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Jubelhit oder Gassenhauer?

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"Mach mir mit deiner Expertise nicht den Abend kaputt!", sagt Nadja SchlĂŒter:



Alle haben einen Schwipps. Alle haben gute Laune und sehen gut aus (weil alle einen Schwipps haben und durch die Schwippsaugen alles viel schöner ist). Alle tanzen und sind fröhlich. So weit, so Party. Und dann passiert Folgendes: Das Lied wechselt und ein Hit wird gespielt, also ein nicht mehr ganz brandneuer Song,  der damals, als er rauskam, ziemlich einschlug. Und an diesem Song spaltet sich die Tanzmasse. Sobald beispielweise "Kids" von MGMT oder "Get Lucky" von Daft Punk lÀuft, wird auf der einen Seite gejubelt und gesprungen. Auf der anderen Seite wird mit den Augen gerollt und mit verschrÀnkten Armen rumgestanden.  

Das ist eine klassische Indie-Disco-Situation. Auf einer Elektroparty passiert das nicht, da gibt es die, die es gut finden, und die, die es schlecht finden. Aber auf der Indie-Party gibt es die, die durchgĂ€ngig Spaß haben, weil sie gut gelaunt sind. Und es gibt die, die einen Song irgendwann mal gut fanden, aber glauben, schon lĂ€ngst darĂŒber hinweg zu sein und darum schlechte Laune davon zu bekommen. Die Anno 2008 als Erste zu "Kids" getanzt haben und denen Icona Pop schon ein Begriff waren, bevor "I love it" auf jeder Studentenparty rauf- und runter gespielt wurde. Sie fĂŒhlen sich in ihrer Ehre gekrĂ€nkt, wenn alte Hits gespielt werden. Sich dazu zu bewegen ist unter ihrem Niveau. Das Gesamtpaket ihrer Mimik und Gestik sagt: "Leeeute, nicht im Ernst, oder?"  

Es ist sehr schwer sich vorzustellen, dass jemand so sensibel auf Musik reagiert, dass ihm drei bis sechs Minuten, die ihm mal gute Laune gemacht haben, auf einmal den Abend versauen. Entweder fand man einen Song mal gut und hat jetzt genug davon, dann wartet man halt auf den nĂ€chsten. Oder man mochte einen Song noch nie, wartet man halt auch auf den nĂ€chsten. Aber die professionell Gelangweilten im Club tun so, als ob diese durchgenudelte Musik dafĂŒr sorgt, dass sie sich nicht mehr bewegen können oder ihre Augen automatisch anfangen, in ihren Höhlen herumzurollen. Anstatt sich einfach ein neues GetrĂ€nk zu besorgen, aufs Klo zu gehen oder eine zu rauchen, bis das Lied vorbei ist, stehen sie demonstrativ bockig rum oder verlassen mit großer, genervter Geste die TanzflĂ€che, damit alle sehen: Der ist oft hier, eigentlich immer, und der kennt sich aus, seine musikalischen Rezeptoren wachsen schnell, entwickeln sich mit den neusten Entwicklungen – und sind darum inkompatibel mit dem Gedudel aus den Nullerjahren.  

"Gut", könnte man sagen, "sollen sie halt mĂŒrrisch sein, mir wurscht, prost!" Aber leider funktioniert eine Party ja als Masse. Oder als Kette, die immer nur so gut gelaunt ist wie ihr am schlechtesten gelauntes Glied. Zumindest, wenn das genau neben einem steht. Wenn man gerade Spaß hat, ist Missmut ohnehin das letzte, was man will, aber man kann damit umgehen, wenn der Missmutige Liebeskummer oder Bauchweh hat. Wenn er sich aber zu fein ist, zu einem bestimmten Lied zu tanzen, und das sehr offen demonstriert, ist das in etwa so, als wĂŒrde er sich genau vor einen hinstellen, einem den Finger auf die Brust setzen und sagen: "Du bist dumm, weil du gerade Spaß hast!" Das Gemurre ist am Ende nichts weiter als selbstdarstellerisches Überlegenheitsgetue und wenn man nicht so beschĂ€ftigt damit wĂ€re, sich den Spaß nicht verderben zu lassen, mĂŒsste man eigentlich hingehen, dem professionell Gelangweilten den Finger auf die Brust setzen und sagen: "Geh doch nach Hause und schreib fĂŒr die Spex!"  

Das Problem der Gelangweilten ist wahrscheinlich ihr Stolz. Ihr Stolz auf das, was sie wissen, was sie erkennen und erspĂŒren können in der Musik, auf ihr musikalisches FeingefĂŒhl und ihre Expertise. Darum stelle ich heute eine einfache, aber wie ich finde goldene Regel auf, mit der sich der ganze Konflikt vermeiden ließe: Musikalischer Stolz ist zwar schön und gut, hat aber auf einer Indieparty nichts zu suchen! Wer zu viel davon hat, soll ihn bitte an der Garderobe abgeben. Oder gleich Zuhause bleiben.   

Auf der nÀchsten Seite: die flammende Gegenrede von Jan Stremmel!

[seitenumbruch]
"Ein DJ, der spielt, was jeder kennt und jeder liebt, hat nichts verstanden!", entgegnet Jan Stremmel:




"Gassenhauer, der: allbekanntes, triviales Lied. UrsprĂŒnglich: das von Nachtbummlern gesungene Lied." (Duden, 2014) 

Zwei bis drei Monate - so lang dĂŒrfte das Zeitfenster gewesen sein, in dem ich zu "Get Lucky" tanzen konnte, ohne finsterste Laune zu bekommen. Ein paar Wochen, nachdem Daft Punk auf dem Coachella Festival den ersten Ausschnitt ihres Videoclips prĂ€sentiert hatten, flutschte es noch: Das Gitarrenriff klang unerhört, beim Text musste man tatsĂ€chlich noch kurz ĂŒberlegen, wie es weiterging nach "Weeeee've come too faaaar". Der Song war noch nicht im Hirn festgetrampelt wie ein schwarzer Kaugummi auf dem U-Bahnsteig. Er lebte noch.  

Wenn heute in einem Club die ersten Takte der Basslinie andengeln, stehe ich plötzlich in einem Wald aus hochgerissenen Armen, ĂŒberall grinsende MĂŒnder, die sich irgendwas DĂ€mliches zubrĂŒllen wĂŒrden, wenn sie nicht zu beschĂ€ftigt wĂ€ren, dieses absurde "Woo-Hoo" zu brĂŒllen, das man sonst nur von betrunkenen Cheerleadern in Sitcoms kennt, kurz bevor eine ĂŒber die Bar kotzt.  

Schlechte Laune im Club, das ist natĂŒrlich so ziemlich das Sinnloseste, was man haben kann. Aber ich und alle anderen "professionell Gelangweilten", wie du sie nennst, wir können uns nicht helfen. Wenn ein DJ Musik spielt, die jeder kennt und jeder liebt, hat er versagt. Wer das nicht einsieht, freut sich vermutlich auch, wenn jeden Morgen im Advent "Last Christmas" auf Radio Alpenwelle lĂ€uft.  

Denn: doch doch, Songs können kaputt gehen, auf eine subtile Art, Ă€hnlich wie Converse Chucks, lustig bedruckte Jutebeutel oder Hornbrillen. Sie können zerdrĂŒckt werden von zu viel Beliebtheit.  

Nehmen wir "Smells Like Teen Spirit" von Nirvana. Oder "Kids" von MGMT. Es sind Songs, die jeder kennt und jeder liebt, egal wie viel Wodka Lemon er getrunken hat, ob er die letzten zwölf Monate auf Neufundland verbracht hat oder stellvertretender Schatzmeister der Jungen Union LĂŒdenscheid ist. Es sind Songs, die so groß und strahlend waren, dass sie verglĂŒht sind – nĂ€chste Station: Wiesnhit.  

Und klar, auch wir haben zu den Songs mal getanzt, waren ganz unironisch begeistert. Aber jetzt liegen sie da in der Rotation von Formatradios und den CD-Taschen uninspirierter Gelegenheits-DJs wie abgelegte Chitin-Panzer von Libellen, die lĂ€ngst grĂ¶ĂŸer und schöner sind, aber eben auch: ganz woanders. Und ein DJ, der diese Songs jetzt noch spielt, kann zwar mit Instant-Ruhm unter den "Woo-Hoo"-BrĂŒllern rechnen. Aber er ist ein feiges WĂŒrstchen. "Get Lucky" spielen im Februar 2014, das ist eine tongewordene BankrotterklĂ€rung, die Kapitulation vor dem Massengeschmack. Kein Wunder, dass Daft Punk fĂŒr ihren Auftritt bei den Grammys neulich den rĂŒhrend schief singenden Stevie Wonder angekarrt haben – mit einer normalen Live-Version hĂ€tten sie sich bis auf die Knochen blamiert.  

Schon klar, man darf das gerne anders sehen und uns Gelangweilte mit schielendem Wodka-Tonic-Blick zum Teufel oder zur Spex schicken, aber es ist doch so: DJs haben einen Bildungsauftrag! Sie mĂŒssen die Gegenwart nach relevanter, neuartiger Musik durchleuchten, mit dem Ohr permanent auf der Schiene der Musikindustrie, das ist ihre einzige Daseinsberechtigung. Wer also "Seven Nation Army" auflegt und sich angesichts eines "Pooo po ro po po pooo pooo"-BrĂŒllchors schön gewitzt vorkommt, hat nichts verstanden. Er geht mit dem Schleppnetz am Angelteich fischen, maximale Trefferquote bei minimalem Risiko und null Eigenleistung.  

Im Kern geht es darum, dass Clubs der Humus der Musik- und Gegenwartskultur sind, immer schon waren. Wer Gassenhauer spielt, hĂ€ngt in der RĂŒckschau fest, feiert Konservatismus und Angepasstheit und damit das ziemliche Gegenteil von dem, was Nachtleben im besten Fall zutage bringt: Neues, Überraschendes, Übertriebenes, Irrsinniges! Auf die Gefahr hin, dass du und die Junge Union LĂŒdenscheid das anders sehen: Ich bin dreimal lieber professionell gelangweilt als trivial begeistert.
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snack daddy

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februar. der frĂŒhling scheint nah. der tag beginnt mit strahlendem licht... ich schnappe mir fotoapparat und fahrrad und mache mich auf, die ersten (imaginĂ€ren) vorfrĂŒhlingsimpressionen einzufangen. schon wenige meter hinter der haustĂŒr die erste ernĂŒchterung: verschlammte straßen, keine schutzbleche - ich wĂ€ge vorsichtig ab zwischen gesetzen und sauberkeitswahn und nehme die fußgĂ€ngerwege bis zur oberbaumbrĂŒcke. die luft ist kalt und kristallklar, der horizont ist außergewöhnlich scharf und farbig zu sehen, sogar der osthafen hat heute einen ganz eigenen charme. die spree ist gegenĂŒber von universal noch gefroren: große, hauchfeine, fast transparente eisplatten schieben sich langsam im rhythmus der wellen an- und ĂŒbereinander. plötzlich ein windstoß - die wasseroberflĂ€che beginnt sich zu stĂ€rker zu bewegen und dann zerbrechen alle eisplatten nahezu gleichzeitig in tausende, winzig kleine stĂŒcke. ich bin umgeben von einem allumfassenden, zarten knirschen und fĂŒr einen moment habe ich die vision von einem gott, der in gedankenverloren in einen großen, trockenen keks beißt. ich lĂ€chele und bemerke, dass ich nicht allein bin: drei weitere personen fotografierten wie ich die eisflĂ€che - und genau wie ich lĂ€cheln sie breit. bon appetit.



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Live aus dem Schlachthof

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Der erste Schnitt öffnet die Bauchdecke, dann sind Brust und Hals dran. Getrocknetes Blut klebt am Kopf des Tieres, ausgetreten aus dem Einschussloch des Bolzenschussapparates. Dann schneidet der Tierarzt ein Bein ab, Helferinnen schleifen es fort. In allen Details konnten Besucher des Kopenhagener Zoos am Sonntag bei der Autopsie einer Giraffe zugucken. Viele Tiermedizin-Studenten seien gekommen, sagt Zoo-Sprecher Tobias Stenbaec Bro, aber auch zahlreiche Familien mit kleinen Kindern. Die standen ganz vorne und waren offenbar fasziniert von dem aufgeschnittenen Giraffenkörper vor ihnen – zumindest erwecken die im Internet kursierenden Videos diesen Eindruck.



Heimische KĂŒche: Giraffe Marius wird dem Kopenhagener Löwen serviert

Das Schicksal des Tieres hatte schon Tage vor der Autopsie weltweit Aufregung verursacht, als bekannt wurde, dass der Kopenhagener Zoo den anderthalbjĂ€hrigen Giraffenbullen Marius töten wĂŒrde. Grund dafĂŒr war, salopp gesagt, dass der Bulle, obwohl er gesund war, nichts Sinnvolles zur Erhaltung seiner Art leisten könne. Also sollte er seinen Körper der Wissenschaft vermachen – und den Löwen im Zoo, die spĂ€ter Teile des Tieres zu fressen bekamen. Öffentlich war die Autopsie, „weil wir es fĂŒr eine wichtige unserer Aufgaben halten, unseren Besuchern Wissen ĂŒber die Tiere zu vermitteln“, sagt der Zoosprecher.

Nach Meinung des Zoos war die Tötung die einzig sinnvolle Möglichkeit, mit Marius umzugehen – aus der Sicht vieler TierschĂŒtzer hingegen eine Katastrophe. „Ethisch unverantwortlich“ sei das Vorgehen des Kopenhagener Zoos, urteilt der Deutsche Tierschutzbund. Auf Plakaten und im Internet hatten TierschĂŒtzer zuvor gefordert, die Giraffe am Leben zu lassen. Sogar Morddrohungen hĂ€tten er und Bengt Holst, wissenschaftlicher Direktor des Zoos, bekommen, sagt Sprecher Stenbaec Bro. „Damit, dass die Proteste so weite Kreise ziehen, haben wir nicht gerechnet. Schließlich machen wir so etwas 20 bis 30 Mal im Jahr.“ Gazellen, Nilpferde, Leoparden und BraunbĂ€ren wurden in Kopenhagen schon aus den gleichen GrĂŒnden getötet wie nun der Giraffenbulle. „Es ist ein Standard-Verfahren in vielen europĂ€ischen Zoos“, sagt Stenbaec Bro.

SĂ€tze wie diese beruhigen die TierschĂŒtzer naturgemĂ€ĂŸ nicht. Doch sie beinhalten eine Wahrheit, die man als Besucher vor dem Giraffen-, Löwen-,oder Nilpferdgehege leicht ausblendet: Die meisten Zoos sind kein Gnadenhof fĂŒr Wildtiere, die in freier Natur keinen Platz mehr finden. Weil selbst in den bestausgestatteten Zoos Platz und Geld begrenzt sind, muss die Zahl ihrer Bewohner reguliert werden. Bei seinen Eltern kann der Nachwuchs vieler Tierarten nur bis zur Geschlechtsreife bleiben. Bei Giraffen setzt sie mit etwa anderthalb Jahren ein. HĂ€tten Marius und sein Vater lĂ€nger im selben Gehege gewohnt, hĂ€tten sich beide bald heftig bekĂ€mpft.
Schlechte Karten haben Tiere, deren Gene fĂŒr den Erhalt der Art nicht mehr gebraucht werden – etwa, weil sie, wie in Marius’ Fall, in der Population bereits ausreichend vertreten sind. HĂ€tte man Marius zur Zucht eingesetzt, wĂ€re das Risiko von InzuchtschĂ€den zu groß gewesen, begrĂŒndet der Kopenhagener Zoo seine Entscheidung. „Wenn wir die Zucht nicht steuern wĂŒrden, wĂŒrde es in 100 Jahren in Zoos keine gesunden Giraffen mehr geben“, sagt Stenbaec Bro. So hĂ€tte es aus Sicht des Zoos auch keinen Sinn ergeben, Marius an eine andere Einrichtung abzugeben.

Zumal der Kopenhagener Zoo nicht nur nach eigenem Belieben ĂŒber solche Transfers entscheiden kann. Wie knapp 350 Ă€hnliche Einrichtungen in Europa ist er Mitglied der European Association of Zoos and Aquaria (Eaza). Sie koordiniert die Zucht und den Arterhalt in den angeschlossenen Zoos. Ihren Regeln zufolge darf ein Tier zum Beispiel nicht an Einrichtungen abgegeben werden, die kein Mitglied der Eaza sind, um die unkontrollierte Zucht und den Handel mit den Tieren zu vermeiden. So billigt die Eaza unter UmstĂ€nden ausdrĂŒcklich die Euthanasie auch von jungen, gesunden Tieren. Die Entscheidung des Kopenhagener Zoos unterstĂŒtze sie voll, schreibt sie in einer Stellungnahme.

Aber es hĂ€tte doch Alternativen gegeben, argumentieren TierschĂŒtzer: hormonelle VerhĂŒtungsmittel, Kastration oder die Wiederauswilderung. Die beiden letzten Möglichkeiten allerdings sehen Fachleute sehr skeptisch. Im Zoo geborene Tiere in der Natur auszusetzen, hat nichts mit der romantischen Vorstellung vom „Schenken der Freiheit“ zu tun. Der Stress lohnt sich nur fĂŒr Vertreter gefĂ€hrdeter Arten. Giraffen aber gelten laut der Weltnaturschutzunion IUCN insgesamt nicht als gefĂ€hrdet. Lediglich zwei Unterarten – zu denen Marius aber nicht gehört – werden als „stark gefĂ€hrdet“ gelistet.
Auch eine Kastration halten viele Fachleute fĂŒr zu riskant. Das Tier muss dafĂŒr ruhig gestellt werden und bricht sich leicht den Hals, wenn es sediert zusammenbricht. Hingegen gibt es VerhĂŒtungsmittel, die man einer Giraffe aus einiger Entfernung injizieren kann. Die Nebenwirkungen können allerdings betrĂ€chtlich sein.

Tobias Stenbaec Bro hĂ€lt die Pille fĂŒr Zootiere fĂŒr den falschen Weg: „Wir wollen den Tieren ein möglichst natĂŒrliches Verhalten ermöglichen. Dazu gehört auch, sich fortzupflanzen und den Nachwuchs großzuziehen.“ Wie wichtig dies fĂŒr das Wohlbefinden der Tiere tatsĂ€chlich ist, lĂ€sst sich wissenschaftlich allerdings nur schwer untersuchen.
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Wo ist der beste Sitzplatz im Kino?

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Ich gehe gerne mit Freunden ins Kino. Nicht nur, weil man sich vorher auf einen Film einigen muss, ist das Kino fĂŒr mich ein Ort der Entscheidung. Das beginnt bereits direkt hinter der EingangstĂŒr: „Holst du die Karten? Ach, ich hol sie schon“, „Popcorn: sĂŒĂŸ oder salzig?“, „In Originalfassung, oder? Mit oder ohne Untertitel?“ und „Will sich nicht doch noch jemand Nachos mit mir teilen?“ Aber jede dieser Fragen wirkt marginal und irgendwie albern, wenn, abgesehen von der Einigung auf einen Film, die wichtigste Weiche des Abends gestellt wird: Der Sitzplatz muss ausgewĂ€hlt werden.

Auch der beste Salsa-Dip hilft nicht gegen einen Nackenkrampf am nĂ€chsten Tag, wenn mein IMAX-affiner Freund M. so weit wie möglich vorne sitzen will, um jeden Schusswechsel mit einem KopfschĂŒtteln zu kommentieren. Oder wenn Freundin A. am liebsten in der letzten Reihe sitzt, weil sie sich dort unbeobachtet fĂŒhlt. Bis man einen Kompromiss gefunden hat, sind entweder alle guten Karten ausverkauft oder die besten PlĂ€tze bereits vergeben. Da wĂ€re es doch hilfreich, wenn man handfeste Argumente hĂ€tte, die den besten Sitzplatz und das beste Kinoerlebnis versprechen.

Franz Weiermann, Verantwortlicher fĂŒr die Technik im ARRI-Kino MĂŒnchen, sagt: „Es gibt nicht den einen Platz, von dem man behaupten kann, er wĂ€re der beste in jedem Kino. Entscheidende Rollen spielen die GrĂ¶ĂŸe der Leinwand, die Beschaffenheit des Zuschauerraumes und die Position der Lautsprecher.“ Den besten Betrachtungswinkel hat man, wenn man etwa so weit von der BildflĂ€che weg sitzt, wie die Leinwand breit ist. „So muss man den Kopf nicht stĂ€ndig drehen und hat den besten Überblick.“ Die meisten Logen sind so in den Raum integriert, dass sie sich zu weit von der Projektion entfernt befinden. Bei zweistöckigen Kinos empfiehlt Weiermann zu Parkettkarten zu greifen – zumal in den meisten modernen Kinos durch die zur Leinwand abfallenden Sitzreihen ein relativer Überblick gewĂ€hrt wird.

Wenn man jedoch darauf bedacht ist, möglichst alle Bilddetails zu erfassen, muss man einer anderen Regel folgen. Fast alle Kinos arbeiten noch mit einer Auflösung, die „2K“ genannt wird. Befindet man sich bei 2K weiter als das Dreifache der Bildhöhe von der Leinwand entfernt, kann das menschliche Auge nicht mehr alle Details wahrnehmen. Wer es sehr genau nimmt, muss – je nach den LĂ€ngenverhĂ€ltnissen der BildflĂ€che – einen Kompromiss eingehen. „GrundsĂ€tzlich empfehle ich aber den Platz in der Mitte. Von dort aus wird auch die Helligkeit, die von oben nach unten immer leicht variiert, eingemessen“, so Weiermann. „Wer sich an der Mitte des Raumes orientiert, kann fĂŒr gewöhnlich nichts falsch machen.“

Die SichtverhĂ€ltnisse werden bei fast jedem Kinobesuch thematisiert, der Ton hingegen wird oft unterschĂ€tzt. „Filmton ist etwas herrlich Unterbewusstes. Wenn ein Film gut vertont und gemischt wurde, fĂ€llt es den Kinobesuchern oft gar nicht auf. Deswegen ist es wichtig, dass Bild und Ton synchron wahrgenommen werden“, erklĂ€rt Tonmeister Benedikt Uebe, der das B.U.M.-Studio in Starnberg leitet. „Bei einem großen Saal mit circa 80 Metern LĂ€nge braucht der Schall beim Durchqueren des Raumes fast eine Viertelsekunde – und das ist ein Bereich, den wirklich jeder wahrnehmen kann.“ Die SynchronitĂ€t wird von einem Mischtonmeister gemessen und eingestellt. FĂŒr den optimalen Ton macht es also einen Unterschied, ob man eher an der Leinwand oder direkt unter dem VorfĂŒhrraum sitzt.

Auch das Panorama, das Stereoklangbild, beeinflusst die QualitÀt des Kino-Erlebnisses: Wer bei einer Stereo-Mischung einen Platz am Rand wÀhlt, sitzt auch nÀher an den seitlichen Lautsprechern. Falls GerÀusche von einer Seite lauter wahrgenommen werden, orten sie Gehör und Gehirn auch dort. Es kann also passieren, dass Bild und Ton nicht mehr ganz zusammenpassen, wenn ein Auto von links ins Bild fÀhrt, die MotorengerÀusche aber eher vom rechten Ohr wahrgenommen werden.

Bei Surround-Sound werden die meisten GerĂ€uschquellen von einem Lautsprecher in der Mitte ausgegeben. Das ist mittlerweile schon Standard fĂŒr die meisten Kinos. Auch bei solchen sogenannten 5.1-Mischungen werden Surround-Speaker stĂ€rker wahrgenommen, wenn man nah am Rand sitzt. „Den meisten Leuten fĂ€llt es eigentlich erst dann auf, dass da etwas herauskommt, wenn man sie ausschaltet“, sagt Uebe. Da die Surround-Lautsprecher in den Ecken angebracht sind, kann dieser Effekt auch auftreten, wenn man zu weit vorne oder hinten sitzt. Das Panning, also die Rechts-Links-Verteilung der Musik und der GerĂ€usche, wird, wie die SynchronitĂ€t, von einem Tonmeister bestimmt. „Das Mischpult im Mischkino steht etwa auf der Linie zum hinteren Drittel des Kinosaals. Das ist die Höhe die ich auch empfehle.“ 

Julian Schmitzberger, 24, hat durch seine Recherche vor allem eines gelernt: In Zukunft geht er öfter alleine ins Kino. So muss er sein Popcorn nicht teilen, kann beide Armlehnen fĂŒr sich beschlagnahmen und in der Reihe mit der grĂ¶ĂŸten Beinfreiheit sitzen, ohne sich Gejammer anhören zu mĂŒssen.

FĂŒnf Tipps, die dir die Wahl eines Sitzplatzes erleichtern:

1. Wer keine schwache Blase hat, sollte nicht am Rand sitzen. SitzplĂ€tze am Rand sind weder fĂŒr das visuelle noch fĂŒr das auditive Kinoerlebnis von Vorteil.

2. Auch die Helligkeit des Bildes variiert von Sitzplatz zu Sitzplatz. In der Mitte des Raumes wird die Helligkeit eingemessen und so dargestellt, wie es die Kinobetreiber wĂŒnschen.

3. Der Sound ist da am besten, wo das hintere Drittel des Kinosaals beginnt – von dort aus wird der Ton gemischt.

4. Bei Filmen, die sehr detailreiche Bilder beinhalten, sollte man nicht weiter als das Dreifache der Leinwandhöhe von der BildflĂ€che entfernt sitzen. Die ganze Auflösung des Filmes ist fĂŒr das menschliche Auge nur im Bereich davor wahrnehmbar.

5. LogenplÀtze sind nicht nur teurer als ParkettplÀtze, sondern liefern auch oft keine bessere Sicht. Also: lieber unten bleiben.
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Heute mit AktualistĂ€tsbezug, dafĂŒr ohne jegliche tatsĂ€chlich erkennbare Tittenaction.


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Olympia-Kommentatoren vs. Snowboard-Checker

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Die Situation


Klingt zunĂ€chst mal ungefĂ€hrlich: Wenn bei Olympia neue Disziplinen eingefĂŒhrt werden, braucht es Menschen, die dem Fernsehpublikum erklĂ€ren, was da vor ihren Augen passiert. Wenn diese Sportart aber zum Beispiel Snowboarden ist, ist das ein Problem. Da wird es etwas komplizierter als beim Rodeln, wo am Mikrofon wĂ€hrend eines Laufs nicht viel mehr zu verkĂŒnden ist als Zwischenzeiten. Beim Snowboarden oder Ski-Slopestyle aber gibt es nicht nur so viele Tricks, dass sie ein Wörterbuch fĂŒllen wĂŒrden, es kommen stĂ€ndig neue hinzu (So geschehen am Wochenende im Slopestyle-Finale: Gewinner Kotsenburg zeigte eine nagelneue Grab-Variante, die noch keinen Namen hatte. Er nannte sie dann „Holy Crail“). All diese Fachbegriffe zu kennen und live herunterzubeten, ist nicht leicht. Und dann soll er sich auch noch so gewĂ€hlt artikulieren können, dass er in der ARD tragbar ist – was wiederum nicht die Kernkompetenz der meisten Menschen ist, die einen Frontside Double Cork 1080 Mute Grab von einem Cab Double Cork 1080 Stalefish unterscheiden können.

So verwechselt der Kommentator also allerlei Tricks, er spricht von Eisenstangen statt von Rails, und wenn er doch mal Rail sagt, sagt er die Rail statt das Rail. Die Snowboard- und Freeski-Checker vor ihren Fernsehern werden dann schnell wĂŒtend, weil jemand ihren geliebten Sport nicht versteht und ĂŒbertreffen sich gegenseitig darin, auf jeden kleinsten Fehler hinzuweisen – meist ohne zu begreifen, dass das eigentlich ein ganz schön kleinliches Vorgehen ist fĂŒr jemanden, der sich als die Reinkarnation der Coolness versteht.

Dort treffen sie aufeinander


Gar nicht. Jedenfalls nicht im Moment ihres eigentlichen Konflikts. Denn da ist der eine ja mit Kommentieren und „Salti“ zĂ€hlen beschĂ€ftigt und der andere mit Zuschauen und sich Ă€rgern.

Darum hassen sie einander


Weil sie ein und dieselbe Sache aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Der Checker hat sich entschieden, seinen Sport zu lieben und zu ehren, bis dass das Kreuzband oder der fĂŒnfunddreißigste Geburtstag sie scheidet. Solange will er dazugehören zu seiner coolen Freestyle-Gang. Dazu muss er beweisen, die subkulturellen Codes der Szene zu beherrschen – und das geht nun mal sehr gut, indem man sich ĂŒber die lustig macht, die sie nicht beherrschen und ergo nicht zur Gang gehören. Der Kommentator ist da ein perfektes Ziel. Nicht nur gehört er offenkundig nicht dazu, nein, was er tut, ist noch schlimmer: Er tut so, als wĂŒrde er sich auskennen und dazugehören! Da wittert der Snowboardchecker Anbiederung, und die mag er gar nicht.
Und der Kommentator? FĂŒhlt sich ungerecht behandelt. Er Ă€rgert sich ĂŒber die Korinthenkackerei der Checker. Er wĂŒrde ihnen erstens gerne erklĂ€ren, dass er nun mal ein breites Publikum bedienen muss, noch dazu das eines öffentlich-rechtlichen Senders, dessen Durchschnittszuschauer ein paar Jahrzehnte Ă€lter ist und deshalb sowieso ĂŒberfordert mit diesem wilden GehĂŒpfe. Und zweitens war es ja nicht seine Idee, ihn auf diesen Posten zu setzen. Er kann nichts dafĂŒr, dass die ARD denkt, er sei ein guter Experte fĂŒr Snowboarden und Freestyle-Skifahren, nur weil er frĂŒher mal ziemlich fit auf Inline-Skates war.

Das ist die besondere Schönheit dieses Konflikts


Wahrscheinlich wĂŒrden sie das selbst nie so sehen, aber: Sie brauchen einander. Der Checker wĂ€re kein Checker mehr, wenn seine Sportart jeden Samstag 90 Minuten Sportschau fĂŒllen und sich jeder damit auskennen wĂŒrde. Der Kommentator ist einer der letzten Beweise, dass der Checker einer von den Guten ist. Der Kommentator wiederum wĂŒrde nicht gebraucht, wenn es keine Checker gĂ€be, die Tricks mit einer Genauigkeit benennen, die der Formulierung von Gesetzestexten gleicht.  

Das können wir von ihnen lernen


Coolness und Pedanterie passen schlecht zusammen. Coolness und öffentlich-rechtliches Fernsehen auch.  
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Ein guter Tag

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zum Blödsinn arbeiten

 



 
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So schwer es ist, so einfach bleibtÂŽs

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Ich google Aphorismen und suche mehr
„digitalen“ Zusammenhang.
Oder die Gemeinschaft.
Die gibt’s im SĂŒden nicht mehr mit Mitte, Ende zwanzig.

Ich google „Ich mag mehr“.
Google was „was tun fĂŒr die Karriere“
Was muss ich googeln, um ZusammenhÀnge zu erlangen!?
So erinnere ich mich an Zeiten.
Als viele Dinge hier begannen. Hier sagt man „wo“.

So erinnere ich mich an Stunden Kopfzerbrechen, als eben jene Dinge kamen, die noch nicht so blĂŒhten.
Besonders klug istÂŽs nicht zu denken: Waren kommt nicht von bewahren.
AmbitionenneidĂŒber Generationen.

Die Evolutionstheorie erlaubt das ja
nicht.
Ach, ne: Das war „personanongrata.“
So google ich.
Wenn der jetzt Dj ist, gehe ich zur GEMA.

Also zwei Frauen von 40 0000 berichten ĂŒber diesen Ort, wohl simplifiziert, weil das verflossene ihr hoffnungstreues Herz enttĂ€uschte.
So habe ich unrecht.
Und hebe ab.
Ich google:

Als Bestand war und die Berge mich bewahrten, keinen Zusammenhang zu
finden, wars ehrlicher, fast gesagt: Lieber als: Grad ist nichts.

Einziger Trost:  emotionale Intelligenz. (verharren googeln).
Und joeys Pizza.
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Das Schreiben der LĂ€mmer

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Aus dem tiefen Brunnen der Unterbelichtung schaute das schlichte LĂ€mmlein hinauf zu seinem Peiniger/ seinem Hirten/ seinem Professor.

"Es reibt sich den Geist mit der Weisheit-Der-Literaten-Lotion ein, sonst kriegt es wieder eins mit dem Schlauch verpasst!" rief dieser dem LĂ€mmlein mit verĂ€chtlich nĂ€selnder Stimme entgegen, wĂ€hrend er einen gĂŒlden schimmernden Eimer mit besagter Lotion herabließ.

Das LĂ€mmlein jedoch, es bevorzugte die Pein.
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Die Lizenz zum Besserwissen

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Köln, Ende Januar, auf dem Konzert des Singer/Songwriters Spaceman Spiff und seiner Band: Bassist Felix Weigt ist gut gelaunt und bierselig obendrein: Die Melodica, mit der er gerade gespielt habe, stamme von der Firma Walther – genauso wie die Handfeuerwaffen aus deutscher Fertigung. Einen „Fun Fact“ hĂ€tte man das frĂŒher wohl genannt. Oder: unnĂŒtzes Wissen. Heute heißt das „Quizduell-Wissen“, wie SĂ€nger Hannes Wittmer erklĂ€rt. Es folgt eine zweiminĂŒtige Diskussion, wer denn nun der bessere Gamer im Tourbus sei, das Lachen des Publikums und das nĂ€chste Lied: „Teesatz“. Darin geht es um die Orientierungslosigkeit 20- bis 30-JĂ€hriger: Fernbeziehung, Studienabbruch, Planlosigkeit und Depression. Ein Lied, in dem Spaceman Spiff auch ĂŒber das Publikum singt, das da vor der BĂŒhne steht. Über junge Menschen, denen es nicht an Möglichkeiten, sondern an Entscheidungen fehlt, die gut gebildet, aber eben auch ein bisschen rast- und ratlos sind und gar nicht so genau wissen, wohin mit ihrer Bildung – sie einfach rauszuposaunen ist ja nicht gerade gern gesehen. Quizduell? Kennen hier alle. Spielt hier fast jeder.



Quizduell macht Schlaumeier glĂŒcklich: Endlich hemmungslos besserwissen!

Das Handy-Spiel hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten extrem ausgebreitet. Mehr als elf Millionen Deutsche quizzen bereits – also weit mehr als jeder zehnte. Quizduell macht sĂŒchtig. Überall sieht man das große, weiße Q. SchĂŒler spielen unter dem Schultisch und Studenten vertrödeln ihre Vorlesung. Menschen beantworten Fragen in der Bahn, am Esstisch, im Bett, in der Schlange an der Supermarktkasse oder in der Kneipe.

Um angefixt zu werden, muss man das Spiel aus dem App-Store herunterladen und sich mit Nicknamen anmelden. Das Spiel gleicht, wie der Name schon sagt, einem Duell. Mann gegen Mann geht es um die Herrschaft des Wissens. Der Colt: die eigene Bildung. Der Gegner: Freund oder Unbekannter. Ein Duell geht ĂŒber sechs Runden, in jeder Runde mĂŒssen drei Fragen beantwortet werden. Vier Antwortmöglichkeiten, nur eine ist richtig. Die Kategorie der Fragen (insgesamt sind es 19, unter anderem „Kunst & Kultur“, „Musik & Hits“ oder „Im Labor“) wĂ€hlen die Kontrahenten abwechselnd. Da wird beispielsweise gefragt, welches Elementsymbol Iridium im Periodensystem hat (Ir) oder wodurch der spanische König Juan Carlos im  Sommer 2013 in die Kritik geriet (Elefantenjagd). Dadurch, dass die Benutzer auch selbst Fragen einreichen können, sind sie oft sehr aktuell. Beispiel: Wobei verletzte sich Michael Schumacher im Dezember 2013 schwer? Klar, beim Skifahren. Wer nach sechs Runden mehr wusste, hat gewonnen und bekommt Punkte.

Wissensspiele dieser und Ă€hnlicher Art sind schon lange populĂ€r – in kleiner Runde am Tisch („Trivial Pursuit“, „Spiel des Wissens“, „Bezzerwizzer“), in großer Runde am Tresen (Pubquiz) oder vor einem Millionen-Publikum („Wer wird MillionĂ€r“). In Berlin wurde 2011 sogar der Deutsche Quiz-Verein gegrĂŒndet. Aber warum sind Quizspiele so beliebt?

Einer der Wenigen, die zu diesem Thema geforscht haben, ist Axel Franzen, Soziologe an der UniversitĂ€t Bern. Er hat sich mit GĂŒnther Jauchs „Wer wird MillionĂ€r“ beschĂ€ftigt – und 660 ehemalige Kandidaten befragt. Unter anderem nach ihrer Motivation, an der Sendung teilzunehmen. Die meisten sagten, direkt nach der Aussicht auf den Geldgewinn, sie wollten ihr Wissen demonstrieren. Spaß und Unterhaltung standen an dritter Stelle. „Wer im Alltag sein Wissen zeigt, gilt oft als altklug oder besserwisserisch“, sagt Franzen, „musische oder sportliche Talente können wesentlich leichter demonstriert werden.“ Spiele wie das Quizduell bieten ein Forum, in dem es sogar erwĂŒnscht ist, sich in Wissensfragen mit anderen zu messen. Und das gewonnene Wissen dann auch unverhohlen nach außen zu tragen. Ist ja alles nur Spaß!

Es geht im Quiz also darum, sich intellektuell zu profilieren – ohne gleich als neunmalklug zu gelten. Dabei spielt – egal ob am Wohnzimmertisch, in der Kneipe oder am Smartphone – die Wettkampf-Situation eine entscheidende Rolle. „Wir glauben ja alle, dass wir etwas ĂŒberdurchschnittlich intelligent sind“, sagt Franzen. Jetzt kann immer und ĂŒberall der Beweis angetreten werden, wie schlau man ist. Oder zumindest wie gebildet. Intelligent muss man fĂŒrs Quizduell ja eigentlich nicht sein.

Dass Sendungen wie „Wer wird MillionĂ€r“ und Apps wie das Quizduell so erfolgreich sind, passt in unsere Zeit. Eine Zeit, in der Bildung und Wissen einen zunehmend höheren Stellenwert bekommen. Die Vorstellung des Ausgelernt-Habens ist lange ĂŒberholt, die wenigsten Menschen beenden ihre Bildungskarriere nach der Schule. Die Zahl der Studenten steigt seit Jahrzehnten. „Wissen ist sowohl von Vorteil als auch unterhaltend. Diese Vorstellung ist mittlerweile weit verbreitet“, sagt Franzen.

FĂŒr ihn sind Spiele wie das Quizduell nicht nur eine Möglichkeit, Bildung zu demonstrieren, sondern auch, sich Bildung anzueignen. Zwar wĂŒrden hĂ€ufig Trivia abgefragt, man werde aber auch angeregt, sich mit den Fragen zu beschĂ€ftigen. Wer beispielsweise nicht wusste, aus welchem Werk die Gretchenfrage stammt, liest vielleicht doch mal Goethes „Faust“. Und wer nicht weiß, wo die Region Darfur liegt, schaut womöglich in den alten Schulatlas (oder ins Internet). Franzen sagt: „Besser Quizduell spielen als Moorhuhn.“

Was er dabei nicht bedenkt: Kein Mensch spielt mehr Moorhuhn. Aber auch Moorhuhn-Nachfolger wie „Angry Birds“ unterscheiden sich in einer Hinsicht sehr vom Quizduell: Niemand spielt Vögel-Rumschießen in geselliger KneipenatmosphĂ€re. Quizduell aber schon. Das liegt neben dem Suchtfaktor vor allem an seiner DialogizitĂ€t – schließlich quizzt man immer gegen einen realen Gegner. Im Idealfall ist das ein Freund, mit dem man das Spiel dann aufarbeitet. Oder der Bandkollege, mit dem man auf der BĂŒhne vor Publikum darĂŒber streiten kann, wer denn jetzt der grĂ¶ĂŸere Schlaumeier ist.

(Den Autor dieses Textes kannst du ĂŒbrigens unter dem Nutzernamen „MiWinde“ zum Quizduell herausfordern.)
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Freelancer-Trost

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Mal gucken ob ich jeden Tag einen kleinen Comic zeichen kann.
 


Wenn du manchmal traurig bist, weil du als Freelancer arbeitest (so wie ich) und es nicht so gut lÀuft, hilf es manchmal dich zu unterhalten mit deinen angestellten Kumpeln.
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Dosenpfand, Flaschenpfand - Handypfand?

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Dass nicht nur Smartphones sondern auch alte Nokias voll mit Edelmetallen und verwertbarem Schrott sind, ist kein Geheimnis – trotzdem finden die wenigsten davon den Weg in die Recyclinganlage. Die meisten gammeln in jenen Schubladen rum, ĂŒber die wir schon lange die Kontrolle verloren haben, ohne Hoffnung auf Wiederverwendung. Es sei den irgendein Bekannter startet bei Facebook, den Aufruf: „Jemand noch ein altes Handy ĂŒbrig?“, weil sein altes in der Isar, der U-Bahn oder der Mikrowelle ein frĂŒhes Ende gefunden hat. 



Kennt man ja von Flaschen, könnte bald auch auf Handys sein: das Pfandzeichen.

Wer noch alte Handys hat und sie nicht als ErinnerungsstĂŒcke an frĂŒhe Jugendjahre braucht, kann diese schon lĂ€nger freiwillig zum Recycling einreichen. Teilweise gibt’s dafĂŒr sogar noch Geld oder es geht eine Spende fĂŒr gute Zwecke davon ab.  

Weil das aber scheinbar nicht ausreichend genutzt wird, wird in der Politik schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken gespielt, auf Handys ein Pfand zu erheben. Das hat am Dienstag auch Marlehn Thieme vom Rat fĂŒr nachhaltige Entwicklung im Interview mit der Frankfurter Rundschau gefordert. So sollen Handys, wie heute Bierflaschen, in Sammelstellen abgegeben, statt gebunkert oder weggeworfen werden.  

Durch diesen Vorstoß wĂŒrden unsere Schubladen zu Goldgruben und die Platinminen im Kongo geschont. Das Ziel ist eine Gesellschaft ohne MĂŒllproduktion, in der jeder Rohstoff recycelt wird. Das hilft dem Planeten und die MĂŒllecke bietet Platz fĂŒr Zimmerpflanzen, Aquarien oder die BĂŒste des Lieblingsphilosophen.  

Was hĂ€ltst du davon? Hat das Handypfand deiner Meinung nach ĂŒberhaupt eine Zukunft oder bist du schon mit der DosenrĂŒckgabe ĂŒberfordert? Wie hoch mĂŒsste das Pfand sein? Und worauf macht es sonst Sinn? Zigarettenfilter, Pizzakartons oder die Giraffe mit den ĂŒberflĂŒssigen Genen? Was sollte sonst noch wiederverwendet werden? 
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Tagesblog - 12. Februar 2014

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17:55 Uhr: So, die Sonne ist inzwischen ganz untergegangen. Ich verabschiede mich fĂŒr heute, morgen frĂŒh bloggt fĂŒr euch Jan Stremmel. Habt einen schönen Abend!



(Foto: privat)

17:20 Uhr: Dieser Ausblick (auf diesem Tumblr gibt es noch mehr davon) lenkt mich gerade etwas von der Arbeit ab. Aber es ist einfach zu schön!

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17:04 Uhr:
Zum Nachmittagstee ein wenig Weiterbildung in Sachen Weltgeschehen. Die Nachrichten dominiert seit dem Vormittag die BGH-Entscheidung zum Elternunterhalt. Unglaublich, dass man fĂŒr seine Eltern zahlen soll, auch wenn man 40 (!) Jahre lang keinen Kontakt hatte. Jetzt aber wieder weiter arbeiten!

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16:48 Uhr:
Zwei Jahre lang nur zwei Studenten, in jeder Vorlesung, in jedem Seminar, geht das? FĂŒr unsere MĂŒnchenseite in der SĂŒddeutschen Zeitung, die morgen erscheint, hat Katharina aufgeschrieben, wie es war, im Masterstudiengang Musikjournalismus nur einen einzigen Kommilitonen zu haben.

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15:45 Uhr:
Der ZĂŒrcher Snowboarder Iouri Podladtchikov hat gestern die Goldmedaille in der Halfpipe gewonnen und gleich danach ein Interview im Schweizer Fernsehen gegeben. Das, was er in den 334 Sekunden Interview dann sagte, war leicht konfus, sehr entzĂŒckend - und liest sich ganz wunderbar. Was soll man auch sagen, wenn man gerade Olympia-Gold gewonnen hat?

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(Foto: Instagram)

14:18 Uhr:Ob der noch schmeckt? Unser Praktikant kreiste gerade fĂŒnf Minuten um den Geburtstags-Muffin von letzter Woche, hob ihn hoch und legte ihn dann doch wieder zurĂŒck.

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http://www.youtube.com/watch?v=c0jVth6Gdes#t=59

13:30 Uhr: Könnt ihr euch etwas Peinlicheres vorstellen? Wir kommen gerade aus der Mittagspause und ĂŒberlegen noch. Mehr unvergessliche Sotschi-Filme findet ihr in unserem FĂŒnf-Filme-Spazial.

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11:49 Uhr: Ich stolpere gerade ĂŒber den Hashtag #berlinfilme, passend zur Berlinale, die noch bis Sonntag geht. Die vielen Filmtitelsammlungen auf Twitter nerven eigentlich langsam. Über "Der Prinz von Bellevue" muss ich aber schon schmunzeln.

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(Foto: Facebook.com/brand.eins)

10:51 Uhr: Falls noch jemand ein Geschenk fĂŒr Freitag sucht... Das Foto von den Brand-Eins-Kollegen wird gerade wild auf meiner Facebook-Timeline geteilt.

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                   (Foto: Reuters)

09:49 Uhr: GĂ€be es in Sotschi auch Medaillen fĂŒr modische Kombinationen - die norwegischen Curler (siehe Foto) hĂ€tten Gold verdient. Da krieg sogar ich als Wintersport-und-alle-Sportarten-im-Fernsehen-Muffel ein wenig Lust einzuschalten.
Apropos Sotschi und Mode, an dieser Stelle muss ich noch auf das "inoffiziellste Olympia-Shirt 2014" hinweisen.

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09:15 Uhr: Wieder da von der Konferenz bei den Kollegen von SĂŒddeutsche.de. Die beschĂ€ftigen heute unter anderem das BGH-Urteil, ob Kinder fĂŒr Eltern zahlen mĂŒssen, die den Kontakt abgebrochen haben (Update: Ja, mĂŒssen sie.), Maria Höfl-Rieschs verpasste Medaille (hier gibt's Sotschi im Live-Ticker) und der Maischberger-Talk ĂŒber HomosexualitĂ€t (hier die sehr lesenswerte Nachtkritik).
Und natĂŒrlich das Brillenputztuch des Homepage-Chefs - mit dem MĂŒnchner U- und S-Bahnplan drauf!

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08:34 Uhr: Unsere Politiker diskutieren gerade ĂŒber ein Pfand auf Handys und andere ElektrogerĂ€te. Ja, Pfand wie Flaschen- und Dosenpfand. Klingt erst mal komisch, aber vielleicht ist das ja eine ganz gute Idee, schließlich verstauben die meisten alten Handys eh in irgendwelchen Schubladen. In unserem heutigen Ticker sprechen wir ĂŒber die Pfandidee.

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08:20 Uhr:
Ich muss immer noch ĂŒber diesen wunderbaren Tumblr lachen, den ich gestern Abend auf Twitter entdeckt habe: Lookismus gegen rechts. Joa. SYMPATHISCH, ne?

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08:10 Uhr: Ein Nachteil daran, dass wir jetzt frĂŒher anfangen und deswegen frĂŒher auf dem Weg zur Arbeit sind: In meinem Bus sind nur AchtklĂ€ssler. Und ich. Und da passieren dann solche Dinge:

Typ 1: (hustet mehrmals sehr laut)
Typ 2: Ey, Alter, du stirbst, Mann! (lacht)
Typ 1: (wartet drei Sekunden) Ja. EHEC, Mann!
Typ 2: (lacht nicht mehr, zĂŒckt sein Handy)

Ach ja. Guten Morgen! FĂŒr alle, die das mit dem jetzt.de-Tagesblog noch nicht mitbekommen haben: Hier steht, was das soll und wie das Ganze funktioniert.
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Hand drauf

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Wenn Cihan SĂŒÄŸĂŒr spricht, ist es hinterher nicht leicht, etwas zum Zitieren zu finden. „Fuck you“ geht gerade noch, ist ja Englisch. „Arschloch“ geht ein bisschen weniger und „Bauern-Spast“ geht eigentlich gar nicht, erst recht nicht, wenn man sich dabei auf einen deutschen CSU-Minister bezieht.

Cihan SĂŒÄŸĂŒr, 23, Teamleiter bei der Deutschen Bahn Schenker, ist einer von mehr als 300 Stipendiaten der Deutschlandstiftung Integration. Er gehört zum ersten Jahrgang des Programms und gilt als eine der schillerndsten Figuren hier, im Atrium der Deutschen Bank, wo gerade der zweite Jahrgang aufgenommen wird. SpĂ€ter, beim Neujahrsempfang, kommen so ziemlich alle zusammen, die sich in Berlin mit Integration beschĂ€ftigen. Schirmherrin Angela Merkel ist verhindert, Regierungssprecher Steffen Seibert – selbst Mentor im Programm – vertritt sie.

Ein eigenartiger Kontrast. Auf der einen Seite Caren Marks, StaatssekretĂ€rin im Familienministerium, die von einem „gedeihlichen Miteinander“ fabuliert, die Stipendiaten fĂŒr ihre „Kulturkompetenz“, ihre „FĂ€higkeiten und Fertigkeiten“ lobt. Marks mahnt, dass man sich „gesamtgesellschaftlich noch mehr anstrengen“ mĂŒsse und, natĂŒrlich, alles in der Kita beginne. Als fĂŒr ihre „spannenden Worte“ gedankt wird, kichern die ersten. Dann kommt Stipendiat Amin Saleh: „Keine Angst, ich spreche deutsch“. Er hat sich die Zeile „Schau nach vorn, nicht zurĂŒck, geh deinen Weg, StĂŒck fĂŒr StĂŒck, Bruder“ einfallen lassen, untermalt mit Klatschen aus dem Publikum. „Geh deinen Weg“ ist das Motto des Stipendienprogramms.



"Gedeihliches Miteinander", das geht nur im direkten Kontakt: Bundesadler auf der deutschen EinbĂŒrgerungsurkunde.

Wer bei Stipendium an finanzielle UnterstĂŒtzung denkt, liegt in diesem Fall falsch. Die 2008 vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger gegrĂŒndete Stiftung ist klein. Sieben Mitarbeiter. Sie hat nicht die Mittel, den 164 neu aufgenommen Talenten zwei Jahre lang Geld zu ĂŒberweisen. Stattdessen stellt sie ihnen Mentoren zur Seite, die kommen oft aus zahlungskrĂ€ftigen Unternehmen im Hintergrund – Edeka, Telekom, Deutsche Bank – oder aus der Politik. Darum geht es bei dem Empfang eigentlich: ums KontakteknĂŒpfen.

Bahn-Mitarbeiter Cihan SĂŒÄŸĂŒr hat das nicht mehr so richtig nötig. Der 23-JĂ€hrige war schon im ZDF zu sehen und wurde auch vom Bayerischen Rundfunk interviewt. Er ist ein „Dortmunder Jung“, sein Großvater kam in der 1970er Jahren „mit einem vollgepackten Ford Transit und zwei Frauen“ in den Ruhrpott, Gastarbeiter. Sein Enkel, Ray-Ban-Brille, Anzug, spricht von „High Flyern“, „High Potentials“ und „Top-Talents“, was vermutlich alles das gleiche bedeutet. Dass er dazwischen so oft „Fuck you“ sagt, liegt daran, dass er, der in Deutschland geboren wurde, erfolgreich und sozial engagiert ist, keinen deutschen Pass bekommt. Zumindest nicht, so lange er seinen tĂŒrkischen Pass behĂ€lt. Bei ĂŒber 50 anderen NationalitĂ€ten gilt diese Wahlpflicht nicht. Unfair, findet SĂŒÄŸĂŒr und sagt: „Ich fĂŒtter mit meinen Steuern sechs Hartz-4-EmpfĂ€nger durch. Ich kann auch ins Ausland gehen, wenn ich das GefĂŒhl habe, nicht gewollt zu sein.“

Dass es so weit kommt, will Aydan Özoğuz (SPD), neue Beauftragte der Bundesregierung fĂŒr Integration, Migration und FlĂŒchtlinge, verhindern. Dass inzwischen mehr Menschen von Deutschland in die TĂŒrkei gingen als andersrum, sei ein Alarmsignal. In der Debatte um die doppelte StaatsbĂŒrgerschaft plĂ€diert Özoğuz, selbst Kind tĂŒrkischer Gastarbeiter, dafĂŒr, den Doppelpass nicht von komplizierten, bĂŒrokratischen Verfahren abhĂ€ngig zu machen – und stellt sich damit auch gegen Innenminister Thomas de MaiziĂšre (CDU).

Özoğuz bekommt viel Beifall. Das Thema StaatsbĂŒrgerschaft beschĂ€ftigt alle. Noch wichtiger ist es den Stipendiaten aber, mit prominenten GĂ€sten ins GesprĂ€ch zu kommen. Viele haben noch keinen Mentor, sind an diesem Abend auf der Suche. Abgeordnete, KĂŒnstler, Personalchefs sind da.

„Alle High-Flyer bleiben unter sich, da kommt man nicht dazwischen“, beschwert sich ein Management-Student aus Bochum. High-Flyer ist also doch etwas anderes als High-Potential. Bald darauf spricht der Student mit dem tĂŒrkischen Botschafter HĂŒseyin Avni Karslıoğlu, der scheinbar mit dem gesamten Botschaftspersonal angerĂŒckt ist. Auch der Schweizer Botschafter ist da. Wolfgang FĂŒrstner, der fĂŒr den Stiftungs-Vorstand, in dem auch Uli Hoeneß sitzt, spricht, wendet sich an ihn: Mit dem Votum „Gegen Masseneinwanderung“ habe sich die Schweiz auf einen falschen Weg begeben: „Das ist keine zukunftsweisende Politik.“ Ob die Förderung der Deutschlandstiftung zukunftsweisend ist? Da sind die Stipendiaten unsicher. „Ich habe Freunde, Bio-Deutsche, die finden unfair, dass sie keine Förderung bekommen“, sagt einer, „ich kann das irgendwie verstehen.“ Andererseits gibt es auch Förderung fĂŒr begabte Katholiken, Sozialisten, FDP-AnhĂ€nger, Arbeiterkinder. Viele hier sind in ihrem Leben ausgegrenzt oder benachteiligt worden. Wenn es jetzt mal einen „AuslĂ€nderbonus“ gibt, sei das im Prinzip okay. Oder?

"Mein Mentee hat mir den Kopf geöffnet", sagt der Regierungssprecher

Die Mentoren, die die Stipendiaten bekommen, sind oft erstklassig: Der Management-Student aus Bochum wĂŒnscht sich Dieter Zetsche, bei den Frauen ist Hannelore Kraft begehrt. Gut möglich, dass das klappt. Steffen Seibert sagt bei einer kurzen Podiumsdiskussion, sein „Mentee“, Zakariya Ali, habe ihm „den Kopf geöffnet“, er lerne sehr viel von dem muslimischen Medizinstudenten. Amin Saleh, der Stipendiat mit dem „Schau nach vorn“-Rap, sagt am nĂ€chsten Tag, man hĂ€tte die Veranstaltung „jugendfreundlicher gestalten“ können, die langen Reden, na ja.

Und Überflieger Cihan SĂŒÄŸĂŒr? Er postet gegen Mitternacht ein Selfie mit Staatsministerin Aydan Özoğuz, schreibt, die Veranstaltung sei „H-A-M-M-E-R!!“ gewesen. Dann geht es „straight nach Frankfurt“, wo ab morgen wieder „malochen“ angesagt ist. Mehr Deutschland geht nicht.
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So viele Tote, so wenige Schuldige

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Dreieinhalb Jahre lang haben sie gewartet, diejenigen, die man Hinterbliebene nennt, die trauernd und verzweifelt zurĂŒckgeblieben sind, weil ihre Söhne und Töchter sich aus allen Ecken des Landes und auch der Welt auf den Weg gemacht hatten nach Duisburg zur Loveparade, um zu tanzen, zu trinken und zu lachen. Immer wieder sind die Familien aus Spanien und aus China nach Deutschland gekommen und haben gefragt, ob denn die Polizei herausgefunden habe, warum ihre Kinder im Juli 2010 starben, und wie lange das noch dauere. Bald, haben ihre RechtsanwĂ€lte gesagt, bald werde es hoffentlich Klarheit geben.



Blumen an der GedenkstĂ€tte des Loveparade UnglĂŒcks

Auf der einen Seite ist es daher ein Erfolg fĂŒr die Opfer, dass aus dem bald nun ein jetzt geworden ist, und dass die Staatsanwaltschaft Duisburg am Dienstag Anklage erhoben hat. Es ist aber auch eine Art Niederlage fĂŒr die Opfer, weil nach SZ-Informationen nur noch gegen zehn Beschuldigte Anklage wegen fahrlĂ€ssiger Tötung von 21 Menschen erhoben wird; offiziell vorgestellt wird die Klageschrift erst am Mittwoch. „Am Ende des Prozesses wird es möglicherweise eine große EnttĂ€uschung geben“, sagt der Opfer-Anwalt Julius Reiter, der mit dem frĂŒheren Innenminister Gerhart Baum rund 100 Betroffene vertritt. So viele Opfer, so wenig Beschuldigte.

Gegen sechs Mitarbeiter der Stadt wird es vermutlich zum Prozess kommen und auch gegen vier Angestellte von Lopavent, der Veranstaltungsfirma der Loveparade. Es sind Namen, die außerhalb von Duisburg niemand kennt und bei denen sich manche der Hinterbliebenen wohl die Frage stellen, ob man die Großen laufen lĂ€sst und die Kleinen hĂ€ngt. Die Liste derer, die nicht vor Gericht erscheinen mĂŒssen, ist fast lĂ€nger als die derer, die nichts mehr befĂŒrchten mĂŒssen, obwohl sie doch die großen Antreiber und Macher der Loveparade waren.

Schon lange ist klar, dass weder Rainer Schaller, der Lopavent-GeschĂ€ftsfĂŒhrer und GrĂŒnder der Fitnesskette McFit, noch der ehemalige OberbĂŒrgermeister Adolf Sauerland unter den Angeklagten sein werden. In den vergangenen Monaten ist die Zahl der Beschuldigten aber weiter geschrumpft, von 16 auf nur noch zehn. Einer verstarb, das Verfahren gegen vier andere wurde eingestellt. Der sogenannte Crowd-Manager ist nicht unter den Angeklagten, und kein einziger Polizist.

Drei Jahre lang haben die Staatsanwaltschaft und die Polizei 3500 Zeugen gehört, 1000 Stunden Videos angesehen und 404 Terabyte Daten verarbeitet, die Ermittlungsakte umfasst mittlerweile 35000 Seiten. Die Ermittler haben sich in der Organisationsstruktur der Stadt Duisburg und des Veranstalters von unten nach oben gearbeitet und versucht, Verantwortlichkeiten festzustellen: Wer erließ welche Genehmigung? Letztlich sind sie im Mittelbau stecken geblieben, selbst Wolfgang Rabe, der Dezernent fĂŒr Sicherheit und Recht der Stadt, gehört nicht mehr zu den Angeklagten. Er ist ein gutes Beispiel dafĂŒr, dass die Staatsanwaltschaft eine eher defensive Anklage erhoben hat.

Dabei finden sich in den Ermittlungsakten zahlreiche Hinweise darauf, dass Rabe immer wieder Druck machte. Als in der Verwaltung Bedenken wegen der Fluchtwege geĂ€ußert wurden, sagte Rabe laut eines Sitzungsprotokolls: „Herr Rabe stellte in diesem Zusammenhang fest, dass der OB die Veranstaltung wĂŒnsche und dass daher hierfĂŒr eine Lösung gefunden werden mĂŒsse.“ Die wurde dann auch gefunden, Besucherzahlen wurden manipuliert, Rettungswege schöngerechnet. Dass es fĂŒr Leute wie Rabe, Schaller oder Sauerland dennoch nicht fĂŒr eine Anklage reicht, zeigt das Dilemma der Ermittler. Sie brauchen, Verantwortlichkeiten, Dienstwege, Befehlsketten. Und Leute wie Sicherheitsdezernent Rabe machten zwar Druck, die Genehmigungen wurden aber im Bauamt unterschrieben, aus dem die nun Angeklagten kommen. Formal gesehen war er also nicht zustĂ€ndig. Andere waren zu schlau, um irgendwelche Genehmigungen zu unterschreiben; im BĂŒro von OberbĂŒrgermeister Sauerland verschwanden Hunderte Mails.

Auch von der Polizei wird sich niemand auf der Anklagebank finden, das Ermittlungsverfahren gegen den PolizeifĂŒhrer Kuno S. wurde eingestellt, obwohl auch die Polizei viele Fehler machte, als die Katastrophe ihren Lauf nahm.

Mitte diesen Jahres wird der Prozess dann wohl starten, wahrscheinlich in den Hallen der DĂŒsseldorfer Messe, weil so viele Angehörige erwartet werden. Sie erwarten AufklĂ€rung, wollen wissen, warum ihre Kinder starben. „Wir haben aber Zweifel, dass das Strafverfahren dieses leisten kann“, sagt Opfer-Anwalt Reiter. Der Prozess wird wohl nur einen Teil der Geschichte erzĂ€hlen.

Steht man heute vor dem Tunnel, durch den sich Hunderttausende auf das GelĂ€nde der Loveparade drĂ€ngten, steht man also vor dem kleinen Denkmal auf der Rampe, dort, wo 21 Menschen im GedrĂ€nge erdrĂŒckt wurden und erstickten, dann fragt man sich schon, wie dieser Wahnsinn passieren konnte. Warum niemand „Stop“ sagte. Alle hĂ€tten durch einfachste Kalkulationen wissen mĂŒssen, dass das ganze GelĂ€nde viel zu klein war, schreibt ein britischer Gutachter. Aber so genau zĂ€hlen wollte offenbar niemand in Duisburg.
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Kleine Profi-Zocker

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Kommt eine Ministerin in eine Berliner Schule und fragt: „Wie viele Stunden verbringt ihr so am PC?“ Also, antwortet ein SiebtklĂ€ssler, „mir nehmen meine Eltern meinen Laptop immer weg. Weil ich zu lange spiele.“ Auf die Frage nach ihrer Zeit im Netz antwortet ein MĂ€dchen aus der 12. Klasse: „Viel. Vielleicht zu viel. Aber mit echten Freunden zusammen zu sein, macht schon noch mehr Spaß.“ Ein anderer SchĂŒler sieht das etwas anders. „TatsĂ€chlich bin ich schon Profi-Zocker“, sagt er. PC, iPhone, Konsole – nimmt er alles mit. „Ist schon ein Ritual geworden.“



Ministerin Manuela Schwesig spricht mit SchĂŒlern der Friedensburg-Oberschule in Berlin-Charlottenburg darĂŒber, was sie so alles online treiben. Viele verbringen tĂ€glich fast drei Stunden vor dem Computer.

Besuch von Manuela Schwesig in der Friedensburg-Oberschule in Berlin-Charlottenburg. Die Jugendministerin will sich am „Safer Internet Day“ informieren, was junge Leute so am Schirm treiben. Der Sichere Internet Tag, das ist der Versuch der EU, die Welt daran zu erinnern, dass das Surfen im Netz außer Spaß und Nutzen auch Gefahren birgt. Es geht da um Cybermobbing, Betrug und die Arglosigkeit, mit der viele ĂŒber digitale MarktplĂ€tze schlendern und Sensibelstes preisgeben.

An der Friedensburg-Oberschule in Berlin, wo SchĂŒler vier Stunden die Woche das Fach „Medien und Kommunikation“ belegen können, steht ein Mitarbeiter der Initiative Klick.safe am Dienstag vor einer siebten Klasse. Er lĂ€sst eine SchĂŒlerin auf der Website checkdeinpasswort.de ihr Internet-Passwort eingeben. In zwölf Minuten wĂ€re es geknackt, verrĂ€t das Programm. Kichern in der Klasse, dann kommt Ministerin Schwesig, die wissen will, wie Eltern eigentlich dem Datendurst ihrer Kinder beikommen. „Ja“, sagt ein SchĂŒler, „die lassen uns so ziemlich frei.“

Anders als beim Fernsehen, fĂŒr das es in vielen Familien ein Zeitlimit gibt, lĂ€sst sich in Zeiten des Smartphones der Medienkonsum nur noch schwer begrenzen. Nach einer Studie des MedienpĂ€dagogischen Forschungsverbunds SĂŒdwest waren junge Leute zwischen zwölf und 19 Jahren 2013 im Schnitt 179 Minuten online, also knapp drei Stunden am Tag. 2012 surften sie eine Dreiviertelstunde weniger. Aber auch bei Erwachsenen steigt der Online-Konsum rapide – bei wachsendem Misstrauen.

Nach einer reprĂ€sentativen Umfrage des Hightech-Verbands Bitkom halten 80Prozent der Internetnutzer ihre Daten im Netz fĂŒr schlecht gesichert. 2011 waren es noch 55 Prozent. Bundesverbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD), auch er war beim Safer Internet Day unterwegs, will jetzt dafĂŒr sorgen, dass Verbraucherschutzorganisationen gegen Firmen mit Abmahnung oder Unterlassungsklage vorgehen können, die rechtswidrig mit Verbraucherdaten umgehen. Bisher waren solche Klagen nur möglich, wenn die GeschĂ€ftsbedingungen gegen Datenschutzvorschriften verstießen. Bis Ende April will der Minister einen Referentenentwurf vorlegen und so eine rechtliche LĂŒcke schließen.
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Pleite sein ist eine tolle Motivation

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Der so geniale wie launische David O. Russell, Regisseur von „The Fighter“ und „Silver Linings“ ist mit seiner Gauner-Groteske „American Hustle“ gerade zum dritten Mal in Folge fĂŒr den Oscar nominiert. Beim Treffen hat er einen langen Vormittag Berlinale-Zirkus hinter sich und sitzt nun leicht störrisch in einer Hotelsuite am Gendarmenmarkt, wo er gleichzeitig in einer Zeitschrift blĂ€ttert und in sein Smartphone hackt. Die ersten Fragen werden fast nur mit „Yes“ oder „No“ beantwortet, bis er plötzlich aufblickt und seine Augen leuchten: „Kennen Sie die Szene in „Chinatown“, wo Faye Dunaway Jack Nicholson die gebrochene Nase verbindet und ihn fragt, ob es weh tut? Wissen Sie, was er dann antwortet?“ Eine Quizfrage fĂŒr den Fragensteller, die Antwort entscheidet, ob es an diesem Nachmittag noch zu vollstĂ€ndigen SĂ€tzen kommen wird. Aber man kann ja auch mal GlĂŒck haben. Nicholson antwortete lakonisch: „Nur wenn ich atme“. Russel wirft quietschvergnĂŒgt sein Handy auf den Sofatisch, nuckelt an seiner Cola-Flasche und hat jetzt sehr große Lust sich zu unterhalten. „Ihr meint das hier in Deutschland wirklich ernst mit dem Kino, oder?“



Russell auf dem roten Teppich der Berlinale

SZ: Was hat Sie an der „American Hustle“-Story, die auf einer wahren Begebenheit beruht, so fasziniert?

David O. Russell Ich suche immer nach Charakteren, bei denen man eine richtige Maulstarre vor Staunen bekommt, wenn man von ihnen hört. Menschen, die man gar nicht richtig beschreiben kann, sondern die man zeigen muss. Und als ich das Drehbuch von Eric Warren Singer las, fand ich genau das Personal, das ich immer suche. Denn neben den ganzen schrÀgen Gaunereien ist doch das eigentlich Spannende an dieser Geschichte, dass dieses GaunerpÀrchen, gespielt von Amy Adams und Christian Bale, tatsÀchlich auch noch ineinander verknallt war.

Die Liebesgeschichte ist immer am Wichtigsten?

Klar, das ist wie in „Bonnie und Clyde“. Liebe ist doch der Grund, warum man ĂŒberhaupt ans Leben glaubt und jeden Tag aufsteht. Die Leute in „American Hustle“ sind ja nicht nur Soziopathen und Kriminelle, das sind vor allem liebende Menschen. Und Menschen, die sich verlieben – oder noch besser: die vielleicht noch gar nicht gemerkt haben, dass sie sich verliebt haben – das sind Charaktere, die mich interessieren.

Das verbindet auch Ihre letzten drei Filme, das Boxerdrama „The Fighter“, die Feelgood-Comedy „Silver Linings“ und „American Hustle“. WĂŒrden Sie sagen, diese drei Filme bilden eine Art Trilogie, so unterschiedlich sie auch sein mögen?

Absolut. In allen dreien geht es darum, zu ĂŒberleben, sich neu zu erfinden, die Liebe möglich zu machen. Das war nie als Trilogie geplant, es ist einfach passiert, aber jetzt sehe ich das auch so. „American Hustle“ ist das Destillat der beiden VorgĂ€ngerfilme. So einen Film kannst du nicht planen. Die „Fighter“-Darsteller Christian Bale und Amy Adams wollten unbedingt mit den „Silver Linings“-Darstellern Jennifer Lawrence und Bradley Cooper arbeiten, und umgekehrt. Das war dann fĂŒr alle ein ziemliches Wow-Erlebnis. Die Herausforderung fĂŒr mich war es, sie so zu zeigen, wie man sie noch nie zuvor gesehen hat.

DafĂŒr haben Sie das Drehbuch gemeinsam mit Ihren Schauspielern weiterentwickelt.

So ein Ding wie „Hustle“ kannst du gar nicht alleine schreiben. Es hat mir geholfen, Christian Bale, Bradley Cooper, Amy Adams und Jennifer Lawrence zuhause zu besuchen und mit ihnen gemeinsam die Dialoge zu entwickeln. Mit Robert De Niro, der in einer großartigen Gastrolle zu sehen ist, habe ich das ebenfalls gemacht, am Telefon. Da spĂŒrt man dann eine gemeinsame Sehnsucht, diese Geschichte erzĂ€hlen zu wollen, das ist ĂŒberhaupt nichts KĂŒnstlerisch-mystisches, sondern ein sehr klarer, bewusster Prozess.

Keine geheimen KrÀfte am Werk?

Wissen Sie, irgendwann habe ich gelernt: Not macht erfinderisch. Pleite zu sein ist zum Beispiel eine super Motivation um eine Geschichte zu erzĂ€hlen – ganz ohne Bullshit. Wenn du Alimente zahlen musst, wenn du ein Haus abbezahlen musst, so wie mir das nach der Scheidung von meiner Frau ging, dann ist das wie eine Knarre an deinem Kopf, mit dem Befehl: ErzĂ€hl jetzt verdammt noch mal eine gute Geschichte! Kein Rumgeeiere. Als wĂ€re es dein letzter Film.

Ihre Inspiration fĂŒttern Sie dabei gern mit Zitaten aus der Filmgeschichte.

Filmklassiker sind doch wie Songs, die einem ans Herz gewachsen sind. Und da sage ich eben: Die Stimmung will ich jetzt genau wie in diesem einen Song oder Film haben. John Lennon hat uns beigebracht, dass es vollkommen in Ordnung ist, beim Schaffen eines neuen Kunstwerks einen anderen KĂŒnstler im Kopf zu haben. Denn am Ende wird es ja trotzdem dein eigenes Ding sein. Und ein wichtiger Film, der fĂŒr mich einen ganz bestimmten Sound heraufbeschwört, ist zum Beispiel „Chinatown“.

„American Hustle“ ist so rhythmisch erzĂ€hlt, das der Film fast schon als Musical durchgeht.

Ja, ja, ja! Ich denke mittlerweile immer rhythmischer. Duke Ellington war ein unheimlich wichtiger Einfluss fĂŒr mich. Und alle singen tolle Songs in diesem Film. Bradley Cooper und Jeremy Renner legen sogar ein „Delilah“-Duett hin. Das hĂ€tte ich mir nie trĂ€umen lassen, dass ich mal so etwas mache.

Diese Einlagen sind auch ein Grund, warum Ihre Filme selbst in den dramatischsten Momenten sehr humorvoll sind. Nur Zynismus scheinen sie streng zu meiden.

Ich habe ein sehr romantisches Interesse am Leben und am Kino. Zynismus ist billig, eine Ausrede, ein Fake. Es ist einfach, so zu tun, als wĂ€re einem alles egal. Als wĂ€re alles im Leben Mist, ĂŒber den man sich lustig machen kann. Mich interessiert aber, warum Leute das Leben und die Liebe ernst nehmen. Warum leben sie, warum lieben sie, was gibt ihnen Energie?

Wenn man sich „American Hustle“ ansieht, scheint es, als ginge Ihnen diese Energie bei Ihren Frauenfiguren derzeit besonders gut von der Hand.

Frauen sind das Geheimnis von großem Kino. Wegen denen macht man das doch alles. Ich hatte in meinem Leben mit vielen starken Frauen zu tun, die setzen deinen Hintern schon in Bewegung, und davor habe ich großen Respekt. MĂ€nner sind viel zu vorhersehbar, aber Frauen: Da weißt du nie, was als nĂ€chstes kommt. Genial!

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Hauptsache böse

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Nein, Nathan Fielder wird wahrscheinlich doch kein MilliardĂ€r – dabei hatte er sich doch genau das vorgenommen. Mit einer schicken grĂŒnen SchĂŒrze stand er vor seinem GeschĂ€ft im Norden von Los Angeles und verkĂŒndete vollmundig, dass er aufgrund des ĂŒberraschenden Erfolges noch in dieser Woche eine Filiale in Brooklyn eröffnen wolle. „Das funktioniert doch ganz wunderbar“, sagte er. Seine GeschĂ€ftsidee: Er eröffnete einen Shop, den er in Anlehnung an die ĂŒberaus erfolgreiche Kaffeehauskette Starbucks einfach „Dumb Starbucks“ nannte, das dumme Starbucks. Er berief sich darauf, dass es sich nach amerikanischem Recht um eine Parodie handeln wĂŒrde: „Wir nutzen ihren Namen und das Logo nur zu Marketingzwecken. Durch das Wort ,Dumb‘ machen wir uns ĂŒber Starbucks lustig.“ Deshalb dĂŒrfe er sowohl den Namen als auch das Markenzeichen ganz legal verwenden.



Nathan Fielder bei der Eröffnung seiner "Dumb Starbucks"-Filiale in Los Angeles.

Es gab Produkte wie den Dumb Chai Tea Latte, den Dumb Iced Caramel Macchiato – dazu GebĂ€ck, das er zuvor in einem Supermarkt gekauft hatte. „Rechtlich gesehen arbeiten wir als eine Kunstgalerie“, sagte Fielder: „Sie kaufen keinen Kaffee, sondern Kunst. Das hier ist ein richtiges GeschĂ€ft, mit dem ich reich werden möchte.“ Freilich ist Fielder, 30, kein Unternehmer, er ist ein kanadischer Komiker, der im Jahr 2006 mit dem Tim Sims Award ausgezeichnet wurde und dessen Sendung „Nathan For You“ auf dem Kanal Comedy Central zu sehen ist. Gewöhnlich gibt er darin als vermeintlicher Unternehmensberater kriselnden Firmen Tipps, mit krassen Methoden oder aufwendigen Aktionen das GeschĂ€ft anzukurbeln.

Um etwa die Besucherzahlen eines Streichelzoos im kalifornischen Oakland zu erhöhen, inszenierte er ein Video, in dem es so aussah, als wĂŒrde ein kleines Schweinchen eine Ziege vor dem Ertrinken retten. Das Video stellte er online, es wurde zu einem Hit und sorgte tatsĂ€chlich dafĂŒr, dass mehr Menschen in den Zoo kamen. Danach wollte er Autofahrer zu einer Tankstelle locken, indem er all jenen gewaltige Rabatte anbot, die bereit waren, dafĂŒr auf einen Berg zu wandern. Acht Menschen machten mit und campierten gar auf dem Gipfel des Berges. Bisweilen prĂ€sentierte er auch eigene GeschĂ€ftsideen: Er trat vor einem Nachtclub als Magier auf und ließ die AutoschlĂŒssel betrunkener GĂ€ste verschwinden. Danach fuhr er sie nach Hause.

Fielder ist ein Guerilla-Komiker, der mit seinen teils bitterbösen Streichen berĂŒhmt wurde. Der amerikanische Comedian Jimmy Kimmel forderte einst Eltern auf, ihren Kindern zu erzĂ€hlen, dass sie alle Halloween-SĂŒĂŸigkeiten gegessen hĂ€tten. Fielder ging daraufhin mehrere Schritte weiter: Kinder sollten ihren Eltern eine SMS schicken und so tun, als hĂ€tten sie sich mit einer Krankheit angesteckt, die durch sexuelle Handlungen ĂŒbertragen wird. Die jeweils lustigsten Reaktionen darauf veröffentlichte er in seinem Twitterprofil.

Nun also die Starbucks-Parodie. Fielder hatte dafĂŒr einiges investiert, allein die Einrichtung des GeschĂ€fts und die zahlreichen Devotionalien dĂŒrften nach einer SchĂ€tzung von Branchenexperten mehr als 30000 Dollar gekostet haben. Es funktionierte tatsĂ€chlich: Am Sonntag warteten die Kunden mehr als eine Stunde auf ihren Kaffee, manche Besucher verkauften die Becher mit dem „Dumb Starbucks“-Logo danach fĂŒr mehr als 20 Dollar im Internet.

Starbucks selbst Ă€ußerte sich nur kurz in einem Statement zur Aktion: „Wir wissen den Humor zu schĂ€tzen, sie können jedoch nicht unseren rechtlich geschĂŒtzten Namen verwenden.“ Am Montag um 17.50Uhr wurde die „Dumb Starbucks“-Filiale von den Behörden geschlossen. Nicht wegen Verstoßes gegen das Markenrecht. Fielder hatte kein gĂŒltiges Gesundheitszeugnis.
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Beim Leben der Killerraupen

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Wenn Reinhard Dennerlein die Ziffernfolge 1507 hört, weiß er, was kommt. Die Ziffern stehen fĂŒr eine gentechnisch verĂ€nderte Sorte Mais. Die EuropĂ€ische Kommission will sie zum Anbau zulassen, nachdem sich die EU-MitgliedslĂ€nder am Dienstag im Allgemeinen Rat weder mehrheitlich dafĂŒr noch dagegen ausgesprochen haben. Und Dennerlein, ein ehemaliger Landwirt aus Kitzingen, kennt die Aufregung um diese Entscheidung: Kritiker halten die grĂŒne Gentechnik fĂŒr Teufelszeug. Dabei hat Dennerlein seine Erfahrungen mit gentechnisch verĂ€nderten Pflanzen gemacht – und zwar durchweg gute.



Gen-Mais der Sorte MON 810 mit Raupenbefall

Der Franke ist einer von sehr wenigen Landwirten, die in Deutschland vor ein paar Jahren Gentech-Mais der Sorte Mon810 angebaut haben – bis die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner von der CSU den Anbau im April 2009 verbot. „Das war eine rein politische Entscheidung“, schimpft Dennerlein. „Mon 810 hatte riesige Vorteile im Vergleich zu konventionellem Mais.“ Vor allem habe er keine Insektizide mehr benötigt, um den MaiszĂŒnsler, einen lĂ€stigen SchĂ€dling, zu bekĂ€mpfen. Dennerlein pflanzte testweise zunĂ€chst einen halben Hektar Gentech-Mais. Als er merkte, dass es auf dieser FlĂ€che nur so „kreuchte und fleuchte von MarienkĂ€fern und Schmetterlingen“, wĂ€hrend seine konventionellen Felder wegen der Insektizide „einem Friedhof glichen“, baute er im Jahr darauf fĂŒnf Hektar an. Und fĂŒr 2009 hatte er sogar 45 Hektar geplant. Doch dann kam Aigners Verbot. Dem ehemaligen Landwirt fehlt dafĂŒr jedes VerstĂ€ndnis: „Ich sage nicht, dass die grĂŒne Gentechnik die Heilsbringerin ist, aber sie ist ein Baustein – und auf den sollten wir nicht einfach so verzichten.“

Die Bausteine, die den Mais 1507 zu etwas Besonderem machen, sind zwei zusĂ€tzliche Gene. Beide stammen aus Bakterien, die im Boden leben. Ähnlich wie in der Sorte Mon 810 produziert eines davon ein Eiweiß, das giftig ist fĂŒr Schmetterlinge und Motten. Das macht die Pflanzen resistent gegenĂŒber dem MaiszĂŒnsler. Die Raupen dieses Schmetterlings vernichten nach SchĂ€tzungen der WelternĂ€hrungsorganisation weltweit vier Prozent der Maisernte. BekĂ€mpfen lassen sie sich mithilfe eines Giftes, das die Mikrobe Bacillus thuringiensis (Bt) produziert. Das Toxin kommt nicht nur in Gentech-Pflanzen zum Einsatz: Bauern spritzen es auch auf Feldern mit konventionell gezĂŒchtetem Mais, und sogar im Biolandbau wird es verwendet.

Das zweite Mikroben-Gen dient lediglich als technisches Hilfsmittel. Es zeigt an, ob eine 1507-Maispflanze die Erbanlage fĂŒr das Bt-Gift auch tatsĂ€chlich eingebaut hat. Die andere Eigenschaft dieses Hilfs-Gens, nĂ€mlich das Getreide resistent gegen das Unkrautmittel Glufosinat zu machen, spielt keine Rolle.

Streit verursacht der Gen-Mais vor allem wegen der Frage, ob das Getreide auch Insekten schaden kann, die gar nicht bekĂ€mpft werden sollen. TatsĂ€chlich wirkt das Gift nicht nur auf den MaiszĂŒnsler, sondern auch auf andere Schmetterlinge. Dies hat die zustĂ€ndige EuropĂ€ische Behörde fĂŒr Lebensmittelsicherheit (Efsa) in ihrer jĂŒngsten Beurteilung berĂŒcksichtigt – und kommt dennoch zu dem Schluss: Die Umweltrisiken durch den Mais 1507 seien selbst bei großflĂ€chigem Anbau vernachlĂ€ssigenswert, sofern ein paar Regeln eingehalten werden. Dazu gehören zum Beispiel FlĂ€chen mit nicht gentechnisch verĂ€ndertem Mais, die zwischen Äckern mit den 1507-Pflanzen liegen. Diese sogenannten Refugien sollen unter anderem verhindern, dass schĂŒtzenswerte Schmetterlingsarten sozusagen aus Versehen auf die Felder mit Gentechnik-Pflanzen gelangen. „Die meisten Schmetterlinge und Motten sind nicht gefĂ€hrdet, da sie sich nicht von Maispollen ernĂ€hren“, sagt Christoph Tebbe vom ThĂŒnen-Institut fĂŒr BiodiversitĂ€t in Braunschweig, der auch die Efsa berĂ€t. Selbst fĂŒr seltene Arten in der NĂ€he von Maisfeldern „zeigen Modellrechnungen, dass das Risiko stark lokal begrenzt ist“.

FĂŒr Gegner des transgenen Getreides zĂ€hlt die wissenschaftliche Expertise der Efsa indes nicht. Sie bemĂ€ngeln, dass viele Untersuchungen nicht mit exakt jenem giftigen Eiweiß vorgenommen worden seien, das der Mais 1507 bildet. Stattdessen habe man sich auf Versuche mit der Sorte Mon810 beschrĂ€nkt. Dessen Toxin unterscheidet sich geringfĂŒgig von dem in 1507. Diese Differenzen aber seien bedeutsam. Dem widerspricht der BiodiversitĂ€ts-Forscher Tebbe: „Da sich die beiden Proteine sehr stark Ă€hneln, spricht nichts dagegen, fĂŒr die Beantwortung bestimmter Fragen auch Ergebnisse zu nutzen, die aus Untersuchungen mit dem Protein aus Mon 810 bekannt sind.“

Derart ins Detail reichende Diskussionen sind notwendig fĂŒr ein fundiertes Urteil. Doch die meisten Menschen lassen sich mit solchen Argumenten nur schwer erreichen. Wirkungsvoller sind da Bilder. Das wissen nicht zuletzt die Gentechnik-Gegner. So waren nicht zufĂ€llig in den vergangenen Tagen Maiskolben mit aufgemalten Fratzen zu sehen oder Menschen mit Mundschutz und weißen SchutzanzĂŒgen, wie man sie eher in einem Atomkraftwerk vermuten wĂŒrde – und nicht auf einem Feld mit Maispflanzen.

Manche derjenigen, die vom EU-Entscheid direkt betroffen sind wie der Deutsche Bauernverband, sehen jedoch noch einen anderen Grund zur Skepsis. „Egal, was der neue Mais angeblich alles kann oder nicht: Schon allein aus HaftungsgrĂŒnden können wir keinem Landwirt raten, gentechnisch verĂ€nderte Pflanzen anzubauen“, sagt ein Sprecher des Verbands. „Sollte nĂ€mlich ein benachbarter Landwirt, der konventionellen Mais anbaut, auch nur den Hauch einer Vermischung mit gentechnisch verĂ€nderten Pflanzen feststellen, kann er Schadenersatz verlangen. Dieses Risiko ist völlig unkalkulierbar – und kann daher existenzbedrohend sein.“

Dennerlein, der Gen-Mais-Freund aus Franken, ist da offener. Er hat seinen Hof an die Tochter ĂŒbergeben und wĂŒrde ihr raten, es zu machen wie er selbst damals: „Erst ein kleines Testfeld nehmen. Stimmen die Ergebnisse, kann sie den Anbau ausbauen.“ Und die Kritiker? „Wenn die Ergebnisse wirklich ĂŒberzeugen, werden sie nach ein paar Jahren schon Ruhe geben.“
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