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Tagesblog - 25. Februar 2014

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18:43 Uhr: Letzte Amtshandlung für heute: Rätselraten. Um unser tägliches Emoji-Rätsel hat sich heute Jan gekümmert. Das erste hier (es ist ein Politiker), die beiden anderen und die Auflösung findest du hier.




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18:06 Uhr: Merkel bei Israelbesuch mit Hitlerbart! Unglaubliche Schlagzeile, oder? Stimmt natürlich nicht. Obwohl es einen Moment wirklich so aussah: Auf einem Foto eines Jerusalem-Post-Fotografen wirft der Finger des israelischen Regierungschefs einen ungünstigen Schatten ins Gesicht der Kanzlerin.



Die wirklich wichtigen Sachen über Merkels Besuch in Israel stehen übrigens hier.

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16:53 Uhr: Auf dem Maidan in Kiew ist wieder Frieden eingekehrt. Aber in der Ukraine wird es wohl noch lange nicht ruhig werden. Das zumindest muss man vermuten, wenn man hört, was Olga sagt. Sie hat in Kiew mitdemonstriert, um das Leben ihrer Eltern gebangt - und ist immer noch zornig. Der Sturz des Präsidenten sei nur ein kleiner Schritt, sagt sie.

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15:35 Uhr: Vor einer Weile, als wir mal wieder derbe teuer auf die Firmenkreditkarte Hummer und Schampus spiesen, saß Kollegin Charlotte kleinlaut in der Runde und sagte, sie habe neulich nicht mal eine eigene Kreditkarte bekommen. Woraufhin wir ihr rieten: Leg die Hummerschere beiseite und recherchiere! Die hat sie wohl nicht alle, diese Schufa!
Drum gibt es jetzt einen neuen Eintrag im Lexikon des guten Lebens: Was weiß die Schufa über mich?



Foto: dpa

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14:11 Uhr:
Ich bin ja immer noch wütend, dass das grandiose Supergeil-Lied für mich versaut ist, weil ein paar Werber mit Geldscheinen gewedelt haben und es jetzt auf immer und ewig mit dem Logo einer Supermarktkette verheiratet ist. Trotzdem habe ich mir sehr gerne durchgelesen, wie jetzt sogar die amerikanische Medienlandschaft über den Viralhit berichtet. Ja, es ist wahr: der Supergeil-Track ist auf Buzzfeed und slate.com angekommen, wo er als eine Art deutsche Version des Gangnam-Style gepriesen wird.     

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12:23 Uhr:
Ich gehe gleich essen. Und habe ein Problem, das ich öfter habe: Ich wollte vorher "noch schnell diesen einen Text lesen". Alle, die jemals ein ähnliches Problem hatten, sei es in der Uni oder vor der Deutschprüfung, also immer dann, wenn es darum geht, noch schnell möglichst viel Text zu konsumieren, sollten sich das hier anschauen. Dringend. Spritz, ein Start-Up, das die Art und Weise, wie wir lesen, revolutiionieren will. I know, der Name ist blöd, aber macht einfach mal den Selbsttest. 500 Wörter pro Minute: Geht spielend. Nach einer Minute üben. (Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei etwa 220 Wörtern pro Minute). Mahlzeit.

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12:14 Uhr:
Ich mochte schon immer diese blöden Magnet-Buchstaben und Wörter für Kühlschränke. Immer großer Spaß, wenn man betrunken in einer WG-Küche saß. Wenn Leute, die solche Kindereien mögen, groß und stark werden, machen sie so was:
Vorher:



Nachher:


(Screenshots: Gesehen beiTagesspiegel.de)

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11:16 Uhr: Ich bin ein sehr fauler Mensch, was das Suchen von Musik angeht. Deswegen ist der Kosmoshörer wie für mich geschaffen. Heute hat Jakob ihn beigesteuert, was ich mit Spannung erwartet habe. Weil: Der Typ hat Ahnung von Musik und einen speziellen Geschmack. Das ist gut, weil er in seiner "Ich schreibe mit Füller"-Haftigkeit auch bei Musik sehr genau nach seinem speziellen Geschmack auswählt. Das kann aber auch gefährlich werden, weil er Sachen schön findet, für die mir das Verständnis fehlt. Jedenfalls gibt es in seiner Musikwoche auch Klavierstücke von Interpreten, deren Name das Wörtchen Trio enthält. Würde ich mir normalerweise nie anhören. Ist aber schön. So, jetzt aber der Link: Kosmoshörer, Folge 4, von Jakob.

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10:40 Uhr:
Bis jetzt in einem morgendlichen Meeting- und Konferenzmarathon gesteckt. Drum auch jetzt erst einen Blick in die Zeitungen geworfen. Mit einem Déjà-vu-Erlebnis à la Seehofer, der ja beim Thema Energiewende fleißig wettert, seit er gemerkt hat, dass Stromtrassen beim Bürger nicht gut ankommen. Blöd, dass man jetzt lesen kann, dass sein Wirtschaftsministerium noch im Herbst fand: Da muss noch viel mehr Stromtrasse her, lieber klotzen statt kleckern. Außerdem habe ich gelernt. Es gibt eine Antirassismus-Kommission des Europarats. Und die hat ein paar Dinge zu beanstanden in Deutschland.

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9:00 Uhr:
Guten Morgen allerseits. Und gleich eine Art Gretchenfrage: Was ist für dich ein Smartphone? Nice to have aber nicht nötig? Einfach nur nervig? Oder ein Grundrecht? Mit demokratischem Potenzial gar? Sag's uns im jetzt-Ticker. Da geht's um ein Smartphone für 25 Euro.

Die Gründer aus der Sauna

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Miki Kuusi sieht aus, als sei er aus einer dieser High-School-Komödien von Disney in den finnischen Winter gefallen. Samt Filmset. So kommt es einem vor, wenn man aus der Dunkelheit in das gut ausgeleuchtete Backsteingebäude tritt, in die Start-up-Sauna auf dem Campus der Aalto-Universität außerhalb Helsinkis. Sie dient als Brutstätte für junge Unternehmen und die Wärme ist fast sichtbar: Draußen Schnee, drinnen die helle Halle, Studenten in bunten Pullis, Geschäftsleute in Anzügen. Orange Stellwände trennen weiße Arbeitstische, grüne und rosafarbenen Stühle. Mittendrin steht dieser 24-Jährige in einem engen sonnengelben Sweatshirt und Jeans, die blauer sind als normale Jeans.



Der finnische Handyhersteller investiert in die Start-Up-Szene

Wenn er anfängt zu reden, klingt Kuusi wie ein Alteingesessener. „Früher war es okay, eine Firma zu gründen und sie für zehn Millionen Euro zu verkaufen. Heute ist das Ziel, größer zu werden als Supercell.“ 51 Prozent des Spielentwicklers Supercell gingen vergangenes Jahr an den japanischen Tech-Konzern Softbank – für 1,5 Milliarden Dollar. Supercell wurde damit zur neuen Ikone Finnlands. Genauso wie Rovio, Star der finnischen Spieleszene, Erfinder von Angry Birds, das mittlerweile zwei Milliarden Mal aus dem Internet heruntergeladen wurde. Oder das Start-up Jolla, das ehemalige Nokia-Mitarbeiter auf Basis ihrer Innovationen beim alten Arbeitgeber gegründet haben. Auf diese Marken hofft Finnland nach dem Niedergang von Nokia – und auf Menschen wie Miki Kuusi.

Der Student hat im November Slush, das größte Start-up-Treffen Nordeuropas in Helsinki organisiert, mit 7000 Teilnehmern. 2008 waren es noch 300. „Es hat einen enormen kulturellen Wandel in der finnischen Einstellung zum Gründertum gegeben“, sagt Kuusi. „Vor fünf Jahren war ein Entrepreneur noch jemand, der sonst nirgendwo einen Job fand und deswegen seine eigene Firma gründen musste.“

Heute blüht die Start-up-Szene in der Region Helsinki. Sie ist von allen Seiten kräftig gedüngt worden, von der finnischen Regierung, die die Universität reformiert hat, von den Städten Helsinki und Espoo, die Milliarden in neue Infrastruktur stecken, und von Nokia selbst. Mit dem Bridge Programm half der Konzern ehemaligen Mitarbeitern mit guten Ideen beim Start einer eigenen Firma – mit Geld und Nachhilfeunterricht in Unternehmensgründung. 430 Firmen sind daraus in Finnland entstanden, mehr als 1000 waren es weltweit. Nach eigenen Angaben hat Nokia mehrere zehn Millionen Euro investiert.

Begonnen hat der Kulturwandel vor fünf, sechs Jahren, als klar wurde, dass das iPhone den damals noch weltweit größten Mobilfunkhersteller bedroht. Finnlands Abhängigkeit von Nokia war groß, der Konzern verantwortete vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Eine Start-up-Szene gab es damals quasi nicht, anders als in Schweden, das bereits auf junge, innovative Unternehmen wie Spotify und Skype verweisen konnte. Die gut ausgebildeten Finnen wollten lieber für Nokia arbeiten, oder einen der anderen Konzerne wie Aufzughersteller Kone oder Energieversorger Fortum.

Finnland hatte gute Ingenieure, gute Wissenschaftler, gute Designer – aber eben keine Gründer. Um das zu ändern, fusionierte die Regierung die Hochschulen: Aus der Technischen Universität, der Handelshochschule und der Hochschule für Kunst und Design wurde Anfang 2010 die Aalto-Universität. Ihr Campus in Espoo, im Stadtteil Otaniemi nahe Helsinki, sollte ein Zentrum für Start-ups und Innovationen werden. Hier hat auch Nokia seinen Hauptsitz, ebenso etliche Forschungseinrichtungen.

Dieselbe Idee einer Fusion steckt auch hinter der Start-up-Sauna. Die Aalto Entrepreneurship Society, eine Gruppe von Studenten, suchte 2009 nach einem Treffpunkt für Studierende aller drei Hochschulen, die an Unternehmensgründungen interessiert waren. Die Uni überließ ihnen für den Übergang die Halle, in der zuvor Desinfektionsmittel gelagert wurden. Den Schlüssel dazu gaben die Studenten einfach nicht wieder zurück.

Inzwischen ist das Lagerhaus wohnlich eingerichtet, sogar eine echte Sauna gibt es, mit Schreibtafel anstelle eines Ofens. Zweimal im Jahr ziehen 20 Teams mit Start-up-Ideen für fünf Wochen hier ein. Unternehmer, die es geschafft haben, helfen ihnen dann auf den richtigen Weg. Zu den Mentoren gehören zum Beispiel Ilkka Paananen, Chef von Supercell, und Peter Versterbacke von Rovio. Auch Risto Siilasmaa, Interimschef von Nokia, und Silicon-Valley-Legende Steve Blank waren schon hier. 110 Unternehmen hat die Sauna bisher ausgebrütet und 35 Millionen Dollar Wagniskapital von Investoren für sie eingesammelt. Mehr als 80 Prozent der Firmen seien noch aktiv, sagt Kuusi. Er hat bis vor Kurzem selbst die Sauna geleitet, die auch hinter der Slush-Messe steht.

Die Teilnahme ist kostenlos, die Mentoren arbeiten ehrenamtlich. „Jeder Entrepreneur hat eine Menge Hilfe von anderen bekommen und gibt sie jetzt zurück“, sagt Kuusi. In Finnland gibt es ein Wort dafür: Talkoot, grob übersetzt heißt das Nachbarschaftshilfe. Alle Bewohner eines Ortes kommen zusammen und helfen einer Familie aus der Gemeinschaft ein Haus zu bauen oder ein Dach zu decken.

So ähnlich läuft es auf dem Aalto-Campus. Die Sauna ist nur eine von mehreren Start-up-Schmieden. Gleich nebenan steht die Design Factory, gegründet 2008 von Engineering-Professor Kalevi Ekman, der Studentengruppen an realen Aufträgen beispielsweise von Nokia, Kone und Philipps arbeiten lässt. „Ein Produkt zu entwickeln lernt man nur, indem man ein Produkt entwickelt“, sagt er. Im Erdgeschoss ist die Design Factory ähnlich durchgestylt wie die Start-up-Sauna.

In der Küche liegt ein runder, violetter Teppich. Wer sich zufällig darauf trifft muss sich umarmen, sagt Ekman. Alles, was der Kreativität hilft, ist hier erlaubt.

Teil zwei der Erklärung für das finnische Start-up-Wunder erhält man im Zentrum von Espoo, 15 Kilometer entfernt. Im Besprechungsraum von Tuula Antola stehen liebevoll angerichtete Teller mit Konfekt bereit, „Espoo“ steht in weißer Schokolade auf den Rändern. Antola, die im Rathaus für die Wirtschaftsförderung zuständig ist, holt ihr Nokia Lumia 920 heraus und macht ein Foto von dem süßen Kunstwerk. Für Facebook. Das sei das erste, was ihre 78-jährige Mutter jeden Morgen anschaltet, sagt sie.

Die Finnen haben ein besonderes Verhältnis zu Technik. Antola, selbst Ingenieurin, erklärt sich das mit ihrer rationalen Natur. Neben ihr sitzt Ari Huczkowski, zuständig für das Marketing für Otaniemi. Als in den Achtzigerjahren mit dem Commodore 64 einer der ersten Spielecomputer für Zuhause auf den Markt kam, kaufte ihn praktisch jede finnische Familie, erzählt er. „Wir hatten in Finnland die höchste Penetration überhaupt.“ Das könnte wohl auch an dem Wetter gelegen haben, denn die Winter sind dunkel und lang, Kinder können seltener draußen spielen.

Nokia nutzte diese Technikliebe aus, zog talentierte Ingenieure in die Region. „Die Erfolgsgeschichte von Nokia ist wie ein Lotteriegewinn für jedes Land“, sagt Antola. Doch man dürfe sich nicht von einem Unternehmen abhängig machen. „Deswegen suchen wir auch kein neues Nokia.“ Um die Talente in Espoo zu halten, wirbt die Stadt um andere Unternehmen, die sich ansiedeln sollen. Es war Antolas großes Ziel, den Preis für die Europäische Innovations-Hauptstadt zu gewinnen, den die EU zum ersten Mal ausgelobt hat. Espoo kam unter die letzten sechs Städte, verpasste aber den Einzug in die Finalrunde. Der Gewinner steht noch nicht fest.

5,8 Milliarden Euro will die Stadt mithilfe privater Geldgeber innerhalb der kommenden zehn Jahre in den Standort investieren. Ein guter Teil, 900 Millionen Euro, fließt in eine U-Bahnstation, die den Aalto-Campus mit Helsinki verbinden soll. Nebenan soll das höchste Bürogebäude Finnlands entstehen. Samsung hat im vergangenen Sommer bereits ein Forschungsinstitut in Otaniemi eröffnet, ebenso Intel und der französische Softwareentwickler Dassault Systemes.

Auch die Start-up-Förderung scheint aufzugehen. 192 Millionen Dollar Wagniskapital sind 2013 in die Hauptstadtregion Helsinki geflossen, viermal so viel wie 2010. Die Angaben stammen von Helsinki International VC Zone, einem Berater für Risikokapitalgeber. Geld schafft Arbeitsplatze: Allein in Espoo seien in den vergangenen zwei Jahren 13 000 neue Jobs in kleinen und mittelgroßen Unternehmen entstanden, sagt Antalo.

Einer der neuen Arbeitgeber ist Micke Pagvaléns. Von seiner Firma im achten Stock eines der neuen Bürotürme im Uni-Hightech-Viertel Otaniemi kann man sowohl die Baustelle für die neue U-Bahn als auch die Nokia-Zentrale sehen. Am Eingang hängt eine lange Reihe kleiner weißer Ikea-Rahmen, darin die Flaggen der Mutterländer seiner Mitarbeiter. 25 Nationen, 75 Mitarbeiter.

Der 46-jährige Pagvaléns ist wohl das, was man den typischen Entrepreneur nennt: ein Mensch, der dafür lebt, immer wieder etwas Neues zu beginnen. Drei Firmen hat er bereits gegründet, alle hat er verkauft, um von vorne anzufangen. Alle drei gründete er im Ausland, in Schweden. Die vergangenen 20 Jahre lebte Pagvaléns zwischenzeitlich auch in Deutschland, Frankreich, England, Norwegen. In seiner Heimat fühlte er sich fehl am Platz: „Die Finnen haben eine Menge guter Eigenschaften, aber sie sind wenig leidenschaftlich, gehen selten aus sich heraus“, sagt er.

Er ist trotzdem 2009 nach Hause gekommen, damit seine Töchter auf eine finnische Schule gehen können. Zufällig traf er die Gründer der Startup-Sauna und bot sich als Mentor an, bis es ihn juckte, wieder etwas Eigenes aufzuziehen. 2010 gründete er Kiosked, eine Art Plattform, mit der Nutzer im Internet alles sofort online kaufen können, was sie auf Bildern oder Videos sehen. Dafür verbindet Kiosked Nachrichtenseiten und Foren wie Facebook und Youtube mit Herstellern von Kleidung, Sportartikeln, Handtaschen und anderen Produkten. Kiosked arbeitet bereits mit Nike, Zalando, eBay und dem Daily Telegraph zusammen. Das Start-up gilt mit 12,65 Millionen Dollar Finanzierung als eines der größeren in Helsinki.

Kosmoshörer, Folge 4

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Montag

http://www.youtube.com/watch?v=fp0xjVzmKxY

Vorvergangene Woche war Urlaub. Zu Hause. Also da, wo ich immer wohne, meine ich. War trotzdem sauschön. Wie schon mal erwähnt, waren The Milk Carton Kids der Soundtrack der freien Tage. Freund P. hat mir die empfohlen, wie er mir eigentlich immer etwas empfiehlt, wenn wir einander sehen. Dazu gleich mehr.  





Montag also – und so schön es ist, hier zu arbeiten, ein wenig aufhellen musste ich meine Stimmung schon. Deshalb bin ich erstens mit dem Auto gefahren und habe mich zweitens sehr gefreut, in dem Käptn Peng & Die Tentakel von Delphi wiederzuentdecken. Die Raps von Schauspieler Rober Gwisdek haben schon etwas latent Strebermäßiges. Aber ich kann mich über Zeilen wie "Hallo alle Dinge, die unfassbar übertrieben flauschig sind/Alle die bewiesen, jedoch schier unglaublich sind" sehr, sehr freuen.

Dienstag





In einem früheren Leben war ich mal Feuilletonist – haben jedenfalls die Kollegen immer behauptet. Quasi als eine Art Wurmfortsatz dessen schreibe ich noch gelegentlich für die Kultur der SZ. Unter anderem eine unregelmäßige Kolumne mit Empfehlungen für München. Das war diesmal erstens eine willkommene Gelegenheit, mal wieder das gemeinsame Album von Folk-Weirdo Adam Green und Muse Binki Shapiro zu hören und es Recherche zu nennen. Die Zeile "Even my Lolitas are growing up" (aus dem Song "What's the Reward") finde ich nachhaltig gut. Und es war zweitens die Chance, Soki Green zu empfehlen. In der Münchner Band spielt auch besagter Freund P. – wir sprechen also von Vetternwirtschaft erster Güte. Und warum, frage ich, sollte die nicht hier weitergehen?! Die kräuterlikör-artig sämigen Songs sind einfach wunderschön:

http://soundcloud.com/sokigreen/my-oldest

Mittwoch ...


... muss ich unsere Münchenseite in der SZ bauen und redigieren und viel zu oft auch schreiben. Saustressig ist das. Finde ich. Oft schlaf ich von Dienstag auf Mittwoch schlecht. Dann brauche ich Musik, die alles ist: beruhigend und gleichzeitig konzentrationsfördernd, im Klang voll genug, um den Pegel im Großraumbüro zu dämpfen, aber doch auch wieder so wenig aufdringlich, dass mein Hirn sie in den Hintergrund dimmen kann. Wie ich festgestellt habe, funktioniert Klassik da am besten. Also bitte: Mozart





Oder auch Bach. Weshalb ich nochmals dringend auf Chris Thile hinweisen muss. Der kalifornische Mandolinist spielt in Formationen wie den Punch Brothers im Hauptberuf Folk und vor allem diesen wieselflinken Yippie-Ka-Yay-Bluegrass. Er hat aber vor ein paar Monaten ein Album veröffentlicht, auf dem er Solo-Violinen-Stücke von Johann Sebastian Bach interpretiert. Ich habe von Bach genauso wenig Ahnung wie von Mozart. Aber mir haut’s den Schalter raus, wenn ich das höre. Ach so: Am viel gelobten Soundtrack von "Inside Llewyn Davis" hat er auch mitgearbeitet.

http://www.youtube.com/watch?v=NloB_UecPno

Wenigstens auf dem Weg in die Redaktion gab’s aber was mit Gitarren: Beady Eye, die Band von Liam Gallagher. Ich finde im ewigen Bruderkrieg die High Flying Birds von Noel noch etwas besser. Aber wenigstens das erste Beady-Eye-Album ist schon auch gigantisch gut.  





Donnerstag

http://www.youtube.com/watch?v=qxv-kjd0Qmc

Weil's nach dem Klassik-Ausflug auch schon wurscht ist: Jazz mag ich auch. Habe meinem Papa zu Weihnachten unter anderem eine Biographie des Pianisten Esbjörn Svensson geschenkt. Sein Trio war für den Jazz in etwa das, was Pink Floyd für die Rockmusik war: ein ästhetisches Gesamterlebnis aus unendlich weit tragender Melodieschönheit und gigantischer Show drumherum. Leider ist Svensson, der etwas hatte, was sich mir bei Pianisten nicht erschließt, nämlich einen unverkennbaren Ton, 2008 bei einem Tauchunfall ums Leben gekommen.  





Morgens übrigens einen Testballon steigen lassen: Radio hören (Bayern 2) – sowohl zum Joggen als auch zum Frühstück. Bin noch ambivalent, was das Ergebnis angeht. War sehr anregend – riecht mir aber auch arg nach ekelhafter Selbstoptimierung. Nächster Schritt: Während des Duschens noch Zeitung lesen.

Freitag
Kater. Bin mit Komponistenfreund H. (51) am Vorabend ganz schwer bei Rotwein und Diskussionen darüber versumpft, ob man als Musiker (sowohl Komponist als auch Instrumentalist) wahrhaftig genial und trotzdem normal im Kopf sein kann. Ich führte für meine Position (ja, das geht) gleich mehrere meiner Lieblingsgitarristen und Komponisten ins Feld, brachte sie wie eine übermächtige Armee in Stellung, holte zu einem vernichtenden Schlag aus – und stellte fest, dass sie eigentlich doch alle einen an der Klatsche haben. Also ärgerte ich mich kurz und dann machte H. noch eine Flasche auf.

Den ganzen Freitag über dafür die Rechnung gezahlt. Grantig gewesen und über mehrere Stunden vor allem dies gehört:

http://www.youtube.com/watch?v=AJmT9c1i4yY

Mehr Hass!
  
Samstag

http://www.youtube.com/watch?v=q3gnxO8bUxQ

Frühstücks-Vorbereitungen mit Gregory Alan Isakov. Habe den im Abspann einer Folge von "Californication" gehört und geshazamt. Seither: regelmäßiger Gast in ruhigen Momenten des Schwelgens. Mittags wollte die Frau, die ich gut kenne, an die Luft. Also ab an den Weßlinger See und auf dem Weg Ben Folds hören. Der Kollege Stremmel mag den Pianisten nicht, weil er ihm "zu bluesrockig" ist. Das beweist mal wieder, was für ein kapital promovierter Lurch er in Sachen Musik ist (DJ eben ...).





Sonntag

http://www.youtube.com/watch?v=5lE0lQt--gg

Jazz-Matinee in der BMW-Welt. Danach war abends nur noch Kraft für etwas Foy Vance (dringend mal Versuchen: den Namen mit österreichischem Dialekt aussprechen ...). Einer meiner liebsten unter den ganzen Folkigen.

Auf der nächsten Seite: Der ausgefüllte Musik-Fragebogen von Jakob.
       

[seitenumbruch]
"Gute Musik" – was ist das für dich?
Ich weiß es nicht. Punkt. Aber die Frau, die mich gut kennt, imitiert regelmäßig einen Gesichtsausdruck, den ich bekomme, wenn ich welche höre. Er sieht wohl etwas aus wie bei einem herankribbelnden Niesen, steigert sich dann zu einer grobfaltigeren Grimasse und am Ende erbreche ich dann eine Art Jubelschrei. Wenn das passiert, hat mich die seltsame Magie erwischt, die zu entdecken und erklären Feuilletonisten gerne viele hundert Zeilen bekommen sollen. Täglich.

Wie hörst du Musik: Klassisch im CD-Spieler, auf dem Handy, über Streaming-Portale?
Eigentlich: Platten zu Hause. CDs im Auto. MP3s unterwegs. Leider ist mein Plattenspieler kaputt. Wer also jemanden in München kennt, der einen alten Linn LP12 reparieren kann: bitte, bitte melden! Nach eher altmodischem Denken: besitzen, nicht streamen.  

Wo hörst du Musik? Vor allem unterwegs, nur daheim, zum Einschlafen?
Zu selten, ohne irgendetwas anderes dabei zu tun. Weil: außer zum Einschlafen eigentlich immer und überall und zu allem.

Hast du eine Lieblingsband oder Musiker, von denen du alles hörst?

Nein. Gefühlt sehr regelmäßig und auch immer wieder neu begleiten mich aber: Guns’n’Roses, Beastie Boys, Jimi Hendrix, Kanye West, Harry Nilsson, Justice, The Mars Volta, Red Hot Chili Peppers, Chilly Gonzales, Jack White, Jakob Dylan, Mute Math, Nikko Weidemann, Ryan Adams, Rage Against The Machine, Tom Waits.

Welche Musik magst du gar nicht und warum?
Musik, die lieber schlau als gefühlig sein will. Und ich musste mir irgendwann eingestehen, dass ich bei fast jeder Musik mit Stampfbassdrum schlechte Laune bekomme – was sich verstärkt, wenn alle anderen das Whoohen anfangen, nur weil der DJ am EQ-Regler herumnästelt.

Was war deine erste eigene Platte - und wohin ging dein Musikgeschmack von da aus?
Eine Compilation mit "Looking for Freedom" von David Hasselhoff. Das erste richtige Album war "Thriller" von Michael Jackson. Also ging’s wohl in eine gute Richtung.  

Gehst du gern auf Konzerte, und auf welche zuletzt?
Sehr gerne. Eine Zeitlang auch fast hauptberuflich. Zuletzt zwei mal Jazz: Mostly Other People do the Killing (extrem anstrengend in sehr geil) und Echoes of Swing (sehr elegant in etwas gediegen). Das letzte Dauer-Nieser-im-Anflug-Gesicht hatte ich wohl bei Nick Cave & The Bad Seeds im Zenith und Foy Vance im Milla.

Wie entdeckst du neue Musik und was ist deine neueste Entdeckung?
Eine Mischung aus Empfehlungen, Bemusterungen von Labels, Feuilletons (im weitesten Sinne), Zufallsentdeckungen und Radio (in absteigender Bedeutung).

Verrate uns einen guten Song zum... 

  • Aufwachen: Supermax – Lovemachine


http://www.youtube.com/watch?v=68ePU-qvJnI

  • Tanzen: Eigentlich würde ich sagen: Mandrill – Fat City Strut; Aber leider habe ich mit deren Schlagzeuger eine sehr unglückliche musikalische Vergangenheit. Also lieber: Ripple – I Don’t Know What it is But it Sure is Funky    


http://www.youtube.com/watch?v=R-3UauuSkgM

  • Traurig sein: Element of Crime – Die letzte U-Bahn geht später


http://www.youtube.com/watch?v=EW5HLF-Z3qg

  • Sport treiben: Red Hot Chili Peppers – Readymade


http://www.youtube.com/watch?v=TLO_HugWz0M


Welchen jetzt-User oder -Redakteur schlägst du als Kosmoshörer vor?
Den Kollegen Christian Helten!

Alle Songs aus dem Kosmoshörer sammeln wir in einer Spotify-Playlist. Dort kannst du an einem Stück hören, was der Kosmos so mag:
Kosmoshörer

Möchtest du auch Kosmoshörer werden und deine Musik-Gewohnheiten dokumentieren? Dann schreib eine jetzt-Botschaft an jan-stremmel oder eine Mail an jan.stremmel@jetzt.de!

Was hätte Walter Benjamin zu "Spotify" gesagt? - An die Musiker

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Was hätte Walter Benjamin zu „Spotify“ gesagt


 


Es ist heute ganz normal für uns, dass wir beinah jedes Musikstück mit fast jedem Interpreten irgendwo hören können. Vor allem haben wir diese Möglichkeit seit es „Spotify“ gibt. Ich bin selbst begeistert davon und will hier auch keine Kritik an diesen Möglichkeiten üben. Allerdings will ich diese Thematik mit einem Essay von Walter Benjamin[1] aus dem Jahr 1935 verbinden, um zu sehen, ob unsere heutige Art des Musikhörens oder auch anderweitigen Kunstgenusses nach seiner damaligen Sicht kritisch betrachtet werden würde.


Der Essay heißt „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ und wird als „Meilenstein in der philosophischen Ästhetik“ bezeichnet. Wie der Titel schon erklärt, kommt Walter Benjamin auf die Reproduktion von Kunst zu sprechen, welche wir auch in Aufnahmen und deren Vervielfältigung von Musik erkennen können.


Er beginnt damit, alte Arten der Kunstreproduktion aufzuzählen: Guss, Prägung, Holzschnitt, Druck, Kupferstich, Lithographie. Im 19. Jahrhundert kommt eine heute für fast jedermann zugängliche Form auf: die Fotografie, die mit ihrer Schnelligkeit und Genauigkeit die Lithographie als Reproduktionsmittel überholte.


Sehr bald kommt Walter Benjamin zu der Frage, was den Unterschied einer Reproduktion zu einem Original ausmacht: es sind das „Hier und Jetzt“, die „Einzigkeit“ und die „Echtheit“ eines Kunstwerks.


Nehmen wir uns zum Beispiel die Büste der Nofretete aus dem Neuen Museum Berlin: es gibt unzählige Abbildungen auf Postern, Postkarten, Plakaten, und man kann sogar eine genaue Gipsnachbildung kaufen. Doch wenn man schließlich ins Museum geht und sich das Original ansieht, bekommt man natürlich ein anderes Gefühlt. Dieses Original ist wirklich aus dem Alten Ägypten und einzigartig und echt und steht im „Hier und Jetzt“ vor meinen Augen und ist irgendwie auch noch schöner als alle Abbildungen, die ich bisher gesehen habe.


Dieser besonderen Wirkung, die ein originales Kunstwerk auf den Betrachter ausstrahlen kann, gibt Benjamin den Begriff „Aura“. Ein originales Kunstwerk hat also eine gewisse Aura.


Ist es bei technischen Reproduktionen nicht der Fall? Seiner Meinung nach nicht, da eben diese „Einzigkeit“ fehlt. Ich denke, dass eine technische Reproduktion beispielsweise der Nofretete auch eine Aura haben kann, sobald man mit dieser etwas verbindet. Es kann ein Geschenk sein oder eine Erinnerung an einen Ausflug bedeuten, und dann hat auch eine solche reproduzierte Büste eine Aura, weil sie etwas Individuelles besitzt.


Ich will nun aber auf die technische Reproduktion von Musik zu sprechen kommen.


Wenn wir in ein Konzert gehen oder auch nur jemandem beim Üben zuhören, kann es schon ein ganz besonderes Erlebnis sein. Wie Benjamin könnte man diesen Momenten „Einzigkeit“ und „Echtheit“ zuschreiben, außerdem passiert diese Musik im „Hier und Jetzt“. Man ist bei der Entstehung der Musik dabei, und es könnte jederzeit etwas passieren, das die Musik zum Verklingen bringen könnte, wie zum Beispiel eine reißende Saite, das Blackout eines Musikers. Diese Spannung, die dadurch entsteht, trägt möglicherweise zu dieser „Aura“ bei.


Wie ist es bei Aufnahmen? Außer bei Live-Übertragungen sind Aufnahmen nicht wirklich im „Hier und Jetzt“. Außerdem können sie verbessert und vervielfältigt werden, und verlieren so ihre „Einzigkeit“ und einen Teil der möglichen Spannung (die durch Angst vor dem Scheitern entstehen mag).


Wie ich bei der Nofretete vorhin schrieb, dass auch eine Abbildung eine Aura ausstrahlen kann, ist das sicherlich auch bei reproduzierter Musik der Fall. Eine alte Schallplatte kann heutzutage eine wirkliche Aura besitzen, wenn man mit ihr eine Geschichte verbinden kann. So hat sie die Möglichkeit, auf ihre Weise einzigartig zu sein, nicht zuletzt durch individuelle Kratzer.


Bei „Spotify“ sehe ich das anders. Man kann fast alles hören, was sehr praktisch sein kann und gewissermaßen ein Luxus. Der Hörer kann tausend Interpreten vergleichen, und rare Aufnahmen werden leicht zugänglich. Dafür braucht man nur einen Internetanschluss.


Nach Benjamins Sicht kann man dieser Art des Hörens von Musik wohl weniger eine auratische Wirkung zuschreiben. Sie kann millionenfach in jede Spotify-Bibliothek kopiert werden und verliert also eindeutig eine „Einzigkeit“ und ein „Hier und Jetzt“.


Ich will an diesem Punkt eine Textstelle aus Hermann Hesses „Der Steppenwolf“ (1927) vorstellen, die ein Gefühl zum Beginn der Zeit der technischen Reproduktion von Musik gut darstellt:


„Man werde, vielleicht schon sehr bald, entdecken, dass nicht nur gegenwärtige, augenblickliche Bilder und Geschehnisse uns beständig umfluten, so, wie die Musik aus Paris und Berlin jetzt in Frankfurt oder Zürich hörbar gemacht wird, sondern dass alles je Geschehene ganz ebenso registriert und vorhanden sei und dass wir wohl eines Tages, mit oder ohne Draht, mit oder ohne störende Nebengeräusche, den König Salomo und den Walther von der Vogelweide werden sprechen hören. Und dass dies alles, ebenso wie heute die Anfänge des Radios, den Menschen nur dazu dienen werde, von sich und ihrem Ziele weg zu fliehen und sich mit einem immer dichteren Netz von Zerstreuung und nutzlosem Beschäftigtsein zu umgeben.“[2]


 


Mit der Möglichkeit der technischen Reproduktion von Musik und Kunst allgemein wurden sicherlich viele Vorteile geschaffen, da einem sonst viele Werke für immer verwehrt bleiben würden. Trotzdem finde ich, dass der Begriff der „Aura“, den Walter Benjamin vor etwa achtzig Jahren einführte, immer wichtiger wird. Es wird für mich klar, dass das Sehen, Hören oder Erfahren eines Originals niemals durch eine Reproduktion in seiner ganzen Fülle kopiert werden kann. Und vor allem wir als Musiker können sehr glücklich darüber sein, dass wir die Möglichkeit haben, in Konzerten oder auch im privaten Kreis, diese „Echtheit“ und das „Hier und Jetzt“ weitergeben und auch selbst genießen zu können.


Die ganze Idee des Verfalls der Aura bei technischer Reproduktion hängt möglicherweise mit der propagandistischen Benutzung von Film und Foto im Nationalsozialismus und Stalinismus (hier vor allem Ikonen und Büsten) zusammen, die von Benjamin richtigerweise als gefährlich und schändlich erkannt wurde. Er wusste, dass auch ein Film oder ein Foto eine Wirkung auf den Betrachter haben kann und noch dazu durch Vervielfältigung eine große Masse erreichen kann. Daher wollte er einen neuen Begriff für die Kunstwelt schaffen, der ein Kunstwerk davon distanzieren könnte, und das war für ihn der Begriff der Aura.


Ich empfehle jedem die Lektüre dieses Essays. Er ist klar aufgebaut und nicht unnötigerweise kompliziert geschrieben. Außerdem werden noch viele andere interessante Aspekte wie die Filmproduktion und der daraus entstehende Starkult behandelt, die ich hier nicht besprochen habe.



[1] Walter Benjamin, 1892 in Berlin geboren, musste als Jude in den 30er Jahren im Pariser Exil leben, wo er auch diesen Essay verfasste.


[2] Hermann Hesse, „Der Steppenwolf“: S. 135

Vaginal verliebt

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Mit dem Silvestergeläut um Mitternacht gehe ich in das dritte Jahr meiner Singlezeit. Für mich ungewohnt lang und ungewohnt ereignisreich in sexueller Hinsicht. Der attraktive Single von heute lässt eben nichts anbrennen und nimmt jede Gelegenheit wahr, die verkümmerte Seele in einer Nacht mit soviel ekstatischer Liebe und Zuneigung – sprich: gefühllosem Sex – aufzuladen, wie sie nur kann, um auch die nächste Trockenphase in Erinnerung an die guten alten Zeiten durchzustehen. Dass der Sex bei weitem nicht in jeder dieser Nächte so toll war wie man gehofft hatte, die Konversation davor und danach nicht halb so spritzig wie gewünscht und der Kerl in der Nüchternheit des Morgens manchmal nicht annähernd so gut aussah wie es die biergeschwängerte Nacht vorgaukelte, sei mal dahingestellt. Sicher ist, dass man nicht aus jedem dieser Abenteuer so unbeschwert und emotional peripher tangiert herausgeht, wie man es sich selbst vorgenommen hat. Oft hat dies überhaupt nichts damit zu tun, ob der Sex, die Gespräche oder der Typ eben doch toll waren, sondern einfach nur damit, dass es Sex, Gespräche und einen Typen gab. Eine kleine, aber feine Nebenwirkung des Single-Daseins ist es leider zuweilen, dass man zwar mit der letzten Beziehung abgeschlossen hat, nicht aber mit DER Beziehung im Allgemeinen. Und auch wenn man vielleicht emotional noch nicht bereit ist, sich wieder in die schöne, aber doch einengende, kompromissbedürfende Vertrautheit einer Partnerschaft einzulassen (was für mich nicht gilt), so fehlt einem gelegentlich eben doch ein Stückchen Nähe, Egopush oder das Begehrtwerden. Wir haben ein Wort dafür erfunden, das Männern immer ein unverständliches Stirnrunzeln abzwingt, von Frauen aber meist sofort verstanden wird, da die meisten es kennen werden. Darf ich vorstellen?: Die vaginale Verliebtheit.


Vaginale Verliebtheit also. Soso! Zwei reizende Wörter für ein großes Gefühl, das keins ist, zumindest kein echtes, oder zumindest keine echte Verliebtheit. Es ist die Sorte Verliebtheit, die ein Penis dir durch seine schiere Anwesenheit in deine Vagina einpflanzen kann und die von dort aus direkt in dein Herz geht und gleichzeitig versucht, deinen Verstand über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass du weder den Nachnamen noch das Lieblingsbuch deines One-night-Stands weißt oder, eine noch tragischere Form, es dir eigentlich schnurzpiepsegal ist, weil du dem Typ sowieso nichts zu sagen hattest. Diese Form der Verliebtheit tritt meistens dann auf, wenn mindestens eine der drei Komponenten (Sex, Konversation, Typ) zumindest einigermaßen berauschend war und lockt uns bezüglich der anderen zwei auf eine falsche Fährte. Wenn der Sex beispielsweise das weibliche Äquivalent zum Championsleague-Finale 2013 war, rufen Herz und Vagina im Chor, dann sei es nicht so wichtig, dass der Mann aussieht wie Gollum, da ja sowieso die inneren Werte zählen und überhaupt der Kater am morgen bestimmt einen Schleier der Unattraktivität über ihn gelegt hat. Und das mit den Gesprächen kommt dann schon mit der Zeit, wenn man sich erst besser kennt. Hat man hingegen über Gott und die Welt geredet und sich innerlich schon auf einem Kahn unter den Brücken Venedigs durchfahren sehen, war der Sex nur deshalb schlecht, weil man sich noch nicht kannte und das erste Mal mit einem Fremden ja meistens nicht so prickelnd ist. Und die inneren Werte ja sowieso. Fast am tragischsten ist es, wenn der Mann, mit dem Mann die Nacht zu teilen man auserwählt war, atemberaubend gut aussah, sowohl im Schleier der Dunkelheit als auch im Schein des Morgens. Und bums... aus „bloß keine Gefühle“ wird „irgendwie war er doch toll. Vielleicht könnten wir das wiederholen?!“. Und genau darin liegt die Krux. Wir verlieben uns nicht in den Mann, sondern in die Illusion einer sehnlichst erwarteten perfekten Beziehung, die nicht wie die vorherigen den Gang alles Lebendigen geht und qualvoll verendet. Daher ist die am schwersten zu erkennende und zu kurierende Form die, bei der alle drei Komponenten erfüllt sind, wenn wir Beziehungssimulation in Reinkultur erleben. Denn obwohl Sex, Gespräch und Mann toll sind, muss und kann das noch lange nicht bedeuten, dass wir uns auch wirklich eine Beziehung mit dieser Person vorstellen könnten. Meist liegt es daran, dass es da noch ein leises, aber vehementes und durchsetzungsfähiges Stimmchen gibt, das uns davor bewahrt, dem Gefühl unserer Vagina all zu große Beachtung zu schenken: Der Verstand. Diese kluge Institution unseres Körpers kennt uns nämlich ziemlich gut und weiß, dass wir eigentlich niemals mit dem Gras-Dealer, dem egozentrischen Schauspieler oder dem Verschwörungstheoretiker glücklich werden könnten. Und hier liefern sich nun das vaginal beeinflusste Herz und der Verstand einen verbitterten Kampf, der sich im zehnminütigem Stimmungswechsel („Wieso schreibt er mir nicht?“ vs. „Naja egal, ich will ja eh nichts von ihm.“ vs „Aber wie er mich angefasst hat, war so toll“ vs. „Der Sex war schlecht, er hat nen Knall und sein Penis ist auch klein. Das einzige was er kann, ist gut aussehen“ vs. „Aber er siehst sooo gut aus“) niederschlägt und einen nicht zur Ruhe kommen lässt.


Mit der hundertsten vaginalen Verliebtheit und mit dem einhergehenden Gewitter im Kopf , manchmal gepaart mit Zurückweisung, wenn man dem inneren Drang doch nicht widerstehen konnte, wächst die Einsicht. Nicht umsonst haben wir ein Wort dafür gefunden. Und man wird klüger, lernt zu trennen, was echtes Glück ist und was nur emotionale Masturbation... - sollte man meinen. Klar wird man reflektierter und lernt die Zeichen zu deuten, diskutiert, analysiert und reflektiert stundenlang in bester Gesellschaft anderer vaginal verliebter Seelen, bastelt labyrinthartige Theorien und beschließt immer aufs neue, das nächste Mal erst gar nicht in diese Lage zu kommen, weil man sich, kackscheiße nochmal, doch eigentlich darüber im Klaren ist, dass das alles nur vorgegaukelte Gefühle der (weiblichen) Psyche sind. Aber weil Reflektiertheit kein Synonym für Aktionismus oder Disziplin ist, wird fröhlich weiter gevögelt und fröhlich weiter verliebt. Und immer wieder hat man immer neue dieser immer gleichen Schmetterlinge im Bauch. Und irgendwie ist das doch auch schön. Denn wenn man schon Single ist, dann will man trotzdem was spüren. Und sei es nur falsches Glück. Oder eben vaginale Verliebtheit, wie wir sie nennen.  

Der tiefe Fall nach dem falschen Glück

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Das Problem mit den guten Gefühlen ist, dass sie sich zwar gut anfühlen, aber nie so gut, wie sich schlechte schlecht anfühlen. Mit diesem ziemlich banalen und von jedem Deutschlehrer wegen Wortwiederholungen angekreideten Satz möchte ich auf etwas einleiten, was mir momentan zu schaffen macht. Der tiefe Fall nach der großen Euphorie über ein Stückchen falsches Glück.


Vor einiger Zeit fiel ich gänzlich unbedarft und tatsächlich ebenso überrascht in eine kurze, aber intensive Affäre hinein. Ein Mann, von dem ich nie erwartet hatte, dass ich seinem Bild von dem entspreche, was er als attraktiv, sexy, smart und all die anderen Attribute für Anziehung, empfindet, hat mich mit seinen Avancen schlichtweg vom Hocker gehauen. Nicht nur mich übrigens. Auch so einige andere in meinem Umfeld waren ob seiner plötzlichen, laut seiner Aussage vorhersehbaren, Annäherung überrascht. Und so begann der ganze Spaß eher mit einer ordentlichen Portion Unsicherheit und Befangenheit. Wahnsinnig gut aussehender, erwachsener, smarter, welterfahrener Kerl – eine Frau, die sich im Stadium der körperlichen Unzulänglichkeit und der steigenden Verzweiflung ob ihrer langen Singlezeit befindet. Aber selbstverständlich bin ich sofort mit Haut und Haaren darin aufgegangen. Seine Art, mir auf unaufdringliche Weise Komplimente zu machen, mehr für meine Persönlichkeit, gelegentlich auch für mein Aussehen, hat schnell dazu geführt, dass ich mich in dieser Konstellation wohl fühlte. Ungewohnt wohl. Wo sich in den letzten Jahren belanglose Affären und wahre, unerwiderte Gefühle die Klinke in die Hand gegeben hatten, war jetzt eine beklemmende und zugleich berauschende Mischung aus beidem in mein Leben getreten. Der Sex war gut, die Gespräche deckten die ganze emotionale Palette ab und die Berührungen waren so selbstverständlich und ungekünstelt, wie ich es lange nicht erlebt hatte. Ich ertappte mich dabei, ihm mehr von mir erzählen zu wollen, ihm Dinge anzuvertrauen, die ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr über die Lippen gebracht hatte, Dinge aus meiner Vergangenheit, von denen ich das Gefühl hatte, die meisten Männer wären im Angesicht der gehäuften Schicksalsschläge schlichtweg überfordert.
Ob dieser Veränderungen, die ich deutlich spüren konnte, musste ich mir zwangsläufig irgendwann DIE Frage stellen: Will ich mehr? Gemeinsam und einsam wurden meine widersprüchlichen Gefühle und Gedanken analysiert, reflektiert, fünftausendmal kommuniziert und zum Schluss in der Schublade „Nicht verliebt“ weggeschlossen. Gelegentlich holte ich ganz bewusst den Schlüssel hervor, um mich im Licht der Verliebtheit ein wenig zu sonnen, um sie dann wieder klein zusammengefaltet erneut zu verbannen.
Drei Wochen lang erlebte ich den Rausch einer Beziehungssimulation in extremer Form. Wir trafen uns drei bis viermal die Woche, oft blieb er zwei Tage am Stück, wir bestellten Pizza, die wir im Bett aßen, schauten Filme und verhielten uns wie ein frisch verliebtes Paar. Dem Ende, zumindest einem vorläufigen, gänzlich bewusst – er arbeitet nicht in Deutschland und war nur zu Besuch – war ich gewillt, so viel dieser Ekstase in mich aufzusaugen wie möglich. Was danach passieren würde, darüber dachte ich nicht besonders viel nach. Ich war der Ansicht, mein sicher weggeschlossenes Gefühlspaket würde mich vor etwaigen Traurigkeiten beschützen und ich könnte einfach die schöne Zeit als ein vergangenes, vielleicht neu entfachbares emotionales Inferno betrachten.
Wieder drei Wochen sind vergangen. Wir sind, trotz Trennungsanfangsschwierigkeiten, letztendlich gut und befriedet und mit der Möglichkeit auf Wiederholung auseinander gegangen. Soweit so gut.


Aber wie gesagt: Beschissene Gefühle fühlen sich viel beschissener an, als sich gute gut anfühlen. So ist das nun mal. Zumindest bei mir. Und ich merke, dass etwas fehlt. Ich war so gewöhnt an ein konstantes Maß an Zuneigung, Körperlichkeit und Sex, dass ich jetzt, im Angesicht von nichts oder nur Dingen, die das, was er in mir ausgelöst hat, nicht ersetzen können, sondern mir mehr denn je ins Bewusstsein rufen, dass ich diese Eintönigkeit bedeutungsloser Sexualität mit Männern, die ich eigentlich weder interessant noch attraktiv finde, nicht mehr möchte, in einem dumpfen Gefühl der Einsamkeit um mich selbst trauere. Das gefürchtete große, tiefe schwarze Loch ist da und ich suhle und wälze mich genüsslich in seinem Schlamm. Ich finde gerade keinen Halt.
Ich bin nicht in ihn verliebt, aber ich bin verliebt in die Vorstellung, es zu sein. Und ich bin ebenso verliebt in die Vorstellung, dass er es erwidert. Und natürlich bin ich verliebt in die Vorstellung einer Beziehung, einer funktionierenden, ausgefüllten Beziehung. Die Simulation war da und treibt mir jetzt nur viel stärker ins Bewusstsein, dass ich alleine bin. Und das ist, gelinde gesagt, beschissen.  

Seelenstriptease

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Nach relativ ereignislosen Jahren, in denen ich behütet, umsorgt und geliebt aufgewachsen bin, häuften sich um und ab meinem 20. Geburtstag die Schicksalsschläge innerhalb meiner Familie. Nun, fünf Jahre nach der ersten tragischen Episode, kann man wohl sagen, dass ich die Ereignisse so gut es ging verkraftet habe, mich eher selten zu ihnen umschaue und mir eine zynisch-humorvolle Attitüde zugelegt habe, mit der ich darüber spreche. Nur in seltenen Momenten kehren sie zurück auf die Bildfläche und werden mit dem Respekt und der Vorsicht behandelt, die sie verdienen. Die Zeit hat den Schleier der Belanglosigkeit darüber gelegt und das Gefühl, den Freunden nicht mit immer wiederkehrenden Geschichten, die sich in ihrer Unlösbarkeit und Endgültigkeit ständig um sich selbst drehen, auf die Nerven fallen zu wollen, hat sich eingestellt. Hin und wieder kehren sie auf das Parkett der freundschaftlichen Gesprächsthemen zurück und meist sehe ich mich dann konfrontiert mit Rat- und Hilflosigkeit. Ich mache das niemandem zum Vorwurf. Was kann man schon sagen. Die Mutter tot, der Bruder anderweitig aus dem Sichtfeld geschieden, der Vater krank. Mit einer solch gehäuften Konstellation emotionaler Engpässe konfrontiert, ist es für niemanden einfach zu reagieren. Man will nicht respekt- oder anteilnahmslos erscheinen, zu tief in die Materie einzusteigen bereitet manchen Unbehagen, geschlagen von so viel Leben. Aber es funktioniert. Diese Leute kennen mich und wissen um meinen emotionalen Ballast. Dieser hat mich schließlich auch geprägt. Ich bin verletzlicher geworden, suche und fürchte die Nähe zu gleichen Teilen. Die Angst vor Bindung und die Angst verlassen zu werden geben sich stets ein Stelldichein in der Verkorkstheit meiner Beziehungen. Und ich bin stärker geworden, erwachsener, beinahe weiser. Ich trage diese Erinnerungen mit mir herum, kein leichtes Handgepäck.


Doch anders als die Menschen, die mich seit langer Zeit kennen, die meine Macken und Neurosen als liebevolle Einheit akzeptiert haben und unlängst die Angst verloren haben, bei jedem Schritt in ein weinerliches Fettnäpfchen zu treten, kennen die Männer in meinem Leben mich nicht auf diese Weise. Für sie bin ich anders, präsentiere mich so, wie ich wahrgenommen werden will: lustig, charmant, tollpatschig, laut, extrovertiert, schlagfertig und knallhart. Die leise, zerbrechliche Seite wird fürs erste sorgfältig hinter lauten Lachern und Schimpfwörtern versteckt. Doch irgendwann, wenn die Gefühle für den neu in mein Leben getretenen Mann angewachsen sind, bildet sich in mir das Bedürfnis, mehr von mir preiszugeben. Ja, ich habe sogar das Gefühl, es wäre meine Pflicht, ihnen die volle Breitseite tragischer Familienhistorie unzensiert ins Gesicht zu pfeffern, damit sie wissen, auf was sie sich einlassen. Und, wenn ich ehrlich bin, erhoffe ich mir, damit ein Stück weit interessanter zu wirken, lebenserfahren quasi.
Im selben Moment fürchte ich mich davor. Dies offenzulegen macht mich schutzlos, angreifbar. Die mühevoll, Stein für Stein, Bitterkeit um Bitterkeit, Zynismus um Zynismus aufgebaute Schutzmauer bröckelt. Die Maske der Selbstsicherheit läuft Gefahr zu verschwinden und was dahinter sichtbar wird, ist hässlicher, schwärzer und trauriger als das, was man erwartet hat. Wann und besonders wie sollte sich der Seelenstriptease präsentieren? Man möchte weder den Eindruck vermitteln, mit seinen Problemen und Macken hausieren zu gehen, noch durch striktes Verbergen die Geheimnisse größer werden zu lassen als sie eigentlich sind. Ungeschminkt und ungehemmt alles in einem Aufwasch, in einem Atemzug vor dem andere ausbreiten oder häppchenweise den anderen teilhaben lassen? Nicht nur, dass die eigene emotionale Offenbarung für mich schwierig ist, es ist zugleich beinahe ein Test für den anderen. Ich baue Erwartungshaltungen auf: Reagiert er angemessen darauf? Was ist überhaupt eine angemessene Reaktion? Und kann das Gegenüber sich hier eigentlich in richtigem Verhalten üben oder ist es, egal was er tut, zu viel oder zu wenig?


Momentan schlage ich mich mit diesen Fragen in einer ganz anderen Form herum: Der emotionale Striptease im Cyberspace. Hier sind die Grenzen noch viel weniger sauber abgesteckt, man verpasst Mimik und Gestik des anderen, übersieht leicht, wann es zu viel wird. Doch gerade hier schaukelt sich mein Bedürfnis hoch, durch die Preisgabe meiner dunklen Seelenflecken Intimität aufzubauen. Ich betrete selber Neuland und laufe Gefahr, mit zu viel Offenheit über den Rand der Erde zu fallen. Zu schnell. Zu viel. Zu unverblümt. Und im Wechselspiel von Angst zurückgewiesen und der Hoffnung, angenommen zu werden, tanze ich auf dem Scheitel der Unzulänglichkeit Tango, stets in der Erwartung, von einem Windhauch auf die eine oder andere Seite gerissen zu werden. Denn eine Antwort auf diese Frage, eine Frage, die mich zwangsläufig wohl mein Leben lang begleiten und bei neuen Kontakten zum immerwährenden Fallstrick werden wird, habe ich noch nicht gefunden. Das ist eine Lektion, die ich noch lernen muss!

Der Roadtrip

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Eine Mission für die Liebe, mit offenem Herzen ins Abenteuer!
Er hat mich sitzenlassen, ist nicht erschienen, nicht einmal in den Zug gestiegen auf dem Weg zu unserem großen Date, das seit vier Wochen schon fast überfällig ist. Der Bogen sei für ihn überspannt, es wird ihm alles zu viel. Er hat Probleme, traut sich nicht, zu viel Angst, dass die Seifenblase zerplatzt.
Was er dabei völlig vergessen hat? Mich! Ich bin auch ein Teil dieser sonderbaren Beziehung, fester Bestandteil unseres unzulänglichen Zweiergespanns. Seine Entscheidungsunfähigkeit macht mich handlungsunfähig, lähmt mich. Ich kann nichts tun, er ist zu weit weg, emotional wie räumlich.
Nach ein paar Stunden psychischer Pflege und Wiederaufbauarbeit durch meine liebste Ina ist die Entscheidung gefallen. Ich will raus aus der Passivität, rein in die Aktivität. Will wissen, was hinter allem steckt, ein Ende oder einen Anfang forcieren, ihn konfrontieren. Wir fahren zu ihm.
Bewaffnet mit Enthusiasmus, Bier, Zigaretten, Hoffnung, Angst und Wahnsinn rasen wir die 100 Kilometer auf ihn zu. Wir fühlen uns stark, stolz, verrückt und gut, wir haben eine Mission. Meine Gefühle fahren Schlangenlinien, mein Bauch schlägt Purzelbäume. Was soll ich sagen, wenn wir uns treffen? Werde ich wütend sein, mir meinen Frust und Kummer von der Seele schimpfen oder wird ein Blick in seine blauen Augen mich besänftigen, in mir vielleicht die so erhoffte Filmmusik abspielen? Kann es nach so großen Turbulenzen überhaupt noch ein Happy End geben oder sind wir schon zu sehr eingespeist in die Spirale des Nicht-Erscheinens?
Kurz bevor wir ankommen, rufe ich ihn an, höre zum ersten Mal seine Stimme, verängstigt und schüchtern, frängisch, beichte ihm, dass wir gerade auf dem Weg zu ihm sind. Er findet es mutig, aber gut. Erleichterung!
Schon von weitem erkenne ich ihn an seiner Mütze. Er ist, wie ich, heute nicht in seinem besten Outfit erschienen, kommt von einer Besprechung. Ich habe mir, um meine eigene drängende Dynamik unter keinen Umständen aufzuhalten, zuhause auch nur irgendein T-Shirt angezogen, bin ungeduscht und fast ungeschminkt. Keine idealen Voraussetzungen, aber er hat es nicht anders gewollt. Er sieht gut aus, ist groß, hat tolle Augen, ein verschmitztes und gleichzeitig schüchternes Lächeln. Selbst die große Nase sieht in der Realität zauberhaft aus und passt zu ihm. Er ist aufgeregt, das merkt man sofort. Ich bin von meiner eigenen Spontanität so überwältigt, dass ich zwar aufgedreht und hektisch, aber kaum nervös bin. Das erste Gespräch findet draußen unter dem überdachten Bahnhofsvorplatz statt, zwischen Alkis, Teenis und Reisenden, nicht wie eigentlich geplant in der schützenden Dämmrigkeit einer Kneipe mit lauter Indiemusik und Fassbier. Ich stelle ihn zur Rede, er merkt in der Konfrontation wohl selbst relativ schnell, dass er keinen Grund hatte, Angst zu haben. Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut und keine virtuelle Sagengestalt. Ich finde, ich schlage mich wacker, trete stark auf, verständnisvoll, lache viel. Wir beschließen, noch ein Bier trinken zu gehen. Während meine Mitfahrer sich die Zeit vertrödeln, sitzen wir in einem gemütlichen Cafe zum ersten Mal an einem Tisch und bestellen Bier. Er setzt sich auf den Stuhl, der näher bei mir steht, das finde ich schön. Und wir reden. Reden über Themen, die bisher aufgrund der virtuellen Plattform unter Verschluss gehalten werden mussten, über seine Probleme, seine psychische Vergangenheit, über meine Stolpersteine und immer mal wieder auch über sein Nicht-Erscheinen. Es läuft eigentlich ganz gut. Der Blick in die großen, strahlend blauen Augen und der fränkische Dialekt gefallen mir.
Doch recht schnell wird mir klar, dass das Gefallen wohl eher eine einseitige Kiste ist. Ich wäre wirklich ziemlich weiblich, bemerkt er. Und auf meine Frage, ob das nun positiv oder negativ sei, erwidert er nur ein verkrampftes „Weder noch“. Nicht gut. Aber ich übergehe es, will nicht darauf reagieren, finde ich es doch eigentlich ganz schön dreist, das einer anderen Person unverblümt entgegen zu werfen. Und dass ich nicht der Typ wäre, nach dem er sich auf der Straße umdrehen würde. Danke? Wie bitte?


Irgendwann sind meine Begleiter es leid zu warten. Der Moment, die Entscheidung, Tor 1 oder Tor 2. „Jetzt bist du dran. Soll ich mit Ina wieder nach Hause fahren oder machen wir noch was und schauen, wo es uns hinführt?“ Entscheidungen mag er gar nicht, und noch viel weniger, wenn er sie eigentlich schon getroffen hat, nur noch nicht weiß, wie er sie so nett wie möglich artikulieren soll. Er würde sich gerne stundenlang mit mir unterhalten, aber er weiß nicht, ob daraus etwas werden kann. Daraus, damit meint er uns. Er sagt das zweimal. Er will mich nicht verlieren, aber er weiß eben nicht.
Ich habe zwar eine eher schlechte Menschenkenntnis, aber ganz auf den Kopf gefallen bin ich auch nicht. Damit mir nicht noch vor ihm die Tränen kommen, nehme ich ihm die Entscheidung ab, sage, dass ich dann wohl besser fahre. Wir wissen beide, was das bedeutet. Es bedeutet: Nein, Sofia, aus uns wird nichts. Du bist nett, aber nicht mein Typ. Zu weiblich. Die Illusion ist zerstört.
Zehn grausame Minuten später, in denen wir alle gemeinsam den Weg zur U-Bahn einschlagen und ein paar Stationen zusammen fahren, muss er raus. Man umarmt sich brav. Ich ermahne ihn, dass er jetzt dran ist. Warum ich das tue, weiß ich selbst nicht genau, ist mir doch bereits klar, wie es weitergeht oder eher nicht weitergeht. Aber ich muss irgendetwas sagen. Stark wirken, nicht verletzt.
Ich heule die ganze Autofahrt zurück. Das altbekannte Muster ist zurück: Ich bin fett, ich bin hässlich und niemand will mich. Dass in dieser Situation vielleicht viel eher er derjenige ist, den man aufgrund seines wiederholt schlechten Verhaltens nicht wollen sollte, blende ich an diesem Abend aus, zu groß ist die Kerbe im Selbstbewusstsein. Am Abend heule ich mich in den Schlaf. Und doch wache ich am nächsten Morgen mit zwei neu gewonnenen und zugleich altbekannten Erkenntnissen auf: Erstens, ich hab ein Faible für Idioten! Und zweitens: Es war trotz allem richtig hinzufahren, dem ganzen so ein Ende zu bereiten und nicht ewig in der Illusion festzuhängen, was geworden wäre, was hätte sein können.
Keine Mission für die Liebe, aber eine Mission zurück ins Leben.


 


Was es mir gebracht hat

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Die letzten Jahre waren nicht einfach für mich. Zu groß war mein Wunsch nach Geborgenheit, nach Liebe. Rast- und ruhelos bin ich von einer Katastrophe in die nächste geschlittert, habe gelitten, geweint, gefühlt, bin wieder aufgestanden, habe mir den Staub vom Herzen abgeschüttelt und es erneut versucht.
Ich habe viel verloren in diesen Jahren. Ich habe nie gelernt, allein zu sein. Der Tod meiner Mutter hat sein übriges dazu beigetragen, dass ich stets eine Bezugsperson brauchte, so nahe bei mir, dass es schon fast wehtut. So hab ich nicht nur die Männer mit meiner schnellen, drückenden, dringenden Zuneigung überfordert, ich habe im Zuge meiner Seelennarben auch eine gute Freundin verloren. Zuviel habe ich von ihr erwartet, ihre ganze Aufmerksamkeit, ihre Liebe, ihr Verständnis für meine Ausbrüche. Es hat funktioniert, solange unser Verhältnis gut austariert war, wir beide den anderen brauchten, um ganz zu sein. Eine Veränderung in ihrem Leben in Form einer neuen Liebe gab in mir den Startschuss für Eifersucht, groß, hässlich, gelb. Ich war noch nicht bereit mich zu ändern, konnte es noch nicht und musste so erleben, wie wir uns immer weiter voneinander entfernten. Mit jedem Schritt, den sie von mir wegmachte, wurde ich wütender und trieb sie so immer weiter fort. Bis ich schließlich zum ersten Mal in meinem Leben allein war.
Seither ist viel passiert. Immer wieder habe ich versucht, diesen Zustand so schnell wie möglich zu beenden, mich kleinen Halbkreis in die schützende Ganzheit einer Zweierbeziehung zu begeben. Mit aller Kraft und aller Gewalt habe ich um die Männer gekämpft, denen ich mein malträtiertes Herz schenken wollte. Doch keiner war in der Lage, es anzunehmen.
Vielleicht war es gut so, denn ich habe gemerkt, nicht ohne professionelle Hilfe, dass ich mich erst selbst versorgen können muss, selber ein Ganzes bilden, mein Leben ausfüllen mit guten Dingen, bevor ich eine richtige Beziehung eingehen kann. Andernfalls begebe ich mich eine Abhängigkeit, bin stets angewiesen auf positives Feedback und Liebesschwüre. Verliere mich selbst darin, die völlige Selbstaufgabe.
Es ist gar nicht so leicht, gut für sich zu sorgen, wenn man es nicht gewohnt ist. Wenn man sonst weiß, dass andere Personen das für einen übernehmen. Schon sich selbst einzugestehen, was man braucht, war eine neue Lektion für mich. Was fühlt sich gut an, was ist nur für den Moment das Richtige, bringt mich aber längerfristig in Schwierigkeiten? Ganz gelernt habe ich das noch immer nicht, sonst würde ich mich nicht wiederholt in kleinere Affären begeben, die bei ihrem Ende nur ein großes, tiefes Loch zurücklassen. Der emotionale Lebenskater bahnt sich immer seinen Weg zurück. Aber ich habe mir ein Leben aufgebaut, das lebenswert ist: Regelmäßige Treffen mit den wenigen wirklich guten Freunden und einen Job, in dem ich neue Menschen kennenlernen durfte und der mich auch zwangsläufig aus der melancholischen Einsamkeit meiner vier Wände hinaustreibt. Ich habe etwas zu tun, werde gebraucht, bin Teil von etwas, in das ich mich ganz alleine und ohne Hilfe integrieren musste. Und ich habe es geschafft.


Noch immer wirft mich besonders die Liebe oder das, was ich dafür halte, aus der Bahn. Aber auf eine andere Weise, normaler. Jeder, fast jeder Mensch sucht Liebe, wir sind soziale Wesen, es ist unser natürliches Bestreben. Noch immer bin ich schnell dabei, große Gefühle zu entwickeln und mich komplett auf den Kartentisch zu legen. All in. Aber ich habe etwas gelernt, etwas wichtiges, das in der ganzen Tragik der Zurückweisung strahlend emporragt: Ich kann für mich selber sorgen. Sogar noch mehr: Ich kann für mich selbst eintreten. Ich weiß, was ich will und was nicht und ich weiß, wie ich behandelt werden sollte. Ich bin dem Anderen gegenüber ehrlich und erwarte das auch von ihm. Ich verlange (!!!) Respekt und fordere diesen ein. Und ich weiß, wann es Zeit ist, die Karten wegzuwerfen, aufzustehen und zu gehen. Ich muss nicht alles mit mir machen lassen, kann selber entscheiden, wann es genug ist. Ich gebe mich nicht mehr auf um eines anderen Willen. Manchmal drehe ich mich noch um, bin traurig über das, was verloren gegangen ist und mir versagt blieb, aber ich muss mich schützen. Denn schlussendlich bin ich das einzige, was mir bleibt.  

Was genau macht die Schufa?

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Der Tag, an dem ich das erste Mal mit der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) in Berührung kam, begann mit einem hysterischen Anfall: Ein Kreditinstitut verweigerte mir die Kreditkarte. Die Begründung: Nach Prüfung meiner bei der Schufa hinterlegten Daten und weiterer Informationen sei ich nicht kreditwürdig. Ich bekam einen mittleren Nervenzusammenbruch: Lag es daran, dass ich den Pullover von Zalando noch nicht bezahlt hatte? Aber da gab es doch noch nicht mal eine Mahnung? Oder daran, dass ich meine Umsatzsteuer-Vorauszahlung zu spät eingereicht hatte? Zumindest war ich mir sicher: Ich habe einen negativen Schufa-Eintrag von dem ich bis eben noch nichts wusste. Die Argumentation des Kollegen J., die Schufa würde sich seines Wissens nicht für meine Steuern oder 40-Euro-Pullover interessieren, ignorierte ich und tippte nervös die Nummer der Service-Zentrale ein. Dort durfte mir am Telefon jedoch auch niemand Auskunft geben, ich musste für 24,95 Euro meine Bonitätsauskunft bestellen. Erst als das erledigt war, fragte ich mich: Was macht die Schufa eigentlich?

Andreas Lehmann, stellvertretender Pressesprecher der Schufa, erklärt mir das so: "Wenn Sie in der Fußgängerzone eine fremde Person fragen würde, ob sie ihr 1000 Euro leihen können, würden Sie vermutlich zunächst auch gerne ein paar Hintergrundinformationen zu dieser Person haben." Ähnlich sei das auch in der Wirtschaft: "Jemand, der Produkte und Dienstleistungen verkauft, kennt den Verbraucher zunächst nicht. Hat das Unternehmen einen Vertrag mit der Schufa, kann es so Informationen zum unmittelbaren Kreditverhalten des Verbrauchers einholen."

Der Schufa liegen nur Informationen über Personen vor, die irgendwann einmal einen Vertrag unterschrieben haben, in der sie der Schufa-Klausel zugestimmt haben. Das passiert meistens das erste Mal im Leben bei der Eröffnung eines Girokontos, manchmal auch beim Abschließen eines Handyvertrages. Damit erlaubt man den Kreditinstituten, personenbezogene Daten an die Schufa weiterzuleiten. Sie selbst sammelt keine Daten. "Die Schufa speichert die Anschrift, das Geburtsdatum und Informationen zum Kreditverhalten. Nationalität, Beziehungsstatus, Einkommen oder ob man seine Steuern pünktlich zahlt, werden hingegen nicht erfasst", sagt Andreas Lehmann. Wenn man eine Kreditkarte beantragt, muss man dem Kreditinstitut allerdings meistens von sich aus Informationen über das monatliche Einkommen und eventuelles Vermögen geben.

Unter "Informationen zum Kreditverhalten" versteht die Schufa vor allem die Frage, ob man bisherige Kredite oder Vertragsleistungen auch immer zurückgezahlt hat - was in Deutschland in 97,5 % aller Kredite der Fall ist. Hat man immer brav bezahlt, steht in der Schufa-Bonitätauskunft somit nur drin, dass man ausschließlich positive Einträge hätte. Außerdem berechnet die Schufa zur Messung der Kreditfähigkeit noch einen Score, der besagt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man Kredite auch zurückzahlt. Dieser Score kann schwanken - wenn man ein Haus kaufen möchte, werden hierfür bestimmte Daten stärker gewichtet, als beispielsweise bei der Aufnahme eines Ratenkredits für einen Fernseher. Der theoretische Höchstwert von 100 % tritt allerdings nie ein - "Das wäre ja eine Garantie, das eine Person auf jeden Fall zurückzahlt und die können wir nicht geben", sagt Andreas Lehmann. Zwar ist es schwierig bei diesen Scores zwischen "gut" und "schlecht" zu unterscheiden, da jede Bank bei der Prüfung der Bonität einen anderen Wert als "akzeptabel" voraussetzt, wer über 95 % liegt, muss sich allerdings meistens keine Sorgen machen.

Komplizierter wird es, wenn man einen Negativeintrag bei der Schufa kassiert. Das kann passieren, wenn man trotz zweimaliger Mahnung einen Kredit nicht bezahlt hat, auch unbeglichene Handyrechnungen können dazu führen. Ab welcher Summe Unternehmen diesen Schritt gehen, ist abhängig von der hauseigenen Risikopolitik: "Manche Unternehmen sind dabei sehr streng und melden auch für offene Forderungen in Höhe von 80 Euro einen Negativeintrag. Bei anderen fällt diese Summe unter Bagatellschäden", sagt Andreas Lehmann. Allerdings wird man vor einem Negativeintrag immer zuvor in einem gelben Brief schriftlich gewarnt. Unwissentliche Einträge bei der Schufa sind somit fast unmöglich. Ausnahme: Man steht bereits in einem Schuldnerverzeichnis, weil man beispielsweise eine Hypothek für ein Haus aufgenommen hat oder hat Privatinsolvenz angemeldet. Diese öffentlich einsehbaren Negativeinträge übernimmt die Schufa ohne vorher noch einmal nachzufragen.

Insofern der Gläubiger die offenen Forderungen noch nicht beim Amtsgericht titulieren lassen hat, der Gerichtsvollzieher also nicht nicht vor der Tür stand, gibt es auch noch die Chance auf eine Kulanzlöschung des Eintrags. Hierfür muss die geschuldete Summe allerdings unter 2000 Euro liegen und man muss das Geld noch vor Ablauf der letzten Frist bezahlt haben. Alle späteren Schufa-Einträge bleiben für drei Jahre bestehen. Das ist insofern problematisch, als dass heutzutage nicht nur Kreditinstitute sondern auch Vermieter vorm Zustandekommen eines Mietverhältnisses eine Schufa-Auskunft wünschen. Als Privatpersonen dürfen sie diese allerdings nicht einfach so abfragen, das geschieht nur im Einverständnis mit dem potenziellen Mieter. Einfache Kreditleistungen, wie beispielsweise einen Handyvertrag, kann man allerdings manchmal auch mit negativem Schufa-Eintrag noch bekommen.

Charlotte Haunhorst, 25, erfuhr durch ihre Schufa-Bonitätsauskunft, dass sie sehr kreditwürdig ist und keinen Negativeintrag hat. Die blöde Bank hatte wohl eher ein Problem mit dem Wörtchen "selbstständig".

5 Tipps für den Umgang mit der Schufa

1. Wer wissen möchte, wie es um die eigene Kreditwürdigkeit steht, kann für 24,95 Euro eine Bonitätsauskunft bestellen. Dieses offizielle Dokument kann man z.B. auch dem Vermieter geben. Eine einfache Übersicht über die eigenen bei der Schufa gespeicherten Daten ist hingegen einmal im Jahr kostenlos.

2. Wenn einem ein Schufa-Eintrag komisch vorkommt: Möglichst schnell an die Schufa selbst oder an eine örtliche Verbraucherzentrale wenden. Es ist in der Vergangenheit öfter vorgekommen, dass Einträge fehlerhaft waren und gelöscht werden mussten.

3. Schufa-Einträge entstehen meistens wegen trotz mehrfacher Mahnung nicht zurückgezahlter Kredite. Steuerversäumnisse oder eine unbezahlte Rechnung sind dafür irrelevant.

4. Die meisten Schufa-Einträge bleiben drei Jahre bestehen. Ausnahme: Bonitätsanfragen von Kreditinstituten. Diese Anfragen werden bereits nach einem Jahr gelöscht.

5. Die Schufa ist lediglich die größte und bekannteste Schutzgemeinschaft zur Kreditsicherung, bei ihr sind die Daten von 66,3 Millionen Menschen gespeichert. Firmen wie "Bürgel Wirtschaftsinformationen" oder "Arvato-Infoscore" machen ähnliche Jobs.



"Der Kampf hat uns verändert"

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Im Dezember stand Olga auf dem Maidan in Kiew. Eigentlich studiert sie in München, aber sie wollte dabei sein und zeigen, dass sich etwas ändern muss in der Ukraine, sagte sie zu jetzt.de. Jetzt, nach der Eskalation und der Beruhigung in Kiew, wollten wir wissen: Wie beurteilt sie die aktuellen Ereignisse? Wie geht es weiter? Was sind ihre Hoffnungen und Sorgen? Ein Protokoll.

"Die schlimmste Nacht war die vom 18. auf den 19. Februar. Ich saß vor dem Computer und beobachtete starr vor Entsetzen, wie das Feuer, das sie gelegt hatten, immer näher an die Barrikaden kam. Wie sie geschossen haben. Ich denke, in der Nacht bin ich wirklich gläubig geworden; denn dass diese Menschen nicht alle tot sind, ist für mich ein Wunder.  

Ich selbst war nur im Dezember in Kiew. Danach musste ich zurück nach Deutschland und habe hier getan, was ich konnte. Ehrlich gesagt hatte ich auch Angst zurückzugehen. Meine Eltern waren oft auf dem Maidan. Ich habe sie gebeten, zu mir nach Deutschland zu kommen. Sie hatten ein Visum, es wäre also möglich gewesen. Aber sie sagten, sie können ihr Land nicht im Stich lassen. Ich hatte wahnsinnige Angst. Ich kann immer noch nicht richtig schlafen, mich nicht konzentrieren, nicht richtig arbeiten.  



Olga konnte nicht die ganze Zeit in Kiew bleiben, wollte aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiter für ihre Sache kämpfen. Am 19. Februar übergab sie dem Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments in Müncheneinen Appell der Ukrainer in Deutschland an die EU aus. Darin forderten sie die schnellstmögliche Einführung von Sanktionen gegenüber Janukowitsch.

Ich kann noch gar nicht glauben, wie viel in den vergangenen drei Monaten passiert ist. Die Angst, die Trauer um die Toten, die Menschen, die einfach verschwunden und jetzt weiß Gott wo sind – all das hat das Bild dieses Landes in meinen Kopf vollkommen umgedreht. Am Anfang ging es uns nur um eine Annäherung an die EU. Ein Regierungswechsel stand gar nicht im Mittelpunkt. Jetzt geht es um viel mehr.  

Für mich ist der Sturz des Präsidenten also noch lange kein Ende. Ich sehe ihn als kleinen Erfolg, als einen ersten Schritt. Die Verantwortlichen für all diese grausamen Taten müssen zur Verantwortung gezogen werden. Sie müssen vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag, das ist das Ziel. Und wir brauchen ein komplett neues Parlament. Weg mit den alten Gesichtern! Dass sie jetzt Bekenntnisse machen und sagen, sie wollen sich und das Land ändern – das alles ist für mich nichts wert.  

Wir brauchen ein neues Parlament, und zwar aus genau den Menschen, die auf dem Maidan standen und gekämpft haben. Das waren nicht nur Arbeiter, das waren auch Akademiker. Menschen, die in die Regierung gehören und die Möglichkeit haben, etwas zu ändern in diesem Land. Sie haben sich diesen Erfolg zuzuschreiben. Sie sollten davon auch profitieren. Denn sie waren es, die ihr Leben auf Spiel gesetzt und teilweise auch damit für ihre Ideale bezahlt haben.  

Ob ich Angst habe, dass vielleicht alles umsonst war? Nein, das war es nicht. Niemand wird das je vergessen. Den Kampf. Die Toten. Das hat uns verändert. Die Menschen hatten nicht damit gerechnet, das so etwas passieren würde. Sie waren nicht vorbereitet. Nicht auf das Feuer, nicht auf die Gewehre, nicht auf die Granaten. Nicht auf dieses Massaker. Das alles hat uns die Augen geöffnet. In den Köpfen meiner Landsleute ist ein Umbruch passiert, der nicht mehr rückgängig zu machen ist. Es ist ein schwarzes Kapitel in der ukrainischen Geschichte, und es ist nicht möglich, das je zu löschen. Jeder, der in die Versuchung kommt, Wahlen zu fälschen, Medien zu beeinflussen oder sich bestechen zu lassen, wird daran denken. Daran, dass das Volk im eigenen Land zum eigenen Herr wurde."

Betreff: Krake Facebook

Das Emoji-Rätsel des Tages

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Welchen Politiker suchen wir?







Er ist um zwei Ecken in einen umstrittenen Rücktritt verwickelt und wird nun selbst zum Rücktritt aufgefordert. [seitenumbruch]

Ein Album, das kürzlich erschienen ist...






...und für Naserümpfen gesorgt hat. Der Musiker ist Bambi-Preisträger.
[seitenumbruch]

Eine verhaltensauffällige Sängerin...





...deren Affäre mit einem Sänger und Hollywood-Schauspieler seit ein paar Tagen die Klatschpresse beschäftigt.

Die Auflösung? Gibt's auf der nächsten Seite!
[seitenumbruch]

Auflösung 




Thomas Oppermann, SPD-Fraktionschef im Bundestag, erzählte öffentlich von einem Anruf beim BKA-Präsidenten in der Causa Edathy. In der Folge geriet der ehemalige Innenminister Friedrich (CSU) in die Kritik und trat als Landwirtschaftsminister zurück. Seither fordert die CSU Oppermanns Rücktritt. 

"Sonny Black" ist das zwölfte Studioalbum von Bushido und erschien vorletzte Woche.



Miley Cyrus, 21, wird seit ein paar Tagen eine Affäre mit Jared Leto, 42, nachgesagt.

Was es ist

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Du und ich.

Es ist vielleicht ein bisschen unvernünftig. Und vielleicht wird es mich oder uns irgendwann mal traurig machen. Aber im Moment ist es einfach wunderschön. Wunderschön und einfach.

Was es ist? Ich weiß es nicht genau. Es ist nicht durchschnittlich. Und doch weiß ich, dass es irgendwann enden wird. Ich weiß noch nicht ob ich das traurig finden sollte. Leicht gesagt, das Ende ist schon irgendwo aber längst noch nicht in Sicht.


Ich kann mir nicht genau erklären wieso es sich so anfühlt, wie es sich anfühlt.  Manchmal schauen wir uns an, so richtig, und dann ist dieses Gefühl für mich nicht wirklich fassbar. Es fühlt sich groß und gleichzeitig ausgeglichen an aber manchmal bringt es mich völlig aus dem Konzept.


Wir verbringen Zeit miteinander weil wir wollen, weil wir können und nicht müssen. Bedingungslos und zwanglos genießen wir die Momente, in denen ich ganz bei dir und du ganz bei mir bist, wir zusammen bei Kälte, Wind und Regen durch die Stadt laufen. Mit keinem Zentimeter zwischen uns in deinem Bett liegen.


Ich glaube dass ich dich liebe. Auf eine gesunde Art und Weise. Ungezwungen und frei. Vielleicht könnte es reichen für dieses Leben. Vielleicht und könnte.

Aber es ist schön diese Art der Liebe empfinden zu können. Es fühlt sich rein an, frei von Eifersucht, Zweifeln, Besitzdenken und Verlustängsten. 

Das Gefühl ist geerdet. Es ist aufrichtig, ehrlich und glücklich.


Es ist nicht einfach, es zu beschreiben. Es ist was es ist.

Musik für den Untergrund

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James Murphy setzt sich für die Underground-Musikszene New Yorks ein. Nicht etwa, indem er junge, unbekannte Künstler fördert: Der für sein Soloprojekt LCD Soundsystem bekannte Musiker engagiert sich für harmonisch klingende Drehkreuze in U-Bahnhöfen.





Jedes Mal, wenn ein Fahrgast seine Fahrkarte scannt, ertönt einer von drei verschiedenen Tönen, die signalisieren, ob der Durchgang gewährt wird, man seine Fahrkarte erneut scannen soll oder das Ticket ungültig ist. Murphy erinnern diese schrillen Töne an das Quietschen, das entsteht, wenn man Styropor an Glas reibt. Nun plant er diese „you’ve done something wrong sounds“, wie er die grellen Töne in einem Interview mit dem Wall Street Journal bezeichnete, durch harmonische Notenfolgen aus drei bis vier Tönen zu ersetzen. Immer wenn eine U-Bahn einfährt, sollen dieselben Noten eine gemeinsame Sequenz spielen. Für jeden U-Bahnhof wird ein charakteristisches Notenset komponiert, das den Fahrgästen zur Orientierung dient.

Den Traum, die Kakophonie der Großstadt in eine Subway Symphony zu verwandeln, verfolgt James Murphy schon seit 15 Jahren. Bisher scheiterte sein Vorhaben, weil das zuständige Verkehrsunternehmen Zeit und Kosten für den Umbau scheut. Da nun umfassende Renovierungsarbeiten anstehen, hofft er auf eine neue Chance sein Vorhaben umzusetzen zu können. Leider stellen sich die Verantwortlichen immer noch gegen seinen Vorschlag. Deshalb hat der DFA-Labelchef Murphy eine Petition gestartet.

In den hiesigen Großstädten wird die Gültigkeit von Fahrscheinen meistens durch Kontrolleure geprüft. Dennoch sind auch deutsche klangtechnisch Bahngleise verbesserungswürdig. Wer täglich mit Bahn, Bus oder Tram fährt, kennt die Signale und Ansagen entweder auswendig oder ist ihrer schon so überdrüssig, dass er sie verdrängt. Dabei könnte man den öffentlichen Verkehr - und überhaupt den Alltag - durchaus angenehmer gestalten: von Rolltreppen, die mit Meeresrauschen unterlegt werden, bis zu Mülleimern, die sich in R2D2-Manier bedanken, wenn man sie mit Abfällen füttert. Und Elektroautos sind zwar nicht sehr schädlich für die Umwelt, lassen aber auch Geräusche vermissen, die sie im Straßenverkehr bemerkbar machen.

Wie ist das bei dir? Hättest du gern, dass dein Fahrrad die Titelmelodie von „Batman“ spielt, wenn du damit fährst? Begegnest du täglich Geräuschen, die du gerne abschaffen würdest? Welche Stadtklänge würdest du gerne abändern? Wer müsste eine Subway Symphony für Berlin, Stuttgart, Köln oder München schreiben?


Tagesblog - 26. Februar 2014

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18:08 Uhr: Ich mach jetzt Schluss hier. Mit auf den Weg noch ein bisschen fiesen Basskram zum Den-Arbeitstag-Wegballern.
http://soundcloud.com/koan-sound/sets/funk-blaster-ep

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17:53 Uhr:
Politiker reden gerne viel. Wir haben ihnen das verboten. Und fünf Münchner Oberbürgermeisterkandidaten gebeten, stattdessen in Fotos festzuhalten, was ihnen für die Jugend wichtig ist. Interessant: Alle voll die Skater- und Surfer-Liebhaber. Aber seht selbst.




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16:08 Uhr:
Morgen bekommen wir Besuch. Die gesamte sz.de-Redaktion kommt auf ein Bier in unseren Redaktionshallen vorbei (und auf ein paar Kornados, aber das ist eine andere Geschichte). Und wie immer, wenn Besuch kommt, fällt einem auf, was einem sonst nie auffällt: die Unordnung, an die man sich längst gewöhnt hat. Nur mal drei Beispiele:

[plugin bildergalerie Bild5="Die Kisten, die seit unserem Umzug im Sommer hier stehen." Bild6="Der Redaktions-Flamingo, dem man mal wieder Leben einhauchen müsste" Bild7="Die ADC-Auszeichnungen, die andere wohl rahmen würden."]

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15:21 Uhr:
Nachdem hier vorhin in den Kommentaren nach "Emo-Herzschmu-Texten" aus dem Kosmos gerufen wurde, habe ich mich umgesehen. Ich bin bei jetzt-User gedankenart fündig geworden - und bin jetzt gerührt und traurig. Vielen Dank.

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14:53 Uhr: Ich kenne mich weder mit Perserteppichen noch mit geschnitzten Engeln aus. Aber ich glaube zu wissen, dass beide nicht sonderlich viel miteinander zu tun haben. Vielleicht irre ich mich aber auch. Das lässt zumindest dieses Schaufenster vermuten.

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12:39 Uhr:
Zack, da ist das Emoji-Rätsel zur aktuellen Nachrichtenlage. Hier suchen wir eine Eilmeldung aus dem Bereich Politik. Zwei weitere Rätsel plus Auflösung findest du hier.




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11:52 Uhr:
Endlich mal Zeit gefunden, diesen Text von jetzt-User freitagsmachichfrei zu lesen, der hier schon die ganze Zeit einen Lesenswertpunkt nach dem anderen einheimst. In der Geschichte treten auf: ein doppelt gestohlenes Fahrrad, Berner Polizisten und eine Heckenschere. Höchst unterhaltsam, kann ich nur empfehlen.

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11:20 Uhr:
Gerade hat das Internet dieses Video in meinen Feed-Reader gespült. Es dauert nur 90 Sekunden, man kann es sich aber locker mehrmals anschauen, ohne dass einem langweilig wird. Erstens, weil in den 90 Sekunden 10 Songs aus 100 Jahren Musikgeschichte verwurschtelt wurden. Zweitens, weil ein mir bisher nicht bekannter MC mit britischer Sprachfärbung zu diesem Mashup ganz schön drüber rappt, was Musik für ihn bedeutet. Drittens, weil man sieht, wie sich Musikkonsum im vergangenen Jahrhundert verändert hat – und das auch noch visualisiert über eine dieser Ein-Ding-stupst-das-nächste-an-Ketten (die, wie ich jetzt gelernt habe, Rube-Goldberg-Maschinen heißen).

http://www.youtube.com/watch?v=wcfLolnmLl4

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9:52 Uhr:
Meine Lieblingsschlagzeile des Morgens habe ich bei der Münchner Boulevard-Lokalzeitung tz entdeckt: Milchbubis! Axt-Bande! Da geht einem doch das Herz auf! Trotzdem widmen wir uns lieber anderen Geschichten: Zum Beispiel dem Karneval in Brasilien, der dieses Jahr wegen der Demonstrationen im Vorfeld der Fußball-WM ein wenig politischer wird als sonst. Weitere Texte aus der heutigen SZ findest du hier.




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9:16 Uhr:
Unten in der Cafeteria steht ein Süßigkeitenautomat. Ich bin da ein guter Kunde. Ab heute aber werde ich mich wehren: Offensive "Obst im Office"!




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8:32 Uhr:
Wir beginnen den Tag mit Musik. Funktioniert ja immer gut. Dieses Mal allerdings mit ganz spezieller Musik: Underground-Musik. Der DJ und Produzent James Murphy setzt sich nämlich dafür ein, dass die Drehkreuze der New Yorker U-Bahn melodischer klingen. Die unharmonischen Piepser sollen kurzen Melodien weichen, die das Pendeln erträglicher machen. Deshalb fragen wir im Ticker: Welches Geräusch im Stadtraum würdest du gerne ändern? Wer sollte eine Underground Symphony für Berlin, München, Stuttgart oder Köln komponieren?


(Foto: afp)

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8:25 Uhr:
Schönen guten Morgen. Heute wieder ich. Habe zwar gestern schon gebloggt, aber ich darf gleich noch mal, weil ein bisschen Kuddelmuddel im Wochenplan entstanden ist, da die halbe Redaktion unterwegs ist - in Panama (Urlaub), in Berlin (Seminar "Schreiben über Rechts") und in Berlin (Interview mit Harris).

Nationales Mißtrauen

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Im Expresstempo wälzt das Parlament in Kiew seit Tagen die Ukraine um, dass man schon nicht mehr daran geglaubt hat, es könne sich auch etwas verzögern. Aber am Dienstag passierte es doch. Erst schepperte vor der Werchowna Rada eine Stimme über Lautsprecher, die eine längere Pause ankündigte. Dann wurde die Sitzung gleich ganz abgebrochen. Der neue Ministerpräsident wird nun erst am Donnerstag gewählt. Man brauche noch Zeit für Konsultationen, sagte Übergangspräsident und Übergangsparlamentschef Alexander Turtschinow. Es soll eine Regierung des „nationalen Vertrauens“ gebildet werden, was insofern schwierig ist, weil derzeit eher das nationale Misstrauen wächst.



Zentrum des Umbruchs - Die Maidan-Bewegung will bei der Neuordnung der Ukraine mitsprechen

Die Maidan-Bewegung, die zum Machtwechsel entscheidend beigetragen hat, will mitreden bei der Regierungsbildung - und keine Reichen im Kabinett. Damit wäre der Unternehmer und frühere Minister Pjotr Poroschenko, eigentlich einer der aussichtsreicheren Kandidaten für den Premiersposten, den Ukrainern nicht vermittelbar. Auch Arsenij Jazenjuk, ehemaliger Außenminister und Protagonist von Julia Timoschenkos Vaterlandspartei ist in der Bevölkerung umstritten. Und wenn es nach Oleksiy Schurewitsch ginge, dürfte das Parlament überhaupt keine Weichen mehr stellen.

Schurewitsch steht schon seit Stunden in Kiew vor dem Parlament, er trägt einen Vollbart, eine dicke Mütze und ein Schild, auf dem er für ein „Lustrationsgesetz“ plädiert, also für eine Durchleuchtung aller Abgeordneten. „Es gibt etwa hundert Deputierte, die noch Mitte Januar die diktatorischen Gesetze mitgetragen haben, das Gesetz über ausländische Agenten, die Schießbefehle. Warum sind sie überhaupt noch in diesem Saal?“, fragt er. „Die Abgeordneten sind doch nicht deshalb im Parlament, weil sie frei vom Volk gewählt wurden, sondern weil sie sich ihre Stimmen zusammengekauft haben.“

Die Parole der Kiewer steht aufgesprüht mit weißer Farbe an der Wand gegenüber, damit die Abgeordneten sie auch lesen können, wenn sie die Rada verlassen. „Das Parlament muss dem Volk dienen.“ Nur wie? So schnell kommt kaum noch jemand mit, wie derzeit die neuen Machtverhältnisse zementiert werden. Timoschenkos Vaterlandspartei wurde während ihrer Haftjahre durch Arsenij Jazenjuk geprägt. Sie stellt in Turtschinow bereits die Schlüsselfigur des Übergangs, sie dürfte auch den Premiersposten besetzen und das Innenministerium hat sie auch schon bekommen, wenn auch bisher nur übergangsweise. Die Zeitung Kapital hat getitelt: „Der Sieger kriegt alles“, fast das gesamte Monopol der Macht im Land sei bereits in den Händen der Vaterlandspartei konzentriert.

Zeit sollte in der Ukraine nun nicht mehr verloren gehen, nach all den Dramen und Tragödien der letzten Wochen. Kein Zaudern, kein Zögern, schnell den Regimewechsel manifestieren, handlungsfähig sein für neue Gesetze, für Gespräche mit den künftigen Kreditgebern aus der Europäischen Union, des Internationalen Währungsfonds, und, theoretisch zumindest, auch aus Russland.

Neue Minister, neue Armeechefs, neue Offiziere, neue Gouverneure, sogar einen neuen Metropoliten, das Oberhaupt der ukrainisch-orthodoxen Kirche – beinahe stündlich tickern Nachrichten über Rochaden und Volten durch das Land. Manche Entscheidungen schrammen hart an der Grenze des Erlaubten entlang. Die schnelle Ernennung von Turtschinow als Präsident sei gesetzmäßig gewesen, weil sie aufgrund der jetzt wieder geltenden Verfassung von 2004 basierte, sagte das ehemalige Mitglied der Verfassungsversammlung, Igor Koliuschko. „Aber die Ernennung der Chefs der Sicherheitsbehörden entspricht nicht den Buchstaben des Gesetzes.“

Gleiches gelte für manche im Eilverfahren durchgepeitschten Gesetze, die anders als vorgesehen offenbar ohne Mitwirkung irgendeines parlamentarischen Ausschusses beschlossen wurden. Es sind nicht die Zeiten, danach zu fragen. Die Urkraft der Revolution hat ihre eigenen Gesetze. Das wird auch im Westen, in Europa, in Berlin so gesehen, und auch bereits gefürchtet.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte die neue ukrainische Führung eindringlich, sie dürfe sich nicht von Rachegelüsten leiten lassen. Am Dienstag kam Kritik ebenfalls einmal nicht aus Russland, sondern von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Sie klagte, dass ein Gesetz zurückgenommen wurde, dass Russisch in jenen Gebieten als zweite offizielle Sprache erlaubte, in denen es Minderheiten von mehr als zehn Prozent der Bevölkerung gibt. Solche Schritte könnten „zu weiteren Unruhen führen“, sagte die Hohe OSZE-Kommissarin für Minderheiten, Astrid Thors.

Der Westen weiß, dass diese Rücknahme des unter dem verjagten Präsidenten Janukowitsch beschlossenen Gesetzes Sprengkraft birgt für die Einheit des Landes. Der Osten, der Süden, die Krim, dort wird Russisch gesprochen. Kostjantin Krasowskij, Berater eines rechten Swoboda-Abgeordneten im Parlament, wittert es schon: „Russland treibt eine Spaltung voran, so wie vor Jahren in Georgien mit Abchasien und Südossetien.“ Er habe gehört, dass Moskau im Osten der Ukraine und auf der Krim russische Pässe ausgebe.

Jedenfalls haben russische Reaktionen auf den Sprachenstreit und den abrupten Machtwechsel nicht lange auf sich warten lassen. Der russische Kommunistenchef Gennadij Sjuganow, der Leiter des Duma-Ausschusses für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), Leonid Sluzkij, und der Parteichef von Gerechtes Russland, Sergej Mironow, kokettierten in der Tat mit der Idee, den Menschen auf der Krim in einem beschleunigten Verfahren russische Pässe zu geben, falls sie es wünschten. In der Ukraine sehen darin manche ein Vorzeichen: Russland könnte Panzer schicken zum Schutz der russischsprachigen Ukrainer, so wird befürchtet. Gerüchte sind derzeit noch schneller als neue Gesetze.

Masken der Wut

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Am Wochenende war fast alles wie immer im Carnaval do Rio. Heiß, feucht, laut, voll. Und die meisten Menschen waren gut gelaunt. Die Party hat ja längst begonnen, mit diesem und den anderen Festen soll das brasilianische Schicksalsjahr 2014 endlich in Schwung kommen. Am Samstag und Sonntag zogen eine Million Menschen durch Rio de Janeiro zu den Blocos, den Ungetümen von Tanz und Musik des Straßenkarnevals. Allein die Sängerin Preta Gil und ihre beiden Tríos elétricos, diese rollenden Bühnen, zogen eine halb Millionen Anhänger an. Im Zentrum zugange war auch die Gruppe Fogo e Paixão, Feuer und Leidenschaft, und am Botanischen Garten in Sichtweite der Jesus-Figur am Corcovado traf sich die Riege Suvaco do Cristo, Christus’ Achselhöhle.



Der Karneval in Rio wird von Protesten gegen die WM in Brasilien begleitet

Im südlichen Strandviertel Ipanema empfing die Combo mit dem schönen Motto „Simpatia é Quase Amor“, Sympathie ist praktisch Liebe. Die für WM und Olympia umzubauende Hafengegend im Norden belebten die Escravos da Mauá, die Sklaven von Mauá, eine farbige Hommage an die afrikanischen Zwangsarbeiter von einst.

Getrunken wurde reichlich, mit den üblichen Folgen. Das städtische Ministerium für öffentliche Ordnung ließ 116 Straßenpinkler festnehmen, darunter laut des Medienhauses Globo „22 Frauen und einen Ausländer”. Urbanes Urinieren jenseits von Toiletten ist in Brasilien ebenso verboten wie Autofahren mit auch nur einem Hauch von Alkohol. Die Pinkelstrafe pro Person betrug 157 Reais. Das sind, obwohl die Nationalwährung kriselt, immer noch knapp 50 Euro. Nach der Feier wurden Tonnen von Müll eingesammelt.

Ärger gab es beim Großauftritt von Preta Gil, Tochter des Barden Gilberto Gil und verkleidet als Mulher Maravilha, Wunderfrau. Als im Gewühl auf der Avenida Rio Branco eine Schlägerei entbrannte, musste der Zug kurz anhalten, und Preta Gil rief: „Ihr wollt anderen die Festa vermiesen. Filmt sie, Leute! Das sind dieselben, die für den Tod von Santiago verantwortlich sind. Wenn es noch so einen Streit gibt, dann mache ich nicht weiter. Wir lieben den Nächsten und akzeptieren Unterschiede.”

Die Episode erinnerte dann doch ein wenig an die unerfreulichen Wochen zuvor. Der genannte „Santiago“ war der Kameramann Santiago Andrade vom Fernsehsender TV Bandeirantes, getötet am 6. Februar in der Innenstadt von Rio de Janeiro. Andrade filmte Demonstrationen gegen die Erhöhungen der Buspreise auf drei Reais, ungefähr 90 Cents. Ein Feuerwerkskörper traf den Journalisten am Kopf, er erlag im Krankenhaus seinen Hirnverletzungen. Als Täter wurden zwei Demonstranten verhaftet, die den zerstörungswütigen Black-Blocks zugerechnet werden. Allerdings richtet sich mancher Verdacht auch gegen Politiker und Militärpolizisten. Regierungsnahe Kräfte scheinen seit Monaten bemüht zu sein, dem vornehmlich friedlichen Widerstand gegen Korruption, Verschwendung, Polizeigewalt und auch gegen die Fußball-WM das Image des Vandalismus zu verpassen. Das soll auch hartes Zugreifen gegen Protestierer rechtfertigen. Dabei sind die Uniformierten selbst, die manchmal brutal zu Werke gehen, ein bedeutender Teil des Problems.

Neue Tarife im miserabel funktionierenden Nahverkehr hatten den brasilianischen Volkszorn 2013 zunächst in São Paulo geweckt, die folgende staatliche Repression fachte die Wut erst so richtig an. Bald richteten sich riesige Kundgebungen auch gegen die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Rio, für die Milliarden ausgegeben und ganze Stadtteile umgegraben werden, während nebenan Schulen und Krankenhäuser verlottern. Obendrein ist man beim Bau der absurd überteuerten Stadien im Verzug, und bei den Arbeiten sterben immer wieder Handwerker. „Não vai ter copa” war der Schlachtruf bei Protesten gegen das Turnier, „es wird keine WM geben.“ Bei Umzügen in Rio wurde nun ein Plakat mit dieser Aufschrift gesichtet: „Es wird Karneval geben, aber keine WM.“

Natürlich wird es vom 12. Juni bis zum 13. Juli trotz allen Ärgers diese WM geben. Und der Karneval ist bereits in vollem Gange, einige Teilnehmer bringen beide Großveranstaltungen sogar zusammen. „Imagina na copa“, steht auf T-Shirts, „stell’ dir das bei der WM vor.“ Der beliebte Spruch fasst die Erwartung zusammen, dass sich das Durcheinander in der Vorbereitung nach dem Anpfiff des Turniers fortsetzt. Pessimisten halten das für wahrscheinlich, Optimisten vertrauen auf die einheimische Improvisationskunst. Gewöhnlich findet sich in Brasilien immer ein „jeito“, ein geschmeidiger Ausweg und Trick.

Jedenfalls hält sich Rios WM-Begeisterung auffällig in Grenzen. Auch bei den Umzügen der zwölf besten Sambaschulen am Sonntag im Sambódromo wird Fußball hauptsächlich auf den Tribünen eine Rolle spielen: Sponsoren von Vip-Logen werben damit. Die Unidos da Tijuca, die vor einem Jahr Deutschland zum Thema hatten, widmen sich dagegen dem 1994 verunglückten Rennfahrer Ayrton Senna.

Karneval, das sind Tage mit viel Bier und viel Schnaps. Und trotzdem ist am Rande der Umzüge immer wieder der Volkszorn zu spüren. Eine Bürgerbewegung wider WM und Olympia erfand eine Vereinigung namens „Ocupa Carnaval“. Man hört von Witzen wie: „Gib‘ mir Essig!“ Denn Essig hilft gegen das Tränengas von Polizisten. Zu den beliebtesten Masken gehört jene des Maurers Amarildo de Souza. Er wurde im Juli 2013 während einer Polizeirazzia in der Favela Rocinha verschleppt und tauchte nie mehr auf. So wurde er zum Symbol für staatlichen Terror. Den Erlös aus dem Verkauf der Masken, die sein Gesicht zeigen, erhält seine Familie. Schon im November sangen Caetano Veloso und Marisa Monte beim Benefizkonzert: „Somos todos Amarildo.” Wir sind alle Amarildo.

Wie eine Bankenpleite

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Die Sehnsüchte waren groß nach dem virtuellen Geld. Nun ist es der Schaden. In der Nacht zum Dienstag ist die größte Börse für die virtuelle Bitcoin-Währung mit dem Namen Mt.Gox verschwunden. Anlagen im Wert von mehr als 300 Millionen Dollar könnten damit weg sein.



Bitcoin-Anleger in Tokio wollen ihr Geld zurück

Die Webseite von Mt. Gox ist nicht mehr erreichbar, der Chef weg und das Büro in Tokio verwaist, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. „In der Community herrscht weithin Einigkeit, dass Mt.Gox insolvent ist. Die Geschäftsleitung von Mt.Gox hat jede offene Kommunikation bewusst vermieden. Eine böswillige Täuschung der Kunden der Börse ist nicht von der Hand zu weisen“, heißt es in einer Stellungnahme des deutschen Bundesverbandes Bitcoin e.V. Auch Gründer und Vorstandschef Mark Karpeles war zunächst nicht aufzufinden, am Nachmittag meldete er sich dann mit einem Kurzstatement: „Wir sind an einem Wendepunkt unseres Geschäfts.“ Am Sonntag war Karpeles als Vorstand der Handelsorganisation Bitcoin Foundation zurückgetreten.

Schon Anfang Februar hatte das Unternehmen alle Bitcoin-Konten wegen „ungewöhnlicher Aktivitäten“ bis auf weiteres gesperrt. Nutzer hatten schon länger Sicherheitslücken bemängelt und Zentralbanken, auch die Bundesbank, vor den Gefahren des „privaten Geldes“ gewarnt. Der Kurs der Cyber-Währung, der je nach Handelsplattform ohnehin stark variiert, brach bei Mt. Gox seit Anfang Februar um mehr als 80 Prozent auf 135 Dollar ein.

Also ist er jetzt aus, der Traum für die erste virtuelle und unregulierte Währung der Welt? „Dieser tragische Vertrauensbruch bei Kunden von Mt. Gox resultiert aus dem Verhalten des Unternehmens und reflektiert nicht die Seriosität oder den Wert von Bitcoins“, so sechs Branchenvertreter – Coinbase, Kraken, Bitstamp, BTC China, Blockchain and Circle – in einer gemeinsamen Stellungnahme. Allerdings hatten auch andere Betreiber von Bitcom-Handelsplätzen schon mit Sicherheitsproblemen und Hackerattacken zu kämpfen.

„Der Fall Mt. Gox ist vergleichbar mit einer Bankenpleite. Eine Lagerstätte und Handelsplattform für Bitcoin verschwindet vom Markt, und die Anleger tragen das Risiko. Das heißt aber nicht automatisch, dass die Währung an sich am Ende ist“, erklärt Thorsten Polleit, Honorarprofessor und Währungsexperte an der Frankfurt School of Finance. Er fordert seit Jahren einen freien Wettbewerb des Geldes anstelle des herrschenden staatlichen Monopolgeldsystems, in dem Zentralbanken die Geschicke lenken – und dafür in der Finanzkrise auch Kritik ernteten.

Den Traum von einer Parallelwährung oder einem Alternativgeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel gibt es freilich schon lange, im Großen wie im Kleinen, mit Namen wie Freigeld, Wir-Geld, Regio und anderen. Meist bleibt es ein Nischenphänomen, aber gerät das etablierte Geld in Verruf oder in eine Krise, dann bekommen die alternativen Ideen Auftrieb. Und auch dieses Mal ist es so, da sind sich Experten einig. Die 2009 entwickelten Bitcoins bedienen die Sehnsucht der Menschen nach einem Geld, das nicht beliebig vermehrbar ist. Ein von einer Gruppe von Mathematikern entwickelter Algorithmus soll dafür sorgen, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Bitcoins geben wird – 21 Millionen, irgendwann im Jahr 2140 oder auch danach.

Derzeit sind rund zwölf Millionen Bitcoins geschaffen oder geschürft, wie die Anhänger der virtuellen Währung in Anlehnung ans Gold schürfen sagen. Data Mining ist der englische Fachbegriff. Ähnlich wie im Minengewerbe, wo das Edelmetall unter immer größeren Mühen und Kosten tief unter der Erde abgebaut werden muss, ist der Algorithmus so programmiert, dass auch die Schürfrate der Bitcoins immer weiter abnimmt. Das sorgt für die wichtigste Eigenschaft von Geld, das seine Wertigkeit behalten soll – die Knappheit. Eine Eigenschaft, die im Zuge der Finanzkrise nicht mehr oder zumindest nicht mehr für jeden gegeben ist. Tatsächlich geben Zentralbanken seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 immer mehr Geld zu immer niedrigeren Zinsen an die Geschäftsbanken aus, um sie vor Schieflagen zu bewahren. Oder sie kaufen regelmäßig Staatsanleihen von frisch geschaffenem Geld. Da das Geld bisher meist im Bankensektor hängen blieb oder an die Börsen floss, blieben die Verbraucherpreise trotz der lockeren Politik weitgehend stabil. Aber immer mehr Menschen zweifeln, ob und wie lange das so bleibt – und suchen nach Alternativen.

Nun also Bitcoin. „Die virtuelle Währung hat durch die Finanzkrise enorm an Auftrieb gewonnen“, so Polleit, der gespannt ist, wie weit der Preis fallen wird, „bevor sich genügend Anleger finden, die es wert finden, wieder in Bitcoins einzusteigen“. Was für ihn ein wichtiges Prinzip des freien Geldwettbewerbs ist, ist für Bitcoin-Nutzer und vor allem die Betreiber von Bitcoin-Börsen eine Existenz-Frage. Bis Dienstagabend war immer noch unklar, ob wirklich ein nicht behobener Software-Fehler einen Run auf die Mt.Gox-Konten und damit den Zusammenbruch ausgelöst hat oder ob auch ein Betrug stattgefunden hat. Einem firmeninternen Dokument zufolge, dessen Echtheit noch nicht bestätigt ist, sollen etwa 774000 Bitcoins gestohlen worden sein, ein virtueller Bankraub sozusagen, darunter das Eigenkapital der Börse von 120000 Bitcoins. Experten wie Aaron König von der Global Bitcoin Alliance, die die Verbreitung des virtuellen Geld fördert, gehen mit dem Fall Mt.Gox besonders hart ins Gericht: „Mt.Gox ist gestartet, als Bitcoin noch eine Art Spielgeld für Computernerds war und hat es nicht geschafft, seine Software an die deutlich höheren Sicherheitsstandards anzupassen, die heute notwendig sind. Es ist gut, dass dieses Unternehmen jetzt vom Markt verschwunden ist und professionellere Anbieter an seine Stelle treten.“

Von wegen alternativlos

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Ein wenig haben sie sich dann doch von Steve Jobs inspirieren lassen. Von jenem Mann also, der mit seinem iPhone der Mobilfunkwelt neuen Schwung eingehaucht hat – und den Aufstieg all der smarten Telefone erst ermöglicht hat. Eine Folie mit der Aufschrift „One more little thing...“beendete die improvisierte Präsentation der Blackphone-Erfinder. Die Worte also, die Steve Jobs stets ans Ende seiner Shows setzte, hier kopiert von der Konkurrenz.



Abhörsicheres Smartphone für den Whistleblower von morgen

Ansonsten geben sich die Entwickler des neuen Geräts allergrößte Mühe, es anders als Apple zu machen. Anders auch als Nokia, als Samsung – und all die anderen, die ihre Smartphones mit der Software von Google antreiben. „Wir sind kein Telefonunternehmen, das mal ein bisschen was für den Datenschutz macht. Wir sind ein Datenschutzunternehmen, das ein Telefon macht“, sagt Phil Zimmermann, mit Stolz in der Stimme.

Herausgekommen ist: das Blackphone.

Gemessen an den wichtigsten technischen Eckdaten kann es das Ding locker mit den meisten Handys der Spitzenklasse aufnehmen. Dazu aber gibt es ein zusätzliches Feature: den Schutz der Privatsphäre – vor Geheimdiensten, Hackern, Werbetreibenden.

Einen Rundumschutz allerdings bietet auch das Blackphone nicht. Wer wirklich sicher sein wolle, nicht abgehört zu werden, der müsse auf sein Handy verzichten, sagt Zimmermann. „Aber mit dem Blackphone kann man immerhin jemandem, der Tausende Kilometer entfernt ist, ins Ohr flüstern.“ Denn eine ganze Reihe sicherer Kommunikationsdienste sind auf dem Gerät bereits installiert: Die Programme von Silent Circe verschlüsseln Anrufe und SMS; Disconnect schirmt den übers Internet geschickten Datenstrom wie in einem Tunnel ab; Spider Oak bietet einen verschlüsselten Speicherplatz für fünf Gigabyte. All diese Programme, zumeist von Entwicklern geschrieben, die nun auch das Blackphone gebaut haben, gibt es auch für die klassischen Smartphones – allerdings nur gegen ein kostenpflichtiges Abo.

Mit dem Blackphone kann man sie zwei Jahre lang kostenlos nutzen.

Zudem versprechen die Entwickler, die einzelnen Verbindungsdaten nicht an die Mobilfunkanbieter weiterzureichen. Das Gerät kann man für 630 Dollar im Internet bestellen – und es sodann mit jedem Vertrag oder Guthaben sofort in Betrieb nehmen.

Die Entwickler des Blackphones haben Googles mobiles Betriebssystem Android für ihr Gerät angepasst und dabei die Grundeinstellungen so verändert, dass sie einen besseren Datenschutz bieten. So kann jeder Nutzer selbst festlegen, auf welche Daten seine Apps zugreifen – und etwa sein Adressbuch vor ihnen verschließen. Der Quellcode für diese Software ist offen, so dass auch andere Entwickler ihn noch verbessern können.

Einen ähnlichen Weg geht die gemeinnützige Mozilla-Stiftung: Vor genau einem Jahr hat sie ihr mobiles Betriebssystem namens Firefox OS vorgestellt, ebenfalls auf dem Mobile World Congress in Barcelona. Die Idee hinter dem Projekt ist rasch erzählt: Es geht um eine Alternative zu den bestehenden Betriebssystemen von Apple, Google und Microsoft. Und es geht darum, das mobile Internet aus den Klauen der großen Konzerne zu befreien.

Denn die Konzerne bestimmen bislang die Spielregeln: für die Entwickler, für die Kunden, für die Mobilfunker. Firefox OS hingegen ist ein offener Programmiercode, den sich jeder Nutzer herunterladen und nach seinem Geschmack verändern kann.

Bislang tun dies noch lange nicht so viele Entwickler wie jene, die Apps für die drei Großen entwickeln. Dennoch zeigte sich Jay Sullivan von der Mozilla-Stiftung nun bei einer ersten Bilanz zufrieden. Er verwies auf Analystenschätzungen, nach denen bereits sieben Prozent aller Entwickler ihre Apps auch für das alternative Betriebssystem schreiben. Für all jene also, die eine Alternative zu Apple und Google suchen, heißt dies: Sie haben bald etwas mehr Auswahl.

Mehr Auswahl, das gilt übrigens auch für die Geräte. Neben dem französischen Hersteller Alcatel hat die Mozilla-Stiftung nun drei weitere Handyhersteller als Partner gefunden. Auch auf Geräten von LG, Huawei und ZTE ist der Fuchs mit dem feuerroten Schwanz nun zu haben.

Und die neueste Fassung ermöglicht nicht nur die Datenübertragung mit dem superschnellen Mobilfunkstandard LTE, sondern es lassen sich auch per NFC Daten von einem Gerät zu einem anderen übertragen – man könnte ja gerade im Funkloch stecken.
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