weil er sich nicht mehr für Sex, sondern nur für die nächste Meth-Pfeife interessiert.


Am Ende muss der Lord sein Cottage verkaufen, Drogen-Baroness Christel Meff (Veronika Ferres) lacht sich einen Investment-Hai aus Hannover an (früher Teil des britischen Königreichs) und Iris Berben spielt die nächste Grand-MILF in einer Tralala-Produktion.


Der Affe auf der Schulter Charly




Schmuggelt Koks in Bananenkisten: der Affe Charly

Viele Jahre war der Affe Charly das intellektuelle Gewissen des ZDF: Hatte er doch weitaus mehr mit Gehalt zu sagen, als ein Johannes B. Kerner (dessen Gehalt aber höher war). Leider wurde der Affe Charly trotz hervorragender Quoten von einer Drogen-Mafia am Lerchenberg aus dem Programm gekickt. Aber jetzt ist er nach einem Machtkampf hinter den Kulissen wieder da, dem Marietta Slomka (Betonfuß-Syndrom) und Programm-Chef Himmler (angeblich Selbstmord mit Zyankali-Kapsel) zum Opfer fielen.


Die Story: der immer zu Schabernack aufgelegte Charly braucht Geld für eine Schönheits-Operation (Gehirn-Bleaching) und beginnt, Koks im großen Stil in Bananen-Kisten zu schmuggeln. Einige landen bei ALDI, was den NETTO Gewinn ein LIDL bit schmälert, weil der eine oder andere PENNY nicht bei Charly landet. Die 1. Staffel endet damit, dass der Affe Charly auf der Schulter des Verwaltungsratsvorsitzenden Kurt Beck sitzt und ihm das Urteil des Verfassungsgerichts erklärt.


Carmen Vernebelt




Heroin-Chic: die Kastelruther Spritzen

Jeder kennt die Horror-Nachricht im Verkehrsradio: „Kamen, Nebel.“ Das Pendant im Fernsehen lautet: „Carmen Nebel.“ Die Geschichte: die bekannte und beliebte Show-Masterin Carmen Nebel hat sich mit zwielichtigen Menschen aus der sogenannten Volksmusik-Szene eingelassen: den Kastelruther Spritzen. Die beiden spindeldürren Interpreten im Heroin-Chic des alpinen Vorlandes haben die Fäden im Drogengeschäft in der Hand. Carmen Nebel wird gezwungen, eine sterbenslangweilige Show moderieren zu müssen, bei denen Musiker wie Helene Fischer („Drogenlos durch die Nacht“) auftreten. Was keiner merkt: die Kastelruther Spritzen schmuggeln in der Volksmusik versteckt das Opium des Volks in alle Ecken und Enden der Republik. Eingeschläfert wirkt auch Carmen völlig vernebelt und versinkt im Drogensumpf des Schunkel-Deutschlands, denn sie muss nach der Crack-Pfeife der Kastelruther Spritzen völlig verpeilt Druffi tanzen. Achtung: Suchtgarantie!


Die Meth-Küchenschlacht




Faces of Meth

Koks mal wer da kocht: Johann Lafer-Flash, Kolja Koksberg und ein echter drei Sterne Crack wie Nelson Müller. Sie laden zur täglichen Meth-Küchenschlacht: Zander-Filet im LSD-Mantel, Ochsenbäckchen an Gras oder Obstsalat mit ganz viel Amphetaminen. Der kriminellen Fantasie der Hobby-Methköche aus dem Grenzgebiet zu Tschechien ist keine Grenze gesetzt. Ex-Koksnase Eckhard Witzigmann beurteilt die einzelnen Gerichte: „Das Oberlandesgericht München II zum Beispiel ist bekannt für seine harten Urteile im Bereich des Betäubungsmittelgesetzes.“ Oder: „Wahnsinn, wie die Kokskügelchen im Mund schier explodieren!“ Echt witzig, Mann! So kommen Millionen Menschen in unserem Land in den Genuss von Genussgiften. Natürlich wird in der Meth-Küchenschlacht auch endlich das Geheimnis der Gewürzmischungen der Hühner von „Los Pollos Hermanos“ verraten. À propos Verrat: wer die Hintermänner beim ZDF hintergeht, kann sicher sein, dass bei ihm die (Horst) Lichter ausgehen – und zwar für immer.


Sommer Wetten dass...? aus Albuquerque




Sieht im Rausch Hindernisse wo keine sind: Lanz

Mal ehrlich: wer braucht noch Sommer Wetten dass...? aus Mallorca, wo die Hauptdroge billig zusammen gemischter Pseudo-Sangria aus Plastik-Eimern ist? Niemand. Darum findet das nächste Sommer Wetten dass...? im wettersicheren Albuquerque statt. Sonne und Meth satt. Markus Lanz ist nach einer Meth-Pfeife sogar zu ertragen. Diesmal verhunzikert Michelle nicht die Show und Cindy aus Marzahn muss im Berliner Armen-Kiez mit Mörtel gestrecktes Kokain verkaufen. Als Gäste begrüßt Lanz Lindsay Lohan (Betty Ford Klinik), die nach einer verlorenen Wette vollkommen betrunken einen Part aus Lohangrin singen muss. Passend dazu bestellt ein vollkommen bekiffter Pete Doherty (Betty Ford Klinik) eine Wagner Pizza ans Wetten dass...? Sofa. Lanz verliert wie üblich vollkommen die Kontrolle über die Sendung und schreit „Cindy die alle verrückt geworden?“, weil er auf seinem Trip hängen geblieben ist und Lindsay Lohan mit Cindy aus Marzahn verwechselt: „Da ist doch auch ein Y im Namen, oder irre ich mich?“ In einem Laber-Flash sagt er ungefähr 1.000.000 Mal das Wort „Sensationell“. Am Ende verkündet Lanz das Ende von Wetten dass...?, knutscht einen rosa Elefanten und wacht am nächsten Tag in Las Vegas mit einem Dildo im Anus auf. Übrigens: die Badewanne in seinem Hotelzimmer ist auch im Arsch – mehr Breaking Bad geht nicht.

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