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Im Datenrausch

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Wem Vittorio Colao, 52, ein Gefühl davon geben will, was die Leute heutzutage mit ihrem Handy machen, dem zeigt er sein eigenes. Über keinen anderen Dienst verbraucht er so viele Daten wie über Netflix. Der amerikanische Anbieter hat mit eigens fürs Internet produzierten Serien wie „House of Cards“ für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Nicht nur bei Colao.



Vodafone will im Kampf um die Daten nicht den Anschluss verlieren

Genau das ist für den Italiener, der seit fast sechs Jahren an der Spitze von Vodafone steht, ein enormes Problem.

Seit Jahren steigt die Menge der Daten, die durch das Netz geschleust werden. Vor allem, weil die Menschen nicht mehr nur Webseiten anklicken, sondern auch Filme schauen. Während Vodafone viel Geld in den Ausbau der Netze stecken muss, um diese Datenflut zu bewältigen, schöpfen die amerikanischen Internetunternehmen wie Amazon, Google, Facebook oder eben Netflix die Gewinne ab.

Die Konzerne aus dem Silicon Valley verdienen ihr Geld nicht mit stetig sinkenden Gebühren für den Internetanschluss, sondern mit Speicherplatz, den sie in der digitalen Wolke vermieten. Mit Anzeigen, die sie im Internet platzieren. Oder mit Büchern, die sich dort per Klick kaufen lassen. Zwei Zahlen machen das Dilemma deutlich, vor dem nicht nur Colao, sondern seine gesamte Branche steht: Der Datenverkehr in Europa hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als vervierfacht. Aber den hiesigen Telekommunikationsunternehmen ist es nicht gelungen, daraus ein gutes Geschäft zu machen. Ihr Umsatz ist sogar gesunken.

Mit aller Kraft stemmen sich die europäischen Telekommunikationskonzerne gegen diesen Trend. Vodafone legt nun 7,2 Milliarden Euro auf den Tisch, um den spanischen Kabelnetzbetreiber Ono zu kaufen. So versuchen die Briten, stark im Mobilfunk, eine strategische Schwäche auszugleichen. Sie können bislang kaum mit Angeboten für einen Festnetz- oder einen Fernsehanschluss punkten. „Ein immer größerer Teil der Konsumenten sucht nach Komplettpaketen. Und wer dieser Kundschaft kein Fernsehangebot machen kann, der bleibt außen vor“, sagt John Delaney, Analyst bei dem auf Technologie spezialisierten Marktforscher IDC. Nicht nur mit einem eigenen Fernsehdienst lockte Ono zuletzt zahlreiche Kunden, sondern auch mit neuen und schnelleren Internetverbindungen. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei knapp 1,6 Milliarden Euro. Die Briten, die ihr Netz zuletzt in spanischen Städten aufgerüstet haben, rechnen durch die Übernahme des vor allem im ländlichen Raum gut ausgestatteten Kabelbetreibers auf mittlere Sicht mit jährlichen Einsparungen von 240 Millionen Euro.

Mit dem Geschäft setzt Vodafone in Spanien fort, was der Konzern im vergangenen Herbst in Deutschland begonnen hat: Hierzulande stemmt Vodafone gerade die 10,7 Milliarden Euro teure Übernahme von Kabel Deutschland. Für die Verschmelzung von Fest- und Mobilnetz sei Deutschland die Blaupause, hatte Colao erst kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt. „Deutschland ist hier die Lokomotive.“

Mobilfunkvertrag und Festnetzanschluss , ein schnelles Internet und Fernsehen – mit solchen Rundumpaketen versuchen die Telekommunikationsunternehmen nun zahlungsfreudige Kundschaft anzulocken, nachdem sie sich über Jahre hinweg mit Niedrigtarifen das Leben schwer gemacht haben. Aus diesem Grund tut sich der französische Mobilfunkanbieter SFR mit dem Kabelnetzbetreiber Numericable zusammen. Die Deutsche Telekom hat in Osteuropa zugekauft. Nun umgarnt Tim Höttges, der neue Chef des Bonner Konzerns, nicht nur Privatkunden mit Komplettpaketen aus Mobilfunk, Telefon, Internet, Fernsehen und ähnlichen Diensten. Er wirbt auch mit Speicher- und Sicherheitsdiensten gezielt um Geschäftskunden. Denn die milliardenschweren Investitionen in den Ausbau der Netze lohnen sich nur, wenn diese Netze auch von vielen Menschen genutzt werden. „Das ist wie bei einem Flug über den Ozean. Das rechnet sich auch nicht, wenn die Maschine nur zu zehn Prozent ausgelastet ist“, sagt Höttges.

Es ist nicht nur die Suche nach neuen Einnahmen, die die europäischen Manager treibt. Es ist auch der Versuch, den mächtigen Internetkonzernen aus dem Silicon Valley etwas entgegen zu setzen. Mit der undankbaren Rolle des Klempners, der nur die Leitungen verlegt, wollen sich die Telekommunikationsfirmen nicht mehr zufrieden geben.

Bei Vodafone ist man auf die Idee, Kunden mit Komplettpaketen für sich zu gewinnen, erst spät gekommen. Später jedenfalls als bei manch anderem Anbieter. Diese Zögerlichkeit müssen die Briten nun teuer bezahlen. Denn die Kabelnetzbetreiber, die nicht nur etwas vom Fernsehen verstehen, sondern auch mit deutlich schnelleren Übertragungsgeschwindigkeiten im Internet punkten können, sind zu attraktiven Übernahmekandidaten geworden. Einige Monate musste Vodafone nun auch um Ono, einen der letzten verbliebenen unabhängigen Kabelnetzbetreiber in Europa, werben. Es heißt, das Angebot sei zwei mal aufgestockt worden. Zuletzt musste Vodafone noch einmal eine Milliarde Euro drauf legen. Auch mit Kabel Deutschland soll das deutsche Team von Vodafone bereits vor einigen Jahren geliebäugelt, aber für eine Übernahme nicht die Zustimmung der Konzernspitze in London erhalten haben.

Immerhin, Vodafone kann es sich leisten. Der Konzern hat einiges auf der hohen Kante. Nicht zuletzt weil die Briten im vergangenen Herbst für 130 Milliarden Dollar ihr Geschäft in den USA verkauft haben, verfügen sie über so hohe Barreserven wie kein anderer europäischer Telekommunikationsunternehmen.

Gut möglich, dass sich Vodafone nun auch noch anderswo nach Kabelnetzbetreibern umsieht. In Italien. Oder in den Niederlanden.

Aufmarsch der Gladiatoren

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Als vor zwei Wochen die ersten Stimmen laut wurden, die Sanktionen gegen russische Politiker forderten, machte ein Witz die Runde: Was der oppositionelle Blogger Alexej Nawalny mit allen Kampagnen und Enthüllungen nicht geschafft hat, das schafft Putin mit seiner Ukraine-Politik innerhalb von Tagen – dass korrupte Politiker und Beamte ihren Besitz im Ausland verlieren.




Wladimir Putin hat seine Machtzentrale umgebaut

Am Montag machten die USA und die Europäische Union ihre Drohung wahr, Personen Visa zu verweigern und ihre Konten zu sperren, wenn sie im Vorgehen gegen die Ukraine eine entscheidende Rolle gespielt haben. Auf der Liste, die die USA veröffentlichten, stehen unter anderem der für die Rüstung zuständige Vizepremier Dmitrij Rogosin, die Sprecherin des Föderationsrats, Walentina Matwijenko, sowie Sergej Glasjew, der sich als Berater des Präsidenten um die Belange der Eurasischen Zollunion kümmert, der die Ukraine anstelle der EU beitreten sollte.

In Moskau räumte die Regierung erstmals ein, dass die Volkswirtschaft doch von der Krise beeinträchtigt werden könnte. „Die wirtschaftliche Situation zeigt An-zeichen einer Krise“, sagte Vizewirtschaftsminister Sergej Beljakow. Doch mittlerweile wächst der Eindruck, dass der russische Präsident Nachteile für die politische Elite offenbar ebenso einkalkuliert hat wie

großen Schaden für die russische Wirtschaft. Beobachter sehen darin den Beleg dafür, dass endgültig ein Umbau im Machtsystem erfolgt ist, der sich bereits seit Putins Rückkehr in den Kreml abgezeichnet hat.

Lag Putins Machtformel in der Vergangenheit in seiner Rolle als Moderator zwischen unterschiedlichen Gruppen – ei-nem sozialen Flügel, einem Wirtschaftsflü-gel, dem Militär und den Geheimdiensten–, ist Berichten aus seinem Umfeld zufolge der Kreis derjenigen, die Zugang zum Präsidenten haben, immer kleiner geworden. Selbst für viele, die in Putins Machtvertikale weit oben stehen, kam die Ermächtigung für einen Militäreinsatz in der Ukraine offenbar unerwartet.

Als der stellvertretende Verteidigungsminister Ende Februar ausländische Diplomaten, den internationalen Regeln folgend, über das kurzfristig anberaumte Manöver unterrichtete, war er offenbar selbst nicht ganz mit der Meldung vertraut, die er vom Blatt ablas, berichten Teilnehmer des Treffens. Noch zwei Tage bevor sie als Vorsitzende des Föderationsrats den Beschluss verkündete, Putin freie Hand für einen Einsatz des Militärs zu geben, hatte Walentina Matwijenko erklärt, ein Militäreinsatz komme gar nicht infrage. In ihrer Funktion als Vorsitzende des russischen Oberhauses ist sie zugleich eines von zwölf ständigen Mitgliedern des Nationalen Sicherheitsrats, der über diese Fragen berät, war aber offenbar nicht über die Pläne informiert gewesen. Und der Duma-Vorsitzende Sergej Naryschkin hatte größte Formulierungs-Schwierigkeiten, als er vor den Kameras erklären sollte, welchen Auftrag sein Parlament dem Präsidenten gerade gegeben hatte.

Sein Vertrauen schenkt der 61-jährige Putin dagegen einem Kreis von Personen, die ihm in vielem ähnlich sind: Sie stammen aus Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, haben in der Regel dort Karriere im Geheimdienst gemacht und sind sogar ähnlich alt wie der Präsident. Sergej Iwanow, 61, der Leiter der Präsidialadministration, ist in Leningrad geboren, hat die Schule des KGB durchlaufen, war Vizepremier und Verteidigungsminister. Nikolai Patruschew, 62, ebenfalls aus Leningrad, hat den Geheimdienst seit Mitte der Siebzigerjahre nie verlassen, war von 1999 bis 2008 Direktor des KGB-Nachfolgers FSB und ist seitdem Sekretär des Sicherheitsrats. Der 62-jährige Alexander Bortnikow, der seitdem den FSB leitet, hat seine Geheimdienstkarriere ebenfalls in Leningrad begonnen.

Die „Gruppe der Ehrlichen“ nennt der Journalist Maxim Trudoljubow von der Wirtschaftszeitung Wedomosti den engen Machtzirkel. Die Absage des G-8-Gipfels oder Sanktionen gegen einzelne Personen würden die Vertrauten nicht schrecken. „Putin hat solche Reaktionen bereits einkalkuliert“, urteilt er. Mehrmals habe der Präsident zuletzt die Elite ermahnt, Vermögen aus dem Ausland zurück in die Heimat zu bringen. Das Vorgehen gegen die Ukraine ohne Rücksicht auf die internationalen Reaktionen und auf die Wirtschaft zeige, dass Putin seine Wahl getroffen habe: Kommando- statt Marktwirtschaft, Zwang statt Verhandlungen, Druck statt einer freien Entwicklung. „Die Absage an Vermögen im Ausland bedeutet, dass man als Mitglied der Partei der Ehrlichen nur hier leben kann und nur an der Seite der Macht.“

Nach den Jahren des russischen Öl- und Konsumbooms mit Wachstumsraten um die sieben Prozent hat sich die russische Wirtschaft von der Krise 2009 nicht mehr erholt. Das magere Wachstum, das dem Land für die kommenden Jahrzehnte vorhergesagt wird, reicht nicht mehr, um den alten Vertrag mit dem Volk – Stabilität und Wohlstand gegen Loyalität – weiter aufrechtzuerhalten.

An seine Stelle tritt die Angst vor äußeren und inneren Feinden. Dass sich dieser Umschwung auch in den Köpfen der

Menschen vollzieht, zeigte eine neue Umfrage des unabhängigen Levada-Instituts:

63 Prozent der Russen sind überzeugt, dass ihr Land eine Großmacht ist – das ist der höchste Wert, den die Forscher je gemessen haben, seitdem sie vor 15 Jahren zum ersten Mal diese Frage stellten. Damit wird ein Gefühl wiederbelebt, das in der Sowjetunion Volk und Partei stets zusammenhielt: der Stolz auf die Größe und Macht des eigenen, von Feinden umzingelten Landes. Das imperiale Auftreten gegenüber der Ukraine hilft dabei. Vor die Wahl gestellt, ob Russland lieber eine Großmacht sein soll, die geachtet und gefürchtet wird, oder ein Land mit hohem Lebensstandard, aber weniger Einfluss, entschieden sich die meisten Befragten für die erste Variante – Großmachtstolz vor Wohlstand. Der Wandel ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass die im Boom gewachsene Mittelschicht ihren Aufstieg dem Kreml mit Protesten gedankt hat.

Nachdem am Sonntagabend die vorläufigen Ergebnisse des Referendums ver-kündet worden waren, erinnerte Putins oberster Propagandist Dmitrij Kisseljow im Sender Rossija 1 noch einmal daran, dass man von dem Land nichts zu befürchten habe, das die Ukraine am entschlossensten verteidigt. Vor einem feuerroten Atompilz stehend erklärte Kisseljow, Russland sei in der Lage, die USA trotz aller Abwehrsysteme „in radioaktive Asche“ zu verwandeln.

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Poesie der Primzahlen

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Ich starre auf meinen Bildschirm in der Staatsbibliothek und auf der Seite der FAS fängt mich eine Bannerwerbung ein, die mich für circa 3 Minuten total fertig macht.

Ein himmelblauer, fast hellneonblauer Hintergrund mit wechselnden in weiß eingeblendeten Zahlen.
Eingefadet wird ein Gesicht von einem Mann, Alter undefinierbar aber so zwischen 30 - 45.
Er hat einen Mund der zu groß ist, Augen die mich hinter einer Hornbrille anstarren und doch durch mich hindurchsehen und Haut die eine ganz ungesunde Farbe hat. Das beworbene Buch heißt "Die Poesie der Primzahlen". Ich habe beschlossen es nicht zu lesen.

Ich starre ihn an. Er starrt mich an. Sein Gesicht verschwindet ins Blaue und ich erschrecke so sehr, dass ich unmerklich zucken muss. 3 Sekunden später ist sein Gesicht wieder da.

Ich versuche meinen Blick loszureißen und schaue aus dem Fenster. Gegenüber ist ein Haus mit einer Dachluke aus der eine asiatische Frau raussieht. Das kann nicht wirklich besser werden heute.

Heute ist der erste Bibliothekstag und ich merke wie sich mein ganzer Körper und Geist gegen die zu erledigende Bachelorarbeit sträubt. Aber es geht nicht anders. Es muss sein. Auch wenn das Wetter wunderschön ist.

Gestern habe ich mein Fahrrad gerettet. Mein Lieblingsrad wurde ja geklaut, aber "Hercules" mein zweites Rad, stand auch nach zwei Monaten treu an der U-bahn-Station. Also bin ich mit enem Platten vorne zu dem nächsten Fahrradgeschäft gegurkt. Mein Navi hat mich auch noch besonders doof in der Gegend rumgeschickt aber letztendlich hab ich es geschafft.

Ein alter Mann hat mich gestern extrem angeglotzt weil meine Haare momentan türkis sind. Es hat ihm nicht gefallen. Sein Weltbild ist zerstört weil ich leider zu ordentlich angezogen war um ein Punk zu sein.  Er glotzt während er um die Ecke geht bis ich nicht mehr in Sichtweite bin.
Ich schaue ihm direkt in die Augen und es ist ihm nicht einmal unangenehm. Und das auch noch in Bogenhausen. Naja wenigstens hat er dann daheim noch was zu erzählen.


Abends habe ich in einem kleinen Restaurant zur Probe gearbeitet und es war wirklich nett. Jetzt bin ich in einer Zwicklage, da ich zwei gute Jobs haben könnte und mich nicht entscheiden kann. Der Chef ist irgendwie nett aber auch irgendwie zurückhaltend seltsam. Jedenfalls muss ich mir das noch ein bisschen angucken. Immer diese Geldprobleme.
Aber ich genieße es ausschlafen zu können, in der Sonne herumzugehen und nicht in einem dunklen, muffigen Büro sitzen zu müssen! Das werd ich auch nie so machen können. Alltagstrott stellt sich zwar immer ein, aber das ist besonders hart.

Morgen in einer Woche geht es nach Berlin. Ich freu mich so und es war schrecklich meinen Liebsten einen Monat nicht zu sehen. Außerdem ist das nichts für mich so lang keinen Sex zu haben. Das verursacht nur schlechte Laune und Unzufriedenheit.

Zur schlechten Laune kommt auch noch ein Besuch meiner Mutter. Was zwar nicht direkt meine Laune versaut aber da sie vermutlich bei mir schlafen will bedeutet es eine schlaflose Nacht aufgrund ihres tösenden Schnarchens. Und eine Predigt, dass ein Universitätsabschluss DAS WICHTIGSTE ist. Und ich ja jetzt echt nicht mein Studium schmeißen darf. Zwar habe ich ihr schon erklärt, dass ich mein Studium nicht mehr schmeißen kann, weil ich schon fertig bin und es nur noch um die Abgabe der Bacarbeit geht, aber das geht nicht rein bei ihr. Obwohl sie meinen neuen Freund noch nicht kennt, fragt sie sogar mich wann er denn mit seinem Studium fertig ist. Es war ihr lieber als ich mal diesen Arzt gedatet habe.

Neein meine Mutter legt ja auf so was keinen Wert. Denkt sie zumindest - beweist mir dann aber immer das Gegenteil. Sie hat keinen Abschluss und ärgert sich bis heute. Verständlich, dass sie für mich was "besseres" will. Aber Historikerin zu sein ist auch nicht unbedingt ein Fundament für ein gut bezahltes Leben.

Wo und wie finde ich faire Kleidung?

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Fast zwei Jahre lang war ich nicht mehr bei H&M. Früher habe ich dort bestimmt ein Mal im Monat irgendwas gekauft. Ich habe damit aufgehört, als in den Nachrichten immer öfter Brände in Textilfabriken in Bangladesch und Pakistan gemeldet wurde, bei denen hunderte Menschen gestorben sind. Die vorher für Stundenlöhne von weniger als 40 US-Cent gearbeitet haben, ohne Arbeitsvertrag, Krankenversicherung, Rente, Mutterschutz, Urlaub. Und das bis zu 100 Stunden in der Woche.

Ich weiß, mein H&M-Boykott reicht nicht. Aber es war ein Anfang. Und ja, es fühlt sich auch ganz gut an, so wie mir ein Glas Bio-Milch auch besser schmeckt, wenn ich weiß, dass ich da gerade Bio-Milch trinke. Aber so wie die Sache mit den Bio-Lebensmitteln komplexer ist als mit Bio-Joghurt und -Fleisch sein Gewissen zu beruhigen, ist es auch mit dem H&M-Boykott.  

Wir raten von einem Boykott bestimmter Geschäfte ab, die Näherinnen und Näher würden nur darunter leiden, weil es Arbeitsplätze gefährden würde , sagt Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende der Bonner Frauenrechtsorganisation Femnet e.V. Also alles falsch gemacht? Nein, beruhigt sie mich. Nur ist ein Boykott etwas Negatives. Wir empfehlen, Kleidung mit Frairtrade- und Öko-Siegeln zu kaufen. Das beinhaltet natürlich, dass man von bestimmten Firmen nichts kauft. Bei H&M findet man einfach kein unabhängiges Siegel. Dort findet man höchstens selbstkreierte Aufkleber, die auf Nachhaltigkeit hinweisen, aber davor warnt Gisela Burckhardt.  

Die vielen verschiedenen Siegel überfordern mich. Ich habe statt H&M-Zeug auch nicht nur fair und/oder ökologisch produzierte Sachen gekauft, sondern insgesamt weniger und dafür in besserer Qualität. Das reicht nicht, sagt Gisela Burckhardt. Auch wenn man hochwertigere Kleidung von teureren Labels kauft, kann diese unter denselben Bedingungen produziert worden sein. Vom Preis kann man nicht auf die Produktionsbedingungen schließen.  



Es führt also doch kein Weg an den Siegeln vorbei. Aber eigentlich muss man sich nur drei merken, so Gisela Burckhardt. Das Textilsiegel "Global Organic Textile Standard" (GOTS), das "Fairtrade"-Siegel und das der Fair Wear Foundation. Mehr zu den Siegeln - mit Bildern - im Flyer von Femnet (PDF-Download). Und dann sei auch das Produktionsland egal. Im Gegenteil, in vielen Ländern gebe es öko-faire Projekte, die man damit unterstützt. Das strengste Siegel ist das Öko-Siegel Naturtexil IVN zertifiziert BEST, das allerdings nur sehr selten vergeben wird. Das Fairtrade-Siegel fördert beispielsweise auch biologischen Anbau, GOTS und BEST haben Sozialstandards im Kodex. Dennoch ist es am besten, wenn ein Kleidungsstück ein faires Siegel (das Fairtrade-Siegel für Produkte oder Fair Wear für Unternehmen), das sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt, und ein ökologisches (GOTS oder BEST) trägt, das einen bestimmten Anteil an Naturfasern, jeweils bezogen auf Baumwolle, garantiert.  

In Großstädten und im Internet kommen seit ein paar Jahren immer mehr junge Kaufhäuser und Labels dazu, die öko-faire Mode anbieten. Aber auch in kleineren Städten tut sich was. Femnet erstellte im vergangenen Jahr eine Broschüre (PDF) mit Geschäften in Bonn, in denen man öko-faire Kleidung kaufen kann. Wir waren überrascht, dass 56 von 260 Läden das anbieten, sagt Gisela Burckhardt. Das ist eine ganz gute Zahl. Wenn immer mehr Geschäfte das anbieten und Labels fair und ökologisch produzieren, müssen die großen Textilhersteller irgendwann nachziehen. Dieses Signal hat eine viel größere Wirkung als jeder Boykott.  

Kathrin Hollmer, 25, ist froh, dass sie sich jetzt nur drei bzw. vier Siegel merken muss. Und obwohl sie jetzt weiß, dass Boykotts nichts bringen, macht sie weiterhin einen großen Bogen um das schwedische Label mit den zwei Buchstaben. Nicht, weil ihr die Sachen nicht mehr gefallen, sondern wegen der Qualität. 


Fünf Tipps für öko-faires Shopping: 

1. Vom Ladenpreis kann man nicht auf die Produktionsbedingungen schließen, und einfach nur bestimmte Firmen oder Produktionsländer zu boykottieren bringt nichts.

2. Der wichtigste Anhaltspunkt für den Kauf von öko-fairer Kleidung sind unabhängige und extern, nicht vom Label selbst vergebene Siegel. Die wichtigsten drei sind das Textilsiegel Global Organic Textile Standard (GOTS), das Fairtrade-Siegel und das der Fair Wear Foundation. Auf der Website von Femnet e.V. gibt es eine gute Übersicht. Die Browser-Erweiterung aVoid blendet beim Online-Shopping alle Marken aus, die unter dem Verdacht der Kinderarbeit stehen.

3. In vielen Städten kommen immer mehr Läden und Kaufhäuser dazu, die öko-faire Mode anbieten. Das größte Angebot gibt es im Internet. Eine Übersichtüber faire Shops und Labels findet man zum Beispiel auf korrekte-klamotten.de und getchanged.net. PETA hat außerdem vegane Online-Shops gesammelt.

4. Fair und ökologisch produzierte Kleidung ist nicht unbedingt teurer als nicht-öko-faire. Ein öko-faires T-Shirt kann man ab etwa 15 bis 20 Euro kaufen.

5. Lieber weniger kaufen und dafür bessere Qualität aus fairer und/oder ökologischer Produktion. Auch Second-Hand-Mode und Kleidertauschpartys sind eine gute Idee.


Noch mehr über bewusstes Einkaufen findest du im Lexikoneintrag zum Thema: Ist Online-Shopping schlecht?

Ich bin wie ich bin

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So ich würde mich über sehr viele anfragen freuen so viele wie es nur gibt ich bin ganz neu hier und unerfahren über ein parr tipps von euch da würde ich mich sehr freuen danke im vorraus

Hose an und ab ins Rathaus

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Am Wahlabend im Rathaus trägt Tobias Hemd und eine Trachtenjacke. Seine Dreads hängen lose über die Schultern, oben sind sie schon rausgewachsen. Anzugträger kommen vorbei, gratulieren, schütteln ihm die Hand. Tobias lacht viel. Und immer wieder blickt er auf die Leinwand: 34,4 Prozent steht da beim Bürgermeisterkandidaten der SPD, 22,3 bei dem der CSU. Und 28,8 bei ihm. Es kommt zur Stichwahl zwischen ihm und dem Kandidaten der SPD. Und das in einer Kommune mit CSU Stadtrats-Mehrheit – im ehemaligen Wahlkreis von Franz-Josef Strauß.




Schongau im Fasching 2013: Der Traum vom Bürgermeister ohne Hosen wurde publik

Vor einem Jahr hätte das niemand gedacht. Der damals 26-Jährige lief mit einer Horde Jugendlicher beim Schongauer Faschingsumzug mit. Sie trugen Sonnenbrillen, Trainigsjacken, Sackos, Hemden, Schuhe. Und Unterhosen. Auf ihren Schildern stand: "Keine Hose, kein Problem!" Der größte Witz: Die Gruppe machte Tobias Kalbitzer, oder "Kalle", wie ihn alle nennen, zu ihrem Kandidaten für das Bürgermeisteramt.

Doch Tobias machte sich wirklich Sorgen um seine Stadt: "Ich habe gemerkt, wenn es noch zehn Jahre so weiter geht mit Schongau, sind alle jungen Leute weg – und auch ich. Es muss etwas passieren." Und keiner änderte was. Also entschied er sich, selbst etwas zu tun.

Er kandidierte für die Bürgermeisterwahl. Den Wahlkampf finanzierte er selbst, Kostenpunkt: 500 Euro. Ein Freund machte das Plakat, ein anderer den Film "Kalle for President – the movie". Wichtig waren ihm Themen wie Kultur, Sport und Jugend aber auch bessere Lebensbedingungen im Asylbewerberheim. Allerdings blieb er vage. Er wollte einen Wahlkampf "ganz ohne Versprechungen". Man kann ja auch nichts versprechen, wenn man nicht besonders viel Ahnung hat. Laut ihm ist aber nicht Planlosigkeit der Ursprung dieser Philosophie. Er erklärt, er wolle alle zusammen entscheiden lassen, in Bürgerversammlungen. Der Heilerziehungspfleger glaubt, dass sich immer Kompromisse finden lassen. Und dass die Schongauer engagiert sind und den Willen haben, Dinge zu ändern. Man muss sie nur unterstützten und fördern.




Tobias Kalbitzer alias "Kalle" meint's ernst: Er will Bürgermeister werden

Tobias spricht den typisch Schongauer-Dialekt, redet ruhig und mit fester Stimme. Dabei schaut er sein Gegenüber immer direkt an. Wenn er von seinen Stärken spricht, fällt oft das Wort "Empathie". "Kompetenz" sagt er selten. Was, wenn er tatsächlich gewählt wird und als Bürgermeister etwas nicht versteht? "Dann frag ich nach."

"Ich will den Leuten nicht sagen, was richtig oder falsch ist, so wie es die Parteien tun. Ich will ihnen zeigen, dass ich sie verstehe. Weil ich einer von Ihnen bin", sagt Tobias. Eines seiner ersten Ziele: Frieden im Rathaus. Seit Jahren zoffen und blockieren sich die Stadtrats-Fraktionen. Tobias will unabhängig vermitteln, er will ein Bürgermeister sein, der moderiert. Mit seinen zwei Mitbewohnern und seiner Freundin, hat er eine Wählergruppe gegründet. "Unorganisierte Wählergruppe Karl-Heinz-Rumgedisse" heißt die, basierend auf seinem anderen Spitznamen. Die Freunde, gibt er zu, haben da eher zweckmäßig mitgemacht, weil er ja Mitglieder für die Wählergruppe brauchte. Hauptsächlich geht es um ihn. Auf seinen Wahlkampfplakaten steht "Geh wählen!" In Nahaufnahme sieht man sein Gesicht. Er blickt seine Betrachter ernst an.

Aber wann wurde das eigentlich so ernst? Genau kann Tobias das nicht sagen. Entscheidend war sicherlich die Zeit ab November 2013, da sammelte er Unterschriften, stellte die Gruppe auf, brachte seinen Antrag ins Rathaus. "Das kostet Geld, Kraft und Zeit, das wollte ich nicht umsonst machen. Spätestens da war klar: Ich zieh das durch". Neben seiner Entscheidung sind es auch die Rückmeldung der Leute gewesen, die ihn befeuert haben. Unternehmer haben sich für ihn begeistert, junge Leute, aber auch alte. "Wir haben so getan, als könnte ich das gut, das Bürgermeistersein", sagt er. Und die Leute haben das geglaubt und gewollt. Also wurde der Plan immer realistischer.

Aber auch, als es Tobias längst ernst war, verhielt er sich nicht übertrieben seriös. Er hat sich zum Beispiel dabei gefilmt, wie er für das Social-Beer-Game in Boxershorts einen halben Liter Bier ext – und die anderen Kandidaten auffordert, es ihm gleich zu tun. Die machten nicht mit. Dafür kamen Sat1, die Bild-Zeitung und die Bunte.

Wirklich geschadet hat das Tobias aber nicht. In den Stadtrat wurde er schon gewählt, denn für den Fall, dass er es nicht zum Bürgermeister schafft, hat er sich auf die Stadtratsliste der "Alternativen Liste Schongau" setzen lassen. Bei der Stichwahl am 30. März könnte er jetzt Bürgermeister werden. Woher der Erfolg kommt? Der CSU-Fraktionsvorsitzende Michael Eberle sagt: "Keine Ahnung".

"Kalle ist cool", sagt eine Einzelhandelskauffrau, die Tobias wählte, obwohl sie sonst die CSU bevorzugt. Eine Krankenschwester sagt, ihr gefalle, dass er nicht studiert hat. Ein Akademiker spricht von einer "frischen Alternative". Tobias selbst glaubt, dass er gut ankommt, weil er offen und ehrlich ist. Beim Wahlkampf sei einmal eine Oma im Rollator an ihm vorbeigerollt und habe gesagt "Di wähl i, du bisch a guader".

Wahlparty im North-End, einer Punk-Kneipe: Von der Decke hängen FC-St.Pauli-Wimpel, an der Wand eine Dartscheibe, im Hintergrund läuft Rock und Punkmusik. "So einen Wahlkampf gab es noch nie!", sagt ein junger Mann mit Piercings. "Kalle hat den so interessant gemacht, dass ich alle Zeitungsartikel gelesen habe, auch die ohne ihn." Zwei Frauen sagen, sie wären ohne Tobias nicht wählen gegangen, eine andere, ihr Kalle-Kreuz, das sei schon auch Protest gewesen.

http://www.youtube.com/watch?v=SiYn21AS73s

Das Promo-Video "Kalle for president"

Auch wenn er Nichtwähler motiviert hat, die gesamte Wahlbeteiligung konnte Tobias nicht erhöhen. Sie lag mit 57,4 Prozent sogar unter der der letzten Wahlen. Womöglich ist sein Erfolg auch darin begründet, dass die anderen Kandidaten "unwählbar sind", wie viele Bürger sagen. Der Kandidat von der CSU sei "ein fader Lehrer, den niemand mag". Der der SPD gilt zwar als kompetent, doch er lebt erst seit kurzer Zeit in der Region. Tobias hingegen ist ein gebürtiger Schongauer, der an seiner Heimat hängt.

Dass der Schongauer mit seiner Empathie gegen den SPDler mit Erfahrung gewinnt, glaubt kaum jemand an diesem Abend. Mittlerweile sitzen die beiden Kandidaten in der derselben Kneipe und beide trinken Bier; der eine mit Kurzhaarschnitt, der andere mit Dreads. Tobias schüttelt den Kopf, die Haare hüpfen ein bisschen auf und ab. Mit entschlossenem Blick klärt er ein letztes Mysterium auf: Statt eine Gesinnung zu vermitteln, verstecke er mit den Dreadlocks nur seine "komische Kopfform". "Die Frisur ist für die Politik egal!"

Das Universum und der ganze Rest

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Die Wissenschaft hat was Neues über das Universum herausgefunden. Was genau, weiß niemand von uns so richtig und es ist für Normalbürger auch nicht so unglaublich entscheidend. Denn das Universum an sich ist schon abgefahren genug, es braucht keine neuen, auf Messungen basierenden Erkenntnisse, um spannend zu bleiben. Jeder Versuch, einen wissenschaftlichen Artikel zu Erkenntnissen über das Universum zu lesen, hängt sich bei mir ohnehin unweigerlich an wirren Gedankenspielen um Unendlichkeit und den Sinn des Lebens auf. Bereits nach wenigen Sätzen über Zeit und Raum, spätestens aber nach der ersten Zahl mit unendlich vielen Nachkommastellen, drifte ich von den wissenschaftlichen Fakten ab und male mir mein eigenes Universum mit Galaxienhaufen und Andromeda-Nebeln aus.  

Alle diese Ausführungen über Kontinua und schwarze Löcher verlocken zwar zu gefährlicher Gleichgültigkeit, bergen aber auch Raum für kreative Gedanken. Grenzenlos sind die Möglichkeiten. Alles geht im Universum und nichts muss. Vielleicht liegt das Universum innerhalb eines anderen, das wiederum innerhalb eines anderen liegt. Vielleicht ist das Universum ein Bildschirm, auf dem ein Film für Supergalakten abläuft. Vielleicht ist das Universum auch nur der Gedanke oder der Wunsch einer verstörten Mikrobe oder ein Bläßchen im Drink in einer gigantischen Sphärenkneipe. Aber worin schwebt die wiederum und wie viele Universen sind in meinem Drink? Wer weiß schon wirklich, wer das Universum im nächsten kosmischen Moment runterschluckt, es ausschaltet oder wer grade darauf wettet? Die interessanten Fragen werden auch in Harvard immer noch nicht beantwortet.  

http://www.youtube.com/watch?v=idSQ3hSLZ8Q

Deshalb: Schuhe aus, obiges Video an, die Wissenschaft Wissenschaft sein lassen und die Gedanken schweifen lassen. Was läuft so beim Universum? Wo kommt es her? Wo geht es hin? Was kommt danach, dahinter, daneben oder darunter?

Tagesblog - 19. März 2014

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http://www.youtube.com/watch?v=7B5AXBFeRLM#t=221

18:10 Uhr: Mit diesem Video und einem wunderbaren Textmarker von der wunderbaren Nadja verabschiede ich mich in den Feierabend. In dem Text, den Nadja im Netz entdeckt hat, geht es um die These, dass "Happy" der Protestsong des 21. Jahrhunderts werden könnte. Ja, das "Happy" von Pharrell Williams. Klingt erst mal komisch, Nadja erklärt aber wie gewohnt souverän, warum das nicht so abwegig ist.
Jetzt aber los, heute wieder mit Rad. Ist ja noch hell. Habt einen schönen Abend!

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17:15 Uhr: Eine Frage, die mich beschäftigt, seit sie mal in einer Folge von "How I Met Your Mother" aufgetaucht ist: Was ist dran an der "Fünf-Sekunden-Regel"? Also, dass man Essen, das einem runtergefallen ist, noch essen kann, wenn es nicht länger als fünf Sekunden am Boden lag? Und man vorher die Fussel oder Haare, die vielleicht drankleben, noch wegzupft. Mikrobiologen der Aston University aus Birmingham in Großbritannien haben jetzt herausgefunden, dass da was dran ist. Bakterien sind nämlich nicht besonders schnell. Fünf Sekunden reichen ihnen nicht, um Essen ungenießbar zu machen. Wieder was gelernt. Mehr dazu wissen die Kollegen von Puls.

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16:05 Uhr:
*** Eilmeldung *** Es gibt einen neuen Politik-Tumblr. "Merkel Holding Things" heißt der. Und funktioniert, naja, wie alle "Holding Things"-Tumblr halt. Ein, zwei Bilder lang ist es schon lustig. Die anderen... muss man dann auch noch sehen.





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15:10 Uhr: Samy Deluxe ist für mich so jemand, zu dem ich keine Meinung habe. Das Gespräch mit ihm, das unser Interview-Beauftragter Daniel geführt hat, gefällt mir trotzdem. Die beiden haben sich getroffen, weil am Freitag sein neues Album erscheint. Aber auch, um über Samys Hello-Kitty-Socken zu sprechen. Und darüber, warum er findet, dass zu viel Augenbrauenzupferei "merkwürdig" ist.

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14:45 Uhr: Eben habe ich dieses tolle Foto im jetzt-Kosmos entdeckt. Die jetzt-Userin feefeuer macht jeden Mittwoch ein Foto und postet es auf jetzt.de und ihrem Blog. Heute ist es dieses hier. Und ein paar schöne Gedanken zum Bild gibts mit dazu. Toll!





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13:35 Uhr:
Heute gebe ich mal mittags ein Nachrichten-Update (abgesehen von Krim, dem Malaysia-Airlines-Flug MH370 und Kommunalwahlen) und bediene mich dafür natürlich bei unseren Kollegen von SZ.de.
Die Gewinner der 50. Grimme-Preise stehen fest. Ich freu mich irgendwie mit für das "Neo Magazin" und Jan Böhmermann. Joko & Klaas bekommen auch einen Preis, für ihre Pro-Sieben-Show "Circus HalliGalli", dadurch gehen die Privatsender beim Grimme-Preis doch nicht ganz leer aus.
Die Briten bekommen ein neues Ein-Pfund-Stück. Die sicherste Münze der Welt soll das sein.
Und dann haben wir in München noch unglaublich süße Eisbären-Babys zu vermelden, die heute Nachmittag zum ersten Mal rausdürfen. Ich sehe schon die Titelbilder der Münchner Tageszeitungen von morgen vor mir. Ach, mich machen Zoos einfach nur traurig.



(Foto: dpa)

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13:30 Uhr: Update zum Mittagessen, extra für the-wrong-girl: Das grüne Getränk war ganz ungefährlich und heißt "Zulu Desire". Mit Avocado, Ananas und einer dritten geheimnisvollen Zutat, die die beiden, die das Ganze getrunken haben, aber nicht mehr herausschmecken konnten.

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13:15 Uhr: So, damit wäre das obligatorische Foto aus der Mittagspause auch erledigt. Eine Mischung aus Salat mit Lachs, "Bauern Gröstl" und Gemüsetempura.

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(Illustration: Katharina Bitzl)

12:20 Uhr: In Bernds Text aus unserem neuen Schule&Job-Heft geht es um den Klassencharakter. Den hat nämlich jede Klasse. Bei mir war das auch so, ist mir beim Lesen wieder eingefallen. Ich war von der fünften bis zur elften durchwegs in der "A". Also der 5a, der 8a, der 10a. Die "A", das war immer die brave Klasse, ein bisschen auch die Streberklasse. "B" und "C" waren eher die lauten. Liegt wahrscheinlich einfach am Vokal. Wir haben das selbst nicht so gesehen, aber die Lehrer immer wieder lobend erwähnt. Nur, dass das für uns natürlich kein Lob war. Eher der Grund mal darüber nachzudenken, was wir eigentlich falsch machen.
Wie war das denn bei euch?

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11:15 Uhr: Mittwochs gibt es im jetzt-Redaktionszimmer immer einen ganz besonderen Sound. Dann "baut" Jakob nämlich unsere Print-Seite, die donnerstags im SZ-Lokalteil erscheint. Das geht nur an einem ganz besonderen Computer, der noch eine fast antike Tastatur hat. Ich habe schon ein paar Mal angedeutet, dass man da ja auch eine andere Tastatur anstecken könnte. Jakob hält daran fest. Und irgendwie hab ich mich auch schon an das Klackern gewöhnt. Hören kann man das Klackklack - und Jakob! - übrigens hier.

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09:59 Uhr:
Bevor hier gleich die nächste Konferenz losgeht, noch schnell ein Linktipp. Der Tumblr Wer kennt das nicht sammelt Artikel, die mit dieser Phrase beginnen. Zum Beispiel die:





Macht ziemlich viel Spaß sich da durchzulesen. Ich muss allerdings noch überprüfen, ob mir das nicht auch mal passiert ist. Denn: Wer kennt das nicht?
Übrigens erinnert mich das an den Tumblr Nicht schlecht staunte, den ich im vergangenen Jahr bereits allen Menschen mit Internetzugang mindestens ein Mal empfohlen hab.

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09:45 Uhr:
Im Ticker von unserem Praktikanten Piet geht es heute um die großen Fragen. Und das so früh am Morgen. Was läuft so beim Universum?, fragt er. Wo kommt es her? Wo geht es hin? Anlass ist die Aufregung, die man derzeit unter Astrophysikern beobachten kann.
Wie aufgeregt die sind, zeigt dieses Video, das Nadja gestern in ihrem Tagesblog gepostet hat:

http://www.youtube.com/watch?v=ZlfIVEy_YOA#t=31

Die Erkenntnis in Kürze: In Spuren des Urknalls wurden Gravitationswellen nachgewiesen, das wäre der Beweis für ein rasch expandierendes "inflationäres Universum". Was das genau bedeutet, checken wir auch nicht. Uns interessieren aber auch viel mehr eure Theorien. Verratet sie uns hier!

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09:15 Uhr:
Wieder da aus der Konferenz im 22. Stock bei Süddeutsche.de. Gestaunt habe ich, und auch der Rest im Konferenzraum, über die Meldung, dass bei der Kommunalwahl 90 (!) Prozent der Berichte der Wahlvorstände Zahlendreher, falsche Einträge oder Übertragungsfehler enthalten haben, und das "schon etwas" mehr als bei früheren Stadtratswahlen war. Laut KVR sollen die vielen unerfahrenen Wahlhelfer schuld sein. Aber 90 Prozent. Hallo!?

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08:15 Uhr: Guten Morgen! Für mich beginnt er gleich doppelt gut. Mein Fahrrad ist noch da! Gestern Abend habe ich es stehen lassen, weil es schon dunkel war und mein Licht nicht funktioniert. Und dann ist auch noch unsere Praktikantin Anne höchstvorbildlich schon in der Redaktion und lässt mich ins Büro. Sonst hätte ich eine Weile warten müssen, ich habe nämlich meine Zugangskarte vergessen...

Explosion aus Licht

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Das Mittelalter, eine dunkle Zeit, in der Analphabeten herrschten, und die Kirche wissenschaftlichen Fortschritt bekämpfte? Streckenweise mag dieses Bild stimmen, doch gab es auch Blütephasen kritischen Denkens und neuer Ideen. Das frühe 13.Jahrhundert war eine solche Phase in Europa, und der englische Gelehrte Robert Grosseteste einer ihrer Vertreter. Der Kirchenmann hatte in Paris studiert und stieg später zum Bischof von Lincoln auf. Er beherrschte die aristotelische Logik und verfasste zahlreiche naturphilosophische Abhandlungen – über die Hitze der Sonne, den Ursprung der Klänge, über Regenbögen, Kometen und Sterne.




Eine Supernova aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop. Fotografieren konnte man solche Explosionen im Mittelalter nicht, dran denken scheinbar schon

Doch das wohl bemerkenswerteste Werk nannte er 1225 De luce – über das Licht. Grosseteste entwickelt darin erstmals die Idee, eine Art Urknall könne am Anfang des Universums gestanden haben – 700 Jahre, bevor die Idee eines „Big Bang“ auch in die moderne Physik einging.

Physiker, Linguisten und Historiker um Tom McLeish von der Universität Durham haben die Werke Grossetestes nun genauer untersucht. In der Studie, die demnächst im Fachblatt Proceedings of the Royal Society A veröffentlicht wird, schreibt das Team, De Luce sei ein früher Versuch, das Universum mit einem festen Satz physikalischer Regeln zu beschreiben. Grosseteste verwendet darin bereits eine relativ fortgeschrittene Mathematik, er räsoniert über die Natur der Atome, den Zusammenhang von Licht und Materie. Eine Art Explosion aus Licht habe das Universum erzeugt, vermutete der englische Kleriker. Dieses Licht habe sich von einem zentralen Punkt ausgebreitet und dabei an Dichte und Kraft verloren, bis es an eine äußere Grenze gelangt sei – quasi das Ende des Universums. Von dort habe sich eine zweite Welle nach innen ausgebreitet, und so insgesamt zehn Sphären geschaffen, für Sterne, Planeten und zuletzt die Erde.

Zwar sind aus heutiger Sicht viele Annahmen in Grossetestes Argumentation unsinnig, etwa die Idee, die Erde stünde im Zentrum des Universums. Doch mathematisch ist sein Modell schlüssig. Die Forscher um McLeish haben die mittelalterlichen Ideen in sechs physikalische Formeln übersetzt und durchgerechnet. Die Ergebnisse passen demnach genau zum Weltbild einer zentralen Erde und äußeren „Himmelssphären“, wie sie auch Aristoteles erwähnt. Doch eine Sache verblüffte die Wissenschaftler: Ob sich nach Grossetestes Modell ein stabiles Universum entwickelt, hängt von sorgfältig gewählten Anfangsbedingungen ab. Die Bindungsstärke zwischen Materie und Licht musste stimmen, ebenso die Masseverteilung. Andernfalls schaffen die Simulationen unsinnige Welten, wo die einzelnen Sphären überlappen oder gar keine entstehen. Dies erinnert die Forscher stark an die moderne Theorie eines Multiversums, in dem unzählige Universen parallel existieren sollen.

Dass Grosseteste diese Möglichkeit vorhersah, darf bezweifelt werden. Jedoch ist es kein Zufall, dass er seine modern anmutenden Ideen zu jener Zeit entwickelte. „Die Naturphilosophie erlebte um 1200 einen Schub“, sagt der Historiker Frank Rexroth von der Universität Göttingen. Viele Schriften etwa von Aristoteles seien aus Arabien nach Europa gekommen und dort begeistert aufgenommen worden. „Zugleich versuchte sich die Philosophie von der Theologie zu emanzipieren“, sagt Rexroth. Deshalb habe Grosseteste wohl auch keinen Ärger mit kirchlichen Vorgesetzten bekommen: Er beging nicht den Fehler, seine Physik auf Fragen des Glaubens zu übertragen.

Wilde Zeiten hinter harter Tür

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Michael Käfer, 56, betreibt das P1 seit 30 Jahren, die Diskothek an der Prinzregentenstraße 1 existiert nunmehr schon seit mehr als 60 Jahren. An diesem Mittwoch wird wieder ein Jubiläum gefeiert. Ein Gespräch über die wilde Zeit des Clubs, Stammgast Falco und den Sinn der harten Tür.

Es gibt immer mehr Clubs in München, braucht es da das P1 überhaupt noch?

Michael Käfer: Na klar, weil es nach wie vor der beste Laden ist, am Englischen Garten, im Haus der Kunst: eine unschlagbare Örtlichkeit. Außerdem muss irgendwas Besonderes in dieser Mauer drin sein. An dem Ort ist so viel passiert, dass er dadurch schon zu einer Legende geworden ist. Aber trotzdem, das ist Vergangenheit, die Kunst liegt darin, dass man modern bleibt.




Mittlerweile zieht es sogar Horst Seehofer ins P1. Bekannt wurde das aber nur einmal, bei der Facebook-Party im Mai 20012 – angeblich waren nur Journalisten auf der Party

30 Jahre lang?

Mich interessiert dieses Jubiläum nicht. Alles, was war, zählt nicht. Das P1 funktioniert so gut, weil wir uns immer wieder neu erfunden haben, viermal, seit ich da bin. Demnächst kommt das fünfte Mal.

Wie oft muss man sich denn erneuern?

Alle sieben Jahre, das ist unsere Erfahrung.

Das P1 hat vor Ihrer Übernahme auch schon mehr als 30 Jahre existiert, ursprünglich als Offizierskasino der Amerikaner nach dem Krieg. Welchen Ruf hatte es damals, 1984, als Sie es übernommen haben?

Es hatte einen sehr guten Ruf, aber einen anderen. Zunächst war es das Kasino. In den Fünfzigerjahren gab es dann eine große Jazz-Szene in München, die Leute waren mit dem Haus der Kunst sehr verbunden und kamen dadurch oft ins P1. Außerdem war die Künstlerszene groß und hat sich im P1 getroffen. Das weiß ich aber auch nur von den Erzählungen meiner Eltern.

Ihr Vater Gerd hat die Käfer-Gastronomie in der damaligen Münchner Bussi-Gesellschaft bekannt gemacht.

Der hat immer gesagt, zum Alecco musste man hin, dem griechischen P1-Wirt in den Sechzigerjahren. Der war irre und hat den besonderen Ruf des Clubs begründet. Den gab es auch später, in den Siebzigerjahren, bei den Olympischen Spielen war das P1 der Hotspot. Carl-Gustaf, der heutige König von Schweden, war oft mit seiner Silvia Sommerlath da, hat zum Teil Türsteher gespielt. Als Alecco gestorben ist, ging es erst einmal bergab. Und als ich dazukam, war das P1 ein Punkladen.

Punk in München?

Ja, natürlich sehr eingeschränkt. Wenn man in München von Punk spricht, dann hatten die Leute nur ein Foto von der Ratte dabei und nicht die echte Ratte auf der Schulter. Aber die Szene war da. Das weiß ich noch genau, weil die mich gehasst haben, als ich den Laden übernommen habe.

Wirkte wohl auch ein wenig seltsam, der BWL-Student mit dem bekannten Namen Käfer, der einen Club übernimmt...

Die haben mich halt so gesehen, mit dem Käfer-Image Hummer und Zeug. Zum Glück war es nicht so.

Warum wollten Sie mit dem P1 in den Beruf einsteigen?

Mein Vater hat den Mietvertrag bekommen, den hat er den Betreibern abgeschwatzt. Da war ich gerade mit dem Studium fertig, wollte mich selbständig machen und nicht gleich in die Firma Käfer gehen. Es gab drei Möglichkeiten: ein Lokal in Schwabing, das Seehaus oder das P1.

Seehaus klingt doch sehr gut.

An das habe ich mich nicht ran getraut. Und weil ich nebenbei noch Politik studieren wollte, dachte ich, ein Club sei weniger Aufwand. Wir haben das Ding dann erst mal neu hergerichtet.

Mit einem Zuschuss vom Papa.

Nein, mit 50 000 D-Mark Startkapital von der Oma. Sauber machen, streichen, fertig.

Wie sah die Club-Szene zu der Zeit aus?

Es gab schon einiges, Sugar, Babalu, Tiffany, Parkcafé und so. Das Maximilians war damals der Schickiladen.

Und das P1?

Hatte Motto-Partys zum Beispiel, die Räume waren einfach nur weiß gestrichen, mit nichts drin. Vor allem die Ausländer in München fanden uns gut, weil wir anders waren.

Warum Motto-Partys?

Ich hatte vorher ein halbes Jahr in New York gelebt, das ist meine Traumstadt. Damals gab es einen Laden, der hieß Area. Die haben alle fünf Wochen das Motto gewechselt. Die Idee habe ich geklaut.

Zum Beispiel?

Wir hatten eine Schlachthausparty, mit echten Schweinehälften. Das ging damals alles noch.

Die Achtzigerjahre waren auch die goldenen Zeiten der Musikszene in München.

Ja, ob das jetzt Queen war, die Stones oder Falco. Der hat im P1 gelebt, der war jeden Tag da. Jeden Tag! Mick Jagger kam sofort, wenn er in München war. Das war damals fast normal, wenn der an der Bar saß, wir haben ihn in Ruhe gelassen, und er konnte seine Mädels anbaggern, das war toll.

Wie war die Musik?

Bei uns war es schnell so, dass die DJs herkamen, um im P1 auflegen zu können. Das P1 ist schon nach zwei Jahren durch die Decke gegangen. Außerdem hatten wir diese wunderbare Terrasse. München war in, das P1 war in, das hat sich zum Teil einfach so ergeben.

Bei Ihnen wurde auch mal ein späterer Star entdeckt.

Whitney Houston zum Beispiel. Die hatte dort ihren ersten Auftritt. Monty Lüftner von Ariola hatte das eingefädelt. Und natürlich gab es auch immer das ein oder andere Skandälchen.

Zum Beispiel?

Tina Turner hat mal eine Tournee in München vorbereitet, und es gab Stress dabei. Ich kannte den Manager Marcel Avram. Der hat uns gebeten, eine nette Feier zu machen, um die Wogen zu glätten. Das war für mich der legendärste Abend, Anfang der Neunziger. Turners Band um John Miles spielte, wir hatten eine Torte und haben Geldscheine regnen lassen für Avram, der hatte Geburtstag.

Das war legendär?

Moment! Irre war, dass am Ende nur noch ein paar Mitarbeiter und ich da waren und ich Tina Turner gebeten habe, „Nutbush City Limits“ zu spielen, das wollte sie nach der Trennung von Ike nie wieder spielen. Hat sie aber, für uns. Da kriege ich jetzt noch Gänsehaut.

Aber ein Skandal ist das nicht.

Der kam am nächsten Tag. Die Polizei kam zu mir ins Büro. Das Problem war, dass unsere Banknoten, mit dem Gesicht von Avram drauf, genauso groß waren wie die echten Hunderter. Irgendeiner wollte zum Spaß mit dem Geld am nächsten Tag zahlen. Es hieß also, wir hätten Falschgeld in Verkehr gebracht. Die Geschichte ging durch alle Medien in Deutschland. Aber die härteste Feier war das Römerfest.

Woher kamen denn immer die Requisiten?

Von der Bavaria. Da gab es einen, der permanent betrunken war, immer wenn wir rausgefahren sind, hat ein Mitarbeiter fünf Flaschen Whisky mitgenommen, die waren alle zu da draußen. Dann fragten wir nach, und es hieß nur: Geht’s runter! Da waren Berge von Requisiten. Und bei dem Fest war einer als Jesus verkleidet, mit einem Kreuz. Ein Foto war dann: Jesus am Kreuz. Was da los war.

Später wurde es ruhiger.

Ja, aber die Bayern-Spieler waren immer da. Kahn zu seiner Zeit sehr oft natürlich.

Haben Sie Verena Kerth eingestellt, seine spätere Freundin, die an der Bar arbeitete und durch ihn bekannt wurde?

Nein, das war der Franz Rauch, mein Geschäftspartner. Aber insgesamt wurde es auch deshalb ruhiger, weil München ruhiger wurde, Berlin angesagt war.

Am Anfang war das P1 klein, dann sind Sie auf die andere Seite vom Haus der Kunst gezogen. Sind die Räume jetzt nicht zu groß? Besucher sagen, voll sei es nur noch am Wochenende.

Die Zahlen sind gut, wirtschaftlich ist alles stabil.

Wie kam es überhaupt dazu, dass das P1 für seine Türsteher bekannt wurde?

Das lag an Jan Klophaus. Der hat bei uns gearbeitet, vor dem hatte sogar ich Angst. Wenn der streng geschaut hat, hat keiner widersprochen. Dessen Credo war zum Beispiel: Während des Oktoberfests kommt niemand in Tracht rein.

Heute undenkbar.

Damals ging das. Der fand das schrecklich. Der Parkplatz war deshalb während der Wiesn immer voller Menschen, die sich permanent umgezogen haben. Und von da an haben die anderen von ihm gelernt, und es wurde zu einer Tradition.

Was? Dass man so streng ist mit Frisuren und Klamotten, dass man auch die Scorpions nicht reinlässt, wenn sie vor der Tür stehen?

Ja, der Türsteher im P1 hatte ein bisschen arrogant zu sein, aber auch aus einem einfachen Grund: Wenn nur 200 reinpassen, musstest du an der Tür die Leute abweisen. Also konnte und musste man an der Tür aussuchen. Da hieß es halt dann: Pass auf, wenn du am Wochenende reinwillst, musst du erst mal Montag und Dienstag kommen und dich hier aufbauen zum Stammgast. So sind die mit den Leuten umgegangen.

Das hat funktioniert?

Ja, die kamen brav Montag, Dienstag und Mittwoch, und am Freitag kamen sie trotzdem nicht rein. Da sagte dann der Türsteher: Du, es waren zu wenig Mittwoche. (lacht). Schon ein bisschen irre. Aber es war einfach auch der Wahnsinn, die Leute sind zum Teil von Hamburg hierher gefahren, nur um ins P1 zu gehen.

Das macht heute keiner mehr. Waren Sie und Franz Rauch, die alten Betreiber, vielleicht ein paar Jahre zu lange da?

Ja, vielleicht, gerade der Franz war sehr lange da. Wichtig ist, dass jetzt die jungen Leute übernehmen. Sebastian, der Sohn von Franz, der macht das gut. Der war viel unterwegs, weiß, was die jungen Leute heute wollen. Ich kenne mich da ja gar nicht mehr richtig aus.

Die jungen Leute wollen anscheinend ein Jubiläumsfest.

Offenbar. Ich finde das furchtbar für einen Nachtclub, man impliziert ja, dass man da in einen alten Laden geht. Wir sind doch keine Fabrik, die hundert wird. Ein Club ist doch etwas Junges! Andererseits: Klar können wir stolz sein auf das Alter. Ich kenne keinen Club, der so lange durchgehalten hat.

Was hat sich geändert in der Club-Szene seit Ihren Anfängen?

Gute Clubs gab es immer, aber vor allem die Musikangebote sind heute ganz anders. Mainstream, den Begriff gab es früher gar nicht. Es gab Rock und Disco.

Und Punk. Heute gibt es für jede Musikrichtung die passenden Clubs.

Ja, jede Musikrichtung hat ihre eigene Szene. Ich glaube auch, dass man jetzt in München wieder eine neue Bandszene etablieren wird. Wir denken darüber nach, eine Bühne ins P1 zu bauen. Einmal in der Woche. Ich könnte mir vorstellen, dass das der nächste Trend wird.

Giftiges Geheimnis

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Es gibt Bilder, die lassen auch die Inspektoren der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) nicht mehr los. Das Foto eines Mannes ist darunter, der bei dem Giftgasangriff vom 21. August bei Damaskus, bei dem mehr als 1400 Menschen starben, jämmerlich krepiert ist. Seine Augen starren nach oben, als wolle er die Raketen sehen, die den Tod herunterregnen ließen. Da sind Berichte von Opfern, die das lautlose Massaker überstanden. Die Inspektoren der UN-nahen Organisation untersuchten 36 Überlebende und stellten in den allermeisten Fällen Spuren des Kampfstoffes Sarin fest. Ihre Untersuchungen zum Massaker haben die Inspektoren in einem 38 Seiten starken Bericht dokumentiert.



Syriens Chemiewaffen basieren auf deutscher Technologie und Know-How

Der Bericht ist nicht geheim. Jeder, der ihn lesen will, kann ihn lesen. Akribisch haben die Inspektoren der OPCW aber auch vertraulich zusammengestellt, wer die Bauteile und die Stoffe für die vielen Giftgas-Produktionsstätten in Syrien geliefert hat. Sie kannten sich aus. Die Regierung in Damaskus informiert die Inspektoren seit Herbst 2013 über ihr früheres Chemiewaffen-Programm.

Aus diesen Meldungen erstellte die Den Haager Organisation die Liste der Staaten, aus denen Material für die Giftgas-Fabriken kamen. Neben Deutschland sind auch Firmen aus vielen anderen Ländern – etwa Indien, China, Libanon, Russland, Frankreich und den USA vertreten. Die Details der Berichte wurden von der Organisation mit der zweithöchsten Geheimhaltungsstufe, „OPCW Protected“, eingestuft. „Bereits ein Bekanntwerden der Namen im Zusammenhang mit der Diskussion um die syrische Chemiewaffenproduktion kann für die betroffenen Unternehmen schwerwiegende Folgen haben, die bis zur Existenzbedrohung führen können“, hat die Bundesregierung jüngst auf eine Anfrage der Linken mitgeteilt.

Auch handele es sich um „Geschäftsgeheimnisse“. Und die meisten Lieferungen aus Deutschland waren wohl nicht verboten. Sie erfolgten laut Bundesregierung zum größten Teil zu einem Zeitpunkt, als hierfür noch keine Genehmigungspflichten oder sonstige Kontrollverfahren bestanden. Trotzdem verlangt der Rüstungsexperte und Bundestagsabgeordnete der Linken, Jan van Aken, „vollständige Aufklärung“. Es sei ein Hohn, dass die Regierung die Angaben zurückhalte: „Wer Giftgasfabriken im Ausland mit aufbaut, der darf sich nicht in der Anonymität verstecken“.

Sarin ist ein Stoff mit furchtbarer deutscher Tradition. Das Giftgas wurde 1938 vom damaligen Chemiekonzern I. G. Farben entwickelt, und offenbar haben deutsche Firmen in Syrien beim Aufbau solcher Anlagen eine größere Rolle gespielt, als bisher vermutet wurde. Die OPCW hat für die Bundesregierung mehr als fünfzig Lieferungen zusammengestellt, die von 1982 bis 1993 an Syrien gegangen sein sollen.

Nach Informationen des NDR und der Süddeutschen Zeitung sollen sich darunter Produktionsskizzen aus den Jahren 1983 und 1984 für zwei Anlagen zum Bau von Vorstoffanlagen befinden, die für die Herstellung des Nervenkampfstoffes wichtig sind. Ob diese Anlagen gebaut wurden, ist offiziell nicht bekannt. Experten hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Hinweise auf die Existenz solcher „Made-in-Germany“-Anlagen in Syrien erhalten. Und der Umstand, dass die syrische Regierung der OPCW jetzt bei der Auflistung des eigenen Programms diese Skizzen überreicht hat, verstärkt den alten Verdacht.

Geliefert wurden teflonbeschichtete Reaktoren, Schläuche, Container, Kontrollventile, Steuerungsanlagen, eine Chemiewaschanlage und 2400 Tonnen der Schwefelsäure Thionylchlorid, die zur Sarin-Produktion genutzt werden kann.

Viele Länder haben große Mengen Chemikalien nach Syrien geliefert und nur in seltenen Fällen steht fest, ob sie für friedliche oder andere Zwecke eingesetzt wurden. Es kommt auch immer darauf an, wer in Damaskus bestellt hat. Eine ordentliche oder eine zweifelhafte Firma? Ist der Verwendungszweck glaubhaft oder nicht?

Früher zumindest dienten solche Fragen nur dem Alibi. Es gab, gerade in Deutschland, eine Zeit, da durfte dem Export um keinen Preis etwas im Wege stehen. Ganz Nahost war auch für die übelsten Gauner ein großer Markt. Als UN-Inspektoren nach dem ersten Golfkrieg die Waffenschmieden des Saddam Hussein im Irak inspizierten, stießen sie, egal ob bei den Giftgasküchen in Samarra, den Fabriken zur Verlängerung der Reichweite der Scud-B-Rakete, beim Atomprogramm oder bei der Superbombe auf deutsche Lieferanten. Die Ausfuhrkontrollen waren lasch. In Eschborn gab es ein Bundesaufsichtsamt für Wirtschaft und das arbeitete für die Wirtschaft. Die Lieferungen in den Irak, aber auch die deutschen Lieferungen zum Bau von Giftgasküchen in Libyen haben dann dem Ansehen Deutschlands und auch der Wirtschaft schwer geschadet. Geschäfte über Leichen sind auch für die Geschäftemacher nicht ohne Risiko. Der Imageschaden bei Entdeckung ist in jedem Fall weit gewichtiger als der Profit.

Wer bei jenem Rüstungsskandal im Irak Bilanz zieht, stellt fest, dass viele der kleineren oder mittelständischen Unternehmen, die das schnelle Geld machen wollten, nicht mehr auf dem Markt sind. Sie kamen nach der Entdeckung unter Druck, gingen pleite und einige Verantwortliche mussten auf der Anklagebank Platz nehmen.

Das dürften nun auch Unternehmen fürchten, die nach Syrien geliefert haben: Das Auswärtige Amt hat die OPCW-Liste dem Generalbundesanwalt übermittelt, und der prüft, ob strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden. Die Verjährungsfrist ist kompliziert. Sie beginnt erst nach Herstellung der Kriegswaffe und dauert zehn Jahre. Theoretisch also könnte da noch was sein – realististisch ist das nicht.

Beim Blick zurück fallen ein paar Veränderungen auf. Die früher wirtschaftsfreundliche Behörde in Eschborn gilt nun als echter Kontrolleur. Auch beim Zoll hat sich vieles geändert. Die Kölner Behörde hieß früher Zollkriminalinstitut (ZKI) und überliefert ist der Spruch eines ehemaligen Spitzenbeamten: „Wenn man eine Ameise unter einem Mikroskop betrachtet, stellt sie sich als Ungeheuer dar, aber wenn man durch den Wald spaziert, nimmt man sie nicht mal wahr.“ Aus dem ZKI wurde das Zollkriminalamt (ZKA), die Zahl der Mitarbeiter hat sich mehr als vervierfacht und 2013 leitete der Zollfahndungsdienst sogar ein Ermittlungsverfahren gegen ein deutsches Unternehmen wegen der ungenehmigten Ausfuhr von Triethanolamin für gerade mal 88 Euro an ein syrisches Unternehmen ein. Man verwendet den Stoff bei alten chemischen Waffen.

Im Zusammenhang mit den neuen Unterlagen aus Syrien tauchen Hinweise auf, der Bundesnachrichtendienst (BND) habe Mitte der Achtzigerjahre gewusst, dass Teile zum Bau der Chemiewaffenproduktion in Syrien von deutschen Firmen geliefert worden seien. Das kann sein. Konsequenzen hatte das nicht. Verwunderlich ist es auch nicht. Egal ob Irak , Libyen oder Syrien. Unter den Lieferanten befanden sich zu allen Zeiten Quellen des BND.

Die Harfen sind verstummt

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Öffentlich zelebrierten Freundschaften in der Politik haftet nicht selten ein Element des Linkischen an: Die Szene, wie Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping zu den Klängen von „Happy Birthday“ verlegen und leicht neben dem Takt in die Hände klatscht, während Russlands Präsident Wladimir Putin im vorigen Jahr seinen 61. Geburtstag feiert, ist ein Klassiker des Genres „ Männerfreundschaft unter Autokraten“. Wie ungelenk die Show auch war, als Demonstration erfüllte sie ihren Zweck: Wir stehen einander bei. Xis erste Auslandsreise als Staatschef führte nach Moskau, und als die Winterspiele in Sotschi eröffnet wurden, war erneut Xi Jinping an Ort und Stelle, um dem Spektakel nach den Absagen westlicher Staatsführer diplomatischen Glanz zu verleihen.



Die chinesischen Terrakotta-Soldaten werden Putin auf der Krim wohl nicht helfen

Zwischen China und Russland, sagte Xi damals, herrsche eine Periode „der stärksten Fundamente und des höchsten Vertrauens“. Sein Außenminister Wang Yi ging Anfang dieses Monats noch weiter: Das Verhältnis sei „noch nie in der Geschichte besser gewesen“. Das war nur wenige Tage vor Russlands Krim-Coup. Jetzt sind die Harfen verstummt. Das Referendum auf der Krim und Putins Rolle als oberster Marionettenspieler haben Chinas Außenpolitik in ein Dilemma geworfen.

Was Putin da macht, ist der Albtraum der chinesischen Diplomatie, die seit Jahren – aus ganz eigennützigen Motiven – die „Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Länder“ wie ein Mantra vor sich herträgt. Peking zögerte nie, entsprechende Interventionen des Westens in schärfsten Tönen zu geißeln und die „Doppelmoral der USA“ zu verdammen. Nun ist das Unbehagen Chinas über Russlands Vorgehen zwar mit Händen zu greifen, aber von einer Verurteilung Moskaus ist nichts zu hören. Stattdessen ringen sich Chinas Diplomaten Tag für Tag matte Aufrufe ab, die Probleme doch bitte „durch Dialog und Verhandlung“ zu lösen. Das bislang stärkste Zeichen der Distanzierung war die Enthaltung bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat.

Es ist eine Neutralität, die in den Augen vieler tatsächlich ein stillschweigendes Dulden Moskaus bedeutet. Und so ist es mit einem Mal auch die Doppelmoral der chinesischen Außenpolitik, die im Scheinwerferlicht steht.

China und Russland waren einander nicht immer grün, unter Mao Zedong kam es zwischen den damaligen sozialistischen Bruderstaaten zu einem schweren Zerwürfnis. Doch hatten sie ihre Gründe für das neugefundene enge Verhältnis der letzten Jahre: Beide verfolgen mit Sorge die Schachzüge der USA und ihrer westlichen Alliierten, beide stehen bei Themen wie Iran und Syrien gegen amerikanische Interessen, beide eint die Abscheu vor Vorgängen wie dem Umsturz in Kiew.

In westlichen Augen fand dort eine demokratische Revolution statt, während Peking und Moskau glauben, hier hätten Amerikaner und Europäer aus machtpolitischen Interessen die Strippen gezogen. Das Verhältnis ist aber nicht ohne Spannungen: Russland beäugt misstrauisch das Vordringen Chinas in seinen Hinterhof Zentralasien. Chinas Führung wiederum hat registriert, dass Moskau in den letzten Jahren ausgerechnet auch dem ungeliebten Nachbarn Japan Avancen machte. Und dennoch: In den vergangenen zwölf Jahren hat sich das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten versiebenfacht, auf 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Vor allem weil Russland zu einem der größten Energielieferanten Chinas geworden ist. Im vorigen Jahr überholte China Deutschland als Russlands größter Abnehmer von Öl. Im letzten Sommer hielten beide Seiten ein großes Marinemanöver ab, es waren die größten gemeinsamen Militärmanöver mit einer fremden Macht in Chinas Geschichte.

Die Abspaltung der Krim von der Ukraine aber rührt an eine Urangst Pekings. Am Montag dieser Woche schickte die zentrale Propagandabehörde ein Edikt an alle Redaktionen des Landes, in denen sie ihnen verbot, die Krim-Berichterstattung „mit den Themen unseres eigenen Landes wie Taiwan, Tibet oder Xinjiang in Verbindung zu bringen“. Zensur in der Staatspresse ist relativ einfach, im Netz und in den sozialen Medien etwas schwieriger. Doch geben die Zensoren ihr Bestes und löschen schnellstmöglich Kommentare wie jenen des Nutzers lc22: „Sieht so aus, als stünde China hinter dem Krim-Referendum. Warum also sind sie gegen die Unabhängigkeit von Xinjiang, Taiwan und Tibet?“

Referenden über die Abspaltung chinesischen Bodens? Im Falle Taiwans ist das Szenario nicht ganz so weit hergeholt wie bei Tibet und Xinjiang. Besorgte Patrioten drängen Peking denn auch, das Resultat des Referendums auf der Krim keinesfalls anzuerkennen: „Das würde uns Kopfschmerzen ohne Ende bereiten.“ Einer der meistverbreiteten Kommentare auf dem Mikroblogging-Dienst Weibo war der von Hu Xijin, Chefredakteur des nationalistischen Pekinger Propaganda- und Boulevardblattes Global Times, der die vier Millionen Leser warnte, die Krim mit Hongkong, Taiwan oder Tibet zu vergleichen: „Was meint Ihr würde passieren, wenn Taiwan ein Referendum veranstalten würde? Dann lassen wir das das Anti-Sezessionsgesetz erledigen!“, schrieb er. China sei „niemals im Unrecht“: „Von heute an ist für uns nichts wichtiger, als mächtig zu werden. Zu einem großen Teil folgt die Wahrheit in dieser Welt der Macht.“ Ein selten offenes Eingeständnis der Propaganda über ihr Verhältnis zur Wahrheit.

Peking rechtfertigt sein Lavieren beim Thema Ukraine und Krim mit „komplexen historischen und praktischen Faktoren“. Samstag bricht Staatschef Xi Jinping zu einer Europareise auf, er wird auch Deutschland besuchen. Anzunehmen, dass seine Gesprächspartner das genauer erklärt haben wollen.

Durch Schweigen ans Ziel

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Sigmar Gabriel schweigt. Keine Interviews, keine schrillen Forderungen, nur hin und wieder diese Warnung. Aus Brüssel, so raunt Gabriel dann, drohe böses, böses Unheil. So genau sieht die Kampfordnung aus, seit Wochen schon: Die EU-Kommission in Brüssel, die ernste Bedenken gegen die deutschen Ökostromregeln angemeldet hat, insbesondere gegen großzügige Rabatte für die hiesige Industrie. Sigmar Gabriel, der als Energieminister ganz schnell eine Reform des zugehörigen Gesetzes durchpeitschen will, immer mit Verweis auf Brüssel. Und natürlich Heerscharen von Interessenvertretern, denen die Einschnitte bei der Ökostromförderung zu weit gehen; jedenfalls bei jenem Teil der Förderung, der sie selbst betrifft. Auch die Länder melden Bedenken an, zuletzt Hessen, an diesem Dienstag.



Vizekanzler Sigmar Gabriel kämpft für die Ökostrom-Reform

Doch viel spricht dafür, dass Gabriels Plan aufgeht. Seit Kurzem kursiert in Brüssel ein Entwurf für neue Beihilfeleitlinien, er könnte den Streit über Industrieausnahmen auflösen. Das Papier listet 65 Branchen auf, die weiter Rabatte bekommen dürfen. Die Industrie, sagte auch EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Dienstag in Brüssel, solle nicht wegen hoher Energiekosten in anderen Weltregionen investieren statt in Europa. Im Übrigen bleibe man verhandlungsbereit.

Das trifft sich gut, denn verhandeln will auch die Bundesregierung noch. So sieht der Brüsseler Vorschlag vor, die begünstigten Unternehmen zumindest 20 Prozent der Ökostromumlage zahlen zu lassen. Bei 6,24 Cent regulärer Umlage wären das immerhin 1,25 Cent je Kilowattstunde. „Inakzeptabel“, sagt dazu SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. „Aber offensichtlich gibt es Bewegung.“ Einige der Vorschläge müsse man jetzt noch mal „ganz genau durchrechnen“. Und auch der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen lobt Almunias neue Flexibilität. Nur Gabriel, klar, schweigt.

Blieben noch die Länder, seit jeher ein besonders harter Brocken bei Reformen des Ökostromgesetzes EEG. Vorigen Donnerstag trafen sich die Ministerpräsidenten in Berlin, auf der Tagesordnung stand dick die EEG-Reform. Doch die Runde vertagte sich, für Beschlüsse sei es noch zu früh. Man stehe aber, so Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) „in ständiger Verhandlung mit der Bundesseite“. Letztere plant nach SZ-Informationen nun eine Art High Noon für das Ökostromgesetz: ein Spitzentreffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Gabriel und den Ministerpräsidenten. Das Treffen am 1. April solle klären, ob angesichts der vielen Änderungswünsche aus den Ländern eine schnelle Einigung möglich ist. Genau eine Woche später soll die Reform durchs Kabinett.

Wünsche gibt es reichlich. So stört sich etwa Hessen am Stichtag für die Reform. Nach Gabriels Vorstellungen sollen nur Anlagen, die bis zum 22. Januar genehmigt worden sind, die bisherige Einspeisevergütung erhalten, alle anderen würden künftig eine gestutzte Vergütung erhalten. Von den Stichtagsplänen Gabriels, so warnt Hessens grüner Umweltminister Tarek Al-Wazir, wären in Hessen 35 Windkraftanlagen mit einem Investitionsvolumen von mehr als 90 Millionen Euro betroffen. Eine Verschiebung, möglichst auf Dezember, würde die EEG-Umlage kaum erhöhen, wahrscheinlich um nicht mehr als 0,003 Cent pro Kilowattstunde. Für einen solch geringen Betrag dürfe man nicht die Energiewende in Hessen aufs Spiel setzen.

Ähnlich argumentieren andere Länder auch. So stören sich Schleswig-Holstein und Niedersachsen an Gabriels Deckel für die Windkraft. Danach soll die Förderung sinken, wenn in einem Jahr Windräder mit einer Gesamtleistung von mehr als 2500 Megawatt gebaut werden. Sie fordern, nur den Zubau unter dem Strich zu erfassen, also abzüglich jener Windräder, die zerlegt und durch größere ersetzt werden. Gabriel schweigt dazu. Bayern wiederum fordert eine Zukunft für Biomasse-Kraftwerke, die doch der Energieminister massiv beschneiden will. Vom Minister selbst kein Wort dazu. Jedenfalls nicht vor dem 1. April.

So geht die Zeit ins Land, die Gefahr aus Brüssel immer im Rücken. Ohne Einigung mit der Kommission, so warnt Gabriel gern, gebe es auch keine Industrierabatte mehr. Das bedrohe dann selbst große Unternehmen. Nicht unpraktisch, denn darin sind sich die Länder einig: Das will keiner.

Regal flach halten. Fragen überhalb der Brüstungshöhe.

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Es ist so. Sie kennen Frau Hauswart bereits und auch unseren Balkon. Nun, unser Balkon soll schöner werden, das sagen nicht nur wir, das sagt das ganze Haus, das ganze Haus wird gestrichen. Hierzu gibt es in diesem Haus einen Aushang. Sie wissen, es gibt zu allem in diesem Haus einen Aushang. Welche Fahrräder in den Fahrradständer vorm Haus dürfen, welche in den Fahrradkeller sollten, welche zu entsorgen sind. Aushänge mit Verweis auf die Oberbranddirektion, Aushang mit Verweis auf den Aushang der Hausverwaltung. Aushänge zum Schließen von Türen, flankiert von Aufklebern „Finger weg“. Aushänge, die die nachbarschaftliche Verantwortung im Wäschekeller einfordern. Alle gezeichnet von Frau Hauswart.
(Diese Zettelwirtschaft springt auf einige Bewohner über. Ich hatte schon ein Knöllchen von unseren Parknachbarn in der Garage. Damals verhüllten sie die unserem Auto zugewandte Seite ihres alten Mercedes noch mit einem aufgeklappten Umzugskarton. Mittlerweile mit Platzefolie. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Nun also der Aushang zum Gerüstbau und zu den Malerarbeiten. Wann, wo, wie, was man zu beachten habe. Unten wird in Fettdruck daran erinnert, dass es in München nicht erlaubt sei, Gegenstände auf dem Balkon zu haben, die höher als die Brüstung ragten. Am Nachmittag schaue ich mir die Balkone genauer an. Die, die nun gemalert werden. Wie vermutet, ragt nur auf unserem ragt etwas über die Brüstung. Der Wäscheständer. Im ersten Moment fühle ich mich ertappt und bewundere Frau Hauswart für ihre indirekte Kommunikation. Sie hätte mir auch ein Knöllchen unter der Tür durchschieben können.

Dann aber: ernsthaft? In München soll das verboten sein? Gegenstände auf dem Balkon, die höher als die Brüstung ragen? Wer soll das denn kontrollieren? Beziehungsweise: wen interessiert das? Im Gegensatz zu sonst kann ich im ganzen Aushang leider keinen Verweis auf eine übergeordnete Vollzugstelle zu finden, wie nachlässig.
Beherzt überlege ich, das Kreisverwaltungsreferat anzurufen und zu fragen, wer denn in dieser Stadt nun für die Balkone und ihre Gegenstände zuständig sei. Schließlich will ich noch ein Regal aufstellen. Leider ist dort schon Feierabend und ich frage das Internet.

Das Internet lehrt mich, dass ich auf meinem Balkon Wäsche trocknen darf, auch, wenn es einen Wäschekeller gibt. Puh. Ich darf sogar die „große Wäsche“ trocknen, wenn der Balkon zum Hinterhof weist. Gut, unser Balkon geht zur Straße, das ist aber gewissermaßen der Hinterhof des Hauses. Denn der eigentliche Hinterhof der Anlage ist groß, grün, bespielplatzt und es weisen 75 Prozent der Balkone dorthin. Dieses Panoptikum gilt sicherlich nicht als Hinterhof im klassischen Sinne. Es stellt eher die Bühne dar. (Weswegen ich mit dem Zwack genau nie zum Spielen in den Hof gehe.)

Weiterhin lerne ich, dass unser Balkon zwar zu unserem Sondereigentum zählt, nicht aber alles uns gehört. Uns gehört: der begehbare Bodenbelag, der innenseitige Balkonanstrich. Die Balkonplatte hingegen, sowie die Isolierungsschicht, das Balkongeländer, die Balkonbrüstung, die Balkontrennwand (auch, wenn sie unser Nachbar im Nachhinein erweitert hat) gehören der Eigentümergemeinschaft und sind deren ästhetischem und anderem Empfinden unterworfen. Dieses ästhetische Empfinden, Sie erinnern sich vielleicht, ist beige.
Balkonmöbel, lese ich weiter, seien jedoch erlaubt, wenn es sich nicht um Vorratsschränke oder Kühltruhen handele.

Wenn ich nun also ein Regal aufstellen möchte, das höher als die Brüstung ragt: muss es dann den Eigentümern gefallen? Oder dem KVR? Oder nur Frau Hauswart? Und bei Nichtgefallen: wer hängt mir dann ein Knöllchen ans Regal? Und darf ich unterhalb der Brüstung Bier kühlen?
Und: wem gehört eigentlich die Maus, die in der Wärmedämmung auf unserem Balkon wohnt?
Und außerdem: wenn der konstruktive Bodenbelag von Balkonen der Eigentümergemeinschaft gehört, gehört der dann auch der Wasserschaden in unserer Küche, der sich aus dem darüber liegenden Balkonabfluss ergibt?
Sie dachten, das sei einfach, Balkontür auf und gut ist es. Von wegen.
Angesichts der Komplexität der Lage unseres Sondereigentums rufe ich doch besser das KVR an. Aber vorher hole ich noch die Wäsche rein.


klau|s|ens bittet putin um den anschluss seiner wohnung an russland

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klau|s|ens, es ist (fast) vollbracht, die urkunden jedenfalls sind unterzeichnet. der rest scheint formsache.


hurra, die krim ist bei russland bei! eine wundervolle zeremonie gestern! herrlich! ich möchte auch!


das kann ich gut verstehen: überall in der welt wollen mehr und mehr menschen nun zu russland gehören.


binnen weniger tage annektiert zu werden, aber das dann alles so hyperdemokratisch: wundervoll!


ich hörte: transnistrien möchte jetzt auch zu russland. andere staaten wohl auch. minderheiten erst recht. wo leben nicht überall russen?!


es wird eine massenbewegung einsetzen, nach der aktion um die krim. (wer dächte da ernsthaft an 1938? NS-deutsche besetzung des sudetenlandes? und das münchener abkommen davor? wer? wieso denn?)


russland holt sich alles, was (es) will. klasse!


und wir wollen!


oh ja, herr putin, bitte nehmen sie uns auf, klau|s|ens und zweitklausens! unsere wohnung könnte doch ab heute schon zu russland gehören. (wenn deutschland noch nicht will. unsere wohnung will aber schon!)


wir würden auch binnen einer minute eine abstimmung machen, ganz demokratisch.


und dann möchten wir auch so eine zeremonie wie die von gestern haben.


der machtstaat in aller fülle und prallheit, herr putin, das war gestern so schön.


es wäre die beste lösung, wenn nun alle privatbürger in der welt sich aus ihrem haus oder ihrer wohnung für russland anmelden könnten.


eine vision von größter herrlichkeit. russland breitet sich durch kleine flecken aus, die sich alle jeweils zu russland bekennen und binnen sekunden annektiert werden.


russland würde sich weiter und weiter ausbreiten.


aus den vielen wohnungen und häusern würde erst ein flickenteppich, aber dann würden daraus bald richtig fette, dicke flecken, ach was, ganze gebiete, echte regionen, vollkommene staatsgebilde: alle prorussisch.


und irgendwann würde alles, alles, alles zu russland gehören.


dann wäre die ganze welt “ein russland”.


“völkerrecht” ist in den wörterbüchern dieses russlands gestrichen, auch einige andere wörter wird es nicht mehr geben.


aber dieses russland ist dafür stark und groß … und hat sich gegen die demütigungen und angriffe aus dem westen mal so richtig zur wehr gesetzt.


man merke: da tun die einen nicht gut, danach dann tun die anderen nicht gut. aber so ist die welt. der westen knabbert an der ex-sowjetunion, viele völker woll(t)en nicht mehr, dreh(t)en sich gen westen. – russland will aber auch nicht mehr. russland will wieder groß und stark sein.


eben: was die einen falsch machen, dürfen wir heute doppelt falsch machen. so agiert und redet putin in seiner immer wieder arg verdrehten und dann noch zurechtgerührten putin-logik.


lang lebe russland!


[die nationalhymne erklingt.]


herr putin, wann nehmen Sie uns denn endlich auf. bitte!!! wir können nicht mehr abwarten. bitte schnell. noch schneller als bei der krim. bitte, herr putin, Sie sind so ein großartiger mensch. herr putin, nur Euch ist das reich und die kraft und die …






HOMEPAGE VON KLAU|S|ENS:
http://www.klausens.com

Neue Liebe - schön vs. anstrengend

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Die erste alles ist neu Phase ist vorbei. Man denkt nicht mehr alles fünf Minuten: Krass, ist das wirklich passiert und wird es wieder passieren. Man weiß, dass es wieder passieren wird und freut sich darüber. Es gibt einen kleinen Lebensbereich, in dem nicht mehr kontinuierliche neue, erste Situationen durchlebt werden. Stattdessen gibt es eine kleine, heile Welt. 

Diese kleine, heile Welt ist schön. Sie ist immer noch aufregend, atemraubend und etwas ganz Besonderes. Erste Gedanken über etwas dauerhaftes tauchen auf. Ich würde dir gern andauernd sagen wie gern ich dich habe. Ich genieße es in deiner Nähe zu sein, mit dir zu lachen, mit dir zu reden, dich zu berühren und von dir berührt zu werden.

Die kleine, heile Welt bekommt trotzdem manchmal Risse. Immer dann, wenn ich mir der komplizierten Situation bewusst werde. Wenn ich Angst bekomme, dass es in einem Drama endet. Wenn ich mich frage, ob das letzte Gespräch über unseren Beziehungsstatus nicht eigentlich schon wieder hinfällig ist, da wir uns viel gebundener benehmen, als wir es betitelt haben. Aber auch dann, wenn ich nicht schon wieder ein Gespräch dazu führen will, weil ich nicht drängen will und selber nicht auf alles eine Antwort weiß.

Ich versuche weiter zu genießen, versuche abzuwarten, hoffe dass einfach irgendwann alles seinen geregelten Lauf nehmen wird. Und ich hoffe, dass es mit dir sein wird.  

links_vor_rechts #5: Soviet Bus Stops

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Über dieses Projekt bin ich gestern dank Ostmodern.org gestolpert.

Fotograf Christopher Herweg plant einen Bildband über die Bushaltestellen der ehemaligen Sowjetunion.

Die Kickstarter-Kampagne ist bereits erfolgreich, also steht dem Buch nichts mehr im Wege. Aber es gibt schon vorab ein paar Fotos im Internet zu bewundern z.b. hier oder auch hier.

Teenager hängen ja im Allgemeinen gern an Bushaltestellen rum (jedenfalls die ländliche Jugend, hab ich mir sagen lassen) und die meisten hier bieten zahlreiche Kletter-, Knutsch- und Abhängmöglichkeiten.
Die Auswahl meiner Lieblingshaltestellen (die zum großen Teil nicht wirklich vor Wind & Wetter schützen) fiel mir recht schwer, ich habe mich letztendlich für eine kronenartige Bushaltestelle (die mich irgendwie an Game of Thrones erinnert) und eine dreieckige Haltestelle entschieden von der man im Winter sicher super im Schnee runterrutschen kann.





und





copyrightvermerksdingsbums: http://herwigphoto.com/

Mittwochsbild (10).

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Weil es mühsam geworden ist, die Teile immer wieder zusammenzusetzen, Stück für Stück etwas aufzubauen, das dann doch wieder zerlegt werden muss. Weil es kaum noch möglich ist, alles so gut zu verpacken, dass auf dem Weg nichts bricht, das nicht zerbrechen darf. Weil mir das Staunen fehlt, das Wundern über jedes Puzzlestück, das seinen Platz noch finden muss und ich ungeduldig einen Schritt zurücktrete, um zu betrachten, was es einmal werden soll, was es jedoch nicht sein kann, noch nicht, weil es zu weit davon entfernt ist, fertig zu sein. Weil ich es Arbeit nenne, bin ich müde geworden, so müde, und ich könnte hundert Jahre schlafen, ohne dass mich jemand weckt.



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Grown Man Rap

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Als Jugendlicher sucht man sich häufig Vorbilder, an denen man sich in seiner „Mannwerdung“ orientiert. Welche männlichen Vorbilder hattest du?
Als ich mit zwölf angefangen habe, mich für Rap zu interessieren, waren das vor allem Gruppen wie Public Enemy und Run DMC. Kurz darauf kamen aber bereits deutsche Acts aus der HipHop-Szene dazu, wie die Beginner, Freundeskreis und Afrob. Die waren für mich Freunde und Vorbilder zugleich.  





Du bist ohne Vater aufgewachsen, oder?
Ja. Ich hatte zwar einen Stiefvater, aber der hat nie diese emotionale Vaterrolle übernommen. Stattdessen habe ich von meinen älteren Freunden viel aufgesaugt – die waren mein Vaterersatz. Ansonsten gab es keine prägenden Männer in meinem Leben, die den Anspruch hatten, mir etwas mit auf den Weg zu geben. Zumindest nicht in der Form, wie ich das heute bei meinem Sohn versuche, dem ich Vater und Freund gleichermaßen sein möchte.  

Hat dir eine solche Vaterfigur damals gefehlt?

Natürlich. Aber in meinem gesamten Umfeld gab es keine Bilderbuchväter, wie man sie aus Hollywood-Filmen kennt. Auch meine Freunde hatten entweder Väter, zu denen das Verhältnis eher distanziert war, oder deren Väter überhaupt nicht da waren – wie bei mir. Das war wohl auch der Grund dafür, warum ich in der Schulzeit so viel Scheiße gebaut habe und von der Schule geflogen bin.  

Was war der Grund für den Rauswurf?
Ich bin nach dem Verlassen des Schulgeländes beim Klauen von Zigaretten erwischt worden und bekam einen Dreifachverweis.  

Was ist danach passiert?

Meine Mutter hat mich ein halbes Jahr nach England geschickt, und das war gut. Als ich zurückkam, bin ich an eine andere Schule gekommen und hatte dort eine Lehrerein, die die furchteinflößendste Person war, der ich je begegnet bin. Die mir gleich vom ersten Augenblick an klar gemacht, dass ich es mit ihr nicht aufnehmen kann. Also habe ich mich zusammengerissen – und letztlich einen richtig guten Realschulabschluss gemacht.  

http://www.youtube.com/watch?v=eCROj2zKPnY 

Wann bist du zum ersten Mal mit deiner eigenen Vorbildfunktion konfrontiert worden?

Da gab es keinen konkreten Moment. Aber auch wenn ich in meinen Texten immer auf Welle gemacht habe, so habe ich abseits der Bühne immer versucht, mich allen Menschen gegenüber cool zu verhalten.  

In dem Stück „Feind Bild“ hast du vor ein paar Jahren mal gerappt: „Ich hab’ Leute angelogen, Freundinnen betrogen/Wegen ‚Grüne Brille’ ist halb Deutschland heute noch auf Drogen.“

Der Song „Grüne Brille“ wurde im Jahr 2000 veröffentlicht, aber die Auswirkungen des Stücks sind mir erst später bewusst geworden. Damals haben mir ein paar Kids erzählt, dass sie aufgrund dieses Songs mit dem Kiffen angefangen haben. Daraufhin habe ich den Track einige Jahre nicht mehr live gespielt. Aber als dann 2004 die Aggro-Ära begann und die Leute anfingen, über Waffen, Koks und Nutten zu rappen, war „Grüne Brille“ im Vergleich dazu pillepalle.  

Dein letztes Album hast du 2012 unter dem Pseudonym Herr Sorge veröffentlicht, der schwarz lackierte Fingernägel getragen und sich geschminkt hat – also eher weibliche Attribute, wofür du einigen Spott einstecken musstest. Willst du dich mit dem neuen Album von diesem Herr-Sorge-Alter-Ego abgrenzen?

Nein. Ich habe einen ganz männlichen Fick darauf gegeben, ob mich die Leute aufgrund dieses Outfits für einen Grufti oder für schwul halten. Bei den Ladys war Herr Sorge jedenfalls immer wahnsinnig begehrt.  

Die Frage ist bloß, warum: weil er so unglaublich männlich war oder weil er sich mit Schminke auskannte?

(lacht) Frauen mögen ja nicht nur extrem männliche Typen, sondern auch Männer, die sich trauen, ihre weibliche Seite zu zeigen – indem sie emotional sind oder ein Gespür für Mode besitzen. Schau mich an, ich trage fast nur schwarz. Wenn man mich so im Auto sehen würde, könnte man mich für einen Bankräuber halten. Aber dazu trage ich die hier (zeigt auf seine Hello-Kitty-Socken). Das entspricht vielleicht nicht der Klischee-Männlichkeit, aber sich das zu trauen, ist wiederum sehr männlich.  

Als Mann setzt man sich mit dem gesellschaftlichen Bild von Männlichkeit vor allem in der Pubertät auseinander. Du bist 36 und damit doppelt so alt – warum war dir dieses Thema dennoch ein Anliegen?

Als ich 18 war, ging es mir lediglich darum, mich als Künstler zu definieren – nicht als Mann. Meine Jungs und ich, wir haben damals alle unser jugendliches HipHop-Leben gelebt. Ich bin dann als erster von uns Vater geworden und habe dadurch gemerkt, dass es neben der Musik noch etwas anderes gibt.  

Hattest du den Eindruck, dass du noch etwas nachzuholen hattest, was die Auseinandersetzung mit dem Mann-Sein betrifft?

Nein. Der Titel kam mir bei der Arbeit am Album irgendwann als Schlagwort in den Sinn. Und als ich gemerkt habe, dass ich auch noch seit 18 Jahren auf der Bühne stehe und damit als Rapper zum Mann geworden bin, fand ich das spannend.  

Die Definition von „Männlich“ ist sehr komplex und relativ, wie du in „Mann muss tun“ betonst.

Richtig, in dem Song sage ich ja auch: „Leider gibt es mehr Al Bundys als Ghandis/Wer ist der bessere Mann?/Das kommt darauf an, wie du Mann siehst“. Und die Unschärfe dieses Begriffes zieht sich durch sämtliche Bereiche. Gerade im Rap ist das Verständnis dessen, was als männlich angesehen wird, sehr Testosteron-behaftet – und ich bin cool damit. Aber wenn ich meine Platte „Männlich“ nenne, dann ist auch klar, dass die nur wenig mit dem typischen Testosteron-Rap zu tun haben wird. Mir ging es mit dem Album vor allem darum, das Thema zur Debatte zu stellen.  

Wie stellst du dir so eine Debatte vor, wenn ein Song auf deinem neuen Album „Penis“ heißt?

Das Stück habe ich zusammen mit Flo Mega aufgenommen, der im Refrain singt: „Warum sieht das Herz nicht weiter als das Auge? Kein Schwanz der Welt ist härter als Liebe und Vertrauen“ – und das sind doch geile Statements zum Thema „Männlichkeit“! Ich kenne viele Künstler und Leute aus dem Showbiz, die sehr leicht in Kontakt mit dem anderen Geschlecht kommen und entscheiden müssen, inwiefern sie das ausnutzen. Der Refrain bringt diesen Umstand auf den Punkt.  

Die gesellschaftliche Definition dessen, was als männlich angesehen wird, hat sich im Verlauf der vergangenen Dekaden stark gewandelt.

Eben. Und Schwulsein ist auch männlich. Oder sich mit Kosmetik auseinanderzusetzen. Ich finde es okay, wenn Männer sich pflegen – auch wenn ich ein Übermaß an Augenbrauenzupferei bei heterosexuellen Männern nach wie vor merkwürdig finde.  

Ist es für Männer heutzutage schwieriger, ihre persönliche Definition von Männlichkeit zu finden – eben weil der Begriff im Zuge der geschlechtlichen Gleichberechtigung stark aufgeweicht wurde?

Wenn man so ein Schlagwort zur Debatte stellt, verfängt man sich unweigerlich in Klischees. Gleichzeitig ist aber jedes Klischee schon mal gebrochen worden. Und dieser Umstand macht die Auseinandersetzung damit so spannend, weil man zwar keine ultimative Antwort auf die Fragestellung bekommt, auf dem Weg dorthin aber wahnsinnig viel lernt.  

Du hast einen 13-jährigen Sohn. Was tust du, damit er später ein guter Mann wird?

Ich versuche einfach zu merken, in welcher Entwicklungsphase er gerade steckt und viel mit ihm zu reden. Das läuft viel übers Gefühl und über gegenseitiges Vertrauen.  

Er ist jetzt ungefähr in dem Alter, in dem du damals angefangen hast zu rebellieren. Tritt er da in deine Fußstapfen?

Nein, glücklicherweise nicht. Der ist viel entspannter als ich. Offensichtlich habe ich da in Sachen Erziehung gute Arbeit geleistet. Und seine Mutter natürlich auch.  

„Männlich“ von Samy Deluxe erscheint am 21. März über Universal.
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