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"Ein Trümmer-Konzert ist eine Einladung zum Rausch"

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Das Hamburger Trio Trümmer spielt diesen Sommer auf großen Festivals, ist im Internet aber fast unauffindbar. Lediglich einen Song gibt es online von der Band zu hören. Die Musiker Paul, Tammo und Max sind junge Typen, die Lust auf solche Geheimnisse haben, aber auch auf guten Aktionismus und große Utopien. Ihr Alter spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch wenn sie nicht verraten wollen, wie alt oder jung sie sind.

jetzt.de: Online existiert ihr nicht, was für eine neue Band ungewöhnlich ist. Leute, die zu einem eurer Konzert gehen oder euch diesen Sommer auf Festivals wie dem Melt!, Haldern Pop oder Dockville sehen, kennen eure Musik also vorher nicht. Wie waren bisher die Reaktionen auf diese Geheimhaltung?
Tammo Kasper: Alle sind wahnsinnig interessiert! (lacht) Wenn man alles offen legt und alles von sich Preis gibt, kann man kaum noch Interesse wecken. Dadurch, dass das mit uns aber so ein Mysterium ist, kann jeder erst mal alles in uns rein projizieren. Ich find’s auch super vor Leuten zu spielen, die bis auf den einen Song, den sie vielleicht online gehört haben, nichts von uns kennen.
Maximilian Fenski: Das fordert einen! Man kann sich auf nichts ausruhen. Man ist als Band angespornt, einen Auftritt zu spielen, der die Leute begeistert. Das muss in dem Moment von uns kommen.
Paul Pötsch: Ein Trümmer-Konzert ist eine Einladung zum Rausch und ich habe das Gefühl, dass diese Einladung schon oft angenommen wurde.

Nutzt ihr auf der Bühne bestimmte Elemente der Inszenierung, um diesen Rausch zu verstärken?
Paul: Nein, aber in dem Moment wo du dich auf die Bühne stellst, ist das ja schon eine Inszenierung. Das ist ja das Tolle! Man entkommt dem realen Leben. Dann ist man nicht mehr authentisch. Kunst ist aus meiner Sicht ja auch nicht authentisch. Sie kann aber reale Folgen haben.

Paul, du bist der Sänger der Band. Schreibst du auch die Texte?

Paul: Ja, das mache ich. Wir gehen die dann aber nochmal zusammen durch und schauen, ob wir dahinterstehen können. Bisher gab es bei diesem Prozess aber keine großen Streitereien.  

„In all diesen Nächten“ist das einzige Stück, das es bisher von euch zu hören gibt. Dort sind Jugend und Euphorie große Themen. Wie jung oder alt seid ihr eigentlich?
Paul: Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir behaupten, wir wären alle 18.  

Könnt ihr nur jetzt in dieser Art über das Gefühl jung zu sein schreiben oder geht das in jedem Alter?

Paul: Snoop Dogg hat letztens in einem Interview gesagt, er glaube nicht an Alter. Das finde ich gut. Für mich ist Jugend natürlich aktuell ein Thema. Diese Zeit zwischen 20 und 30 ist glaube ich sehr wichtig und identitätsstiftend. Grade wenn man wie wir in eine so große Stadt wie Hamburg zieht und dort lebt. Tammo: Es heißt ja, im Alter würde man konservativer. Paul, du bist der Älteste. Du wählst als erster CDU! 



Ist diese Jugend in der Musik die, die ihr erlebt oder ist die eine reine Utopie?
Paul: Zum eine erzähle ich in den Texten, die ich schreibe, das, was man in der Großstadt als Heranwachsender tatsächlich erlebt. Aber es geht auch ganz stark darum, was man sich wünscht und wonach man sich sehnt.
Tammo: Unserer Zeit mangelt es an Utopien. Es fragt sich kaum einer, in was für einer Welt er leben möchte. Allerdings sieht man ja auch im Moment zum Beispiel in der Türkei, dass junge Leute auf die Straße gehen, weil sie etwas ankotzt. Max: Es geht bei uns auch immer um Liebe oder die Sehnsucht danach und dass die Liebe auch scheitern kann.
Paul: Liebe ist ein Akt der Rebellion!
Tammo: Dazu gibt es ein Zitat von iek. Er sagt, die letzte Revolution unserer Zeit sei die Ehe. Ich weiß nicht genau, was er damit meint, aber ich lass das mal so stehen. 

http://www.youtube.com/watch?v=avswTY2s_WY

In eurer Bandinfo heißt es: „Man braucht nicht immer gleich Antworten.“ Bezieht sich der Satz auf diese Radikalität?
Max: Da steckt drin, dass man nicht einen abgesteckten Plan braucht. Man kann auch loslaufen, ohne zu wissen, wo man ankommt.
Paul: Das ist ein Lobpreis auf das Machen! Es geht bei uns immer um die Sehnsucht nach Aufbruch und die Angst vor dem Stehenbleiben. Der Name „Trümmer“ steht auch für das Kaputtmachen und Neuerschaffen von Dingen. Etwas endet, aber dafür beginnt etwas anderes. Wir wollen gleichzeitig auch diese ständige Ironisierung bekämpfen, weil die jede Bewegung verhindert. Wir möchten zu dem, was wir machen, stehen und nichts mit einem Witz wegwischen. Kurz gesagt ist unsere Aussage: „Nehmt euch ernst, junge Menschen! Euch und eure Träume!“ 

Tocotronic haben vor Jahren den Wunsch, Teil einer Jugendbewegung sein zu wollen, verspottet. Seid ihr Teil einer Bewegung?
Max: Trümmer sind ja Teil einer Szene von Autoren, Filmemachern und Musikern. Ob das eine Bewegung ist, müssen andere bestimmen.
Paul: Wir kommen ja wie Tocotronic aus Hamburg und wir mögen Bands, die von da kommen, wie „Die Goldenen Zitronen“ oder „Blumfeld“. Das sind aber vor allem Leute, die heute in den 40ern sind. Leider ist seit Jahren nichts mehr nachgekommen an jungen Hamburger Bands.
Tammo: Ich denke, dass es in ganz Deutschland Musiker gibt, die sich mit deutschem Pop auseinandersetzen. Da kommt dann doch was nach und man muss nicht nur in Hamburg danach suchen. Paul: Zu solchen Gruppen wie „Messer“, „206“, „Zucker“, „Stabil Elite“ oder „Die Nerven“ fühlen wir uns dann schon zugehörig.
Max: Ich glaube, diese Musik-Szene beschränkt sich heute auch nicht mehr nur einen Ort oder eine Stadt.  

Stellt ihr euch denn auf der Bühne als Band aus Hamburg vor?

Paul: Das ist einmal versehentlich passiert (lacht). Aber normalerweise machen wir das nicht. Mir persönlich bedeutet das auch nichts. Wir kommen ja alle auch nicht aus dieser Stadt, sondern sind Zugezogene. Ich selbst bin einige Male innerhalb von Deutschland umgezogen und habe auch schon in München und in einem kleinen Kaff im Schwarzwald gewohnt. 

Dann dürfte euch das Thema „Großstadt“ ja nicht fremd sein.
Paul: Das ist für mich aber total wichtig! Die Großstadt ist so ein Sehnsuchts-Ort und Möglichkeits-Raum. Darum geht man ja, so wie ich, aus der Kleinstadt weg. Man denkt: „Da passiert was Großes!“ Das geht dann wieder mit der Utopie von Jugend zusammen.  

Das vorhin angesprochene Geheimnis um eure Band und eure Musik könnt ihr nicht ewig hüten. Max: Nein. Darum planen wir auch im Moment, wo und wie wir unser Debüt-Album aufnehmen. Wir wissen noch nicht, ob wir das in Hamburg in irgendeinem dunklen Keller machen oder ob wir dafür nach Portugal fahren. In erster Linie wird das aber sehr schön. Egal wo und wie!

"In Berlin kann jeder kreativ sein"

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In München ist das harte Arbeit. Oder? Wir haben die bisherigen Teilnehmer der "Creative Nite", einer Vortragsreihe der Münchner Kreativ-Szene, mal gefragt - und sie gleich noch erzählen lassen, was sie an ihrer Stadt mögen und was nicht.

Am Mittwoch, 31. Juli, findet die zehnte "Creative Nite" statt – eine Vortragsreihe der Münchner Kreativ-Szene. Vier bis sechs Protagonisten aus den Bereichen Design, Architektur, Musik, Software- und Games-Entwicklung, Film, Presse, Werbung, Bühne oder Kunst stellen dort in jeweils acht Minuten eigene Projekte in Kurzvorträgen vor. Hier beantworten die bisherigen Teilnehmer unseren Fragebogen:



 
Silke Türck

Was ich mache:
Ich mache "Schnittchen". Schnittchen sind Schnittmuster zum Selbernähen, die es auf meiner Internetseite (schnittchen.com) oder im gut sortierten Stoffhandel gibt.
 
Was mich in München inspiriert: Die kleineren Seitenstraßen. 
 
Was München fehlt: Raum, der bezahlbar ist. Mehr Möglichkeiten für und Unterstützung von "Coworking-Spaces".
   

Mario Klingemann

Was ich mache: Ich bin Code Artist bei "Psykosoft" und schreibe Algorithmen, die mit Hilfe des Computers schöne oder interessante Ergebnisse produzieren. Das können Bilder, Animationen, Melodien, Apps oder auch physische Objekte sein. Eines meiner Ziele ist es, Programme zu schreiben, deren Ergebnisse mich selbst überraschen – ein kniffliges Problem. Man könnte das vielleicht mit einem Krimi-Autoren vergleichen, der bis zur letzten Seite nicht weiß, wer der Mörder ist. 
 
Was mich in München inspiriert: Ich lebe jetzt seit 42 Jahren in München und eines hat sich nie geändert: die Tatsache, dass man sich laufend rechtfertigen muss, warum man hier noch lebt. "Nichts los hier", "spießig", "langweilig" – die übliche Leier. Ich sehe das als Ansporn – wenn man will, dass etwas passiert, muss man es einfach selber machen. In Berlin kann ja jeder kreativ sein – in München ist das harte Arbeit. Im Gegensatz zu Berlin haben wir aber einen funktionierenden Flughafen und eine meistens pünktliche S-Bahn. Wenn man zur Abwechslung doch mal Großstadtluft schnuppern will, ist so der Rest der Welt nicht weit weg. 
 
Was München fehlt: Baulücken, Brachland und schmutzige Ecken. Bezahlbare Räume für Künstler oder Leute, die etwas auf die Beine stellen wollen. Flohmärkte an Sonntagen.
       

Tuncay Acar



Was ich mache: Kulturschaffender, Clubbetreiber ("STRØM", "Import/Export"), Musiker.
 
Was mich in München inspiriert: Die Isar, König Ludwig I., der Neoklassizismus, die Disco-Ära.
 
Was München fehlt: Ich finde diese Frage eigentlich allmählich anmaßend. Wenn ich mir die Lebensumstände im Großteil der Erde ansehe, dann möchte ich behaupten, dass dieser Stadt die Demut und das vielgelobte Herz fehlt, den Überfluss, in dem sie lebt, "würdevoll" zu verschwenden.
 

Auf der nächsten Seite: David Süß, Betreiber des "Harry Klein" und Regisseur Jörn Mensching

Josef Winkler



Was ich mache: Ich bin Redakteur der Zeitschrift Muh – Bayerische Aspekte, in der es jedes Vierteljahr aufs Neue um bayerische Themen im weitesten Sinn geht.
 
Was mich in München inspiriert: Die Geschichte, hell und dunkel; dass es schon ein irgendwie nabelartiger Ort in der Welt ist; und dass es halt einfach gar so schön ist und "kulturell viel los ist", wie man sagt – wobei mich Letzteres momentan eher stresst, weil ich kaum noch wo hinkomm’. Man kann in München sehr viel verpassen, und von dieser Option mache ich gerade verstärkt Gebrauch. 
 
Was München fehlt: Ein Loslassen der dritten Startbahn, ein Ablassen vom zweiten S-Bahn-Tunnel, kein CSU-Bürgermeister. Die Einsicht, dass das mit der Premiumisierung von allem ein Mist ist. Und offenbar die Ersatzteile für die drei seit Wochen kaputten Rolltreppen nebst Aufzug am S-Bahnhof Rosenheimer Platz; das hat zwar einen gewissen abgeranzten Charme, aber da wirst du deppert mit dem Kinderwagen.

 
Jürgen Enninger

Was ich mache: Regionaler Ansprechpartner für Bayern im Kompetenzzentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Wir bieten kostenlose Orientierungsgespräche zur wirtschaftlichen Ausrichtung von Kultur- und Kreativunternehmen an. Darüber hinaus laden wir regelmäßig zu Netzwerkveranstaltungen für Kulturschaffende und Kreativunternehmen ein.
   
Was mich in München inspiriert: Die unglaubliche Vielfalt an kulturellem und kreativem Schaffen – und die Selbstverständlichkeit, mit der München diese Vielfalt lebt. Die Kreativunternehmen formen eine Branche, die mit all ihren Herausforderungen (Kleinteiligkeit, Heterogenität, wirtschaftliches Selbstverständnis) der Automobilindustrie in Beschäftigung und Umsatz gleichkommt. Die Kultur- und Kreativwirtschaft hier spielt in der Champions League.
 
Was München fehlt: Erschwingliche Freiräume, vertieftes Verständnis für die wirtschaftliche Tragfähigkeit kreativer Lebensentwürfe, Wertschätzung gegenüber und bessere Sichtbarkeit der Branche und der dazugehörigen Netzwerke, Training-on-the-Job-Programme für Kulturschaffende und Kreativunternehmen.

   
Jörn Mensching

Was ich mache: Theaterregisseur, Improvisations- und Kommunikationstrainer bei stagebusiness.de. Dort gebe ich Workshops und Kurse für Mitarbeiter in Unternehmen, Verwaltungen und Behörden.
 
Was mich in München inspiriert: Menschen, die neugierig auf einen Perspektivenwechsel sind.
 
Was München fehlt: Kioske, die nach 20 Uhr geöffnet haben.
 

Claudia Hildner




Was ich mache: Architekturjournalistin.  

Was mich in München inspiriert: In den Himmel über der leeren Theresienwiese zu blicken, der Isar auf ihrem Weg durch die Stadt zu folgen, den Bäumen am Südfriedhof dabei zuzusehen, wie sie Grabsteine umschubsen .
 
Was München fehlt: Mehr Raum für Unerwartetes, Unkontrolliertes, Unerhörtes.
 

David Süß


Was ich mache: Mit meinen Partnern betreibe ich das "Harry Klein" und verdiene damit meinen Lebensunterhalt. Ehrenamtlich bin ich als Vorstand für die Finanzen einer Eltern-Kind-Initiative verantwortlich und im Verband der Münchner Kulturveranstalter (VdMK) tätig.
 
Was mich in München inspiriert: Dass man so schnell draußen ist, aber immer wieder gerne zurück kommt.
 
Was München fehlt: Ein belebter Isarboulevard und ein Radltunnel.
 

Auf der nächsten Seite: Ledertaschen selbst bauen und ein Laden aus der Hölle

 
Anke Eberhardt



Was ich mache: Chefredakteurin des Magazins Cut (www.cut-magazine.com), freie Journalistin.
 
Was mich in München inspiriert: Die Bayern sind zwar eigen, aber eigentlich gar nicht so grantig, wie es immer heißt. Und obwohl alle von diesem Berlin reden, macht man es in München auch einfach mal selbst, wenn es auch besser geht: eine Bar/Eventlocation ("Import/Export"), einen gemeinnützigen Verein (High Five), einen Protest (Josephsplatz), einen Stadtführer ("Landmark Notes"), Konzerte (Hauskonzerte), ein Klamottenlabel (A Kind Of Guise), oder wie wir: ein Do-It-Yourself-Mode-Magazin. Ganz schön inspirierend!
 
Was München fehlt: Kalifornisches Wetter. Dann könnten wir ununterbrochen im Freien batiken, betonieren, malen, kleben und was man sonst so besser bei Frischluft selber machen kann. Und auch mal an einem sonnigen Sonntag ausschlafen, ohne Angst davor, es könnte der letzte schöne Tag sein.

       
Tobias Förtsch

Was ich mache: Diplom-Produktdesigner  

Was mich in München inspiriert: Menschen, die aus der Reihe tanzen. U-Bahngespräche. Alpenpanorama.
 
Was München fehlt: Mehr Menschen, die aus der Reihe tanzen. Spätshops. Spontanität.

 
Maria Cincotta

Was ich mache: Lehrerin und Musikerin (elcassette), Orgamensch des Münchner Rock Camps für Mädchen (und Frauen). 
 
Was mich in München inspiriert: Natur, Kollektive und Clubs wie das "Kafe Kult" und das "Kafe Marat".
 
Was München fehlt: Radikale Kunst, Subkultur, günstige Mieten, Platz für Musik und Kunst, Platz für Leute, die nicht so viel Geld haben, Lärm!

     
"Hellbuy"

Was wir machen: Was uns Spaß macht: Einzigartiges, Gruseliges, Lustiges, Schön-Scheußliches, Dekoratives, Bizarres, Tragbares und komplett Handgemachtes direkt aus der Hölle.
 
Was uns in München inspiriert: Die ewigen Grantler.
 
Was München fehlt: Ein "Hellbuy"-Café, eine "Hellbuy"-Party-Reihe im "Rausch und Töchter" ab 2. August.

     
"sueco"

Was wir machen: Gabriel ist Headhunter und Jungunternehmer, Julio studiert noch und ist auch Jungunternehmer. Wir beide haben "sueco" gegründet und bieten auf unserer Website und in unserem Laden in Giesing Sets an, mit denen sich jeder hochwertige Taschen aus Leder selber machen kann – ganz ohne Vorkenntnisse!
 
Was uns in München inspiriert: Die Mischung aus Großstadt, Dorf, italienischem Flair, bayerischer Gemütlichkeit und immer wieder aufblitzender deutscher Genauigkeit und Sauberkeit. Die Stadt ist einfach traumhaft schön und bietet sehr viele verschiedene Facetten und einfach super Leute!
 
Was München fehlt: Mehr eigene Sachen und Leute, die sich trauen, einfach ihr Ding zu machen. Wir sind Münchner – und das ist gut so. Wir müssen nicht nach Berlin fahren, um cool zu sein oder ein Start-up zu starten.
 

Sabine Magnet


Was ich mache: Journalistin, Autorin, Unternehmerin.
 
Was mich in München inspiriert: Die Isar, die Nähe der Berge, die Familie, die Freunde, die Leute, die hier etwas auf die Beine stellen, die Geschäftigkeit, die Sprache, die Tradition, die Lebenslust, das Templerschloss, die historischen Räume in der Villa Stuck, der Hundebiergarten, die Schaustelle, der Alte Südfriedhof, das viele Grün und der Himmel.
 
Was München fehlt: Günstiger Wohnraum in akzeptabler Verfassung und Lage, Kinderbetreuungseinrichtungen, alternative Architektur, Demonstrationskultur, Polizistenkultur, mehr Platz und Geld für Soziales und Kulturprojekte fernab der großen Institutionen, mehr Renitenz, mehr Laissez-faire, mehr Spätis und das Meer.
 

Sina Brübach-Schlickum

Was ich mache: Marktforscherin und mit Leib und Seele Host in Münchens erstem Coworking-Space, dem "Combinat 56".
 
Was mich in München inspiriert: Als Zuagroaste habe ich mich ganz schnell in diese Stadt verliebt. Sie verbindet das Moderne mit der bayrische Traditionen und bietet ringsherum einen hohen Freizeitwert mit viel frischer Luft. Inspirierend sind die vielen netten und unterschiedlichen Menschen, die hier leben.
 
Was München fehlt: Genügend Freiraum und ungezwungene Atmosphäre – denn wahre Interdisziplinarität braucht Niemandsland!
 
Auf der nächsten Seite: viel Architektur und "Theater im Club"

Luvin' Lou



Was ich mache: Apostel beim Portal VibeAlive.fm
 
Was mich in München inspiriert: Die freundliche, ruhige und leicht selbstverliebte Gemütlichkeit.

Was München fehlt: Um München noch öfter in Perfektion zu erleben, fehlen nur: mehr Sonnentage.
  

"What you see is what you get"– Theater im Club

Was wir machen: Wir sind ein junges Kollektiv aus München. Der feste Kern des Teams besteht aus sieben Leuten mit den unterschiedlichsten Expertisen aus dem Theater- und Kunstbereich. Neben kleineren performativen Projekten und filmischen Arbeiten ist "Theater im Club unser selbstbestimmter Schwerpunkt. In München arbeiten wir dabei mit der "Roten Sonne" zusammen.
 
Was uns in München inspiriert: München inspiriert nicht, München bettet weich (es ist schön hier zu leben, gute Infrastruktur bei fast dörflicher Gemütlichkeit).
 
Was München fehlt: Eine durchdachte Kulturpolitik abseits der großen Theaterhäuser und Museen, statt des herrschenden Gießkannenprinzips, welches hauptsächlich den Effekt hat, dass der interessante Teil der Münchner freien Kunstszene auswandert.

   
Markus Dicklhuber / Daniela Stöppel (Magazin Radar)

Was wir machen: Veranstaltungskalender für Projekte, Galerien und Institutionen in München. Radar erscheint alle zwei Monate und gibt eine Übersicht über aktuelle Kunstausstellungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Projekten, Off-Spaces und Aktionen.
 
Was uns an München inspiriert: Wenn gute Leute gute Kunstausstellungen machen.  

Was München fehlt: Noch mehr gute Kunstausstellungen und ein Nachfolger von Radar. Wir hören nämlich auf.
   

Nadin Heinich




Was ich mache: Ich bin Gründerin der Architekturplattform "plan A", die Zukunftsthemen aus Architektur und verwandten Disziplinen ein Forum mittels Büchern, Veranstaltungsreihen, Symposien oder Ausstellungen gibt. Architektur verstehen wir dabei allumfassend – mit einer Leidenschaft für komplexe Themen und experimentelle Ansätze. 
 
Was mich in München inspiriert: Die Münchner sind offener und lassen sich leichter "verführen", als sie manchmal von sich selbst glauben. 

Was München fehlt: München kommt mir oft wie eine Insel in Deutschland vor. Ich finde es enorm wichtig, dass man sich hier nicht auf dem hohen Lebensstandard ausruht, saturiert und träge wird, sondern trotzdem den Mut hat, sich immer wieder neu zu erfinden. Nur so kann man ein so hohes Niveau auf Dauer halten.
   

Manuel Ströh


Was ich mache: Gründer von www.return-to.me
 
Was mich in München inspiriert: Biergärten voller interessanter Menschen.
 
Was München fehlt: Bezahlbarer Wohnraum, wenn die Menschen nicht im Biergarten sind.

  
"Kulturkonsorten"

Was wir machen: Wir sind ein Netzwerk für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Kommunikation. Die "Kulturkonsorten" beraten und begleiten Kultureinrichtungen (wie Museen, Archive, Theater, Bibliotheken, Galerien, Künstler) bei ihren Aktivitäten im digitalen Raum. Zudem veranstalten wir Tagungen zum Thema Social Media und experimentieren mit neuen Formaten der webbasierten Kulturvermittlung (wie Tweetups, Blogparaden).
 
Was uns in München inspiriert: Die Menschen. Die Stadt. Die Vielfalt. Die Gelassenheit. Die Kultur. Die Kultureinrichtungen. Die Geschichte. Die Kunst. Das Bier.
 
Was München fehlt: Mehr Freiraum für Experimente, mehr Mut zur Improvisation, mehr Neugier und mehr konstruktiver Dialog. Digitale Subkultur. Die Einsicht, dass einem Aufbruch auch ein Durchbruch folgen muss.

     
Christian Zöhrer

Was ich mache: Architekt (Vierzueins. Architektur und Stadtplanung).
 
Was mich in München inspiriert: Dass so wunderbare Gebäude wie der ehemalige Norkauer einfach abgerissen werden. Das "Art Babel" und Veranstaltungen wie die Creative Nite – als positives Beispiel für das Potenzial der Stadt und ihrer Bausubstanz – sind Antrieb und Inspiration.
  
Was München fehlt: Anscheinend Selbstbewusstsein.

         
Melanie Preßler

Was ich mache: Allrounder bei "Aura.Karma."
 
Was mich in München inspiriert: München ist in vielen Bereichen noch sehr jungfräulich, es birgt viel Potenzial. Das bietet Chancen und die Leute sind noch sehr begeisterungsfähig. Außerdem brodelt es hier im Untergrund vor kreativer Energie, die nur darauf wartet, auszubrechen. Ich finde es schön, hierzu einen Beitrag leisten zu können. 
 
Was München fehlt: In München wurschteln die meisten leider selbst vor sich hin. Hier fehlt es an zentralen kulturellen Begegnungsstätten, in denen sich Kreative und Kulturschaffende sämtlicher Genres austauschen und austoben können. So können neue Synergien entstehen.

Auf der nächsten Seite: Till Hofmann, Mehmet Scholl und Ringelnatz  


"Park 15"

Was wir machen: Fotos. Im Kollektiv. In Analog. 
 
Was uns in München inspiriert: Alles, was hier schief läuft. Und das ist viel. 
 
Was München fehlt: Eine zweistellige Millionenzahl, wenn es um Einwohner geht. Denn dann würde hier auch wirklich was passieren.
   

Till Hofmann


Was ich mache: Veranstalter, Betreiber diverser Bühnen ("Münchner Lustspielhaus", "Lach und Schießgesellschaft", "Vereinsheim", "Café Ringelnatz", "Stadtsaal Wien", "Milla" – zusammen mit Gerd Baumann und Peter Brugger), "Galerie Truk Tschechtarow", "Millaphon Records" mit Gerd Baumann und Mehmet Scholl.
 
Was mich in München inspiriert: Zeitverbringen im "Baader", an der Isar oder im "Anti" sitzen. 
 
Was München fehlt: Günstige Wohnungen und Wut gegen nicht praktizierte Politik.


Kira Nezu

Was ich mache: Ich bin Geschäftsführerin einer Beratungsfirma für mobile Apps, der "AppAdvisors GmbH". Dort berate ich gemeinsam mit meinen Kollegen Unternehmen in ihrer App Strategie und schreibe Konzepte für Apps. Mein Nebenjob ist Mama: letztes Jahr habe ich eine kleine Tochter bekommen, die natürlich ein ganz wichtiger Bestandteil meines Lebens ist.                   

Was mich in München inspiriert: Die Isar! Sie ist ein launischer Fluss: mal trüb, mal klar – mal hoch, mal niedrig. Man kann Surfer auf ihr sehen oder Menschen, die sich an heißen Tagen ein Stück in ihr treiben lassen. Und fast immer kann man riesige Fische darin entdecken: Barben, Forellen und Aitel – Floßfahrten und Grillfeste am Flaucher tragen dazu ihren Teil bei.                   

Was München fehlt: Neben Kinderkrippen, die für normalverdienende Stadtbewohner bezahlbar sind, oder Wohnungen mit einem vernünftigen Preis-Leistungsverhältnis: Ich habe den Eindruck, dass es in München immer weniger Kunst gibt. Kann man sich Kunst denn noch leisten – sei es zum Kaufen, mieten oder selbst kreieren?


David Eicher


Was ich mache: Ich bin ausgebildeter Fotograf und Werbekaufmann. Bei den "webguerillas" sind jedoch eher meine Talente als Vordenker, Missionar, Motivator, Problemlöser, Stratege und Ratgeber gefragt.                   

Was mich in München inspiriert: Dass man noch sehr viel bewegen kann, obwohl schon vieles richtig gut ist. Ich habe den Eindruck: München wird einerseits (von außen) unterschätzt und steht sich andererseits manchmal selbst im Wege. Dieses Spannungsfeld finde ich anregend.  

Was München fehlt: Mehr Lockerheit. Mehr Menschlichkeit. Mehr freundliche U-Bahn- und Taxifahrer. Mehr Kunst im öffentlichen Raum. Mehr Bühnen und eine größere Offenheit für Ungewöhnliches. Mehr Subkultur. Mehr Ecken und Kanten. Natürlich: mehr günstiger Wohn-, Aktions- und Büroraum. Mehr Understatement. Da gibt es einiges. Aber umgekehrt hat München auch vieles, was anderen Städten fehlt.  


Danièle Brown


Was ich mache: Ich arbeite als Schmuckdesignerin und Goldschmiedemeisterin in meinem eigenen Atelier in München.  

Was mich in München inspiriert: Die Museen. Die öffentlichen Parks und Gärten.                   

Was München fehlt: Günstige, schöne Wohn- und Arbeitsräume für normale & kreative Menschen mitten im Herzen der Stadt.


Matthias Leitner


Was ich mache: Autor und Filmemacher. 2012 habe ich gemeinsam mit Matthias Kestel, Lea Hampel und Christoph Gurk das Journalistenkollektiv "Affe im Kopf" gegründet.  

Was mich in München inspiriert: Wahrscheinlich ist es die Fönluft und der Bierdunst.  

Was München fehlt: München ist gemütlich, ruhig, überschaubar. Man muss sich vor allem selbst aktivieren, um nicht im ewig gleichen Sud zu kochen. Es geht in München daher – denke ich – weniger um einen Mangel, als mehr um ein Zuviel. München ist zu selbstgenügsam, eitel und herablassend.


Christian Köbelin


Was ich mache: Sales Manager bei "amiando – Eventregistration & Ticketing". Meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass wir weiter wachsen und unsere Kunden so glücklich sind, dass sie uns pro-aktiv weiterempfehlen.  

Was mich in München inspiriert: München ist sehr persönlich und hat diesen gewissen Kleinstädtischen und südländischen Flair. Man fühlt sich einfach wohl hier.  

Was München fehlt: Etwas mehr Toleranz und Größe. Ein Hafen.


"siebenmachen"

Was wir machen: Wir sind sieben Münchner Gestalterinnen mit eigenem Atelierladen und Workshopraum in Obergiesing.  

Was uns in München inspiriert: München ist eine spannende Stadt. Moderne Architektur, die Menschen auf der Straße, die Isar, die Biergärten im Sommer, die grünen Bäume des Ostfriedhofs gegenüber des Atelierladens, die kreativen Menschen, die mit uns zusammen Projekte erspinnen – da liegt reichlich Inspiration auf der Straße!                   

Was München fehlt: Hauptsächlich fehlt in München der (bezahlbare und ausreichend große) Raum für kreative Prozesse. Und dann natürlich das Meer.  


Michael Schild


Was ich mache: Ich generiere Orte für kulturelle, künstlerische und gesellschaftliche Projekte und Initiativen. Ich entwickle Kunst und Kultur Projekte und verwirkliche diese. Ich bin Visionär, Mitbetreiber von "STRØM Club" und "Import Export" und versuche, Brücken zwischen unterschiedlich denkenden Menschen zu bauen.  

Was mich in München inspiriert: Die Tatsache, dass man von A nach B mit dem Fahrrad fahren kann finde ich toll und natürlich inspirieren mich all die interessanten Menschen, die in der schönen Stadt leben.  

Was München fehlt: In München fehlt urbaner Freiraum für Mensch und Kultur.


Eleanor Mayrhofer


Was ich mache: Designerin, Bloggerin  

Was mich in München inspiriert: Die gute Mischung aus Natur, einem urbanen Umfeld und livability.  

Was München fehlt: Platz für kreative Köpfe, die nicht Teil der Start-up-/Tech-Szene sind. Manchmal: eine lebendige Straßenkultur.


Stefan Mayr


Was ich mache: Verleger des "asphalt & anders"-Verlags, zusammen mit Nico Schröder (hauptberuflich Lektor für die Verlage DVA, Siedler und Pantheon).  

Was mich in München inspiriert: Das wunderschöne Umland, die Lebensart, die zahlreichen Literaturschaffenden  

Was München fehlt: Lockerheit.  


Maximilian Rapp


Was ich mache: Berater und Projektleiter bei der "Hyve Innovation Community GmbH"  

Was mich in München inspiriert: Die Bavaria, die alten Bauten, das Flair des Millionendorfs  

Was München fehlt: Ein wenig mehr Entgegenkommen für Studenten.


Carina Lugert


Was ich mache: Nachdem ich mit zwei Freunden letztes Jahr den "Hub Munich" (www.munich.the-hub.net) – ein Zentrum für soziale Innovation und gemeinwohlorientiertes Wirtschaften – gegründet hatte, war eine kurze Auszeit nötig. Jetzt unterstütze ich die gemeinnützige GmbH "Baobab Social Business" (www.baobab.org) dabei, die Themen Fairer Handel und Nachhaltiger Konsum über deren innovative Produkte greifbar zu machen. Und da bin ich jetzt Produktentwickler, Marketingverantwortliche und auch mal Kultgetränk-Verkoster. So gesehen bin ich wohl ein klassischer Allrounder, der immer da ist, wo er gerade gebraucht wird. War auch irgendwie schon immer so.  

Was mich in München inspiriert: Die Isar, das Bier, der Nordteil des Englischen Gartens mit all seinen Bewohnern, das Bayerische, das Grantlhuber-Tum und das Gemütliche. Die Tatsache, dass diese Weltstadt – zum Glück – eben doch "nur" ein Dorf ist.  

Was München fehlt: Manchmal der Rock’n’Roll. Oft der Platz für Innovationen. Meistens die Internationalität.


Matthias Ehinger


Was ich mache: Bei "perceptos" bin ich für Marketing und Vertrieb verantwortlich. Ich zeige Unternehmen, wie sie mit digitalen Kreativitätstechniken in virtueller Echtzeit-Teamarbeit innovativere Ideen finden können.                   

Was mich in München inspiriert: Mit seinen zahlreichen Grünflächen, Residenzplätzen und Monumentalbauten wirkt München wie ein großer Park. Wenn ich mit meiner kleinen Tochter beispielsweise um die Alte Pinakothek spaziere (in deren Schatten man übrigens optimal Fußball spielen kann), fallen mir die zweitbesten Ideen für meine Arbeit ein.                   

Was München fehlt: Noch mehr Freiraum für kreative Geschäftsideen, innovative Unternehmen und "Social Collaboration" – und natürlich Tore auf dem Rasen hinter der Alten Pinakothek!

Auf der nächsten Seite: restaurierte Möbel und ein "Büro für Hafenangelegenheiten"


Christina Lechner

Was ich mache: "Die Einrichterei". Als gelernte Schreinerin restauriere ich dort alte Möbel und habe eine eigene kleine Kollektion recycelter Möbel. Als studierte Innenarchitektin helfe ich aber auch gerne beim Planen und Einrichten.                   

Was mich in München inspiriert: Die Mischung aus Metropole und Dorf, die Isar und das 5-Seen-Land ganz nah.  

Was München fehlt: Günstiger Raum für Ideen, Projekte und Menschen.


Hendrik Lesser


Was ich mache: Geschäftsführer und Executive Producer. Was ein Geschäftsführer macht, sollte bekannt sein. Ein EP ist final für die Qualität eines Spiels verantwortlich und entscheidet dabei auch über Budgets und Timings.  

Was mich in München inspiriert: Schönste Stadt der Welt. Entspannte Menschen mit angenehmer Lebensart. Man kommt von München aus überall hin. Der FC Bayern. Die Isar mitten durch die Stadt. Das sichere Leben.  

Was München fehlt: Noch mehr Internationalität. Ein stärkeres Aufwachen und Mitmachen bei progressiven Themen. Noch stärker die Ärmel hochkrempeln und sich nicht so stark auf dem erreichten ausruhen.


Sabine Ruchlinski


Was ich mache: Ehrenamtliche Vorsitzende "Kulturloge München e.V.", Träger des Projekts KulturRaum München (www.kulturraum-muenchen.de). Hauptberuflich Geschäftsführerin "Berufsverband Bildender Künstler München und Obb. e.V.".                    

Was mich in München inspiriert: Die extrem abwechslungsreiche Kulturlandschaft.  

Was München fehlt: Mehr und bezahlbarer Raum für Künstler.


Katja Bathon


Was ich mache: Bühnenbild, Innenarchitektur, Räume gestalten mit open end*                   

Was mich in München inspiriert: Das Niveau der Hochkultur  

Was München fehlt: Eine vielfältige subkulturelle Szene und Nischen für Unvorhersehbares und Überraschendes im urbanen Raum.


"Büro für Hafenangelegenheiten"

Was wir machen: Das Büro ist eine Initiative von Patrick Gruban ("Nerd Nite"/"Puerto Giesing"), Anja
Junghans (Kulturwissenschaftlerin), Linn Quante (Kulturarbeiterin) und Zehra Spindler (semifiktive Heißblut-Münchnerin/"Puerto Giesing"). Gemeinsam organisieren wir alle zwei Monate die "Creative Nite", eine Veranstaltungsreihe, auf der vier bis sechs Kreative in jeweils acht Minuten eigene Projekte in Kurzvorträgen vorstellen. Ob Design, Architektur, Musik, Software- und Games-Entwicklung, Film, Presse, Werbung, Bühne oder Kunstmarkt – durch die Kultur- und Kreativwirtschaft entsteht viel Neues in München. Bei der "Creative Nite" zeigen die Macher nicht nur die Ergebnisse ihrer Arbeit, sondern auch den Weg dorthin.  

Was uns in München inspiriert: Engagierte Menschen und kreative Allianzen, das Wegfahren von, aber auch das Zurückkommen nach München, dass man sich einbringen kann, dass es hier an vielen Stellen unfertiger und formbarer ist als man denkt, die Auseinandersetzung mit der Stadt, zu der uns München immer wieder zwingt.                   

Was München fehlt: Ein Hafen mit vielen Andockmöglichkeiten, Mut zum dauerhaft Unfertigen, mehr Boazn, mehr vom Weniger.

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Das Internet liebt Videos, in denen Kinder darüber philosophieren oder sich aufregen, was auf der Welt falsch läuft. Ein Fünf-Filme-Spezial mit Erklärungsversuch

Unter die aktuellen Stars des Internets, Hummeln, die High Fives geben, und Schildkröten, die ins Wasser hechten, haben sich in den vergangenen Tagen und Wochen neue Gesichter geschlichen: Kinder, die mal wütend, mal abgeklärt, mal traurig, aber immer reflektiert erklären, was auf der Welt, zumindest in ihrer, falsch läuft. Es geht um große Themen in der Weltpolitik wie Rassismus, Zwangsehen in Jemen und die Lage in Ägypten, aber auch um vermeintlich kleine Alltagsdinge wie die Entscheidung, Fleisch zu essen.  

Natürlich haben Kinder, genauso wie Tiere, von vornherein einen Niedlichkeitsbonus und bei allen Videos fragt man sich, ob die Kinder das, was sie sagen, nicht vorher von ihren Eltern eingetrichtert bekommen haben (und auch, warum bei denen zu Hause am Esstisch zufällig eine Kamera läuft, siehe Video Nummer vier). Ob nun ein bisschen, ganz oder doch gar nicht gestellt, die Videos werden millionenfach angeklickt, in Englisch und andere Sprachen übersetzt. Sie sind beliebt, vielleicht, weil sie uns daran erinnern, dass wir das, bei dem wir uns längst mit einem
"Ist halt so" abgefunden haben, öfter hinterfragen sollten. Wir trauen uns das oft nicht, weil wir Angst haben, uns zu blamieren. Dabei sollten wir wissen, dass die "Sendung mit der Maus"-Besänftigung "Klingt komisch, is’ aber so" manchmal einfach nicht reicht.
Dass es sich lohnt, nachzufragen, zeigen diese fünf Filme:


http://www.youtube.com/watch?v=-J7_TKgw1To 

"Nur zu", sagt Nada Al-Ahdal, "verheiratet mich! Dann werde ich mich umbringen." Das Mädchen aus Jemen sitzt in einem Auto und erzählt seine Geschichte, eine, die einen vor dem Computer keine Sekunde loslässt und noch lange beschäftigt: Nadas Familie wollte sie – mit elf! – zwangsverheiraten. Schon zwei älteren Männern haben ihre Eltern die Erlaubnis gegeben, sie zu heiraten. Nada lebt eigentlich bei ihrem Onkel, zu Ramadan war sie bei ihren Eltern. Als sie mitbekam, was sie mit ihr vorhaben, ist sie abgehauen. In zwei Tagen wurde das Video mehr als 6,5 Millionen Mal geklickt, es ist aber auch umstritten: unter anderem, weil es an manchen Stellen klingt, als habe sie den Text auswendig gelernt und Nadas Onkel bei einem Fernsehsender arbeiten soll. Wichtig ist das Video trotzdem: weil es uns daran erinnert, dass es in Jemen immer noch viel zu viele Kindbräute gibt.  


http://www.youtube.com/watch?v=dR4gkWc9h6o 

Bereits Ende 2012 wurde Ali Ahmed auf der Straße interviewt und sprach, ziemlich reflektiert, über die Lage in Ägypten und die Probleme seines Heimatlandes. Im Juli wurde das Video bei YouTube hochgeladen und seine Aussagen sind immer noch so aktuell wie vor mehr als einem halben Jahr. Er spricht über die Revolution und klagt: "Es gibt immer noch keine Jobs, die Polizei sperrt willkürlich Leute ein. (...) Wie kann ein Nachrichtensprecher 30 Millionen ägyptische Pfund kriegen, während manche Menschen Essen aus den Mülltonnen fischen? (...) Die Hälfte der Menschen sind Frauen. Wie kommt es, dass nur sieben Frauen in der verfassungsgebenden Versammlung sind? Und sechs von ihnen Islamisten sind?" Fragen, die sich die erwachsenen Ägypter vermutlich schon gar nicht mehr stellen. Sehenswert, auch wenn der Zwölfjährige so eloquent ist, dass man sich fragt, wie echt die zufällige Aufnahme ist.


http://www.youtube.com/watch?v=VifdBFp5pnw 

Die ziemlich geniale Serie "Kids react to" auf dem YouTube-Kanal The Fine Brothers funktioniert fast wie "Dingsda", nur dass die Kinder (und inzwischen auch Teens, Elders und YouTubers) Memes und Videos erklären und kommentieren. Das kann einfach nur lustig sein, wenn sie zum Beispiel erklären, was eigentlich der "Harlem Shake" soll. In "Kids React to Controversial Cheerios Commercial" geht es um viel mehr. Der Cerealienhersteller Cheerios musste vor einiger Zeit die Kommentarfunktion unter seinem neuen Werbespot auf YouTube abstellen. Die rassistischen Kommentare gegen die Eltern in dem Video, die Mutter ist weiß und der Vater schwarz, hatten sie irgendwann nicht mehr unter Kontrolle. In dem "Kids react to"-Video sollen die Kinder erklären, warum dieser Clip kontrovers ist. Auch nach vielen Nachfragen können sie nicht begreifen, worüber sich jemand aufregen könnte. Erst als man ihnen erklärt, dass es so etwas wie Rassismus gibt, beginnen sie zu ahnen, was das Problem ist. Zu verstehen zum Glück nicht.
 

http://www.youtube.com/watch?v=NX4O6smZrLE 

Luiz muss drei bis fünf Jahre alt sein und aus einem Land kommen, in dem Portugiesisch gesprochen wird, mehr ist über seine Identität nicht herauszukriegen. In dem Video sitzt er vor einem Teller mit Reis, Kartoffeln und Tintenfischringen und fragt sich, was die frittierten Ringe eigentlich mit den Tintenfischen im Meer zu tun haben. "Das ist kein echter Oktopus, oder?", fragt er. "Doch", antwortet seine Mutter. Als sie ihm erklärt, dass das, was er isst, kleine zerschnittene Oktopusbeine sind, genauso wie Hühner und Kühe auch vor dem Verzehr zerteilt werden, beschließt er, nur die Kartoffeln und den Reis zu essen. "Por que?", fragt er immer wieder und wir sehen ihm zu, wie er langsam begreift, dass der Tintenfisch getötet wird, bevor er gegessen wird. Das Originalvideo wurde fast drei Millionen Mal angeklickt, es gibt Versionen unter anderem mit englischen und deutschen Untertiteln. Die Vegetariergemeinde, die Luiz als Helden feiert, hinterfragt nicht, warum bei einem normalen Mittagessen zu Hause die Kamera mitläuft und Luiz genau dann übers Tiereessen philosophiert. Das Nachdenken über unseren Fleischkonsum kann auf jeden Fall nicht schaden. 

  
http://www.youtube.com/watch?v=F7Id9caYw-Y 

Ein Klassiker und Star unter den Kinder-erklären-was-auf-der-Welt-schiefläuft-Videos ist der TEDxNextGeneration-Vortrag "What's Wrong With Our Food System" von Birke Baehr aus dem Jahr 2010 (hier mit deutschen Untertiteln). Damals war Birke elf Jahre alt und referierte, wenn auch ein bisschen altklug, über die Fehler der Lebensmittelindustrie. "Ich habe den Eindruck, dass die Firmen ständig versuchen, Kinder wie mich dazu zu verführen, ihre Eltern dazu zu bringen, Dinge zu kaufen, die weder für uns noch für unseren Planeten gut sind", sagt er. Er sei auch so ein Kind gewesen, das glaubte, unser Essen komme von glücklichen kleinen Bauernhöfen. Lange wollte er Fußballspieler in der Nationalmannschaft werden, damals hat er beschlossen, Öko-Bauer zu werden. Heute ist er 14, Buchautor und auf dem Weg, wirklich Biobauer zu werden. Vielleicht stimmt das mit den glücklichen Bauernhöfen bald ja doch. Zumindest ein bisschen.

Die Scham am Strand

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Sandburgen und Saufen am Strand? Damit ist jetzt in einigen Urlaubsregionen Schluss.

Endlich am Strand! Nirgends ist der Mensch so frei wie hier. Zumindest denkt er das - während seiner Vorfreude auf den anstehenden Urlaub am Meer. Nichts, was sich dem Blick bis zum Horizont entgegenstellte. Nichts oder nichts Überflüssiges, was man am Körper tragen müsste. Dazu diese Weite, dieses Licht, dieser feine Sand! Wie sollte man sich da nicht leicht und frei fühlen? Frei zu tun, was man möchte, etwa mannshohe Sandburgen aufschütten oder barbusige Schönheiten modellieren.

Da verbreitet die Katholische Nachrichtenagentur folgende Meldung: An der Copacabana, dem natürlichen Habitat des Stringtangas, hätten sich nun die Sandbildhauer aus freien Stücken dazu verpflichtet, ihren Badenixen Strandröcke anzumodellieren statt der üblichen, auch 'Zahnseide' genannten Höschen. Der Grund: Franziskus, der bescheidene Papst, ist in dieser Woche hier auf dem Weltjugendtag und soll dabei nicht auf dicke Sandhintern und kaum verhüllte Brüste schauen müssen. Ob da nicht doch ein wenig sanfter Druck von Seiten des Erzbischofs ausschlaggebend war?



Eimersaufen am Ballermann? Das geht nur noch bis 22 Uhr.

Es wäre jedenfalls nicht verwunderlich und würde gut zur Reglementierungswut passen, mit der weltweit Strände in Freiluft-Lehranstalten verwandelt werden. So dürfen seit kurzem doch tatsächlich die teutonischen Ballermänner an der Strandpromenade der Playa de Palma ab 22 Uhr abends ihre Sangria-Eimer nicht mehr leersaugen und weder Bier noch Schnäpse unter freiem Himmel trinken. Das sei nicht vereinbar mit dem Qualitätstourismus, den man hier etablieren wolle, sagte ein Stadtrat, der nächtliche Müllberg aus Bierdosen, Scherben und Plastiktüten anderen Gästen nicht zumutbar. Dass Zuwiderhandelnde nur 'informiert', nicht aber mit Geldstrafen belegt werden sollen, ist südländisch sympathisch, wird die Kampftrinker aber wohl nicht stark beeindrucken.

Richtig an den Kragen geht es dagegen einer anderen deutschen Spezialität, den Sandburgen. Wo früher der Vater mit dem Klappspaten einen Sicht- und Windschutzwall kreisförmig um den Strandkorb aufgehäuft hat, den die Kinder mit Muscheln verzierten, ist heute meist nur noch plattes Land. Viele Orte an Nord- und Ostsee erlauben den Bau von Sandburgen nicht mehr. Die Küste müsse geschützt, der Strandspaziergänger vor dem Sturz in mondkraterartige Sandlöcher bewahrt werden.

Soziologen vermuten den Grund fürs Sandburgensterben allerdings ganz woanders: Die berühmte Handtuchmentalität der deutschen Urlauber habe sich über die Jahrzehnte geändert. Territoriale Besitzansprüche, die mit der Aufschüttung des Sandwalls bekräftigt wurden, seien nicht mehr so weit verbreitet. Zudem schäme sich heute keiner mehr fürs schnöde Faulenzen und Müßiggehen, was für die Wirtschaftswundergeneration ein weiterer Grund für die schweißtreibende Arbeit an den Strandburgen gewesen sein soll.

Unbehelligt von soziologischen Entwicklungen und Verboten bleiben die Kindersandburgen, auch Kleckerburgen genannt. Sie werden nach Bauantrag und langwierigem Planfeststellungsverfahren mancherorts noch genehmigt.

Hormoncocktail aus dem Badezimmer

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Umweltschützer des BUND warnen vor dubiosen Stoffen in Kosmetikprodukten. Doch Wissenschaftler sehen kein Problem

Berlin - Duschgel, Deo, Tagescreme, Zahnpasta, Rasierschaum oder Lippenstift - wer morgens das Haus verlässt, hat häufig bereits eine ganze Reihe verschiedener Kosmetikprodukte benutzt. Im Lauf des Tages kommen weitere hinzu. Insofern klingt es alarmierend, wenn Umweltschützer nun feststellen: Fast jedes dritte Körperpflegeprodukt in Deutschland enthält einen hormonell wirksamen Stoff, jedes fünfte Produkt sogar gleich mehrere Stoffe. Bei den Marktführern Beiersdorf (die unter anderem Nivea-Produkte herstellen) und L"Oreal sei fast jedes zweite der getesteten Produkte belastet gewesen, so das Ergebnis einer Studie, die der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) am Mittwoch in Berlin veröffentlichte. Die Stoffe würden vor allem als Konservierungsmittel oder UV-Filter eingesetzt.



Pflege für's Gesicht? Umweltschützer warnen jetzt vor manchen Inhaltsstoffen - auch Niveaprodukte sind dabei.

Zwar sei der Zusatz dieser Chemikalien erlaubt, auch lägen sie unter den offiziellen Grenzwerten. Aber: Einige davon stünden im Verdacht, die Fruchtbarkeit zu mindern, Brust- oder Hodenkrebs zu fördern sowie die Pubertät früher beginnen zu lassen, sagt Sarah Häuser, Chemikalienexpertin beim BUND. Problematisch sei, dass die zuständigen Behörden bei der Festlegung der Grenzwerte immer nur den Anteil des einzelnen Stoffs im einzelnen Produkt betrachten würden. Unberücksichtigt bleibe, 'dass wir im Lauf eines Tages viele verschiedene Produkte verwenden, in denen zudem womöglich gleich mehrere Chemikalien enthalten sind'. Der Körper werde so regelrecht einem Cocktail von Chemikalien ausgesetzt. Auch die Weltgesundheitsorganisation habe hormonelle Stoffe bereits als 'globale Bedrohung' bezeichnet, sagte Häuser.

Für die Studie hatten die Umweltschützer die Inhaltsstoffe von mehr als 60000 Kosmetikprodukten ausgewertet. Dabei achteten sie lediglich auf die 16 Chemikalien, die in einer Prioritätenliste der EU in der Kategorie eins geführt werden. 'Für sie ist besonders gut belegt, dass sie hormonelle Wirkung haben', sagte Häuser. Verbraucher, die wissen wollen, welche Produkte betroffen sind, können sich im Internet unter www.bund.net/toxfox informieren, oder sie laden sich die kostenlose App 'toxfox' auf ihr iPhone. Damit können sie den Barcode scannen und sofort erkennen, ob ein Produkt hormonell wirksame Stoffe enthält oder nicht. Der BUND forderte die Hersteller auf, auf die Chemikalien zu verzichten. Einige Naturkosmetik-Hersteller kämen schließlich auch ohne aus. Zudem müsse die Politik die Verwendung verbieten. Doch wie ernst muss man die Ergebnisse überhaupt nehmen?

Für Verbraucher jedenfalls ist die Situation äußerst verwirrend. Ein Beispiel: Wer etwa den Barcode der Körperlotion Bodyurea von Garnier mit der neuen Toxfox-App des BUND scannt, bekommt den Hinweis, dass sie Methyl- und Ethylparaben enthält - und dass es sich dabei um Konservierungsmittel handele, bei denen in Tierversuchen 'hormonelle Störungen wie Veränderungen der Geschlechtsorgane' dokumentiert worden seien. Gleichzeitig aber wirbt das Produkt damit, bei einer Untersuchung der Stiftung Warentest als Testsieger abgeschnitten zu haben. Wie kann das sein? 'Das liegt daran, dass wir nicht den geringsten Anlass haben zu glauben, Methyl- oder Ethylparabene seien gefährlich', sagt Christiane Nientimp, Kosmetikexpertin bei der Stiftung Warentest. 'Im Gegenteil: Hersteller, die versuchen, ohne diese Parabene auszukommen, weichen oft auf andere, viel kritischere Stoffe aus.'

Auch beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem Bundesverbraucherschutzministerium unterstellt ist, hält man die Aufregung des BUND für völlig übertrieben. 'Es gibt genügend Studien, die belegen, dass Methyl- und Ethylparabene keine hormonell-schädliche Wirkung haben', sagt Thomas Platzek, Toxikologie-Experte beim BfR. Zudem sei es unlogisch, allein den Kosmetiksektor zu betrachten. 'Sojaprodukte oder Rotwein beispielsweise enthalten ebenfalls hormonell wirksame Stoffe.' Die müsste man dann genauso meiden wie viele andere Lebensmittel auch. 'Wir sind schon von Natur aus täglich einem Chemikaliencocktail ausgesetzt', sagt Platzek. 'Damit muss der Körper umgehen. Und ich denke, das kann er auch.'

Zahlen und draufzahlen

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Die EU will die Kosten von EC- und Kreditkarten begrenzen. Doch am Ende könnte es für die Verbraucher teurer werden

München - Es scheint alles ganz einfach: EC- oder Kreditkarte zücken, PIN eingeben oder unterschreiben, schon ist im Laden alles bezahlt, der Kunde braucht kein Bargeld, für ihn fallen keine Kosten an. In Wirklichkeit ist alles viel komplizierter. Im Hintergrund fließen beim bargeldlosen Bezahlen sehr wohl Gebühren, nur bekommt der Verbraucher nichts davon mit. An dieser Intransparenz stört sich die EU. Am Mittwoch machte sie einen Vorstoß, um die Kosten künftig zu begrenzen. Verbraucherschützer befürchten allerdings, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte.

Um welche Karten geht es?

Um Debitkarten, die in Deutschland früher EC-Karten hießen, und um Kreditkarten, wie sie etwa Visa und Mastercard herausgeben. Beide Kartenarten bekommen Verbraucher in Deutschland über ihre Bank, die Nutzung der Debitkarten ist meist kostenlos, für Kreditkarten ist eine Jahresgebühr von 20 bis 40 Euro fällig. Die einzelne Zahlvorgang an der Ladenkasse kostet für Verbraucher nichts.



Mit Karte zahlen? Für viele eine unverzichtbare Alternative zum Bargeld. Was für Gebühren dabei fällig werden, wissen allerdings die Wenigsten.

Welche Gebühren gibt es im Hintergrund?

Es gibt stets mehrere Beteiligte: Den Kunden, seine Bank, den Einzelhändler, dessen Bank - und die Kreditkartenfirma, die die Karte herausgegeben hat. Zwischen ihnen gibt es ein kompliziertes Geflecht von Geldströmen. Zunächst stellt die Bank des Kunden der Bank des Einzelhändlers einen bestimmten Prozentbetrag der Kaufsumme in Rechnung. Die Bank des Einzelhändlers holt sich den vom Händler zurück. Derzeit zahlt also der Händler die Gebühr. Zudem gibt es Vereinbarungen zwischen Banken und Kreditkartenfirmen darüber, welcher Anteil an diese fließt.

Welche Gebühr soll gedeckelt werden?

Die EU hat es auf die Gebühr abgesehen, die zwischen den Banken fließt. Sie soll für Debitkarten maximal 0,2 Prozent und für Kreditkarten 0,3 Prozent betragen. Zum einen geht es der EU um Wettbewerbsgleichheit zwischen den Staaten, da die Gebühren oft sehr unterschiedlich sind. So kosten Debitkarten in Polen 1,6 Prozent, in Dänemark nur 0,1 Prozent. In Deutschland liegt die Gebühr für Kreditkarten bei 1,8Prozent, in Frankreich bei nur 0,6Prozent. Darüber hinaus ist es der EU ein Dorn im Auge, dass Einzelhändler ihre Kosten für bargeldloses Zahlen oft auf die Preise draufschlagen. 'Die höheren Preise werden also von allen Verbrauchern getragen - auch denen, die bar bezahlen', sagte Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Und: Manche Händler lehnen Karten wegen der Kosten ab, dadurch werde die Einführung bargeldloser, sicherer Bezahlmethoden verzögert, argumentiert die EU.

Wann wird das Gesetz kommen?

Parlament und Regierungen müssen erst zustimmen, wann die Regelung in Kraft tritt, ist noch unklar. Sie soll jedenfalls in zwei Stufen kommen: Erst bei länderübergreifenden Zahlungen, zwei Jahre später auch bei Inlandstransaktionen.

Was bedeutet das für die Kartenfirmen?

Sie verlieren viel Geld. Für Debitkarten würden die Gebühren von 4,8 Milliarden Euro auf 2,5 Milliarden Euro zurückgehen, für Kreditkarten von 5,7 Milliarden auf 3,5Milliarden Euro, schätzt die EU.

Und welche Folgen hat das für Kunden?

Deutsche EC-Karten wären von der Deckelung kaum betroffen, da die Gebühren da schon günstig sind. Anders Kreditkarten: Die Firmen würden einen großen Teil ihrer Einnahmen verlieren. Mastercard hat für Großbritannien schon einmal ausgerechnet, dass man bei der Jahresgebühr von Kreditkarten für Kunden 29 Euro draufschlagen müsste. Binnenmarktkommissar Michel Barnier sprach von einer 'beispiellosen Kampagne', in der es unlautere Machenschaften und Fehlinformationen gegeben habe. Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sagt: 'Die Gefahr ist groß, dass sich die Unternehmen das verlorene Geld von Kunden zurückholen.' Damit würde genau das Gegenteil von dem passieren, was die EU beabsichtige: Statt die Kunden zu schützen, würden sie zusätzlich belastet.

Was könnten die Vorteile sein?

Kommissar Almunia argumentiert mit Transparenz: Statt Kosten zu verbergen und Verbrauchern höhere Preise abzupressen, müssten Kartenunternehmen Gebühren offenzulegen. Auch Verbraucherschützer erhoffen sich mehr Wettbewerb. 'Es ist eine gute Nachricht, dass ungerechte Zusatzgebühren der Vergangenheit angehören sollen. Die Firmen haben sie schamlos ausgenutzt, um von Leuten, die mit Karte zahlen, einen Extraprofit zu raffen', hieß es beim Verbraucherschutzverband BEUC.

Mit Mutter in New Mexico

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Comeback für Holly Hunter, in "Jackie", einer Wüstentour, auf der eine Familie geschaffen wird.

Es ist der plötzliche Mutter-Effekt, der das gemeinsame Abendessen bestimmt. Die Mutter hat sich gemeldet, ein wenig überraschend für die Zwillingsschwestern und die zwei Väter. Die Mutter, die sie nicht kennen, das heißt: die Eizellenlieferantin - so nennt sie die aggressive Sofie, was die eher pragmatische, weil verheiratete Daan verstört. Die Mutter, die vor mehr als dreißig Jahren die Mädchen ausgetragen hat für das nette schwule Väterpaar. Nun hat sie angerufen, aus Amerika, sie braucht die Hilfe der Kinder. Ihr Bein ist im Gips, sie soll in die Reha, aber niemand ist da, der sie dorthin bringen könnte. Die Schwestern fliegen also nach Santa Fé, Familiensinn steckt nicht unbedingt dahinter, eher Unsicherheit und Neugier. Sie stehen selber unter Druck: Sofie hat wichtige Termine für die Karriere bei ihrem Hochglanzmagazin, Daan hat einen Termin beim Arzt, künstliche Befruchtung. Noch ein Mutter-Effekt.



Comeback für Holly Hunter.

Nicht sehr kooperativ, sagt der Pfleger dann, als er die Mutter Jackie auf dem Rollstuhl herbeischiebt. Sie schaut ein bisschen pennerhaft aus, wie ein Veteran, ein alter Krieger. Holly Hunter spielt sie, die vor zwanzig Jahren mit einer wilden Mutterrolle einen Oscar bekam, in Jane Campions Film 'The Piano'. Jackie schweigt sehr lange und beharrlich, aber wenn sie dann spricht, reiben ihre Wörter, im wunderbaren Hunter-Sound, aneinander wie Kiesel. Carice und Jelka van Houten spielen die beiden Schwestern, und die drei werden dann doch ein kooperatives Team. Die Mutter kann keinen Flieger benutzen - Trommelfellschaden -, also muss man den Weg in die Reha auf den Überlandstraßen zurücklegen. Die Mädels aus Holland erfahren dort eine neue Unabhängigkeit, im Camper durch die Wüste von New Mexico. Keine Abenteuerromantik, eher ein Umgang mit ungewohnten Objekten. Einen Bus fahren, ein Lied singen in einer Bar, sich freuen über den Schnee, der überraschend die Wüste bedeckt, zwanzig Grad unter null. Jackie hat plötzlich eine Flinte in der Hand und verteidigt die Töchter gegen Männer-Aggression. Echter Pioniergeist, eine amerikanische Familie, die nicht vorgegeben und natürlich ist, sondern erarbeitet wird.

Ursprünglich war die Geschichte andersherum konzipiert, eine Suche nach dem Vater, und die Regisseurin Antoinette Beumer hatte Bill Murray dafür im Hinterkopf. Bei der Produktion half ihre Schwester Famke Janssen, die Schauspielerin, bekannt aus den X-Men-Filmen, gerade lockt sie als Sirene den müden, melancholischen Wolverine in unseren Kinos. Ein Frauen-Roadmovie, das das eigentlich streng maskuline Genre aufmischt, ihm eine naive Ungezwungenheit einpflanzt, eine zaghafte Infantilität.Fritz Göttler

Jackie, NL/USA 2012 - Regie: Antoinette Beumer. Buch: Marnie Blok, Karin van Holst Pellekaan. Kamera: Danny Elsen. Schnitt: Marc Bechtold. Mit: Carice van Houten, Jelka van Houten, Holly Hunter, Mary Woods, Howe Gelb, Chad E. Brown, Kenneth Miller, Louis Bordonada, Edward Duran. Pam Gow. Schwarzweiss Filmverleih, 98 Minuten. 

Pflicht und Gerechtigkeit

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Das bürgerliche Lager der Schweiz ist vor der Abstimmung über die Wehrpflicht nervös.

Die Schweiz mag zwar seit fast einem halben Jahrtausend neutral sein, dennoch versteht sie was von Kriegshandwerk und Militär. Einst fochten ihre Söldner fremder Herren Kriege, heute unterhält die Eidgenossenschaft mit einer 200 000 Mann starken Armee die mit Abstand größte Streitmacht in Europa, umgelegt auf die Bevölkerungszahl.

Die Schweiz ist außerdem eines der letzten Länder Europas, das an der Wehrpflicht festhält: Der Militärdienst gehört ebenso zum Selbstverständnis der Gesellschaft wie das anschließend daheim im Kleiderschrank verwahrte Sturmgewehr und die regelmäßigen Schießübungen. Keine fremden Mächte, so wird stets betont, garantieren die Neutralität des Landes. Dies tun allein die Schweizer selber.



Die Schweiz ist eines der letzten Länder Europas, das an der Wehrpflicht festhält.

So betrachtet dürfte also eine Volksinitiative eigentlich keine Chance haben, die eine Abschaffung der Wehrpflicht fordert und die Ende September zur Abstimmung gelangt. Doch weil Schweizer nicht nur ihre martialischen Traditionen hochhalten, sondern auch immer für Überraschungen gut sind, herrscht bei den Befürwortern der Wehrpflicht - der Armee, der Industrie und den bürgerlichen Parteien - mehr als nur leichte Nervosität. Zwar wollen derzeit 65 Prozent der Schweizer an der Wehrpflicht festhalten. Vor zwölf Monaten aber plädierten fast 50 Prozent für ihre Abschaffung. Eine gefestigte Meinung sieht anders aus.

Der Grund für die Nervosität des Establishments ist ein Schock, der das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis vieler Schweizer derart nachhaltig erschüttert hat, dass er noch heute, 24 Jahre später, kräftig nachhallt. Am 26. November 1989 hatten mehr als eine Million Bürgerinnen und Bürger für einen sehr viel weitergehenden Vorschlag gestimmt: die komplette Abschaffung der schweizerischen Streitkräfte. Mit anderen Worten: mehr als ein Drittel der Wähler wollte mit einer 700-jährigen Tradition brechen. Obschon die Armee mit 64 Prozent Ja-Stimmen letzten Endes bewahrt wurde, war das Establishment fassungslos. Man hatte höchstens mit zehn Prozent Ablehnung gerechnet.

Initiator der damaligen Volksbefragung war die 1982 in Solothurn gegründete pazifistische "Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee" (GSoA), die auch nun hinter der Initiative zur Abschaffung der Wehrpflicht steht. Sie sei teuer und ungerecht und blähe die Truppenstärke auf, argumentieren die Befürworter, zu denen auch die Sozialdemokraten und die Grünen zählen.

"Nicht alle haben Zeit, Krieg zu spielen", heißt es auf ihren Plakaten, die einen Offizier mit Spielzeugpanzern und -soldaten zeigt. An die Stelle der "Schule kopflosen Gehorsams", so die GSoA, solle allerdings kein Berufsheer treten, sondern eine Freiwilligenmiliz. Wer Lust habe, könne ja weiter dienen. Es solle nur niemand mehr gezwungen werden. Die Regierung, allen voran Verteidigungsminister Ueli Maurer von der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP), bekräftigt hingegen, dass "Wehrpflicht Bürgerpflicht" sei und empfiehlt den Wählern, den Vorschlag abzulehnen. Es gehöre zum Selbstverständnis der Schweiz, dass sich "Bürgerinnen und Bürger persönlich für das Gemeinwohl einsetzen und diese Aufgabe nicht an bezahlte Freiwillige delegieren".

Zudem wäre mit einer Freiwilligenmiliz die Sicherheit des Landes gefährdet, weil man nie verlässlich planen könne, wie viele junge Schweizer sich melden würden. Im vergangenen Jahr, rechnete Minister Maurer vor, hätten 135 Schweizer Frauen freiwillig den Militärdienst abgeleistet: "Wenn wir 135 Männer dazu nehmen, die freiwillig einrücken, dann kriegen wir keine Armee zusammen." Die beiden Kammern des Parlaments haben die Forderung nach einer Abschaffung des Militärdienstes bereits mit deutlichen Mehrheiten abgelehnt.

Maurer kann sich allerdings nicht auf die bedingungslose Rückendeckung durch das bürgerliche Lager verlassen. Die Grünliberale Partei etwa hält sich aus dem Abstimmungskampf heraus, weil auch sie die Wehrpflicht nicht mehr unbedingt für zeitgemäß hält und nach eigenen Worten der Argumentation der Befürworter nicht folgen kann. Außerdem schlug vor Kurzem die wirtschaftsfreundliche Denkfabrik Avenir Suisse statt des Militärdienstes eine allgemeine, einjährige Dienstpflicht vor. Sie soll für Männer, Frauen und für in der Schweiz lebende Ausländer gelten und die Möglichkeit bieten, diesen Dienst entweder in der Armee oder in sozialen oder zivilen Berufen abzuleisten. In Umfragen erzielt diese Dienstpflicht hohe Zustimmungswerte: 70 Prozent der befragten Schweizer haben sich dafür ausgesprochen.

Sogar Verteidigungsminister Maurer hat unter dem Eindruck dieser Zahlen zugestanden, dass nichts "in Granit gemeißelt" sei.

Die Argumente der Wehrpflicht-Gegner erhielten vor Kurzem zusätzliche Munition durch eine Studie der Universität Fribourg. Demnach kosten die Streitkräfte mehr als doppelt so viel wie die im Budget veranschlagten 3,9 Milliarden Franken, wenn man nämlich den Arbeitsausfall durch sogenannte Diensttage miteinbeziehe. Jedes Jahr gehen der Schweizer Wirtschaft 6,3 Millionen Arbeitstage verloren, an denen Schweizer Männer zu regelmäßigen Wehrübungen eingezogen werden. Diesen Ausfall finanziert der Bund mit mehreren Milliarden Franken.


Gestatten, Carlos Danger

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US-Demokrat Anthony Weiner erlebt seinen zweiten "Cybersexskandal". Bürgermeister von New York will er trotzdem werden.

"Mein Verhalten war mindestens problematisch": Mit diesen Worten reagierte Anthony Weiner, früherer amerikanischer Kongressabgeordneter und aktueller demokratischer Bewerber um das Amt des New Yorker Bürgermeisters am Dienstagabend (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz auf das, was US-Medien als neuen "Cybersexskandal" bezeichnen. Es ist Weiners zweiter Skandal dieser Art. Der verheiratete, 48-jährige Politiker gab zu, unter dem Decknamen "Carlos Danger" einen "erotischen Kontakt" mit einer unbekannten jungen Frau im Internet gepflegt zu haben - und das rund zwei Jahre nach seinem Rücktritt als Kongressabgeordneter. Damals hatte Weiner zugeben müssen, anzügliche Online-Kontakte mit mehreren Frauen gepflegt und via Twitter halb nackte Fotos von sich verschickt zu haben. Seine Frau war damals schwanger.



"Mein Verhalten war mindestens problematisch", so der Demokrat.

Weiner kündigte nun an, trotz massiver öffentlicher Kritik an seiner Bewerbung als Bürgermeister festhalten zu wollen. Seine in der Vergangenheit geleistete Abbitte gelte auch für den nun vorliegenden Fall. "Dieses Verhalten" liege hinter ihm, sagte er. Seine Ehefrau Huma Abedin - die wie schon bei seiner Rücktrittspressekonferenz 2011 an seiner Seite stand - halte zu ihm. Abedin, die bei der Pressekonferenz erkennbar bemüht war, die Fassung zu bewahren, las nach der Rede ihres Mannes ein eigenes Statement vor. Ihr Mann habe "schreckliche Fehler" begangen, sagte sie, auch nach der Zeit im Kongress. Aber das sei ein Thema zwischen ihr und ihm: "Es hat viel Arbeit und sehr viel Therapie gebraucht, um zu dem Punkt zu kommen, an dem ich Anthony vergeben konnte."

Öffentlich gemacht wurden Weiners neuerliche Online-Aktivitäten durch das Tratschportal "The Dirty", das wie TMZ für eine besonders aggressive und hämische Form der Boulevardberichterstattung im Netz steht. Der 34-Jährige Gründer von "The Dirty", ein Blogger namens Nik Richie, kündigte am Mittwoch via Twitter an, dass die noch unbekannte Frau, mit der Weiner Kontakt hatte, sich bald zu erkennen geben werde. Darüber hinaus verbreitete er etliche Kurznachrichten, in denen er sich über Weiner lustig machte und explizite Details ankündigte ("Ich werde das Penis-Foto binnen einer Stunde posten"). Das Interesse an dem Thema scheint enorm zu sein. "The Dirty" war am Mittwoch stundenlang nicht aufrufbar.

Sollte am Ende dieser Affäre Weiners zweiter Anlauf zu einer politischen Laufbahn scheitern, wäre es nicht das erste Mal, dass ein Bericht von "The Dirty" weitreichende Konsequenzen hat. 2011 berichtete die Website von einer mutmaßlichen Affäre des Schauspielers Ashton Kutcher. Dessen Ehefrau Demi Moore reichte daraufhin die Scheidung ein. 2009 veröffentlichte Richie mehrere Nacktfotos einer Bewerberin um den Titel "Miss USA". Donald Trump, der Chef des Schönheitswettbewerbs, kündigte umgehend ihren Vertrag.

Anthony Weiner galt bis Ende vergangener Woche als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg.

Noch 78 Treffen mit Mama und Papa

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Die Seite See Your Folks errechnet, wie oft man seine Eltern wahrscheinlich noch sehen wird, bevor sie sterben. Was erstmal etwas morbide wirkt, soll bewusst machen, wir kostbar die Zeit ist, die man gemeinsam hat. Möchtest du daran erinnert werden?

Voriges Wochenende habe ich meine Eltern getroffen, wir waren gemeinsam bei einer meiner Schwestern zu Besuch. Alles war wie immer und hätte mich jemand gefragt, wie oft es solche Treffen meiner Meinung nach noch geben wird, dann hätte ich keine Antwort darauf gewusst. „Sehr oft, hoffe ich doch“, hätte ich wahrscheinlich gesagt und schnell über etwas anderes nachgedacht.  



Besser als Mama und Papa an der Wand verewigen: Sie besuchen.

Die Seite „See Your Folks“ will erreichen, dass man diesem Gedanken nicht ausweicht. Dem Gedanken daran, dass die eigenen Eltern irgendwann nicht mehr da sein werden, dass sie wahrscheinlich früher sterben als man selbst. Anhand der Angaben, wo man lebt, wie oft man seine Eltern in einem Jahr durchschnittlich sieht und wie alt sie sind, errechnet „See Your Folks“ auf Basis von Daten der Weltgesundheitsorganisation zur Lebenserwartung eine wahrscheinliche Anzahl von verbleibenden Treffen mit den eigenen Eltern. Das wirkt im ersten Moment wahnsinnig morbide, fast zynisch. Aber das Slate-Magazine deutet die kleine Rechenmaschine anders: Sie erinnert einen an Sterblichkeit und Vergänglichkeit und daran, dass man mit der Zeit, die einem mit der Familie bleibt, sorgsam umgehen sollte. Und: Im vergangenen Jahr hat ein Slate-Autor darüber geschrieben, dass solche kleinen Erinnerungen die Menschen glücklicher, mitfühlender und sogar gesünder machen.  

Ich habe meine Angaben auf „See Your Folks“ eingetragen und auf „Show my result“ geklickt. „You will see your parents 78 times before they are expected to die“, stand da. Darüber bin ich erschrocken. Es fühlte sich so an, als sei in meinem Kopf auf einmal ein Countdown gestartet, der sich rasend schnell der Null nähert. Ich bekam Angst, dass ich ab sofort bei jedem Treffen nur noch an diese Zahl würde denken können, dass ich am Ende Treffen vermeide, damit sie nicht schrumpft (was natürlich vollkommen unlogisch wäre). Gleichzeitig war ich plötzlich wahnsinnig froh, dass ich sie beide, Mama und Papa, noch habe.  

Welche wahrscheinliche Anzahl an Treffen errechnet dir „See Your Folks“ und was macht diese Zahl mit dir? Hast du sie erwartet oder bist du erschrocken? Machst du dir manchmal bewusst, dass dir und deiner Familie eine begrenzte Zeit gemeinsam verbleibt? Oder willst du dich damit nicht beschäftigen - und würdest dir darum auch niemals eine Zahl ausrechnen lassen, die dir dann doch nur Sorgen bereitet?

"Ein Mix aus Terror und Ekstase"

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Im August veröffentlichen Franz Ferdinand ihr neues Album, heute feiert das Video von "Love Illumination" Premiere. Wir haben mit Sänger und Gitarrist Alex Kapranos über Freiheit und Planung, Unsicherheit und Kontrollverlust gesprochen.

jetzt.de: Alex, wann hast du zuletzt gedacht, dass du etwas ganz und gar richtig gemacht hast?
Alex Kapranos: Ich glaube, das war, als wir mit der Band das Cover für das neue Album entworfen haben. Wir haben uns zu viert zusammen gesetzt, hatten alle viele Ideen, und trotzdem mussten wir nicht lange diskutieren. Es gab überhaupt keinen Stress. Wir konnten ganz entspannt über alles reden und uns ziemlich bald einigen. Das hat sich sehr gut und richtig angefühlt. Ich mag es, wenn ich am Ende einer langen Arbeitsphase mit den Jungs etwas in den Händen halten kann, hinter dem alle von uns voll und ganz stehen.  

Und neben der Musik?
Als ich einen Fehler eingesehen und mich dafür entschuldigt habe.  




Franz Ferdinand mit Sänger Alex Kapranos (zweiter von links). Heute veröffentlichen die Briten ihr Video zur Single "Love Illumination". Du kannst es auf süddeutsche.de sehen.

Versuchst du grundsätzlich, Fehler zu vermeiden, in dem du zum Beispiel konkrete Pläne machst?

Ich glaube, man erreicht nicht viel, wenn man immer alles genau plant. Vielmehr sollte man mit einer positiven Grundeinstellung an die Dinge herangehen, die man macht, dann gelingen sie am ehesten. Außerdem: Wenn man alles ständig plant, wird es vorhersehbar. Und Vorhersehbares ist in der Regel ziemlich langweilig. Ich persönlich lasse mich viel lieber überraschen.  

Eine Einstellung, die für Entspannung sorgt?
Absolut! Ich bin nicht der Typ, der weit in die Zukunft blickt. Ich lasse die Dinge einfach auf mich zukommen.  

Keine Lust auf Sicherheit?

Einerseits bin ich gerne frei und spontan, weiß aber auch, dass ich bei nichts, was ich mache, total frei und spontan sein kann. Das kann niemand, auch Musiker nicht. Man muss sich seiner Sache immer ein Stück weit sicher sein und wissen, was man tut.  

Wann würdest du dich als Musiker besonders unsicher und deshalb unwohl fühlen?
Wenn ich auf die Bühne gehen würde, ohne mein Instrument richtig zu beherrschen.  

Wie war es denn bei der Arbeit am neuen Album: Wie viel davon ist geplant, wie viel spontan entstanden?
Das Album ist ein Mix aus beidem: Plan und Spontaneität. Wir hatten kein übergeordnetes Thema, nachdem wir uns beim Schreiben gerichtet haben. Aber wir haben uns einen gewissen Rahmen gesteckt, in dem wir uns bewegt haben.  

Das heißt?

Zum Beispiel haben wir im Vorfeld abgemacht, dass wir mit keinen Journalisten sprechen, während wir noch am Album arbeiten.  

Habt ihr eine Medienphobie?

Es ist doch so: Wenn man gerade dabei ist, etwas Kreatives zu machen und gleichzeitig anfängt, darüber zu sprechen, wird man aus dem kreativen Prozess herausgerissen. Man wird auf eine Art befangen, ist nicht mehr so frei. Und wenn man über etwas spricht, das noch gar nicht fertig ist, ja womöglich noch nicht mal ansatzweise existiert, hypt man etwas vollkommen zu Unrecht. Das wollen wir nicht. Darin macht sich auch der Unterschied bemerkbar zwischen Prominenten, die nur prominent sein wollen, und prominenten Musikern, die nur Musiker sein wollen. Wir wollten nie prominent sein, deshalb reden wir auch nicht über uns und was wir tun, bevor es keine Musik gibt, die wir vorstellen können.  

Wie ist es, wenn ihr ein neues Album auf die Bühne bringt, es live spielt? Plant ihr eure Shows mehr als die Songs, aus denen sie bestehen?

Wenn wir auf die Bühne gehen, wissen wir alle, was wir zu tun haben. Trotzdem sind unsere Shows nicht durchgeplant. Showplanung ist etwas, das eher in die Popwelt gehört, nicht in unsere. Zu viel Plan würde uns auf der Bühne einschnüren. Ich mag es, wenn ich einen Song live spiele und die Abläufe kenne, aber eben noch nicht weiß, was im nächsten Moment passiert und wie ich meine Performance daraufhin verändere. Ich will frei und dem Publikum gegenüber immer offen sein. Ich will den Leuten vor der Bühne zuhören und auf sie reagieren können. Ich will etwas aufführen, was es nur einmal gibt.  

Erlebst du manchmal einen Kontrollverlust vor Publikum?

Man sollte gar nicht erst versuchen, sich vor Publikum voll und ganz unter Kontrolle zu haben. Man sollte die Dinge da oben einfach geschehen lassen. Vor allem sollte der Kopf möglichst frei sein, wenn man auf die Bühne geht. Denn wenn man da oben an irgendetwas anderes denkt, als an die Musik, kann das nicht gut gehen.  

Kann man das trainieren den Kopf frei kriegen?
Nein, aber man kann die Umstände schaffen, die es braucht, um einen freien Kopf zu kriegen.  

Wie zum Beispiel?

Zum Beispiel kann man darauf achten, dass in der Zeit vor dem Auftritt niemand um einen herum ist, der irgendwie stören könnte. Eine angenehme, friedliche Atmosphäre ist das A und O. Es sollten keine Leute in der Umkleide sein, die dort nicht hingehören, überhaupt niemand im näheren Umkreis, der schlechte Stimmung oder gar einen Streit auslösen könnte. Denn den nimmt man meistens mit auf die Bühne.  

Wenn man auf der Bühne regelmäßig eine gute Interaktion mit dem Publikum schafft kann man süchtig nach dieser Art Showgefühl werden?

Man kann total süchtig danach werden! Sogar physisch. Jeder, der einmal auf Tour war, weiß das. Sobald man eine Bühne betritt, ist das Kopf- und Körpergefühl ein komplett anderes. Dieser Mix aus Adrenalin und Endorphinen ist so beängstigend wie unfassbar wundervoll. Ein Mix aus Terror und Ekstase. Wenn man danach wieder von der Bühne kommt und noch mehr dann, wenn man gerade eine Tour beendet hat, kann es schon Mangelerschienungen geben.  

Über Twitter hast du Franz Ferdinand nicht zuletzt wegen eurer Live-Shows als the last bastard of British pop bezeichnet
(lacht) das war mehr ein Witz. Ich saß in einem Taxi in Sao Paulo, zusammen mit jemandem aus einer anderen britischen Band, der sehr betrunken war. So betrunken, dass das, was er sagte, nur noch stark vernuschelt bei mir ankam. Er sprach über die aktuelle Situation im britischen Musikgeschäft und sagte: We are the last bastion in British pop! Ich verstand aber etwas anderes und dachte: Cool! We are the last bastard of Britisch pop! Klingt ja auch irgendwie gut.

Das Video zur Single Love Illumination kannst du hier auf süddeutsche.de sehen. Das Album Right Thoughts, Right Words, Right Action von Franz Ferdinand erscheint am 23. August.

Woran merke ich, dass ich verliebt bin?

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Dieses ungewöhnliche Aufklärungsbuch entstand zusammen mit Jugendlichen und vermittelt über die kreativ-witzige Gestaltung heitere Gelassenheit.

Erwachsen zu werden ist aufwühlend und anstrengend. Noch schwieriger aber kann es sein, dafür um Hilfe zu bitten. Wen fragen, wenn die Pubertät mit all ihren körperlichen und psychischen Wirren kommt? Am liebsten ziehen Mädchen wie Jungen dann Jugendzeitschriften zu Rate, hat die Studie Jugendsexualität 2010 der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergeben. Dann folgen der Umfrage unter knapp 5700 Teenagern zufolge kostenlose Aufklärungsbroschüren. An dritter Stelle: Bücher. Viele von ihnen funktionieren nach dem gleichen Schema. Der Text ist in Frage-und-Antwort-Form gehalten, die durch alles hindurch scheinende Botschaft lautet sinngemäß: "Alles ganz normal, das kriegen alle." Mit dieser Grundhaltung sind auch Jan von Holleben und Antje Helms an ihr Buch übers Erwachsenwerden herangegangen. Trotzdem fällt bei ihrem Werk vor allem auf, worin es sich positiv von vielen anderen Büchern der gleichen Thematik unterscheidet: Autorin und Fotograf nehmen Teenager und deren Fragen ernst, ihr eigenes Tun aber nicht mehr als nötig. Klar, Aufklärung ist wichtig, und zu wissen, wie man sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützt, kann im Extremfall lebensrettend sein.



Erwachsen zu werden ist aufwühlend und anstrengend. Noch schwieriger aber kann es sein, dafür um Hilfe zu bitten.

Die meisten Themen rund um Pubertät, Liebe und Sex aber kommen bestens aus mit der Unbeschwertheit, die das gesamte Buch durchzieht. Die zeigt sich vor allem in der herausragenden grafischen Gestaltung. Wo sich andere Aufklärungsbücher zum Beispiel in Comics flüchten, um keine Nackten zu zeigen, setzt Jan von Holleben auf Blumen, Obst und Gemüse zur Illustration. Verschieden geformte Orangen und Kirschen beziehungsweise Karotten beantworten die Frage nach der "normal" geformten Brust oder dem "richtigen" Penis mit einem Humor, den auch mitten im Problem-Strudel steckende Teenager an sich heranlassen: Bei diesen Fragen gibt es kein richtig und falsch.

Die porträtierten Jugendlichen treten natürlich auf, und nicht nur das "Making of" auf den letzten Buchseiten lässt ahnen, dass hier Akteure wie Fotograf gleichermaßen Spaß an der Produktion hatten. Am Anfang der einzelnen Kapitel sind abenteuerlich gestaltete Gebilde gezeigt wie die Geschlechterunterscheidmaschine, zusammengesetzt unter anderem aus Spielwürfeln, Strohhalmen, einer Wäscheklammer, Lockenwicklern und - als Penis - einem Lakritzstäbchen.

Direkt und verständlich antwortet Antje Helms auf Fragen wie "Ist es schlimm, wenn man schon 13 ist und noch immer nicht in der Pubertät?" (Antwort: "Überhaupt nicht!" - alles ganz normal eben) oder "Woran merke ich, dass ich verliebt bin?" ("Du bist einfach super drauf."). Geht es um Liebesbriefe, erwähnt Helms auch sms, Facebook und Internet-Akronyme wie HDL ("hab dich lieb"). Homosexualität thematisiert sie ebenso wie die überraschend komplizierte Frage, was eigentlich das Geschlecht eines Menschen ausmacht.

Einzig die Ausflüge in die Tierwelt erscheinen im Text oft etwas unvermittelt und vielleicht auch am Hauptinteresse von Teenagern vorbeigeschrieben. Oder will ein Junge, der die ersten Schamhaare an sich entdeckt, unbedingt wissen, was ein Gorillamännchen darüber denken würde? (ab 11 Jahre)

Antje Helms: Kriegen das eigentlich alle? Die besten Antworten zum Erwachsenwerden. Mit Fotos von Jan von Holleben. Gabriel 2013. 160 Seiten, 16,95 Euro.

Wie das Internet ... Eier pellt

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Ein Lifehacker macht sein Leben mit einfachen Tricks ein bisschen besser. Das Internet ist voll von Lifehackern - wir sammeln ihre besten Tricks




Das Problem: Ein Ei pellen - ohne kleinteilige Knibbelarbeit.

Die Internet-Lösung:Pusten. Ein gekochtes Ei lässt sich ausblasen, wenn man oben und unten die Schale enfernt ... und pustet.

Hilft dir das? Sag uns deine Lösung.

Glück in Schwarz-Rot-Gold

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Daniel und Gina haben eine Kampagne gestartet: Nach dem Vorbild des Landes Bhutan wünschen sie sich ein Ministerium für Glück und Wohlbefinden. Die Aktion stößt auf Zustimmung aber ob Glück ein sinnvolles Politikziel sein kann, ist fraglich.

Es sieht fast wie Zufall aus: Eine Gruppe junger Menschen findet sich auf dem Berliner Alexanderplatz ein. Sie packen rote Decken aus, Äpfel, Kuchen, jemand hat eine Ukulele mitgebracht. Ein Picknick mitten auf dem Alex. Was auf den ersten Blick wie ein etwas ungewöhnlicher Imbiss mit Freunden aussieht, ist in Wahrheit eine politische Aktion. Organisator: Das Ministerium für Glück und Wohlbefinden.

Ein Glücksministerium? Gibt’s nicht? Die Homepage sieht jedenfalls täuschend echt aus: mit Bundesadler und Nationalfarben.




Gina Schöler und Daniel Clarens 

Hinter der Aktion und der Website stecken die Mannheimer Studenten Daniel Clarens und Gina Schöler. Für ihre Masterarbeit in Kommunikationsdesign haben die 26-Jährigen eine Kampagne entworfen. Ihre Botschaft: Die Politik soll sich mehr um das Glück der Menschen kümmern. Im Moment, sagen Daniel und Gina, orientiere sich die Politik nur an einem Faktor: dem Bruttoinlandsprodukt. Doch diese Zahl greift nicht weit genug – und sage vor allem wenig über das Wohlbefinden der Menschen aus. „Durch die Flutkatastrophe wird das BIP zum Beispiel ansteigen“, sagt Gina. Berufsgruppen wie Maler und Installateure verdienen am Wiederaufbau. „Aber das Befinden der Menschen wird dadurch nicht besser. Darüber muss man diskutieren.“

Sie wollen auch den Bürgern zeigen, dass nicht nur wirtschaftlicher Erfolg glücklich macht. Sondern zum Beispiel ein Picknick mit Freunden. „Wir wollten ein Zeichen setzen“, sagt Daniel Clarens. Gerade zur Mittagszeit sei Berlin sehr hektisch, niemand nehme sich Zeit für ein gutes Essen oder einen Moment der Ruhe. „Wir wollten sie daran erinnern, sich auf das Wichtige zu besinnen“, sagt Daniel.

Das Picknick ist nicht die einzige Aktion der Studenten. Sie haben eine Kinovorführung zum Thema Glück organisiert und an Gymnasien Workshops gegeben. Auf ihrer Facebook-Seite bitten sie die User um „Glücksgeschichten“. Aus den Antworten erhoffen Clarens und Schöler sich Aufschluss: Was macht die Menschen glücklich? Und wie könnte die Politik ihnen dabei helfen?

Die Glücksforschung arbeitet mit ähnlichen Methoden: Zufällig ausgewählte Personen werden nach ihrem subjektiven Wohlbefinden befragt. In Staaten wie der Schweiz oder Dänemark sind die Bürger Studien zufolge besonders zufrieden. 

Das Vorbild der Studenten ist aber das Land Bhutan. Das Himalaya-Land fragt seine Bürger regelmäßig nach ihrem Glück, eine Kommission unterzieht wirtschaftliche Projekte einem „Glücks-Check“. Schadet ein Bauvorhaben beispielsweise zu sehr der Umwelt, wird es verworfen – wirtschaftlicher Nutzen hin oder her.

Auch bei ihren Umfragen, so Daniel und Gina, seien Umweltschutz und Nachhaltigkeit zentrale Themen gewesen. Konsum sei den meisten gar nicht so wichtig – vielmehr sehnen sie sich nach mehr Freizeit. „Viele Schüler haben sich zum Beispiel eine Rückkehr zu G9 gewünscht“, sagt Gina. „Ihnen fehlt Zeit für Sport, für Natur, für ein Miteinander.“

Ob nun mit Glücksministerium oder ohne – in der jungen Generation tue sich etwas, sagt die Kommunikationsdesignerin. Für sie ist das Thema mehr als nur eine Masterarbeit: Die Frage, wie ihre Zukunft einmal aussehen wird, beschäftigt sie. „Wir wollen nicht mehr leben, um zu arbeiten“. Und deshalb werde sich zwangläufig etwas ändern, früher oder später. Ihre Generation - viele nennen sie Generation Y -  will weniger konsumieren und mehr genießen. Sie wünscht sich mehr Zeit für die Familie und weniger Arbeit. So fühlt sich vielleicht der Einzelne besser – aber macht das auch eine Gesellschaft glücklicher? Natürlich, finden Daniel und Gina. „Wir arbeiten von innen nach außen: Wenn der Einzelne glücklich ist, strahlt das auch auf die Gesellschaft.“




Doch so einfach ist es nicht. Eine Studie zeigt, dass das Gemeinwohl vor allem durch eines bedingt ist: Gleichheit. Individuelles Wohlbefinden führt in einem hochindustriellen Land wie Deutschland aber nicht zwangsläufig zu mehr Gerechtigkeit. Beim Glücksministerium steht es trotzdem im Vordergrund.

Gina muss zugeben, dass das Glücksministerium sich nicht bemüht hat, alle sozialen Schichten zu erreichen. Ob Work-Life-Balance für eine alleinerziehende Mutter mit Hartz IV ebenso wichtig ist wie für einen studierten Mittzwanziger? Ob für einen Jugendlichen aus ärmeren Verhältnissen ein iPhone nicht auch eine Art Glück wäre? Gerade für Menschen aus niedrigeren Schichten ist Konsum wichtig, um soziale Benachteiligung zu kompensieren. Doch diese Menschen wurden für die Masterarbeit nicht explizit ihrem Glück befragt.

Ob Glück ein sinnvolles Politikziel sein kann, ist ohnehin fraglich. So ist nicht jede Maßnahme, die glücklich macht, auch politisch sinnvoll. Öffentliche Beschäftigungsmaßnahmen führen beispielsweise dazu, dass mehr Menschen Arbeit haben und zufriedener sind. Sie blähen einen Staatsapparat aber auf und kosten den Steuerzahler Geld. Das reine Glück als politische Leitlinie kann auch ökonomischer Unsinn sein.

Daniel und Gina geht es indes nicht darum, das BIP abzuschaffen. „Wir möchten auch keine Zwangsbeglückung“, sagt Gina. Den Studenten geht es erst einmal darum, eine Diskussion anzustoßen. Und was bedeutet für die beiden Glück? „Mich macht glücklich, eine Beschäftigung zu haben, die mich erfüllt“, sagt Gina. Das Projekt „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ weiterzuführen – das würde sie glücklich machen.

Präsidenten im BH und Masturbation im Film

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Viele Neuigkeiten aus Sexy-Land erwarten dich in der aktuellen Topsexliste! Unter anderem eine sehr junge Aktivistin für Frauenrechte, politische BH-Werbung, Aubrey Plazas Masturbationsgedanken und sehr lustige Hochzeitseinladungen. Los geht's!

Kinderbücher gone wild



Ach, wie harmlos so ein Kinderbuch ist! Das verführt natürlich dazu, irgendetwas Ungebührliches damit zu machen. Der Tumblr„Dirty Library“ist dieser Verführung erlegen und erstellt nicht-jugendfreie Versionen berühmter Kinderbuch-Cover. Da wir uns hier in der Topsexliste befinden, interessieren uns natürlich vor allem Werke wie „The Giving and Receiving Tree“, „Alice in Wonderbra“ oder „James and the Giant Bitch“. Natürlich ist das alles nur dann so richtig lustig, wenn man mit den parodierten Büchern aufgewachsen ist und darum sofort weiß, dass die „giant Bitch“ im Original ein „giant Peach“ ist – wir mussten halt erstmal googeln.

14 Jahre, Aktivistin für Frauenrechte



Als Wendy Davis im texanischen Abgeordnetenhaus mit einem Filibuster das Gesetz zur strengeren Regulierung von Abtreibungen blockierte und das Ganze im Fernsehen übertragen wurde, weckte Billy Cain seine Tochter. Tuesday, 14 Jahre alt, sollte das sehen, fand er. Sie ließ sich von dem Thema so sehr mitreißen, dass sie kurz darauf gemeinsam mit einer Freundin vor dem Texas State Capitol gegen das geplante Gesetz protestierte. Dabei hielten die Mädchen ein Schild auf dem „Jesus isn’t a dick, so keep him out of my vagina“ stand, eine Kritik an den christlich-konservativen Abtreibungsgegnern. Dafür wurden sie stark angefeindet, sowohl vor Ort, wo sie jemand als „hässlich“ beschimpfte, als auch online, wo sich ein Foto des Protestplakats verbreitete. Kommentatoren nannten Tuesday eine „Hure“, ihr Vater verteidigte sie. Jetzt hat sie sich auch selbst zu Wort gemeldet, mit einem Beitrag für das online-Magazin xoJane. Sie sei enttäuscht, schreibt Tuesday, dass Menschen eine 14-Jährige, die zudem noch Jungfrau sei, als „Hure“ beschimpften. Sie wolle lediglich für das Recht der Frauen kämpfen, selbst zu entscheiden, ob und wann sie abtreiben. Erwachsene seien bisher oft ihre Vorbilder gewesen, aber zu solchen Erwachsenen könne sie nicht mehr aufschauen. Nur auf ihren Vater, auf den ist sie stolz. Und er auf sie. Natürlich beschleicht einen auch hier der Verdacht, er könne seine Tochter instrumentalisiert haben, wie es bei allzu engagierten Kindern ja schnell vermutet wird. Aber wir wollen Tuesday und Billy einfach mal glauben. Allein, weil diese Vater-Tochter-Geschichte so schön ist.

Aubrey Plaza fasst sich an
Aubrey Plaza ist so etwas wie die Vorzeigedame der US-Unterhaltungsindustrie: supersüß, superschlau, superlustig. In dieser Woche läuft in  den USA die Teenie-Komödie „The To-Do List“ an, in dem sie die Hauptrolle spielt: Eine strebsame, spießige High-School-Absolventin in den Neunzigern, die vor Studienbeginn am College noch schnell alle sexuellen Erfahrungen nachholen will, die sie bisher verpasst hat. Zum Beispiel Masturbation. Über den Dreh der Selbstbefriedigungsszene hat Aubrey Plaza kürzlich bei Conan gesprochen. Und allein das ist schon so lustig, dass man den Film ganz dringend sehen will. 
http://www.youtube.com/watch?v=3TMcUHo5zZQ

Bald in den Kinos beziehungsweise der Kirche



Joshua Watson ist Fotograf, seine Verlobte Rachel arbeitet beim Film – was läge da näher, als Filmplakate in Hochzeitseinladungen umzuwandeln? Eben! Die Ergebnisse kann man sich bei Buzzfeed anschauen.

Killing Ken 
Weniger schön als die Beziehung zwischen Joshua und Rachel ist die zwischen „Oh No Fiasco“-Sängerin Lindsey Stamey und Ken. Ja, genau, der Ken von Barbie und Ken. In diesem Musikvideo führen Lindsey und Ken also zunächst eine leidenschaftliche Beziehung mit allem, was dazugehört, bis auf einmal diese Blonde da mit den komischen Proportionen ins Spiel kommt. Eine Dreiecksbeziehung, die nur tragisch enden kann!
http://www.youtube.com/watch?v=3HPLa1fPPJA

Gruseliges Pamphlet



Während vielerorts der Kampf für die Gleichberechtigung Homosexueller ausgefochten wird und dabei auch immer wieder Erfolge erzielt werden, tut sich anderswo nichts, aber auch gar nichts in dieser Richtung. In einem Land wie Ghana zum Beispiel ist die Lage für Homosexuelle verheerend, vor allem für Männer, die für ihre sexuelle Orientierung sogar ins Gefängnis kommen können. Ein Mitglied der Buzzfeed-Community stieß auf seiner achtwöchigen Reise durch das Land auf ein christliches Pamphlet gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen, in dem man mit den krudesten Argumenten konfrontiert wird, warum Homosexualität inakzeptabel sei: Zum Beispiel, dass Tiere das ja auch nicht machen würden. Man sich so nicht fortpflanzen könne. Und Homosexualität außerdem in der Hölle bestraft würde. Der Finder hat den Prospekt jetzt online gestellt. Als Mahnung, versteht sich.

Die Männer im Hintergrund
Man freut sich ja immer wieder über Gender Swaps, die beweisen, wie unfassbar albern und entwürdigend so manche Dinge sind, die Frauen in der Medienwelt traditionell tun müssen. Diesmal gibt es eine Parodie des Robin-Thicke-Songs „Blurred Lines“ beziehungsweise des Musikvideos dazu. Die Frauen singen, die Männer machen den sexy Background, inklusive halbnackt sein und sich räkeln.
http://www.youtube.com/watch?v=tKfwCjgiodg

Vereint  



Der Werbeslogan zu diesem BH lautet „Right and Left Together“, weil die Brüste wohl schön nah aneinander gedrückt werden sollen. Bildlich dargestellt wird das durch eher linke und eher rechte berühmte Staatsoberhäupter, die sich, in die BH-Schalen eingezwängt, annähern (müssen), zum Beispiel George Bush und Hugo Chávez. Eine lustige gemeinte Idee, die aber nicht so richtig gut ankommt. „It's hard to imagine a woman thinking there is conflict (?) between her tits“ heißt es in einem Kommentar. „Geschmacklos“, in einem anderen – aber die Illustrationen seien ganz nett.

Bettbezug zum Kuscheln 



Noch ein Produkt! Diesmal ein japanisches gegen Einsamkeit. In diese Bettbezüge mit Frauenprint sind Silikonimplantate eingenäht, entweder als Brüste oder als Po. Damit soll man dann kuscheln oder ein bisschen drauf herumdrücken. Den Werbespot dazu muss man sich übrigens sehr dringend angucken, des Sounddesigns wegen!

Und hier noch... 



...ein Bild für die heißen Tage.

Arme Berühmtheit

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Jane Austen ziert bald die britische Zehn-Pfund-Note.

Zehn Pfund, damit musste Jane Austen zu Lebzeiten ein, zwei Monate oder länger auskommen. Dass ihr eigenes Antlitz bald die britische Pfundnote ziert, hätte die alte Jungfer und Novellistin sicher amüsiert - nicht nur wegen ihres eigenen bescheidenen Einkommens. Geld und seine Abwesenheit bestimmten Austens Leben genauso wie ihre Romane. Die sind mittlerweile Kassenschlager, millionenfach verkauft und häufig verfilmt worden. Keira Knightley spielte Austens Lizzie, Gwyneth Paltrow ihre Emma, Kate Winslet die Marianne. Romanheldinnen, die vor allem eine Aufgabe haben: zu heiraten, am besten keinen armen Mann. Und deren Geschichte ohne Ausnahme mit einer Hochzeit endet, samt warmem Geldregen.



Mit ihren Büchern hätte sich Austen endlich ihre Unabhängigkeit erschreiben können, wäre sie nicht 1817 jung gestorben.

Austens Romane, die sie vor etwa 200 Jahren schrieb, spielen in der Welt des englischen Landadels dieser Zeit, und der war oft arm. Ihre Figuren werden durch ihre finanzielle Situation in eine Rolle gezwungen - und sie wissen auch um den Einfluss des Geldes auf ihr Leben. Jeder kennt den Wert des anderen. Mister Darcy etwa ist 10000 Pfund im Jahr schwer, sein Freund Bingley 4000 Pfund. Genug, um die nervenkranke Misses Bennett, Mutter von fünf heiratsfähigen Töchtern, zu einer Reihe äußert peinlicher Verkupplungsversuche zu treiben. Oder Mister Collins: Er lässt seine Cousine Elizabeth "Lizzie" Bennett selbst bei seinem Heiratsantrag spüren, dass sie durch ihre Mittellosigkeit unter ihm steht. Lizzie liegt den Eltern auf der Tasche, die auch noch in einem Haus wohnen, das dem sehr unangenehmen Collins gehört. Sie sagt trotzdem nein.

Jane Austen hat da wohl oft aus ihrem eigenen Leben geschrieben. 1775 wurde sie als eines von acht Kindern in eine Pfarrers-Familie geboren. Genauso wie ihre einzige Schwester Cassandra bleibt sie unverheiratet - und damit im Schoss und der Abhängigkeit ihrer Familie. Mit 21 Jahren verliebt sie sich in den jungen Iren Tom Lefroy, doch dessen vermögende Verwandtschaft scheint etwas gegen die Verbindung zu haben. Einen anderen Heiratsantrag nimmt sie erst an, entscheidet sich aber einen Tag später um und löst damit einen kleinen Skandal aus. Austen lebt mit ihren Eltern in Bath, wo sie unglücklich ist. Die Gesellschaft lässt sie spüren, dass ihre Familie nicht zu den wohlhabenden gehört. Jane Austen lebt vom Taschengeld ihres Vaters. Als dieser 1805 stirbt, müssen sich die Schwestern und ihre Mutter weiter einschränken. Jane ist zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt und abhängig von Geldgeschenken ihrer Verwandten. Ihr Bruder Edward hat reich geerbt, und überlässt den drei Frauen 1809 ein Cottage, das zu seinem Herrensitz in Hampshire gehört.

Mit ihren Büchern hätte sich Austen endlich ihre Unabhängigkeit erschreiben können, wäre sie nicht 1817 jung gestorben. Die Rechte für ihren Roman "Stolz und Vorurteil" verkaufte sie für 110 Pfund an einen Verleger, der daran ein Vielfaches verdiente. Das Buch erschien 1813 mit einer Auflage von 1500 Stück, noch im selben Jahr kam eine zweite Auflage in französischer Sprache heraus. Zu Austens Lebzeiten verkaufte sich das Buch 4000 Mal und bekam viel Lob von den Kritikern, die jedoch die Autorin nicht kannten. Austen veröffentlichte nicht unter ihrem eignen Namen, denn es gehörte sich nicht, dass Frauen selbst Geld verdienten. So schrieb sie meist einfach "By a Lady".

Für die Bank of England ist das kein unwesentliches Detail. Sie suchte nach einer Frau, nachdem das weibliche Geschlecht bei den Köpfen auf den Geldscheinen stark unterrepräsentiert ist. Der Spruch auf der Austen-Note hat übrigens nichts mit ihrer Geld-Kritik zu tun. "Am Ende gibt es nichts Schöneres als das Lesen", steht da. Gesagt hat das Misses Bingley, die mit den 4000 Pfund im Jahr.


Mobile Geldmaschine

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Das Netzwerk Facebook macht Gewinne auf Smartphones - die Aktie legt satt zu.

Mark Zuckerberg findet, man müsse auch mal in die Zukunft blicken. Und tatsächlich hat er jetzt nach Monaten des Kampfes allen Grund dazu. Als der Facebook-Chef am Mittwoch in einem Gespräch mit Börsenanalysten anhebt, die jüngsten Quartalszahlen zu erklären, scheint der Druck von ihm gewichen. Vorbei sind die Zeiten mit Schlagzeilen über sinkende Kurse. Zuckerberg ist jetzt bester Laune, berichten Gesprächsteilnehmer.



Facebook verdient auf Smartphones und Tablets endlich Geld.

Der Aktienkurs des sozialen Netzwerks geht zu diesem Zeitpunkt gerade durch die Decke. 1,8 Milliarden Dollar Umsatz (plus 53 Prozent), 331Millionen Dollar Gewinn - nach 157 Millionen Dollar Verlust. Mit solchen Quartalszahlen hatte niemand gerechnet. An der Börse legte der Wert des Papiers am Mittwochabend um 20 Prozent zu. Wall Street und Facebook, das könnte endlich etwas werden, nachdem man monatelang wenig miteinander anzufangen wusste. Zuckerberg lieferte zwar immer wieder, konnte die hohen Erwartungen aber nicht befriedigen. Das ist nun anders.

Die vermutlich wichtigste Erkenntnis der neuen Zahlen: Facebook verdient auf Smartphones und Tablets endlich Geld. 41Prozent aller Werbeeinnahmen kommen aus dem Geschäft mit Anzeigen auf Mobilgeräten. Ein Plus von elf Prozentpunkten gegenüber dem vorherigen Quartal und für Zuckerberg ein ordentlicher Erfolg. Die mobilen Angebote des Unternehmens stehen mittlerweile so gut da, dass sie das Wachstum des Netzwerks massiv befördern. 819 Millionen Menschen nutzen Facebook auf Mobilgeräten. 219 Millionen greifen nur über Smartphone oder Tablet zu. Vor einem Jahr waren es noch 543 respektive 102 Millionen. Dass hier mit steigenden Nutzungszahlen auch die Einnahmen wachsen, ist kaum überraschend.

Dagegen war nicht erwartet worden, mit welcher Geschwindigkeit Facebook auch abseits der neuen Wachstumstreiber noch immer Kunden gewinnt. Insgesamt loggen sich jeden Monat 1,15 Milliarden Nutzer auf der Seite ein. Obwohl der Markt für soziale Netzwerke in den USA und Europa weitgehend gesättigt ist, wächst Facebook auch in den westlichen Industriestaaten noch. Konkurrenten wie Twitter oder Whatsapp richten dagegen wenig aus. Ihre Kernkompetenzen kopierte Facebook in seinen Apps zuletzt einfach.

Die Anleger kümmern sich darum offenbar wenig. Auch weil sie wissen, dass die lukrativsten Wachstumsmärkte für Facebook künftig ohnehin woanders liegen. Es sind vielmehr die Schwellenländer in Afrika und Asien, die das Wachstum des Konzerns antreiben. Facebooks Software für klassische Mobiltelefone hat schon jetzt mehr als 100 Millionen Nutzer vor allem in Asien und Afrika. Viele Nutzer in diesen Ländern kommunizieren fast ausschließlich über Handys anstatt Smartphones. Es geht um fünf Milliarden unerschlossene Handys.

In Europa und den USA hingegen hat Facebook aus der Vergangenheit gelernt und setzt auf Kontinuität. Neue Angebote wie die soziale Suchmaschine Graph Search lösen bei den Nutzern keine Begeisterungsstürme aus. Sie werden von ihnen aber auch nicht wie früher bekämpft oder gar verschmäht. Vielleicht deshalb, weil Facebook gelernt hat, sie behutsamer einzuführen. Facebook weiß nun, mit seinen Nutzern zu kommunizieren. Das honorieren auch die Anleger. Am Donnerstag legte Facebook im deutschen Handel zeitweise um mehr als 32 Prozent zu. Zum Handelsstart lag das Papier in den USA auch schon wieder um mehr als 20 Prozent im Plus.

Das Glücksbrötchen-Klettern in Hongkong

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Ursprung, Gegenwart und Zukunft einer modernen Stadt

Die Welt wird zur Stadt. Das klingt erst einmal seltsam. Schließlich ist keine Metropole groß genug, um allen Bewohnern dieser Erde Platz zu bieten. Doch tatsächlich wollen immer mehr Menschen in Städten wohnen. Viele versprechen sich dort ein besseres Leben, mehr Geld für ihre Arbeit, eine guten Ausbildung für ihre Kinder. Schon heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Das war bis zum 19.Jahrhundert noch anders, als 97 Prozent der Menschen als Bauern arbeiteten.

Aber natürlich ist die Stadt kein modernes Phänomen. Die ersten Metropolen entstanden 4000 vor Christus. Wie dicht die Entwicklung der Städte daher mit der Entwicklung der Menschheit verwoben ist, dem Fortschritt und dem Bildungsstand, den kriegerischen Auseinandersetzungen und den kulturellen Meisterleistungen, das zeigt auf angenehm nüchterne und trotzdem sehr unterhaltsame Weise ein Bildband aus der Wissensreihe memo.



Leben auf engstem Raum - ein Bildband widmet sich jetzt dem Thema Stadt.

Auf einer Doppelseite wird darin jeweils ein Aspekt der Urbanisierung vorgestellt. Welche Bedeutung hat die Lage für eine Stadt? Was hat die Industrialisierung mit dem Wachsen der Metropolen zu tun? Aber auch: Wozu führt es, wenn immer mehr Menschen in Städten wohnen wollen? Und wie kann man die überhaupt versorgen? Die Stärke des Bildbands ist, dass die Aspekte aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln, verschiedenen Zeiten und Weltregionen beleuchtet werden. Zum Beispiel wird unter dem Aspekt, wie wichtig eine gute Lage ist, das ehemalige Fischerdörfchen Shenzhen in der Nähe von Hongkong beschrieben, das innerhalb von Jahrzehnten vom chinesischen Staat zur Wirtschaftsmetropole hochgezüchtet wurde, aber auch Kimberley in Südafrika, das quasi aus dem Nichts entstand, als dort Ende des 19.Jahrhunderts Diamanten gefunden wurden.

Die einzelnen Unterpunkte werden jeweils durch eine Abbildung und einen kurzen, aber informativen Text vorgestellt. Zusammen ergibt das, wenn man so will, eine fast schon städtische Ansicht: Dicht gedrängt treffen hier die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen aufeinander. Wolkenkratzer stehen neben funkelnden Diamanten. Frachtschiffe fahren an Kamelen vorbei. Fahrradrikschas treffen auf Schwebebahnen und Smogglocken. Müllberge auf glitzernde Fassadenbeleuchtung und schwer beladene Lastwagen, die Nahrung in abgelegene Städte bringen.

Die Kunst bei diesem urbanen Tohuwabohu: Statt sich im Chaos zu verlieren, macht es Spaß, mit dem Buch auf Entdeckungstour zu gehen. Von den Ursprüngen der Metropolen und von vergessenen Städten zu erfahren, Traditionen wie das 'Glücksbrötchen'-Klettern in Hongkong kennenzulernen, aber auch mögliche Gefahren für die Metropolen von heute skizziert zu bekommen, etwa die Bedrohung durch Erdbeben. Einen abschließenden Überblick bieten nicht nur ein ausklappbares Poster und ein Glossar, sondern auch einige Top-Ten-Listen, die immer wieder Überraschendes zeigen. Oder wer hätte gedacht, dass Luanda in Angola den dritten Platz unter den teuersten Städten der Welt belegt?Laura Weissmüller

Philip Steele: Städte. Dorling Kindersley (Memo Band 3) 2011. 72 Seiten, 9,95 Euro.

Unter Fremden

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Von zugewanderten Tieren und Pflanzen in unserer Umgebung

Es ist so eine Sache mit uns Menschen und noch unbekannten Lebewesen. Wir beäugen sie vorsichtig, schleichen um sie herum, nicht selten mit einer gehörigen Portion Misstrauen. Könnten vielleicht gefährlich sein, oder böse Absichten haben, Krankheiten übertragen, all solche Sachen. Für dieses Gefühl gibt es, bei kleinen Kindern, sogar ein Wort. Sie 'fremdeln', sagt man, wenn sie Unbekannte vor sich sehen, wenden sich ab, schreien, wollen sich nicht anfassen lassen. Das ist ein ganz natürliches Verhalten, das viel mit unserer Vorgeschichte als stets gefährdete Steinzeitmenschen zu tun hat, das man aber im Griff haben sollte, wenn man das Erwachsenenalter erreicht hat.

Und im Umgang mit anderen Menschen klappt das inzwischen ja meist ganz gut. Nicht ganz so gut funktioniert es allerdings mit anderen Fremden. Deshalb gibt es fast jedes Jahr eine neue Panikkampagne über frisch zugewanderte Killerpflanzen oder -tiere, die der heimischen Flora, Fauna und möglicherweise uns den Garaus machen könnten. Manchmal stimmt das ja auch. Aber eben eher selten. Die Wanderung, ob absichtlich oder zufällig, von Tieren und Pflanzen gab es schon immer - siehe beispielsweise die Zugvögel.



Wo kommt die Hausmaus ursprünglich her? Solche und andere tierische Herkunftsfragen, werden jetzt in einem Buch geklärt.

Um nun sowohl einer Panik wie auch zu viel Fahrlässigkeit im Umgang mit den Fremden, den Neophyten (bei Pflanzen) und Neozoen (bei Tieren) vorzubeugen, ist dieses schöne Buch eine große Hilfe. Peter Laufmann, Forstwissenschaftler und Redakteur beim Umweltmagazin natur, hat kenntnisreich und unterhaltsam zusammengepackt, was man sich sonst immer mühevoll als Halbwissen irgendwo zusammengesucht hat.

Und so erfahren wir von alten Bekannten, die einst aus der Ferne kamen und inzwischen in unsere Welt zu gehören scheinen, als seien sie immer schon da gewesen: die Hausmaus etwa, die Edelkastanie oder die Spatzen. Laufmann erklärt die Reisewege der Neuankömmlinge - per Schiff, Vogelfutter oder per, natürlich, Menschentransport. Er erzählt auch davon, dass diese Einwanderer tatsächlich Schaden anrichten - etwa die Kaninchen in Australien, die die Europäer einst mitbrachten und die längst zu einer gewaltigen Plage geworden sind, oder der Riesenbärenklau, den man hier als Bienenweide einführte.

Ökosysteme sind sensible Strukturen, Neuankömmlinge können sich einfügen, überleben die neue Umgebung nicht oder bringen diese tatsächlich durcheinander. Laufmann lässt uns die Einwanderer suchen - im Haus, im Garten, im Park, im Wasser. Wo sind sie, die Fremden, was tun sie - oder auch nicht? Nach diesem wirklich spannenden Buch sollten Kinder anders auf die Natur blicken und übrigens auch Erwachsene! Petra Steinberger

Peter Laufmann: Wo kommst du denn her? Wie und warum Tiere und Pflanzen wandern und sich an anderen Orten niederlassen. Carlsen 2013. 76 Seiten. 16,90 Euro.

Widerspruch im Drogen-Streit

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Papst Franziskus lehnt eine Freigabe von Betäubungsmitteln ab.

Rio de Janeiro - Nun ist der neue Papst also politisch geworden bei seiner Reise nach Brasilien, dem Einstand im Ausland. Er traf gleich einen wunden Punkt der Region. Beim Besuch der Entzugsklinik São Francisco de Assis in Rio de Janeiro wetterte Franziskus gegen das Milliardengeschäft mit dem Rauschgift, machte Süchtigen Mut - und zog ziemlich eindeutig gegen Versuche zu Felde, Rauschgift zu legalisieren. "Das Übel des Drogenhandels, das die Gewalt fördert und Schmerz und Tod sät, erfordert ein mutiges Handeln der gesamten Gesellschaft", sprach er am Mittwoch in dem Hospital. Man reduziere die Abhängigkeit nicht, indem man die Drogen freigebe, "wie es in einigen Teilen Lateinamerikas diskutiert wird".



Nun ist der neue Papst also politisch geworden.

Da war er ziemlich abrupt in einem sensiblen Thema gelandet, denn über Drogenfreigabe wird vor allem zwischen Rio Grande und Feuerland schon seit Jahren debattiert. Franziskus" Offensive hörte sich an wie eine Replik auf den Vorstoß von Intellektuellen und mehreren ehemaligen und einigen aktuellen Staatsmännern. Die früheren Präsidenten Brasilien, Kolumbiens und Mexikos hatten angeregt, zumindest den Konsum von Marihuana nicht mehr unter Strafe zu stellen. Guatemalas ansonsten konservativer Staatschef Otto Pérez Molina wünscht sich ebenfalls eine Wende in der Drogenpolitik, derweil vor allem mittelamerikanische Länder wie das seine im Krieg mit den Kartellen ausbluten. Der Kollege José Mujica in Uruguay bemüht sich um ein Gesetz, nach dem Cannabis künftig staatlich angebaut und in gewissen Mengen kontrolliert verkauft werden kann.

Sie alle haben verstanden, dass die aktuelle Strategie von Verbot, Verfolgung, Polizei und Militär die Schwarzmarktpreise nur nach oben treibt, das Geschäft immer lukrativer macht und Tausende Tote fordert. Andersdenkende dagegen bremsen, sie werden unterstützt von der US-Regierung.

Papst Franziskus nannte die Schmuggler bei seiner Ansprache in dem Krankenhaus in Rio "Todeshändler", sie folgten in einer vom Egoismus geprägten Gesellschaft "um jeden Preis der Logik der Macht und des Geldes". Am Donnerstag fuhr er dann im Fiat in die Favela Varginha und weihte dort eine Kapelle ein.

In den brasilianischen Armenvierteln blüht der Drogenhandel, Banden wurden mit den Einnahmen mächtig, obwohl zuletzt einige Favelas von der Polizei gestürmt und mit Friedenstruppen besetzt wurden. Da bekam der Papst aus Argentinien einen winzigen Eindruck von der Umgebung der Todeshändler, bei denen sich auch die Mittelklasse und Oberschicht Brasiliens gerne bedienen. Den Abhängigen in der Klinik versprach er: "Die Kirche ist an Eurer Seite." Danach hatte der Papst seinen ersten Auftritt am Strand der Copacabana.

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