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Aufruhr in der Heldenstadt

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Nach dem zweiten Anschlag in weniger als 24 Stunden und dem dritten innerhalb von zwei Monaten war Wolgograd, die Heldenstadt, am Montag eine Stadt in Angst: Die Menschen mieden öffentliche Gebäude, gingen lieber zu Fuß, als mit dem Bus zu fahren oder blieben ganz Zuhause. Am Morgen hatte ein Selbstmordattentäter in einem voll besetzten Linienbus mindestens 14 Menschen getötet, mehr als 40 weitere Menschen wurden verletzt. Wie schon die Bombe, die am Sonntag nahe dem Eingang des Wolgograder Bahnhofs 17 Menschen tötete, war auch dieser Sprengsatz laut Aussagen der Ermittler mit Nägeln und Metallsplittern versetzt, um möglichst viele Passagiere auf ihrem Weg aus einem Wolgograder Schlafbezirk in die Stadt zu verletzen.



Nach dem zweiten Anschlag in Wolgograd innerhalb von 24 Stunden meiden die Menschen öffentliche Gebäude und Verkehrmittel.

Dass Präsident Wladimir Putin den Inlandsgeheimdienst FSB beauftragte, die Drahtzieher schnell zur Rechenschaft zu ziehen, erschien nur wie eine Formalie. Bereits bevor die Ermittler erste Erkenntnisse über die Täter vorlegen konnten, herrschte unter russischen Kommentatoren Einigkeit über das Ziel der Gewalt und ihre Herkunft: Terroristen aus dem Nordkaukasus versuchten weniger als sechs Wochen vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in der Schwarzmeerstadt Sotschi Russland und die Welt zu verunsichern.

Zwar liegt Wolgograd, das einstige Stalingrad, nicht im Kaukasus sondern am unteren Lauf der Wolga, aber die Konfliktregion ist nicht weit entfernt und bis nach Sotschi am Rande der südlichen Ausläufern des Gebirges sind es nur 700 Kilometer. Für russische Maßstäbe ist das fast nebenan. Trotz der Anschläge sei die Sicherheit der Spiele gewährleistet, bekräftigte der Chef des Nationalen Olympischen Komitees, Alexander Schukow. Die Sicherheitsmaßnahmen gelten als extrem hoch. Kritiker beklagen eine „Totalüberwachung“ wegen der Spiele.

Russland zählt laut dem Global Terrorism Index (GTI) zu den zehn am stärksten von Terrorismus bedrohten Staaten der Erde. 2011 zählte die Organisation 182 Terroranschläge auf dem Gebiet der Russischen Föderation. Damit liegt das Land auf Platz 9 von 158 Staaten. Die Mehrzahl der Angriffe galt dennoch nicht Zivilpersonen sondern staatlichen Einrichtungen wie Polizeistationen oder Behörden.

Seit der Krieg in Tschetschenien 2009 offiziell für beendet erklärt worden ist, hat sich die Gewalt in die Nachbarrepubliken im Nordkaukasus verlagert. Von dort werden fast täglich Anschläge gemeldet. 2012 zählte die Organisation International Crisis Group mindestens 1225 Opfer, darunter 700 Tote und 525 Verletzte. Im ersten Halbjahr 2013 starben mindestens 242 Menschen in dem derzeit blutigsten Konflikt auf dem europäischen Kontinent. Hinter den Kämpfen zwischen Aufständischen und der Moskau unterstellten Verwaltung stehen neben religiösen und ethnischen Spannungen Streit um Grenzen und Ressourcen. Seit seinem ersten Amtsantritt als Präsident im Januar 2000 hat Wladimir Putin das ohnehin stark zentralisierte Land weiter unter die Kontrolle Moskaus gestellt und den Regionen autonome Rechte genommen, was die Konflikte weiter verschärfte.

Im Sommer hatte der Terrorist Doku Umarow, der sich als Oberhaupt eines selbst ernannten Kaukasus-Emirats ausgibt, in einer Videonachricht zu neuen Anschlägen aufgerufen, um die Olympischen Winterspiele in Sotschi im Februar zu verhindern. Alle Gotteskrieger seien seiner Meinung nach verpflichtet zu verhindern, dass die Spiele „auf den Gebeinen unserer Vorfahren“ stattfänden, sagte Umarow. Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Umarow ist Russlands Staatsfeind Nummer Eins, er hat sich unter anderem zu dem Anschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo im Jahr 2011 bekannt. Im Kaukasus-Krieg 1817-1864 hatten Truppen des russischen Zaren auf dem Gebiet nahe dem heutigen Sotschi die Volksgruppe der Tscherkessen fast vollständig ausgelöscht.

Sicherheitsexperten in Moskau gehen inzwischen davon aus, dass die Kampfkraft der Terroristen heute nicht mehr ausreicht für Attentate wie im Moskauer Theater Nord-Ost (2002) oder in der Schule von Beslan (2004). Damals nahmen jeweils Dutzende Bewaffnete zahlreiche Geiseln. Beide Attentate endeten mit zahlreichen Toten. „Die Terroristen sind nicht mehr stark genug für große Kommandoaktionen, sie können aber einzeln immer noch Angst und Schrecken verbreiten – wie in Wolgograd“, erklärte FSB-Chef Alexander Bortnikow.

Im Frühjahr 2012 schickte Moskau 30000 zusätzliche Soldaten in die Teilrepublik Dagestan – für Experten ein sicheres Zeichen dafür, dass die lokalen Behörden längst nicht mehr Herr der Lage sind. Doch nicht nur mit Panzern versucht der Kreml, die Konfliktregion endlich zu beruhigen.

Die Industriestadt Wolgograd, die bis 1961 Stalingrad hieß, liegt rund 1000 Kilometer von Sotschi entfernt. Erst am Freitagabend hatte die Explosion einer Autobombe vor einer Polizeistation in Pjatigorsk in der Konfliktregion Nordkaukasus drei Menschen getötet. Pjatigorsk ist rund 250 Kilometer von Sotschi entfernt.

Kommentar: Hässlicher Stempel

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Man möchte in diesen Tagen dem rumänischen oder bulgarischen Kollegen, wenn es ihn denn gäbe, die Hand geben und ihn nochmals willkommen heißen. Man könnte ihm bei der Gelegenheit sagen, dass man nicht glaubt, er arbeite in Deutschland wegen des Kinder- gelds, sondern weil er gute Arbeit suchte. Das wäre nur fair. Denn die jetzige Debatte um Armutszuwanderer verstellt den Blick auf diese Menschen, auf das Gute, das ihr Recht auf Freizügigkeit mit sich bringt. Der EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien 2007 hat die Länder nach Jahrzehnten im Abseits wieder nach Europa geleitet, hat Hunderttausenden seiner Bürger Wohlstand und Hoffnung gegeben. Und deutschen Unternehmen viele neue Kunden und Tausende Fachkräfte beschert. Sie belasten die Sozialsysteme nicht, sie helfen, ihre Zukunft zu sichern. Der Fokus der CSU auf Armutszuwanderer verpasst den Rumänen und Bulgaren dagegen einen hässlichen Stempel.



Ein Mitarbeiter des Zolls kontrolliert Erntehelfer aus Polen und Rumänien. Die CSU verlangt einen schärferen Kurs gegen Armutszuwanderer aus EU-Staaten.

Man muss dies laut sagen, ehe man über die Probleme spricht. Denn fernab des Getöses über Niedriglöhner und Sozialbetrüger bleibt ein Kern an Schwierigkeiten, welche die Freizügigkeit mit sich bringt. In Städten wie Duisburg, Dortmund oder Berlin-Neukölln sind sie unübersehbar. Scheinselbständige verkaufen sich als Tagelöhner, Roma-Frauen gehen anschaffen, andere versuchen als Bettler oder mit dem Kindergeld durchzukommen. Unter den Einheimischen spüren dies vor allem die ärmeren. Die Schulen in ihren Stadtvierteln sind überfordert durch viele Zuwandererkinder, Sozialeinrichtungen überlaufen. Es hat ein Verdrängungswettbewerb ganz unten eingesetzt - um die Plätze im Obdachlosenheim, um Wohnraum, um den Termin beim medizinischen Notdienst. Der Unmut darüber lässt sich nicht abtun als statistische Ausnahme oder die Fremdenfeindlichkeit von Spießbürgern.

Ein Teil der Neuankömmlinge, eine klare Minderheit wohlgemerkt, wird auf Hartz IV angewiesen sein. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass das hiesige Existenzminimum höher ist als zahlreiche reguläre Einkommen auf dem Balkan. Viele Zuwanderer werden chancenlos bleiben auf dem deutschen Arbeitsmarkt, ohne Deutschkenntnisse und Berufsausbildung, manche als Analphabeten. Sie werden auf Unterstützung angewiesen sein, selbst wenn sie arbeiten wollen. Diese Herausforderung lässt sich nicht allein durch 100 neue Integrationskurse oder 1000 zusätzliche Sozialarbeiter lösen.

EU-Zuwanderer, die von Anfang an Unterstützung nötig haben, wollte die rot-grüne Bundesregierung bewusst vermeiden, als sie 2005 den EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens billigte. Es gab nie eine bedingungslose Freizügigkeit für EU-Bürger. EU-Recht erlaubt den Mitgliedsländern, Arbeitssuchende monatelang staatliche Stütze zu verweigern. Die Zuwanderer sollten dem Land zugutekommen. Es ist völlig legitim, einen Nutzen für beide Seiten zu fordern - anders als bei politisch Verfolgten, bei denen dies keine Rolle spielen darf. Eine Reihe fragwürdiger Gerichtsurteile beschädigte seither diese Leitplanken der Freizügigkeit. EU-Zuwanderer gelten zum Beispiel schon dann als Arbeitnehmer mit Anrecht auf Hartz IV, wenn sie gut eine Stunde am Tag arbeiten. Solche Vorschriften verschieben das Armutsproblem, statt es zu lösen.

Gefragt sind nun die Bundesregierung und die EU. Sie müssen die Regeln der Freizügigkeit nicht neu erfinden. Doch sie sollten deren Leitplanken wieder aufrichten. Sie waren die Voraussetzung, um den umstrittenen EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens zu wagen. Klare Regeln und faire Chancen für die Zuwanderer werden das politische Getöse um die Freizügigkeit bald verschwinden zu lassen.

Lob des Zugfahrens

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3257 Beschwerden. Wenn ich die bekäme, würde ich verzweifeln! Okay, ich bin auch kein Unternehmen, aber auch für ein Unternehmen ist das zum Verzweifeln viel. Für die Bahn jedenfalls ist es die höchste Anzahl an Beschwerden, die sie je innerhalb eines Jahres bekommen hat. Das hat die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr bekanntgegeben, der jetzt die Zahlen für 2013 vorliegen. Bei der Hälfte der Beschwerden ging es, natürlich, um verspätete Züge, bei einem Drittel stimmte mit dem Ticket etwas nicht. Weitere Beschwerden betrafen den mangelnden Service oder Probleme bei der Barrierefreiheit.



Zugfahren kann ja auch schön sein!

Ich fahre sehr viel Zug. Und ja, ich ärgere mich auch, über die Preise vor allem, bei Verspätungen, wenn die Klimaanlage zu stark kühlt oder wenn der Schaffner pampig ist (am meisten ärgere ich mich allerdings über anstrengende Mitreisende, über die man sich bei der Beschwerdestelle übrigens nicht beschweren kann). Aber: In den meisten Fällen komme ich pünktlich an und habe in der Zwischenzeit sehr bequem gesessen, konnte  aufs Klo gehen oder einen Kaffee kaufen und sehr viel lesen, schlafen, Serien anschauen oder arbeiten. Wenn ich nach der Arbeit in den Zug steige, ist das der perfekte Beginn der Freizeit, er schaukelt mich in die Entspannung, während ich dabei zuschaue, wie draußen die Landschaft vorbeihuscht. Ich möchte die Bahn darum manchmal gerne loben: für die Geschwindigkeit, in der sie die Strecke München-Düsseldorf zurücklegt, und die kurze Taktung, in der sie das tut. Für die bequemen Sitze. Für das Schinken-Käse-Sandwich aus dem Bordbistro. Für die netten Schaffner, die lustige Durchsagen machen („Wir erreichen gleich die Karnevalshochburg Köln am Rhein“). Für die „Haben Sie auch nichts vergessen?“-Anzeige, bevor man aussteigt.

Klar, vieles läuft schief bei der Bahn und wenn man gerade reisegestresst ist, möchte man manchmal explodieren, weil wieder mal ein Plan nicht aufgeht. Aber wir haben jetzt einfach mal genug von der stammtischhaften „Typisch Deutsche Bahn“- und „Sänk ju for trävelling“-Nörgelei und eröffnen im Ticker darum eine Kuschelstelle für RE, IC und ICE (und meinetwegen auch noch für die S-Bahn). Was magst du an der Bahn und am Zugfahren?

Mehr oder weniger gut?

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... Mehr Mülleimer. Mit – zum Beispiel – einem leeren Café-Becher in der Hand zwischen Marien- und Gärtnerplatz: Da wirst du deppert, bis du den entsorgt hast!
 
... Eine Feierterrasse, auf der noch etwas anderes läuft als House.
 
... Ein neues (cooles) Sommergetränk.
 
... Weniger Menschen in der Ballabeni-Schlange, dafür mehr auf Anti-Nazi-Demos.
 
... Mehr Tischtennisplatten mit vorinstallierten Netzen – auch, wenn die dann aus Metall sind. Für die meisten Platten muss man nämlich ein eigenes mitbringen (das dann oft nicht mal passt, weil die Klemme zu klein ist). Aber wir sind doch alle keine Profis, sondern nur Freizeit-Ping-Pong-Spieler.




       
... Das alte Flughafen-Logo zurück.
 
... Lieber zwei ausverkaufte Konzerte in der Muffathalle als eines im Zenith.
 
... Ein drittes Sportfreunde-Stiller-Konzert in der Olympiahalle.

... Eine Markthalle, bei der der Fokus nicht nur auf Lachs-Häppchen und Rosé-Champagner liegt. Es muss ja nicht gleich ein „Street Food Thursday“ sein, aber es wird doch um Himmels willen auch noch was anderes geben als Käfer und Hillinger.
 
... Radioempfang in allen Autotunneln – vor allem für ego-FM natürlich.
 
... Aufstieg der Löwen. In der Anschluss-Saison: Champions-League-Qualifikation mit würdigem Scheitern in der Vorrunde – nicht gierig werden!
     
... Mehr Kioske sowieso.
 
... Und wenn wir schon dabei sind: eine Lockerung des Ladenschlussgesetzes. Kleine „Internetcafés“ gehen bei der Späti-Kultur ja schließlich schon voran.
 
... Ein Arcade-Fire-Konzert in München – das haben sie beim Europa-Tourplan nämlich ausgelassen und man fragt sich nun natürlich, wer da den Fehler gemacht hat: die Stadt oder die Band?
 
... Voll utopisch, aber wünschen darf man sich ja alles: niedrigere Mieten.

... Und nicht nur deshalb: mehr Goldgrund-Aktionen.
 
... Mehr Sportplätze wie die zwei Basketball-Courts auf der Praterinsel. Das sind die einzigen ihrer Art, die sich wirklich harmonisch in die Umgebung einfügen. Und mit dem Blick auf die Isar fühlt es sich auch noch etwas nach Central Park an.
 
... Mehr alternative, schnelle und trotzdem gute Essensmöglichkeiten, wie die Burrito-Läden, die in diesem Jahr eröffnet haben.
 
... Mehr schnelle Verkehrsverbindungen, wie der seit neuestem im 5-Minuten-Takt fahrende Uni-Bus, bei dem man endlich nicht mehr auf den Fahrplan gucken muss, weil sowieso immer gleich der nächste kommt.
 
... Noch mehr junge und vor allem faire Mode wie von Yubi, Dear Goods, Veganista, Glore und iki M.
 
... Busfahrer, die nach dem Anfahren noch mal halten, um uns einsteigen zu lassen.
 
... Geld.

Auf der nächsten Seite: Wovon wir genug haben.
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Wovon wir genug haben



... Von Werbeslogans, die mit den Worten „mia“ oder „dahoam“ spielen. Doch, man kann uns Münchnern tatsächlich auch auf Hochdeutsch Handy- und Carsharing-Verträge andrehen!
 
... Von Verkehrspolizisten, die Strafzettel ausstellen, weil wir auf dem Radweg einen Häuserblock in der falschen Richtung gefahren sind. Besonders dann, wenn sie uns auch noch darauf hinweisen, dass eine Umhängetasche auf dem Rad gefährlich ist – und unser Personalausweis in zwei Monaten abläuft.
 
... Definitiv von Pelzkrägen!
 
... Von S-Bahn-Fahrern, die uns unverwandt aus dem Führerhaus anglotzen, während sie die Türen genau vor unserer Nase zugehen lassen.
 
... Von Berichten über Pep Guardiolas Kleidungsstil.
 
... Von Wohnungspolitik, die noch mehr Goldgrund-Aktionen erforderlich macht.





... Vom unwürdigen Hin und Her ums Atomic Café. Lebe (wäre schön), stirb (wäre traurig) oder erstehe an einem neuem Ort wieder auf (wäre spannend). Was die vergangenen Monate abging, wirkt jedenfalls langsam wie sehr maue Promo.
 
... Von unverständlichen Einlassverboten für die Favorit Bar.
 
... Davon, auf allzu einfache Ziele einzuprügeln. Deshalb bitte nicht mehr: „München kotzt“-Tumblr, Bahn- und MVG-Bashing, wehklagen, dass in München „ja immer alles so sauber ist“ oder über die gegelten Schnösel im – zum Beispiel jetzt – Call me ’Drella mosern. Bringt nix. Lieber meiden oder, wo möglich: besser machen.
 
... Trotzdem: Von Bauarbeiten an der Stammstrecke, Burgerketten (fangen spätestens bei der dritten Filiale an), internationalen Einheitsläden in der Fußgängerzone und (rosa) Pullis über die Schultern geworfen.
 
... Von Lokale, in denen man Tische für maximal zwei Stunden reservieren kann.
 
... Von einer mehrfach im Jahr gesperrten Leopoldstraße, die weder kulturell noch kulinarisch irgendeinen Mehrwert bietet, dafür aber für ein verfluchtes Verkehrschaos sorgt.
 
... Gleiches Prinzip: Blade Night und Stadtmarathon.
 
... Horst Seehofer.
 
... Von Stränden in der Stadt. Ganz besonders vom Kulturstrand, der nun wirklich nicht Teil einer öffentlichen Debatte sein muss.
 
... Von Wahlplakaten an jedem verdammten Pfosten. Mit der nahenden Kommunalwahl (Europawahl ist dann auch gleich noch), geht das ja schon wieder los.
 
... Und wenn Politiker ihre Gesichter schon überall hinhängen wollen, dann wenigstens auf einer Höhe, bei der jeder mit einem Filzstift seine demokratische Meinung zu ihnen kundtun kann.
 
... Speaking of: Von Clubplakaten, auf denen Frauen in Strapsen unter dem Titel „All that she wants“ von Typen gebügelt werden, ganz unbedingt auch!
 
... Schulden.

Die Nacht zwischen zwei Jahren

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NADINE

Silvester: Früher begann die Planung Monate im Voraus, denn es war wichtig, auf der coolsten Party der Stufe eingeladen zu sein, um fünf vor zwölf neben dem richtigen Jungen zu stehen und um Punkt zwölf endlich den ersten Kuss zu bekommen. Heute hat man sie alle hinter sich – die Filmriss-Silvester auf der Skihütte in Südtirol, die Raclette-Essen mit Freunden, WG-Partys, Pyjama-Partys, überfüllte Großraumdisco und Single-Silvester mit Spieleabend und Käse-Crackern bei den Eltern. Eine Freundin erzählte mir neulich von der Variante, Silvester allein in der Badewanne zu feiern, Raketen vom Balkon zu starten und bloß nicht das Haus zu verlassen. Das ist die einzige, die mir noch fehlt und die hört sich ziemlich verlockend an.  




Ich weiß nicht, was ich anstrengender finde – die Silvesterparty an sich oder die Frage „Und, was machst du dieses Jahr an Silvester?“ Ich antworte darauf meistens, dass ich noch nicht weiß, wo ich feiere, mir aber am meisten wünsche, eingeschneit zu sein, so wie an Silvester vor fünf Jahren. Damals waren Sebi und ich zwar noch beliebt und hatten zahlreiche Einladungen, saßen aber im 1000-Seelen-Dorf seiner Eltern in der Eifel fest und kamen nicht mehr nach Köln zurück. Die einzige Zufahrtsstraße war gesperrt. Um acht verabschiedete sich der Rest der Familie zu eigenen Partys im Ort, nahm leider auch den Nudelsalat mit, auf den wir spekuliert hatten, und Sebi und ich stellten fest, dass nicht nur wir den Berg nicht hinunter-, sondern der Pizzaservice den Berg auch nicht hinaufkam.  

Für unser Silvester-Essen fanden wir schließlich in der Tiefkühltruhe Pommes, die wir mit Alaska Seelachsfilet im Backofen warm machten, und haben den Rest des Abends Warhammer-Figuren angemalt. Bis kurz vor zwölf noch zwei Freunde zu uns stießen, die das sinkende Schiff auch nicht mehr rechtzeitig verlassen hatten. Wäre der eine von ihnen nicht noch schlimm gestürzt, als wir draußen Feuerwerk gucken wollten, und hätte sich nicht das halbe Bein aufgerissen, sodass wir das neue Jahr auf der Suche nach Mullbinden nicht verpasst hätten – dieses Silvester hätte wirklich Potenzial gehabt und wäre sicher das schönste unseres Lebens geworden. All die Jahre waren meine hohen Erwartungen immer enttäuscht worden – in diesem Jahr hatte ich ab dem Moment, an dem wir vom Rest der Welt abgeschnitten waren, keine Erwartungen mehr gehabt und plötzlich war alles ganz schön. Und genau das legt Sebi mir ja immer ans Herz!  

Ich weiß, dass es für ihn keinen Sinn ergibt, sich um zwölf Uhr zu küssen, statt um elf. Von Einkaufslisten fürs Raclette wird ihm schwindelig. Wenn ich ihm dann an Silvester noch meine Vorsätze für 2014 nenne („Bis Mai will ich mit dem Drittjahresfilm fertig sein, dann läuft im Juli unser Mietvertrag aus, dann will ich bis August in Berlin eine tolle Wohnung für uns finden, damit wir im Herbst für den Diplomfilm bereit sind, damit ich endlich in eine Agentur für Drehbuchautoren, Geld verdienen und eine Familie gründen kann“), sagt er, dass ich spinne. Weil ich nicht im Moment lebe, sondern nur im Morgen, in einem Leben im Vorspullauf. Und irgendwie hat er damit ja Recht.  

Also habe ich dieses Jahr für Silvester nichts geplant. Es gab kein Essen, keine Gäste und auch die Einladungen blieben aus. Sebi wunderte sich schon, denn ich wirkte bis zur letzten Minute ganz entspannt. Ich hatte weder einen Skiausflug, noch einen Spieleabend, noch ein Feuerwerk organisiert. Ich hatte nicht mal das Badewasser eingelassen und sprach von meinem neuen Vorsatz für 2014 à la „Carpe Diem“. Sebi war fast enttäuscht, er glaubte bis zum Schluss an eine Überraschungsparty. Ich war ziemlich stolz.  

Nur in meinem tiefsten Inneren ahnte ich, dass ich eine Betrügerin war. Es stimmte nämlich gar nicht, dass ich ein Silvester ohne Erwartungen feierte. Ich hoffte ja nur darauf, dass durch meine betonte Erwartungslosigkeit noch einmal etwas ganz Besonderes passieren würde – vielleicht das schönste Silvester unseres Lebens! Ich glaube nicht, dass man unter diesen Umständen von einer fehlenden Erwartungshaltung sprechen darf.  

„Komm, wir gehen hoch zu Lukas und Maike, da gibt’s bestimmt was zu Essen“, sagte Sebi und ich nahm seine Hand und zusammen gingen wir in unser neues Jahr. Ein frohes 2014 für alle!
[seitenumbruch]SEBASTIAN

Silvester. Zeit der Rückschau, Zeit des Blicks nach Vorne.

Bäh! Ich war noch nie ein großer Fan von Silvester. Mich störte schon immer die Vorstellung, dass es diesen einen Tag im Jahr gibt, an dem man ein Resümee über die vergangenen 364 Tage ziehen soll. Über die Geschichten von verpatzten großen Sylvester-Vorhaben lachte ich stets am lautesten und weigerte mich Jahr um Jahr beharrlich, allzu früh auf eine Silvestereinladung einzugehen (meist mit dem Resultat, zu keiner Party zu gehen).

Mich nervte, dass es den Leuten in Bezug auf die „guten Vorsätze“  meist nicht gelang, zwischen Vorsätzen und Wünschen zu unterscheiden. Es machte für mich eben einen großen Unterschied, ob man sich vornahm, mit dem Rauchen aufzuhören (man kann das relativ gut selbst entscheiden), oder ob man zum Beispiel im nächsten Jahr nicht mehr so alleine sein oder beruflich erfolgreicher sein will (das entscheiden nämlich meist die anderen). Ich monierte gern, dass man in der Regel für die tatsächlichen Vorsätze zu wenig Kraft und für die Wünsche zu wenig Glück hatte (sonst wäre einem das eine oder das andere ja sicher schon vorher gelungen) und ergänzte, dass man daher am Ende des Jahres vor dem eigenen inneren Gerichtshof als Verlierer dastünde – was niemand wollen könne. Und überhaupt, ich war eh immer Nichtraucher!

Dementsprechend machte ich auch aus dem Silvesterfest keine große Sache, ein Abend, wie jeder andere, mit umfallenden Bierflaschen, in die Menge fliegenden Raketen und überlasteten Handynetzen. Wenn mir daran was läge, könnte ich auch in ein FC-Derby gegen Gladbach gehen, dachte ich mir dann mal insgeheim, mal lautstarkt, während mit pappenen Sektbechern angestoßen wurde. Und so brandmarkte ich Silvester schließlich als einen Akt der Selbstvernichtung und erreichte mit meiner flammenden Rede zu diesem Thema, dass die eifrigen Vorsätze-Macher den Vorsatz „Sebi aus dem Weg gehen“ auf ihrer Vorsatzliste ergänzten.

Ja, man könnte meinen ehemaligen Kampf gegen Silvester als verbissen bezeichnen. Zumindest tat Nadine das gelegentlich. Sie war da ganz anders. Nadine hat sich schon immer sehr genaue Vorstellungen davon gemacht, wann sie welchen Schritt in ihrem Leben wie erledigt haben will. Dass man dazu natürlich eine regelmäßige Qualitätskontrolle brauchte, war klar. Ein Termin zum Ende des Jahres bot sich da an. Inventur macht man ja auch nicht im Sommer!  

Zwar veränderten sich die Inhalte von Nadines Vorstellungen im Laufe der Zeit (weg von engelsgleichen Zwillingen, die mit den grasenden Pferden hinter dem Haus um die Wette tollen), aber ihr Modus, sich Dinge vorzunehmen und anschließend kritisch zu prüfen (meistens mit vernichtendem Urteil), blieb im Wesentlichen gleich. Ich sagte dann gerne kluge Sätze wie „Du verpasst die Dinge, die dir gerade passieren, weil du ständig darüber nachdenkst, was dir morgen passieren soll und was dir gestern noch nicht passiert ist“, während sie mich als „in den Tag träumenden Spinner, der nicht merkt, wie das Leben an ihm vorbeizieht“ bezeichnete. Man kann sich vorstellen, dass diese beiden Weltansichten am Silvesterabend zu Spannungen führten, die oft mehr Zuschauer anlockten, als das zeitgleich abgehaltene Feuerwerk.

Meine Biologielehrerin Frau Fuchs hat mal erklärt, dass die wichtigste Errungenschaft der Evolution die Einteilung von vorevolutionärem Brei in Untergruppen war; erst durch kleine „Räume“ in der Zelle konnte aus dem Matsch an Molekülen eine geordnete Abfolge von Prozessen, eine Sequenz werden. Und manchmal scheint es mir so, als würden wir Menschen bis heute in allem, was wir so machen, nach Sequenzen streben. Zumindest, wenn es um unsere begrenzte Lebenszeit geht, sequenzieren wir wie die Weltmeister. Gefangene aus Isolationshaft berichten, dass der schlimmste Moment der ist, wenn der Tagesrhythmus verlorengeht. In der Raumstation ISS arbeiten die Astronauten in festen Tag-Nachtzyklen, obwohl es dort oben weder Tag noch Nacht gibt. Jeder Student kennt das Durcheinander im Kopf, wenn man aus Versehen erst abends aufwacht und letztlich versucht unser ganzes Kalendersystem nichts anderes, als aus dem Brei an vorbeilaufender Zeit kleinere Sequenzen zu machen.

Meine These: Die kleineren Einheiten lassen sich einfach viel besser als Erinnerung behalten. Und da muss ich Nadine dann manchmal schon beneiden; wo es mir oft schwer fällt in der Erinnerung überhaupt das richtige Jahr zu benennen, da weiß Nadine in aller Regel auch noch alles über die Begleitumstände, den aktuellen Zahnstand und ihre jeweils aktuellen Ziele sowie den Status des Erreichens derselben. Meine große Angst dabei: Der in den Tag lebende Spinner merkt irgendwann überrascht, dass er sich an das Leben eigentlich gar nicht richtig erinnern kann, da er in seinem Hirn keine gut sortierten und mit Jahreszahlen versehenen Fotoalben vorfindet, sondern Erinnerungsbrei.

Es kann natürlich auch daran liegen, dass Nadine einfach ein besseres Gedächtnis hat, aber um auf Nummer sicher zu gehen und weil meine Angst vor dem Brei größer ist als mein Wille Recht zu haben, werde ich mir dieses Jahr auch Vorsätze fürs neue Jahr nehmen: Ich höre mit dem Rauchen auf, will weniger alleine sein und erfolgreicher im Beruf. So, das wäre erledigt. Ich berichte dann nächstes Jahr, wie es gelaufen ist.   

sebastian-hilger

Meine Straße (8): Birkenau

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In der Silvesternacht von 2010 auf 2011 lief ich durch diese winzige Straße und sah, dass hier ein Laden zu vermieten war. Ich war sofort verliebt und wusste: Den müssen wir kriegen! Ich habe dann gleich am zweiten Neujahrstag angerufen und wir haben die Räume tatsächlich bekommen. Ich liebe diese Straße für so vieles, vor allem aber für ihre Unaufgeregtheit. Sie ist beinahe dörflich und hier quatscht wirklich jeder mit jedem. Auch den alten Giesingern schenkt man ein höfliches „Hallo“. Wie sich das gehört. 
 



Gegenüber von unserem Büro ist die Giesinger Brauerei, deretwegen hier relativ viele Leute vorbeikommen. Im Sommer sitzen wir oft abends zusammen vor unserem Ladenbüro, jeder ist willkommen. Gleich hier um die Ecke hat übrigens auch der Sebastian Dickhaut seine Kochschule, das Hukodi. Man kennt den von den Basic-Kochbüchern. Mit ihm, den Giesingern und der Fotografin Sonja Herpich haben wir im Sommer ein kleines, buntes Straßenfest in der Unteren Weidenstraße ausgerichtet. Dafür haben wir extra das Motorrad aus dem Enrico Palazzo geholt, Lichterketten aufgehängt, es gab Würste von der Metzgerei Wachter aus dem Viertel, Steckerlfisch, indonesisches Essen und es haben einige junge Münchner Bands gespielt, unter anderem Kofelgschroa. Alle haben zusammen gefeiert, völlig stressfrei, die alten, die jungen, die Kinder und sogar die Untergiesinger Fußballer.     
 
Einmal in der Woche kommt außerdem der Bauer mit seinem VW-Bus, klingelt mit der Glocke und dann kann man bei ihm Gemüse kaufen. Wahnsinnig günstig ist das immer. Ich glaube ja, das sind alles Fantasiepreise, die er jedes Mal neu erfindet – denn gewogen wird per Hand. Ach so: Der Treffpunkt des Viertels ist das Lucullus am Ende der Birkenau, ein solider Grieche mit riesigen Portionen und einem schönen Biergarten im Sommer.

Schaufensterkritik: Klare Bildsprache

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Ein Beispiel für sehr effiziente Schaufenstergestaltung findet sich in der Mariahilfstraße in der Au, wo ein Fotogeschäft eigentlich alles richtig macht: Im Vordergrund zeigt man Beispiele aus dem hauseigenen Fotostudio und im Hintergrund signalisiert eine Sammlung von alten Kameras unmissverständlich, um was es hier geht. Einzig das „Kopien“-Schild, das sich an zwei dünnen Fäden aufgehängt ins Blickfeld des Betrachters drängt, stört die Harmonie ein bisschen. Aber auch das ist eben effizient – mit einem Blick ist schließlich auch hier: alles klar.

#anteilnahme? #öffentlich?

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Boris Becker ist mit dabei. Auf Englisch. Und das sind ja schon zwei Umstände, die die Sache verdächtig machen: „Let us all pray for @realschumacher michael for a full and speedy recovery !!!“, twitterte der einstige Tennisprofi am 30. Dezember, um seine Anteilnahme für den bei einem Skiunfall verunglückten Michael Schumacher kundzutun.  




Schon zwei Tage vorher hatte Dirk Nowitzki versichert, seine Gedanken seien „bei Schumi“. Lukas Podolski wünschte „All the best for you, my friend!“ und Lewis Hamilton ließ die Welt wissen, sowohl er, als auch seine Familie beteten für den ehemaligen Formel-1-Fahrer. Und die Liste der Wünschenden geht von Rosberg über Schürrle und Boateng zu Lisicki, Fisichella, Kerber und Hambüchen immer weiter. Viel Gott, viel Gebet und noch mehr Sportmetaphern verpackt in Hashtags liefen da also auf.  

Daran wäre inhaltlich zunächst wohl wenig auszusetzen. Die Gedanken sind frei. Will sagen: Ob jemand jetzt beten möchte oder nicht, das soll bitte unbedingt ihm oder ihr persönlich überlassen bleiben. Aber das Medium, und die damit verbundenen Öffentlichkeit? Wirkt das nicht befremdend? Bekommt es nicht ein Geschmäckle?

Das soll nun um Himmels willen nicht zynisch klingen, weshalb die Frage nicht rhetorisch gemeint ist, sondern ratlos: Braucht’s das? Und wenn ja: Wofür? Wie empfindest du die Anteilnahme in den sozialen Netzwerken - egal ob nun für Schumacher oder sonstwen? Ist sie für dich Selbstdarstellung der Absender? Oder eine echte Hilfe für die Betroffenen, die Angehörigen, für Fans, für Freunde?  

Und damit das nicht nur schwarz/weiß ist: Wenn du öffentliches Kondolieren und Genesungswünsche im Netz grundsätzlich okay findest – gibt es trotzdem eine Grenze für dich? Einen Punkt, an dem es dir zu viel wird? Sag’s uns. Öffentlich natürlich ...

Kiffen erlaubt

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Als Freizeitgestaltung nun auch legal: Kiffen in Colorado.

Ab sofort dürfen in dem US-Staat Bürger über 21 Jahre legal Marihuana kaufen und konsumieren. Cannabis-Aktivisten, die jahrelang für die Freigabe gekämpft hatten, feierten die Wende zum 1. Januar in Denver, Aspen und anderen Städten mit „Pot-Partys“. Um Mitternacht zündeten sie sich demonstrativ Joints an – auch wenn das Gesetz das Kiffen in der Öffentlichkeit eigentlich nicht gestattet.

Am Neujahrstag um 8 Uhr Ortszeit wollten die ersten Geschäfte mit Lizenz zum Marihuana-Verkauf öffnen. Die Läden können sich sehen lassen. Sie wirken wie die Geschäfte von Juwelieren oder Nobel-Wellnessstudios. Verschiedene Marihuana-Sorten sind in glänzend polierten Glasvitrinen ausgestellt. Viele der Läden hatten zuvor schon „Gras“ auf Rezept angeboten, was in dem Bundesstaat seit drei Jahren legal ist. Colorado ist jedoch der erste US-Staat, der den Verkauf nun auch zu nicht-medizinischen Zwecken freigegeben hat. Washington will im Laufe dieses Jahres folgen. In beiden Fällen hatten die Bürger in einem Referendum für die Legalisierung gestimmt.

„Endlich bekommt dieses Produkt eine Chance“, sagte der 23 Jahre alte Philip Hand aus Denver, der zusammen mit einem Partner Marihuana-Kekse und -Schokolade vertreibt. „Das wird es sehr viel einfacher machen, ein rechtmäßiges Gewerbe zu betreiben.“ Die Legalisierung macht das Geschäft mit dem Anbau und Verkauf von Marihuana und Zubehör nach Angaben der „Arcview Group“, einer Schirmorganisation von Marihuana-Investoren, zu der am schnellsten wachsenden Sparte in den USA. Das Geschäft solle 2014 um 64 Prozent auf 2,34 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) wachsen. Bis 2018 werde die Marke von 10,2 Milliarden Dollar erreicht.

Experten gehen davon aus, dass weitere US-Staaten wie Kalifornien mit einer Legalisierung nachziehen werden. 20 US-Staaten – darunter Colorado und Washington – erlauben bereits den Marihuanakonsum auf Verschreibung des Arztes.

Auf Bundesebene bleibt Cannabis weiterhin illegal; Colorado rechnet daher mit „Marihuana-Touristen“ aus anderen Bundesstaaten. Die Bundesregierung hat aber signalisiert, dass sie nicht eingreifen werde – solange gewährleistet bleibt, dass keine Jugendlichen an den Stoff kommen und der Export in andere Staaten unterbleibt.

Nach der Neuregelung dürfen sich Einwohner Colorados pro Kauf mit einer Unze (28 Gramm) „Pot“ eindecken. Besucher aus anderen Staaten müssen sich mit einem Viertel zufriedengeben. Laut Umfragen befürwortet eine klare Mehrheit der Amerikaner die Legalisierung.

Das iphone und die NSA

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Apple hat nach neuen Enthüllungen über die Fähigkeiten der NSA zum Anzapfen von iPhones eine Kooperation mit dem US-Geheimdienst bestritten.

Der Elektronikkonzern Apple hat Vorwürfe zurückgewiesen, wonach er dem US-Geheimdienst NSA beim Ausspähen seiner Kunden geholfen habe. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und der Aktivist Jacob Appelbaum hatten ein NSA-Dokument von Anfang 2008 aus dem Fundus des Informanten Edward Snowden veröffentlicht. Darin beschreibt der Geheimdienst ein Einbau-Modul für iPhones. Mit dem Implantat namens „Dropoutjeep“ könne die Kommunikation des Nutzers abgefangen werden. Dem Dokument zufolge brauchte die NSA dafür anfangs noch physischen Zugang zu dem Gerät selbst, wollte aber an Methoden zum Zugriff aus der Ferne arbeiten. Daher rührt der Verdacht, dass Apple den Geheimdienstlern den Zugang zu Geräten vor deren Verkauf ermöglicht haben müsse. Appelbaum hatte bei der Vorstellung des Dokuments auf der Konferenz Chaos Communications Congress in Hamburg am Montag die Frage aufgeworfen, ob Apple mit der NSA zusammengearbeitet habe.

„Apple hat nie mit der NSA zusammengearbeitet, um eine Hintertür in irgendeinem unserer Produkte zu schaffen, das iPhone inbegriffen“, hieß es in einer Stellungnahme des Konzerns vom späten Dienstag (Ortszeit). Im Jahr 2008 war noch die allererste iPhone-Generation auf dem Markt. Dem Unternehmen Apple sei bisher auch nichts von einem NSA-Programm bekannt gewesen, welches speziell Apple-Produkte im Visier habe. Apple betonte in seiner Reaktion zudem, man werde weiter die Ressourcen des Unternehmens einsetzen, um Nutzer vor „böswilligen Hackern“ zu schützen – egal, wer diese seien. Nach bisherigen Enthüllungsberichten nahm die NSA auch Smartphones mit Android- und Blackberry-Software ins Visier.

Wie der Spiegel auf der Grundlage von Snowden-Dokumenten weiter berichtet, sei der Software-Konzern Microsoft zu einem unfreiwilligen Helfer der NSA geworden. Es gebe eine Spezialeinheit des Geheimdienstes, genannt „Tailored Access Operations“, kurz TAO, die ganz aus Hackern bestehe. Diese Einheit sei darauf spezialisiert, besondere Zielpersonen ins Visier zu nehmen, es handle sich um einige Hundert Fälle pro Jahr. Die Einheit nutze dazu unter anderem Absturzberichte, die Windows-Nutzer bei einem Systemcrash zu sehen bekommen und die häufig auch an Microsoft übertragen werden. TAO fange diese Berichte ab und schließe daraus auf die Schwächen in den Computern von Zielpersonen. In einem zweiten Schritt könnten die NSA-Hacker dann dieses Wissen nutzen, um die Rechner zu infiltrieren. So liefere ihnen Microsoft letztlich unwissentlich die Anleitung, um Microsoft-Kunden ausspähen zu können. Diese Technik sei jedoch nur eine von vielen Methoden der NSA-Hackertruppe.

Geld-Sorgen um Schumacher

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Michael Schumacher liegt nach seinem Unfall im Krankenhaus. Zweifelhafte Geschäftemacher im Netz versuchen, an seinem Schicksal zu verdienen.

Das Schicksal von Michael Schumacher bewegt Millionen Menschen auf der ganzen Welt, die Folge ist eine Welle von Mitgefühl, Trauer und Sorge in den sozialen Medien. Für die warmen Worte hat sich Schumachers Familie bereits bedankt.

Doch nicht jede Anteilnahme ist aufrichtig. Im Netz versuchen längst zweifelhafte Geschäftemacher, Geld zu machen mit den Emotionen, die Schumachers lebensgefährliche Verletzungen bei seinen Fans wecken. Zahlreiche vermeintliche Facebook-„Fanseiten“ mit Titeln wie „RIP Michael Schumacher“ (rest in peace – ruhe in Frieden) wurden in den vergangenen Tagen erstellt, ganz so, als sei Schumacher gestorben. Dabei geht es den pietätlosen Seitenprogrammierern nur darum, im Todesfall bereits eine passende Facebook-Seite zu haben, um dann möglichst schnell viele User auf der Seite zu sammeln, die im Netz nach einem Platz suchen, um ihre Trauer zu teilen. Denn mit Seitenbesuchern lässt sich im Netz Geld verdienen, etwa, indem man sie auf Webseiten mit Werbung weiterleitet oder ihnen Produkte zum Kauf anbietet. Diese Seiten sind also im Grunde eine Wette auf den Tod des Sportlers. Deshalb wird davon abgeraten, sie auf Facebook zu suchen oder gar anzuklicken.

Ein weiteres Motiv für derart geschmacklose Aktionen ist die reflexhafte Suche nach Aufmerksamkeit. Vor der sind auch Journalisten nicht immer gefeit: Der schnellste, beste Tweet zum Thema Schumacher bringt Follower auf Twitter, und die Anzahl derer, die einem bei dem Nachrichtendienst folgen, bestimmt den Einfluss, den man auf Twitter genießt. Hinzu kommt, dass ja tatsächlich Menschen weltweit um Schumacher bangen. So ist der Drang zu schnellen Nachrichten auch verständlich. Nur schneller als die Ereignisse sollte niemand sein.

Selfie-Kopien und Sicherheitshosen

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Nippel statt Pinsel



Wir legen die Niveaulatte gleich zu Beginn ganz hoch: Es geht um Kunst. Genauer um die abstrakten Bilder der Malerin Marcey Hawk, die mit ihren Brüsten malt. Da ist sie sicher nicht die Erste, aber erfolgreicher als so manch andere. Berühmte Menschen (unter anderem, wer hätte es gedacht: Hugh Hefner) kaufen ihre Gemälde und zahlen dafür bis zu 500 Dollar. Marcey bietet sie auf Etsy an.



Es gibt auch ein Making-Of-Video, in dem man aber eigentlich nichts sieht, sodass sich der Gedanke aufdrängt, dass das Ganze eine Marketingmasche ist. Egal, Hauptsache Hugh Hefner gefällt’s.

Wer blöd fragt, kriegt auch blöde Antworten
Homophobie ist in Indien weit verbreitet, kürzlich wurde sogar ein uraltes Gesetz reaktiviert, das Homosexualität unter Strafe stellt. Bollywood-Star Imran Khan versucht dem mit Humor zu begegnen und beantwortet in einem Video oft gestellte Fragen von Schwulengegner (tatsächlich geht es nur um Schwule, nicht um Lesben). Er fordert seine Zuschauer auf, ihm Fragen per Mail an imrananswersstupidquestions@gmail.com zu schicken. Und dann reiht sich eine Albernheit an die andere. Auf alberne Fragen („Haben Schwule AIDS erfunden?“) folgen alberne Antworten („Ja! Schwule sind mit eine sehr gefährlichen Gay-AIDS-DNA ausgestattet!“) und man sieht sechs Minuten lang überdrehten Quatsch. Schade nur, wie immer bei so was: Darüber werden natürlich nur die lachen, die sowieso Imran Khans Meinung sind, bei allen anderen kommt es gar nicht erst an.
http://www.youtube.com/watch?v=cXqH7_dYM_k#t=355

Mmmh, Moustaaache!



Wenn uns die Cloudisierung der Welt etwas gebracht hat, dann viele lustige „Mein Handy wurde gestohlen und ich kann mir jetzt alle Fotos angucken, die der Dieb damit macht“-Geschichten. Hier ist eine neue: Einer Frau namens Danielle Bruckmann wurde ihr Handy gestohlen oder sie hat es verloren – und der Mann, der es geklaut oder gefunden hat, mag sich sehr und macht darum extrem viele Selfies, auf denen er seinen trainierten Körper und/oder seinen gut frisierten Schnurrbart präsentiert. Da diese Selfies alle in Danielles Cloud landeten, hat sie sich die Mühe gemacht, sie nachzustellen (inklusive Schnurrbart). Danke, Danielle!

Na gut, was soll's, dann schreib ich halt 'ne sexy Nachricht...
Wissen wir ja schon: Manchmal haben Menschen Sex mit ihrem Partner, obwohl sie grade nicht sooo dringend wollen. Sie machen mit zwecks Konfliktvermeidung/Gefallen tun/whatever. Was wir noch nicht wussten: In unserer schönen neuen Technologiewelt lässt sich dieses Phänomen auch auf die digitalen Formen der Sexualität übertragen. Eine aktuelle Studie aus den USA besagt, dass 55 Prozent der amerikanischen Frauen und 35 Prozent der amerikanischen Männer, sich schon mal auf Sexting (= sich erotische Nachrichten schreiben) mit dem Partner eingelassen haben, obwohl sie grade keine Lust darauf hatten. Sie machen wohl mit zwecks Konfliktvermeidung/Gefallen tun/whatever. 

Sexunfälle, nachgestellt



Naja, eher Krankenhausbesuche nach Sexunfällen nachgestellt (noch spannender!). Die gibt’s in einer neuen amerikanischen Dokusoap namens „Sex Sent Me to the ER“. Auf brobible.com kann man einen Ausschnitt sehen, in dem es um einen Mann mit einem gebrochenen Penis, seine Frau und seine Geliebte geht, die sich alle im Krankenhaus versammelt haben. Dann passieren total unlogische Dinge und man denkt „Was für ein unfassbarer Blödsinn!“ Also durchaus sehenswert!

Dinge, die einfach nicht wahr sein können, Teil 6528



Es ist noch gar nicht so lange her, da gab es auf der Welt und auch hier auf jetzt.de eine kontroverse Diskussion über die „Anti Rape Wear“, Unterwäsche, die vor Vergewaltigungen schützen soll. Aus Thailand ist nun eine Idee rübergeschwappt, die in die gleiche Kerbe schlägt, aber über die man nicht mal kontrovers diskutieren kann, weil sie dazu viel zu absurd ist: die „Securitypants“, in die ein Penis eingebaut wurde, dessen Anblick die Frauen vor sexuellen Übergriffen schützen soll. Noch seltsamer als die Idee an sich ist das Video, das sie bewerben soll. Wieso zur Hölle ist die Frau die ganze Zeit nackt? Und wer ist eigentlich dieser oberkörperfreie Mann, der ehrlich zugibt, dass er die Frau schon immer gerne mal vergewaltigt hätte, aber seit sie diese Hosen trägt... Alles daran schreit „Fake“, so sehr, dass es schon wieder wahr sein könnte. Wir sind sehr verwirrt!
http://www.youtube.com/watch?v=_smbRKpq3Xk

„Halt das mal!“



Juhu, Klischees! Hier ein besonders schönes: Heterosexuelle Paare gehen gemeinsam shoppen (allein das Wort!), damit die Frau ganz viele Schuhe anprobieren und der Mann die Handtasche und die Einkaufstüten halten kann. Dabei ist sie sehr aufgeregt und er langweilt sich ganz schlimm. Aber wir wissen ja alle, dass jedes Klischee einen wahren Kern hat. Es gibt diese Paare. Und darum gibt es auch einen Instagram-Feed namens  "Miserable Men" der Fotos unglücklicher Männer sammelt, die die Einkäufe ihrer Frauen und Freundinnen bewachen oder im Wartebereich irgendwelcher Umkleidekabinen eingeschlafen sind. Süß.

Hölle der Stille

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Ich bin ein sehr rastloser Mensch. Und meine elendige Ich-will-noch-dies-und-jenes-und-das-auch-und-zwar-gleichzeitig-Lebensart nervt mich und stresst mich manchmal so sehr, dass ich mir Katastrophen wünsche. Manchmal geht es mit meiner Sehnsucht nach kompletter Ruhe so weit, dass ich mir nicht nur Krankheiten, kleinere Unfälle oder Überschwemmungen herbeifantasiere, sondern dass ich mich ins Gefängnis wünsche. Sperrt mich ein, damit ich frei sein kann! Der absolute Irrsinn.

Aber jeder, der in den letzten Jahren oft genug Wochenendteile oder Dossiers von Zeitungen gelesen hat, in denen väterlich-sanftmütige Journalisten in offenen Briefen an ihre ältesten G8-Töchter gegen das Übel unserer flüchtigen Welt anschreiben, hat im Hinterkopf registriert: Langeweile ist der Weg zur Erleuchtung! Langeweile ist das, was uns gesund macht, was das Genie in uns antreibt, was uns Kraft gibt, unser wahres Ich zu entfalten! Vor mir dämmert dann immer ein verschwommenes Bild: Ein kleiner Mensch mit meinem Kopf drauf glotzt in eine Regenrinne, wo Spatzen vor weißem Himmel ihr täglich Wasser nippen. Wenn man mich denn ließe! Wenn mich die Welt denn endlich mal ließe, wenn man mir doch endlich mal meine Ruhe ließe! Ich will endlich mal nichts tun, endlich mal gezwungen sein, an eine weiße Wand zu starren. Rumliegen, eingesperrt sein, frei von dem Stress, den ich mir selbst mache, meinen Erwartungen, meinen Hoffnungen, Zielen – einfach: Ruhe!

Und dann wurde ich krank. In den Weihnachtsferien. Ich bin nie krank. Das letzte Mal richtig krank war ich vor mindestens vier Jahren. Ich kann mich kaum dran erinnern, wie es ist, länger als einen halben Tag im Bett liegen zu müssen. Langweilig war mir zuletzt mit ungefähr fünf Jahren, und auch das ist nur eine vage Vermutung, denn irgendwann im Leben muss einem ja schon einmal langweilig gewesen sein.

Ich musste mich also zwischen Weihnachten und Silvester hinlegen. Eigentlich die Erfüllung meines Traums vom erlaubten Rückzug und dann auch noch während dieser Zeit des Jahres, die einzig zum Verkriechen erfunden wurde. Mein Körper brauchte vor allem Schlaf, aber weil auch nach sehr viel Schlaf früher oder später immer wieder eine Menge Zeit zum Wachsein übrig ist, in der ein kranker Körper trotzdem liegen muss, wurde ich das erste Mal seit Jahren wieder mit einer Sache konfrontiert, die ich mir an stressigen Tagen so sehnlichst wünsche: mit vollem Bewusstsein völlig untätig existieren zu dürfen, ja zu müssen.

Das konnte ich nicht aushalten. Ich streamte trotz Ganzkörperschmerzen sofort einen Film, obwohl ich merkte, dass meine Ohren das nicht wollten, meine Augen auch nicht und es wirklich das Beste gewesen wäre, einfach nur rumzuliegen, an die Decke zu gucken, loszulassen und ab und zu wegzudösen. Aber ein innerer Teufel in mir wollte ganz dringend, dass ich einen Film gucke, dass ich nebenbei mein Smartphone durchscrolle und vielleicht auch noch mit meinem neuen 120er-Stifte-Set was male. Alles tat weh. Alles war eine Qual. Mein Körper wollte Ruhe und Schlaf. Mein Action-trainierter Geist aber wollte das überhaupt nicht. Also rang ich mir das Multitasking vor dem laufenden Film ab. Denn: so viel Zeit, soviel Zeit, dachte ich, die dahingeht! Indem ich nur liege! Hölle des Wachkomas. Wie kann man denn nur rumliegen? So muss es sich anfühlen, wenn man bei lebendigem Leibe vergraben wird, dachte ich. Und scrollte, während ein Film lief, wie eine irre durch nichtssagende Streams, und kritzelte auf einem Blatt Papier unmotiverte, hässliche Muster, nur, um nicht der Passivität zu erliegen.

Zum ersten Mal wurde mir klar, was ich als Gesunde sonst problemlos mit allerhand Betätigungen verdränge: Dass ich das Nichtstun komplett verlernt habe. Dass ich an chronischer Aufmerksamkeitsarmut leide, die Konzentrationsfähigkeit eines fortgeschrittenen Alzheimerpatienten und die Genügsamkeit einer Raupe Nimmersatt im Fressflash besitze.





Ich bin input-süchtig: Ich koche eifrig und unter ständigem Rühren ein Risotto und doch fehlt etwas, es fühlt sich an, wie aufs Klo müssen, nur nicht so unterleibhaft, eher im Hirn – das Gefühl verschwindet, wenn ich mein Handy nehme und allerhand Sachen checke. So etwas mache ich natürlich nicht mehr, wenn mich mein Freund dabei sieht, weil er dann schimpft, ich würde nicht im Jetzt leben. Also nehme ich statt des Handys die Zeitung, die auf dem Tisch liegt, das Magazin, oder stopfe mir was zu Essen in den Mund. Input input input! Ich kann auch nicht mehr aufs Klo gehen, ohne etwas zum Lesen oder Angucken oder Durchscrollen zu haben. Und man muss mich schon ins Kino sperren, damit ich einfach nur einen Film gucke und nicht nebenbei chatte, lese, zeichne, sieben Mal auf Stopp drücke, um was zu essen zu holen. Ich kann auch nicht mehr im Café sitzen und auf jemanden warten und dabei in aller Poesie die Leute beobachten. Ich ziehe mein Handy. Wie ein Zombie starre ich in Streams, die so flüchtig sind, dass ich nichts von ihnen wahrnehme. Lese Tweets aus dem pseudohaft aufgejazzten Leben irgendwelcher mäßig geistreichen Menschen, die mir nichts bedeuten und die nichts in mir hinterlassen als ein kaltes, leeres Gefühl gestohlener Zeit.

Risotto rühren, abwaschen, einen Film gucken, auf der Straße auf jemanden warten und einfach mal gucken, wie die Welt sich an einem Mittwoch um 13 Uhr so verhält, all diese Dinge sind seit dieser Möglichkeit des Handyziehens offenbar keine Beschäftigungen mehr, die mich ausfüllen. Mein Hirn braucht mehr, es ist durchgedreht, es ist zu einem dauerquengelnden Baby mutiert, das einen Kauring braucht, das alles angrapschen und ablecken muss.

Hilflos krank im Bett liegend versuchte ich mich also zu trösten, indem ich mir sagte: Die erste Phase der Langeweile ist ätzend, weiß man doch, sie ist nur der Griesbrei, durch den du hindurch musst, mitten hinein ins Paradies. In einigen Stunden wird eine selige Ruhe dich durchströmen und alles was du dann noch willst, ist dich in den Weiten deines farbigen Hirns zu verlieren und wie ein schön-trauriges tumblr-Mädchen dämmrig in den Staub zu glotzen, der glitzernd durch dein Zimmer schwebt wie heimatlose Partikel im All.

Doch nichts dergleichen. Die Stunden der Handlungsunfähigkeit waren eine Qual, die sich über drei Tage hinzog. Die Griesbreiwand war keine Wand sondern ein Universum.

Ich war und bin also doch das Opfer der rasenden Möglichkeiten und digitalen Feeds, das alle Kulturpessimisten so mahnend beschreiben, und denen ich dann immer trotzig sagen will: Lasst mich in Ruhe mit eurem Generationsgequatsche, mit dem Gerede über die Handysucht und den fehlenden Blick für das echte Leben! Es ist alles ganz anders als ihr denkt!

Aber sie haben ja so Recht. Ich bin ein Irrlicht, eine Ratte auf Speed. Steh mir bei, neues Jahr, ich muss wieder zu einem genügsamen Menschen werden.


Welcher Ausreden-Typ bist du?

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Schau in den Spiegel: Welche Farbe hat dein Gesicht?



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[seitenumbruch]Deine Stirn fühlt sich etwas heiß an, vielleicht kratzt der Hals auch leicht. Kurz: Möglicherweise kündigt sich eine Erkältung an. Was machst du?



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Wie war eigentlich Weihnachten?



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[seitenumbruch]Für 2014 wünsche ich mir:

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[seitenumbruch]Deine Lieblingsserie?

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[seitenumbruch]Dein Clubflirt schlägt spontanen GV draußen vor. Was sagst du?



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[seitenumbruch]Themawechsel, es geht jetzt um Tiere. Mal abgesehen von Niedlichkeit und Geruch: Welches von diesen ist dir am sympathischsten?

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[seitenumbruch]Du gehst mittagessen in der Uni-Mensa. Als Hauptgang nimmst du wie immer Cordon Bleu, aber was wählst du als Nachtisch?



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[seitenumbruch]Jetzt mal was ganz anderes: Lothar Matthäus tritt dir auf einer dieser seltsamen Stehpartys, deren Anlass keiner kennt (es hängen Bilder rum, eine richtige Vernissage scheint es aber nicht zu sein), aus Tollpatschigkeit auf den Fuß. Aus unerfindlichen Gründen ist er zudem allein. Was sagst du zu ihm?

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[seitenumbruch]Das Test-Ergebnis: Du bist...

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Alle Testergebnisse findest du hier.

Welcher Ausreden-Typ bist du? Die Ergebnisse

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Der Hypochonder



Um es ganz direkt zu sagen: Solltest du plötzlich sterben, einer deiner Freunde würde garantiert den Satz „JETZT übertreibt er/sie aber wirklich!" sagen – was größeres Gelächter und kleineres Schulterklopfen nach sich zöge. Keine Sorge, sie lieben dich trotzdem. Alle. Man hat sich im Freundeskreis nur auch an deine latente Todesnähe aufgrund ungeklärter Krankheiten gewöhnt. Denn du kennst eigentlich nur zwei akute Zustände: Krank und auf dem Weg dorthin. Statt in Wochen und Monate unterteilst du das Jahr seit geraumen Infektionen nur noch in Inkubationszeiten und Genesungsperioden. Wahrscheinlich träfe dich der Schlag, fänden die Ärzte tatsächlich mal etwas. Deshalb funktioniert dieser Satz bei dir:„Ich glaube, ich packe es heute echt nicht. Ich fühle mich irgendwie schlecht und bin total schlapp gerade. Gliederschmerzen hab ich auch irgendwie – und so. Muss mich erst mal wieder grundlegend auskurieren."

Der Workaholic



Leg bitte für eine Sekunde das Handy weg. Auch nicht ruckartig auf die Uhr schauen! Einfach nur sitzen und lesen. Schaffst du das? Eben nicht, gell? Du sagst es ja manchmal auch selbst (mit etwas weniger Ironie, als deine Freunde einst zu hören hofften): „Unentbehrlich zu sein ist Fluch und Segen zugleich." Und deshalb ist bei dir immer Vollgas angesagt – du bist jetzt schließlich beruflich „an einem Punkt angekommen, an dem man anders nicht weiterkommt". Zweimal warst du schon kurz davor, dir „Lunch is for wimps" auf die Brust tätowieren zu lassen. Beim dritten Anlauf hast du dich aber doch für „Carpe Diem" entschieden („Da stehe ich im Alter auch noch dahinter!"). Kurz: Für Feierrunden hast du höchstens Zeit, wenn dort ein Deal besiegelt werden könnte. Dein letzter Freund kennt und versteht das – und deshalb auch diesen Satz:„Boah, ich versuch's, könnte aber knapp werden. Bin grad extrem am Rotieren! Melde mich gleich noch mal – geht grad nicht so gut!"

Der "Too much information"-Typ



Schau in deine Textnachrichten aus dem vergangenen Monat. Was liest du da? Blumige Metaphern? Euphemismen? Vorsichtige Umschreibungen? Nope! Stattdessen: Sekret, Körperflüssigkeiten und detaillierte Beschreibungen von Intimitäten. Dein Problem: Du bist zu direkt. Immer. In allem. Du trägst, wie man so schön sagt, das Herz auf der Zunge. Leider aber auch alles sonst: Fäkales, Menstruales, Anales. Man legt dir das fehlende Schamgefühl grundsätzlich als Schrulligkeit aus, schließlich warst du mit der Anekdoten über den „Shart" in der Oper ein ums andere Mal die Starthilfe mauer WG-Partys. Als die Clique kürzlich im neuen Fischlokal war, hat dir trotzdem niemand bescheid gesagt. Am Ende hätte diese Absage die Runde sonst genau zum Lachs-Tartar erreicht:„Shit, komme nicht, meine Hämorrhoiden nässen wieder total. Moment, ich schicke schnell ein Bild ..."

Der Ehrliche



Lügen ist was für Schwächlinge. Nach diesem Grundsatz bist du seit deiner Einschulung in Bredouillen aller Art verfahren, was die Steine in deinem Weg, sagen wir mal: nicht direkt kleiner gemacht hat. Aber jeder verdient die Wahrheit, findest du, und Lügen beginnt für dich schon bei Sätzen wie „Tut mir leid" („im Grunde ja eine total verlogene Phrase"). Deine konsequente Weigerung, wahrheitsverschleiernde Dinge jeder Art zu sagen, stößt deinem Umfeld immer wieder sauer auf - vor allem wenn es sich dabei um Klassenlehrer oder Streifenpolizisten handelt. Charmant wie 'ne Panzerfaust, aber dafür zuverlässig und unterhaltsam: Genau deshalb lieben dich deine dir verbliebenen Freunde. Als Ausrede könntest du ihnen also im Grunde alles erzählen, keiner würde dich je der Lüge verdächtigen, einfach weil du nie lügst. Am Ende kommt für dich deshalb ohnehin nur ein Satz in Frage: „Nö, ich hab keinen Bock."

Der Umfaller



Du suchst nach Ausreden-Tipps, wirklich?! Dir ist doch vollkommen klar, dass du am Ende eh wieder mitgehst. Das wissen inzwischen auch alle deine Freunde, weshalb sie deine erste faule Absage („...echt total geschafft von der Arbeit, nee, heute nur noch 'n Date mit der Couch!") schon routiniert in die Abendplanung einrechnen. Sie wissen: beim zweiten Anruf aus der Kneipe wird deine Ablehnung deutlich weniger entschieden klingen, die dritte SMS brauchst du nur noch als letzten Ruck, nebenbei schnürst du dir schon die Schuhe. Und weil elf Stunden später garantiert wieder du derjenige sein wirst, der jedem an der Garderobe ins Ohr brüllt „Wie, du gehst JETZT schon?", stört es sie auch nicht, dass du dich anfangs so zierst. Sag also einfach: „Nee du, heute wird das nix mehr mit mir. Freu mich den ganzen Tag schon auf meine Jogginghose. Aber klar, kannst mich ja trotzdem mal auf dem Laufenden halten, wie es bei euch so ist." 

Der erste Jahresrückblick 2014

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Es gibt einige Indikatoren, die dir dabei helfen zu erkennen, dass ein neues Jahr begonnen hat: ein ohrenbetäubendes Feuerwerk um Mitternacht, Horden von Betrunkenen auf der Straße, ohne dass ein Fußballspiel angekündigt wurde, und die Tatsache, dass in den Medien (zumindest vorerst) auf Jahresrückblicke verzichtet wird. Nicht nur katerbedingte Erinnerungsschwächen sorgen dafür, dass das Überdenken-was-passiert-ist vom Wissen-was-wichtig-wird überholt wird: Zur Jahreswende werden Rückblicke auf die vergangen zwölf Monate durch Vorschauen und Prognosen für die kommenden abgelöst.



Wir finden ja: Es ist nie zu früh für einen Jahresrückblick. 

Aber wieso sollte man überhaupt ein Jahr warten, bis man seine Erfahrungen reflektiert? Warum sollte man erst dann über seine Erlebnisse nachdenken, wenn die Erinnerungen daran schon fast verblasst sind? Und warum sich mit unscharfen Wahrsagen quälen, wenn das Zurückblicken auf die kurze Phase des neuen Kalenderjahres noch so einfach ist?  

Auch wenn der Neujahrstag so ereignisarm erscheint wie die Silvesternacht spektakulär, häufen sich rasch genug Augenblicke, um eine erste Vergangenheitsbewältigung loszutreten. Lass die letzten Tage Revue passieren und zeig uns was dich 2014 schon bewegt hat – auch wenn du womöglich nicht einmal die Couch verlassen hast. War die Pizza vom Lieferservice zu kalt? Hattest du keinen Kater, obwohl du allein genug Fusel für eine ganze Bar getrunken hast? Hat dein Ex-Partner nicht auf deine SMS um vier Uhr morgens geantwortet? Oder konntest du nicht richtig ausschlafen, weil dein erster Praktikumstag in der jetzt.de-Redaktion am zweiten Januar war? Was sind deine spannendsten, lustigsten oder enttäuschensten Momente des jungen 2014?

Schickimicki am Rhein

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Will sein Champagnerimage loswerden: Die Stadt am Rhein Düsseldorf.

So leicht ist die Stadt ja gar nicht zu finden. Zumindest wenn man die Autobahn nimmt und von Köln nach Düsseldorf fährt; da sind alle möglichen Käffer angeschrieben, nur eben die Landeshauptstadt nicht, diesen Spaß haben sich die Kölner erlaubt. Ansonsten ist aber gar nicht so viel übrig geblieben von der Überheblichkeit, mit der man lange vom Dom aus rheinabwärts geguckt hat. Weil Düsseldorf in den vergangenen Jahren erstaunlich viel richtig gemacht hat. Weil die Stadt schuldenfrei ist und viel schneller wächst, als sich das die Düsseldorfer Politik selber vorgestellt hat.

Wer nach Düsseldorf zieht, muss nichts für den Kindergarten zahlen und fährt in einer U-Bahn, die mit feinstem Stoff bezogen ist und in ausgewählten Linien ein Bordbistro führt, in dem man ein feines Altbier trinken kann. Rein äußerlich gesehen ist Düsseldorf eine schöne Stadt; im Viertel Oberkassel, wo die meisten Bundesligaprofis aus Gelsenkirchen und Mönchengladbach wohnen, gibt es Straßenzüge mit Gründerzeitbauten, in weiß getüncht, fast schon hanseatisch. Deshalb ist es eigentlich kein Wunder, dass in Düsseldorf – entgegen allen Erwartungen – bald mehr als 600 000 Menschen wohnen. Eigentlich.

Tatsächlich gibt es unter den ernst zu nehmenden Städten der Republik keine andere, deren Bild so miserabel ist. Und der Düsseldorfer neigt leider dazu, das Klischee von sich selbst überzuerfüllen: Düsseldorf war lange die Modehauptstadt in Deutschland, aber die Mode ist irgendwie auch auf dem Stand der Achtzigerjahre stehen geblieben; der Mann trägt gerne rosa Poloshirts und stellt den Kragen hoch, die Frau wird mit Perlenohrringen geboren. Und immer noch zieren kleine Bommel die Slipper.

Das ist natürlich alles unglaublich ausschnitthaft und oberflächlich betrachtet, trotzdem stellt sich die Frage, wie es zu diesem hartnäckig negativen Image kommen konnte. Kaum eine andere Metropole hat so viele Brüche in der Wahrnehmung erlebt; mit der Realität hatten nur die wenigsten zu tun. Düsseldorf war ja schon alles, außer Bundeshauptstadt vielleicht. Düsseldorf war Punk-Hauptstadt, wegen der Toten Hosen, aber vor allem wegen Clubs wie dem Ratinger Hof. Düsseldorf war die Stadt von Joseph Beuys und Gerhard Richter, bevor es Letzterem zu blöd wurde und er nach Köln übergelaufen ist. Dass es da ein Problem gibt, haben auch die Düsseldorfer gemerkt, mit einer Kampagne auf Plakatwänden und in den sozialen Netzwerken sollte ein anderes Bild vermittelt werden. „Düsseldorf (...wird...) von außen oft aus rein materieller Perspektive betrachtet – als reich, schuldenfrei, schickimicki oder gar spießig“, teilte Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU) mit.

Damit hat er gar nicht mal unrecht. Das Problem ist, dass er danach selber alle Vorurteile bestätigte. Er zahlte 10000 Euro dafür, dass die Ermittlungen gegen ihn eingestellt wurden, weil er sich von einem städtischen Unternehmen eine Kiste Champagner schenken ließ. Er flog First Class. Er weigert sich, in einen Solidarfonds einzuzahlen, mit dem die armen Ruhrgebietskommunen unterstützt werden sollen, die nur wenige Kilometer entfernt liegen. Elbers macht die Stadt wieder kleiner als sie ist.

Gekauft?

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Der Klassiker unter den Süßstoffgetränken: Coca Cola.

Die Welt steckt voller Übel und voller Ungewissheiten. Für Limonaden, Cola und andere Zuckerbrause gilt beides: Die süßen Getränke gelten als schädlich, sie sind insbesondere als Dickmacher verschrien. Ob das aber wirklich so ist, das scheint nicht ganz gewiss. Manche Studien identifizieren den Konsum von Limonaden als wichtigen Faktor, der Übergewicht oder gar Fettleibigkeit begünstigt. Die Autoren anderer Untersuchungen winken ab und geben eher Entwarnung. Wie kann das sein, sind Limonaden nun Dickmacher? Und woher rührt diese Ungewissheit? Forscher der spanischen Universität Navarra und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke (DIfE) geben eine mögliche Antwort: Wenn Wissenschaftler in einem Interessenkonflikt stecken, weil sie oder ihre Studie von der Getränkeindustrie finanziert werden, dann fällt ihr Ergebnis auch eher im Sinne der Limonadenhersteller aus. Das berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Plos Medicine.

Das Team um Maira Bes-Rastrollo wertete sämtliche Übersichtsarbeiten aus, die in den vergangenen Jahren zum Thema Gewichtszunahme und Limonadenkonsum erschienen sind. Der Einfluss einer Finanzierung durch die Lebensmittelindustrie zeigte sich dabei deutlich. Mehr als 80 Prozent dieser Arbeiten kamen zu dem Ergebnis, dass stark zuckerhaltige Getränke kein besonderes Problem darstellten. Gaben die Autoren der nun ausgewerteten Arbeiten hingegen keinen Interessenkonflikt an, ergab sich ein beinahe spiegelverkehrtes Bild. Ebenfalls mehr als 80 Prozent dieser Studien kamen zu dem Ergebnis, dass ein hoher Konsum von stark gezuckerten Getränken direkt mit einer Gewichtszunahme oder Übergewicht in Zusammenhang steht.

Bis in alle Ewigkeit

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Sie schluckt etwa 40 Schlaftabletten. Dann gibt ihr Körper auf. Am 5. August 1962 wird Marilyn Monroe in ihrer Villa in Los Angeles gefunden, nackt, tot. Sie hinterlässt 1,6 Millionen Dollar.

51 Jahre später verdient sie 15 Millionen Dollar. Oder genauer: Jamie Salter verdient an ihr. An ihren Augen, ihren Lippen, ihrem Namen. Salter ist Chef der Markenagentur Authentic Brands Group. Er besitzt Marilyn Monroe. Die Schauspielerin hat sich nach ihrem Tod seltsam verwandelt, wie viele Stars, die nicht alt werden und damit nicht hässlich. Sie betrinken sich nicht mehr, betrügen ihre Frauen und Männer nicht, zertrümmern keine Hotelzimmer und hinterziehen keine Steuern.



Auch über ihren Tod hinaus sind Stars wie Marilyn Monroe kommerziell verwertbar.

Es ist eine lukrative Verwandlung, eine zweite Karriere. Der Tod als Anfang – rein kommerziell gesehen. Das Wirtschaftsmagazin Forbes kürt jedes Jahr die bestverdienenden Toten. Sie nehmen nicht selten mehr Geld ein als lebende Stars. Michael Jackson etwa hat zwischen Oktober 2012 und 2013 etwa 160 Millionen Dollar verdient. Madonna, die ist noch am Leben, nur 125 Millionen Dollar. Tote Stars verdienen es mit Touren durch ihr Haus wie Elvis Presley (Einnahmen: 55 Millionen Dollar), mit Parfüm wie Elizabeth Taylor (25 Millionen), Badehosen wie Bob Marley (18 Millionen) oder mit teuren Füllern wie Albert Einstein (10Millionen).

Die, auf deren Konten das Geld schließlich landet, sind oft die Witwen, die Söhne und die Enkelinnen. Marilyn Monroe vermachte ihr Vermögen ihrem Schauspiellehrer Lee Strasberg und ihrer Psychoanalytikerin Marianne Kris. Albert Einsteins Nachlass ging an die Hebräische Universität in Jerusalem. Vor allem aber verdienen Agenturen, die tote Stars vertreten. Die Manager der Toten. In den USA haben besonders zwei Juristen dieses Geschäft erfunden.

Roger Richman hatte sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren als Künstler versucht, als Filmproduzent, erfolglos, das hat er später zugegeben. Er war pleite, als die Enkel des Komikers W. C. Fields ihn beauftragten, sie zu vertreten. Es war ein Poster des Großvaters erschienen, sein Kopf montiert auf einen Körper, der nur eine Windel trug. Den Enkeln passte das nicht. Zumindest passte ihnen nicht, dass sie nichts daran verdienten.

Richman wurde Lobbyist für ein Gesetz, schrieb an 88 Hollywood-Stars – Elizabeth Taylor kam nach Kalifornien, um vor den Abgeordneten zu sprechen. Die Diva überzeugte: 1984 trat der „California Celebrity Rights Act“ in Kraft. Er schützt den Namen, das Aussehen, die Stimme einer Berühmtheit bis zu 70 Jahre nach ihrem Tod, auch Fotos und die Unterschrift. Richman vertrat später die Erben von Albert Einstein, Clark Gable und Steve McQueen. Wann immer Unternehmen mit diesen Stars werben wollten, verdiente er mit: 35 Prozent der Erlöse gingen an Richman. Im Oktober ist er gestorben, seine Agentur gehört heute zum Imperium von Bill Gates.

Die Vermarktungsrechte eines Stars sind vererbbar wie eine Villa oder eine Oldtimer-Sammlung. Dafür hat auch Mark Roesler einen Präzedenzfall geschaffen. 1993 erstritt er für die Witwe von Malcolm X einen Vergleich: Regisseur Spike Lee musste für seinen Film über den Bürgerrechtler Lizenzgebühren bezahlen.

Mit seinem Unternehmen CMG Worldwide vertritt Roesler heute mehr als 300 tote Klienten, Malcolm X ist noch immer darunter, auch James Dean. CMG und die Richman-Agentur beherrschen den Markt in den Vereinigten Staaten.

Jamie Salter dagegen reicht es nicht, verstorbene Stars zu managen. Er will sie besitzen. Um nicht noch einmal zu erleben, was ihm mit Bob Marley passiert ist. Salter ist in Toronto geboren, er hat lange Sportprodukte vermarktet, später Marken wie Polaroid übernommen, um sie wieder groß zu machen, mit mäßigem Erfolg. 2008 wurde ihm Cedella Marley vorgestellt, eine Tochter des Reggae-Musikers Bob. Salter rechnete aus, dass damals Händler weltweit mit Bob-Marley-Produkten 600 Millionen Dollar im Jahr verdienten, aber keine Lizenzgebühren zahlten. Er ließ die Gebühren eintreiben. Und Salter entwickelte Produkte, die zum Mythos Marley passen sollten: zu Weltfrieden, Solidarität, Umweltschutz. So entstanden Marken-Badeshorts in grün, gelb, rot; aus recyceltem Plastik. Und teure Kopfhörer aus Holz.

Das Geschäft lief für Salter, aber die Familie verlängerte den Vertrag nicht. Als ihn 2010 Anna Strasberg aufsuchte, die Witwe des Schauspiellehrers von Marilyn Monroe, bestand Salter darauf, die Rechte zu kaufen statt nur zu vertreten. Er soll 20 bis 30 Millionen Dollar dafür bezahlt haben.

Es ist das, was das Geschäft mit toten Stars ausmacht: Die Agenten müssen erfassen, wofür ein Prominenter steht. Marilyn Monroe ist heute die Göttin, deren weißes Kleid über einem U-Bahn-Schacht flattert; die ihrem damaligen Präsidenten John F. Kennedy ein Geburtstagsständchen haucht. Für immer 36. Vergessen die Zeiten, in denen die Monroe schlecht gelaunt zu Dreharbeiten erschien, mit von Schlaftabletten geschwollenen Augen, zu spät und irgendwann gar nicht mehr. Zeiten, in denen Szenen bis zu vierzig Mal wiederholt werden mussten, obwohl sie nur einen einzigen Satz sagen sollte. Solche Probleme bereitet sie ihrem Agenten heute nicht mehr. Vor zwei Jahren trat Monroe in einem Werbespot auf, im Spiegelsaal von Versailles saß sie und frischte ihren Lippenstift auf, verlangte Parfüm von Dior. Ausgeschlafen, frisch, sexy, in Farbe, digitalisiert.

Stars werden einfacher, wenn sie tot sind. Sie wecken ihre Manager nachts nicht mehr auf, nur weil in der Minibar der Champagner fehlt. Kein schlechtes Geschäft.

Vom Junkie zum Helfer

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Carina Brauer steht nicht weit vom Nürnberger Hauptbahnhof und verteilt Fixerbesteck. Sie trägt Strickmütze, Windjacke, Sneakers – und einen blauen Rucksack. Darin: eine Plastiktüte voller Spritzen, Nadeln, Ascorbinsäure, Döschen mit sauberem Wasser. „Hi Carina, hast du Besteck für mich?“ Immer wieder kommen junge Männer und ab und an eine Frau auf sie zu. Carina Brauer öffnet dann den Rucksack, fragt „wie geht’s dir denn?“, während sie drei Spritzen, drei Filter, drei Kanülen abzählt. Soviel bekommt jeder an der Königstorpassage kostenlos.

„Rattenpfuhl“ wird der Ort genannt, an dem Carina Brauer immer mittwochs mit ihrem Rucksack unterwegs ist. Irgendwann sollen einmal ein paar Nagetiere im Brunnen neben der Passage ertrunken sein, daher der Name. Am Rand der Stadtmauer trifft sich der Rand der Gesellschaft: Männer und Frauen, die meisten zwischen 30 und 50. Das ist die Nürnberger Drogenszene, hier finden sich Dealer und Käufer. Einigen sieht man an, dass ihre Sucht sie auszehrt, andere könnte man für vorbeilaufende Passanten halten. Mitten durch die Grüppchen hindurch gehen Touristen, die in die Altstadt oder ins Bratwursthäusle wollen.

Die 34 Jahre alte Carina Brauer kennt die Drogenszene. Sie hat selbst viele Jahre lang konsumiert: Sie ist 16, als sie mit Speed, Ecstasy und LSD ihre Wochenenden in Techno-Clubs durchtanzt, ohne müde zu werden. Sie ist 18 oder 19, als sie zum ersten Mal eine Frau beobachtet, die auf der Toilette Crystal Meth schnieft. „Die hatte Pupillen groß wie Teller“, erzählt Carina Brauer. „Das hat mich heißgemacht, das wollte ich auch.“ Sie kauft ein erstes Tütchen der eisfarbenen Kristalle – und will nicht mehr aufhören. Was dann beginnt, nennt sie „relativ klassisch“: Sie und ihr Freund verkaufen ein bisschen was weiter, werden erwischt, Prozess, zwei Jahre auf Bewährung. „Ich bin vorbestraft“, sagt sie nüchtern. Ihre Geschichte nimmt danach jedoch eine Wendung, die Carina Brauer Schritt für Schritt auf die andere Seite der Szene bringt: Die junge Floristin macht eine Therapie. Sie befreit sich aus den Klauen der Sucht und entscheidet sich dafür, anderen Süchtigen zu helfen. Sie studiert Soziale Arbeit an der evangelischen Fachhochschule Nürnberg, kommt in Kontakt mit der Drogenhilfe. Seit zwei Jahren arbeitet Carina Brauer hier bei mudra, Verein für alternative Jugend- und Drogenhilfe.



Ein Mann spritzt sich Heroin. Jugendliche Drogenkonsumenten greifen jedoch vermehrt zur aufputschenden Droge Crystal Meth.

1980 gegründet von Studenten und ehemaligen Süchtigen, vertritt der Verein bis heute die Philosophie, dass Drogenhilfe nicht bevormunden, sondern Hilfesuchenden die Hand reichen soll. Hier gehört es zum Konzept, dass ehemalige Süchtige mit Sozialpädagogen im Team zusammenarbeiten. Das macht den Verein zu etwas Besonderem in der häufig restriktiven und konservativen bayerischen Drogenarbeit.

Carina Brauer, die Crystal schnupfte, statt Heroin zu spritzen, steht bei mudra in gewisser Weise für eine neue Generation von Drogenkonsum. Auch wenn Heroin immer noch die häufigste Todesursache unter Drogenabhängigen ist: Crystal kommt. Waren die Kristalle vor zehn Jahren noch relativ neu in der Szene, überflutet heute gerade tschechisches Crystal Meth vor allem Nord- und Ostbayern – und ist immer stärker auf dem Vormarsch (siehe unten). Im Jahr 2012 probierten erstmals mehr Leute Crystal aus als Heroin. Leistungsstark, ohne Selbstzweifel, kein Schlaf mehr nötig – das bewirkt Crystal und passt damit gut in die Leistungsgesellschaft. Und wird dementsprechend in allen Bevölkerungsschichten konsumiert. Als sogenannter Beikonsum, als zusätzliche Droge zum Heroin, erfasst es Schritt für Schritt auch die Szene.

Auch Micha, der an diesem Vormittag am Rattenpfuhl in der Kälte steht, kauft inzwischen Crystal. Er sagt, er sei 50, sieht aber jünger aus. Seit vielen Jahren ist Micha heroinabhängig. Crystal nimmt er, „um wieder runterzukommen“, wie er sagt. Ein gängiges Schema unter Heroinabhängigen. „Teufelszeug“, knurrt Micha. „Mir hat’s den Kopf weggehauen beim ersten Mal – es müsste viel mehr Aufklärungsarbeit über die Wirkung geben.“ Erst habe die Wirkung „geknallt“, dann hätten die Horrortrips begonnen, Paranoia, Leere. Lieber als am Rattenpfuhl trifft er Carina Brauer und Johanna Happach, die mittwochs immer gemeinsam zur Streetwork an die Königstorpassage gehen, in den Räumen von mudra. Im Kontaktladen, wo er ebenfalls Fixerbesteck, aber auch Tee oder warme Kleidung bekommt. Oder im Jobbüro, wo Christine Kuhn arbeitet. Wenn sie da sei, freue er sich, sagt er.

Christine Kuhn ist blond, dunkle Schminke, hohe Stiefel. Sie berät Abhängige und ehemalige Abhängige darin, wie sie vielleicht wieder eine Arbeit annehmen können. Das strukturiert das Leben, ist was zum Festhalten, auch wenn es erst mal ein Tagesjob ist, wie Micha ihn hat. 85feste Arbeitsplätze bietet mudra an, Ein-Euro-Jobs im Wald, in der Schmuckwerkstatt, in der Näherei. Wer viele Jahre nicht gearbeitet hat, muss sich wieder an diesen Alltag gewöhnen: morgens aufstehen, Aufgaben erfüllen, zuverlässig sein.

Christine Kuhn weiß das. Fast 20 Jahre lang spritzte sie selbst Heroin. Dass sie jetzt anderen in Notlagen helfen kann, hält sie selbst für ein Wunder. „Die Arbeit ist meine Lebensversicherung“, sagt sie. Jetzt rückfällig zu werden, wäre ihr unsagbar peinlich. Auch als Schutz davor erzählt sie offen davon, wie sie sich als 14-Jährige ihren ersten Schuss setzte: „Das war genau die Entspannung, die ich gesucht habe.“ Ein Schuss – dann sollte es 20 Jahre dauern, bis sie die Sucht besiegte.

Der Auslöser für den Ausstieg war Zorn. Zorn über die bürokratischen Hürden des Drogenersatzprogramms. Über die Scham, vor den Sprechstundenhilfen pinkeln zu müssen: Kuhn war jahrelang in einem Methadonprogramm – von einem auf den anderen Tag stieg sie aus. „Ich wollte nicht mehr“, sagt sie. Sie weiß, dass sie Glück hatte, dass sie den kalten Entzug schaffte und nicht in eine Alkoholsucht rutschte. Als sie kurz darauf schwanger wurde, versprach sie dem Baby, nicht rückfällig zu werden. Heute geht ihre Tochter in die Schule, Kuhn arbeitet seit ihrer Ausbildung in Akzeptierender Drogenarbeit bei mudra. „Der tägliche Umgang mit der Sucht lehrt mich Demut“, sagt sie. „Man denkt, man sei weg – aber es wird immer ein Kampf bleiben.“ Kuhn hat längst ihren Frieden gemacht mit ihrer Vergangenheit. Ihrer Meinung nach ist es die andere Art von Empathie, die sie für ihre Arbeit auszeichnet.

Carina Brauer nutzt ihre Erfahrungen vor allem, wenn sie Angehörige berät. Weil sie beide Seiten verstehen kann – die Süchtigen und die Hilflosen. Die Eltern, Partner, Kinder. Ihre Kollegin Johanna Happach findet die Frage, ob Carinas Vergangenheit in der Arbeit einen Unterschied mache, etwas seltsam. „Das macht gar keinen Unterschied“, sagt sie. „Das ist für mich einfach die Carina.“
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