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Nachhaltiger Spaßvogel

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Mann mit Mission: Bono setzt sich für die Millenniums-Ziele ein.

Für Bono, 53, wiederholen sich solche Szenen regelmäßig: „Oh, Gott, ich habe mir so gewünscht, dich zu treffen“, bestürmt den Sänger eine junge Frau. Der Sänger der irischen Rockband U2 steht an der Bergstation der Schatzalp und wartet auf die Zahnradbahn, die ihn ins Tal zum nächsten Termin beim Weltwirtschaftsforum in Davos bringen soll. Die Bahn kommt erst in einigen Minuten, ein Glück für die junge Syrierin. Sie ist kein Fan von U2, sie will kein Autogramm, sie will, dass ihr Bono hilft. Rouba Mhaissen versucht, humanitäre Hilfe in ihr Heimatland zu bringen, das vom Bürgerkrieg erschüttert wird. „Warum glaubst du, dass ich helfen kann?“, fragt Bono. „Weil du ein Herz hast“, sagt die Syrierin und blickt ihn mit ihren großen, dunklen Augen an. „Weil jemand mit deinem Namen, deiner Bekanntheit und deinem Einfluss wirklich helfen kann, das Leid der Syrer zu lindern. Wir brauchen dich.“

Der Sänger hört ihr aufmerksam zu, er sagt nicht Ja, er sagt nicht Nein. Er lässt sich von ihr erklären, wie sie die Lage im Bürgerkriegsland sieht. Er lässt sich mit ihr fotografieren. Und schließlich gibt ihr sein Manager eine Visitenkarte, man könne ja mal in Kontakt bleiben. Jamie Drummond, der Chef von Bonos Organisation One, über die er sein soziales Engagement steuert, erzählt von den vielen Anfragen, die Bono bekommt. Doch Bono kann nicht die ganze Welt retten.

„Ich konzentriere mich im Moment darauf, bei Politikern für meine Ziele zu werben“, sagt Bono im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Er berichtet, dass er am Freitagabend den deutschen Entwicklungsminister Gerd Müller getroffen hat. „Der ist ja noch ganz neu im Amt“, sagt der Sänger. Wie er auf ihn gewirkt habe? Bono legt den Kopf auf die Seite. „Er sprach von ökosozialer Marktwirtschaft. Ich weiß nicht genau, was er damit gemeint hat, aber ich hoffe, es geht in die Richtung, in die wir auch wollen. Ich möchte erreichen, dass die Millennium Goals angepasst werden, ich möchte, dass sie nachhaltiger werden. Ich habe Hoffnung, dass Müller das unterstützt“, so Bono. Und er trägt einen schönen Gruß an den Minister auf.

Bis 2030 soll extreme Armut beseitigt sein, darauf soll sich die internationale Gemeinschaft in den neuen nachhaltigen Entwicklungszielen einigen. 2015 laufen die „Millennium Goals“ aus, auf die sich die Staaten im Jahr 2000 geeinigt haben. Der Name stört Bono allerdings. Man müsse doch einen besseren finden können, „sustainable development goals“, das klinge ja wie eine schlechte Rockband.

Bono setzt sich seit Jahren für unterschiedliche soziale Projekte ein. Gemeinsam mit Bill Gates, Bob Geldorf und anderen versucht er, Afrika zu helfen: Schuldenerlass, freier Handel und der Kampf gegen Aids sind dabei die wichtigsten Anliegen. Mit Gratis-Konzerten wie Live-Aid, Live-8 oder „Make poverty history“ versucht Bono, Druck auf Politiker auszuüben.

So ernst seine Themen sind, zu viel Ernsthaftigkeit verträgt der irische Sänger nicht. Auf die Frage, was er gerade auf der Schatzalp gemacht habe, sagt er: „Landwirtschaft“. Ob er denn auf der Schatzalp Schnee anbaue? „Ja, ich bin ein großartiger Schnee-Bauer. Das ist ein wirklich nachhaltiges Geschäftsmodell, sehr nachhaltig“, sagt er und lacht. Dann kommt die Schatzalp-Bahn, Bono nimmt Anlauf und stützt sich durch die Schranke.

Guter Witz

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In seiner Show brach Bill Cosby mit gängigen Stereotypen. Sie erzählt von einer gebildeten, beruflich erfolgreichen schwarzen Familie.

Es gab eine Zeit, Mitte der 90er Jahre war das, da behaupteten nicht gerade wenige Menschen in Hollywood, dass die Abkürzung des Fernsehsenders NBC nicht für „National Broadcasting Company“ stehen würde, sondern stattdessen für: „Need Bill Cosby“ (Wir brauchen Bill Cosby). Die überaus erfolgreiche Fernsehserie The Cosby Show war gerade nach 202 Episoden zu Ende gegangen. Und NBC schaffte es nicht, eine Sitcom zu etablieren, die ähnlich lustig und erfolgreich war. Noch schlimmer: Cosby unterschrieb damals einen Vertrag beim Konkurrenten CBS, dessen Kürzel daraufhin nur so interpretiert wurde: „Continue Bill’s Success“ – CBS setzt Bills Erfolg fort.

Derzeit hat NBC wieder einmal Probleme, sich auf dem hart umkämpften Komödienmarkt durchzusetzen. Es gibt zwar erfolgreiche Formate wie Parks and Recreation und Community, doch gerade die in dieser Spielzeit gestarteten Serien – darunter auch die besonders stark beworbene Michael J. Fox Show – können die Erwartungen nicht erfüllen. „Es gibt einige Enttäuschungen und die üblichen Fehlberechnungen“, sagte NBC-Entertainment-Chef Bob Greenblatt kürzlich zu den Comedy-Flops. Er deutete gar an, künftig am Donnerstagabend Football statt Serien ausstrahlen zu wollen: „Wir würden gerne mehr Spiele der NFL zeigen – und der Donnerstag könnte überaus interessant für uns sein.“

Womöglich erinnerte sich Greenblatt danach an den Spitznamen seines Senders in den Neunzigern, denn: NBC hat jetzt Bill Cosby verpflichtet. Er soll in einer neuen Serie, die von Herbst an ausgestrahlt wird, das Oberhaupt einer Multi-Generationen-Familie geben, bei der es um Themen in den Bereichen Ehe und Erziehung gehen soll. Also ein bisschen wie die vielfach ausgezeichnete Serie Modern Family – nur ohne den bisweilen auch gemeinen Humor. „Ich glaube, dass es da draußen Zuschauer gibt, die eine Komödie sehen wollen, in der es um Wärme, Liebe und Klugheit geht – und die auf das ganze Party-Gedöns verzichtet“, sagt Cosby. „Ich glaube, dass wir damit genug Menschen dazu bewegen können, Woche für Woche einzuschalten.“

Von 1984 bis 1992 ist Cosby das zweifelsohne gelungen. The Cosby Show galt als erste amerikanische Fernsehserie, die mit den gängigen Stereotypen brach und eine gebildete und beruflich erfolgreiche schwarze Familie porträtierte, in der Konflikte pädagogisch wertvoll und politisch korrekt gelöst wurden. Fünf Spielzeiten in Folge waren die Geschichten über die Familie Huxtable das erfolgreichste Format im amerikanischen Fernsehen – vor allem sorgte The Cosby Show dafür, dass der Donnerstagabend zu einem Selbstläufer für NBC wurde. Die Regel war: Was nach der Cosby-Show auf dem Sender ausgestrahlt wurde, war ebenfalls erfolgreich. Cheers etwa hatte plötzlich durchschnittlich keine 13 Millionen Zuschauer mehr, sondern bis zu 24 Millionen. Auch Family Ties mit Michael J. Fox profitierte ungemein davon, direkt nach The Cosby Show ausgestrahlt zu werden, und erhielt bis zu 32,7 Millionen Zuschauer im Schnitt.

Nur: Die aktuelle Show von Michael J. Fox entwickelt sich gerade zu einem außerordentlichen Flop für NBC, nach einem ordentlichen Start (7,5 Millionen Zuschauer) schalteten zuletzt gerade noch zwei Millionen Menschen ein. Das liegt gewiss nicht an Fox, der herausragend agiert – es liegt vielmehr daran, dass die Serie insgesamt uninspiriert und ideenlos daherkommt und einzig und allein darauf ausgelegt zu sein scheint, dass der Sender ankündigen durfte, Michael J. Fox wieder im Fernsehen zu präsentieren. Das mag für die ersten Folgen wirksam sein, danach jedoch braucht es neben dem bekannten Hauptdarsteller vor allem interessante Geschichten. Wie das funktioniert, das zeigt NBC-Konkurrent CBS gerade mit The Crazy Ones: Freilich ist Robin Williams der Star der Sendung, doch ist sie vor allem deshalb die erfolgreichste neue Sitcom, weil sich Williams tatsächlich zurücknimmt und oftmals nur eine bissige Pointe zu einer skurrilen Situation liefert.

NBC hat deshalb nicht nur Bill Cosby verpflichtet, sondern auch den Produzenten Tom Werner, der einst für The Cosby Show verantwortlich war. Der soll nun nach geeigneten Autoren suchen, die Geschichten schreiben, die zum einen zu Bill Cosby passen und zum anderen die Menschen heutzutage witzig finden. Der Plan des Senders ist logisch: Ein Sitcom-Hit muss her, Bill Cosby soll ihn landen. Doch warum geht Cosby, der zum Serienstart im Herbst 77 Jahre alt sein wird, das Risiko ein, seine Karriere womöglich mit einem Flop beenden zu müssen?

„Ich bin kürzlich aufgetreten, der Saal war ausverkauft. Da stand ein junger Mann auf, er war etwa 17 Jahre alt, und fragte mich, wie es Rudy und Theo (die Serienkinder aus The Cosby Show) gehen würde und was aus ihnen geworden sei“, sagt Cosby. „Da wurde mir klar, dass viele junge Menschen keine Ahnung davon haben, was ich eigentlich mache. Dass ich ein witziger Kerl bin, der immer noch interessante Geschichten erzählen kann. Das will ich den jungen Menschen nun zeigen.“

Wer sich nun fragt, ob das tatsächlich funktionieren kann, dem sei nur gesagt: Derzeit ist Bill Cosby mit dem Bühnenprogramm „Far From Finished“ auf Tournee. Im Fernsehen wurde der Auftritt nicht von einem etablierten Sender gezeigt, sondern von Comedy Central, wo gewöhnlich die Jungs von South Park über „furzköpfige Rosettenhengste“ philosophieren oder Jon Stewart amerikanische Politiker und Journalisten unter stetem Gebrauch des F-Wortes verkohlt. „Junge Menschen schauen diesen Sender heutzutage – also musste ich dahin“, sagt Cosby. Nebenbei bemerkt: Die Ausstrahlung war im vergangenen Jahr eine der erfolgreichsten Sendungen auf Comedy Central.

"Nichts ist so mysteriös wie die Nacht"

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jetzt.de: Als deine Musikkarriere begann, sagtest du einmal, ein Sänger sollte niemals versuchen, seinen Hörern die Welt zu erklären. Wie ist das heute, mit zehn Jahren mehr Lebenserfahrung?
Paul Smith: Ich denke immer noch wie damals. Ich würde niemals jemandem erzählen wollen, wie er sein Leben zu leben hat. Ich würde sogar sagen, das meiste Übel auf dieser Welt entsteht genau durch die Leute, die eben das tun: anderen erzählen, was sie zu tun und zu lassen haben.  

Für kleine Weisheiten und Botschaften scheinst du aber eine Ausnahme zu machen: Das neue Album "Too Much Information" ist ja voll damit.
Damit will ich sagen, was ich persönlich fühle, und nicht, was andere daraus machen sollen. Oft lassen die Texte mehrere Interpretationen zu, das ist mir wichtig. Unser letztes Album hieß zum Beispiel "The National Health", und alle dachten, wir wären plötzlich total politisch geworden. Dabei handelten die Stücke darauf nur von Gefühlszuständen, die nicht unbedingt an irgendeine Politik gekoppelt waren. Es geht in unseren Songs immer mehr um persönliche Erfahrungen und die Stimmungen, die sie auslösen.  





Folgst du bestimmten Regeln beim Songwriting?
Ich versuche immer, Songs als Fragen zu schreiben: Warum ist es so, wie es ist? Wieso fühlt sich das so an? Warum passiert das gerade mir? Im Song "My Bloody Mind" aus dem neuen Album singe ich einmal: "Why do I long for a life that I already have? I must be out of my bloody mind." Klar, das drückt schon aus, dass ich älter werde und nicht mehr ganz so verwirrt durch die Welt gehe.  

Was inspiriert dich zu diesen Fragen?
Ich habe mir neulich eine Ausstellung im Design Museum in London angesehen. Der Modedesigner Paul Smith hat dort einige seiner Arbeiten vorgestellt. Und eine Sache, die er zur Ausstellung gesagt hat, gilt auch für mich und mein Songwriting: "Alles kann dich inspirieren." Es kann das Sonnenlicht sein, das an einem bestimmten Tag besonders einfällt. Ein Spaziergang, bei dem man irgendwas Schönes sieht oder hört. Eine Unterhaltung mit einem Freund, der irgendwas Tolles sagt. Eine neue Platte. Einfach alles. Deshalb will ich so viel wie möglich von allem mitkriegen.    

Kannst du dich jederzeit hinsetzen und einen Song schreiben?

Ich würde am liebsten genau in diesem Moment ins Nebenzimmer gehen und mich an den Schreibtisch setzen. Ich liebe es zu schreiben. Und ich hatte bisher auch das Glück, noch nie so was wie eine Schreibblockade zu haben.  

Wie läuft dein Arbeitstag ab?

An Schreibtagen will ich wirklich nur das tun: aufstehen, frühstücken und sofort anfangen, jede Minute nutzen. Ich will schon morgens etwas schaffen, später vielleicht etwas lesen, ein Buch oder eine Kurzgeschichte, um mich für die nächste Schreib-Session am Tag inspirieren zu lassen.  

Welche Bücher haben dich beim neuen Album beeinflusst?
Zum Beispiel "Morvern Callar" von dem schottischen Autor Alan Warner. Kann ich jedem nur empfehlen! Auch von Don DeLillo habe ich einiges gelesen, zum Beispiel das wirklich gewaltige "Underworld". Jedem, der das lesen will, kann ich nur sagen: Mach dich darauf gefasst, dass es fortan ein Teil deines Lebens sein wird! Außerdem noch interessant: der chilenische Schriftsteller RobertoBolaño, der mich sehr an Leonard Cohen erinnert. Er erzählt immer Geschichten, in denen wahnsinnig viele Dinge versteckt sind, zu denen man erstmal durchdringen muss. Das ist viel Denkarbeit, lohnt sich aber.  

Hörst du ab und zu Radio? Verfolgst du zum Beispiel die Charts?
Nein, das verkneife ich mir. Auch weil die Charts immer so unausgewogen sind. Es gibt wirklich gute Sachen, aber es gibt auch sehr viel mieses Zeug. Was ich aber tatsächlich gerne höre, ist der englische Sender Radio 6. Das Programm ist relativ alternativ, es gibt Dance-Musik genauso wie Folk und Rock.  

Es heißt, ihr hättet euer neues Album nun "Too Much Information" genannt, weil die Musik darauf "too much" für den gängigen Mainstream-Hörer wäre.
Genau so ist es. Denn seien wir mal ehrlich: Der Musikgeschmack von vielen Leuten ist doch wirklich sehr einseitig. Viele wollen nur eine ganz bestimmte Art von Musik hören, und die besorgen sie sich dann – immer wieder, und nie mehr als das. Das ist natürlich vollkommen in Ordnung, aber ich persönlich würde immer mehr wollen und auch unseren Hörern immer mehr anbieten. Das kriegen wir natürlich auch deshalb gut hin, weil wir in der Band alle sehr unterschiedlich sind und auch unterschiedliche Musik hören. Wir sind ja nicht die Ramones. (lacht) 

Aber ihr setzt doch immer wieder auf einen speziellen Stil.

Ja, aber wir variieren diesen Stil auch. Wenn wir zum Beispiel mal elektronischer klingen wollen, dann machen wir das auch. Weil wir es können. Nach all den Jahren, die wir als Band zusammen sind, haben wir das Selbstbewusstsein erlangt, das zu machen und so zu klingen, wie wir gerade Lust haben. Deshalb finde ich es perfekt, dieses Album genauso zu nennen. Das ist nahezu eine Definition dieser Band.  

Ist diese Band auch noch so, wie man sie kennt? Quirlig, wild, nachtaktiv?
Schon, aber nicht mehr auf die Art und Weise wie, sagen wir, vor zehn Jahren. Damals war besonders die Nacht eine Art Flucht für mich. Sobald das Wochenende angefangen hat, habe ich mich wie von einem Sprungbrett aus hineingestürzt. Das brauche ich heute nicht mehr.  

Trotzdem ist die Nacht auch auf dem neuen Album wieder ein großes Thema.

Ich glaube, nichts war, ist und wird mir je so mysteriös erscheinen wie die Nacht. Allein, weil das Licht aus ist (lacht). Im Dunkeln passiert einfach mehr.  

Was ist dir denn in letzter Zeit so passiert?

Meine Nächte, gerade während der Arbeit an diesem Album, habe ich oft zu Hause verbracht. Nicht selten lag ich nächtelang wach und habe einfach nur nachgedacht.  

Worüber?

Ich habe versucht, vieles zu reflektieren. Ich hab mich gefragt: Wo war ich vor einem Jahr? Wo vor einem Monat? Wo vor zwei Wochen? Was habe ich gemacht? Wie habe ich mich gefühlt?  

Klingt wie ein ein Zeichen des Älterwerdens.

Wahrscheinlich. Und trotzdem: Zum Klugscheißer werde ich deshalb nicht. (lacht) 




"Too Much Information" von Maxïmo Park erscheint am Freitag.

Starbucks-Mitarbeiter vs. ungewöhnliche Namen

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Die Situation: 


Der Bekannte C., den man, um das Problem zu verdeutlichen, ausnahmsweise bei seinem Klarnamen Cave (gesprochen mit einer äußerst fragilen Kombination aus "Kahwe" und "Kafe") nennen muss, hat es besonders schwer. Er ist latent maulfaul. Und er hat wenig übrig für Mokka-Latte-Chai-Schischi. Er trinkt: "Kaffee, groß, schwarz!" Außerdem antwortet er, fragt man ihn nach seinem Namen, um den zwecks späterer Zusammenführung von Trinker und Getränk auf einen Kaffeebecher zu schreiben, wahrheitsgemäß. Und einsilbig. Immer. Hat für ihn was mit Prinzip zu tun – und Bockigkeit. Und dann wird es ja meist besonders schwierig. Zweimal war also schon zu erleben, wie die Starbucks-Angestellte ihn mit einem Blick bedachte, mit dem man Irre besänftigt, als sie sagte: Ja, das Getränk, das habe sie ja beim ersten Mal schon verstanden. Sie brauche aber seinen NAAA-MEN, weil der müsse auf den BEEE-CHER mit seinem KaffEEEEE! Etwas Spaß macht es dem Bekannten C. wohl auch ...  




Zwei, die nicht miteinander können: Dienstleister und Menschen mit ungewöhnlichen Namen

Dort treffen sie aufeinander:


Eigentlich ja quasi überall, wo Namen aufgenommen werden müssen (selbst am Telefon). Freund Kerem hat Ähnliches beispielsweise vier Runden lang mit einem Hüttenbetreiber gespielt, ehe er zur allgemeinen Erleichterung "Franz" sagte und die Kaiserschmarrnbestellung endlich in die Küche ging. Aber bleiben wir im Kosmos Kaffeebar, weil allgemeines Gedränge, Grundlautstärke und Hirn, Herz und Ohr wattierende Lounge-Musik den Konflikt besonders verstärken.

Darum hassen sie einander:  


Der Frustreihung wegen. Wie jeder Dienstleistungsbereich hat auch das Kaffeegewerbe zusätzlich zu den normalen ein paar höchst individuelle Hassobjekte, deren Auftauchen qua steter Wiederholung besonders quälen. Die "Kawfes" dieser Welt rangieren da eindeutig weit oben. Während jene sich – und ja auch nicht ganz zu Unrecht – von der bekloppten Namensnennerei diskriminiert fühlen.  


Das ist die besondere Schönheit dieses Konflikts:
 


Entgegen dem ersten Impuls handelt es sich keineswegs um ein rein deutsches Problem (obwohl wir laut Max Goldt das einzige Volk sind, das sich am Telefon unaufgefordert mit Namen meldet), sondern um ein ubiquitäres, internationales. Svati Kirsten Narula etwa, Redakteurin bei The Atlantic, benutzt nach eigenem Bekunden nicht nur ihren zweiten Namen für Bestellungen, selbst das für amerikanische Ohren sperrige Kirsten wandelt sie noch in Kristen um. Was wiederum zeigt, wie weit etwas Empathie einen hier brächte ...      

Das können wir von ihnen lernen:
 
Uschi zum Beispiel: Nicht sehr populär als Kindername gerade, aber bei Bestellungen - ein Segen. Rüdiger auch.

Gute Cookies und schlechte Geigen

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Der Schneeballschlächter
Um jemanden dazu zu bringen einen Schneeball zu werfen, ist es meistens Aufforderung genug, wenn man selbst aktiv wird und sein Gegenüber befeuert. Bei Jörg Sprave haben auch schon ein paar Mails gereicht, damit er dem beliebtesten nicht-olympischen Wintersport frönt. Jörg, der sich ein paar rhetorische Kniffe bei den Kollegen vom Teleshopping entliehen hat, konstruiert leidenschaftlich Steinschleudern in den verschiedensten Ausführungen und geht damit auf Hexen/Drachen/Zombie/Rekord-Jagd. Heute begnügt sich der Tüftler aber damit, ein paar Schneekugeln durch seinen Garten zu pfeffern. Wenn die gesamte Waffenlobby mit solch einem Enthusiasmus an neue Projekte herantritt, ist es nicht verwunderlich, dass es so viele Kriege gibt.

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=4n0kXj98ZaI


„Wonderful sound strange shape“
Wer unter der Dusche gerne mal die Etiketten von Shampoos liest oder beim Frühstück die Augen nicht von den aufschlussreichen Texten der Müslipackung lassen kann, erfreut sich vielleicht an dieser Review zu einer elektronischen Spielzeuggeige für Kinder. Die Geige wurde in Asien gefertigt und die interpretationsfähige Produktbeschreibung lässt mehr Fragen offen als sie beantwortet.

http://www.youtube.com/watch?v=adkWiJA9xR0


No fapping, like it’s yo birthday!
Nicht nur die „NoFap“-Bewegung (deren Initiator wir am Montag interviewt haben) wirbt für ein besseres Leben ohne Selbstbefriedigung. In einer Videokampagne speziell für Gehörlose warnen die Zeugen Jehovas vor den Folgen der Onanie. Ein Mash-up vereint diesen Appell in Gebärdensprache mit 50 Cents Partyhymne „In da Club“.

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=WY5Iypd28iI


Endstation: Wintergarten
Modelleisenbahnen zu bauen galt lange Zeit als das beliebteste Hobby verkappter Eigenbrödler, die ihre freie Zeit überwiegend in ihren abgedunkelten Kellern verbringen. Vielleicht auch weil Häuser in den USA selten über ein Untergeschoss verfügen, trieb es Tom Miller aus Oregon in seinen Garten, um dieser Leidenschaft nachzugehen. Natürlich musste er sein Schaffen den Gegebenheiten anpassen: Statt einmal die Ecken des Hobbykellers abzuklappern fährt Toms mannshohe Modellbahn einmal um sein ganzes Anwesen – und das fasst um die 80.000 Quadratmeter. Interessierte können das gesamte Anwesen für 3,5 Millionen Dollar erwerben. Oder sich einfach an diesem Video erfreuen:

http://www.youtube.com/watch?v=qdQ-2mnODCo


Versuchsaufbau: Butter, Mehl, Eier
Das Periodensystem der Elemente – bekannt aus dem Chemieunterricht – führt einen Stoff, der mit „Co“ abgekürzt wird. Diese Kurzschreibweise steht leider für das Metall Cobald und nicht für „Cookie“. Dennoch erklärt das folgende Video, welche chemischen Prozesse beim Backen von Teig ablaufen und wie das perfekte Schokoplätzchen gelingt.

http://www.youtube.com/watch?v=n6wpNhyreDE

Vergesst den Hut!

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Mit einem ziemlich seltsamen Hut hat Pharrell Williams geschafft, wofür Lady Gaga in einem Fleischkleid und Miley Cyrus in fast nichts auf die Bühne mussten: Er hat mit seinem Outfit die gesamte Berichterstattung über eine Preisverleihung dominiert. Noch während der Grammy-Verleihung am Sonntagabend in Los Angeles wurden gleich mehrere Twitter- und ein Instagram-Account von dem Hut angelegt, den Pharrell Williams dort trug. Einer der Twitter-Accounts, @Pharrellhat, hat inzwischen fast 16.000 Follower. In keinem Grammy-Artikel kam die Kopfbedeckung nicht wenigstens einmal vor, viele drehten sich gleich ganz darum, wie dieser von Buzzfeed, in dem gerätselt wird, was unter dem Hut versteckt sein könnte. Viel interessanter als der Hut aber ist die rote Adidas-Jacke, die Pharrell Williams da trug.  



Moment mal: Hing diese Art Trainingsjacke nicht bis vor kurzem noch in unseren Schränken? Doch: Die Mode zitiert sich in immer kürzeren Zyklen.


Sie ist anders als die ollen Teile, die in den Neunzigern vom Hip-Hop aus in den Mainstream einmarschiert sind. Sie ist aus Leder, in College-Form, mit Strickbund. Aber trotzdem eine Adidas-Sportjacke, wie sie noch vor zehn Jahren bei uns in den Schränken hing. Mit großen Taschen. Bündchen. Und den drei Streifen, die sich vom Kragen bis zum Handgelenk ziehen. Geht das? Etwas ironisch zitieren, das nicht unsere Großeltern- oder Elterngeneration getragen hat, sondern wir selbst? Kann man ein Revival von etwas feiern, das noch gar nicht so richtig von der Straße, geschweige denn aus den Schränken verschwunden ist? Das Jeanshemd war auch erst ganz verschwunden, bevor wir es auf den Fotos unserer Eltern aus den Siebzigern entdeckt und uns dann aus ihrem Schrank geborgt haben. Oder der Trenchcoat. Der Parka. Der Plisséerock. Die Mode zitiert ihre eigene Vergangenheit immer wieder. Ist sie jetzt in der Gegenwart angekommen?  

Ein Anruf bei Sabine Resch. Sie leitet den Ausbildungsgang Modejournalismus/Medienkommunikation an der AMD Akademie Mode & Design in München und sagt: Stimmt. Die Mode zitiert Trends aus Jahrzehnten, die immer weniger weit zurückliegen. Und zwar einfach deshalb, weil es immer weniger gebe, was noch nicht zitiert wurde. "Wir wiederholen uns selbst", sagt sie, das einzig Neue liege in der Mischung. In diesem Fall die mit einem ziemlich altbackenen Hut.

Die Mode zitiert also bereits die Gegenwart. Im Fall der Adidas-Jacke könnte man sogar sagen, sie macht ein Kulturzitat. In der Musik war die Adidas-Jacke nämlich nie richtig weg. Sie ist eine Art Musikerphänomen, genauer: ein Bühnenphänomen. Run-D.M.C. waren die ersten, die das Sport-Label in den Achtzigern und Neunzigern auf der Bühne trugen. Später tat es ihnen unter anderem Missy Elliot gleich. Vom Hip-Hop aus haben die Jacken die gesamte Musikbranche erreicht. Nicht nur Hip-Hopper, auch Popsänger, Rocker und deutsche Indie-Bands trugen und tragen bis heute auf der Bühne die drei Streifen: Robbie Williams tut das oft in der zweiten Hälfte seiner Konzerte, als wollte er sagen: Jetzt wird’s gemütlich. Der Muse-Frontman Matthew Bellamy tuts. Die Sportfreunde Stiller. Die Eels.  

Die Bühne ist ein Ort, an dem man sich ohne Rechtfertigung aufbrezeln könnte. Gerade dort in Klamotten aufzukreuzen, mit denen man sonst auf der Couch liegt, ist ein bisschen so, als würde man seine Fans im Wohnzimmer empfangen. Man suggeriert Intimität, Vertrautheit, weil die Aufmachung leicht deplatziert wirkt: wie wenn man im Sternehotelrestaurant im Bademantel und mit einer Flasche Champagner aufkreuzt und sich nach dem Nachtisch erkundigt. Das ist irgendwie nonchalant, irgendwie arrogant, sympathisch und unsympathisch zugleich. Sich in seinen Adidas-Klamotten vor 70.000 Leute hinzustellen, meint: Ich bin einer von euch. Genauer gesagt: Ich bin auch in Trainingsjacke und mit Riesenhut der geilste Typ der Welt.

Pharrell Williams’ Grammy-Outfit hat Sabine Resch nicht überrascht. "College-Jacken sind gerade ein Trend, generell wird in der Mode gerade viel aus den Neunzigern zitiert", sagt sie. "Nur die Basketballhosen, die man ganz aufknöpfen konnte, fehlen noch." Bleibt nur noch die Frage: Was will uns Pharrell Williams mit dem Schlüsselbund sagen, der an seiner Hose baumelt?

Willst du dich beim Sex sehen?

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Dient das "Sex with Glance"-Programm nur zur Selbstbeweihräucherung oder zur Entdeckung ganz neuer Perspektiven beim Sex?

Mit der Performance ist das ja so eine Sache. Manchmal ist sie egoistisch und hart, manchmal zärtlich, oft zweisam, aber auf jeden Fall ausgelöst durch die körperliche Nähe, die Ausstrahlung des anderen. Nur eines ist sie nicht: selbstverliebt. Bisher.  

Drei Londoner Grafikstudenten könnten das bald ändern. Google Glass ist noch nicht einmal auf dem Markt, schon hat das Team die erste Sex-App für den Minicomputer entwickelt, „Sex with Glance“. Das „Sex“ darf dabei gern wortwörtlich genommen werden. Während des Liebesspiels können die Partner die Augmented-Reality-Brille tragen und die Perspektive des anderen streamen. Per Sprachbefehl „Ok, Glass, it’s time“ geht es los und die Sicht des anderen wird auf der eigenen Brille abgespielt. Soll heißen: Man beobachtet sich selbst, sieht wahlweise den eigenen Speck oder das Sixpack, seinen Bauchnabel oder den Venushügel. Der Spiegel an der Zimmerdecke in Nahaufnahme sozusagen.  

Nun ist Google nicht gerade für sein Engagement in Sachen Datenschutz bekannt. Darum kann man nach dem Sex fünf Stunden lang sich und die ganze Sache begutachten, bevor die Videos endgültig gelöscht werden. Sagen die Hersteller. Auf ihrer Website versichern sie, dass der Suchmaschinenriese sie weder um die Entwicklung gebeten habe, noch dass die Sex-Videos auf Servern gespeichert werden.  

Die Frage ist: Willst du dich überhaupt beim Sex selbst sehen? Willst du deinen kleinen Makel, deine Zellulite oder deinen Bierbauch beim Höhepunkt vor Augen haben? Ist das nur Selbstbefriedigung 2.0 oder ein weiterer Kick beim Liebesakt? Und würdest du dein Sexleben auf Video speichern, obwohl Google ein riesiger Datensammler ist?   

"Wir teilen den Schmerz"

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Bundespräsident Joachin Gauck (re.) entschuldigte sich in einem Brief bei Russlands Präsident Putin.

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich in einem Brief an den russischen Präsidenten Wladimir Putin für den Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion entschuldigt. Er könne nur „mit tiefer Trauer und mit Scham“ daran denken, schrieb Gauck. Anlass des Schreibens war der 70. Jahrestag der Befreiung Leningrads von deutscher Belagerung am 27.Januar 1944. „Deutschland ist sich seiner geschichtlichen Verantwortung für das Leid, das den Einwohnern Leningrads angetan wurde und für die brutale Kriegsführung seiner Soldaten, Einsatzgruppen und SS-Formationen bewusst“, schrieb Gauck. „Ich sage Ihnen und Ihrem Volk: Wir teilen den Schmerz um die Opfer, und wir fühlen mit den Überlebenden, die bis heute unter den Folgen des Krieges leiden.“

Die 871 Tage dauernde Belagerung von Leningrad gehörte zu den schwersten Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs. Im September 1941 wurde die Stadt von deutschen Truppen umzingelt, aber nicht eingenommen, sondern bombardiert und systematisch ausgehungert. Geschätzte zwei Millionen Menschen, etwa die Hälfte von ihnen Soldaten der Roten Armee, kamen dabei um. Insgesamt starben in der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg etwa 27 Millionen Menschen.

„Das ungeheure Ausmaß des menschlichen Leids macht uns immer noch fassungslos“, schrieb Gauck an Putin. Aus Dokumenten wie den Tagebüchern der Schülerin Tatjana Sawitschewa, die während der Leningrader Blockade das Sterben ihrer gesamten Familie festhielt, „kennen wir die Schreie und die Tränen, die Verzweiflung und den endlosen Hunger und den Überlebenskampf der Eingeschlossenen“, so Gauck. Die Erinnerung an die Belagerung sei auch in Deutschland bis heute lebendig. „Allen gerecht denkenden Menschen steht sie für die verbrecherische Kriegsführung, welche die nationalsozialistische Führung gerade im Kampf gegen die Sowjetunion ganz bewusst betrieb.“

Gauck, der wegen der Verschleppung seines Vaters in einen Gulag, aber auch wegen der aktuellen Menschenrechtslage in Russland ein distanziertes Verhältnis zur russischen Regierung hat, betonte die deutsch-russische Versöhnung. Dem Vernehmen nach will er den Brief nicht in Bezug auf aktuelle Ereignisse verstanden wissen – etwa seine Entscheidung, nicht an der Olympiade in Sotschi teilzunehmen. Vielmehr gelte das Bekenntnis zu deutscher Schuld jenseits aller Tagespolitik.

Die Erinnerung an das Leid, das Deutsche Russen angetan haben, bleibe wachzuhalten. „Doch diese Erinnerungen helfen uns auch, jeden Schritt der deutsch-russischen Versöhnung besonders hoch einzuschätzen“, heißt es in dem Brief. Gegenseitiges Verstehen schaffe „neue Brücken“, Wahrheit und Menschenliebe könnten „Hass und Feindschaft“ überwinden, schreibt er. „In diesem Sinne wollen wir mit all unserer Kraft weiter an einem gemeinsamen Europa bauen. Dann können wir heute, trotz all der Erinnerung an das Böse und den Schrecken, mit Zuversicht in eine gemeinsame Zukunft des Friedens und der Sicherung unserer humanen Werte schauen.“

Die doppelte Milchstraße

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Die Europäische Südsternwarte ESO zeigt eine neue Aufnahme der Spiralgalaxie NGC 300, die der Milchstraße sehr ähnlich ist.

Die Milchstraße besteht womöglich aus zwei Scheiben: einer alten, dicken, kleinen und einer jungen, flachen, ausgedehnten. Zu letzterer gehören auch die Spiralarme, in denen das Sonnensystem zu finden ist. Eine Bestätigung der bereits 30 Jahre alten These von den zwei Scheiben liefern jetzt erste Daten eines Suchprogramms der Europäischen Südsternwarte Eso, dem Eso-Gaia-Survey. Forscher um die russische Astrophysikerin Maria Bergemann von der Universität Cambridge haben zunächst mit Teleskopen in Chile einige hundert repräsentative Sterne der Milchstraße vermessen. Interessiert hat das Team vor allem die Häufigkeit der chemischen Elemente Magnesium und Eisen. Deren Mengenverhältnis teilt die Sterne in zwei Gruppen: Die mit einem höheren Verhältnis sind älter und liegen näher am Zentrum der Milchstraße, die jüngeren mit einer niedrigeren Metall-Relation erstrecken sich bis in die Außenbezirke der Galaxie.

„Bisher ließen sich die beiden Bestandteile der Milchstraße nicht unterscheiden“, sagt Maria Bergemann. „Da sie sich räumlich durchdringen, fehlte ein Kriterium, um die Sterne zuzuordnen.“ Anhand des relativen Magnesiumgehalts können die Forscher die beiden Scheiben nun unterscheiden. Das Leichtmetall Magnesium entsteht in massereichen Sternen, die kurz leben und in gewaltigen Explosionen vergehen – ihr Inhalt wird ins All geschleudert. Später entstehende Sterne nehmen es auf und verarbeiten es weiter zu schweren Metallen wie Eisen. Weil diese in älteren Sternen seltener sind, haben sie ein höheres Verhältnis von Magnesium zu Eisen.

„Repräsentative Untersuchungen wie Eso-Gaia stellen jetzt die Zwei-Scheiben-Theorie auf die Probe“, sagt Matthias Steinmetz vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam. „Da wird es jetzt den klassischen Ringkampf der Argumente geben.“ Er selbst findet die neuen Messungen überzeugend. Die Daten zu den beiden Scheiben belegen zudem, dass die Milchstraße tatsächlich von innen nach außen entstanden ist, wie Modelle es seit einiger Zeit besagen. In der rotierenden Gaswolke, aus der sie erwuchs, konnten sich Sterne zuerst im relativ ruhigen Inneren bilden, in den bewegten Außenbezirken dauerte es länger.

Wunderkind und Ritter der digitalen Tafelrunde

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In der Tafelrunde der Superreichen und -intellektuellen im Silicon Valley schlägt Neuankömmling Demis Hassabis Mark Zuckerberg beim Schach.

Später bei den Denksportwettbewerben der Mind Sports Olympiad schaffte Hassabis dann als einziger Teilnehmer jemals fünf Mal hintereinander den ersten Platz.

Mark Zuckerberg stand jedenfalls schon nach ein paar Minuten kurz vor dem Matt. Also tauschten die beiden die Plätze. Hassabis spielte gegen seine eigene Überlegenheit, zwang Zuckerberg wieder in die Enge, tauschte wieder den Platz. Und gewann. Das alles geschah in der Küche von Sergey Brin, dem Google-Gründer, dessen Küche eher ein Loft mit Kochinsel ist. Hassabis wiederum ist der Chef der Firma Deep-Mind, die künstliche Intelligenz erforscht.

Tony Fadell war an diesem Abend auch da, der Erfinder des iPod, der seine Thermostatfirma Nest gerade an Brin verkauft hat. Es war also einer jener Abende im Silicon Valley, bei denen junge Menschen in Sportkleidung zusammenkommen, die etliche Millionen, manchmal auch Milliarden Dollar reich sind. Bei solchen Abenden hecken sie dann lustige Dinge aus, wie zum Beispiel Bergbau auf Asteroiden zu betreiben oder Autos ohne Fahrer zu bauen.

Der gebürtige Londoner Hassabis gehörte schon länger zu diesen Kreisen. Diese veranstalten regelrechte Tafelrunden mit Intellektuellen und Forschern, die sie nicht nur auf höchstem intellektuellem Niveau unterhalten, sondern auch mit Ideen füttern. Seit dieser Woche gehört Hassabis so richtig dazu. Google hat seine Firma für 400 Millionen Dollar gekauft. Es könnten auch 500 Millionen sein, aber man redet nicht so gerne über Geld im Valley.

Es geschieht nicht oft, dass gleich zwei Intellektuelle der digitalen Tafelrunden in die erste Reihe des Silicon Valley aufrücken. Mit Tony Fadells Thermostaten will Google demnächst in die Häuser der Menschen vorstoßen, mit der Technologie von Demis Hassabis in die Köpfe. Google ist nicht der erste digitale Gigant, der das plant. Auch Facebook hat viel Geld in Wissenschaftler investiert, die sich auf Technologien des „Deep Learning“ verstehen. Und wollte Deep-Mind ebenfalls kaufen.

Man weiß nicht genau, was Demis Hassabis mit Deep-Mind entwickelt. Auf der Website der Firma gibt es nur eine einzige, karge Seite, auf der bekannt gegeben wird, dass die Firma die besten Techniken des Maschinenlernens und der Systemneurologie kombiniert, um leistungsstarke Lernalgorithmen zu schaffen. Man erwartet viel. Zwischen seinen Jahren als Schachwunderkind und Halbmilliardär war Demis Hassabis ja auch noch Spieleentwickeler, Neurologe und Künstliche-Intelligenz-Forscher in Harvard und am MIT. Gäbe es einen Computer, der nur halb so viel könnte wie er, wäre der das erste Superhirn. Deswegen hat man bei Google angeblich schon einen Ethikrat eingerichtet. Aber das könnte auch Show sein.

„Ich werde jetzt viel häufiger Dan gerufen“

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Seine aktive Zeit als Zauber-Novize liegt nun schon ein wenig zurück. Doch seine magische Anziehungskraft funktioniert offenbar weiter. Und die macht es schwer, Daniel Radcliffe pünktlich zum Interview zu treffen. Um zu der Filmfestival-Lounge auf dem Lido in Venedig zu gelangen, muss man sich erst den Weg bahnen durch Hunderte aufgeregt wartender Mädchen. Als der frühere Harry-Potter-Star dann tatsächlich auftaucht, gerät Bewegung in die Menge – Kreischen, Tränen, Kreislaufkollaps. Dabei bedient Radcliffes neuer Film alles andere als jugendliche weibliche Fans. In „Kill Your Darlings“ spielt er den jungen Beatnik-Poeten Allen Ginsberg – schwuler Sex inklusive. Die pottersche Unbeholfenheit? Wie weggezaubert. Sollte Radcliffe endgültig erwachsen geworden sein? Zum schwarz-weiß karierten Hemd trägt er helle Chinos, sein Händedruck ist kräftig. „Hallo, ich bin Dan.“ Als ob man das nicht wüsste.

SZ: Bis heute denken die meisten wohl eher an Potter, wenn sie Radcliffe sehen. Warum waren ausgerechnet Sie nun der richtige Mann, um die Beatnik-Ikone Allen Ginsberg zu spielen?

Radcliffe: Ob ich der Richtige bin, müssen Sie beurteilen. Aber ich glaube, mein Regisseur John Krokidas hat schnell erkannt, dass ich mich im Leben an einem ähnlichen Punkt befinde wie Ginsberg zu dieser Zeit. Das konnte er für den Film nutzen.

Wo sehen Sie denn die Parallelen?

Wie Ginsberg damals versuche ich gerade, meine Selbstzweifel hinter mir zu lassen und ein neues Gebiet zu erforschen, um als Künstler eigenständig zu werden und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Aber eigentlich hasse ich es, das Wort Künstler im Zusammenhang mit Schauspiel.

Warum denn?

Solange du keinen Pinsel in der Hand hast, bist du kein richtiger Künstler, oder?

Angeblich haben Sie sich – wie Ginsberg – auch selbst an Poesie versucht.

Ja, zwischen meinem 16. und 19. Lebensjahr habe ich Gedichte geschrieben. Damals fand ich sie sehr bedeutungsvoll. Heute würde ich sie wahrscheinlich hassen.

Wieso das?

Weil sie einfach nicht besonders gut waren. Trotzdem hat mir das Schreiben großen Spaß gemacht. Und ich schreibe immer noch, allerdings an Drehbüchern.

Wovon handeln die?

Das kann ich Ihnen jetzt leider nicht detailliert erzählen, sonst klaut jemand die Idee.

Ginsberg sucht verzweifelt nach jemandem, der ihn aus seinem alten, engen Leben befreit. Wer soll Sie befreien?

In gewisser Weise hat John Krokidas das für mich getan. Er hat mir zum Beispiel all diese für mich neuen Schauspieltechniken gezeigt, er hat mich dadurch aus meiner vorherigen Arbeitsweise befreit.

Die Tage, in denen man wild herumexperimentiert, sind wichtig fürs Erwachsenwerden. Hatten Sie als dauerdrehender Kinderstar denn Gelegenheit dazu, oder kommt die exzessive Phase erst noch?

Oh, das ist schon alles passiert. Es stimmt natürlich, dass ich nicht dieselbe Freiheit hatte wie meine Altersgenossen, Fehler zu machen. Trotzdem ist es mir gelungen, Mist zu bauen und zu scheitern. Daraus habe ich gelernt und bin daran gewachsen



Daniel Radcliffe bei der Weltpremiere des letzten Harry Potter Sequels in London - damals wurde er noch Harry gerufen.

Sie erregten Aufsehen, als Sie für Ihre erste Theaterrolle nackt auf der Bühne standen, nun spielen sie in einer schwulen Liebesgeschichte – mit einer wichtigen Sex-Szene. Ist das Ihre Art, um aus Ihrem Image auszubrechen?

Ich mache das eher, um zu überraschen. Die schwule Liebesszene war aber kein Grund für mich, diesen Film zu machen. Sie ergibt sich einfach so. Ich möchte als Schauspieler wahrgenommen werden, und der Charakter in diesem Film ist Teil dieses Prozesses. Ganz ehrlich? Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich wirklich stolz auf meine Performance bin.

Was hat Ihnen vorher nicht gefallen?

Ich war nie ganz glücklich mit dem, was ich gemacht habe. Die Filme gefallen mir, aber nicht meine Leistung als Schauspieler.

Ernsthaft?

Ich verspreche Ihnen: Es ist mir sehr ernst.

Wie können Sie Schüchternheit vor der Kamera spielen, wenn Sie doch davor aufgewachsen sind?

Gute Frage. Filmsets schüchtern mich wirklich nicht mehr so ein. Manchmal ist es eher der Druck, den ich vor einer sehr wichtigen Szene spüre. Wenn du weißt, der ganze Film hängt davon ab und alle warten darauf, dass ich meine Leistung bringe.

Wenn man am Set groß geworden ist – fühlt man sich dann dort sicherer als im wirklichen Leben?

Ich liebe Filmsets. Ich stehe seit meinem neunten Lebensjahr vor der Kamera, also weiß ich, wie diese Orte funktionieren. Das kann man ja vom richtigen Leben nicht immer behaupten. Ich beobachte andere Schauspieler in meinem Alter, die von der Schauspielschule kommen und zum ersten Mal bei Dreharbeiten sind. Dann denke ich, was für ein Glück ich hatte, denn sie müssen noch so viel lernen. Wer hat schon mit 24 Jahren 15 Jahre Berufserfahrung?

Aber vor den Sex-Szenen waren Sie bestimmt nervös.

Wir haben in erster Linie gelacht, weil es ja auch etwas Komisches hat. Aber irgendwie hatte ich dann natürlich doch die Hosen voll. Schließlich wusste ich, wie viel dem Regisseur diese Szene bedeutet. Er sagte vorher zu mir: „Die ist mir enorm wichtig, weil es auf der Leinwand noch keine wirklich gut dargestellte schwule Entjungferung gegeben hat. Deshalb soll unsere Szene die maßgebliche Fassung werden.“

Interessante Form der Verantwortung.

Das hat er uns allen Ernstes bei laufender Kamera erzählt! Ich und mein Schauspielkollege waren schon nackt. Er lag sogar schon auf mir drauf. Von der Seite schrie John uns ständig zu: „Küsst Euch! Nein, nein, nicht so, es soll wie verrücktes Sex-Küssen aussehen.“ Es war ein ständiger Kampf, mich mit der nötigen Intensität auf meinen Sex-Partner zu konzentrieren und keinen Lachanfall zu bekommen.

Bei der „Nouvelle Vague“ und den Beatniks geht es darum, die Regeln zu brechen, um die eigene Stimme zu finden. Wann fühlen Sie sich frei?

Ginsberg zu spielen, fand ich sehr befreiend. Denn immer wenn ich in einen Spiegel gesehen habe, blickte mir eine andere Person entgegen. Garry Oldman hat mir einmal erzählt, dass er sich als Schauspieler am freiesten fühlte, als er das entstellte Opfer von Hannibal Lecter in „Hannibal“ spielte. Sein Gesicht war mit Ausnahme eines Auges mit einer Maske bedeckt. Ich glaube, je mehr wir verbergen können, desto freier werden wir letztendlich, weil wir weniger reflektieren und nicht mehr über unser eigentliches Aussehen nachdenken.

Wo sind Sie freier, vor der Kamera oder auf der Bühne?

Vor der Kamera. Es klingt vielleicht seltsam, aber da bin ich am glücklichsten. Es ist nicht so, dass ich zu Hause unglücklich bin. Aber wenn ich mich zwischen Arbeit und Freizeit entscheiden müsste, dann würde ich immer lieber arbeiten.

Ich habe auf dem Weg zum Interview die Massen von schreienden Mädchen gesehen, die auf Sie gewartet haben.

Es war gar nicht so einfach, mir meinen Weg von der Toilette zu bahnen. Das ist verrückt, aber auch schmeichelhaft. Ich muss das sportlich sehen und versuchen, darüber zu lachen, anders geht es nicht.

Wann dürfen Sie wirklich Sie selbst sein?

Bei Dreharbeiten. Oder wenn ich mit Freunden zusammen bin. Und ich glaube nicht, dass ich als Mensch sehr weit von dem entfernt bin, was Sie jetzt im Interview von mir erleben. Ich weiß, dass die Leute meinen, sie wüssten alles über mich. Aber das stimmt nicht. Ich habe ein Privatleben.

Trotzdem können Sie sich nie allein öffentlich bewegen. Angeblich haben Sie ständig Ihren Bodyguard Sam dabei. Stimme das?

Das ist richtig.

Ist das nicht irgendwie surreal?

Finde ich nicht. Ich brauche ihn ja sehr.

Jetzt wartet er vor der Tür, oder?

Genau. Aber schreiben Sie jetzt bitte nicht, Radcliffe rennt nur noch mit einem verdammten Bodyguard durch die Gegend. Das klingt so dämlich. Aber ich kann die Paparazzi nicht selber unter Kontrolle halten. Und die tauchen nun einmal überall auf, wo ich hingehe.

Harry Potter muss sich für Sie wie ein vergangenes Leben anfühlen.

Ja, und es fühlt sich so an, als liege diese Zeit ewig lange zurück.

Manche Fans sprechen Sie immer noch mit „Harry“ an. Nervt das eigentlich?

Ich werde aber jetzt viel häufiger „Dan“ gerufen. Darüber bin ich sehr froh. Und wenn manche doch „Harry“ rufen, ist das auch okay. Irgendwie ist es ja schmeichelhaft.

Apropos „Kill Your Darlings“ – müssen Sie „Harry Potter“ abmurksen, um Ihre eigene künstlerische Stimme zu finden?

Ich werde immer sehr stolz darauf sein, dass ich Harry spielen durfte. Ich muss ihn ja nicht gleich umbringen. Ich will mich nur von ihm distanzieren. Die Zuschauer sollen mich als Schauspieler akzeptieren und nicht nur als diese eine Rolle.

Sie waren schon als Jugendlicher reich. Was bedeutet Ihnen Geld eigentlich?

Ich weiß gut, dass ich unglaubliches Glück habe, mir über Geld keine Sorgen machen zu müssen. Es gibt mir die Freiheit, Dinge auszuprobieren, für Projekte, die nicht kommerziell sind. Es ist mir aber vor allem peinlich, in meinem Alter so viel Geld mit etwas verdient zu haben, das mir so viel Spaß macht. Und das ist einer der Gründe, warum ich so hart an mir arbeite. Ich will beweisen, dieses Geld auch wert zu sein.

Gutes von gestern

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Früher, als selbstverständlich alles besser war, da betrachteten die Menschen nostalgische Gefühle als Krankheit. Lange ist es her, genau gesagt war es im 17. Jahrhundert, da beobachtete der Schweizer Mediziner Johannes Hofer einige rätselhafte Patienten. Er beschrieb Menschen, die fern ihres Elternhauses schier eingingen vor Gram und Traurigkeit. Der junge und ehrgeizige Arzt witterte medizinisches Terrain, das er für sich abstecken könnte – und erfand ein Leiden, das er in seiner Dissertation an der Universität Basel beschrieb. Er nannte es Nostalgie (weil Heimweh wohl zu popelig klang) und begründete die neue Krankheit mit Ideen, die damals so durch die Medizinlehrbücher vagabundierten: Er sprach von blockierten Lebensgeistern in Nervenbahnen, von dickem Blut und gefährlichen Ungleichgewichten, die am Ende zum Tod der Betroffenen führten. Um das Leid zu lindern und Nostalgie zu heilen, empfahl er Abführ- und Brechmittel, Quecksilber, Wein sowie großzügige Aderlässe.

Johannes Hofer lieferte ein Paradebeispiel dafür, wie sich aus diffusen Allerweltssymptomen eine fiese Krankheit konstruieren lässt. Er hatte Erfolg. Seine Kollegen verlachten den jungen Mediziner zwar zunächst, doch die Ideen Hofers bahnten sich den Weg in das Schreckenskabinett der Medizin – und verpassten der Nostalgie ein übles Ansehen. So unterstellten Ärzte im 19. Jahrhundert traumatisierten Soldaten, an Nostalgie zu leiden. Und um das zu kurieren, so hieß es damals, sei jeder Heimaturlaub strengstens zu meiden. Überhaupt fand der Begriff Nostalgie sehr freie Verwendung für allerlei Leiden oder Spleens.



Trampolin springen, ein Eis aus der Gefriertruhe und Fußball spielen: In Kindheitserinnerungen zu schwelgen, weckt das Gute im Menschen. Es fördert tatsächlich prosoziales Verhalten.

Doch auch als sich Fachwelt und Öffentlichkeit darauf geeinigt hatten, worum es sich bei Nostalgie nun handelte, blieb der Leumund dieses Gefühls ein schlechter. Nostalgiker gelten zwar nicht mehr als krank, dafür aber als schrullige, weltfremde Menschen. Bis heute werden jene gerne belächelt, die sich allzu sehnsuchtsvoll in ihre eigene oder die kollektive Vergangenheit flüchten. Erinnerungen an den Alltag in der DDR werden als Ostalgie gegeißelt, Retro-Marketing als irgendwie schäbig abgetan, und die Hohepriester des besseren, erfolgreicheren Lebens schwadronieren sowieso stets davon, sich mindestens im Hier und Jetzt zu orientieren, wenn nicht gleich in der Zukunft.

Nostalgie zu belächeln ist jedoch ebenso überflüssig wie die Therapien des Johannes Hofer. Im Gegenteil, nostalgische Gefühle entfalten positive Wirkung und dürfen auch entsprechend gewürdigt werden. Die Vergangenheit in ein gnädiges Licht zu tauchen und mit Freunden gemeinsame Erlebnisse zu beschwören, schweißt nicht nur abends am Lagerfeuer zusammen – nein, solche Momenten sind auch Ausdruck der phänomenalen Schutzmechanismen des menschlichen Geistes.

Einst empfahlen Ärzte, Nostalgiker mit Brechmittel und Quecksilber zu behandeln

Menschen profitieren von Nostalgie, berichten die Nachfolger des Johannes Hofer, die sich in der Gegenwart mit dieser Emotion auseinandersetzen. Zum Beispiel Psychologen um Constantine Sedikides und Tim Wildschut, die an der Universität Southampton die Rehabilitation des belächelten Gefühls betreiben und von dort eine Art weltweites Nostalgie-Forschungsnetzwerk koordinieren. Oder der Autor Daniel Rettig, der der Nostalgie in seinem Buch „Die guten, alten Zeiten. Warum Nostalgie glücklich macht“ (dtv Premium) ein feines Loblied mit wissenschaftlicher Begleitung singt.

Aus Universitäten und Instituten dringen reihenweise Veröffentlichungen, die die positiven Seiten der Nostalgie betonen und diese als menschliche Stärke feiern. Nostalgische Gefühle bewahren zum Beispiel vor übler Langeweile, berichteten im vergangenen Sommer Psychologen um Sedikides in der Fachzeitschrift Emotion. „Nostalgie wirkt dem Gefühl der Bedeutungslosigkeit entgegen, das Menschen empfinden, wenn sie Langeweile plagt“, schreiben die Autoren. Als Einzelbefund mag das reichlich banal oder gar bescheuert klingen, doch die Studie fügt sich in eine Reihe weiterer Untersuchungen ein. Warme Gedanken an die Vergangenheit scheinen demnach auch Gefühle von Einsamkeit und Trübsinn zu vertreiben. Erst im November berichtete ein Team um Wildschut im Fachblatt Personality and Social Psychology Bulletin, nostalgische Gefühle stimmten optimistisch: In den Schilderungen derart gestimmter Probanden zählten die Wissenschaftler mehr positive Begriffe. Und noch ein Aspekt aus der gleichen Studie: Nostalgische Gefühle, in diesem Fall durch alte Lieder ausgelöst, steigern das Selbstbewusstsein. Das gaben die Probanden zumindest bei anschließenden Befragungen zu Protokoll.

Nostalgie sollte also nicht mit Quecksilber oder Brechmittel behandelt werden, sondern könnte selbst als eine Art Arznei betrachtet werden: Sie schützt vor akuten Durchhängern und Krisen. „Nostalgie ist eine weit verbreitete und elementare menschliche Erfahrung – mit wichtigen psychologischen Funktionen. So wie die Liebe stärkt sie soziale Bindungen; wie Stolz erhöht sie die Selbstachtung; und wie Freude erhöht sie das Wohlbefinden“, schreibt Tim Wildschut. Überschätzen sollte man dieses Gefühl allerdings auch nicht, es handelt sich stets um kleine Effekte.

Nostalgie verknüpft sich mit vergangenem Glück. Sie setzt sich aus Erinnerungen an Freude, Vergnügen, Liebe oder Zufriedenheit zusammen. Der Hang, die Vergangenheit zu verklären, beginnt schon in der Jugend: In dem Moment, in dem Heranwachsenden die Unumkehrbarkeit der Zeit bewusst wird, fällt ein erstes rosiges Licht auf die Vergangenheit. Und zum Glück bleiben in der Rückschau vor allem die schönen Moment hängen und verdichten sich zu den guten, alten Zeiten. Das autobiografische Gedächtnis bevorzugt und verstärkt nämlich die angenehmen Informationen.

Das biografische Gedächtnis bevorzugt positive Erinnerungen und blendet negative aus

Wie so oft wissen die Menschen zwar um diesen Umstand – fallen aber doch auf den Mechanismus herein. Der Hang, die Dinge zu verklären, steckt in uns: Das zeigte zum Beispiel Terence Mitchell von der Universität von Washington. Er ließ seine Probanden während eines Urlaubs Tagebuch führen. In einer Stichprobe waren 61 Prozent der Teilnehmer während ihrer Ferien unzufrieden. Die Erwartungen wurden nicht erfüllt, es war anstrengend, zu hektisch – es gab immer etwas zu meckern. Schon sieben Tage nach der Reise stänkerten nurmehr elf Prozent der Urlauber. Alle anderen hatten ihre Meinung geändert: Traumhaft! Super Ferien! Alles Üble, Blöde, Schlechte hatten sie verdrängt.

Menschen könnten wohl gar nicht anders, als die schönen Dinge im Rückblick zu betonen und die unschönen auszublenden, schreibt Daniel Rettig in seinem Buch. Die einen nennen es Verklärung, die anderen – der Harvard Psychologe Daniel Gilbert etwa – betrachten es als Teil eines psychischen Immunsystems. Was also als nostalgisches Gejammer abgewertet wird, treibt die dunklen Wolken aus dem Kopf.

Tatsächlich lösen trübe Gedanken eher nostalgische Gefühle aus. Das beobachteten Joel Best und Edward Nelson, die in den 1980er-Jahren an einer Art Nostalgie-Index arbeiteten und dafür mehrere Tausend US-Bürger befragten. Wer eine Scheidung hinter sich hatte, gesundheitlich beeinträchtigt war oder den Verlust eines Angehörigen betrauerte, blickte mit mehr Sehnsucht in die Vergangenheit. Auch Wildschut zeigte in einer Untersuchung: Schlechte Laune löst nostalgische Gefühle aus. Der Psychologe beobachtete aber auch, dass diese Erinnerungen die miese Laune wieder linderten. Daniel Rettig fasst es schön zusammen: Nostalgie sei „Symptom und Medizin zugleich“.

Die Erinnerung an frühere Zeiten aktiviert darüber hinaus offenbar die guten Seiten im Menschen. So lässt sich eine Studie von Francesca Gino von der Harvard Business School interpretieren. Sie weckte Kindheitserinnerungen in ihren Probanden, indem sie diese Anekdoten aufschreiben ließ. Sie beobachtete, dass dies prosoziales Verhalten begünstigte. Wer sich zuvor an schöne Momente aus der Vergangenheit erinnert hatte, spendete anschließend mehr für einen guten Zweck. Er war auch mehr als andere Probanden, die neutrale Geschichten aufgeschrieben hatten, bereit, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Wieder nur ein seltsamer Einzelbefund? Nein, andere Studien zeigten ähnliche Ergebnisse. Schöne Erinnerungen begünstigen prosoziales Verhalten.

War früher nun alles besser? Natürlich nicht. Aber an ausgewählten Zielen in der eigenen Vergangenheit war alles irgendwie rosig. Und mit jedem Erinnern nimmt diese Strahlkraft zu. Wie großartig.

Mein Freund, die Suchmaschine

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In den Übernahme-Dimensionen, in denen sich Google mittlerweile bewegt, klingt der Zukauf des Londoner Unternehmens Deep Mind zunächst eher unspektakulär. Über die Firma ist nicht allzu viel bekannt, nur so viel: Sie beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz, also mit einer Technik, bei der sich Computer selbst neue Fähigkeiten beibringen, ohne dass sie dafür menschliche Hilfe bräuchten. Was genau also könnte es sein, das den milliardenschweren Internetkonzern bewogen hat, Deep Mind zu kaufen?

Larry Wasserman, Professor an der Carnegie Mellon University, hätte da vielleicht eine Idee. Nach einem Treffen mit Shane Legg, einem der drei Firmengründer, beschrieb er vor zwei Jahren auf seiner Webseite Deep Mind als Firma, die „versucht, ein denkendes System zu errichten“. Legg habe ihm bereits damals von den gewaltigen Fortschritten berichtet, maschinelles Lernen und Neurowissenschaften zu verbinden. „Plötzlich leben wir in einer Welt, in der superintelligente Computer die Menschen übertreffen“, so Wasserman damals. Das Besondere an der Technik: Man kann sie sozusagen unvorbereitet auf große Mengen an unstrukturierten Daten loslassen – Daten also, die nicht im Hinblick auf spätere Verwertung durch Maschinen angelegt wurden.

Genau das Richtige also für Google, wo man mit dem Problem kämpft, dass die Nutzer am liebsten Fragen stellen würden. Doch entweder, das System versteht diese Fragen nicht, oder aber die Daten, auf die es zugreift, sind nicht so, dass sich die gewünschten Informationen einfach herauslesen lassen. Wie wichtig der Deal für Google war, zeigt sich auch daran, dass Gründer und Geschäftsführer Larry Page die Verhandlungen persönlich geführt und dabei auch Facebook ausgestochen haben soll. Auch dessen Chef Mark Zuckerberg war nämlich an der Firma interessiert.



Google baut sein Firmennetzwerk weiter aus. Die neuste Errungenschaft des Giganten: Der Konzern Deep Mind, der mit künstlicher Intelligenz forscht.

Gegründet wurde Deep Mind vor zwei Jahren von dem Schach-Wunderkind Demis Hassabis zusammen mit Shane Legg und Mustafa Suleyman. Kolportierter Kaufpreis: 400 bis 500 Millionen Dollar. Google bestätigte die Übernahme, wollte sich aber weder zu der Summe noch zu den Details äußern. Eine Anfrage bei Deep Mind blieb gleich ganz unbeantwortet.

Die Übernahme ist die jüngste in einer ganzen Reihe, die alle in eine Richtung zu weisen scheinen: Sie alle könnten eine Rolle spielen im sogenannten Internet der Dinge, in dem Maschinen quasi selbständig kommunizieren. Unter anderem kaufte Google für 3,2 Milliarden US-Dollar das Unternehmen Nest Labs, das lernfähige Heizungsregler in schickem Design herstellt und für Google quasi die Eintrittskarte ins vernetzte Heim darstellt. Im Dezember hatte man sich Boston Dynamics einverleibt. Die Firma produziert unter anderem Roboter, die denen aus dem Film „Terminator“ gar nicht einmal so unähnlich sehen.

Die Übernahme von Deep Mind ist jedoch auch aus anderen Gründen interessant. Zum einen ist da der brillante Mitgründer Hassabis, zum anderen sind da die Menschen, die Deep Mind in den vergangenen Jahren unterstützt haben. Zum Beispiel Paypal-Mitgründer Peter Thiel. Ebenfalls dabei: Bart Swanson, der mit der Datingseite Badoo reich geworden ist, und Li Ka-shing, Unternehmer aus Hongkong und einer der reichsten Menschen Asiens. Sie alle glauben an Deep Mind.

Google ist jedoch bei Weitem nicht das einzige Unternehmen aus dem Silicon Valley, das enorm viel Geld in künstliche Intelligenz pumpt. Facebook zum Beispiel hat kürzlich Yann LeCun von der New York University abgeworben und ihm die Leitung des neuen Labors für künstliche Intelligenz übertragen. Der kriselnde Internet-Dinosaurier Yahoo hat das Start-up Look Flow gekauft, das sich nun gemeinsam mit dem Fotoportal Flickr um maschinelles Lernen kümmern soll. IBM investierte kürzlich eine Milliarde US-Dollar in sein Computersystem Watson, das seinen großen Auftritt vor drei Jahren in der Quizshow „Jeopardy“ gehabt hatte. Damals hatte es zwei menschliche Champions besiegt. Die Frage, wie schlau Maschinen werden können, scheint diese großen Firmen also derzeit so brennend zu interessieren wie kaum etwas sonst.

Google selbst hatte bereits im Dezember 2012 den Wissenschaftler und Futuristen Ray Kurzweil verpflichtet, der ankündigte, die Suchmaschine so weiterentwickeln zu wollen, dass sie wie ein „kybernetischer Freund“ daherkomme. Die nunmehr eingekaufte Technologie könnte dabei helfen, diesem Ziel näher zu kommen.

Und das ist noch nicht alles. Im Mai vergangenen Jahres ging Google eine Kooperation mit der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa ein und gründete das Quantum Artificial Intelligence Lab. Mehrere Medien berichten nun, dass Deep Mind bei den Verhandlungen darauf bestanden habe, eine Deep-Mind-Google-Ethikkommission einzurichten. Ihr Job: darüber zu wachen, wofür Google die künstliche Intelligenz einsetzen darf und wofür nicht.

Obama könnte auch rappen

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1. Einer darf schwänzen


Die Rede zur Lage der Nation ist eines der wichtigsten Rituale der US-Politik. Das lässt sich allein daran erkennen, dass alle Kongressmitglieder sowie die gesamte Regierung anwesend sind. Alle? Nein. Einer darf schwänzen, während alle anderen gemeinsam dem Präsidenten lauschen. Besser gesagt: muss schwänzen. Denn falls Godzilla, ein Erdbeben oder irgendeine andere unvorhergesehene Katastrophe die versammelte Judikative und Exekutive der USA auslöschen sollte, wäre ja keiner mehr da, der das Land regieren kann. Also wird vorher ein „Designated Survivor“ ausgewählt. Wer das ist, bleibt bis zur Rede geheim. Die kann er dann unter hohen Sicherheitsvorkehrungen an einem geheimen Ort im Fernsehen verfolgen. Oder einfach „Survivor“ von Destiny’s Child im Dauerloop hören. 



Ein Mann und sein Füller - Obama arbeitet im Oval Office an seiner Rede.

2. Das Trinkspiel


Regierungserklärungen oder Thronreden sind nicht selten total überraschend. Vor allem politische Gegner des Redners weisen im Anschluss immer darauf hin, er habe nichts Neues oder Weltbewegendes gesagt. Eine konservative Anti-Obamacare-Organisation hat schon vorab deutlich gemacht, dass sie von ihrem Präsidenten nur Floskeln erwartet und deshalb zu einem Trinkspiel in einer Bar in Washington D.C. eingeladen. Jedes Mal, wenn Obama zum Beispiel „Let me be clear“ sagt, muss ein Schnaps geleert werden. Spricht er von Steuern als einem „Shared Sacrifice“, müssen die Spieler ein Bier mit ihrem Nachbarn teilen.  

3. Das zweite Watergate


Nach Obamas Rede im vergangenen Jahr erlangte der Republikaner Marco Rubio weltweite Berühmtheit. Der Senator aus Florida hatte die Ehre, die seit 1960 übliche Antwortrede der Opposition auf den Bericht des Präsidenten zu halten. Berühmt wurde er aber nicht wegen der Inhalte seiner Rede, sondern weil er schon nach dem ersten Satz nach links unten abtauchte, sich wenig elegant ein Wasserfläschchen angelte und mit gehetztem Blick einen glucksenden Schluck nahm. Das gesamte Netz machte sich am Tag darauf unter dem Hashtag #Watergate darüber lustig.
http://www.youtube.com/watch?v=dWkjVvoXIS0  

4. Clinton hält den Längenrekord


Wie lange und ausführlich der Präsident redet, ist seine Sache. Seit Lyndon Johnsons wird darüber Buch geführt, und den längsten Atem hatte bislang Bill Clinton. Er sprach in seiner Amtszeit im Durchschnitt eine Stunde, 14 Minuten und 51 Sekunden über die Lage der Nation. Muss viel losgewesen sein zu Bills Zeit.  

5. Taft hält den Wörter-Rekord


Mann muss ihn trotzdem ein bisschen relativieren, den Rekord des Bill Clinton. Weil: Er mag zwar lange gebraucht haben für seine Reden. Das heißt aber nicht, dass er auch tatsächlich viel gesagt hat. Seine Berichte bestanden durchschnittlich aus 7.426 Wörtern, die von Präsident Howard Taft waren gerne mal länger als 22.000 Wörter.  

6. Vielleicht mal ein Rap zur Lage der Nation?


Spitzfindige Leser werden jetzt den Zeigefinger heben und fragen: „Moment mal, so lahmarschig kann der Clinton doch gar nicht gesprochen haben, dass er für 7.000 Wörter länger braucht als der alte Taft für 22.000!“ Hat er auch nicht. Taft hat seine Berichte nie vorgelesen, sondern schriftlich eingereicht. Es ist nämlich nirgends festgeschrieben, dass der Präsident wirklich vor dem Kongress reden muss. Ganz was anderes ginge theoretisch auch. Obama könnte theoretisch zum Beispiel seinen Buddy Jay-Z beauftragen, ihm einen hübschen Beat zur Lage der Nation zu basteln und ein bisschen drüber rappen, wie es dem Land geht.  

7. Obama spricht in Twittersätzen


Auch wenn solche Rap-Pläne bislang nicht bekannt sind, gibt es einige andere interessante Erkenntnisse über den Stil seiner Reden und Berichte zur Lage der Nation. Ein paar findige Menschen fanden es zum Beispiel bemerkenswert, wie schnell und präzise der Twitteraccount des weißen Hauses noch während der Reden von Obama die Kernaussagen in die Welt bläst. Man könnte fast den Eindruck bekommen, die Redenschreiber hätten die Anweisung bekommen, Obamas Sätze so zu formulieren, dass sie in einen Tweet passen. Eine Untersuchung (mit interaktiver Aufbereitung) hat ergeben, dass circa 70 Prozent der Sätze in seinen Berichten zur Lage der Nation twittertauglich waren.  

8. Die Shout-Outs


Der Präsident kann zu seiner Rede Leute einladen. Das sind natürlich nicht irgendwelche Kumpels, sondern US-Bürger, die der Präsident in irgendeiner Form loben, würdigen oder ehren möchte, indem er sie in seiner Rede anspricht. Initiator dieser Gewohnheit ist Ronald Reagan. Er lobte einen Arbeiter, der in den eiskalten Potomac River gesprungen war, um ein Opfer eines Flugzeug-Crashs zu retten.  

9. Die Gäste 2014


Vor der Rede hat das weiße Haus folgende Gäste angekündigt, die sie vom Kongressbalkon aus verfolgen dürfen: Jason Collins, ein NBA-Star, der vergangenes Jahr sein Coming-out als Homosexueller hatte. Zwei Überlebende des Attentats von Boston, Carlos Arredondo und Jeff Bauman. Ein Feuerwehrmann aus einer Stadt in Oklahoma, die von einem Tornado verwüstet worden ist. Ein 16-jähriger Intel-Praktikant und Jungunternehmer. Und die Lehrerin des Jahres aus Washington DC.  

10. Same procedure as every year?


Nö. In der Verfassung heißt es, der Präsident müsse sich mit seinem Bericht „von Zeit zu Zeit“ an den Kongress wenden. Der jährliche Rhythmus hat sich schlicht und einfach eingebürgert. Ist ja auch eine schöne Gelegenheit für einen Präsidenten. Schließlich kann man sich da zur Prime Time eine Stunde oder länger ins Fernsehen stellen und allen mal schön die Meinung sagen.

Karten für den jetzt.de-Kneipenabend gewinnen!

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Auf diesem Bild sind alle mitlesenden Redakteure versammelt

Wir finden ja: Ein guter Kneipenabend braucht Trinken, Zuhören, Reden und Rätseln. Darum lesen wir am Donnerstag, 30.01., ab 20 Uhr im Theater Heppel&Ettlich (Feilitzschstraße 12) Texte vor und spielen außerdem von der Bühne aus mit dem Publikum die schönsten jetzt.de-Rätsel. Zu gewinnen gibt es Schnäpse und andere schöne Preise. Und danach gibt es gute Musik zum Beisammensein und sich einen Schwipps antrinken - denn unseren Anteil der Eintrittseinnahmen reinvestieren wir direkt wieder in Biere für euch und uns. Klingt eigentlich sogar nach einem sehr guten Kneipenabend, finden wir!  

Und weil es am allerschönsten wird, wenn viele nette Menschen da sind, verlosen wir zehn Mal zwei Gästelistenplätze. Eigentlich kostet der Eintritt sechs Euro, aber für die Gewinner ist er umsonst. Gut, was?    

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Die Verlosung läuft bis Donnerstag, 13 Uhr. Die Gewinner werden per E-Mail benachrichtigt – also rechtzeitig ins Postfach gucken!

Um am Gewinnspiel teilnehmen zu können, musst du bei uns angemeldet sein und dich einloggen. Du findest den "Login"-Button oben rechts auf unserer Seite. Falls du zum ersten Mal am Gewinnspiel teilnehmen willst, musst du dich auf unserer Seite anmelden. Das "Anmelden"-Feld findest du rechts oben auf der Seite. Die Registrierung ist selbstverständlich kostenlos und dauert nur ein paar Sekunden.

Europa-Fans - wo seid ihr?

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Bis heute Abend (28. Januar 2014) konnte bei der Greenprimary abgestimmt werden. Aber was genau ist das? 
Ska Keller:
Wir machen eine Abstimmung darüber, welche beiden Personen grüne Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat für die Europawahl werden sollen und zwar für ganz Europa. Es geht also nicht darum, die deutsche Liste zu bestimmen, sondern ein grünes Gesicht für ganz Europa auszuwählen, das die Partei dann auch im Wahlkampf, zum Beispiel bei Fernsehdebatten, vertritt. Die Idee ist dabei, dem Europawahlkampf eine europäische Dimension zu geben. Bisher wurde der viel zu oft nur national geführt.  

Was ist denn der Unterschied zwischen einem europäischen Spitzenkandidaten und Platz eins auf einer nationalen Liste?

Für die Europawahlen gibt es keine europaweiten Listen mit potenziellen Kandidaten, sondern nur nationale. Die Personen dort auf Platz 1 sind natürlich auch Spitzenkandidaten, aber halt nur französische, italienische, deutsche und so weiter. Wir wollten aber zusätzlich auch einen europäischen Spitzenkandidaten haben. Theoretisch hätten diese Personen bei einem Wahlsieg dann auch Aussicht auf die Kommissionspräsidentschaft. Das ist für die Grünen natürlich nicht so wahrscheinlich.  

Anfang Januar wurde das erste Mal über die Beteiligungszahlen bei der Primary gesprochen, damals war von 10.000 die Rede. Im Vergleich zu 390 Millionen Wahlberechtigten recht wenig.
(Anm. der Redaktion: Dienstagnachmittag wurde bekanntgegeben, der Stand läge mittlerweile bei 20.000).
Die offiziellen Zahlen wird es ja erst morgen früh um elf geben, momentan weiß ich da noch nichts. Ich habe aber gehört, dass sie nach der Meldung noch mal gut angestiegen sind. Ich fand die Primary trotzdem eine supergute Erfahrung, das Feedback, was ich bekommen habe, war durchweg positiv. Vor allem bekam man so auch mal Reaktionen von Leuten, mit denen man sonst nicht so in Kontakt träte. Trotzdemist es für uns als kleine Partei einfach schwierig, die große Masse zu erreichen. Viele haben zum Beispiel gar nicht mitbekommen, dass man auch als Nicht-Parteimitglied abstimmen durfte, das war etwas ganz Neues.  

Offiziell wurden ja 100.000 Teilnehmer als „Erfolgsmarke“ für die„Greenprimary“ ausgegeben. War das auch dein Ziel?

Nein, ich finde 100.000 auch ganz schön hochgegriffen. Wir sind eine kleine grüne Partei und haben keine Finanzen, um groß zu plakatieren oder Fernsehwerbung zu schalten. Es war jetzt das erste Mal, dass wir so was gemacht haben und da sollte man auch über die Abstimmungszahlen hinaus mal das Feedback betrachten, was ja meistens positiv war. Wenn wir durch die Primary jetzt in ganz Europa Menschen mobilisieren konnten, haben wir auch schon richtig viel gewonnen für die Wahl im Mai, finde ich.  



Ska Keller, eigentlich Franziska Keller, ist seit 2009 Mitglied des EU-Parlaments. Sie wurde 1981 in Brandenburg geboren und war seitdem bereits Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend und Sprecherin der Federation of Young European Greens (FYEG).

Ein weiterer Kritikpunkt an der Primary war, dass ihr vier Kandidaten alle von der gleichen Partei seid und euch somit gar nicht in euren Positionen unterscheidet. Wie siehst du das?
Wir sind halt alle grün (lacht). Ich glaube schon, dass wir uns in manchen Details unterscheiden, insbesondere in strategischen Details hatten wir oft unterschiedliche Herangehensweisen. Aber klar, von uns war jetzt niemand auf einmal für Atomkraft oder so was.  

Wenn du jetzt sagst, dass ihr euch inhaltlich unterscheidet, warum tretet ihr dann überhaupt gegeneinander um die Spitzenkandidatur an? Ist das dann nicht eine reine Sympathiewahl?

Auch wenn wir uns nicht in den großen Linien unterscheiden, haben wir trotzdem verschiedene Inhalte und um die sollte es auch bei der Wahl gehen. Wie stark sollte es in der Krise um Solidarität gehen? Wie sollen wir mit dem Föderalismus in der EU umgehen? Bei der Frage, wie sehr man die Bekämpfung der Wirtschaftskrise auch auf Jugendarbeitslosigkeit ausrichten sollte, habe ich immer gesagt, dass das Thema ganz oben auf die Agenda gehört. Die anderen Bewerber meinten hingegen: „Na ja, die arbeitslosen Älteren sind doch genau so wichtig.“ Natürlich ist das kein katastrophaler Unterschied in der Substanz, aber schon in der Prioritätensetzung. Das ist für Außenstehende natürlich schwer nachzuvollziehen. Aber durch die Primary kann man sich die Leute zumindest ansehen und entscheiden, wer vom Profil her die Grünen in Europa vertreten soll.  

Ist diese Wahl für dich dann nicht auch vorteilhaft? Schließlich stehst du als jüngste Bewerberin auch automatisch für junge Themen und der Online-Wahlkampf erreicht ja auch hauptsächlich jüngere Menschen.

Natürlich habe ich damit einen Vorteil, ich unterscheide mich ja allein schon äußerlich stark von den anderen Kandidaten und Kandidatinnen. Aber warten wir mal ab (lacht). Die anderen haben natürlich mehr politische Erfahrung.  

Du hast auch schon vier Jahre Erfahrung. Schließlich bist du 2009 mit 27 Jahren ins EU-Parlament gekommen. Ich habe mal gelesen, viele hätten dich damals für eine Praktikantin gehalten?

Ja, das stimmt. Vom Personal oder vom Sicherheitsdienst werde ich auch immer noch andauernd nach meinem Ausweis gefragt, weil niemand glaubt, dass ich Abgeordnete bin. Das passiert anzugtragenden Herren eher nicht. Es gab aber auch viele gut gemeinte Reaktionen: Als ich beispielsweise im Ausschuss angefangen habe mitzudiskutieren, sind danach viele auf mich zugekommen und haben gesagt „Du hast total gut geredet!“. Die haben dann versucht, mich positiv zu ermutigen, dabei brauchte ich das gar nicht.  

Dein Motto im Europa-Wahlkampf war „Nicht nur Opa nach Europa“. Gibt es auch dieses Jahr wieder junge Themen, die dir besonders wichtig sind?

Zum einen die Jugendarbeitslosigkeit, das ist ja gerade in Spanien, Portugal und Griechenland ein sehr großes Thema. Zum anderen sind mir auch die Fragen der Partizipationsmöglichkeiten an der EU wichtig. Das ist natürlich nicht nur für junge Menschen interessant, wenn Europa demokratischer würde, aber ich finde schon, dass wir die Jugend mehr nach vorne stellen müssen. Die wird von der Politik oft vergessen, allein schon, weil sie noch nicht wählen darf. Es gibt einfach noch viel zu wenig junge Menschen in Entscheidungspositionen.  

Trotz allen Bemühungen für Europa zu werben und den Wahlkampf näher an die Menschen zu bringen, ist die EU für viele weiterhin ein sperriges Thema. Woran liegt es, dass die Leute sich nur schwer für Europa begeistern lassen?

Ich würde gar nicht immer so da rangehen, dass man Menschen für Europa begeistern muss. Stattdessen sollten man sie dafür begeistern, etwas in Europa zu ändern. Das ist ja eine wichtige politische Ebene, auf der man einiges ändern kann. Trotzdem sollte man nicht immer die pro-europäische-Fahne schwingen und sagen „Europa ist super“, sondern die Menschen motivieren, sich auch lokal für Europa zu engagieren, zum Beispiel durch neue Beteiligungsformen.  

Und hat die Primary das für dich erreicht?

Sie war jetzt nicht die krasse Massenbewegungs. Aber ich denke schon, dass so etwas uns weiterbringt. Dass es zeigt, dass man an Europa auch teilhaben kann und es dort um konkrete Politik geht, die man ändern kann.

Tot auf Twitter

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Wann Garth Callaghan genau sterben wird, weiß er nicht. Drei Mal wurde in den letzten zwei Jahren Krebs bei ihm diagnostiziert. Die Ärzte geben ihm nicht länger als fünf Jahre. Er wird seine jetzt 14-jährige Teenagertochter Emma zurücklassen. Ihr hat der Vater bereits jetzt ein besonderes Erbe vermacht. Prämortal sozusagen.  



Immer häufiger Nachrichten ihren Weg in soziale Netzwerke, die für nach dem Tod bestimmt sind.

Seit der zweiten Klasse findet Emma in ihrem Lunchpaket jeden Tag eine Serviette, beschrieben mit einer kleinen Notiz, einer Aufmunterung, mit einem berühmten Zitat oder persönlichen Wünschen von ihrem Vater. „I love you. Make today awesome“ steht da geschrieben, ebenso wie „Do the right thing even when no one is looking“.

826 weitere Anmerkungen hat Callaghan seiner Tochter versprochen. Für jeden Tag bis zu ihrem High School-Abschluss, falls er diesen selbst nicht mehr miterleben wird. Die Servietten schreibt er vor, 740 hat er bereits gesammelt, 86 Lebensweisheiten müssen noch aufs Papier gebracht werden. Eine Kollektion vergangener Notizen hat Callaghan veröffentlicht - auf Twitter, Facebook und einem eigenen Blog. Sein Ziel: Die Beziehung zu seiner Tochter verstärken und gleichzeitig anderen Eltern eine Inspiration zu sein.  

Auch Schriftsteller Wolfgang Herrndorf dokumentierte seinen Sterbeprozess im Internet. Auf seinem Blog „Arbeit und Struktur“ legte er ein Online-Tagebuch an, unmittelbar vor seinem Freitod. Rückwärts vom Tod lesen sich die Einträge, der erste lautet: „Schluss: Wolfgang Herrndorf hat sich am Montag, den 26. August 2013 gegen 23.15 Uhr am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen.“ Auch der schwedische Krimi- und Bestsellerautor Henning Mankell trat mit seiner Krebserkrankung an die Öffentlichkeit. In einer Kolumne will er über seinen Kampf gegen die Krankheit schreiben. 

Witwer Ben Nunery dagegen gedenkt seiner Frau in ganz anderer Weise. In Erinnerung an die Verstorbene stellte er mit der dreijährigen Tochter seine Hochzeitsfotos nach und die dann auch ins Netz. 

Was hälst du davon? Brauchst es diese digitale Erinnerungs- und Trauerkultur? Welche Nachrichten willst du der Nachwelt hinterlassen? Was sollen deine Kindern oder Freunden nach deinem Tod lesen? Würdest du noch auf deinem Sterbebett twittern und posten? Wie verändert das den öffentlichen Umgang mit dem Thema Tod?

Sturm der Liebe

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Sein Sohn tritt ganz in seine Fußstapfen: Auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu war mit einer nichtjüdischen Frau liiert.

Ganz der Papa, könnte man meinen, wenn die Rede auf Jair Netanjahu kommt. Vor drei Jahren sorgte der Sohn des israelischen Premierministers für Schlagzeilen, weil er auf seiner Facebook-Seite politisch höchst unkorrekte Ansichten von sich gegeben hatte. Terror habe eine Religion, schrieb der Spross damals, „und der heißt Islam“. Auch hoffe er, „dass es nie einen palästinensischen Staat geben wird“.

Jetzt ist Jair, 23, wieder in den Schlagzeilen – der Liebe wegen. Seine Freundin heißt Sandra Leikanger, stammt aus dem sehr palästinenserfreundlichen Norwegen und kommt aus einem protestantischen Elternhaus. Sie studiert visuelle Kommunikation am Interdisziplinären Zentrum in Herzliya bei Tel Aviv und ist Israel gegenüber offenbar wohlgesonnen: Sie ist Mitglied mehrerer Facebook-Gruppen, die Israel und Israels Armee unterstützen. Jair war bereits in Grimstad bei Sandras Eltern. Ob die norwegische Polizei extra Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat während Jairs Südnorwegen-Trip, was norwegische Journalisten herausfinden wollten, ist nicht bekannt. Die norwegische Polizei schweigt. Die Frage ist berechtigt, schließlich gehört Benjamin Netanjahu zu den meistgefährdeten Politikern dieser Welt. Wenn Jair in Tel Aviv clubben geht, ist immer ein Bodyguard an seiner Seite.

Papa Netanjahu freut sich über den Sohnemann und dessen Liebelei mit der 25-Jährigen, beim Davoser Wirtschaftsgipfel erzählte er der norwegischen Premierministerin stolz von der israelisch-norwegischen Freundschaft. Doch mit seinem Stolz steht Benjamin Netanjahu im Moment relativ alleine da: In Israel fallen Medien, Opposition und Religiöse über Familie Netanjahu her – weil Sandra Leikanger keine Jüdin ist.

Der Sturm ist so enorm, dass Leikanger ihre Facebook-Seite für Nicht-Freunde geblockt und sämtliche Fotos mit Jair heruntergenommen hat. Die religiöse Schas-Partei ist empört, dass der Papa dem Sohn eine „Schickse“ durchgehen lasse. Deren Parlamentsabgeordneter Nissim Zeev klagt: „Das ist ein großes Problem. Der Premierminister trägt eine nationale Verantwortung für das jüdische Volk, das muss er auch in seinem eigenen Haus leben. Jeder Jude möchte, dass sein Sohn ein jüdisches Mädchen heiratet.“ Sogar der Schwager von Benjamin Netanjahu erteilte öffentliche Rügen. In einem Interview mit einem ultra-orthodoxen Radiosender erklärte Chagai Ben-Artzi: „Jair sollte wissen, dass, wenn er die Beziehung nicht abbricht, er auf das Grab seiner Großeltern spuckt.“ Pikant an der Liaison ist, wenn überhaupt, dass Netanjahu stets darauf beharrt, die Palästinenser sollten Israel als jüdischen Staat anerkennen. Eine mögliche evangelische Schwiegertochter unterhöhlt diese Forderung eher.

Wie der Sohn hat auch Papa Netanjahu schon mal getreu dem Motto gelebt: wo die Liebe hinfällt. Seine zweite Frau, die Benjamin Netanjahu 1981 geheiratet hatte, stammte aus Großbritannien und war ebenfalls nichtjüdisch. Ihm zuliebe konvertierte sie aber zum Judentum. Geholfen hat das der Ehe damals allerdings nicht viel: Nach nur drei Jahren ließen sich die beiden scheiden.

Das Kindergeld-Dilemma

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Mit dem Geldverteilen hat sich die große Koalition in den ersten Wochen ihrer Regierungszeit leichtgetan. Langjährige Arbeitnehmer sollen künftig schon mit 63 in Rente gehen, ohne Abschläge befürchten zu müssen. Die Rente von Frauen, die vor 1992 Mutter geworden sind, wird aufgestockt. Dafür wollen Union und SPD die Reserven der Rentenversicherung leeren, eine eigentlich fällige Beitragssenkung wurde verschoben. Alles für die Rentner.

Erheblich schwerer tut sich das Regierungsbündnis bei der Verteilung von Wohltaten für Kinder. Seit Wochen zerbrechen sich Abgeordnete und Minister, Familienpolitiker und Finanzpolitiker den Kopf darüber, wann nun die Kinderfreibeträge steigen sollen und was das für Folgen hat. Ohne Ergebnis. Nun prüfen die Häuser von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) einen völlig neuen Lösungsansatz. Schwesig will das Geld den Kindern von Geringverdienern zukommen lassen. Geht es nach der Ministerin soll der Kinderzuschlag um 20 Euro steigen.



Ob mehr Kindergeld oder höhere Freibeträge – viel mehr Geld bekommen die Eltern am Ende nicht.

Das Problem ist verzwickt, am besten ist es deshalb, mit den Kinderfreibeträgen selbst anzufangen. Um das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Existenzminimum von Kindern sicherzustellen, sollten diese Anfang des Jahres eigentlich um 72 Euro auf insgesamt 7080 Euro steigen. So jedenfalls hatte es die schwarz-gelbe Koalition ursprünglich beschlossen. Doch daraus wurde nichts, weshalb nun Union und SPD das Versäumnis dringend nachholen müssen und zwar rückwirkend.

Verbunden damit ist aber auch die Frage, ob das Kindergeld entsprechend steigen soll, denn Kindergeld und Freibeträge gehören inhaltlich eng zusammen. Wollte man es in gleicher Höhe wie den Freibetrag ansteigen lassen, müsste das Kindergeld pro Kind um zwei Euro steigen, für die ersten beiden Kinder also auf 186 Euro.

Schon zum Jahresbeginn sollte der Freibetrag um 72 Euro steigen

Doch davor schrecken sowohl die Union als auch die SPD zurück. Die Union hätte zwar im Prinzip gar nichts gegen ein höheres Kindergeld. Jedoch würde die Anhebung um zwei Euro im Jahr rund 425 Millionen Euro kosten, wovon der Bund 186 Millionen Euro tragen müsste. Und das bereitet Finanzminister Schäuble Kopfschmerzen, weil er im Haushalt für das Jahr 2014 praktisch jeden Cent braucht, um das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel zu erfüllen, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Strukturell ausgeglichen heißt, dass die Konjunktureinflüsse herausgerechnet werden, weshalb Schäuble zwar Schulden machen darf, aber keinesfalls mehr als etwa 8,5 Milliarden Euro. Würde die Koalition nur den Kinderfreibetrag erhöhen, hätte Schäuble weniger Sorgen, denn das würde die Kassen des Bundes lediglich mit 52,5 Millionen Euro belasten.

Auch die SPD-Familienpolitiker stemmen sich gegen das höhere Kindergeld. Die haushalterischen Nachteile kümmern sie nicht, sie haben grundsätzliche Bedenken. Statt das Kindergeld um den Minibetrag von zwei Euro zu erhöhen, würden sie das Geld lieber in eine bessere Infrastruktur für die Kinderbetreuung stecken, sprich: in mehr Kitaplätze oder Betreuungsangebote. Die zwei Euro Kindergeld seien für den Staat verhältnismäßig teuer, nützen den Kindern und ihren Eltern aber nur wenig, lautet ihre Argumentation.

Gerade mal mit 48 Euro im Jahr zusätzlich könnte eine Familie mit zwei Kindern wegen des höheren Kindergeldes rechnen. Die höheren Freibeträge bringen nach Berechnungen des Berliner Steuerexperten Frank Hechtner hingegen bis zu 63 Euro pro Kind. Dafür müssen die Eltern allerdings brutto mehr als 10000 Euro im Monat verdienen. Etwa von einem Monatsbrutto von 5000 Euro an übersteigen die Leistungen aus dem höheren Freibetrag die Leistungen des Kindergeldes.

Verzichtet die Koalition auf die Erhöhung des Kindergeldes und macht nur, was sie muss – die Freibeträge um 72 Euro anheben –, würden ausschließlich Besserverdienende profitieren. Da die Bezieher der Freibeträge schon jetzt mehr Geld pro Kind erhalten, würde sich die Schere zwischen den beiden Instrumenten noch weiter öffnen. Beide Koalitionspartner glauben nicht, dass dies den Bürgern zu vermitteln wäre. Im Gegenteil, sie halten heftige Proteste für wahrscheinlich.

Schwesig hat Schäuble deshalb nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Rande der Klausurtagung in Meseberg eine Alternative vorgeschlagen, von der sie glaubt, man könne sie besser an den Bürger bringen. Sie plädierte dafür, das Kindergeld nicht zu erhöhen und stattdessen einen Teil des so eingesparten Geldes zu nutzen, um den Kinderzuschlag um 20 Euro je Kind anzuheben. Schwesig sehe dies zusammen mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro als guten Weg, viele Familien aus der Sozialhilfe zu holen, heißt es.

Für eine Erhöhung ist im Haushalt kein Spielraum

Der Kinderzuschlag kommt nur Familien zugute, die mit ihrem eigenen Einkommen nicht über die Bezüge kommen, die ihnen aus dem Arbeitslosengeld II zur Verfügung stünden, den sogenannten Aufstockern. Ist dies der Fall, können sie zu ihrem Einkommen Wohngeld und Kinderzuschlag beantragen, um im Endeffekt nicht mehr auf Hartz IV angewiesen zu sein. Der Kinderzuschlag beträgt derzeit maximal 140 Euro. Haben die Kinder eigenes Einkommen, zum Beispiel aus einer Waisenrente, verringert er sich. Verdienen die Eltern mehr als für ihren eigenen Mindestbedarf notwendig ist, verringert auch das die Höhe des Kinderzuschlages.

Schäuble versprach, die Idee zu prüfen. In der Union hieß es aber, man tendiere dazu, die Mehrkosten hinzunehmen und einfach das Kindergeld zu erhöhen.

Verstummende Trillerpfeifen

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Die Montagsdemo war bisher nichts, was man suchen musste in Stuttgart, man hörte die Trillerpfeifen und Sprechchöre ja schon aus der Ferne. Und man wusste ja auch, dass sich die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 seit vier Jahren direkt vor dem Hauptbahnhof versammeln, dessen Tieferlegung sie unbedingt verhindern wollen.

In besonderem Maße war der Treffpunkt der Aktivisten den Autofahrern vertraut, jeden Montagabend mussten sie mit einem Stau auf dem Cityring rechnen, oft war der einen Kilometer lang. Autofahrer waren auf das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 nicht gut zu sprechen. Auch Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs schimpften über Fahrtausfälle und Verspätungen; Einzelhändler beklagten Einnahmerückgänge. Seit der Niederlage der S 21-Gegner bei der Volksabstimmung im November 2011 wuchs bei vielen Stuttgartern das Gefühl: So kann es nicht weitergehen. Diese Überzeugung hat sich jetzt auch in Teilen der Protestbewegung durchgesetzt.



Flaggen wie diese wehten zu Beginn der Demonstrationen noch wöchentlich vor dem Hauptbahnhof. Der Protest in Stuttgart ist mittlerweile fast ganz verebbt.

Wer am Montagabend dieser Woche die Demo sucht, muss den blauen Rohren folgen, die später mal Grundwasser aus der S21-Baugrube Richtung Neckar leiten sollen. Die Rohre führen die berühmte Stuttgarter Halbhöhe hinauf, in der sich einst der breite, bunte Protest gegen das Milliardenvorhaben formierte. Dort oben hört man wieder die Trillerpfeifen und die Sprechchöre, man findet die Kundgebung eingezwängt auf dem kleinen, schmucklosen Urbanplatz. Es ist die 207. Montagsdemo, eine stolze, trotzige Versammlung. Doch auch eine, die nicht verbergen kann, dass der vielleicht bekannteste Bürgerprotest der Republik wieder etwas an Breite und Buntheit verloren hat.

Ganz offiziell sogar: Vier wichtige Gruppen sind gerade aus dem Aktionsbündnis gegen den Tiefbahnhof ausgetreten, die Stuttgarter Grünen, der BUND-Regionalverband, der Verkehrsclub Deutschland und der Fahrgastverband Pro Bahn. Alle waren sie von Anfang an mit dabei, alle sind auch weiterhin gegen Stuttgart 21. Aber alle mussten sich Sorgen machen, für die Radikalisierung des Protests mit in Haftung genommen zu werden.

Die vom Grünen Fritz Kuhn regierte Stadt hatte der Demo vor Wochen einen neuen Ort zugewiesen: den Marktplatz. Die Parkschützer, rigoros wie eh und je, beharrten auf dem Hauptbahnhof. Sie gingen juristisch gegen die Stadt vor und unterlagen vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim. Die Entscheidung scherte sie allerdings nicht, sie trafen sich trotzdem am Bahnhof. Die Brüche im Aktionsbündnis waren nicht mehr zu übersehen.

Nun also die Trennung. „Die Interessen der Mitglieder haben sich auseinander entwickelt“, sagt BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer. Die vier jetzt ausgetretenen Gruppen wollten etwa festschreiben, dass man das Ergebnis der Volksabstimmung anerkennt . Mit den Parkschützern und anderen war das nicht zu machen, sie halten die Abstimmung ebenso für manipuliert wie den Stresstest zur Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs. Ihre Maßlosigkeit in Wort und Tat habe die Protestbewegung beschädigt, sagen die Kritiker. Ober-Parkschützer Matthias von Herrmann hält dagegen: Dass gerade die „Behinderung durch die Grünen“ jetzt wegfalle, sei eine „Befreiung“. Die Gemütslage bei den Grünen dürfte ähnlich sein: Ministerpräsident Winfried Kretschmann vertritt ja schon länger die Ansicht, bei Stuttgart 21 sei „der Käs’ gegessen“, was bisher nicht so ganz zu den vom Stuttgarter Kreisverband mitorganisierten Demos passte. Rechtzeitig vor der Kommunalwahl dürfen sich die Grünen also aus diesem Spagat erheben.

Und das verbliebene Aktionsbündnis? Muss künftig ohne die organisatorische Kraft und den seriösen Abglanz der Ausscheider auskommen. „Liebe Unermüdlichen, liebe Standhafte“, begrüßen die Bündnis-Sprecher am Montag am Urbanplatz die Teilnehmer. 1500 sind es laut Polizei, 2000 laut Organisatoren, jedenfalls immer noch ganz schön viele. Sie habe eine Botschaft für all jene, die denken, der Protest würde jetzt zerfallen, ruft die Moderatorin: „Ihr habt Euch geschnitten und uns unterschätzt.“ Am kommenden Montag wollen sich die Bahnhofsgegner wieder treffen – zur 208. Montagsdemo, dann ganz ordnungsgemäß am Marktplatz.
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