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Widerstand sinnlos?

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Das Spiel im Gefahrengebiet ist weder mutig noch lustig, findet Nadja Schlüter.

"Ich und eine Freundin spazierten heute bei dem schönen Wetter warm angezogen und mit einem schwarzen Tuch vorm Gesicht (es ist ja schließlich Winter) durch das Hamburger Gefahrengebiet.“ So beginnt der „Erfahrungsbericht einer Spaziergängerin im Gefahrengebiet", anonym veröffentlicht bei md-protestfotografie, einem Blog über Proteste und Demonstrationen in Hamburg und Umgebung. Mein erster Gedanke dazu: "Finden die das witzig?" Und das blieb auch der zweite, der dritte und der letzte Gedanke, als ich weiterlas: über das, was die spazierenden Freundinnen an "nützlichen Sachen" dabeihatten (sozialistische Literatur, Banane, Panzertape, getrocknete Petersilie im durchsichtigen Tütchen etc.), wie sie die "Präsenz der Gesetzeshüter etwas verschreckte" und sie darum "immer ein bisschen schneller gegangen" sind, wenn Polizisten auftauchten, wie sie dann verfolgt, festgehalten und kontrolliert wurden, mit auf die Wache kommen und sich bis auf die Unterwäsche ausziehen mussten und gerade noch verhindern konnten, dass auch noch in alle ihre Körperöffnungen geschaut wird.  

Dass Polizeikontrollen oft Schikane sind, darüber gibt es genügend Berichte, Beschwerden, Aussagen, und ich halte auch nichts von Vorurteilen, Racial Profiling und Ähnlichem. So viel zu den Selbstverständlichkeiten. Aber was sich gerade teilweise im Hamburger Gefahrengebiet abspielt, ist absoluter Schwachsinn: Die beiden oben genannten "Spaziergängerinnen" vermummen sich absichtlich, das Hamburger Stadtmagazin "Mittendrin" veröffentlicht den satirischen Guide "5 Schritte zum Krawallmacher" und auf Facebook gibt es die Gruppe "Danger Zone – The Real Life Game"– ein Spiel, bei dem man Punkte bekommt, wenn man es schafft, von der Polizei kontrolliert zu werden, mit ganz langer Anleitung in megawitzigem Denglisch. Kurz: Möchtegern-Widerständler und linke Folkloristen verkleiden sich als "gewaltbereite Autonome", um Polizisten zu provozieren, und das mitten in einer sowieso schon viel zu aufgeladenen, verfahrenen Situation – in der nur derjenige zu einer Lösung beitragen wird, der sachlich bleibt.  



Ein schwarzer Hoodie und ein Schal vorm Gesicht reichen im Gefahrengebiet aus, um von der Polizei kontrolliert zu werden. Die Facebook-Community macht daraus ein Spiel.

Widerstand ist nicht zwecklos, Widerstand darf auch lustig und spielerisch sein, um auf eine nicht tragbare Situation aufmerksam zu machen. Aber das funktioniert nicht, wenn er die nicht tragbare Situation, die schon tausende Male kritisiert wurde, einfach noch mal reproduziert. Wir wissen alle: Im Gefahrengebiet gilt die Unschuldsvermutung nicht, Polizisten dürfen Personen ohne  begründeten Verdacht anhalten und kontrollieren. Wir wissen alle, dass das auch passiert. Die verkleideten Spaziergängerinnen denken aber, dass sie zwei hanseatische David Gales sind, die der Welt beweisen müssen, dass wirklich etwas passiert, von dem man bisher immer nur vermutet hat, dass es passiert. Aber während David Gale (wenn auch nur im Film) beweist, dass auch Unschuldige in den USA zum Tode verurteilt und hingerichtet werden (was ja immerhin schwer zu beweisen ist), beweisen die Spaziergängerinnen nur, dass die Polizisten in Hamburg gerade viele Menschen kontrollieren, vor allem solche, die Tücher vorm Gesicht tragen (was sehr leicht zu beweisen ist). Eigentlich wollen sie darauf aufmerksam machen, dass kein Mensch weiß, wie zur Hölle die Polizei "gefährliche" und "gewaltbereite" Personen erkennen will, schießen sich aber selbst ins Knie, indem sie erstmal sehr genau darüber nachdenken, wie Gewaltbereitschaft nach außen hin aussehen könnte und auf aktive Provokation aus sind. Und sich dann stark und mutig fühlen, wenn sie uns die schockierende Information präsentieren können, dass sie sich auf der Polizeiwache nackt ausziehen mussten. Nein, halt: beinahe nackt ausziehen mussten, denn sie haben sich ja, mutig wie sie sind, geweigert!  

Ja, ich weiß schon: "Auf diese Weise merken die Polizisten endlich mal, wie unsinnig ihre Kontrollen sind", ist ein beliebtes Argument für diese Spielerei. Und was bringt’s? Wütende Frustration oder Resignation auf Seiten der Polizei (keine gute Gefühlsbasis auf dem Weg zur Konfliktlösung) und hämische Genugtuung auf Seiten der Widerständler (s.o.). Das gleicht dem unreflektierten Rebellentum der Femen-Aktivistinnen, die im muslimischen Tunis oben ohne protestierten und damit untergraben, wofür tunesische Frauenrechtlerinnen dort kämpfen. Es ist Widerstand, der nicht den Rahmen nutzt, der ihm gegeben ist, sondern bewusst darüber hinausgeht und damit alle Brücken einreißt.

Und ja, ich weiß auch: "Wir wehren uns nur gegen den Unterdrücker- und Überwachungsstaat", ist ein anderes beliebtes Argument. Aber wer das, was in diesem Staat seiner Meinung nach schief läuft, ändern will, der soll froh sein, dass er immerhin in einem demokratischen Staat lebt, in dem es sehr viele Möglichkeiten gibt, sich zu engagieren, ohne dafür festgenommen zu werden und sich bis auf die Unterhose ausziehen zu müssen. Es aber drauf anzulegen, ist schlicht und einfach: Pubertät. In der man sich ja auch so gerne gegen Autoritäten auflehnt und die kleinen Muskeln spielen lässt – und zwar nicht, weil man den Willen und den Wunsch hat, die Autoritäten zu ändern, sondern um sich und den Buddies aus der Peergroup zu beweisen, was für ein harter Hund man ist.


Auf der nächsten Seite: Die Gegenrede von Katharina Elsner.[seitenumbruch]
Die Polizei in die Irre führen ist gelebte Demokratie - findet Katharina Elsner.


Und zwar: Weil wir es können. Wenn ich eine Klobürste in meinem Rucksack und kleine Tüten mit Backpulver und Oregano in die Hosentaschen stecke, dann ist das eine Form real gelebter Satire. Wenn ich meinen schwarzen Kapuzenpullover über den Kopf und den dunklen Schal tief ins Gesicht ziehe, ohne dem schwarzen Block anzugehören, ist das eine Form des Widerstandes! Ein Widerstand, der auf die Straße getragen wird, der nicht nur im Internet stattfindet. Denn das ist unser Recht und unsere Pflicht. Generationen vor uns haben dafür gekämpft, gestritten und geblutet: Frei und ungestraft unsere Meinung äußern zu dürfen. Das und die Freizügigkeit sind zwei der wichtigsten Rechte in Deutschland, festgeschrieben im Grundgesetz.  

Die Hamburger Polizei hat dieses Recht außer Kraft gesetzt. Sie stellt mehr als 50.000 Einwohner im Schanzenviertel, in Altona und St. Pauli unter Generalverdacht, kontrolliert und stigmatisiert sie. Als Grund für die Einrichtung des Gefahrengebiets hat die Polizei einen gezielten Angriff von Vermummten auf die Polizeiwache an der Davidstraße angegeben. Der hat so allerdings nicht stattgefunden. Inzwischen wird stark angezweifelt, ob das autonome Umfeld überhaupt für die Verletzung des Polizisten verantwortlich ist, zumal der Beamte 200 Meter vom Revier entfernt angegriffen wurde. Wer auf St. Pauli wohnt, weiß: Rangeleien und Prügel sind auf dem Kiez keine Seltenheit, jede Woche strömen Feierwütige auf die Partymeile. Sternhagelvoll pöbeln die gern auch Uniformierte an.

Trotzdem entscheidet die Staatsmacht seit dem 4. Januar täglich aufs Neue, ob die Gefahrenzone gerechtfertigt ist. Selbständig und nach eigenem Gutdünken kann sie ihre polizeilichen Befugnisse erweitern. Eine richterliche Verfügung braucht sie nicht. Auf einmal ist die Polizei nicht nur Exekutive - sondern auch noch Legislative!

Diese Beschränkung der Grundrechte lässt sich nicht allein mit einem Hashtag thematisieren. Und das ist es doch, was uns sonst so oft vorgeworfen wird. Wir, die Vertreter der "Generation Y", seien unpolitisch und ich-bezogen, unsere Protestkultur verwische zwischen Facebook-Likes und 140-Zeichen-Kurzkommentaren. Die "Danger Zone" aber ist nicht nur ein Spiel im digitalen Netzwerk, das nötig ist, um den Widerspruch und Irrsinn des Gefahrengebiets zu entblößen. Es ist vor allem ein friedlicher Protest im realen Leben. Es ist Kreativität und gelebte Demokratie.

Das ist das Letzte!

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Madi, 18:





"Ich war mit meiner Familie im Skiurlaub in Österreich und gerade noch für ein paar Tage in München. Auf meinem Foto ist das erste Bier meines Lebens zu sehen, das ich in der Innenstadt in einem Restaurant bestellt habe. In Florida, wo ich herkomme, ist es nämlich erst mit 21 erlaubt, Alkohol zu trinken. Hier konnte ich das mit meinen Eltern schon einmal ausprobieren."




Carmen, 22:






"Ich fliege gleich nach Rostock, weil morgen die Uni wieder beginnt. Auf meinem Foto sind Lampen in einem wunderschönen Café zu sehen, dem Frenzy in der Fraunhoferstraße. Dort habe ich zufällig eine Bekannte wiedergetroffen, die gerade an der Bar gearbeitet hat. Sie hat mich gleich zu ihrer Silvesterparty eingeladen, wo ich dann mit anderen Freunden gefeiert habe."




Anita, 18:






"Ich war in den Weihnachtsferien in München und fahre heute zurück ins Internat in Wales, wo ich zur Schule gehe. Die vergangenen Tage habe ich mit meinem Freund in Paris verbracht. Dort habe ich vor zwei Tagen auch dieses Foto geschossen. Wir waren in Montmartre und haben über die ganze Stadt geblickt. Dieses Panorama habe ich festgehalten."




Artur, 18:





"Ich habe übers Wochenende einen Freund in München besucht, um mit ihm seinen Geburtstag zu feiern. Auf dem Weg zurück zum Flughafen habe ich gerade noch die Allianz-Arena aus dem Auto heraus fotografiert. Davon kann man ja mal ein Foto machen, dachte ich mir. Jetzt fliege ich gleich zurück nach Hamburg."



Schaufensterkritik: Schnittige Symmetrie

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"Fashion for Men" in der Corneliusstraße ist – ganz entgegen der Schaufensterbeschriftung – kein Modeladen, sondern ein "Coiffeur". Und zwar einer von der älteren und gleichzeitig schlichtesten Sorte: Keine Spielerei, keine Verzierung findet sich in diesem Schaufenster. Es herrscht Symmetrie auf Saloon-Türen, verziert mit starschnittartigen Bildern gutaussehender Frisurenmodels. Alles nur beleuchtet von schlichten Büro-Deckenflutern. Das schafft Privatsphäre für den Kunden und schürt die Neugier des Vorbeigehenden. Gut gemacht!

Meine Straße (9): Westendstraße

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Ich wohne hinter dem Augustiner-Bräu-Gelände, mit Blick auf die rote, hintere Fassade, die einen genialen Industriecharme versprüht. Fast ein bisschen englisch. Es riecht immer sehr nach Brauerei und überhaupt ist die Straße sehr vom Augustiner geprägt. Die meisten, die sich hier herumtreiben, arbeiten dort. Ein Klassiker ist der Getränkemarkt in der Nummer 43 mit seiner völlig vergilbten, verstaubten Auslage. Alle hier im Viertel holen dort ihre Getränke – vorrangig Bier.




Seit das Georgenstüberl gegenüber zugemacht hat, hocken all die Älteren und Handwerker zum Rauchen und Trinken immer hier rum. Man spürt noch ganz deutlich, was für ein linkes Glasscherbenviertel das einmal war und irgendwie auch noch ist. Es gibt viele Werkstätten und die Büros von der DKP und den Linken. Außerdem all die Türkenläden. Wenn ich nachts das Fenster aufmache, kann ich mir aussuchen, in welchem Land ich sein will, so viele unterschiedliche Sprachen und Fernsehprogramme höre ich aus den umliegenden Wohnungen. Hier existiert alles so lebendig nebeneinander her, das mag ich.

Direkt nebenan wohnen so ein paar crazy Leute, die habe ich bis heute noch nicht verstanden: Sie haben einen Eingang wie ein Ladengeschäft, sitzen da aber den ganzen Tag nur rum und hören Eminem. Etwas weiter die Straße hoch, zwischen Nummer 89 und 91, gibt es im Hinterhof einen Griechen, der in seinem Keller immer freitags von 15 bis 19 Uhr und sonntags von 9 bis 15 Uhr frisches Gemüse, Feta und Oliven verkauft. Eine Freundin von mir sagt, es sei das frischeste und günstigste Gemüse der Stadt. Da oben ist auch der beste Copyshop, den ich kenne: der ABC (Nr. 118). Der ist der geheime Treffpunkt für die kopierfanatischen Mitglieder von Damenkapelle – der Band, in der ich spiele.

Und an der Ecke Westendstraße/Trappentreustraße gibt es auch noch die Münchner Federzentrale. Der Inhaber ist unglaublich. Er hat alle möglichen Federn, von der Kugelschreiberfeder bis zum Stoßdämpfer, und wenn du etwas Bestimmtes suchst, dann findet der das für dich. Ganz am Ende mündet die Straße schließlich in den Westpark, mit dem komisch verlorenen Restaurant am Rosengarten – ich nenne es seit Kurzem: das Autobahnrestaurant am Ende des Westparks.

Der kultursensible Blick

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Während der Debatte um die angebliche Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien, gibt die Fachhochschule Dortmund den Aufbau eines Studiengangs zur Sozialen Arbeit bekannt - mit dem bundesweit einzigartigen Schwerpunkt Armuts- und Flüchtlingsmigration. In Kooperation mit der Stadt Dortmund soll der duale Studiengang bereits im Wintersemester diesen Jahres anlaufen. Wir haben mit der Sozialpädagogin und Vertretungsprofessorin Esther Klees gesprochen, die mitgeholfen hat, den Studiengang zu konzipieren.

jetzt.de: Seit Anfang des Jahres gilt die „volle Arbeitnehmerfreizügigkeit“. Sie ermöglicht es jetzt auch Menschen aus Bulgarien und Rumänien innerhalb der EU ihren Wohnort und Arbeitsplatz frei zu wählen. Ist der Studiengang eine Reaktion darauf?
Esther Klees: Die Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, bestehen schon seit mehreren Jahren – die Einrichtung des Studiengangs ist keine Reaktion auf die aktuelle Veränderung. Wir qualifizieren unsere Studierenden immer nach den Anforderungen, die die Praxis an sie stellt.

Welche Folgen hat die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auf die derzeitige Lage?
In dieser Frage halten wir uns zurück und können auch nur spekulieren. In diesem Bereich sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse sehr überschaubar, sehr viel ist unerforscht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Entwicklung abzuwarten. Viele der aktuellen Äußerungen aus der Politik sind populistisch motiviert.

Von einem „Sozialhilfetourismus“, wie er von einigen Politikern propagiert wird, kann also nicht die Rede sein?
Ganz so einfach ist das nicht. Man kann nicht sagen, dass Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien hier automatisch Sozialleistungen bekommen. Die meisten dieser Einwanderer verlassen ihre Herkunftsländer wegen ihrer prekären Lebenssituation und nicht, um Sozialleistungen zu erschleichen. Sie haben keine Möglichkeit, im Bildungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt ihres Heimatlandes Fuß zu fassen. Es handelt sich – besonders bei der Gruppe der Roma – um Ausgegrenzte und Diskriminierte, die versuchen, ein besseres Leben zu bekommen. Auch ohne Unterstützung geht es vielen dieser Menschen hier besser. Man kann nicht einfach erwarten, dass sich alle immer den Gegebenheiten anpassen. Es ist gerade die Aufgabe der Sozialen Arbeit die Vorraussetzungen zu verändern, um einen gemeinsame Lösung mit den Zugewanderten zu finden. Wir wollen den Dialog fördern.



Der neukonzipierten Studiengang "Soziale Arbeit" soll sich vor allem mit Arbeitsmigration beschäftigen.

Warum wurde der Studiengang Soziale Arbeit gerade jetzt neu konzipiert?
In der Praxis hat sich gezeigt, dass Sozialarbeiter mit den Herausforderungen, die gerade Zugewanderte aus Bulgarien und Rumänien mitbringen, überfordert sind. Die Soziale Arbeit muss neue Antworten und spezielle Zugänge zu diesen Menschen finden. In Dortmund haben wir mit dem Umstand zu kämpfen, dass wir bestimmte Stadtteile gar nicht erst erreichen. Das hat zum einen damit zu tun, dass die finanziellen Ressourcen schwach sind, und zum anderen, dass die ausgebildeten Fachkräfte oft nicht über die nötigen Kenntnisse verfügen, da sie zu allgemein ausgebildet werden. Wir wollen mit diesem neuen Studiengang Sozialarbeiter ausbilden, die in allen Handlungsfeldern tätig sein können, aber eben diesen besonderen kultursensiblen Blick erlernen. Zur Konzeption trifft sich alle sechs Wochen ein Planungsgremium. Die Studieninhalte liegen natürlich in unserer Hand. An der Ausgestaltung des Konzepts sind aber auch die Stadt Dortmund und Vertreter der Wohlfahrtsverbände beteiligt.

Für welche Arbeitsfelder werden die Studierenden ausgebildet?
Da wäre zum Beispiel die Gesundheitsfürsorge. Viele Zuwanderer können keine Krankenversicherung vorweisen oder haben einen ungeklärten Status. Wir brauchen Fachkräfte, die wir auf diese Probleme ansetzen können, die solche Menschen bei dem Abschluss einer Versicherung oder bei der Wohnungssuche unterstützen. Häufig stehen keine normalen Immobilien zur Unterbringung von Zuwanderern zur Verfügung. Die aus den Medien bekannten Matratzenlager, in denen Betten zu horrenden Preisen vermietet werden, sind zum Teil immer noch üblich. Gerade die Gruppe der Roma hat kaum die Möglichkeit, an einen angemessenen Wohnraum zu bekommen, weil viele Vermieter sich verweigern. Zudem stellt die Integration in den Arbeitsmarkt eine weitere Herausforderung für die Sozialarbeiter dar.

Integration bildet also einen weiteren Schwerpunkt?
In den Stadtteilen, in denen vermehrter Zuzug zu verzeichnen ist, gilt es auch immer Ausgrenzungsbewegungen festzustellen. Wenn langjährige Bewohner eines Viertels aus- oder umziehen, hat das oft damit zu tun, dass es Probleme im sozialen Miteinander gibt. Wir beschäftigen uns damit, wie wir andere gesellschaftliche Strukturen bereitstellen können. Stichwort "Willkommenskultur". Es gibt natürlich auch sehr viele qualifizierte Fachkräfte unter den Zuwanderern, die nicht so hilfsbedürftig sind. Doch die Menschen, um die wir uns kümmern, haben meistens schon in ihren Herkunftsländern Diskriminierung erfahren. Wir wollen, dass diese Personen nicht marginalisiert, sondern integriert werden.

Und wie wird der Studiengang finanziert?
Die Stadtverwaltung hat bereits eine Förderanfrage gestellt – und wir haben sogar schon die Zusage, dass Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für unser Projekt eingesetzt werden können. Weitere Fördermöglichkeiten werden gerade geprüft. Wir haben mit verschiedenen sozialen Einrichtungen Gespräche geführt und gerade im Kontext von Armuts- und Flüchtlingsmigration werden dringend neue Stellen und qualifiziertes Personal gebraucht. Diese Stellen abzusichern bildet im Moment unsere Hauptaufgabe. Die Studierenden sollen mit einer halben Stelle bei einem Träger, wie Integrationszentren, Beratungsstellen und Jobcentern, beschäftigt sein. Die Frage ist aber auch, inwiefern die Politik bereit ist bei einem so unangenehmen Thema Hilfestellung zu leisten. Bis jetzt ist nur die erste Stundentengruppe, also die 35 Stundenten, die ab dem kommenden Wintersemester bei uns eingeschrieben sind, finanziell abgesichert.

Gibt es besondere Voraussetzungen, die die Studenten mitbringen sollen?
Vor allem unsere Kooperationspartner wünschen sich, dass die Studierendengruppe multinational ist. Es sollen Menschen angesprochen werden, die entweder selbst aus Bulgarien oder Rumänien stammen, eine eigene Migrationsgeschichte haben oder über Fremdsprachenkenntnisse verfügen. Auch interkulturelle Arbeit oder Erfahrungen mit Behörden können nützlich sein. Natürlich bleibt die Zusammensetzung der Studenten davon abhängig, wer sich bei uns bewirbt. Voraussetzung für eine Aufnahme ins Studium ist neben der Hochschulzugangsberechtigung die Zusage einer der Einrichtungen, die mit uns zusammenarbeitet.

Exklamation!

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Ich stelle mir gerne den Worst Case vor. Oder was heißt gerne – es passiert einfach sehr schnell in meinem Kopf. Wenn ich zum Beispiel eine volle Kanne über den Flur trage, dann sehe ich mich stolpern und fallen und meinen Körper mit sehr heißem Tee übergießen. Und wenn ich diese Szene so durchdenke, denke ich auch den Ausruf mit, der immer aus meinem Mund kommt, wenn mir etwas Dummes passiert: „FUCK!“



Erst macht's "Klirr" und "Pltasch" und dann rufst du "Verflucht!" Oder doch eher "Ich Idiot"? Oder einfach nur "Arrrgh"?

Ich ärgere mich dann ein bisschen über mich selbst, dass ich wirklich „Fuck“ rufe, wenn ich mich erschrecke und/oder mir spontan etwas Blödes passiert. Ich finde nämlich, dass es gar nicht zu mir passt. Lieber würde ich „Mist“ oder „Verdammt“ rufen und endlich nicht mehr so klingen, als imitierte ich gerade irgendwelche amerikanischen Serienhelden. Aber man kann eben sehr schlecht steuern, was einem rausrutscht, wenn man gerade die Ming-Vase der Großtante fallengelassen hat, auf der Treppe ausgerutscht oder mit dem Kopf gegen die offene Schranktür geknallt ist.  

Ich schätze, es gibt verschiedene Typen von „Exklamatoren“. Die, die ein lautes, bekanntes Fluchwort ausstoßen, so wie mein „Fuck“, wie „Mist“, „Verdammt“, „Verflixt“ oder „Scheiße“. Die, die sich selbst beschimpfen, weil die erste Reaktion ihres Hirns ist, schnell darüber nachzudenken, wie blöd man gerade war. Sie rufen dann „Du Idiot“ oder „Ich Idiot“ oder „Ich verfluchter Idiot“. Die, die jedes Mal einen neuen, kombinierten Fluch rufen, so was wie „Himmelarschfickenfotzenscheiß“. Und die, die nur einen sehr wütenden Laut machen, eine Art „Aaaargh“ oder „Grrrrg“ oder so.  

Was rutscht dir raus, wenn du dir wieder mal den dicken Zeh an der Badezimmertür gestoßen hast? Und gehörst du mit deiner Exklamation zu einem der oben aufgeführten Typen – oder hast du noch einen ganz anderen Spontanfluch auf Lager, mit dem niemand gerechnet hat?

Und nun?

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Seit gestern mittag läuft über viele offizielle Twitter-Accounts das Wort "Respekt". Lukas Podolski, Hans Sarpei, aber auch Thomas Kretzschmar und Guido Westerwelle: Fast jeder Prominente, der in irgendeiner Form schon mal mit der Welt des Sports oder der Homosexualität zu tun hatte, klopfte Thomas Hitzlsperger virtuell auf die Schulter für seinen Mut. Der 31-Jährige hat sich in einem Interview mit der Zeit als schwul geoutet. Er ist der erste ehemalige Bundesligaprofi, der das tut.

An dieser Stelle kommt dann aber in einigen Dankesbotschaften ein dickes "Aber": Aber, warum erst jetzt?



Wird er den Weg für Jüngere ebnen? Thomas Hitzlsperger, 31.


Denn selbst wenn nun der DFB hochoffiziell zusichert, von der Nationalmannschaft bekomme Hitzlsperger "jede erdenkliche Unterstützung", bleibt natürlich ein säuerlicher Geschmack auf der Zunge: Hitzlsperger hat 52 Länderspiele mit der Nationalmannschaft absolviert - und es in all den Jahren nie für eine gute Idee gehalten, zu seiner sexuellen Orientierung zu stehen. Nach einem Blick in die rasende Tumbheit der Bild-Leserkommentare versteht man bestens, weshalb. Weite Teile der Fußballwelt sehen in Homosexualität auch im Jahr 2014 offenbar nicht viel weniger als den Teufel.

Es bleibt also die Frage: Wird sich nun etwas ändern? Denkt man künftig in den Umkleidekabinen und Fankurven anders, weil ein Star sich zum Schwulsein bekannt hat? Ist Hitzlsperger mehr als nur der erste Promi, der sich vom Spieler-Ruhestand aus outet, vielleicht eine Art Planierraupe, die endlich den Weg ebnet für Jüngere? Oder wird sich mit seinem Coming-Out nichts bewegen in den Köpfen von Fußballdeutschland, abseits der gut gepflegten Twitter-Accounts mit türkisfarbenem Häkchen? Was denkst du?

Überzeugter Rassist

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Nach gut zwei Wochen Pause wurde der NSU-Prozess forgesetzt. Zwei ehemalige Helfer der Terrorgruppe wurden befragt.

Es ist ein Dompteurs-Akt, und das gleich am ersten Prozesstag im neuen Jahr. Richter Manfred Götzl und alle Prozessbeteiligten versuchen, im NSU-Prozess in München das Schweigen der ehemaligen Helfern der Terrorgruppe zu brechen. Und sie versuchen es mit einem Mittel, das selbst hartleibigste Schweiger zum Reden bringt: mit Geduld und stetem Bohren. Sodass dann selbst Leute reden, die sich zunächst partout an nichts erinnern wollten – obwohl sie jahrelang in einer rechtsradikalen Kameradschaft aktiv waren. Aber jetzt vor Gericht sagen sie, sie wüssten nicht mehr, warum sie damals rechtsradikal waren.

Nach fast drei Wochen Weihnachtspause ist der Prozess gegen den rechtsradikalen NSU fortgesetzt worden. Nur vordergründig ging es um eine AOK-Karte, die rechtsradikale Freunde für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe besorgt hatten. Mit dieser Versichertenkarte konnte sie unentdeckt im Untergrund bleiben. In Wirklichkeit aber ging es um viel mehr: um eine Kraftprobe mit dem Rechtsstaat.

Es steht ein Ehepaar aus Hannover im Zeugenstand, sie Friseurin, er Großhandelskaufmann, er 30, sie 23 Jahre alt. Beide bestens präpariert, beide willens, nichts zu sagen. Die Ehefrau hat ihre AOK-Karte für 300 Euro an einen rechten Kumpel verkauft, für wen die Karte gedacht war, das will sie nicht gewusst haben. Sie war schon im November befragt worden und sagte, sie habe nur das Geld gesehen, das sie für die Karte bekommen habe. „Ich bin eine arme Friseurin und Punkt.“ Damit wollte sich Richter Götzl nicht zufrieden geben. Er hat nun auch ihren Mann geladen.

Der Ehemann erscheint im dunklen Sakko mit Hut, allerdings quellen aus seinem Kragen dicke Tätowierungen. Und auf dem Bauch hat er das Wort „Skinhead“ tätowiert. Das sieht man nicht, aber das hatte seine Ehefrau vor Gericht zugegeben. Ein eloquenter Zeuge, der sich sehr gewählt ausdrückt. „Feuchtfröhlich“ sei der Abend gewesen, an dem die AOK-Karte den Besitzer wechselte, man habe Alkohol und „Amphetamine“ zu sich genommen. Richter Götzl fragt: „Können Sie zu Ihrer politischen Einstellung etwas sagen?“ – „Wir hatten damals eine nationalsozialistische Einstellung“, sagt der Mann.

Götzl: „Welche Ziele haben Sie verfolgt?“ Zeuge: „Konkret war man daran interessiert, die Gesellschaft dahingehend zu verändern, dass sie sich zu einer nationalsozialistischen entwickelt.“

Götzl: „Was bedeutet das? – „Ich habe versucht, bei gesellschaftlichen Themen, die mich interessiert haben, mitzuwirken. Auf Demonstrationen zu gehen und Flugblätter zu verteilen“, sagt der Zeuge. So könnte man auch reden, wenn man gegen Atomkraft demonstrieren würde oder gegen die Macht der Banken.

Götzl: „Worum ging es Ihnen?“ – „Das kann ich heute nicht mehr nachvollziehen.“

Götzl: „Da sollten Sie sich aber bemühen. Sonst wird es länger dauern. Sie weichen mir aus, so empfinde ich das, Herr S. Worum ging es bei der Demo? Wofür oder wogegen haben Sie demonstriert?“ – „Ich war auf einer Rudolf-Heß-Demonstration in Wunsiedel, auf 1. Mai-Demos.“

Götzl: „Was noch?“ – „Ich hab nicht Buch geführt“, sagt der Zeuge.

So geht das Stunde um Stunde.

Es kommt dann auf Fragen der Nebenkläger heraus, dass der angeblich so Bekehrte noch im Jahr 2004 bei Sonnwendfeuern von Rechtsradikalen war, dass er wegen Falschaussage verurteilt wurde, dass es Ermittlungen gab wegen Bildung bewaffneter Gruppen und Landfriedensbruch. Ein Nebenklageanwalt fragt: „Waren Sie überzeugter Rassist?“ – „Ja.“ – „Wollten Sie türkische Leute aus Deutschland vertreiben?“ – „Vertreiben find’ ich jetzt ein bisschen drastisch“, sagt der Zeuge. „Aber ja.“

Strom, Wasser, Web

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Der Bundesgerichtshof entschied, dass Eltern nicht zahlen müssen, wenn der erwachsene Junior sich illegal Musik aus dem Netz beschafft.

Der Fall „Redtube“ hat es gerade wieder in Erinnerung gerufen. Die Neigung, gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsverletzungen mit aggressiven Abmahnungen vorzugehen, ist nach wie vor groß. Da kommt das neuerliche Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) – auch wenn es mit den Pornofilmen von „Redtube“ wenig zu tun hat – zur rechten Zeit. Es verringert das Risiko, für das illegale Filesharing anderer Haushaltsmitglieder haftbar gemacht zu werden. Konkret: Wer seinen erwachsenen Kindern die Nutzung des häuslichen Internetanschlusses gestattet, dem können nicht die Kosten einer anwaltlichen Abmahnung auferlegt werden, nur weil er Tochter oder Sohn keine Belehrungen über illegales Up- und Downloaden erteilt hat. Die Abmahnpraxis dürfte dadurch eingedämmt werden – ein welchem Umfang, muss freilich die Praxis zeigen.

Geklagt hatten vier große Musiklabels. Und zwar, das war die Pointe des Falls, ausgerechnet gegen einen Polizeibeamten, der auf Internetpiraterie spezialisiert ist. Dessen damals 20-jähriger Stiefsohn soll über das Tauschprogramm „BearShare“ an einem Tag im Juni 2006 exakt 3749 Musikstücke illegal heruntergeladen haben – was er inzwischen auch zugegeben hat. Die Unternehmen taten, was inzwischen hunderttausendfach geschieht. Sie beauftragten ihre Anwälte, die den Inhaber des Anschlusses ausfindig machten und ihm eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abforderten. Der Polizist unterschrieb – doch verweigerte die Zahlung von fast 3500 Euro Abmahnkosten. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte dem Mann Kosten von immerhin gut 2800 Euro auferlegt – und es nicht einmal für nötig befunden, die Revision zum BGH zuzulassen. Im Frühjahr 2012 schritt schließlich das Bundesverfassungsgericht ein: Die Frage, ob der Anschlussinhaber volljährige Familienmitglieder über die Verbote im Netz aufklären müsse, um frei von Haftung zu sein, sei hochumstritten und müsse daher von der letzten Instanz beantwortet werden. Die letzte Instanz ist in solchen Fragen der BGH.

Ein höchstrichterliches Schlusswort war also dringend notwendig. Klarheit bringt es aber zunächst nur für eine bestimmte Konstellation.

Volljährige Familienmitglieder müssen nicht vorab über die Gefahren des Internets aufgeklärt werden, sofern sie bisher eine weiße Weste haben, erläuterte der Senatsvorsitzende Wolfgang Büscher. „Wir gehen davon aus, dass in Familien ein Vertrauensverhältnis besteht und dass Volljährige eigenverantwortlich handeln.“ Im Wiederholungsfall freilich kann die Sache anders ausgehen. Offen bleibt zudem, was beispielsweise in Wohngemeinschaften gilt. Das Prinzip Eigenverantwortung, das der BGH zitiert hat, spräche auch dort gegen eine Haftung des Anschlussinhabers. Die WG-Frage dürfte jedenfalls viele Menschen interessieren.

Der BGH befasst sich schon seit Jahren mit dem Problem. 2010 hat er entschieden, dass der Inhaber eines WLAN-Anschlusses die handelsüblichen Sicherungsvorkehrungen treffen muss – andernfalls kann er nach den Grundsätzen der sogenannten „Störerhaftung“ mit Abmahnkosten belegt werden, wenn der Anschluss zu illegalen Downloads genutzt wird. Das Urteil hat natürlich das Bestreben der Musik- und Filmindustrie nicht unterbinden können, sich bei Verletzungen ihrer Urheberrechte an denjenigen zu halten, der am schnellsten greifbar ist, und das ist der Inhaber des Internetanschlusses. Er ist gewissermaßen der Schleusenwärter und über seine IP-Adresse mithilfe eines Auskunftsanspruchs leicht ausfindig zu machen. Das jüngste Urteil schien ihn in dieser Rolle zu bestätigen. Im November 2012 entschied der BGH, dass Eltern die Pflicht haben, ihre minderjährigen Kinder über das Verbot des illegalen Tauschhandels zu instruieren – wenn sie nicht haftbar gemacht werden wollen.

Doch das Urteil ließ sich auch anders verstehen: Für Kinder gilt eine gewisse Aufsichtspflicht, gewiss. Andererseits hielt der BGH weder eine permanente Überwachung und Kontrolle noch eine Teilsperre für angezeigt. Jedenfalls nicht, solange der Nachwuchs keinen Hang zum massenhaften Tauschhandel erkennen ließ. Was die Ehegatten angeht, sind sich die Oberlandesgerichte inzwischen einigermaßen einig: keine Belehrungs- oder Kontrollpflichten gegenüber dem Ehepartner.

Das BGH-Urteil berührt aber auch eine Grundsatzfrage, die über den familiären WLAN-Anschluss hinausgeht: Ist es eigentlich noch zeitgemäß, das Internet pauschal als Gefahrenquelle abzutun? Darf als „Störer“ verurteilt werden, wer anderen seinen Anschluss öffnet und ihnen damit Zugang zur Online-Welt verschafft, wo sich inzwischen wesentliche Teile unseres Lebens abspielen? „Das Internet als gefährlich zu bezeichnen, wo es doch zu unserem täglichen Leben gehört, das geht zu weit“, sagte Herbert Geisler, Anwalt des verklagten Beamten, in der BGH-Verhandlung. Gefahren gingen auch von anderen Infrastruktureinrichtungen aus, Strom, Wasser, was auch immer. Müsse man erwachsene Söhne und Töchter über all dies belehren?

Deshalb wird das BGH-Urteil nur eine Etappe auf dem Weg zur Klärung vieler offener Fragen sein. Wlan als einfacher und schneller Zugang zum Netz ist inzwischen fast überall zu haben. Cafés und Hotels locken damit ihre Gäste, auch die Kommunen diskutieren inzwischen, ob der drahtlose Internetzugang nicht eine moderne Form von Bürgerservice wäre. Der Kölner Anwalt Christian Solmecke, der einige Städte in diesen Fragen berät, beobachtet allerdings eine gewisse Zurückhaltung – und zwar genau wegen der ungeklärten Haftungsfragen. Die Rechtsprechung sei hier vielfach noch uneins: In Hamburg ließen Richter Café-Besitzer für das illegale Filesharing ihrer Gäste haften. Deren Frankfurter Kollegen hätten dagegen Hotelbetreiber von der Haftung freigesprochen. „Das ist eine Diskrepanz, die ich nicht verstehe.“ Auch in diesen Fällen wird ein letztes, ein höchstrichterliches Wort notwendig sein.

Peinlicher Präzedenzfall

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Tausende Nutzer des Internet-Porno-Portals wurden abgemacht. Jetzt stehen die verantwortlichen Anwälte selbst am Pranger.

Den Rechtsanwalt Thomas Urmann erreicht man telefonisch auf der Autobahn, der Mann hat gute Laune, wie immer in den vergangenen Wochen. Die Staatsanwaltschaft Hamburg prüft Ermittlungen gegen ihn? Das ficht ihn nicht an. Eine andere Kanzlei hat ihn angezeigt? „Das ist eine völlig unbekannte Kanzlei, die sich in den Medien prostituieren wollte“, sagt er. Und dann ist da noch die Bundesregierung, die Urmann in einem Statement des neuen Justizministers Heiko Maas die Geschäftsgrundlage madig macht: „Die Bundesregierung hält das reine Betrachten eines Videostreams nicht für eine Urheberrechtsverletzung“, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linken. „Die Legislative möchte hier der öffentlichen Meinung nachsprechen“, erwidert Urmann, im Hintergrund rauscht die Autobahn.

Thomas Urmann hat zum Ende des vergangenen Jahres viele Tausend Abmahnungen quer durch Deutschland verschickt, weil die Empfänger des Schreibens gestreamte Filme im Netz auf der Pornoseite „Redtube“ angeschaut haben sollen – Erotikstreifen, an denen Urmanns Mandant, eine dubiose Firma namens „The Archive“, die Rechte halten soll.

Die Frage, ob sich die Nutzer überhaupt schuldig gemacht haben können, obwohl beim Streaming im Gegensatz zum „Download“ Filme nicht dauerhaft gespeichert werden, hat die Regierung mit einem Nein beantwortet. Aber noch hat sich kein deutscher oder europäischer Richter damit beschäftigt. So wird der Redtube-Fall zum Präzedenzfall. Spannend allerdings machen ihn die kleinen, rätselhaften Details.

Was zunächst für die Empfänger der Briefe peinlich gewesen sein mag, wird nun, gute Laune hin oder her, jedenfalls peinlich für Urmann und sein Netzwerk aus Mandantschaft und behilflichen Anwälten, von denen seit Wochen niemand erreichbar ist. Zwischenzeitlich sind nämlich die richterlichen Bewertungen eines Gutachtens veröffentlicht worden, mit dem die Abmahner um Urmann beim Kölner Landgericht beteuerten, dass es ihnen auch wirklich möglich war, die IP-Adressen jener Menschen zu protokollieren, die sie beim Betrachten der urheberrechtlich geschützten Filme erwischt haben wollen. Abmahner benötigen grundsätzlich Gerichte, um den im Netz gespeicherten IP-Adressen reale Postadressen zuzuordnen.

Einige Richter in Köln spielten dabei mit, andere lehnten das Begehr der Abmahner ab. Ihre nun veröffentlichten Beschlüsse lassen ebenso wie kurze Auszüge aus dem bislang geheimen Gutachten darauf schließen, dass das Schriftstück seinen Zweck kaum erfüllen dürfte.

In den Beschlüssen (AZ 214O190/13 und 228O173/13) heißt es, die ordnungsgemäße Ermittlung der IP-Adressen sei „nicht hinreichend glaubwürdig gemacht“. Für die Richter sei „derzeit auch nicht erkennbar, wie das eingesetzte Ermittlungsprogramm in der Lage sein soll, die IP-Adresse des Downloaders zu erfassen“. Der Nutzer kommuniziere ja nur mit dem Server, auf dem der Film liege, und es sei unklar, „wie das Programm in diese zweiseitige Verbindung eindringen kann“.

Ausgerechnet jene Richter, die sich mit den Abmahnungen eingehend befasst haben, glauben also, dass die Abmahner kaum ordentlich gearbeitet haben. Vorsichtig ausgedrückt. Andere Juristen sind weniger zurückhaltend und verdächtigen das ganze Abmahnnetzwerk um Urmann des „bandenmäßigen Betrugs“.

Gut möglich, dass selbst die Abmahner ahnen, wie wenig ihr Gutachten wert ist. Soweit ersichtlich, hat zumindest der Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian, der für Urmann + Collegen mit dem Gericht in Kontakt war, das Gutachten nur auf richterliche Nachfrage herausgerückt. Üblich wäre es dagegen, ein solches Schriftstück von selbst allen Akten beizulegen.

Die Kölner Richter prüfen derzeit, ob das vollständige Gutachten wenigstens Journalisten zur Verfügung gestellt werden kann. Tatsächlich warten nicht nur Reporter und Juristen auf das Schriftstück, auch Techniker sind interessiert an der Frage, ob Videostreaming tatsächlich so überwacht werden kann, wie die Abmahner um Urmann das vorgeben. Bislang halten auch Experten eine seriöse, rechtlich einwandfreie Vorgehensweise für ausgeschlossen.

Thomas Urmann dagegen schließt humorvoll, wie es seine Art ist, gar nichts aus, schon gar nicht, weitere Abmahnungen zu verschicken. Ein bisschen unsicherer als zuletzt klingt er aber doch, wenn er sagt, er werde sich kommende Woche mit „The Archive“, seinem Mandanten, besprechen, „und dann werden wir sehen, wie wir jeweils weiter vorgehen.“ Derzeit allerdings verschicke er keine Abmahnungen, sagt Urmann, dabei hatte er noch im Dezember versprochen, seine Briefe munter weiter durch die Republik zu senden.

Jetzt ist er auch noch mit anderen Problemen beschäftigt, zum Beispiel mit der Frage, ob sein Mandant, „The Archive“, überhaupt die Rechte an den Streifen hält. Auch daran gibt es mittlerweile begründete Zweifel, denn die Rechte an den simplen Sexfilmchen wurden so oft verkauft, dass unklar ist, wem sie überhaupt gehören. Urmann wendet auch da sein bewährtes Prinzip an. Nichts ausschließen: „Wenn da irgendwo in der Kette ein vorsätzlicher Fehler Dritter ist, kann man das schwerlich unserem Mandanten anlasten.“ So einfach ist das für ihn. Aber Internetnutzer erst mal zur Kasse bitten – das geht offenbar schon.

Hashtag: Bin kein Märtyrer!

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Auf dem ersten Foto guckt der 16-jährige Mohammad Chaar noch lässig in die Kamera: Roter Hoodie, dunkle Kastenbrille. Der Kopf des Freundes, der das Handy für das Selfie hält, ist im Vordergrund. Auf dem nächsten Foto, kurz danach geschossen, sieht man nur noch die Rückseite von Mohammad. Er liegt verkrümmt auf dem Bauch. Eine Blutlache verfärbt den Gehweg, im Hintergrund steigt Rauch in die Luft. Es ist der 27. Dezember 2013, der Tag, an dem eine Autobombe in Beirut Mohammad Chaar und acht weitere Menschen in den Tod reißt.





Allein im vergangenen Sommer wurden im Libanon mindestens 60 Menschen durch Attentate getötet. Wer welches davon geplant hat, ist unübersichtlich: Oft sind es sunnitische Extremisten, die sich gegen die Hisbollah wenden. Die sitzt zwar im libanesischen Parlament, ihre Milizen werden aber unter anderem von der EU als Terrororganisation eingestuft. Die Hisbollah unterstützt auch den syrischen Diktator Baschar al-Assad in seinem Kampf gegen die Rebellen, was viele Libanesen verurteilen. Im Fall des 16-jährigen Mohammad Chaar ging der Anschlag allerdings wohl eher von der Hisbollah selbst aus - mit ihm gemeinsam wurde der ehemalige sunnitische Finanzminister Mohammed Schatah getötet.

Zivilisten, die bei Anschlägen wie dem vom 27. Dezember ums Leben kommen, werden von der Polizei und Aktivisten als "Märtyrer" bezeichnet. Das soll den Eindruck erwecken, diese Menschen seien im Kampf für eine bessere Gesellschaft gestorben.

Die Freunde des 16-jährigen Mohammad Chaar sehen das anders: Wenn ein Menschen grundlos gewaltsam zu Tode kommt, ist das kein Fall von Märtyrertum. Es ist einfach nur traurig, sinnlos und zum Verzweifeln. So denken viele junge Libanesen. Und schnell entstand auf Facebook die Seite "I am NOT a martyr", die dazu aufruft, unter dem Hastag #notamartyr zu posten, was man sich für die Zukunft ihres Landes erhofft. Die Wünsche werden dabei auf ein Stück Papier geschrieben, das man als Selfies abfotografiert - in Gedenken an das letzte Bild des lebenden Mohammad Chaar.





Die Seite hat mittlerweile mehr als 7000 Fans, hunderte junge Libanesen kamen der Aufforderung nach. Auf den fotografierten Zetteln stehen Sätze wie "I want us to learn from our past generations mistakes #notamartyr", "I don't want to hear thunder or fireworks and mistake them for bombs #notamartyr" oder "I want to stop fearing this sudden death #notamartyr". Auch im Ausland lebende Libanesen posten unter dem Hashtag. Sie wünschen sich, endlich wieder in ihre Heimat kommen zu dürfen. Sie machen oft Fotos von ihren kleinen Kindern, denen sie ein Leben im Gefahrengebiet nicht zumuten wollen.





Aber auch eine andere Botschaft lässt sich aus den Selfies lesen: Viele der jungen Menschen wollen aufhören, sich dafür schämen oder rechtfertigen zu müssen, aus dem Libanon zu kommen. Sie hoffen, dass die Regierung ihnen hilft, ihre Heimat wieder sicher zu machen. Oder, wie der Post einer jungen Frau es auf den Punkt bringt: "I want lebanese decision-makers to be moved by this campaign."



Und, schmeckt's dir?

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Bevor man zusammenzieht, hat man einiges an Ängsten auszustehen. Wie wird das mit dem Geld, der Freiheit, der Lebensqualität und überhaupt: Werden wir uns eigentlich verstehen? Aber dass Nadine und ich nach knapp drei Monaten resümieren, dass unser heißester Streitpunkt das Thema "Essen" ist, hat wirklich niemand erwartet.  

Als ich in meine erste kleine Wohnung in Köln gezogen bin, genoss ich es, endlich für mich selbst einkaufen zu können. Ich war zwar ein miserabler Koch (meistens gab es Püree mit Nudeln mit Apfelmus), aber die Freiheit, sich endlich die Dinge kaufen zu können, die man gerne mag (oder glaubte zu mögen), das war ein erhebendes Gefühl. Und was es da für tolle Dinge gab! Die meisten davon schmeckten zwar nicht halb so gut, wie sie auf der Packung aussahen, aber der kleine Sebi forschte sich eifrig durch die langen Gänge der Supermärkte.  





Jetzt, knapp zehn Jahre später, sind meine Fähigkeiten als Koch auf zwei essbare Mahlzeiten angewachsen ("Thai-Curry" und "Sebi-Spezial"). Wenn mich Freunde auf mein wildes Wirbeln im Küchendampf ansprechen, wird gern gesagt, dass ich schon wisse, was ich da tue, schließlich stamme ich aus einer Gastronomenfamilie - allerdings wurde ich ganz offensichtlich im Krankenhaus vertauscht. Ja, ich gebe es zu: In der Küche besteche ich nach wie vor mehr durch meinen Einsatz als durch mein Geschick. Und so kommt es schon mal vor, dass, wenn ich Nadine etwas ganz Besonders bieten will, es einfach besonders viele Dinge gibt. Das liegt nicht daran, dass ich Essen nicht zu würdigen weiß oder der modernen Konsumkultur huldigen will, sondern daran, dass die jeweiligen Einzelangebote alleine nicht überzeugen.  

Dazu teile ich eine männliche Ur-Angst: die Angst, nicht satt zu werden. Vielleicht liegt es an den Genen, da wir früher ein Wildschwein essen mussten, um dann tagelang nach neuen Wildschweinen zu suchen. Wohl denen, die sich vorher satt gegessen hatten, statt nur einen kleinen Wildschweinsnack genascht zu haben. Dass die meisten von uns heute weder Wildschweine essen noch tagelang hungern müssen, das haben unsere Gene halt einfach noch nicht gecheckt - aber da kann ich doch nichts dafür! Und so kommt es gelegentlich dazu, dass Nadines kritischer Blick auf mein zwölftes Brot ("Muss das jetzt sein?") ein beherztes "Ja es muss!" auslöst und auch noch eine dreizehnte Stulle in meinen Magen wandert.  

Wegen unserer unterschiedlichen Essgewohnheiten, wird jetzt auch beim Einkaufen streng getrennt: deine Joghurts (Kirsch), meine Joghurts (Maracuja). Dein Käse (Maasdamer), mein Käse (Gouda). Dabei hat Nadine aber eines nicht bedacht: Man nehme zwei anonymisierte Personen X und Y, eine mit kleinem Hunger (X), eine mit großem Hunger (Y). Beide Personen habe jeweils eine Eigenschaft: X will nichts verderben lassen und Y will nicht hungern. Kauft man nun identische Mengen für den unterschiedlichen Verbrauch, wird sich nach einer bestimmten Zeit T ganz zwangsläufig ein interessantes Bild ergeben: Berge von Maasdamer und Kirschjoghurts. Und so hat sich mittlerweile eine nicht minder absurde Situation eingependelt. Während ich genießend meinen Maracuja-Joghurt löffle, muss Nadine gegen immer größer werdende Berge an Käse und ausufernde probiotische Kulturen ankämpfen, die an ihrem Stolz nagen. Und irgendwann, wenn der Stolz genügend abgenagt ist, fällt der Satz: "Du Sebi, der Maasdamer ist übrigens zum Essen freigegeben!"

Auf der nächsten Seite: Nadine über unterschiedliche Essgewohnheiten und Sebi, der ihr immer alles wegisst - und dabei auch noch einen schwachen Magen hat!
[seitenumbruch]Wenn ich mich im Restaurant umsehe, wird mir ein Grund offenbar, warum Männer und Frauen so gut zusammenpassen: Nicht selten werden in stillem Einverständnis die Teller getauscht und der männliche Part lässt sich die restliche Mahlzeit der Freundin munden, während sie mit vollem Bäuchlein höchstens noch an seiner Cola nippt.  

Seit wir zusammenwohnen, ist es auch für Sebi zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dass ihm regelmäßig eineinhalb Mahlzeiten zustehen. Ich finde das gut, denn Essen wegzuschmeißen ist frevelhaft, und solange Sebi nicht zur Tonne mutiert, soll er sich meine Reste ruhig schmecken lassen. An dieser Stelle endet jedoch auch schon unsere Eintracht, wenn es ums Essen geht.  

Unser Essverhalten unterscheidet sich nämlich insofern, als dass Sebi viel und dafür selten, ich wenig und dafür ständig essen will. Dass diese beiden Ausprägungen des Essens einander widersprechen, merke ich immer dann, wenn ich den Kühlschrank aufmache, weil ich schon wieder Hunger habe. Dann ist nämlich regelmäßig nichts mehr drin, weil Sebi schon so viel gegessen hat. Und hungrig neige ich zu schlechter Laune. Weshalb uns nichts anderes übrig bleibt, als durch ausgiebige Einkäufe für ununterbrochene Nahrungszufuhr zu sorgen.  

Da wir uns die Kosten für die Einkäufe brüderlich teilen, weist mich mein Kontoauszug inzwischen mit Nachdruck darauf hin, dass sich meine Ausgaben für Lebensmittel seit dem Zusammenziehen mindestens verdoppelt haben. Das hat mehrere Ursachen: Sebi speichert die Nahrung zwar in seinem Körper wie ein Kamel, auch wenn keine dürren Jahre in Aussicht sind; außerhalb seines Körpers gelingt ihm das jedoch leider nicht. Nach dem Einkauf haben sich allerlei Leckereien in unserem Kühlschrank angesammelt. Ich bin nur kurz im Bad und überlege noch, dass wir heute den Salat machen können, morgen die Suppe, übermorgen Spiegeleier. Doch kaum kehre ich in die Küche zurück, wurden bereits Eier aufgeschlagen, im Topf köchelt Kürbis-Suppe und Sebi schnippelt eifrig Salat. Ich habe auch nichts gegen Frühstücke mit Croissants. Und Brötchen. Und Toasts. Und Müsli. Und Joghurt. Und Salat. Aber bitte nicht, wenn das zur Folge hat, dass es den Rest der Woche nur noch trockenes Brot und Wasser gibt – falls wir noch Brot haben.  

Des Weiteren hat Sebi die völlig irrationale Angst, er könnte durch Essen vergiftet werden. Das liegt zum einen daran, dass er eine komische Nase hat, mit der er nichts riechen und folglich auch nichts schmecken kann. Zum anderen daran, dass man zwar ein Kamel-Speichersystem, gleichzeitig aber nur einen Mäuse-Magen in seinen Körper eingebaut hat. Gehe ich mit Sebi was trinken, weiß ich schon, wer sich danach wieder übergibt. Sogar ein angelaufener Kinderriegel aus dem Automaten, den Sebi nicht wegwerfen wollte, weil er ihn immerhin bezahlt hatte, setzte den 1-Meter-86-Mann eine Woche außer Gefecht.  

In unserem Haushalt bin also ich diejenige, die die Milch auf Frische testet, Brote, Käse und Gemüse inspiziert, damit meinem Freund davon nicht schlecht wird. Sebi beobachtet mich dabei misstrauisch, bevor er sich entschließt, die Sachen trotz aller Inspektion sicherheitshalber doch nicht zu essen (was sagt mein Magen schon über seinen Magen aus?)  – und mal wieder einkaufen fährt.  

Bei diesen Einkäufen bin ich inzwischen nicht mehr dabei und Sebi wagt es auch nicht mehr, mir die Kassenzettel rüberzuschieben. Denn im tiefsten Inneren muss er doch einsehen, dass ein Brot, wenn man es in seinem Tempo isst, überhaupt keine Zeit hat, alt zu werden. Und während Sebi mir frech eine „Acht“ entgegenruft, als er in seine achte frische Brotscheibe beißt, kaue ich auf der zweiten Scheibe des anderen Brots. Bis ich damit fertig bin, wird es noch eine ganze Weile dauern. Aber immerhin isst es mir jetzt keiner mehr weg.

nadine-gottmann

Na bunt?

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Es lief so: Meine Socken sind heute, selbst im Vergleich zu sonst, sehr bunt, und der Kollege S. hat in der Konferenz deshalb im Brusttrommel-Ton gesagt, er wolle, dass ich aufschreibe, warum ich die trage. "Das wird geil!", hat er auch noch gesagt. Und Kollegin L., die eine Affinität zu Gefühligem ohne aktuellen Aufhänger hat, pflichtete eifrig bei. Und schon hatte es mich erwischt: 4000 Zeichen über "Warum bunte Socken?" also.  

Das ist aus zwei Gründen problematisch: Erstens habe ich keine Ahnung von Mode. Und zweitens kenne ich die Antwort auch für mich selbst nicht. Also habe ich zunächst gelogen, um aus der Nummer rauszukommen. Die Sockenschublade heute: leer wie die Allianz-Arena wenn der TSV spielt. Letzte Fußbekleidungsbastion deshalb der grell gescheckte Buntstrumpf. Dieser Ausreden-Kram eben. "Ich und mit Mode etwas aussagen wollen", sollte das hilflos suggerieren, "das ja nun wirklich nicht – Freunde der Sonne."  




Aber das ist natürlich Unsinn. Nicht-Kommunikation ist schließlich unmöglich. Niemand kann mit irgendetwas nichts aussagen. Gerade bei Klamotten. Das gilt auch für den vermeintlich Desinteressierten, der mit zwei im Wechsel ausbeulenden Hosen eben signalisieren will, dass ihm Trends und Äußerlichkeiten nichts bedeuten (innere Werte und so). Es gilt für den Outdoor-Jacken-Träger mit festem Schuhwerk ("Die Work-Life-Balance fängt bei mir an, sobald ich den Stift fallen lassen."), die Flanell-Hemden, die die Cobain-Jünger einst trugen ("Am liebsten würde ich einsam in der Wildnis leben – aber die Gesellschaft lässt das ja nicht zu."), die tiefhängenden Skater-Hosen oder die Loafer der Preppys.  

Was das aber nun für mich und meine Socken heißt, wusste ich nicht. Und noch weniger wusste ich, warum ich sie erst trage, seit die jüngste Trendwelle fast verebbt ist. Also habe ich recherchiert. Und seither kann ich zumindest sagen: Ich habe das Grauen gesehen! Es versteckt sich, je nach Stoßrichtung, hinter Überschriften wie "Bekenn’ Farbe", "So treiben Sie’s kunterbunt", "Komm raus, du schrille Socke" oder "Kein Mut ist im Schuh". Ruckedigu!  

Bunte Socken, so sagen es die Kritiker in ihren Texten, würden von ihren Trägern als "das letzte Abenteuer des domestizierten Mannes" empfunden, als "verzweifeltes Aufbäumen in einem konformen Umfeld". Tatsächlich handele es sich jedoch um "Teilzeit-Rebellion" und sei darin in jedem Falle "ein feiges Fashion-Statement". Die Befürworter wiederum sprechen von weitreichender Akzeptanz für Farbe und Muster und von Dingen, die man inzwischen ruhig wagen könne, um mit Konventionen zu spielen. Leider benutzen sie dabei oft Adjektive wie "peppig" oder "frech".

Die Rettung brachte erst ein Satz aus dem Cicero: Herrenmode, heißt es da, sei "keine Mode". Das klingt seltsam und ist brillant. Herrenmode lebe nämlich tatsächlich von ihrer Zeitlosigkeit. Ein Anzug ist ein Anzug, ein Hemd ein Hemd. Einreiher, Zweireiher? Großes Revers, kleines Revers? Banal. Entscheidend seien nur die Details – Verarbeitung, Material, Accessoires, Farbe. Herrenmode ist damit wie Pop-Musik: die Logik, die Mittel, die Mechanismen sind bei beidem immer gleichgeblieben. Für Rebellion sind beide höchstens eine Schrecksekunde lang geeignet. Seit geraumer Zeit ist die Geschichte außerdem auserzählt. Und das ist bei beidem nicht tragisch. Es bleibt nämlich: Neuauflage, Rekombination und Überbetonung. Vor allem Überbetonung. Als ich diese Parallele verstanden habe, verstand ich meine Socken:  

Sie sind wie ein Kanye-West-Song, ein Jack-White-Gitarrenriff oder die Zeile "Du bist verhaftet wegen sexy": ein bisschen blöd, ein bisschen irritierend, ein bisschen altbacken. Man könnte das alles auch anders produzieren, spielen oder ausdrücken. Wahrscheinlich wäre es auch dann gut. Bunte Strümpfe funktionieren wie eine gute Pop-Produktion: Sie sind jeder Form von Konventionsbruch unverdächtig und selbst als Zeichen auch nur scheuer Blasiertheit sehr bedingt geeignet. In der richtigen Kombination freut sich aber trotzdem jeder drüber. Mehr ist nicht dran. Ich war trotzdem überrascht von der Tragweite.

Wie das Internet... Notfall-Kerzen herstellt

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Die Rettung für romantische Stunden: Mit einer Orange und Öl kann man einfach selbst eine Kerze herstellen.

Das Problem  
Drei Wochen lang hast du auf diesen Moment hingearbeitet. Deine Angebetete hat sich endlich auf ein Date mit dir eingelassen – auf einen Filmabend zu zweit. Du hast an alles gedacht: Bettwäsche gewechselt, "Pretty Woman" und zur Sicherheit noch "P.S. Ich liebe dich" auf DVD ausgeliehen und Weißwein kaltstellt.

Bis dir auffällt: Im grellen Licht deiner Deckenlampe lässt es sich wahrscheinlich trotz der neuen "Kuschelrock 27" nicht gut knutschen. Die zwei Teelichter, die auf dem Küchentisch stehen, sind schon in der Adventszeit ausgebrannt. Zeit, um zum nächsten Supermarkt zu flitzen, bleibt dir nicht.  

Die Lösung  
Die letzte Orange, die dir Mutti nach dem letzten Heimatbesuch noch als Lunchpaket mitgegeben hat. Und: Olivenöl. Aus diesen beiden Haushaltsartikeln kannst du in einer Minute eine einfache Öllampe herstellen.  

Schneide die Orange der Hälfte entlang und trenne nur die Schale ab. Löse diesen Teil vorsichtig vom Rest ab. Achte darauf, dass der Stiel ganz bleibt, das wird der Docht. Jetzt brauchst du nur noch die Orangenhälfte mit Öl befüllen, anzünden und schon steht einem romantischen Date im Kerzenschein nichts mehr im Wege.  

http://www.youtube.com/watch?v=-YJgdOFYtj8 

Gedruckte Stimmung

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Immer mal wieder erheben Kritiker den Einwand, die Literatur einer Epoche sei zu wenig welthaltig, zu entrückt von den Realitäten des Alltags. Doch das ist ein Vorwurf, der sich im Großen und Ganzen nicht halten lässt, wenn man einer neuen Analyse glaubt, die Forscher um den Anthropologen Alexander Bentley von der University of Bristol jetzt im Fachmagazin Plos One (online) vorstellen: Mithilfe der Suchmaschine Google konnten sie zeigen, dass sich in englischsprachigen Büchern, die zwischen 1929 und 2000 erschienen sind, die ökonomische Lage der jeweiligen Epochen widerspiegelt, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung.



Literatur wurde lange als wenig realitätsnah kritisiert. Eine neue Studie zeigt aber, dass sie die ökonomische Lage einer Epoche widerspiegelt - mit Verzögerung.

Die Wissenschaftler griffen für ihre Analyse auf den sogenannten Ngram-Korpus von Google zurück, eine Datenbank, die mittlerweile acht Millionen Bücher enthält, die alle im Volltext gescannt wurden. Diese Texte wurden dann schlicht danach durchsucht, wie häufig bestimmte emotionale Wörter vorkommen, die auf Basisemotionen wie Ärger, Ekel, Angst, Freude, Trauer oder Überraschung hindeuten. Auf dieser Grundlage wurde dann ein „Literarischer Elendsindex“ konstruiert, der die Durchschnittsstimmung in den Büchern jener Jahre widerspiegeln soll. Die Forscher konnten nun zeigen, dass dieser Index ziemlich genau mit einem ökonomischen Elendsindex korreliert, der sich aus den Inflations- und Arbeitslosenraten zusammensetzt.

Allerdings folgt der literarische Index dem ökonomischen Index mit einer Verspätung von gut zehn Jahren. „Es sieht aus wie die Wirtschaftsgeschichte des Westens“, sagt Bentley, „allerdings um eine Dekade verschoben.“ Er vermutet, dass dieser Abstand einer biografischen Spanne entspricht – jener zwischen der Kindheit, in der die späteren Schriftsteller und Autoren ihre stärksten Erinnerungen und Erfahrungen erworben haben, und dem beginnenden Erwachsenenalter, in dem sie dann angefangen haben zu schreiben. So zeigte sich zum Beispiel ein ausgeprägtes literarisches Elend in den Werken der 1980er-Jahre, nach Ansicht von Bentley und Kollegen eine Folge der schweren Stagflation der 1970er-Jahre. Ähnliche Ergebnisse fanden sie für die Zeit nach dem 1. Weltkrieg und der großen Depression in den USA von 1935.

Lärmschutz unter Wasser

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Wale nutzen ihre Gehör, um sich zu verständigen und zu orientieren. Was der Lärm von Schiffen und Ohrbohrungen in ihren Köpfen anrichtet, ist weitgehend unbekannt.

Wenn Ölkonzerne unter dem Meeresgrund nach neuen Rohstoffquellen suchen, geht das nicht heimlich, still und leise. Zunächst zieht dann ein Spezialschiff sogenannte Luftpulser in einem regelmäßigen Muster durch ein Seegebiet. Sie komprimieren in bis zu 48 Zylindern Luft und schießen dann unter hohem Druck Blasen ins Wasser. Das löst Sequenzen wohldefinierter Schallpulse verschiedener Frequenzen aus, die durch das Wasser in den Untergrund rasen und dort an Gesteinsschichten reflektiert und gebrochen werden. An der Oberfläche fangen Hunderte Mikrofone die Echos auf, Computer erzeugen daraus Schnittbilder des Meeresbodens.

Dieser Lärm, behauptet die Ölindustrie, schade Walen, Delfinen und anderen Meeresbewohnern kaum. Umweltschützer sind anderer Meinung. Und Regierungen wie der amerikanischen, die Genehmigungen für solche seismischen Untersuchungen und andere Lärmquellen im Meer erteilen, fehlen in der Regel belastbare Daten, um den Streit zu entscheiden.

Doch nun, nach jahrzehntelangem Hin und Her, bekommen die Genehmigungen womöglich eine bessere Basis. Kurz vor dem Jahreswechsel hat die amerikanische Fischereibehörde National Marine Fisheries Service (NMFS) ein Positionspapier veröffentlicht, das die Entscheidungen über lärmende Arbeiten im Ozean deutlich verändern dürfte. Die Behörde bezeichnet den 83-seitigen Entwurf als „Highly Influential Scientific Assessment “ (Sehr einflussreiche wissenschaftliche Bestandsaufnahme). Das ist ein feststehender Begriff für US-Behörden; er bedeutet, dass eine neue Regulierung womöglich wirtschaftliche Folgen von 500 Millionen Dollar oder mehr haben könnte, und erfordert eine öffentliche Fachdebatte über das Werk.

Der Entwurf sieht vor, dass es in Zukunft deutlich detailliertere Analysen als bisher darüber geben soll, welchen Schaden Meeressäuger womöglich durch Luftpulser erleiden, durch Explosionen unter Wasser oder das Einrammen von Pfählen für Bohrgerät oder Windkraftanlagen. Die Behörde erkenne nun an, „dass beim Schall noch andere Dinge zählen als die bloße Lautstärke“, sagt der Meeresakustiker Brandon Southall von der Beratungsfirma SEA in Aptos, Kalifornien. Die Behörden müssten sich dann zum Beispiel auch fragen, ob die erzeugten Frequenzen manche Meerestiere besonders belasten, weil ihre Ohren in dem Bereich sehr empfindlich sind.

Viele Meeressäuger nutzen Schallsignale für die Kommunikation mit Artgenossen und lauschen auf Geräusche, um zu navigieren oder Beute zu finden. Darum hat der Lärm unter Wasser schon Gerichte und Parlamente in vielen Staaten der Welt beschäftigt. Umweltschützer haben sich mit dem Militär über Sonargeräte der Marineschiffe gestritten, weil deren Schallpulse manchen Wissenschaftlern zufolge Wale in Panik versetzen und auf Strände treiben, wo sie verenden. Reedereien stehen unter Druck, den Krach zu reduzieren, den ihre Frachtschiffe produzieren. Und US-Behörden haben Ölfirmen den Einsatz von Luftpulsern in walreichen Gewässern beschränkt, um in Klagen von Tierschützern einen juristischen Vergleich zu erzielen.

Aber es gibt nur wenige Studien, die genau erklären, wie etwa eine seismische Untersuchung die Tiere in dem Seegebiet belastet. Die US-Behörden haben darum in den 1990er-Jahren pauschale Richtwerte erlassen. Sie setzen zum Beispiel an, dass ein Wal einen vorübergehenden Hörverlust erleidet, wenn er einem Schalldruck von 160Dezibel ausgesetzt wird – das entspricht der Explosion einer Mine in 100 Metern Entfernung. 180 Dezibel schädigten demnach das Gehör des großen Säugetieres permanent. Seelöwen und andere Robben werden laut NMFS taub, wenn sie 190Dezibel ausgesetzt sind.

Die neuen Richtlinien hingegen fordern, auf weitere Faktoren wie Frequenzen und Modulation des Schalls Rücksicht zu nehmen. Sie beziehen sich auf eine noch kleine, aber zunehmende Liste von Studien. Zum Beispiel hat demnach ein konstanter Lärmpegel eines Sonargeräts andere Folgen als plötzliche, impulsive Geräusche, wie sie beim Rammen von Pfählen entstehen. Der Spitzendruck in der Welle, die dann durch das Wasser läuft, kann viel höher sein als bei den Marine-Geräten. Darum „könnte auch der Schaden im Innenohr größer werden“, sagt Amy Scholik-Schlomer, eine Spezialistin für Meeresakustik beim NMFS.

Zudem werden in dem Entwurf die Meeresbewohner auf der Basis ihres Gehörs in eine von fünf Gruppen eingeteilt. Belugawale zum Beispiel würden eher durch den anfänglichen hochfrequenten Knall eines Luftpulsers gestört, aber nicht mehr vom späteren, tiefen Rumpeln. Außerdem müssen die Behörden vor einer Genehmigung auch auf die Gesamtbelastung einer Tierpopulation Rücksicht nehmen, nicht nur auf den Schall, der durch ein neues Vorhaben entsteht.

Die Reaktionen auf den Vorschlag sind gemischt. Alle Seiten sind sich zwar einig, dass es zu wenig belastbare Daten gibt. Die Lärmgrenzwerte für Schweinswale zum Beispiel stützen sich auf eine Handvoll Studien an zwei Tieren, die in Gefangenschaft leben. Für große Wale in Freiheit gibt es keine direkten Untersuchungen. Trotzdem gilt der Vorschlag des NMFS als Fortschritt. „In der Vergangenheit waren die Richtlinien isoliert und unbeständig“, sagt Roger Gentry, der aus einem Job als Wissenschaftler bei der Regierung ausgeschieden ist und nun die Industrie berät.

Noch bis zum 27. Januar nimmt der NMFS Kommentare und Einwände zu dem im Amtsblatt Federal Register veröffentlichen Entwurf an; zugleich arbeitet die Behörde an einem weiteren Überblick, in dem es darum geht, ob der Lärm die Futtersuche und andere Verhaltensweisen von Meeressäugern beeinflusst.

Umweltschützer begrüßen den Entwurf schon jetzt. Die Regeln würden bald nach dem Inkrafttreten zeigen, dass der Lärm im Wasser mehr Meeresbewohner bedrohe als bisher angenommen. Mindestens für einige Arten dürfte ein strengerer Schutz die Folge sein. So gibt es inzwischen Studien, die Schweinswalen bescheinigen, deutlich empfindlicher auf Lärm zu reagieren als bisher angenommen. In der Ölindustrie reagiert man hingegen abwartend auf die Vorschläge. Es werde nicht unbedingt auch strengere Entscheidungen geben, aber sicherlich ausführlichere Prüfungen und dickere Akten, sagt Bruce Tackett von der Beratungsfirma Resource Access International aus Dallas. „NMFS braucht eine größere Laderampe“, spottet er. „ Die Sattelschlepper vom Kurierdienst Fed-Ex werden sich dort stauen.“

Dieser Artikel erscheint heute im Original in Science, dem internationalen Wissenschaftsmagazin, herausgegeben von der AAAS. Weitere Informationen: www.aaas.org, www.sciencemag.org.

Siggi und das weiße Gold

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Die Amerikaner lieben Jogurt. Ein isländischer Jungunternehmer profitiert von dem Boom des Milchproduktes.

Siggi Hilmarsson trägt langes Haar und Bart, so wie das in den Siebzigerjahren modern war. Wenn er von seinem Loft in Chelsea zu einer Stammkneipe am Broadway, dem Odeon, hinübergeht, schützt er sich mit einem Parka gegen die Kälte. Der 37-jährige Junggeselle ist sicher nicht der klassische Jungunternehmer. Niemand sieht Siggi jedenfalls an, dass er Herr über eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen New Yorks ist. Um 60 Prozent legte der Umsatz der Icelandic Milk and Skyr Corporation 2013 zu.

Das Produkt des Unternehmens ist Joghurt. Genauer: Skyr, ein extrem verdickter Joghurt aus entrahmter Milch, der in Island als Nationalgericht gilt. Siggi ist Isländer und lebt seit über zehn Jahren in New York. Seine Firma lebt von der neuen und unglaublichen Begeisterung Amerikas für Joghurt. Besonders junge Leute sind regelrecht verrückt danach. Während des vergangenen Jahrzehnts hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch von 2,83 Liter auf 5,46 Liter mehr als verdoppelt. Das unbestrittene Zentrum des Booms ist New York.

Insgesamt 30 Joghurt-Fabriken arbeiten in dem Bundesstaat, doppelt so viele wie im Jahr 2000. Sie verarbeiten 1,2 Milliarden Pfund Milch im Jahr und beschäftigen 8070 Mitarbeiter. „Ich hoffe, New York wird die Joghurt-Hauptstadt der Vereinigten Staaten, wenn nicht gar der Welt“, sagt Sheldon Silver, Sprecher des Staatsparlaments in der Hauptstadt Albany. Und der Präsident des Farmbüros von New York, Dean Norton, träumt von einem neuen Silicon Valley, einem „Joghurt-Imperium“.

Mitten in dem Boom findet Siggis Aufstieg statt, eine klassische New Yorker Karriere. Siggi – der Zusatz Hilmarsson ist nur ein Hinweis auf seinen Vater; Isländer kennen keine Nachnamen – studierte Ökonomie an der Universität Reykjavik und arbeitete danach zwei Jahre bei einer Bank. Nach New York kam er 2002, um einen Abschluss an der Columbia University zu erwerben. „Dabei habe ich mich in die Stadt verliebt“, sagt er. Es gab nur ein Problem: Amerikanischer Joghurt schmeckte grauenhaft: „Die haben 107 Gramm Zucker in einen Becher getan, das ist mehr als in einer Cola.“ Richtig wären elf Gramm, sagt Siggi. Also besorgte er sich Joghurt-Kulturen und begann in seiner Küche mit Tüchern, Schüsseln und Eimern zu produzieren. Das Wissen hatte er von daheim. „Meine Eltern haben sehr traditionell gegessen – Fisch, Kartoffeln.“ Und eben Skyr.

Die ersten Ergebnisse von Siggis Bemühungen waren „gemischt“, wie er einräumt. Ende 2005 jedoch war er schließlich so weit, dass er sein Produkt unter Freunden verteilen konnte. Unter denen war auch eine gewisse Liz Thorpe, die bei Murray’s arbeitete, einem traditionsreichen Käsegeschäft im West Village. Liz meinte, Murray’s werde den Skyr sehr gerne in die Regale stellen, vorausgesetzt er könne „auf professioneller Basis“ liefern.

So beschloss Siggi, Joghurt zum Beruf zu machen. Er tat eine Fabrik in Norwich auf, einer Kleinstadt im Nordosten des Bundesstaats, und begann mit der Auftragsfertigung. Die Milch kam von Ökobauern in der Umgebung. Viele erklärten Siggi für verrückt. Es war die Zeit, als die Finanzspekulation in Island heiß lief. „Jeder, der einen Abschluss von der Business School hatte, ging zu einer Bank und wollte das große Geld machen.“ Siggi dagegen machte Skyr. Er begann mit dem Verkauf auf Farmermärkten und in Delikatessgeschäften in Manhattan. Dann kam der Durchbruch: Ein Einkäufer der Bio-Supermarktkette Wholefoods entdeckte Joghurt. Als in Island 2008 die Finanzblase platzte, war „Siggi’s“ bereits eine nationale Marke an der Ost- und der Westküste. Heute beliefert er mit 14 Mitarbeitern 3500 Geschäfte in den USA. Das Wachstum geht mit unverändertem Tempo weiter. Gerade hat Siggi eine neue Produktlinie gestartet: schwedische Sauermilch.

Siggi ist nur einer von vielen, die bei dem neuen Boom mitmachen. Wie vieles in Amerika, ist die Liebesgeschichte des Landes mit dem Joghurt eine faszinierende Geschichte, in der es um kulturellen Wandel, um Einwanderung und habituelle Neugier geht. Bis zum Zweiten Weltkrieg war Joghurt in den USA praktisch unbekannt. Dann, im Jahr 1941 floh ein katalanischer Unternehmer namens Daniel Carasso vor den Nazis aus Frankreich nach New York. Dessen Vater hatte in Barcelona das Milchunternehmen Danone gegründet. Carasso öffnete einen Milchladen in der Bronx und begann Joghurt unter dem Markennamen „Dannon“ zu verkaufen. In den Fünfzigerjahren entschloss sich Carasso, sein Produkt zu „amerikanisieren“, wie er das damals nannte. Dem Joghurt wurden Früchte zugesetzt, der natürliche säuerliche Geschmack verschwand unter Zucker und Gelatine. Auch in Deutschland versuchte man damals, Joghurt so dem Massengeschmack anzupassen.

Aber Amerika änderte sich und eine neue Generation wollte nicht nur gesundes, sondern auch authentisches Essen. So entdeckte New York den griechischen Joghurt, oder das, was die Athener Molkerei Fage seit 1998 unter diesem Namen verkaufte. Es war durchgeseihter und dadurch fester Joghurt, ein bisschen ähnlich wie Siggis Skyr, der wirklich nach Joghurt schmeckte. Den eigentlichen Durchbruch für das griechische Produkt brachte ein Einwanderer aus der Türkei. Hamdi Ulukaya war als junger Student nach Troy in New York gekommen, um Englisch zu lernen. Er blieb im Land und fing an, weißen Schafskäse herzustellen, weil er in New York keinen vernünftigen Feta bekam. Im Jahr 2005 kaufte er eine stillgelegte Käsefabrik, die einmal Kraft Foods gehört hatte. Hier begann er griechischen Joghurt unter dem Markennamen Chobani zu produzieren. Heute, knapp neun Jahre später, ist Chobani der meistverkaufte Joghurt Amerikas. Ulukaya, mittlerweile 42, beschäftigt 2000 Mitarbeiter und steht mit einem Vermögen von 1,1 Milliarden Dollar auf der Forbes-Liste der reichsten Männer der Welt auf Platz 1268.

Der Boom hat inzwischen auch Deutsche angezogen. Im vorigen Jahr eröffnete Müller Quaker Dairy in Batavia unweit der Niagarafälle eine Joghurt-Fabrik – die Firma ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Pepsico und Theo Müller aus Aretsried. Die Molkerei Ehrmann baute bereits 2011 in Brattleboro im benachbarten Vermont ein Werk. Die Produktion von Joghurt wuchs zuletzt so schnell, dass im Staat New York die Kühe ausgingen, allen Ernstes. Landwirtschaft ist in den USA, nicht anders als in Europa, streng reguliert, was bedeutet, dass die Farmer bei steigender Nachfrage nicht einfach die Preise erhöhen oder ihre Herden vergrößern können. Im vergangenen Jahr rief New Yorks Gouverneur Mario Cuomo daher einen „Joghurt-Gipfel“ zusammen. Als Ergebnis des Treffens erhöhte der Staat die Höchstgrenze für Milchkuhbestände von 199 auf 299 Tiere. Der Boom kann also weitergehen. Und niemand weiß, wo Siggi einmal landen wird.

Von Clubs, Zuschauern und Gefahrengebieten

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A+ B = C(lub)?

Du wunderst dich, warum in der heruntergekommenen Eckkneipe am Bahnhof schon um elf Uhr morgens alle Barhocker besetzt sind, der Hype um die neue Szenebar in der Parallelstraße aber ausbleibt? Der Gastronom Oskar Melzer, der Hamburger Clubveteran Ralf Köster und der Architekt Sascha Arnold wissen, welche Faktoren für die perfekte Clubformel nötig sind. Wir haben mit ihnen über ihre Geheimnisse, gute Atmosphäre und schlechten Sound gesprochen.

Der stolze Augenblick
Kennst du das Gefühl, wenn ein Freund eine bewundernswerte Leistung vollbracht hat und du deswegen stolz auf ihn bist? Falls du diese Frage bejahen kannst, solltest du dich vielleicht schämen, du anmaßender Schnösel! Wir haben hier versucht, zu ergründen, was es mit dem Phänomen auf sich hat.

Kritische Masse
Die Tatsache, dass sich im Kino oder im Theater immer die größte Person genau vor einen setzt, muss nicht weiter erörtert werden. Ob diese mehr nickt als ruft, kurz davor ist, einzuschlafen oder durch die nörgelnde Göre nebenan wachgehalten wird, jedoch schon. jetzt-Redakteurin Nadja Schlüter hat für uns herausgefunden, welche Typen dir im Zuschauerraum begegnen können.

Auf dem Weg zur Willkommenskultur
Wer glaubt, dass „Wer betrügt, der fliegt“ eine neue Quizshow mit Sonja Zietlow ist, hat sich wohl noch nicht mit der aktuellen Debatte um die Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren auseinandergesetzt. Warum in Dortmund jetzt auch noch ein Studiengang mit dem Schwerpunkt Armuts- und Flüchtlingsmigration geplant ist, erfährst du im Interview mit Esther Klees. Die Professorin der Fachhochschule Dortmund hat mit uns über die Anforderungen an werdende Sozialarbeiter und die Probleme, mit denen sie konfrontiert werden, gesprochen.

Sinnlose Sanktion oder Sandkastensimulation?
Eignet sich eine Klobürste als Symbol einer neuen Revolution? Die Widerständigen, die sich in Hamburgs „Gefahrengebiet“ mit einer Klobürste, Backpulver oder Oregano im Rucksack aufgreifen lassen, wollen provozieren. Ob diese Form des Protest pubertären Klamauk nicht übersteigt oder frei gelebte Meinungsäußerung verkörpert, erfahrt ihr in unserem neusten Fall für Zwei.

„I want to stop fearing this sudden death“
Auf dem ersten Foto, ein Selfie, sitzt Mohammad Chaar mit seinen Freunden an einer Straße. Das nächste zeigt seinen leblosen Körper auf dem Asphalt. Nach dem Selbstmordanschlag in Beirut, bei dem neun Menschen, unter ihnen auch der sunnitische Finanzminister Schatah, ums Leben kamen, sammeln sich im Internet Kritiker solcher Anschläge unter dem Hashtag „notamartyr“. Die Umstände, Motivationen und Botschaften der Bewegung hat Charlotte Haunhorst für uns recherchiert.

Strumpf ist Trumpf
Bunte Socken mit auffallendem Muster können vieles sein: Peppig, frech, kultig, trendig oder fetzig. Warum Jakob Biazza trotzdem zu Strümpfen gegriffen hat, deren Ästhetik sich an die eines Testbilds aus dem Fernsehen anlehnt – und das sogar noch elegant rechtfertigen kann – könnt ihr hier nachlesen.

Der Tumblr der Woche
Bakterien machen Fett, Krankenschwestern sind unheimlich und Affen mögen keine Adler. Außerdem neigen alte Menschen dazu, über sich selbst zu reden, egal ob sie sich daran erinnern, wer sie sind. Wissenschaftliche Erkenntnisse können so lebensnah sein – wenn man sie nur so formuliert, dass sie jeder verstehen kann. Genau das hat sich lolmythesis.com zur Aufgabe gemacht. Dort wird man dazu aufgerufen, seine Forschungsarbeiten auf einen Satz herunterzubrechen. Kurze Rede, langer Sinn.

Das Video der Woche...
...ist eigentlich kalter Kaffee. Aufwärmen lohnt sich trotzdem:

http://www.youtube.com/watch?v=9q6Y4LQcwj0

Wer noch wissen will, wie man im All schläft und wie Rauchpausen auf Russisch aussehen, klickt hier.

Was macht eigentlich Juri?
Unser Fotograf Juri Gottschall war auch diese Woche wieder in München unterwegs. Am Flughafen München hat er Touristen kurz vor Abflug nach ihrem letzten Handyfoto aus der Landeshauptstadt gebeten. In der Serie „Meine Straße“ kommt diesmal die Künstlerin Gabi Blum zu Wort. Sie stellt die Westendstraße vor, in der es „immer sehr nach Brauerei“ riecht. Wie das Schaufenster des Friseurs „Fashion for Men“ aussieht, beschreibt Juri in seiner jüngsten Schaufensterkritik.

Sonntagseinsamkeit

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Sonntage als Single nerven. Überall scheinen einen nur glückliche Menschen zu begegnen.

Ich liebe mein Singleleben. Ich liebe es, mich quer über die gesamte Bettbreite auszustrecken. Ich liebe es, kompromisslos meine Zeit für Freunde, Sport und Hobbies zu verschwenden und spontan drei Tage nach Malle fliegen zu können. Ohne jemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Ich liebe es, nicht zwölf Minuten lang darüber zu diskutieren, bei welchem Lieferservice „wir“ bestellen, oder von der Elektro-Party früh nach Hause gehen zu müssen, weil „wir“ müde sind. Ich liebe es. An sechs Tagen in der Woche.  

Dann kommt der Sonntag. An dem ist alles anders. Denn dieser Tag der Woche gehört den Pärchen. Sie kochen, kuscheln oder gehen ins Kino. Sie spazieren eng umschlungen durch die Stadt. Für jeden sichtbar und so langsam, dass ich meine, sie müssten dabei umfallen. An diesem Tag strotzen die Verliebten nur so vor Zweisamkeit und Harmonie.  

Aus Trotz versuche ich deswegen, diese allwöchentlich zur Schau getragene Glückseligkeit zu vermeiden. Bestes Mittel bisher: der Samstagabend. Tanzen gehen macht glücklich, acht Weinschorlen und drei doppelte Vodkashots ebenso. Zwischen entspanntem Dösen und Binge Watching der letzten „Grimm“-Staffel lässt sich der folgende Tag wundervoll, weil halbkomatös überstehen.

Das Problem nach drei verkaterten Sonntagen: Mein eigener Alkoholkonsum wird mir überdrüssig. Immer schwerer schlucke ich beim Anblick der One-Night-Stands im Morgenlicht, bevor ich mich nach Hause davonstehle. Also beschließe ich: weniger Alkohol. Dafür müssen andere Aktivitäten her. Ausprobiert habe ich: Spazierengehen. Ohne Hund, ohne Telefon am Ohr, ohne Joggingoutfit. Das kommt dem Freitod gleich. Denn gerade am Sonntag spazieren In Scharen Pärchen und Familien. Frischverliebte turteln den Fluss entlang, Eltern rennen gehetzt ihren Gören nach, selbst Omas haken sich in ihren Sonntagskostümen bei Opa ein. Und ich spüre ihre Blicke auf mir. Sehe, wie sie mich anstarren und den Ausdruck in ihren Augen, der irgendwo zwischen Mitleid und Mitgefühl rangiert.

Und ich möchte ihnen entgegen schreien: Ja, ich bin allein. Und nein, ich kann mir heute Abend nichts vom Thailänder bestellen, weil man als Single den Mindestbestellwert nicht erreicht. Bei mir müssen die Tiefkühlbrezeln und Tomaten-Tütensuppen herhalten, weil niemand für mich eingekauft hat.   Das macht mich wütend. Das macht die Grausamkeit der Sonntage aus. Das Gefühl, das dir Pärchen geben. Dass du als Single nicht glücklich sein kannst, weil dir was fehlen müsste. Dass du Mitleid verdienst. Irgendwann realisiere ich aber: Ich darf Singlesonntage verdammen.

Nicht nur, weil das ganze Elend spätestens mit dem montagmorgendlichen Weckerklingeln verschwunden ist. Nein, der Hauptgrund ist: Glückliche Menschen sind nicht interessant. Um es mit Kraftklub zu formulieren. Manchmal muss man grummeln dürfen, schimpfen, sich den ganzen Tag die Decke über den Kopf ziehen und im Weltschmerz sämtlicher Goethe-Romanhelden suhlen. Zuviel Zuckerwattenwelt ist nämlich echt anstrengend. Vor allem, wenn man alleine durchs Leben eiert.

Was guckst du so, Edin Hasanovic?

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jetzt.de: Edin, kannst du mit einem Wort beschreiben, was Fernsehen für dich als Kind bedeutet hat?
Edin Hasanovic: Prägung. Vor allem Sendungen wie "Die Wochenshow" mit Anke Engelke und Bastian Pastewka. Die haben mich und meinen Humor schon sehr geformt.
 
Und die hast du schon als Kind geguckt?
Ja, wenn ich zurückdenke, ist "Die Wochenshow" tatsächlich das, was mir als allererste Lieblingssendung einfällt. Für die durfte ich samstagabends immer länger aufbleiben. Am nächsten Morgen kam dann die Wiederholung, die ich mir natürlich auch noch reingezogen habe.
 
Durftest du als Kind viel fernsehen? Oder wurde das Programm streng kontrolliert?
Ich habe von selbst schon sehr ausgewählt ferngesehen. Ich war als Kind ziemlich viel unterwegs, hatte zig Hobbys, weshalb Fernsehen an sich kein so ganz großes Ding für mich war. Deshalb: Wenn Fernsehen, dann irgendwas Besonderes, dachte ich immer. Als ich in der 7. Klasse war, habe ich einen eigenen Fernseher in mein Zimmer gestellt bekommen. Den habe ich selbst wieder raus gebracht, weil mir das schon wieder zu viel war.
 
Und später, in deiner Jugend? Irgendwelche Fernsehvorlieben?
"TV Total" habe ich immer geguckt, das mache ich heute noch.
 
Wie war's mit Serien?
Damals waren amerikanische Sitcoms ziemlich angesagt, aber irgendwie nicht so meins. Ich habe lieber "Stromberg" geguckt. Eigentlich alles mit Christoph Maria Herbst. Und alles mit Hape Kerkeling.



Edin Hasanovic, 21, guckt nie die "Tagesschau" - "zieht mich nur runter".
 
Mit 12 hast du dann schon selbst in einer Serie mitgespielt ...
Genau, in "KDD – Kriminaldauerdienst". Die habe ich auch immer gerne geguckt. Nicht nur, weil ich mitgespielt habe, sondern weil die Serie einfach voll mein Ding war. Heute suche ich verzweifelt nach irgendwas wie "KDD".
 
Hattest du als junger Schauspieler auch Helden aus dem Fernsehen?
Kurz bevor ich von einer Schauspielagentur aufgenommen wurde, lief "Wer küsst schon einen Leguan" mit Frederick Lau im Fernsehen (2003; Anm.d.Red.). Nachdem ich das gesehen hatte, habe ich zu meiner Mutter gesagt: Mama, ich will Schauspieler werden – jetzt!
 
Hast du heute noch solch motivierende Vorbilder?
Bei den Frauen auf jeden Fall Corinna Harfouch. Ich versuche, mir so viele von ihren Filmen anzugucken, wie möglich. Und bei den Männern finde ich Wotan Wilke Möhring super, auch Jörg Hartmann finde ich ganz toll.
 
Beginnen wir jetzt mal einen gemeinsamen Fernsehabend. Ich habe die Fernbedienung, es ist noch früh. Ich schalte durch, du sagst stopp. Los geht's, ARD: Skispringen der Damen.
Auf gar keinen Fall.
 
Danach kommt hier "Verbotene Liebe".
Nichts für mich.
 
Magst du gar keine Soaps?
Nee.
Hattest Du schon mal Soap-Angebote?
Auch nicht.
Dann weiter. Auf ProSieben kommen Klatschnews: "taff"?
Der einzige Grund, warum ich heute noch "taff" gucke, ist Daniel Aminati. Ich mag einfach seine Art und wie er Fernsehen macht. Ansonsten sind das ja aber eher belanglose bis sinnlose Themen, die da behandelt werden. Das wirkt oft sehr von der Redaktion aus den Fingern gesogen.

Kein Interesse an den kleinen und großen Pannen der Kollegen, die dort gezeigt werden?
Nö.
 
Dann zu Arte: Es läuft eine Doku über Räuberbanden in New York.
Interessantes Thema, habe ich nur, glaube ich, schon so ziemlich alles drüber gesehen. Kann mir aber vorstellen, dass das gut gemacht ist, wie so vieles bei Arte.
 
Was magst du bei Arte besonders?
"Durch die Nacht mit"!
 
Würdest du da selbst mitmachen?
Aber so was von! Das wäre ein Traum. Eine geile Sendung und irgendwie auch ein Ritterschlag für diejenigen, die es dorthin schaffen. Ich weiß noch, als ich das zum ersten Mal geguckt habe. Das war die Folge mit Michel Friedmann und Christoph Schlingensief. Die haben irgendwann noch Hannelore Elsner getroffen – das war echt krass und sehr prägend für mich. Genauso wie später die Folge mit Lena und Casper.
 
Mit wem würdest du dort gerne zu sehen sein? Corinna Harfouch?
Das wäre natürlich geil! Wobei ich davor fast schon wieder ein bisschen Angst hätte. Und für die Zuschauer wäre es vielleicht auch langweilig, wenn da zwei Schauspieler aufeinandertreffen.
 
Wer wäre eine Alternative?
Super wäre jemand wie Katrin Bauerfeind. Und noch lieber wäre mir irgendein Kumpel. Dann könnte man ein bisschen mehr abgehen und Faxen machen.
 
Acht Uhr: "Tagesschau"?
Nein. Ich meide schlechte Einflüsse, zieht mich nur runter. Ich lese höchstens bei Twitter die Schlagzeilen.
 
Danach hast du die Wahl: eine neue Folge "DSDS", "Aktenzeichen XY ungelöst" oder eine Doppelfolge "Two and a half Men".
Da ist nichts dabei, was ich mir wirklich gerne anschauen würde. "DSDS" wäre zwar interessant wegen der Jury-Konstellation und um zu sehen, was sonst noch neu ist. Aber ich glaube, ich gehe bei dieser Auswahl lieber raus und treffe mich mit Freunden.
 
Wenn du abends den Fernseher einschaltest, findest normalerweise immer irgendwas für dich? Oder fehlt dir was im deutschen TV-Programm?
Och, eigentlich finde ich immer was. Es gibt ja immer irgendwo irgendeinen guten deutschen Spielfilm, oft auch Undergroundfilme, bei denen Kollegen mitspielen. Neulich habe ich auch mal was ganz Anderes gesehen: "Sowas wie Glück" mit Anke Engelke. Auch ein Superformat.

Trotzdem irgendwelche Verbesserungsvorschläge und Wünsche für das zukünftige Fernsehprogramm?
Weniger Kitsch und Klischees, mehr Experimente. 

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