Eine Selbstbeweihräucherung in mehreren Teilen von jurette_ und wollmops
“Ey, Sepp… Komm schnell – die Helene Fischer ist im Fernsehen!“ Eisengrau schloss die Augen und hielt sich die Ohren zu. Er würde das nicht mehr lange aushalten. „Atemlos durch die Nacht,“ tönte es aus dem Fernseher. „Bis ein neuer Tag erwacht, Atemlos einfach raus…“ Das war Folter. Er öffnete die Augen und sah durch die Gitterstäbe seiner Zelle, wie die beiden Dorfpolizisten gebannt auf den Fernseher starrten. Ein Königreich für Ohropax. “Shafty, das ist schon ein geiles Lueder, die Helene. Die tät ich schon auch mal …“ sagte der eine Polizist zum anderen und lachte dreckig. Eisengrau schloss die Augen wieder. Er würde das keinen Tag mehr aushalten. Sie hatten es beinahe geschafft und ihn weichgekocht. Seit drei Tagen wurde er in der Polizeistelle in der bayerischen Provinz festgehalten und musste sich den ganzen Tag und die ganze Nacht Viva anhören. Es klingelte. “Wenn es Dich gibt, Gott, dann lass es bitte endlich die Kripo sein, die mich abholt.” dachte Eisengrau. Einer der Polizisten öffnete die Tür. Eine schlanke blonde Gestalt betrat den Raum. Eisengrau traute seinen Augen nicht – es war – Angelina!
Alles hatte keinen Sinn mehr. Verlassen von allen, von TomJones, von den Titanen. Wollmops war nach Augsburg zurückgekehrt und war direkt zu Eisengraus Atelier gefahren. Als sie das Taxi auf das Gebäude zufuhr, sah sie, dass die Tür zum Atelier mit einem gelb-schwarzen Band abgesperrt war. Vor der Tür standen 2 Polizeiwagen. “Geben Sie Gas!” befahl sie dem Taxifahrer. “Ich hab meine Meinung geändert.” Und nun war sie hier. Aber alles war schrecklich. Wo war Eisen? Hatte der Tegernseerflaschen-Mörder wieder zugeschlagen? Sie öffnete die Tür zum besten Hofladen in der Augsburger Region. Innen war es düster, hinter der Verkaufstheke stand eine Verkäuferin. Wollmops ging auf die Theke zu und stellte sich neben die Kundin, die gerade ein Pfund Presssack bestellt hatte. Wollmops hob erstaunt die Augenbrauen – war das nicht Salma Hayek? Hier in Augsburg? Aber irgendwas stimmte nicht mit Salma. Hatte sie etwa ihre Brüste machen lassen? Wollmops nahm die Brüste genau in Augenschein. Sie kamen ihr irgendwie bekannt vor. Salma drehte sich zu Wollmops und nahm ihre Sonnenbrille ab. Moment mal, diese Brüste kannte sie doch – das waren Weltherrschaftbrüste! “Jurette?” flüsterte Wollmops mit erstickter Stimme. Salma lächelte. “Jurette” schluchzte Wollmops und fiel Salma um den Hals, “es ist alles soooo schlimm.” Jurette nahm Wollmops in den Arm. “Schhh, Mopsi, wir essen jetzt erst mal einen Presssackbagel und trinken eine Flasche Schnaps. Und dann erzählst Du mir alles.”
Eisengrau war genervt. Eine Stunde schon musste er sich das Gebalze anschauen. Die beiden Polizisten überboten sich mit lautstarken Erzählungen ihrer Heldentaten – wie sie einen wilden Almochsen gefangen hatten, wie sie verhindert hatten, dass die Dorfburschen letztes Jahr den Maibaum gestohlen hatten. Und immer wieder dieselbe Frage von einem der Polizisten: “Angelina, kommt der Brad auch vorbei?” Angelina lächelte immer wieder und schenkte sich und den beiden Männern von dem Schnaps nach, den sie mitgebracht hatte. Zumindest glaubte Eisengrau, dass es Schnaps war, weil die beiden Polizisten immer stärker lallten und immer lauter wurden. Eisengrau konnte aber auch eine leichte Lakritznote wahrnehmen. Das Gesicht des einen war schon ziemlich rot. Angelina schien auch schon etwas beschwipst zu sein und spielte kokett mit ihrem Haar. Eisen hoffte inständig, dass endlich die Kripo kam. Der erste Polizist – Eisen glaubte, dass es Franz war – torkelte Richtung Toilette und kollidierte dabei mit dem Schreibtisch. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Tür zum Klo zu öffnen, schliessen konnte er sie nicht mehr. Angelina Jolie lachte, stand auf und schloss die Tür. Eisengrau stutzte – hatte sie etwa den Schlüssel von innen entwendet und die Tür zum Klo zugesperrt? Merkwürdig. Im Fernsehen wurde schon wieder Helene Fischer gespielt. “Komm, Angelina, wir tanzen”, sagte der andere Polizist. “Wann kommt Brad denn? Ich will den unbedingt kennenlernen.” Angelina Jolie ging zum Tisch zurück, schwankte etwas und hielt sich an einem Stuhl fest. “O, ich glaube, ich habe zuviel getrunken”, kicherte sie. Der Polizist schwofte auf sie zu. Angelina Jolie packte die halbleere Schnapsflasche und zog sie dem Polizisten über den Kopf. Der sackte zusammen. Angelina schnappte sich den Schlüsselbund und öffnete die Tür zu Eisens Zelle. “Frau Jolie, warum … warum ...“ stammelte Eisen. Angelina Jolie griff an ihren Hals und zog sich das Gesicht ab. Eisengrau starrte sie mit schreckerfüllter Miene an – war Angelina Jolie etwa ein Alien?
Schlechtgelaunt sass Mrs. Billy auf der Veranda ihrer Stadtvilla und trank ihren siebten Martini. Wenn das so weiterging, würde sie sich wieder Fett absaugen lassen müssen. Zwar ernährte sie sich praktisch nur noch von Wattepads, die sie in Cola Zero dippte. Aber Alkohol hatte eben auch Kalorien und ohne ging es nicht. Sie liebte Shorebilly noch immer, und seit Tagen hatte er sich nicht mehr blicken lassen. Ganz offensichtlich war es mit dieser deutschen Blondine diesmal ernst, anders als mit den venezolanischen Tänzerinnen und den französischen Au-Pairs. Zwanghaft zupfte sie an ihrer cremefarbenen Chanel-Jacke, als sie unten im Garten einen überdimensional grossen, schwarzgekleideten Mann entdeckte, der leise in ein Headset sprach. “Kann ich Ihnen helfen?” rief sie mit kühler Stimme. Der Mann blickte auf; seine eisblauen Augen trafen die ihren. “Vielleicht”, sagte er mit kaum merklichem deutschen Akzent und hielt ein Foto hoch. “Kennen Sie diese Frau?”
Jassiy wurde langsam ungeduldig. Wo blieb die dumme Kuh nur? Sie lag hier nun schon seit Stunden mit ihrem Gewehr auf der Lauer. Ihren Informationen nach war ihre Zielperson vor 15 Minuten in diesem Laden gegangen. Sie müsste doch längst schon wieder draussen sein. Jassiy versuchte sich zu entspannen. Sie atmete tief ein und aus. Sie musste Ruhe bewahren. Nur mit einer ruhigen Hand würde sie treffen. Endlich öffnete sich die Tür zum Laden und heraus kam eine braunhaarige Frau, ca. 165 cm gross, wenn man die 11 cm Absätze abzog. Das musste sie sein. Jassiy legte den Finger auf den Abzug und visierte die Frau an. Hinter der Frau verliess noch eine Person den Laden. Auch eine Frau, auch braunhaarig, auch ca. 165 cm gross, auch auf 11 cm hohen Absätzen. Jassiy war verunsichert. War das nicht Salma Hayek? Sollte sie etwa Salma Hayek umbringen? Oder doch die andere Brünette? Die Instruktionen waren vage. Ihr war nur gesagt worden, dass sich eine braunhaarige, 165 cm grosse Frau, die wahrscheinlich auf High Heels unterwegs war, im Hofladen befand und dass Jassyi sie töten sollte. Welche war denn jetzt gemeint? Ach egal, sie würde sie einfach beide erschiessen und eine Erschwerniszulage verlangen. Nicht-Salma Hayek wühlte in ihrer Handtasche und zog etwas Pelziges, Raubkatzengemustertes heraus. Sie setzte es auf ihren Kopf. Eine Ozelotmütze. Jassyi liess das Gewehr sinken. Das war doch Wollmops, ihre alte Mittitanin …
“Gleich sind wir da”, sagte die Kugel und lenkte den Kombi mit den beiden Zwacksitzen auf einen einsamen Waldweg. Eisen blickte sich um, er war wohl einen Moment eingeschlafen. “Wo sind wir?” fragte er und rieb sich die Augen. “In Österreich”, erwiderte die Kugel. “Österreich?” fragte Eisen überrascht und begriff sofort, als vor ihm die trutzige Stammburg derer zu Elchenstein aus den hohen Fichtenwipfeln ragte. Nach kurzer Fahrt hatten sie das Burgtor erreicht, stiegen aus und klopften an die massive Eichenpforte, die sich alsbald quietschend öffnete. Heraus blickte ein uraltes, mürrisches Gesicht, das zu einem buckligen Männlein mit Kerzenleuchter gehörte. “Was wollns hier”, nuschelte er, und dann etwas schwer Verständliches, aus dem nur zu entnehmen war, dass der Herr nicht zuhause sei. Plötzlich wurde er zur Seite geschoben und die beiden sahen das erfreute Gesicht von Moondog, der Schlossherrin. “Eisen, Kugel, wie schön, Euch zu sehen! Kommt doch rein!” rief sie, und: “Seifenstein, bereiten Sie den Herrschaften das Grüne Zimmer im Westflügel, bitte.” Fluchend entfernte sich der Alte, während Moondog die beiden Reisenden in die Schlossküche führte. “Ich mache Euch jetzt erst mal einen Palatschinken, und dann müsst Ihr erzählen!” rief sie fröhlich.
“Das Landhaus” raunte der Jurettich in sein Headset. “Schicken Sie mir eine Spezialeinheit dahin. Ja, Mrs. Billy hat sofort ausgepackt. Liebesnest und so. Ich bin in einer halben Stunde da.” Gesagt, getan. Nach dreissig Minuten rasanter Motorradfahrt auf einer staubigen spanischen Landstrasse erreichte der Jurettich Shorebillys luxuriöse Finca, vor der das SWAT-Team bereits wartete. Ohne Zeit zu verlieren, gab der Jurettich das Zeichen zum Einsatz und trat selbst die Türe ein. “POLIZEI, KEINE BEWEGUNG! KOMMEN SIE MIT ERHOBENEN HÄNDEN NACH DRAUSSEN!” rief er und erwartete, seine Frau und Küstenwilli vor sich zu sehen, champagnertrinkend, vielleicht nackt. Um so grösser sein Erstaunen.
Vor ihm stand sein Schwager TomJones, schweissglänzend mit einem Schlagstock in der Hand, und zu seinen Füssen lag ein blutüberströmtes, gefesseltes Etwas.