Quantcast
Channel: Alle Meldungen - jetzt.de
Viewing all 6207 articles
Browse latest View live

Auf dem Spielplatz des Abnormen

$
0
0
Die kleinen nackten Jungs vor der Kamera waren Rumänen, ihr Regisseur ein erwachsener Deutscher. Er filmte die Kinder und schickte die Aufnahmen an eine Firma in Kanada. Sie vertrieb DVDs über das Internet auf einer Seite mit dem Namen Azov-Films (früher „4PSP“) und hatte Kunden in aller Welt. Einer von ihnen hieß Sebastian Edathy. Auf ihrer Internetseite versicherte die Firma, die Filme mit nackten Kindern seien legal – „meistens“. Es gebe aber, je nach Staat, unterschiedliche Regeln. Wer sich unsicher sei, solle lieber nichts kaufen.



Das Netz der Pädophilen ist über die ganze Welt verteilt - leider ist Kinderpornografie meistens schwerer zu entdecken, als in diesem Beispiel.

Doch der Verkauf lief prächtig. Bei vielen Kunden beliebt waren die Filme des Deutschen Markus R., der bei der Firma als „Peter P.“ firmierte. In Deutschland hatte er mal eine Strafe wegen eines Sexualdelikts bekommen, dann zog er nach Rumänien, ins Städtchen Satu Mare an der Grenze zur Ukraine, später nach Zalau.

Markus R. bot Karate-Kurse an – kostenlos; entsprechend groß war der Andrang. Viele Eltern waren wohl froh, dass ein freundlicher junger Mann sich ihrer Kinder annahm. Sie wussten nicht, was geschehen würde: dass Markus R. Kinder halbnackt und nackt filmte und später in einer E-Mail damit warb, einer der Jungen habe eine Erektion gehabt. Die Videos trugen Titel wie „Boys Fights“ oder „FKK Water Guns“, Azov-Films bewarb sie mit schmierigen Zeilen: „Lass dich nicht täuschen von seinen unschuldigen Locken, denn hinter diesen Augen steckt ein schelmischer Knabe.“ Dann werden anzügliche Witzchen gemacht über die „Spielgeräte“, an denen sich die Jungen abarbeiten.

In dieser Szene tummeln sich viele, für die der Begriff "Täter" bestimmt nicht zu hart ist

Im Fall Edathy scheint es, wohin man auch blickt, nur Opfer und Beschädigte zu geben. Ruf und Leben von Sebastian Edathy sind zerstört. Die Ermittler haben sich, weil sie dilettantisch und juristisch fragwürdig vorgingen, lächerlich gemacht und das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert. In Politik und Behörden wird nach Geheimnisverrätern gesucht, und die noch junge große Koalition ist in eine große Krise geraten. Der als Landwirtschaftsminister zurückgetretene CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich kann sich als Bauernopfer fühlen.

Was aber ist mit den Kindern, die herhalten mussten für Filme, die sich Pädophile und Pädokriminelle für ein paar Dollar bestellen konnten? Wer fragt nach denen? Und was sind das für Menschen, die nackte Kinder ohne das Wissen der Eltern filmen und diese Aufnahmen dann kommerziell vertreiben? Und was sind das für Leute, die solche Videos kaufen? Im Fall Edathy geht es auch um ein Milieu, in dem Kinder zur Ware werden. Hier tummeln sich viele, für die der Begriff „Täter“ bestimmt nicht zu hart ist. Vielleicht ist dies, wenn nicht eine Entschuldigung, so doch eine Erklärung dafür, warum Ermittler, die seit Jahren gegen diese Szene kämpfen, mitunter das richtige Maß verlieren.

Azov-Films bezog seine Videos aus der ganzen Welt: aus Rumänien, wie im Falle Markus R., zudem aus den USA, aus Frankreich, der Ukraine oder Spanien. Auch aus Deutschland soll der kanadische Anbieter mehr als 40 Filme im Angebot gehabt haben. Aufgenommen wurden sie offenbar zwischen 1990 und 2006, sie zeigen Jungen, die Marc, Felix oder Patrick heißen.

Die Betreiber von Azov-Films priesen die Filme von Markus R. als „naturistisch“. Angeblich sind dort Kinder in natürlichen Posen zu sehen, wie beim FKK. Markus R. hat versichert, er habe die rumänischen Jungs nie sexuell missbraucht. Doch wo beginnt der Missbrauch? Und was ist natürlich daran, wenn sich nackte Kinder vor laufender Kamera gegenseitig streicheln, wenn ein 13-Jähriger umgerechnet etwa vier Euro dafür bekommt, dass er in Unterhose vor die Kamera geht – und das Doppelte, wenn er seine Hose auszieht?

Nach Recherchen der kanadischen Zeitung Toronto Star nahm der Filmemacher die rumänischen Kinder mit Geld, Pizza und Eis für sich ein. Der nette Karate-Lehrer machte mit ihnen Ausflüge, ließ sie in einem Swimmingpool baden und miteinander raufen. Ein ukrainischer Dozent hat seine jungen Opfer auf ähnliche Weise gelockt. Er leitete eine Jugendgruppe, mit seinen Schützlingen fuhr er auf die Krim – wo dann bereits erwachsene Gäste auf sie gewartet haben sollen. Es war eine Art Ferienlager für Pädophile. Auch der Professor belieferte Azov-Films, und mindestens eines der Kinder tauchte später in expliziten Pornos auf.

In Rumänien soll Markus R. über die Jahre etwa 200 Kinder für seine Karate-Kurse rekrutiert haben, etliche wurden später Protagonisten seiner Filme. Die Eltern wussten lange Zeit angeblich nicht, was da geschah; und was der Deutsche auf einem mit hohem Sichtschutz umgebenen Spielplatz trieb. Markus R. war ihnen bekannt als hilfsbereiter Mann, mit dem die Jungs gerne ihre Freizeit verbrachten. „Das Coole daran war, sich zu unterhalten, Markus war ein Freund für uns. Er war sehr großzügig, hat Pizza ausgegeben, war mit uns bowlen“, erzählte einer der Jungen später einem Reporter des MDR. Nur, dass er sich ausziehen sollte, sei komisch gewesen. Einem Bauern aus der Umgebung kam das Ganze schließlich unheimlich vor – er alarmierte die Eltern. Markus R. wurde im August 2010 festgenommen.

Im November vorigen Jahres gingen dann Fahnder in Kanada an die Öffentlichkeit; sie hatten Azov-Films und den Firmenchef Brian Way hochgenommen. Bei ihren Ermittlungen stießen sie auf eine große Kundendatei. In mehr als 50 Ländern sollen pädophile Männer Filme geordert haben. Auch 800 Deutsche sollen als Kunden verzeichnet gewesen sein; einer von ihnen war in den Jahren 2005 bis 2010 der Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy. Er sagt, er habe kein strafbares Material bestellt. Das ist die rechtliche Sicht. Doch was ist mit den gefilmten Kindern und ihren Eltern?

In vielen Ländern sind durch den kanadischen Fall weitere Ermittlungen angestoßen worden, bei denen zum Teil schwerste Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder eine Rolle spielten. Die Filme von Markus R. und anderen „Regisseuren“, die sogenannte naturistische Videos drehten, fallen dagegen wohl nicht in die Kategorie eindeutiger Kinderpornografie, zumindest nicht in Deutschland. Die gefilmten Kinder müssen nun dennoch leben mit dem Wissen, dass sich rund um den Globus Männer an ihrem Anblick befriedigen. „Mein Sohn ist geschädigt für den Rest seines Lebens“, sagte ein Vater dem Toronto Star.

Markus R. wurde in Rumänien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. In einem Brief an eines der Opfer schrieb der heute 35-Jährige kurz nach seiner Festnahme: „Was ich getan habe, war sehr falsch. Ich habe Dich und andere benutzt, und keine Strafe kann heilen, was ich in Deinem Herzen zerstört habe.“

Die rechtliche Sicht ist das Eine. Aber was ist mit den gefilmten Kindern und ihren Eltern?

Mittlerweile ist der Deutsche wieder auf freiem Fuß, er gibt sich geläutert. Ihn habe damals einfach das Geld gelockt, insgesamt habe er etwa 150 000 Euro mit seinen in Rumänien gedrehten Filmen verdient. „Es war viel Geld; und es war leider natürlich so, dass ich mich davon habe blenden lassen.“ So lautet seine offizielle Version, so erzählte er sie dem MDR. Es gibt aber auch eine andere Version, die in pädophilen Kreisen vermutlich lieber gehört wird. Ein auffällig intimer Kenner der Person Markus R. erzählt in einem Internetforum die angeblich „wahre Geschichte“: Nicht Markus R. ist demnach in das Leben der rumänischen Jungen getreten, sondern umgekehrt sie in sein Leben. Zum Beispiel Alex, „ein kleiner Spross von neun Jahren, quicklebendig, abenteuerlustig und hungrig nach Liebe“. Markus R. habe beschlossen, „das zu machen, was er am besten konnte, am meisten liebte und so sehr wollte: Er fing an, sich um Alex zu kümmern“.

Und dieser Alex habe eben Freunde gehabt: Vlaviu, Loredan, Andrei, Vlad, Lucian und Jonut. Kunden von Azov-Films werden diese Namen sicherlich etwas sagen. Denn Markus R. habe sie alle gefilmt, angeblich „ohne jeglichen Hintergedanken“. Irgendwann habe er die Filme dann im Internet angeboten, die Resonanz habe alle Vorstellungen übertroffen. Bedauerlicherweise sei alles irgendwann aufgeflogen und Markus R. verurteilt worden.

Der krude Internet-Artikel schließt mit einer Frage: Ob Markus R. das alles bereut? Man müsse ihn kennen, um zu verstehen, warum er das nie beantworten würde. Ganz für sich allein würde er jedoch feststellen: „Das Leben ist wunderschön!“

Für die Familien in Rumänien stellt sich das sicherlich etwas anders dar.

Die Vermessung des Menschen

$
0
0
Wenn es um den Sound von Laptops und Mobilgeräten geht, holen sich Elektronikhersteller gerne große Namen ins Haus. Warum nicht auch Apple? In diese Kategorie schien zu fallen, dass der iPhone-Hersteller 2011 den Klangtüftler Tomlinson Holman engagierte, den Mann also, der bei Lucasfilm das THX-Soundsystem für Kinos erfunden hatte. Tatsächlich aber arbeitet Holman, 67, wie jetzt bekannt wurde, wohl an einem ganz anderen Projekt. Man sucht Antworten auf die Frage, wie sich aus dem Klang des Blutes, das in den Adern an einem hochempfindlichen Sensor vorbeifließt, ganz spezielle Verwirbelungen heraushören lassen, ein drohender Herzinfarkt, zum Beispiel.



Kann sich bald auch von Apple ausmessen lassen - Läufer in Hamburg

Schon seit einiger Zeit geht das Gerücht, Apple arbeite an der iWatch, einer Computer-Uhr also. Und Apple wäre nicht Apple, würde ein solches Produkt nicht bieten als das, was andere Anbieter – zum Beispiel Sony oder Samsung – längst können. Der Wachstumsmarkt der mobilen Gesundheitsgeräte erscheint dabei als sehr lukrativ und aussichtsreich, vor allem weil sich ein solches Produkt optimal in das bestehende System Apples aus Handys und Tablets integrieren ließe. Dass der Konzern ernsthaft an solchen Ideen forscht, zeigen auch andere Personalien. Neben einigen anderen heuerte der frühere Nike-Berater Jay Blahnik bei Apple an, ebenso Todd Whitehurst von Senseonics, einem Hersteller von Blutzuckermessgeräten.

Auch die nächste größere Version von Apples Betriebssystem für Mobilgeräte, iOS 8, ist auf mHealth, wie das im englischen Sprachraum kurz und knapp heißt, bestens vorbereitet. Ein vorinstalliertes Programm – Codename Healthbook – soll künftig die Daten von all den Messfühlern sammeln. Firmenchef Tim Cook erwartet, dass „der gesamte Sensoren-Bereich explodieren“ wird.

Er ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Seit Jahren gilt mobile Health als ein Markt mit enormem Wachstumspotenzial, auf Mobilfunk- und Gesundheitsmessen füllen die Geräte und Programme ganze Hallen. Visionäre wie der Chirurg, Pharma-Unternehmer und Milliardär Patrick Soon-Shiong reden schon davon, gelähmte Patienten mit einer Sensor-Kappe für die Hirnströme und einem Außenskelett wieder zum Laufen zu bringen. Beim Lobbyverband der Branche, der mHealth Alliance, ist man etwas nüchterner: „Wir müssen alle mal ein bisschen runterkommen“, ließ sich Geschäftsführerin Patricia Mechael 2012 in einer Studie von Pricewaterhouse Coopers zitieren. Auf die Phase des großen Hypes folge stets eine der Ernüchterung, danach erst gehe es wieder aufwärts.

Die Frage ist: Hat die nächste Aufwärtsphase nun begonnen? Auf der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas waren so viele Fitness- und Gesundheits-geräte zu sehen wie noch nie, drahtige Manager lassen sich gerne mit ihren Fitness-Trackern am Handgelenk sehen. Und die vernetzte Generation findet nichts dabei, wenn ihre Fitness-App auf dem Handy auf Facebook automatisch vermeldet, dass man einen Zehn-Kilometer-Lauf beendet habe – samt Zeitangabe und GPS-Karte.

Konzerne wie der Prozessorhersteller Intel oder die Computerfirma IBM haben diesen Markt längst im Visier. IBM etwa vermarktet ein System zur Analyse großer Datenmengen explizit für medizinische Anwendungen. Der Marktforschungsfirma Research and Markets zufolge wurden 2013 bereits 6,6 Milliarden Dollar für mHealth ausgegeben, 2018 sollen es bereits mehr als 20 Milliarden Dollar sein.

Auf die Anbieter kommen dabei große Herausforderungen zu. Nicht nur, dass ihre Geräte und Programme zuverlässig sein müssen, um das Vertrauen der Anwender zu gewinnen. Auch beim Datenschutz gelten viel strengere Voraussetzungen. Dass man seinen Morgenlauf absolviert hat, mag schon nicht jeder der Welt mitteilen. Wie es um den Blutdruck oder den Cholesterinspiegel steht, ganz gewiss nicht.

Orientierungsmarsch

$
0
0
Nach außen herrscht Ruhe, aber hinter verschlossenen Türen brodelt es. „Wir sind in einem sehr frühen Stadium einer höchst komplizierten Lage“, fasst ein hoher Diplomat im Umfeld von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy die Stimmung unter den 28 Mitgliedern der Europäischen Union zusammen. Gerade sind die ersten Konsequenzen des Schweizer Volksentscheides über das Thema Zuwanderung sichtbar geworden. Bern hat das Freizügigkeitsprotokoll für EU-Neuling Kroatien nicht unterzeichnet. Die Kommission legt daraufhin Verhandlungen über Forschungs- und Studienprogramme mit der Schweiz auf Eis.



Nach dem Volksentscheid muss sich die Schweiz in Europa erklären

EU-Diplomaten sind beunruhigt. Ohne Zweifel habe die Regierung in Bern „jetzt die größeren Kopfschmerzen“, schließlich müsse sie versuchen, das Wählervotum so umzusetzen, dass sowohl dem Begehren der Bürger als auch den bilateralen Verträgen Genüge getan werde. Was beinahe unlösbar erscheine, schließlich dürften aus EU-Sicht das Wort „Quote“ oder ähnliche Ausdrücke nicht vorkommen.

Tatsächlich haben die eidgenössischen Minister, die diese Woche ausschwärmen, um Erklärungsarbeit zu leisten, keine leichte Aufgabe. Der ranghöchste Vertreter fährt nach Berlin. Die Reise von Außenminister Didier Burkhalter, der seit dem 1. Januar das im Jahresturnus rotierende Amt des schweizerischen Bundespräsidenten bekleidet, war schon lange vorbereitet. Nun erhält sie durch das Abstimmungsergebnis besondere Brisanz. Burkhalters Aufgabe ist für ihn persönlich heikel: Er zählt zu den europafreundlichsten Politikern, muss nun aber Standpunkte vertreten, die seinen innersten Überzeugungen widersprechen. Manche in der Schweiz hätten die Kroatien-Entscheidung lieber hinausgezögert. So aber informierte Justizministerin Simonetta Sommaruga die kroatische Außenministerin Vesna Pusić telefonisch darüber, dass das Abkommen über die Freizügigkeit zwischen beiden Ländern wegen des Volksentscheids in „seiner gegenwärtigen Form“ nicht möglich sei.

Die EU-Kommission reagierte umgehend und stoppte Verhandlungen über die Beteiligung der Schweiz am milliardenschweren Forschungsprogramm Horizon 2020 und am Studentenaustauschprogramm Erasmus Plus. Solange Bern das Protokoll mit Kroatien nicht unterzeichne, werde die EU nicht weiter verhandeln, sagte ein Behördensprecher. Erasmus und Horizon 2020 sind erfolgreiche Programme der EU, die mit vielen Milliarden Euro ausgestattet sind.

Dass der Stopp kein Alleingang der EU-Kommission war, zeigen die Reaktionen am Montag. „Der Fall Kroatien zwingt uns dazu, die Konsequenzen insgesamt zu prüfen“, sagte ein hoher Diplomat eines großen EU-Landes. Man werde in den nächsten Wochen besprechen, „wie wir mit der Lage umgehen“. Diplomaten zufolge teilen sich die 28 Länder in zwei Lager. Einig seien sich alle, dass das Prinzip der Freizügigkeit nicht verhandelbar ist. Allerdings wolle eine Gruppe der Schweiz gegenüber hart auftreten, die andere Gruppe poche darauf, Bern Zeit zu geben, um Vorschläge vorzulegen, wie sie das Bürgervotum umsetzen wolle.

Die Schweizer Regierung will bis Juni einen Gesetzentwurf ausarbeiten. Wie lange der gesamte legislative Prozess dauert, ist ungewiss. Sicher scheint nur, dass die Wähler erneut abstimmen werden – entweder, weil der Text den Gegnern einer Zuzugsbeschränkung zu weit geht, oder weil er in den Augen der Befürworter verwässert wurde. Bei diesem Votum ginge es um die Frage, ob die Schweiz ihre Bande zur EU kappen möchte. Heute hätte der Vorschlag keine Chance. Drei Viertel der Befragten sprachen sich dagegen aus.

klau|s|ens wird vom “orden wider den tierischen ernst” erschüttert

$
0
0

klau|s|ens, für so eine veranstaltung kann man sich eigentlich nur schämen.


aber das geht schon seit jahren so.


sie hatten dann mal aufpoliert, sich von den ewigen politikern als preisträgern, also ordensträgern, auch zwischenzeitlich verabschiedet (du weißt: diese thurn und taxis, die gloria) …


… und dann kam der zu guttenberg als ordensträger bzw. hoffnungsträger der aachener pseudostadtelite. – ich bitte dich! – aber der kern ist doch sowieso der gleiche: das deutscheste im deutschen. kein humor, theatergetue, dauerrollenspiel, verkrampft, gekünstelt, gesichtervorzeige, steifheit pur, dauererzeugtes grinsen wie aus dem horrorbuch der filmgeschichte. und dann aktuell auch noch wahlkampfhilfe für die FDP.


wenn man dann noch sieht, wie auch ein GRÜNER wie cem özdemir sich da einreiht.


das wollte ich letztes jahr schon schreiben: es gibt kein besseres symbol für das “ankommen” der GRÜNEN im establishment, als wenn der ehrgeizige özdemir den preis bekommt, diesen auch annimmt (wird ja vorher abgeklärt und angefragt) und genauso in die kameras grinst wie alle anderen politikblasen.


dann immer die frage, die sich mir stellte: wo ist denn der humor?


bei allem fragt man sich das, bei herrn lindner aktuell erst recht.


man fühlt sich eher an burschenschaftsgehabe erinnert.


da wird so manches auch herkommen, bei diesen aachener karnevalisten, die so sehr mit der elite verbrüdert sind und wahrscheinlich tausende von steuerberatern und zahnärzten noch als hilfstruppen im hintergrund haben.


man kann sich für so etwas nur schämen!


ja, das kann man. aber es ist deutschland, wie es “singt und lacht”. (tschuldigung, ihr mainzer. aber: seid ihr denn besser?)


karneval ist ja sowieso die verbrüderung von autohäusern und autoproduzenten mit prinzenpaaren.


das ist aber jetzt ein extra thema: der karneval.


aachen war mal wieder der untergang. (dieses krampfige vom “orden wider den tierischen ernst” erinnerte an die einstudierten sendungen mit florian silbereisen.)


ja, dass sich dann noch leute wie guido cantz oder ingo appelt oder jörg knör oder XY dafür einkaufen lassen! wahnsinn!


so wächst zusammen, was zusammengehört: der komiker, der sich überall prostituiert, wenn es geld gibt (das unterscheidet ihn vielleicht vom kabarettisten, der meist noch etwas wie moral kennt), dann aber diese seltsame feingesellschaft aus dem eurogress zu aachen.


mich hat es angewidert. ich habe mich dafür geschämt, ein deutscher zu sein. und auch dafür, solche politiker, wie die in den ersten reihen, als “humorvolle” (angeblich) in unserer (angeblich) führungselite zu haben.


das tut mir leid, aber auch die herrschenden oder die, die sich so fühlen, wollen eben nicht zum lachen oder zum gekünstelten lachen in den keller.


aber müssen die denn mit dem eigenstaatsgrinsemurks in den fernseher? muss das denn sein?


zieh du dir erstmal den gelben pullunder von genscher an. dann reden wir weiter. (ach ja: helau! der herr lindner ist saulustig. helau!)


nee, alaaf.





HOMEPAGE VON KLAU|S|ENS: http://www.klausens.com 

Worst.Case.Scenario. II

$
0
0
Vorab: Hier geht es um eine ungewollte Schwangerschaft, die Auswirkungen, Konsequenzen, ihr Ende und um die Randerscheinungen. Wer sich damit unohl fühlt, sollte nicht weiterlesen.

Freundliche Frau, die neue Frauenärztin. "Sie haben Zeit" ist ein beruhigender Satz und mittlerweile ist man auch alt genug, sich von einem "Ich will Sie nicht beeinflussen, AAABER..." unter Druck setzen zu lassen. Oder es zumindest als "unter Druck setzen" zu identifizieren und so wenigstens im Nachhinein hocherhobenen Hauptes als independent woman und nicht als Schluck Wasser in der Kurve durch die Stadt zu laufen. Ich habe immer noch nicht geweint.

Dafür in den letzten Tagen viel darüber nachgedacht, wie und wann man lieben Menschen Dinge sagt, vor denen man sie eigentlich beschützen möchte. Gut gemeint ist es ja, die Anderen beschützen wollen. Gleichzeitig setzt man sich über die Autonomie des Anderen hinweg, indem man ihm einfach die Möglichkeit entzieht, selbst mit der Situation fertig zu werden. Partnerschaftlich ist das nicht. Der Lieblingsmensch weiß Bescheid und ist lieb und ich fühle mich schrecklich erleichtert.

Ich habe Zeit, das ist gut, auf den Fotos, die die Ärztin mir mitgegeben hat, sieht man nur eine dunkle Blase inmitten von grauem Geschmodder, man kann es noch nicht einmal Embryo nennen.

Mein Blutdruck ist "grenzwertig", sagt die Assistentin, aber wie soll er auch anders sein, wenn ich vor Angst zitternd jede einzelne Seite meines Buchs zweimal lesen muss, um auch nur halbwegs den Sinn zu vrstehen?

Jetzt kann es weitergehen. In ein paar Stunden das große Gespräch mit dem Lieblingsmenschen. Ich muss noch lernen, mit den Schuldgefühlen umzugehen, die ich denjenigen gegenüber habe, die hoffen und probieren und es klappt und klappt nicht und ich kann nicht einmal sagen, wann etwas schief gelaufen ist. Aber wahrscheinlich ist das auch wieder eine Frage der Autonomie, die der Anderen und meiner, die ich durch solche Überlegungen nicht einschränken sollte. Nicht mehr nachdenken, so viel.

Was droht mir beim Containern?

$
0
0
Die einen tun es aus Protest gegen Konsum und Wegwerfgesellschaft, die anderen wollen einfach nur was umsonst: Containerer treffen sich an den Abfallanlagen von Supermärkten und durchsuchen diese nach essbaren Lebensmitteln. Das ist häufig ziemlich ergiebig, da täglich Tonnen von einwandfreien Produkten in diesen Anlagen landen. Diese Aktionen finden meist nachts im Schutz der Dunkelheit statt, denn containern kann illegal sein. Das mussten jetzt auch drei Studenten aus Witzenhausen erfahren, die deswegen vor Gericht stehen und im schlimmsten Fall mit drei Monaten Haft rechnen müssen.

Der Knackpunkt bei der Frage nach möglichen Gesetzesverstößen beim Containern ist, wie stark der Supermarkt seinen Müllcontainer gegen fremden Zugriff absichert hat. „Wer sich an einem unabgeschlossenen Container bedient, der offen zugänglich ist, hat am wenigsten zu befürchten“, erklärt der Duisburger Jurist Dr. Jürgen Weber die Rechtslage. Der Gedanke vieler Containender, dass zum Wegwurf bestimmtes Essen wertlos sei und somit auch kein Diebstahl, ist falsch. In Deutschland kann auch Müll einem Eigentümer zugeordnet werden, wer diesen mitnimmt, begeht prinzipiell eine Straftat. „Liegt der Wert der gestohlenen Gegenstände jedoch unter 50 Euro, so erfolgt die Anzeige nur, wenn der Supermarktbetreiber einen Strafantrag stellt“, so Dr. Weber. In diesem Fall ist man also auf die Milde des Betreibers angewiesen.  

Übersteigt der Wert der Waren 50 Euro, geht der Fall direkt an die Staatsanwaltschaft. „Auch hier liegt“, wie Dr. Weber sagt, „die weitere Verfolgung im Ermessen des Staatsanwaltes." Wenn kein sogenanntes öffentliches Interesse an der Verurteilung des Täters liegt, kann dieser die Anzeige fallen lassen, was im Fall des Containerns ziemlich wahrscheinlich ist.  

Ähnlich verhält es sich mit dem Tatbestand des Hausfriedensbruchs. „Dieser“, sagt Herr Dr. Weber „liegt vor, sobald ein offensichtlich befriedeter Besitz betreten wird, das heißt, der Containerer zum Beispiel über einen Zaun klettert.“ Auch hierfür erfolgt die Anzeige nur auf Antrag des Supermarktbesitzers. Schwerwiegender wird die Straftat, wenn beim Containern ein Schloss oder eine Tür beschädigt wird. In diesem Fall liegt eine Sachbeschädigung vor und das Interesse des Supermarktbesitzers, der jetzt einen tatsächlichen Schaden hat, an einer Strafverfolgung steigt. 

In diesem Fall empfiehlt sich der Satz „Das war schon so!“ Es liegt dann an der Staatsanwaltschaft dem Täter das Gegenteil zu beweisen, wie Rechtsanwalt Michael Heinemann aus strafrechtlicher Erfahrung rät.

Abgesehen von der rechtlichen Grundlage ist der erwischte Containerer auch davon abhängig, wie sehr der Geschädigte auf seinem Recht beharrt. Den meisten Supermarktbetreibern ist eher daran gelegen, einen solchen Vorfall nicht an die große Glocke zu hängen, denn Containern erfreut sich allgemein großer Sympathie. Die Problematik der Lebensmittelverschwendung ist bekannt und wenn ein Großkonzern wie Rewe Haftstrafen für Jugendliche verlangt, die sich nehmen, was er ohnehin weggeworfen hat, ist das natürlich nicht die beste Art der Publicity. Deshalb wird von einer Anzeige oft abgesehen.

Laut Erfahrungsberichten im Forum auf Containern.de ist auch unter Polizisten tendenziell eher Verständnis zu erwarten. Allerdings gilt auch hier: Vereinzelt trifft man sicher auch auf Polizisten, die mit dieser Form des Protests nicht einverstanden sind. Das Lexikon des guten Gewissens empfiehlt demnach, auch beim Containern im Rahmen des Legalen zu bleiben. In letzter Instanz entscheidet allerdings der Staatsanwalt, ob es zur Anzeige kommt.

Jetzt.de-Praktikant Piet van Riesenbeck, 22, hätte nach der Recherche fürs Lexikon lieber Jura studiert und würde Containerer auch nicht verknacken.  


Fünf Tipps zum Containern:

1. Kaputte Schlösser und Türen nerven den Marktbesitzer. Containern mit Sachbeschädigung führt daher eher zu Anzeigen

2. Wer über Zäune klettert, begeht Hausfriedensbruch. Containern gilt in Deutschland als Diebstahl. Bleibt der Warenwert unter 50 Euro, gilt der Diebstahl aber als geringfügig.

3. Wenn du dir unsicher bist, wo in deiner Stadt containert wird und welche Supermärkte prinzipiell dafür offen sind: Auf Seiten wie www.containern.de werden diese Dinge diskutiert.

4. Der Staatsanwalt entscheidet am Ende über die Strafverfolgung. Wenn bisherige Fälle hart bestraft wurden: Lieber Finger weg!

5. Nicht in Panik geraten! Die meisten Anzeigen werden im Laufe des Verfahrens fallen gelassen, eine Entschuldigung beim Supermarkt kann auch helfen.

Zwei Bücher mit Andreas Stichmann

$
0
0



Andreas Stichmann, 1983 in Bonn geboren, studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Er verbrachte längere Zeit in Südafrika und reiste durch den Iran. 2008 erschien sein Erzählungsband „Jackie in Silber“ im mairisch Verlag, für den er vielfach ausgezeichnet wurde – unter anderem mit dem Clemens-Brentano-Preis, dem Kranichsteiner Literaturförderpreis und dem Hamburger Förderpreis für Literatur. „Das große Leuchten“, sein erster Roman, erschien 2012 bei Hanser, wurde für den Bachmannpreis nominiert und mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis ausgezeichnet.


Teil 1: Die Neuerscheinung


Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel



jetzt.de: Du hast zwei Bücher mit dem gleichen Thema und vollkommen unterschiedlichen Betrachtungsformen ausgesucht: Es geht um das menschliche Bewusstsein? Was interessiert dich so sehr daran?
Andreas Stichmann: Mich interessiert das Bewusstsein als eine Art Abenteuerland. Dass die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit schwimmend ist, ist natürlich schon immer ein für die Literatur ergiebiges Thema. Schön ist aber, wenn man es auch für sich persönlich als etwas Befreiendes erleben kann. Also, das eigene Bewusstsein erforschen, um sich immer freier darin zu bewegen, wäre natürlich ein Ziel. 

„Der Ego-Tunnel“ ist das erste Sachbuch, das in dieser Kolumne besprochen wird. Liest du keine Gegenwartsliteratur?

Ab und zu schon, wenn mir was empfohlen wird oder ich selber sehr gespannt bin. Tendenziell eher etwas mehr Klassiker. Und den "Ego-Tunnel" wollte ich eh lesen, das war ein guter Anlass, das Buch hier vorzuschlagen.

Konkret zum Buch: Was ist der „Ego-Tunnel“ eigentlich?

Der Ego-Tunnel ist die Welt, die du erlebst, indem du sie in dir selbst baust. In diesem Buch geht es vor allem um das Selbst, um das eigene Ich, das eben auch nichts Festes ist, sondern so wie alles Übrige auch in einem kreativen Prozess besteht. Also, die eigene Geschichte, die Verortung als Körper innerhalb des Raums, aber zum Beispiel auch die Gegenwart, die ich brauche, um mich als mich selbst zu bestimmen, müssen erstmal konstruiert werden.

Als These setzt Thomas Metzinger voraus, dass das Ego ein transparentes mentales Bild ist. Als ganze Person schaut man durch das Ego hindurch, man erkennt es nicht. Anders gesagt, man sieht es nicht, sieht aber mit ihm.

Ich glaube, bei Metzinger läuft es auf eine sehr materialistische Denkweise hinaus, auf die Vorstellung, dass das Bewusstsein kein göttlicher und auf ewig rätselhafter Funke ist, sondern eine Funktion, ein Werkzeug, das sich entwickelt hat. Was hier überwunden werden soll ist dieses dualistische Bild, dass die Seele ein Vogel ist und der Körper ein Käfig, in dem der Vogel sitzt. Alles ist eins. Da wären sich der Materialist und der Esoteriker einig.

Wie geht Metzinger vor?

Was ich interessant finde ist, dass er von all diesen Gehirnforschungs-Thesen ausgeht, dass es keinen freien Willen gibt und so weiter, also sehr materialistisch argumentiert, dabei aber einen anderen, optimistischeren Ton anschlägt. Sonst hat man ja immer den Eindruck, die Gehirnforscher wollen einem was wegnehmen, wenn sie sagen: Pech gehabt, das Ich und der freie Wille sind leider nur eine Illusion. Metzinger feiert und lobt ja auch die Meditation. Er ist einer von den Leuten, die dabei sitzen, wenn bei Mönchen, die meditieren, die Gehirnströme während des Meditierens gemessen werden. Das ist doch spannend. Er fordert: Meditation in der Schule lernen! Aber nicht etwa im Religionsunterricht, sondern im Sportunterricht. Das finde ich gut.

Im Klappentext steht, „Der Ego-Tunnel“ sei Metzingers erstes Buch für ein breiteres Publikum. Konntest Du das so locker durchlesen oder ist das eher ein Buch, mit dem man in einen Lesesaal geht und beim Lesen den Textmarker besser nicht aus der Hand legt?
Es ist ein Buch, dass man auf dem Klo liegen haben sollte, um so alle paar Tage ein kleines Stückchen weiterzulesen. Den Textmarker weglassen und nicht alles bis ins Detail verstehen wollen, mal eine Seite überblättern, dann lohnt es sich.

Thomas Metzinger: Der Ego-Tunnel Piper Taschenbuch, München 2014 464 Seiten, 10,99 Euro   

Auf der nächsten Seite: Andreas Stichmann erzählt von einem Buch, das ein Psychiater geschrieben hat und gleichzeitig auch von einem handelt.
[seitenumbruch]

Teil 2: Das Lieblingsbuch



Ernst Augustin: Raumlicht: Der Fall der Evelyne B. 



In „Raumlicht“ wird die Geschichte eines jungen Arztes erzählt.
„Raumlicht“ ist eine phantastische Geschichte über einen phantastischen Psychiater, der sich einbildet, Schizophrenie heilen zu können. Während er seine Patientin in einem von ihm erbauten Labyrinth in einem Münchner Haus herumführt, als Teil seiner Heilungszeremonie, erzählt er uns, wie es dazu kam, dass er dieser geniale Mensch wurde, für den er sich hält, Abenteuerliches aus Indien und Afghanistan... Ich würde sagen: ein psychodelischer Abenteuerroman!

Wir haben das anscheinend unterschiedlich gelesen. Ich dachte, die Passagen mit der Patientin im Haus sind Imaginationen, eine zweite Ebene des Romans, und eigentlich eine große Metapher.

Ob das Imagination ist oder nicht, ist für mich nicht so entscheidend, weil diese Grenzen ja bei ihm ohnehin die ganze Zeit verschwimmen. Das obskure Spiegelkabinett, durch das er seine Patientin führt, erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich, klar. Aber seine Erinnerungen sind ja auch stark surreal eingefärbt. Was ich so liebe ist grade diese krasse, witzige Unzuverlässigkeit der Erzählstimme. Er hat so einen überheblichen Memoiren-Ton – und grade deshalb merken wir, dass er irgendwie auch spinnt. Ein Tonfall, der typisch für Ernst Augustin ist. Seine Ich-Erzähler sind immer „Experten“, denen man null glaubt und trotzdem gerne folgt.

Am meisten Spaß hat mir das Anecken des Erzählers in der Klinik gemacht. Wie er mit jeder Behandlungsmethode scheitert, seine Vorgesetzten beleidigt und am Ende seinen Job verliert. Ich glaube, das ist so gut, weil man das Gefühl hat, dass er sich gegen die richtigen Praktiken in dieser Klinik auflehnt.

Ja, er ist Enthusiast und Verlierer zugleich. Und ganz am Ende erscheint er mir dann doch genial. Vielleicht weniger als Arzt, aber eben als Figur und Mann. Er heiratet seine Patientin. Damit ist dann endgültig klar, dass er kein solider, zuverlässiger Arzt ist. Ernst Augustin ist ja selbst Psychiater und hat ein Krankenhaus in Afghanistan geleitet. In diesem wie auch in anderen Büchern geht es ihm glaube ich darum, dass jeder Arzt, grade der Psychiater, auch immer etwas im Dunkeln tappt. Niemand ist jemals wirklich seriös.

Augustin wohnt sogar wirklich in so einem verrückten Haus.
Ja, er hat ein Haus in München, das total verwinkelt ist, unterschiedliche Zimmer mit unterschiedlichen Themen, Wandbemalungen und sowas. Dieses Haus kommt im Buch in noch surrealerer Form vor und kann sicher als eine Metapher für den menschlichen Geist und das Bewusstsein gesehen werden. Man assoziiert: Geheime Türen, Sackgassen, Spiegelzimmer, Tunnel. Unterschiedliche Länder kommen vor, unterschiedliche Zeiten, Träume, Ängste... Das ist auch der Bezug zu Metzinger und zu dem, was mich in meinem eigenen Roman interessiert hat: Das Bewusstsein als Abenteuer. Als ein manchmal bedrohliches und abgründiges, aber immer auch faszinierendes Labyrinth.

Warst du beim Schreiben an deinem Roman beeinflusst von „Raumlicht“?

Ja, absolut, es ist ja eins meiner Lieblingsbücher. Bei Augustin reist der Held durch Afghanistan und Indien, und wir reisen mit ihm, und tauchen damit aber vor allem in seine Psyche ab. So ähnlich ist auch die Grundsituation in meinem Roman, in dem er Held durch den Iran reist, der aber nicht nur realistisch beschrieben wird, sondern eben auch mit den subjektiven Klischees und Bildern und Träumen beladen ist, die der Held schon mitbringt. Ein inneres und äußeres Abenteuer. Hoffe ich.  

Ernst Augustin: Raumlicht: Der Fall der Evelyne B. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009 352 Seiten, 9,90 Euro 

"Man sollte immer vom Schlechtesten im Menschen ausgehen"

$
0
0
Intrigen, Geheimnisverrat, Bauernopfer – Berlin ist derzeit ein bisschen wie Washington. Genauer: das Washington der Serie „House of Cards“. In der vergangenen Woche wurden Vorwürfe gegen den früheren SPD-Bundestagsabgeordnetne Sebastian Edathyöffentlich: Er soll auf der Kundenliste einer kanadischen Firma gestanden haben, die unter anderem kinderpornographisches Material verbreitete. Der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich soll die SPD-Spitze schon im Oktober 2013 über mögliche Ermittlungen informiert und damit Geheimnisverrat begangen haben. Am Donnerstag wies der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die Schuld von seiner Partei auf Hans-Peter Friedrich, weil der vertrauliche Informationen weitergab. 30 Stunden später trat Friedrich als Agrarminister zurück.

Wie geht man eigentlich mit Intrigen um? Gehört das vielleicht sogar dazu? Kann man sich wehren? Das haben wir Stefan Rippler, 29, gefragt. Er ist Journalist und Autor von „Jobintrigen – Erkennen. Durschauen. Abwehren“.





Hat geheime Informationen weitergegeben: Hans-Peter Friedrich, Innen- und Agrarminister a.D.


jetzt.de: Der erste Satz in deinem Buch lautet: „Politische Spielchen, in denen es um das Streben nach Macht geht, gibt es nicht nur im Bundestag.“ Da aber wohl schon besonders oft oder wenigstens besonders öffentlich. Ist das, was gerade zwischen Friedrich und der SPD gelaufen ist, eine klassische Intrige?
Stefan Rippler:
Klar könnte man sagen, dass durch eine Intrige der SPD jetzt ein CDU/CSU-Minister gefallen ist. In Wahrheit ist es eher eine Kombination aus unglücklicher Kommunikation und der partiellen Unfähigkeit zu eigenen Fehlern zu stehen. Die konkreten Folgen des Anrufs von Friedrich beim SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel konnte keiner der beiden wirklich absehen. Von einer lang geplanten Intrige, in der Friedrich ein Bauernopfer und der BKA-Chef Jörg Ziercke eine Marionette sind, kann man deswegen nicht sprechen.  

Verfolgst du wegen deines Buchs den Fall Edathy mit besonderem Interesse?

Ja, aber eher weil ich gespannt bin, ob sich daraus eine Geschichte für eine deutsche Version von „House of Cards“ entwickeln lässt. Und wie man für potenzielle Intrigenopfer Tipps und Tricks aus dem Verhalten der Beteiligten ableiten kann. „House of Cards“ ist neben „Homeland“ und „Game of Thrones“ eine meiner Lieblingsserien.  

Welche
Tipps und Tricks sind dir im Fall Edathy bisher aufgefallen?
Man sollte sich stets überlegen, wann man wem welche Information offenbart, und vor allem sollte man wissen, welche Konsequenz das haben kann. Man sollte immer vom Schlechtesten im Menschen ausgehen und sich fragen: Wie kann jemand diese Information gegen mich verwenden? Erst wenn man darauf eine Antwort hat und die Folgen abschätzen kann, sollte man kommunizieren. Vorher nicht. Wenn Kommunikationswege einzuhalten sind, qua Hierarchie oder Gesetz, muss man sich genau überlegen, was es bedeutet, wenn man davon abweicht.  

Am Tag von Friedrichs Rücktritt startete die zweite Staffel von „House of Cards“. Viele vergleichen das, was in Berlin passiert, mit der Serie. Zurecht?

Berlin und Washington schenken sich nicht viel in Sachen Intrigen-Dichte. Sobald es – ob in Politik oder im Job – um Beförderungen, Macht und Geld geht, ist die Intrigen-Gefahr immer sehr hoch. Annette Schavan vermutet zum Beispiel eine Intrige des anonymen Plagiatjägers. Oder Bettina Wulff: Sie musste lange juristisch gegen die Behauptung ankämpfen, sie habe im Rotlichtmilieu verkehrt. Politiker-Karrieren mit Frauen-Geschichten zu schaden ist ein Klassiker.  

Welche Formen der Intrige gibt es?

Das Gerücht ist am häufigsten. Eine gemeine Unterstellung wie: „Hast du auch bemerkt, dass Max in letzter Zeit oft Augenringe hat? Ich meine, ich habe sogar schon mal eine Alkoholfahne bemerkt.“ Wenn das jemand weiter tratscht, wird das schnell zu: „Ich habe gehört, Max ist Alkoholiker“. DasSchlechtmachen vor anderen ist ein Klassiker, mit der führungsschwache Vorgesetzte versuchen, ihre Mitarbeiter kleinzuhalten: Und dann gibt es noch das „Ins-Messer-laufen-lassen“.

Wie geht das?
Wenn man ein Projekt übertragen bekommt, das längst als verloren galt oder viel zu groß ist, sodass man völlig überfordert ist und scheitern muss.

Zum Beispiel?
Den Berliner Flughafen.  

Dann ist Hartmut Mehdorn Opfer einer großen Intrige?

Ich glaube, dass er seiner Karriere damit geschadet hat, ja. Dahinter eine Intrige zu vermuten, wäre aber vielleicht etwas weit gegriffen.



                                     Stefan Rippler

Was kann man von „House of Cards“ über Intrigen lernen?
Sehr viel. Das Wichtigste: Augen und Ohren immer offen halten und stets hinterfragen, warum jemand so handelt, wie er handelt. Spätestens, wenn man das nicht nachvollziehen kann, sollte man vorsichtig sein. Das darf aber auch nicht bedeuten, dass man allem und jedem gegenüber misstrauisch sein oder jeden Tag Angst um seinen Job haben muss. „House of Cards“ oder auch Strombergs Real-Satire zeigen einem die besten Beispiele für Intrigen. Nur wie man im wirklichen Leben damit umgeht, verrät einem kaum einer. Deshalb habe ich mit einer befreundeten Kollegin ein Buch über Intrigen geschrieben.  

Wie schützt man sich vor Intrigen?

Davor, dass einen jemand ins offene Messer laufen lässt: indem man keine Aufgabe übernimmt, die einem nicht schlüssig erscheint, oder von der man weiß, dass sie einen völlig überfordert. Gerade wenn man ein Bauchgefühl hat oder nicht versteht, warum man für ein Projekt gefragt wurde, sollte man lieber recherchieren, was das Projekt bedeutet, und auch mal „Nein“ sagen.  

Und wenn es passiert ist, wie reagiert man am besten?

Wenn man weiß, wer zum Beispiel hinter einem Gerücht steckt, würde ich den Intriganten direkt ansprechen, in einem Vier-Augen-Gespräch oder mit einer Vertrauensperson. Wurde man vor anderen bloßgestellt – einfach ignorieren. Wenn einen jemand ins Messer laufen ließ: Belege sammeln, dass man nichts mit dem Scheitern des Pro­jektes zu tun hat.

Und wenn ich in eine Intrige eines anderen hineingeraten bin?
Manchmal hilft, wie beim Gerücht, eine direkte Konfrontation mit dem Intriganten. Wenn man regelmäßig über- oder umgangen oder mit fiesen Sticheleien gemobbt wird, das direkte Ansprechen beim Vorgesetzten. Was jedoch nie hilft: zurück intrigieren.  

Wie viel Intrige braucht die Karriere?

Gar keine. Intrigantes Verhalten findet man vor allem in Konkurrenzsituationen: wenn ein Stellenabbau droht oder ein Team-Mitglied befördert werden soll. Aber niemand braucht unfaire Mittel, wenn er durch Leistung überzeugen kann.  

Gibt es Situationen, in denen es okay ist, bei einer Intrige mitzumachen?

Bei Intrigen mitzumachen ist nie okay. Sollte bei einem ungerechten Chef ein direktes Gespräch nicht helfen, bringt vielleicht ein Austausch mit ihm und anderen Mitarbeitern etwas. Erst wenn das nichts bringt, ist ein Gespräch mit ihm und seiner Führungskraft die nächste Eskalationsstufe. Aber kein Putsch!  

Kann man im Job überhaupt jemandem vertrauen?
Nein. Wenn es hart auf hart kommt, ist man im Job immer sich selbst am nächsten. Klar wird es immer Kollegen geben, die zu Freunden werden. Aber Vertrauen ist im Privatleben immer etwas anderes als im Job.

Knast & Furious - Part II/II

$
0
0
Knast and Furious: Part II/II

 


Was bisher geschah:


Mancini, ob schuldig oder unschuldig, ist verknackt worden und der Newcomer im Knast. Bis hier hin ist auch alles normal und ganz okay. Allerdings sitzt Mancini wegen Vergewaltigung und das haben die anderen Insassen, unter anderem Joe und Rich, überhaupt nicht gern. Sie prophezeien seinen baldigen Tod, machen Anspielungen auf seine analen Eingänge und verspotten ihn. Als sie in einem stillen Moment den  Neuankömmling höhnisch fragen, wie er denn seinen letzten Tag in Freiheit verbracht hat, ergreift Mancini die Chance in die Offensive zu gehen…


(Zu Teil 1  -  http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/585004/Knast-Furious-Part-I-II )


 


Ich schritt zu den Gitterstäben, damit auch jeder lauschen konnte.
„..Ihr Jungs habt das gestern vielleicht nicht so ganz mitbekommen, aber gestern war n ziemlich sonniger Tag. Und wenn ich Sonne sehe, kriege ich immer gute Laune. Und bei guter Laune kriege ich Hunger. Ich ziehe mir also mein Lieblingsshirt an, mit Mickey Maus drauf und gehe ins QuarterBeef. Weiß hier vielleicht einer, was das QuarterBeef ist?“


„N Steakhaus!“ rief einer rein. Schlaues Kerlchen.
„Genau mein Lieber. Das nächste mal aber bitte mit Meldung. Obwohl…nein. Nicht ganz richtig. Es ist nicht nur ein scheiß-normales Steakhaus. Es ist das Beste, weit und breit. Jedes Steak schmeckt dort besser als jede Möse, die man lecken kann, könnt ihr mir glauben…“
Mit der Beschreibung konnten sie wahrscheinlich nicht viel anfangen. Die Jungs hier hatten höchstens den Schwanzgeschmack ihres Zellennachbars im Mund. „Jedenfalls sitze ich im QuarterBeef und ich weiß natürlich, dass ich bald bei euch landen werde, also denke ich mir: Mancini, bestell dir den teuersten Shit, denn ab morgen gibt es nur noch Scheiße mit Reis zum Mittag. Und während ich mich schon auf mein ultra-geiles-argentinisches T-Bone-Steak freue, kommt da diese scharfe, blonde Bedienung…“
„Hast’ die auch Vergewaltigt, mh?“ rief Hässlon-Rich dazwischen. Ich ignorierte ihn und erzählte weiter.
„…Ich frage erst, wie sie heißt, bevor ich das Steak bestelle. Sie heißt Catrin und hat bald Feierabend, also bestelle ich zu meinem Steak noch ne ganze Flasche Wein. Den Teuersten, den sie da auf der Karte hatten. Glaube, nicht einmal der Besitzer des Schuppens wusste, wie das rote Gold schmeckt…“
„Wie sah Catrin aus?“ hakte einer nach. Er fragte höflich, also ging ich auf auf seine Frage ein.„Schmale Hüften, wunderbare, von Gott persönlich geformte Titten, weder zu groß, noch zu klein, ein Lächeln, dass mir eigentlich scheiß egal war, aber in dem Fall… unglaublich. Glaube, die hat nur Steaks serviert, weil ihre Modelagentur gerade ne riesige Warteschleife am Start hat… jedenfalls, esse ich erst mein saftiges Steak, weil Catrin erst in zwanzig Minuten Feierabend hat. Ich stecke meine Gabel in das zarte Fleisch und….mhhh….schmeckt das köstlich.“
Ich war so gut im Geschichten erzählen, dass sogar mein eigener Magen knurrte. Und die der anderen Insassen schlossen sich an. Das wollte ich erreichen.
„Ich schaffte leider nicht alles (Dabei musste ich schadenfroh grinsen) das Zeug war einfach zu viel. Aber ich musste mich auch nicht länger damit beschäftigten, denn Catrin saß sich endlich zu mir. Die Einzelheiten wollt ihr nicht wissen, ich mein, wen interessiert schon ihr Lieblingsfilm und ihre schwierige Schulzeit? Jedenfalls verträgt Catrin leider keinen Wein, egal wie teuer er ist und aus der schüchternen, schönen Bedienung wird ein geiles, versautes Luder, die mich im Battle mit sexuellen Anspielungen um Längen schlägt…wir gehen also in meine Karre, habs vor dem Steakhaus geparkt und kaum angekommen, löst die ihren Zopf, züngelt an meinem Hals und zieht sich nebenbei das Oberteil aus. Multitasking vom Feinsten, sag ich euch…“
Ich wusste nicht, ob es Einbildung war, aber ich hätte schwören können, dass neun von zehn da drin gerade an ihrer Nudel rumspielten, während sie meinem Catrin- Porno lauschten. Also genau der perfekte Zeitpunkt, um n Abflug zu machen. Sollten sie es sich doch gegenseitig zu Ende bringen.
„Ich hatte also ihre Titte an der einen Hand und in der anderen…(ich spiele verwundert) Oh. Schlafenszeit, Männers. Ich halte mich und Andere wirklich ungern vom Schlafen ab, ausser der Grund dafür ist guter Sex mit Oreokekse danach. Da ihr nicht im Besitz vom Letzteren seid…schlaft schön!“
Ich nahm Abstand vom Zellentor und freute mich schon auf meine Matratze, als das Publikum des großen Mancini eine Zugabe wollte.
„Hey, Mancini, komm wieder Mann, wie ging die Geschichte aus?“
„Ja, was war mit Catrin alter? Was hattest du an der rechten Hand?“ (Der hatte wirklich Druck)„MANCINI!“
Ich kehrte zurück zu den Gitterstäben.
„Einige von euch wollen an meinen Arsch“ sagte ich Ernst. „Wir schließen einen Deal. Ihr lasst meinen Arsch in Ruhe und ich erzähle euch die Story morgen weiter. Einverstanden?“
Ich erkannte sofort Rich’s Stimme
„Hey, Mancini, Mann, ist doch nur Knasthumor alter. Komm schon, erzähl uns, was du mit der Barbie angestellt hast! Hast sie noch ordentlich gepimpert, mh?“
In dem Moment war ich ein bisschen sauer auf Gott. Warum vergessen Männer all ihre edlen Prinzipien, wenn es um das köngliche Zepter zwischen ihren Beinen geht?
Wäre ich als Frau geboren worden, wäre ich ein ziemlich gutes Flittchen gewesen. Eins von den Flittchen, die sich nuttig anziehen, die einen aufgeilen, aber dann, wenn du denkst, dass du einen Stich landen kannst, dir einen Riegel vor ihre Möse setzen.
„Okay, okay. ich glaub euch, Jungs, wirklich. Aber der Glaube bringt uns alle nicht weiter, jedenfalls bringt er uns hier nicht heraus, das heißt, ihr werdet genau so morgen Nacht hier sein, wie ich morgen Nacht hier sein werde. Und mal angenommen, mein Arsch bleibt Jungfrau…Tja Jungs, dann könnt ihr euch morgen auf eine erstklassige Story freuen.“
Unzufriedenes Gemurmel füllte die Korridore.
Das hieß, ich hatte sie am Sack. Mann, mann, Mancini, keine 2 Stunden hier und schon kleben sie dir alle am Arsch…nicht nur nicht sexuell, sprach ich in Gedanken zu mir selbst.
Catrin, Baby, wenn ich gewusst hätte, dass du eines Tages meine Lebensversicherung sein würdest…dann hätte ich mich noch mal bei dir gemeldet..
„Rich, hör mal her“ rief der Insasse mit der Bubistimme laut. Das Gemurmel verstummte.
„Wasn los, Joe?“
„Sag mal, wie oft hast du n dieses Jahr auf den roten Knopf gedrückt?“
„Noch gar nicht, Joe…Warum?…Meinst du etwa…?…“ fragte Rich ungewohnt verunsichert.
„Ob ICH meine?“ antwortete Joe „JUNGS…“ er richtete seine Stimme in Richtung der Korridore und damit in die, der anderen Insassen „…was meint IHR denn?“
Gebrüll brauch aus. Lautes Gebrüll. Zustimmendes Gebrüll. Joe fehlte nur noch n Seitenscheitel n und die Frage nach dem totalen Krieg und er wäre glatt als Knast-Goebbels durchgegangen
„JAAAAA, DRÜCK DRAUF! TU ES RICHY BOY! MACH ES!! JAAAA!”
Ein kurzes, lautes Piepen ertönte. Irgendetwas sagte mir, dass er jetzt den Knopf gedrückt hatte. Ich war ziemlich gespannt, was als nächstes passieren würde. Es war schon recht spät…
Würden die Beamten sauer sein, weil sie vielleicht beim Brötchen essen gestört wurden?
Würden sie Joe und Rich vor uns allen abduschen, mit verkalktem, eiskalten Wasser aus einem halb-verwesten Gartenschlauch?
Hässlon-Rich’s Stimme erklang wieder.
„Guten Abend Herr Wachtmeister…Hier ist einer…also dieser Vergewaltiger Mancini….und der will uns seine Story einfach nicht weitererzählen…und ich kann einfach nicht schlafen, wenn so was passiert. Niemand kann das…“ er wandte sich dem Korridor zu „…oder Jungs, hab ich Recht oder was?“
Wieder stimmten alle zu.
Die monotone Beamtenstimme antwortete unverzüglich über die lauten Gefängnislautsprecher:
„Okay, wir klären das unverzüglich ab.“
Das war er also, der Begrüßungsscherz für Neuankömmlinge. Am Ende würde es wahrscheinlich Konfetti regnen und alle Insassen würden mich mit einer Umarmung Willkommen heißen. Und sich für den rauen Ton anfangs entschuldigen.
„Sir, Herr Wachtmeister“ hörte ich Rich bitten „Lassen sie uns das erledigen….mühen sie sich nicht ab…es ist schon spät..“
„Wie ihr wollt Jungs.“ antwortete der Lautsprecher.
Dann ertönte wieder das kurze Piepen, und das Licht in allen Korridoren ging an. Wieder ertönte ein Piepen und ich hätte mich fast auf die Fresse gelegt. Mein Zellentor öffnete sich.
Und das der anderen Insassen gleich mit.
Mein Herz, oder was auch immer an diesem Ort davon übrig war, rutschte mir ruckartig in die Hose. Ich blickte hinunter. Sie traten alle aus ihren Zellen raus und fingen an, Dehnübungen zu machen. Sie ließen sich Zeit beim aufwärmen und sahen nicht aus, als hätten sie es wirklich eilig. Aber ihr Ziel und ihre Absicht war in ihren Gesichtern klar zu erkennen. Mister Mancini, Storyteller und Verurteilter.
Sie mussten meine Gedanken gelesen haben, denn wieder fingen sie an zu lachen.
„HAHRRHAHRHAHR HARHAHRHAHR”
„Jungs!“ rief ich, in meiner Verzweiflung „I-ich erzähl euch die Story doch gern weiter…a-a-also ich bi-bi-n da mit Catrin und und…“ Scheiße, wie ging die Story weiter? Ich war ziemlich im Arsch. Und ich würde heute Abend nicht der einzige dort bleiben.
Ich lief zum roten Knopf am Ende meiner Zelle und drückte unzählige male hektisch drauf.
„Komm schon, komm schon, fang an zu Piepen, hol mich hier raus…“
„Ja, Herr Mancini?“ meldete sich die Beamtenstimme Anteilnahmslos. Fast schon gelangweilt.
„VERDAMMT, HOLEN SIE MICH HIER RAUS, HIER IST NE HORDE MÄNNER, DIE WOLLEN MIR AN DEN ARSCH” Ich hörte das Gelächter der Häftlinge
„FUCK, FUCK, HELFEN SIE MIR, MACHEN SIE DIE TORE ZU!“
„Mh“ überlegte der Beamte. Das bekannte, angedeutete Grinsen war nicht zu überhören.
Jetzt kannte meine Panik keine Grenzen mehr.
„KOMMEN SIE SCHON, MANN, HOLEN SIE MICH HIER RAUS, BITTE!“
Die Kraft in meinen Knien verabschiedete sich langsam. Ich sackte zu Boden.
„Sie sitzen ziemlich in der Tinte nicht wahr?“ sprach der Lautsprecher zu mir. Immer noch grausam belustigt.
„He, Mancini, wir stören doch nicht oder?“ Ich blickte zurück. Hässlon-Joe und Bubi-Rich hatten meine Zelle als Erstes erreicht und schauten mich gespielt besorgt an. Nur noch das armer, armer Schwarzer Kater fehlte.
„Tja Rich, alter Sack…sieht wohl so aus, als hätte keiner von uns Beiden die Wette gewonnen, was?“ fragte Joe.
„Juckt mich nich, ich teil’ gerne mit dir.“ antwortete Rich gierig. Und auch die restliche Meute versammelte sich hinter den Beiden und begann, wie auf Kommando im Chor zu rufen.
„HOSE RUNTER, HOSE RUNTER, HOSE RUNTER“
Ziemlich Musikalischer Knast ging mir durch den Kopf. Vielleicht würde mir Galgenhumor Bevorstehende erleichtern.
„Los, kleiner“ sagte Rich und reibte sich seine behaarten Hände, wie jemand, der das erste mal nach langer Zeit wieder einen Döner vor die Linse bekam „…erzähl uns doch die Geschichte ruhig weiter, während du dich umdrehst und uns dein schönes Popöchen zeigst?!“


„Kröpcke“.
Eine monotone Frauenstimme erklang in den Lautsprechern der Straßenbahn und riss mich aus meinen Gedanken. Hier, am Kröpcke, würde meine Reise also Enden. Ich hörte auf, aus dem Fenster zu gucken und beobachtete, wie die ersten Fahrgäste aufstanden.
Als die Bahn gänzlich stoppte, fragte ich mich, ob die Frau hinter der monotonen Stimme vielleicht auch eine Beamtin war.
Und vor allem, ob sie auch ständig die selben Brötchen aß.
www.karmagedd0n.wordpress.com 

So la la

$
0
0
Blumentopf - So la la

https://www.youtube.com/watch?v=imBvAPQCD4E


Ich wär dann soweit

$
0
0
Liebes Tagebuch,

ich wäre dann soweit. Nachdem Felix Magath nun in England weilt und hochbezahlten Millionären Beine macht, unsere Wintersportler in Sotchi um Medaillien kämpfen, halte ich die Stellung in Good Old Germany. Kommen wir nun zu Waldpilz, bzw. was Waldpilz mit diesem Tagebuch zu tun hat. Wenn ich ehrlich bin gar nichts, aber es war das einzige was mir sofort einfiel. In der Hoffnung, dass niemand diesen Namen verwendet. Ich lag wohl richtig! Gerne könnt Ihr mir in den Kommentaren hier euren Lieblings-Waldpilz hinterlassen. In diesem Sinne - einen schönen Abend!

http://www.youtube.com/watch?v=YCVNVFpZOqY



Italien 2013

$
0
0
mal was Anderes / irgendetwas bleibt








Eat. Reproduce. Survive.

$
0
0
Eat. Reproduce. Survive.
Alles wurde erzählt. Geschichten drehen sich immer um die selben Dinge: Macht, Liebe und Gewalt. Komplexe Beziehungen passen nicht auf den Boulevard, auch nicht in 120 Minuten Kinofilm, egal wie hoch die Auflösung oder Bildfrequenz eingestellt wird. Dass es um Liebe geht wird auch besser mit nackter Haut verdeutlicht, damit es jeder versteht und gleichzeitig die grundlegenden Triebe angesprochen werden.
Sex. Sells. Profits.
Machen wir uns die Welt nicht ein bisschen einfach, wenn wir alles in entweder-oder-Beziehungen setzen? Leben oder sterben, Privatsphäre oder Facebook, gut oder schlecht, fröhlich oder traurig, reich oder arm, erfolgreich oder nicht. Selbst kleine Kinder lernen schnell die Welt zu beeinflussen indem sie einfache Zusammenhänge befolgen, die jedem Algorithmus zu Grunde liegen.
If. Then. Else.
Wir leben es ja so vor: befolge die Regeln/Konventionen/Vereinbarungen und du wirst belohnt, ansonsten droht Strafe. Dabei ist der Unterschied in der konkreten Umsetzung lediglich im Bezug auf die Auswirkungen auf die Psyche des Kindes und die Konformität mit den jeweils geltenden Gesetzen zu finden. Schläge als Erziehungsmittel sind gerade in Südafrika noch weit verbreitet, wiewohl sie verboten und erwiesenermaßen ineffizient sind. Doch viele kennen es nicht anders von ihren Eltern und Großeltern, von Freunden und Bekannten. In Deutschland ist der Entzug von zuvor in Aussicht gestellten Belohnung beliebter, auch wenn dieser Weg von den Eltern mehr Geduld erfordert. 
In einem Cartoon von Hardin sind es die Tiere die für sich „Eat. Reproduce. Survive.“ wiederholen während der Mensch der einzige ist, der sich fragt „What's it all about?“. Wie oft aber erlebt man im Alltag Menschen, die scheinbar auch nichts anderes denken als „Eat. Reproduce. Survive.“? Vielleicht auf einem höheren Niveau. Mit Kaviar, Champagner und digital veröffentlichtem Beweis, dass man noch lebt, dass man gerade isst, dass man sich fortpflanzt. Es ist leichter das Leben zu genießen, wenn man es nicht hinterfragt. Und unser Leben ist voller Möglichkeiten, sich vom Grübeln abzuhalten. Pflanzliche und chemische Substanzen, mehr Filme als ein Mensch jemals sehen kann und so viel Musik, dass man problemlos unterbrechungsfrei bis zur Taubheit oder dem völligen psychischen Zusammenbruch hören kann. Warum brauchen wir so viel Ablenkung? Können wir denn nicht einfach mit der unter normalem körperlichem Zustand von der Mehrheit der Menschen wahrgenommenen Wirklichkeit leben? Kann es denn sein, dass Menschen es nicht aushalten ohne existentielle Gefahren zu leben, jedenfalls nicht ohne Ablenkung? Wenn die Karriere nicht ausreichend befriedigt, wenn Ruhm und Macht nicht mehr reichen, dient dann all die berufliche Zielstrebigkeit nur der Finanzierung bewusstseinsvernebelnder Substanzen?Hat das Leben auch einen Sinn, wenn man ihm keinen gibt und wie kann der aussehen?
„What's it all about?“
Ohne mich in die Reihe der Faust-Zitierer einreihen zu wollen, scheint mir die zentrale Fragestellung doch dieselbe zu bleiben, egal wie fortgeschritten die Menschheit sich glaubt. Mag sein, dass Philosophie ein Stück weit die Kunst des Unglücklichseins ist und die Antwort auf die grundlegenden Fragen mit dem Vielfachen der Zahl Sechs zu beantworten sind. Und dennoch, ist das Grund genug, all das einfach zu verdrängen, um weiter Beziehungsratgebern und hoher zu fröhnen?
„Polizei beginnt Erstürmung des Maidan“, „Kinder verhungern in Shanghai“ und alle zwei Minuten wird in Südafrika eine Frau vergewaltigt. Ist es das, was wir wollen oder zumindest in Kauf nehmen? Liefern wir uns ein Wettrennen mit der Entwicklung des Klimas und überprüfen, ob wir uns nicht schneller selbst vergiften können.
Warum. Justifiez votre response. Wofür und mit welcher Berechtigung? Vielleicht hilft es ja schon die drei Worte neu zu wählen, auch wenn das die Welt nicht langfristig zusammenhalten wird, nicht im Innersten und nicht im Äußersten. Aber vielleicht machen machen sie unser Leben zu etwas, von dem wir uns nicht mehr ständig ablenken müssen.
Trust. Help. Enjoy.

Die Bombe tickt

$
0
0
Das Szenario: Du kommst nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause. Schon als du den Schlüssel ins Schloss steckst, kommt der kleine Bello angehüpft, um mit seinem Schwanz gegen die Tür zu wedeln. Ein behutsamer Krauler über den Kopf beruhigt ihn wieder. Während du deinen Lieblingsmantel an den Haken hängst, nimmst du einen süßlichen Duft aus der Küche war. Ach ja, heute ist wieder Mittwoch, denkst du dir. Mittwochs ist immer Pasta-Tag. Bevor dein Partner die Nudeln aufsetzt, willst du aber noch kurz eine Runde auf dem Hometrainer laufen. Damit man die Spaghetti nicht sofort auf der Hüfte spürt, wie du zu sagen pflegst. Erst als deine Gedanken während dem Joggen abschweifen, fällt dir auf, wie viele Tätigkeiten für dich mittlerweile schon zu Gepflogenheiten geworden sind. Und, dass sich dein Leben, wenn du nicht gerade arbeitest, nur noch in den eigenen vier Wänden abspielt.

Du steigst vom Laufband, dessen Anschaffung sich deiner Meinung nach wirklich gelohnt hat, und versuchst dich abzulenken. Im Flur durchstöberst du die Tagespost nach Brauchbarem. Zwischen den Prospekten und den Briefen deiner Mutter entdeckst du einen Flyer. Richtig, die nächste Wahl steht ja an. Das Gesicht auf der Vorderseite blickt dir mit einem wohlwollendem Grinsen entgegen. Dieser Moment heitert dich etwas auf und gibt das Gefühl von Geborgenheit. Ach, was waren das wieder für alberne Gedankenspiele, du wirst doch nicht alt, sagst du dir und steigst in die Dusche. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass du zurzeit den Mittagsschlaf auslässt, murmelst du noch während du nach der Munddusche greifst. Zwei Wochen später wählst du die CDU.


Zuhause Wein trinken ist viel günstiger und gemütlicher! Kennst du diese Fallen des Alters?

Na gut. Das ist vielleicht etwas überzogen. Dafür unbestreitbar: Es gibt sie, die Altwerd-Fallen. In den meisten Restaurants kriegt man die Nudeln auch einfach nicht al dente – wie soll das auch funktionieren bei all der Hektik in der Küche. Generell, in der kalten Welt da draußen. Und der Wein schmeckt im eigenen Wohnzimmer nicht nur besser, sondern ist auch günstiger!

Wer es sich in seinem (Eigen)Heim gemütlich macht, hat auch ein Recht darauf, es sich gut gehen zu lassen. Trends müssen ja nicht immer mit Jugendlichkeit assoziiert werden, oder? Einmotten ist das neue Ausgehen!

Hast du auch Angewohnheiten oder Gegenstände, die zwar irgendwie altbacken sind, auf die du aber nicht verzichten möchtest? Nerven dich deine Freunde damit, dass du keinen Alkohol mehr trinkst, seitdem du den Führerschein hast? Meinst du nicht auch, dass Diskos überfüllt sind, DJs nur noch Lärm spielen und die Musik über die eigene Stereoanlage einfach am besten klingt? Wie stolz bist du auf deinen Rasenmäher? Teile mit uns deine Altwerd-Fallen!

Tagesblog - 19. Februar 2014

$
0
0
09:59 Uhr: Ich bin schon eine Weile zurück aus der Konferenz bei den Kollegen von Süddeutsche.de. Da ging es vor allem um die Proteste in der Ukraine und den Fall Edathy. Und die Frage, warum Angela Merkel immer mehr aussieht wie Prinz Eisenherz. Ich nehme das mal mit in unsere jetzt.de-Konferenz, die in dieser Minute beginnt.

++++

08:35 Uhr:
Es gibt Situationen, da merkt man, dass man älter wird. Wenn man sichs zu Hause so schön eingerichtet hat, dass man nicht mehr vor die Tür gehen mag zum Beispiel. Im Ticker fragt unser Praktikant Julian heute, welche Altwerd-Fallen ihr noch kennt.

++++

08:20 Uhr:
Alle, die gestern Abend ferngesehen haben, haben sich vielleicht auch gefragt, warum die ARD zu jedem Scheiß Sondersendungen bringt, aber zu den Protesten in der Ukraine nicht. Meine Twitter-Timeline hat ziemlich geschimpft. Zurecht!





Die Öffentlich-Rechtlichen dürfen dafür gern woanders sparen. Bei "Telenovelas". Faschingssendungen. Groß- und Kleinstadtrevieren. Landschaftsaufnahmenromanzen. Ach, bei fast allem.

++++

08:10 Uhr:
Guten Morgen! Ja, das mit dem Pünktlichsein, das Charlotte gestern angekündigt hat, stimmt. Aber nicht freiwillig oder weil ich - ha! - passionierter Frühaufsteher bin. Sondern weil ich Angst vorm Zuspätkommen habe. Nach einer kurzen Recherche stelle ich fest, es scheint dafür keinen medizinischen Fachbegriff zu geben. Dabei gibt es den für alle Phobien, die man sich denken kann, sogar für die Angst vor quecksilberhaltiger Medizin. Die heißt: Hydrargyophobie.

Drei, zwei, eins –Ärger

$
0
0
Drei, zwei, eins – meins: Die Auktions-Plattform Ebay möchte unkompliziert sein, aber den Käufern auch Sicherheit bieten. Verkaufen, heißt es auf den Webseiten des Unternehmens, könne dort „jeder wie ein Profi“ – „nur, dass das jetzt ganz einfach ist“. Da sollte es doch auch leicht sein, eine Auktion zu beenden, dachte sich Marcel Thomas. Doch der 30 Jahre alte Industriekaufmann aus Mülheim an der Ruhr musste lernen, dass die Ebay-Welt auch kompliziert sein kann. Auktions-Abbrecher werden von anderen Nutzern regelrecht gejagt. Juristisch gab es kaum Auswege. Bis jetzt – denn nun macht ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) das nachträgliche Beenden einer Auktion erheblich einfacher.



Das Internetauktionshaus Ebay wehrt sich gegen "Abbruch-Jäger"

Aber was war überhaupt passiert? Thomas stellte seine Playstation 4 als Auktion ein und bot die Konsole zeitgleich auch bei Ebay-Kleinanzeigen an. Dort meldete sich sofort ein Käufer und machte ein gutes Angebot: 480 Euro auf die Hand, Abholung an der Haustür und das Beste: Thomas würde etwa 50 Euro Ebay-Gebühren sparen. Er war hin- und hergerissen, doch ein Klick auf „Auktion abbrechen“ bei Ebay genügte und Thomas jubelte: „Dort stand, dass ich Auktionen, die länger als zwölf Stunden dauern, ,ohne Einschränkungen’ abbrechen kann.“ Er wählte „alle Gebote streichen“ und fühlte sich sicher. Doch dann kam eine Nachricht eines Nutzers, der als Höchstbietender der abgebrochenen Auktion fragte, was denn aus der Playstation 4 geworden sei. „Ich schrieb, dass ich laut Ebay abbrechen durfte und die Konsole anderweitig verkauft habe.“

Das war das Startsignal für den Fragesteller, der sofort eine Drohkulisse aufbaute: Entweder Thomas liefere zum Schnäppchenpreis die Konsole oder er müsse Schadensersatz zahlen. Nach einer Bedenkzeit von drei Tagen, hieß es in der E-Mail weiter, würde sonst ein Anwalt die Sache in die Hand nehmen. Darunter standen sogar Name und Adresse von Thomas, die Ebay vorsorglich herausgegeben habe. Das saß. „So schnell handelt keiner, der nur eine Konsole will.“ Thomas untersuchte das Bieterprofil des E-Mail-Schreibers und fand: Innerhalb von 30 Tagen hatte dieser bei 864 Auktionen immer nur einmal auf eine Playstation 4 oder ein iPad Air geboten. Dem Bewertungsprofil zufolge ersteigerte er aber nichts davon – zumindest in keiner normal beendeten Auktion. Dass dahinter ein System steckt, wurde ihm klar, als er im Internet nach dem Ebay-Pseudonym googelte. Er fand zehn weitere Fälle, die derselbe Bieter nach einem Auktionsabbruch unter Druck gesetzt hatte. „Das Phänomen nennt man Abbruch-Jäger“, weiß er heute.

Konstantin Wehrhahn betreut die Webseite falle-internet.de und sammelt auf auktionshilfe.org Fälle von Abbruch-Jägern. Er sagt, dass es „ganze Ebay-Kategorien“ gibt, „in denen alle Angebote beboten“ werden. Bei bis zu 2000 Auktionen bieten diese Jäger mit, immer geht es um begehrte Objekte wie Smartphones, Tablets, Notebooks. Sie böten nie so viel, dass sie gewinnen werden und lägen bloß auf der Lauer. Die Logik dahinter ist simpel: Je teurer ein Produkt, desto stärker der Druck auf den Verkäufer, die Auktion abzubrechen, wenn es schlecht läuft. Außerdem steigen bei wertvollen Artikeln die Ebay-Gebühren und damit die Verlockung, sich abseits der Auktion mit einem Käufer zu einigen.

Sind die Jäger bei einem Abbruch Höchstbietender, schlagen sie zu. Die Masche gibt es schon länger, manche dieser Jäger wurden von Ebay auch schon gesperrt. Auf Anfrage äußert man sich beim Internetauktionshaus aber nur allgemein, nicht zum Phänomen der Abbruch-Jäger und auch nicht zum Fall von Marcel Thomas. Wehrhahn dagegen kann listenweise weitere Jäger und ihre Verbindungen untereinander aufzählen, sagt, dass die von Ebay Gesperrten unter falschen Namen weiter jagen und verweist auf die ungleich größere Zahl von Opfern.

Aber wie sieht die Sache eigentlich rechtlich aus? Dass bei einer abgebrochenen Auktion trotzdem ein Kaufvertrag entsteht, erlauben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Ebay. Wer Ware für einen Euro einstellt, erklärt sich bereit, diese auch für einen Euro zu verkaufen. Es entsteht ein schwebend wirksamer Kaufvertrag, der mit jedem Höchstbietenden neu geschlossen und mit dem Unterlegenen aufgelöst wird – bis er nach Ablauf der Auktionszeit in Kraft tritt. Laut Paragraf 6, Nummer 6 der AGB gilt das auch bei einem Auktionsabbruch und kennt nur zwei Ausnahmen. Erstens: Der Gegenstand wurde gestohlen oder ohne die Schuld des Verkäufers beschädigt. Zweitens: Der Verkäufer hat sich geirrt. Über das Produkt, den Preis oder sein Angebot. Darüber müsste aber ein Gericht entscheiden, ob das zum Anfechten des Kaufvertrags ausreicht.

Doch warum berufen sich Menschen wie Marcel Thomas nicht auf einen der zwei Punkte und machen es den Abbruch-Jägern zumindest schwerer? Sie rennen in ihr Verderben, weil sie Ebay missverstehen, sagt Wehrhahn. Beim Auktionsabbruch dürfen sie als Begründung wählen „Der Artikel steht nicht mehr zum Verkauf“. Laut Wehrhahn wird das als „Freifahrtsschein“ gedeutet. Doch einen solchen gibt es nicht. Die Informationen, die Ebay bietet, seien zwar nicht falsch, „doch die Vielzahl der Verkäufer, die den Inhalt nicht oder verkehrt verstanden haben, zeigen, dass damit ganz objektiv ein falscher Eindruck erzeugt wird“. Auch dazu wollte sich Ebay nicht äußern.

Bisher blieb Verkäufern wie Marcel Thomas damit nur die Hoffnung, den Abbruch-Jägern einen fehlenden „Rechtbindungswillen“ nachzuweisen. Dass es ihnen also bei ihren massenhaften Geboten nicht um das Ersteigern, sondern allein um den Schadensersatz geht. Das wird schwierig, sagt der Anwalt und Experte für Internetrecht Johannes Richard, denn kein Bieter müsse Ebay „in die Hand versprechen, dass er die Auktion gewinnen will“ und er wisse ja auch nicht, „ob der Anbieter abbricht“. Ebay stelle die Rechtslage objektiv sogar ganz gut dar.

Bewegung in die Sache kommt nun aber durch ein Urteil des BGH (Az. VIII ZR 63/13). Im konkreten Fall ging es um einen Kraftfahrzeugmotor. Der Verkäufer richtete dem Höchstbietenden aus, der Motor habe woanders mehr Geld eingebracht. Der Streit endete in einer Klage, doch vor dem Berufungsgericht lieferte der Verkäufer eine andere Begründung: Er habe sich über den Motor geirrt, der ohne Straßenzulassung sei und deshalb abgebrochen. Das Gericht meinte, das könne zwar ein Grund sein, ließ ihn aber nicht mehr gelten. Dafür sei es nun zu spät. Der BGH dagegen legte die Ebay-AGB wörtlich aus und befand, der Abbruch sei gültig.

Das Entscheidende an dem Urteil ist für Anwalt Richard: Bei Ebay muss der Verkäufer „nicht mehr unverzüglich wegen Irrtums anfechten“. Wichtig ist allein: „Er hätte anfechten können“. Konkret heißt das: Für Abbruch-Jäger wird es schwerer, weil die Gegenseite Zeit hat, nach einem Irrtum zu suchen, der zum Abbruch berechtigt. „Der Anwalt des Verkäufers müsste schon sehr dumm sein, wenn er dem Gericht nicht eine Vielzahl von möglichen Anfechtungsgründen vorträgt. Nur ein einziger muss überzeugen.“

Für die Opfer von Abbruch-Jägern ist das zwar gut, aber das Urteil „öffnet dem Rausmogeln aus einer Auktion Tür und Tor“, analysiert Richard. Das mache das Leben für professionelle Verkäufer bei Ebay viel leichter. Läuft es nicht für sie, können sie Auktionen abbrechen, die Kunden bekommen statt eines Schnäppchens nur eine Mail: Auktion abgebrochen.

Zweifel

$
0
0

Er musst ja kommen dieser Tag. Der Tag an dem ich alles in Frage stelle. Der Tag an dem der andere mir so nah gegenüber sitzt und wir so tun müssen als ob nichts wäre, ich mich aber gleichzeitig frage, ob überhaupt noch etwas ist. Ich weiß, ich denke zu viel, denke momentan zu negativ. Ich hänge in der Luft und kann damit grade nicht leben, könnte selber aber auch keine verbindliche Aussage machen. Kaum meldet er sich mal nicht, bekomme ich Angst, dass er sich auf das Vernünftige besonnen hat, auf das zwischen uns nichts sein sollte, außer Freundschaft. Vielleicht hat er damit sogar Recht. Vielleicht denkt er auch ganz anders. Vielleicht denke ich wirklich zu viel. Ich sehne mich nach seinen Berührungen und finde mich gleichzeitig schonmal vorsorglich damit ab, dass es diese nicht mehr geben wird.


Unfaire und vollkommen unrichtige Gedanken machen sich breit. Warum musste der andere alles durcheinander wirbeln und das Glück mit dem einen zerstören? Warum war ich so töricht?


Ich ärgere mich über mich selbst, über meine Gefühle und meine emotionale Abhängigkeit, die ich vielleicht zu sorglos schon wieder eingegangen bin.


Ich kann nur hoffen, dass der Tag schnell vorbei geht und ich meine positiven Gedanken wieder finde, oder dass er sich meldet und mich wenigstens wissen lässt, welche Richtung meiner Gedanken sich zu bestätigen scheint. 

Bösartiges Brettspiel

$
0
0
Das Spiel Monopoly ist ein Bestseller und hat seit mehreren Generationen viele Familien über Stunden gefesselt und verregnete Wochenenden spannend gemacht. Man muss dabei Straßen kaufen und Häuser darauf bauen und kann am Ende sehr, sehr reich werden. Und immer wieder kommen unvorhersehbare Ereignisse dazwischen, wie „Gehe ins Gefängnis“ oder „Ziehe 4000 Mark ein“.



Im echten Monopoly geht es ums Geld und Gewinnen, dem späteren NSU aber ging es darum, seine Geisteshaltung zu demonstrieren.

Offensichtlich hatten auch die in den Untergrund abgetauchten Rechtsradikalen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt viel Zeit und lange, verregnete Wochenenden. Auf jeden Fall aber kannten sie aus ihrer Kindheit das Spiel Monopoly. Und weil sie 1998 nach ihrer überstürzten Flucht vor der Polizei schnell Geld brauchten, machten sie sich ans Werk: Sie bastelten ein eigenes Spiel, angelehnt an Monopoly, aber für eine sehr spezielle Spielerschaft: für Rechtsradikale, Judenhasser und Linkenfeinde. Sie verkauften ihre Spiele unter ihren Kameraden. Und offenbar wussten sie auch, worüber der Rechtsradikale so lacht – und änderten das Spiel entsprechend ab. Sie gaben ihm auch einen neuen Namen: „Pogromly“ vom Wort Pogrom, das die gewaltsame Vertreibung von Menschen meint.

Statt möglichst reich zu werden ist das Ziel dieses Spiels, deutsche Städte „judenfrei“ zu machen. So wird dem Spieler bei den besonderen Ereignissen zum Beispiel Folgendes offeriert: „Dir ist es gelungen, eine Horde roter Zecken mit Hilfe eines MGs abzuwehren. Du erhältst eine Prämie von 2000 RM.“ Oder: „Du hast keine Ehre, keinen Stolz und keinen Mut, deswegen wollen die Juden dich als ihren Vorsitzenden. Gehe zum Juden.“ Wobei der Ausdruck „zum Juden“ für das Gefängnis im Spiel Monopoly steht. Am eindeutigsten ist die Aufschrift: „Du hast auf ein Judengrab gekackt. Leider hast du dir dabei eine Infektion zugezogen. Arztkosten 1000 RM.“

Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt haben dieses Spiel mit ganz besonderer Akribie für ihre Zwecke und ihre Freunde umgewandelt. Die Gemeinschaftskarten hießen SA-Karten, die Ereigniskarten SS-Karten. Statt Bahnhöfen gibt es Konzentrationslager. Und sie bastelten sich eine Welt nach Geschmack der Rechten. So heißt eine Karte: „Wiedergutmachungszahlung. Juden müssen für Verbrechen am deutschen Volk bezahlen. Du erhältst 4000 RM.“ Natürlich ist die Währung im Spiel Reichsmark.

Bei Zschäpe wurden 1998 zwei Spiele sichergestellt. Doch die Beamten vernichten sie später

Das Spiel und seine Details sind deswegen so wichtig, weil dadurch nach Ansicht der Bundesanwaltschaft die politische Haltung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt dokumentiert werden kann – aus der Zeit, als sie gerade abgetaucht waren. Nach dem Motto: Erst war es nur ein Spiel für sie, dann setzten sie ihre Geisteshaltung in die Tat um.

Interessant: In der Garage und in der Wohnung von Beate Zschäpe wurden 1998 in Jena zwei dieser Spiele sichergestellt. Aber als ordentliche Beamten haben die Thüringer Behörden die Spiele wie vorgeschrieben nach zehn Jahren vernichtet. Sie mussten sich dann erst wieder über einen Spitzel des Verfassungsschutzes andere Exemplare der Spiele besorgen. Sie baten ausgerechnet Tino Brandt darum, der den Thüringer Heimatschutz aufgebaut hatte, in dem Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt waren. Ob es die identischen Spiele sind, konnte der Ermittler nicht sagen.

Und weil in diesem Prozess immer wieder neue skurrile Details auftauchen, gab es auch an diesem, dem 85. Verhandlungstag, eine Überraschung. Ein Ermittler vom Bundeskriminalamt berichtete, bei einem Rechtsradikalen sei ein Video sichergestellt worden. Der Mann steht im Verdacht, die Mordwaffe an den NSU geliefert zu haben. Auf dem Video sieht man mehrere Fußballmannschaften aus Berlin, Sachsen, Thüringen und Bayern, die gegeneinander antreten. Bei der Siegerehrung wird dann „Heil“ gerufen. Unter den Spielern waren rechtsradikale Größen wie Andre K. und auch der im NSU-Prozess angeklagte Holger G.. Erstaunlich ist vor allem eins: Schiedsrichter war damals Uwe Böhnhardt. Das Video datiert offensichtlich von 1997.

Der kleine Prinz

$
0
0
Dieser Prinz von Hohenlohe war natürlich ein Scharlatan. Ein Hochstapler. Ohne Skrupel und Moral. Ende Januar wurde er wegen Betrugs und anderer fürchterlicher Dinge zu elf Jahren Haft verurteilt. Aber um diesen Prinz von Hohenlohe geht es ja hier nicht.



Von Hohenlohe als mexikanischer Fahnenträger in Sotschi

Es ist der andere, der echte Prinz von Hohenlohe, der wenige Tage vor Beginn der Olympischen Winterspiele fröhlich vom Wiener Graben in die Dorotheergasse biegt. Typ: Ewig junger Skilehrer. Das schwarze Mützchen von Lacoste, die grüne Winterjacke mit Armee-Muster von Kappa. Braune Haut, roter Schal, volles Haar. Für ihn, den Fotografen des jährlichen „Skilehrerinnenkalender“, haben sich schon viele Frauen einen Schnupfen geholt. Zuletzt die libanesische Olympia-2014-Teilnehmerin Jacky Chamoun, die für Hohenlohe vor drei Jahren nur mit einem rosa Schlüpfer im Schnee posierte. Nachdem die Bilder gerade wieder aufgetaucht sind, wurde es nicht nur dem libanesischen Sportminister eiskalt. Er ordnete eine Untersuchung des Falles an, um den Ruf seines Landes zu schützen. Man kann das verstehen.

Doch hier, im Kaffeehaus Hawelka, trifft man sich mit Hubertus Prinz zu Hohenlohe, 55, allein aus diesem Grund: Er ist „the most interesting Olympian in world“ – so nannte ihn gerade der Fernsehsender NBC. Man weiß ja, dass bei Olympischen Spielen oftmals diejenigen, die auf den hinteren Plätzen landen, die besten Geschichten zu erzählen haben. Jamaikanische Bobfahrer zum Beispiel. Oder bebrillte britische Skispringer. So auch der Prinz, der, natürlich, im Slalom verlieren wird. Gewinnen würde er wohl selbst dann nicht, wenn seine Konkurrenz unter einem kollektiven Schleudertrauma litte.

„Hätte ich den Sport nicht gehabt, wär’s wahrscheinlich böse mit mir ausgegangen“, sagt Hubertus von Hohenlohe. Früher wohnte der Prinz beim Hawelka quasi gegenüber. Damals sei er mit dem Ambros und dem Fendrich um die Häuser gezogen. Später auch mit Lionel Richie. Jetzt hätten die Russen die halbe Wiener Innenstadt aufgekauft, deshalb wohne er weiter weg, in der Zirkusgasse. Im gleichen Haus wie der Künstler Wurm, sagt Hohenlohe und bestellt sich beim livrierten Kellner eine „Schartner Bombe“, was man in Österreich für Limonade hält.

Tagelang hat Hohenlohe, der dieses Jahr zum sechsten und wohl letzten Mal bei Olympia antritt, in der Zirkusgasse auf den Paketdienst gewartet. Wegen der Skischuhe, die er an diesem Abend, dem Vorabend seines Abflugs nach Sotschi, noch so dringend braucht. „Aber es ist immer noch nichts angekommen. Ich meine: Was denken die sich? Dass ich zwischen 10 und 15Uhr nur auf das Klingeln eines Paketmannes warte?“ Der Prinz trommelt mit den Fingern auf den Holztisch, an dem wahrscheinlich schon Alfred Hrdlicka mit Hans Moser saß. Das Leben, es ist nicht immer „higher than Mars“, wie der Prinz vergangenes Jahr in der ZDF-„Frühlingsshow“ sang. Schlagersänger, das ist Hohenlohe nämlich auch.

Geboren wird Hubertus Prinz zu Hohenlohe 1959 in Mexiko-Stadt. Seine Mutter ist die Schmuckdesignerin, Schauspielerin und Fiat-Agnelli-Nichte Ira von Fürstenberg, die bereits mit 15 Jahren Alfonso Prinz zu Hohenlohe heiratet, was der Boulevardpresse damals fabelhaft bunte Seiten beschert. In den fünf Jahren, die die Ehe währt, kommen Hubertus und sein (mittlerweile verstorbener) Bruder Christoph auf die Welt. Als die junge Mutter sich kurz darauf in die Arme eines brasilianischen Playboys flüchtet, wird um die Brüder heftig gestritten. Kindesentführung, Privatdetektive, Polizei – es geht hoch her. Schließlich zieht der Vater, der als Geschäftsmann den Grundstein für den Erfolg des VW-Käfer in Mexiko legte, mit seinen beiden Jungs nach Spanien. In dem Fünf-Sterne-Hotel, das er in Marbella führt, geht der internationale Jetset ein und aus. Audrey Hepburn, die Callas, Queen, Michael Jackson. „Am Pool schnitten wir mit David Bowie Verse aus Papier aus und mischten sie immer wieder neu“, erzählt Hohenlohe und beträufelt seine Lippen mit Schartner Bombe. „An so einem Abend entstand ,Heroes‘.“ Doch dem Vater sei das vollkommen berauschte Marbella für seine beiden heranwachsenden Söhne „zu frivol“ gewesen. Also habe er Hubertus und seinen Bruder in eine österreichische Klosterschule geschickt. „Das war die schlimmste Zeit meines Lebens“, sagt Hohenlohe. „Sollte man von mir jemals Buße verlangen für etwas, das ich falsch gemacht habe – in dieser Zeit habe ich alles abgegolten.“ Jetzt war sein Leben zwar nicht mehr frivol, dafür aber furchtbar. Und doch hatte diese Zeit auch ihr Gutes: Der Prinz entdeckte seine Liebe zum Skisport. Er siegte mal hier und mal da, raste in Kitzbühel die Streif hinunter.

Er war gut. Gut genug, um in die österreichische Olympia-Skimannschaft zu kommen, war er aber nicht.

Weil er neben dem Liechtensteiner auch noch den mexikanischen Pass besitzt, gründete Hohenlohe den ersten mexikanischen Skiverband (heute 25Mitglieder) und brachte sich dort selbst als möglichen Winter-Olympioniken ins Spiel. An Selbstbewusstsein und an FIS-Punkten mangelte es ihm nicht. Schon gar nicht an Beziehungen. Der Titel „Prinz“ war ein Entrée, auch in die Wiener Künstlerwelt. Hohenlohes neue Vaterfigur hieß jetzt Hansi Hölzel alias Falco und tüftelte gemeinsam mit ihm an den Texten von „Junge Römer“ und „America“. Auch, erzählt der blauäugige Hohenlohe, sei man gemeinsam im Rotlichtviertel ausgegangen. Die Details zu dieser Geschichte ruhen auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Auf Station in New York fand der smarte, sportliche, katholisch erzogene Jetset-Prinz bei Andy Warhol Anschluss – was nur beweist, wie unerhört nah sich Pop, Kunst, Adel, Wirtschaft und Sport im Grunde sind. „Zwischen all den Superstars, Pornostars und Künstlern war ich die Cherry-Tomate im Salat“, grinst der Prinz. Seit nunmehr 20 Jahren ist er mit der italienischen Modedesignerin Simona Gandolfi liiert. Die zwei Kinder, die sie hat, habe sie „in einer Beziehungspause“ von einem anderen bekommen, erzählt Hohenlohe indifferent. Bei Simona handele es sich wiederum um die Cousine des bombigen italienischen Abfahrtstars Alberto Tomba. Angesichts der italienischen Verwandtschaft schmerzt es ihn noch heute, dass ihn Mexiko ausgerechnet für die Winterspiele in Turin 2006 nicht aufgestellt hatte. „Alle saßen im Stadion und warteten auf meinen Einzug“, sagt er. „Doch ich durfte nicht – und trauerte im Hotel vor dem Fernseher.“ Hernach habe er ein „ordentliches Donnerwetter“ abgezogen, bei den mexikanischen Sportfunktionären. Mit Erfolg: In Sotschi durfte er wieder die mexikanische Fahne hochhalten. Und weil auch auf der Piste alles stimmen muss, ließ sich Hohenlohe von einem Sportausstatter diesmal ein Skianzug-Unikat im Stil der mexikanischen Mariachi-Tracht entwerfen. Diese Tracht liegt ihm irgendwie mehr als die alpenländische. Ein Münchner Textilhaus hatte dem Prinz jüngst eine Rechnung über mehrere Tausend Euro geschickt. Wie sich herausstellte, hatte dieses Trachtenkostüm jedoch der soeben zu jahrelanger Haft verurteilte Betrüger-Prinz von Hohenlohe aus Deutschland bestellt.

Jetzt also noch einmal die ganz große Show. Obwohl, sagt von Hohenlohe, eigentlich sei er ja Künstler und anerkannter Fotograf. „In Köln wurden meine Fotos neben denen von Gursky ausgestellt.“ Die eher künstlerischen natürlich. Nicht die mit den entblößten Skihaserln, zum Beispiel aus Libanon. Aber wie gesagt: Bei Hohenlohe hängt sowieso irgendwie alles zusammen. Mit den niederländischen Bolland-Brüdern, die bereits Falco produzierten, hat der Prinz soeben zwei neue Schunkelschlager aufgenommen. Wahrscheinlich darf er die bald wieder auf einer Styropor-Insel im ZDF-Pool singen. Im Privatkanal des Red-Bull-Milliardärs Dietrich Mateschitz wiederum tritt er als Fremdenführer auf. „Mateschitz sagte: ,So jemanden wie dich brauche ich bei Servus.tv. Ich geb dir das Geld, und du machst, was du willst.‘“ Ideale Bedingungen für guten Journalismus!

Nun schreibt er in Sotschi Geschichte als ältester Teilnehmer (zweitältester der Winterspiel-Historie). Das macht natürlich wehmütig. „Früher verbrachten wir Sportler die Abende gemeinsam, spielten Tischfußball oder Pingpong. Manchmal besuchte uns jemand wie John Denver, packte die Gitarre aus und sang dazu“, erzählt der Prinz. „Das ist heute nicht mehr so. Heute starrt jeder nur noch auf sein Smartphone.“ Alles geht vorüber. Spätestens nach dem Herrenslalom am kommenden Wochenende.

Und nach Sotschi? Wiener Opernball, Italien, Mexiko, der nächste Skilehrerinnenkalender und am letzten August-Wochenende die jährliche Hubertus-Jetset- Party in Marbella. Ein bisschen Sport, ein bisschen Musik, ein bisschen Spaß – so kann das Leben ewig währen. Aber jetzt muss der Prinz wieder in die Zirkusgasse. Vielleicht war ja der Paketdienst da.

Das letzte Blauhemd

$
0
0
Die Freie Deutsche Jugend ist 62 Jahre alt, und sie heißt Heike mit Vornamen. Heike hat sich in die Flagge des revolutionären Freundschaftsbundes gewickelt, und so tänzelt sie an einem Samstag im Januar vergnügt über die Berliner Karl-Marx-Allee wie ein Medaillengewinner im Banner seines Landes. Ein Lied weht herbei, Heike stimmt ein – „...und der Zukunft zugewandt“. Als das Lied verklungen ist, sagt sie: „Haha, super, das ist die richtige Hymne.“



FDJ-Fahnen, Grenzbefestigungen und Schilder gehören aus der DDR gehören mittlerweile zum Inventar vieler Museen. Die ostdeutsche FDJ kämpft jetzt dafür, ihre Blauhemden weiterhin tragen zu dürfen.

Wer sich der Gegenwart zuwendet, der muss feststellen, dass es das Land von Heike nicht mehr gibt. Die DDR ist untergegangen, und damit gehört auch Heike zu den Verlierern der Geschichte, aber sie fühlt sich noch in der Niederlage überlegen. Womöglich, weil ein Teil der DDR überlebt hat und mit ihm die Hoffnung. „Ich will 120 werden, um die nächste Revolution noch mitzuerleben“, sagt Heike. Ihr nächster Satz verschwindet im Krach der restlichen FDJ-Delegation. Eine freie deutsche Rhythmusgruppe blechtrommelt für die Kameras des rbb. Ihnen ist es ernst, für den rbb ist es nur schöne Folklore für den Beitrag von der Liebknecht-Luxemburg-Demo.

So, wie es zwei deutsche Staaten gab, so gab es auch die Freie Deutsche Jugend in doppelter Ausführung. Die FDJ in Westdeutschland wurde am 16. Juli 1954 durch das Bundesverwaltungsgericht endgültig als verfassungswidrige Organisation eingestuft. Die ostdeutsche FDJ ist nie verboten worden. Sie zählte einmal mehr als zwei Millionen Mitglieder, heute sind es vermutlich etwas mehr als 100. Genaue Zahlen gibt der Zentralrat nicht heraus, und was immer und wen immer man fragt, es folgt stets recht zügig ein Verweis aufs Internet. Von der Webseite der FDJ kann man sich DDR-Geldscheine zum Ausdrucken laden oder einen Flyer. „Raus aus der BRD!“, fordert dieser und gleichsam ein „Zurück in die Zukunft“. Unterlegt ist die Forderung mit deutschen Farben sowie den aus FDJ-Sicht drei fehlenden Zutaten, als da sind Hammer, Zirkel, Ährenkranz.

Die westdeutsche FDJ wurde 1954 verboten, die ostdeutsche nie. Aber sie hat kaum noch Anhänger.

Vor 50 Jahren trat Heike der FDJ bei. Die Bluse, den Pionierausweis, die Auszeichnungen, das habe sie alles noch zu Hause, „das ist mein Leben, aber in die Bluse pass’ ich nicht mehr rein, da bin ich rausgewachsen“. Sie war es schon, als die Mauer fiel, und sie wurde nun unglücklich, denn „die DDR ist doch mein Vaterland“. Dieses Vaterland wollte und will sie nicht aufgeben, deswegen verteidigt sie es nun post mortem, im Unterstützerkreis der FDJ.

Der Demonstrationszug hat sich nach Lichtenberg vorgeschoben. Passanten lassen von der MLKP bis zur DKP alle möglichen Parteienblöcke ungerührt vorüberziehen, bei der FDJ aber verschiebt sich ihr Blick. Sie gucken so, als hätten sie gerade ein süßes Katzenvideo gesehen oder einen unanständigen Witz gehört oder als hätten sie einfach nur: Mitleid. Die FDJ versucht es nun mit einer Rechts-Links-Kombination. Erst kommt der Sprechchor „Was will ich, was willst Du? Das Verbot der CSU!“, dann kommt ein Brecht-Eisler-Gesang. Ein Rentner mit Schiebermütze wippt mit dem Fuß und nickt. Recht hamse.

Die DDR ist dermaßen untergegangen, dass die FDJ selbst für den Klassenfeind jeden Schrecken verloren hat. Wenn man Heike dann sinngemäß fragt, ob sie den Ährenkranz nicht ein bisschen zu fest aufgesetzt habe und ob sie es verstehe, wenn man ihren fortwährenden Kampf ein wenig befremdlich finde, dann sagt sie ungetrübt: „Na klar, Ihnen ist in der Schule doch viel Scheiß erzählt worden, da finde ich’s gut, wenn man fragt.“

Also, dann fragen wir mal: Ist das nicht ein nettes System, das sie hier demonstrieren lässt? In der DDR war das für politisch Andersdenkende ja nicht so leicht. „Na, die haben damals schon ganz schön Sabotage betrieben gegen die Arbeiter- und Bauernmacht, und das musste bestraft werden.“ Ist Ihnen womöglich auch Scheiß erzählt worden, damals, in der Schule? „Das weiß ich nicht.“ Was fanden Sie denn gut an der DDR? „Dass die NVA keine Kriege im Ausland geführt hat. Und Marx, das Ende der Ausbeutung.“

Kriegstreiberei, so lautet der Hauptvorwurf der FDJ-ler gegen den Staat, in dem sie leben, und wohin diese führen kann, das hat German L. 2012 zum Jahrestag des Mauerbaus auf einem Transparent zeigen wollen. „Erst die DDR kassieren / Heute Europa diktieren / Morgen gegen die Welt marschieren“, war da zu lesen, und nun müssen sich German L. und Michael W. vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten. Nicht, weil sie der BRD das Streben nach Weltherrschaft unterstellten – sondern, weil sie dabei blaue Hemden mit dem Symbol der FDJ trugen.

Im Strafbefehl wird dem Studenten L. unter anderem vorgeworfen, Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation getragen zu haben – das Wappen der FDJ (Ost) sei dem der FDJ (West) nun mal „zum Verwechseln ähnlich“. L. hingegen erinnert sich, wie die Polizei bei der Transparent-Aktion zwar einen Platzverweis ausgesprochen und die Personalien aufgenommen habe, aber „auf die Hemden hat sie uns überhaupt nicht angesprochen, das wurde dann erst vom Staatsapparat konstruiert“.

Ein Verbot von Symbolen der DDR wird immer wieder einmal gefordert, zuletzt und nicht das erste Mal von Hubertus Knabe, dem Leiter der Stasi-Opfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Bei Blauhemden verweisen Strafrechtler in einem zuweilen wortreichen Kommt-drauf-an auf den Erklärungsgehalt dieser. Verkürzt: Trägt einer ein FDJ-Hemd, weil er Feind des Staates und seiner Verfassung ist, kann er belangt werden. Trägt er es, weil er auf einer Ostalgie-Party einen billigen Lacher ziehen möchte, wird er die Strafverfolgung nicht fürchten müssen.

Die Hemden sind legal oder auch nicht: Im ostalgischen Kontext eher ja, als Botschaft eher nein

German L. ist kein Typ für eine Ostalgie-Party, er trägt das Hemd als Bekenntnis zu einer höheren Sache. Ein Verbot der Symbole der FDJ, sagt L., käme einem Verbot der Organisation faktisch gleich. Deswegen sei seine Haltung: „Ich darf das Hemd anziehen.“ Also zog er es an, zum Prozessauftakt im vergangenen Sommer. Es gab schon an der Eingangsschleuse einen Eklat, Polizisten hätten ihn festgenommen und „an die Wand geknallt“. Auch seine Anwältin sei „hart angegangen“ worden, obwohl sie sich als Rechtsbeistand hätte ausweisen können. Einen abgelehnten Befangenheitsantrag später hätte der Prozess im Februar fortgesetzt werden sollen, von Amts wegen wurde dies auf Anfang April verschoben. L. drohen 90 Tagessätze zu je 30 Euro – ist es das wert, könnte man nicht auch ein anderes Hemd anziehen und unter anderer Flagge dieselben Ziele weiterverfolgen? Das, sagt L., wäre nun wirklich ein Verrat an der Geschichte – er meint das nicht umfassend, er meint jene der FDJ.
Viewing all 6207 articles
Browse latest View live