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Blackout

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Ich krieche nicht oft auf allen Vieren durch meine 2-Zimmer-Wohnung. Deshalb bin ich dabei auch sehr ungeschickt. Ich blinzle panisch, als könnten meine Augen sich dadurch schneller an die Dunkelheit gewöhnen.

Tastend erkenne ich die Wohnung kaum wieder. Ich wühle da, wo ich die Taschenlampe vermute. Ich finde sie nicht. Ich gebe auf, setze mich aufs Sofa und warte. Dann geht das Licht wieder an. Im Radio läuft immer noch das gleiche Lied. Der Stromausfall hat also keine drei Minuten gedauert. Deshalb darf man eigentlich auch nicht „Stromausfall“ dazu sagen. Laut Bundesnetzagentur gilt eine Unterbrechung nämlich erst ab drei Minuten als Stromausfall. „Dieses System hübscht die Statistik ziemlich auf“, sagt Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. „Im Schnitt haben wir zwischen 14 und 16 Minuten pro Jahr keinen Strom.“ Im internationalen Vergleich ist das allerdings ein Witz. Als im Juli 2012 drei indische Hochspannungsnetze auf einmal zusammenbrachen, war davon fast ein Zehntel der Weltbevölkerung betroffen. Und das für mehrere Tage. Bei Ausfällen wie diesem entstünden jährlich Millionenschäden, sagt Peters.

Das Ausmaß meiner dreiminütigen Suchaktion im Dunkeln beschränkt sich auf ein von der Stuhlkante demoliertes Knie. Warum hat sich dieses banale Ereignis trotzdem kurz so aufregend angefühlt? Ich habe keine Angst vor der Dunkelheit, das ist es also nicht. Vielleicht ist es dieses kurze Gefühl des Ausgeliefertseins. Nicht zu wissen, wann das Licht wieder angeht und man den Film weiterschauen kann. Der Kontrollverlust, weil etwas weg ist, was sonst so selbstverständlich scheint – und man nichts dagegen tun kann.

Laut Peters ist die „Angst vor der ewigen Dunkelheit“ in Mitteleuropa unbegründet. „Weder Energieanbieter noch staatliche Behörden drehen den Strom einfach so ab. Bei uns gibt es immer eine Erklärung wie Schneestürme, Unwetter oder Hochwasser.“ Das ist nicht überall auf der Welt so. In Ländern, in denen der Strom knapp ist, gibt es staatlich verordnete Ausfälle von mehreren Stunden pro Tag. Dazu kommen unangekündigte Unterbrechungen der Netzbetreiber. Wie beeinflusst das den Alltag der Menschen dort? Erschrecken sie überhaupt noch, wenn plötzlich das Licht ausgeht? Oder haben sie die Taschenlampe immer schon griffbereit? Wir haben mit drei jungen Menschen gesprochen, die mit täglichen Stromausfällen leben.

>>> "Wenn der Strom ausgeht, wird geschwitzt" – drei Protokolle aus Libanon, Ghana und Indien
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Aline Iskandar, 26, ist Grundschullehrerin in Beirut, Libanon


Normalerweise werden wir Lehrer gewarnt, wenn der Strom für längere Zeit ausfällt. Beim letzten Mal hatte ich vergessen, meine Mails zu checken, und plötzlich saß ich mit den Kindern im Dunkeln. Ich musste dann erklären, warum es für den Libanon wichtig ist, Strom zu sparen. Auf der Schule sind eher Kinder von reichen Eltern, die haben alle Notstromgeneratoren zu Hause. Denen ist gar nicht bewusst, dass der Großteil der Bevölkerung abends im Dunkeln sitzt.

Wir haben jeden Tag Stromausfälle von mehr als zehn Stunden. Vorgestern steckte ich 15 Minuten im Aufzug fest, bis der Notstrom anging. Und wenn der Strom ausgeht, wird geschwitzt, weil auch die Klimaanlage ausfällt. Deshalb gehört einfache Mathematik zum Alltag: Wann dusche ich und wann föhne ich mir die Haare? Wann kann ich Wäsche waschen? Wann muss ich mein Handy laden? Der ganze Alltag dreht sich um diese nervigen Fragen. Das ging auch schon der Generation meiner Eltern so. Nur, dass die noch nicht so technikabhängig waren wie wir.






Jerry Nkrumah, 26, hat in Agona Swedru, Ghana, eine NGO gegründet


Man hört es immer schon von Weitem: Wenn sie in den Nachbarvierteln ‚Oooh‘ rufen, weißt du, dass auch bei dir gleich das Licht ausgeht. Und wenn der Strom zurückkommt, jubelt das ganze Viertel. Früher konnte man sich nach festen Ausfallzeiten richten – beim Friseur hat man dann gesehen, wie die Kunden hektischer wurden, weil sie wussten, dass gleich der Rasierer ausgeht. Und der Friseur wusste, dass um Punkt sechs der Haarschnitt fertig sein muss.

Heute hat die Regierung die Situation nicht mehr im Griff, der Strom fällt zu den unterschiedlichsten Zeiten aus. Am meisten trifft es kleine Unternehmen: Internetcafés, Nähereien, Supermärkte. Die Fleischerin bei mir um die Ecke muss oft alles wegschmeißen.

In meinem Job muss ich viel skypen und häufig wird nach zehn Minuten die Verbindung unterbrochen. Die Stromausfälle beeinflussen aber auch meine Freizeit: Bevor ich feiern gehe, schaue ich, ob der Club einen Notstromgenerator hat. Eine Stunde ohne Musik wäre okay – aber spätestens wenn die Klimaanlage ausfällt, ist jede Party vorbei.






Radhika Gupta, 28, bildet in Indien Lokaljournalisten aus


Ich arbeite für Video Volunteers, wir bilden Journalisten aus und verbreiten ihre Geschichten online – ohne Internet können wir also praktisch nichts machen. Wenn der Strom ausfällt, gehen wir mittagessen oder legen eine Kaffeepause ein. Die verlorene Arbeitszeit hole ich am Wochenende nach, das macht die Freizeitplanung schwierig.

Durch meinen Job komme ich in die abgelegensten Dörfer. Selbst da, wo es kein sauberes Trinkwasser oder Sanitäranlagen gibt, wollen die Leute zuerst Elektrizität. Ohne Strom bist du vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten. Du kannst kein Bankkonto eröffnen und dich nicht für Jobs außerhalb deines Dorfes bewerben. Du kannst dich noch nicht mal bei den Behörden darüber beschweren, weil du dafür ein Online-Formular ausfüllen müsstest. Auch absurd: In einem kleinen Dorf wurden drei riesige Kraftwerke gebaut – aber statt erst mal die Umgebung zu versorgen, fließt der Strom quer durchs Land in die größeren Städte. Die Leute sitzen im Dunkeln, während vor ihrer Haustür Strom produziert wird.

>>> "Das Arbeiten im Energiebereich ist wie das Arbeiten am Antrieb der Entwicklungsmaschine" – Monique ezählt von ihrem Kampf gegen Energiearmut in Indien






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Mehr Licht!






2012 gab es in Indien einen großen Stromausfall, 600 Millionen Menschen waren betroffen. Sechs junge Australier – unter anderem Monique Alfris, 31, – gründeten daraufhin Pollinate Energy, ein Start-up-Unternehmen, das in indischen Slums günstige Solarlampen und nachhaltige Öfen verkauft – allein in den vergangenen drei Jahren an etwa 10 000 Haushalte. Das Ziel des Unternehmens: Strom für alle, bezahlbar und unabhängig.


Als in Indien 2012 die Lichter ausgingen, seid ihr gerade beim Bier gesessen, habt vom Stromausfall gehört und beschlossen, dass ihr helfen wollt?
Monique: Das war nicht mein persönlicher Wendepunkt. Ich habe vorher schon in Asien gearbeitet und war enttäuscht von der Qualität der NGOs, die dort tätig waren. Das war der Moment, in dem ich beschlossen habe, ein eigenes Projekt ins Leben zu rufen und es besser zu machen.

Wer sich in Entwicklungs- und Schwellenländern engagiert, kämpft meistens gegen Hunger oder Krankheiten. Ist das nicht wichtiger?
Hunger und Krankheiten sind wichtige Probleme, die unbedingt zu lösen sind. Aber meine Kompetenz liegt im Energie- und Technikbereich, ich habe in Australien Erneuerbare Energiewissenschaften studiert. Viele medizinische und Ernährungsprobleme rühren von mangelndem Energie- und Wasserzugang her. Für mich ist das Arbeiten im Energiebereich also wie das Arbeiten am Antrieb der Entwicklungsmaschine.

Euer Gründerteam besteht aus sechs Leuten, und ihr habt alle unterschiedliche Fachgebiete – du kommst aus dem Bereich der erneuerba-ren Energien, dein Kollege Ben ist zum Beispiel Produktdesigner. Ist das Teil eures Konzepts?
Genau. Wir arbeiten auch an anderen Bereichen wie zum Beispiel besseren Unterkünften und Toiletten. Allerdings verstehen wir Pollinate nicht als Projekt, sondern als nachhaltiges Langzeitunternehmen, das weiter wachsen wird, um so der Gemeinschaft zu dienen.

Und wie reagieren die Einheimischen auf euch, wenn ihr als junge Ausländer ankommt und ihnen erklärt, dass sie ihre Gewohnheiten ändern und Energie effizienter nutzen sollen?
Wir haben lokales Personal, das die meiste Arbeit in den Slums für uns erledigt.

Wie funktioniert diese Arbeit genau?
Die Lampen lassen wir in China von einer indisch-australischen Firma mit Hauptsitz in Mumbai herstellen. Das lokale Personal, die sogenannten Pollinators, sprechen mit den Bewohnern, weil sie die regionalen Sprachen beherrschen. Sie erklären den Menschen die Vorteile unserer Produkte und verkaufen sie. Meistens sind sie selbst Erstkunden, mit denen wir ganz am Anfang schon einen Kontakt herstellen konnten. Unsere internationalen Helfer begleiten sie bei ihrer Arbeit, aber die Pollinators geben den Ton an. Sie sollen mit der Zeit immer mehr Handlungsfreiheit bekommen und ihren Markt selbst strukturieren.

Die internationalen Helfer sind vor allem Frei- willige, auf die ihr angewiesen seid, um euer Geschäft aufrechtzuerhalten. Erklär mir doch mal, warum ich nach Indien gehen sollte, um für Pollinate Energy zu arbeiten, wenn ich doch auch in eurer Heimat Australien ein heißes Surfergirl werden könnte …
(lacht) Die Freiwilligen helfen, unser Pollinate-Mikrounternehmen in neuen Städten zu kickstarten – mit Training und Finanzierung, wie zum Beispiel kürzlich in Kalkutta, wo wir ein neues Büro eröffnet haben. Sie lernen ein Start-up-Unternehmen und seine tägliche Arbeit kennen und bekommen einen Einblick in soziales Business. Außerdem kannst du beides machen: Komm für einen Monat zu uns, um an einem unserer Programmen teilzunehmen – und dann gehst du nach Australien.

Wo schaust du hin?

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Den Großteil unserer Zeit verbringen wir, wenn wir nicht gerade schlafen, am Arbeitsplatz. Das ist nicht immer spannend. Jeden Tag die gleichen Gesichter, die gleichen Witze vom Kollegen, das gleiche Gluckern des Wasserspenders. Aber in diesem Ambiente sollen wir nicht nur funktionieren. Nein, wir sollen auch kreativ sein, in die Zukunft schauen, Weitsicht haben. Leider überwiegt am Arbeitsplatz meist die Nahsicht. Wir starren auf Bildschirme, Geräte und andere Dinge, die nicht weiter als einen halben Meter von uns entfernt sind. Das geht gegen unsere Natur, sagen Forscher: Hat der Mensch keine Sicht ins Freie, fehlen ihm Informationen, die die Stimmungslage und die Leistungsbereitschaft positiv beeinflussen. Dieses Phänomen hängt mit der Evolution zusammen: Der Mensch will sich orientieren, das ist ein elementares Bedürfnis. Und dazu braucht er den zeitlichen und örtlichen Überblick.

Außerdem ist Ausblick gut für die Augen. Stellen wir sie auf nahe Objekte ein, spannen sie sich an. Daraus ergeben sich eine Verformung der Linse, eine Verengung der Pupille und eine Einwärtsdrehung des Auges. Blicken wir hingegen ins Freie oder zumindest ins Weite, können sich unsere Augen entspannen und erholen.

Der Blick vom Arbeitsplatz ist also für uns mindestens genauso wichtig wie der erste Kaffee am Morgen. Grund genug, mal genau hinzuschauen, wo andere Leute immer hinschauen. Manche gucken ins Dunkle, manche auf Schiffe und manche von Schiffen aufs Land. Für alle aber ist der Blick ein Moment des Innehaltens. Egal ob es gerade stressig ist oder man so gar keine Lust auf die Arbeit hat – es hilft, den Blick einmal abzuwenden und sich zu sagen: Das war eben, gleich geht’s weiter. Aber jetzt schaue ich einfach mal.





Alexandra Remus, 27, Schiffsführerin auf einem Ausflugsschiff


Den Winter verbringe ich größtenteils nicht auf, sondern unter den Schiffen. Da werden sie in Hallen gewartet und für die Saison fit gemacht. Ich kann es immer gar nicht abwarten, bis es im April endlich aufs Wasser geht. Dann lerne ich die Stadt immer wieder neu kennen, ich bekomme es sozusagen live mit, wie sie sich verändert, und das hört ja gerade in Berlin nie auf. Natürlich bin ich an einigen Gebäuden wie dem Reichstag schon sehr, sehr oft vorbeigefahren, aber da wir so viele verschiedene Routen haben, wird das nicht eintönig. Wir fahren ja auch oft ins Grüne. Meine Lieblingsfahrt ist die im Südosten Berlins rund um die Müggelberge. Die dauert etwa fünf Stunden, da lässt es sich gut entspannen. Als Schiffsführerin kann ich natürlich nicht immer in die Ferne schauen, ich muss mich ja auch aufs Schiff konzentrieren. Aber wenn ich als Bootsfrau arbeite, ist meine Hauptaufgabe eigentlich nur, darauf aufzupassen, dass die Leute unter den Brücken sitzen bleiben, da habe ich viele Möglichkeiten, aufs Wasser rauszuschauen. Am besten an meiner Arbeit gefällt mir, dass ich nicht in einem Büro eingesperrt bin. Auf dem Schiff fühle ich mich frei und autark, auch weil mein Blick ständig ein anderer ist.




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Nadin Dierck, 30, Assistentin der Geschäftsführung eines Online-Bezahldienstes


Ich mag es sehr, dass ich aus dem Fenster ins Weite schauen kann und mein Blick dabei nicht von anderen Häusern eingeengt wird. Dadurch kann ich meine Gedanken auch mal schweifen lassen. Der Blick auf die Bäume und den Wald kann auf jeden Fall etwas sehr Beruhigendes haben. Das hilft auch mal, den Kopf freizubekommen. Überhaupt gefällt es mir, dass unser Büro außerhalb der Stadt liegt. Ich finde es gut, morgens zur Arbeit ins Grüne zu fahren. Oft nutzen wir die Umgebung rund ums Büro und verlagern ein Meeting oder ein Gespräch mit Kollegen einfach nach draußen. Außerhalb des Büros und unter freiem Himmel kann man sich häufig ungezwungener und besser besprechen. Und es stärkt das Gemeinschaftsgefühl unter den Kollegen. Im tiefsten Januar kann der Ausblick allerdings auch ganz schön trist und grau sein. Es sei denn, es ist Schnee gefallen, dann verwandelt sich die Welt vor dem Fenster in eine herrliche Winterlandschaft.




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Benjamin Nick, 30, Marketingleiter einer Eventfirma


Ich habe jeden Tag das Cover eines Berlin-Reiseführers vor mir. Ich kann eigentlich die ganze Stadt sehen: Fernsehturm, Synagoge, Rathaus, Dom – alles dabei. Vor allem die Sonnen¬untergänge sind ein Erlebnis. Manchmal ist die Aussicht aber auch einfach nur praktisch, denn von hier erkenne ich, wo es gewittert und wo das Unwetter hinzieht. Da lässt sich der Fahrradweg nach Hause besser planen. Vor allem genieße ich aber die Weite des Blicks, gerade im Kontrast zu den nur 40 Zentimetern Abstand, mit denen meine Augen sonst auf den Bildschirm starren. Meistens geht der Blick nach draußen einher mit der Lust auf eine Zigarette, dann stelle ich mich auf unsere kleine Plattform. Es tut gut, einmal wegzukommen von den Zahlen und in Ruhe zu überdenken, was ansteht. Leider ist es im Winter in unserem Büro ziemlich kalt. Da verstärkt das Panorama eher die Tristesse, weil einem die ganze Stadt grau und karg vorkommt.




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Claudia Leider, 35, Angestellte in einem Fotofachgeschäft


Das erste Mal in der Dunkelkammer war wie Blindekuh spielen. Ich wusste nicht mehr, wo rechts und wo links ist. Man gewöhnt sich aber daran. Es ist auch nicht so, dass man gar nichts sieht, die Umrisse der Maschinen kann man schon erkennen. Oft genieße ich es, hier unten zu sein. Ich bin mein eigener Chef, und es tut gut, sich ganz von der Welt abzuschotten. Wäre ich aber nur in der Dunkelheit, würde ich auf Dauer kirre werden. Deswegen freue ich mich meistens darauf, wieder oben im Laden zu arbeiten, bei uns ist das etwa halbe-halbe eingeteilt. Wenn ich eine Pause von allem brauche, gehe ich vor den Laden. Eine Zigarette lang schaue ich mir die Menschen an, die im Einkaufszentrum gegenüber ein- und ausgehen. Oder ich schaue die Straße hinun- ter, das ist mein Nachhauseweg. Beides beruhigt mich. Ich habe mich schon oft gefragt, ob meine Augen durch die Arbeit in der Dunkelkammer nun auch sonst besser im Dunkeln sehen.





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Susann Kramer, 27, Beraterin in einer Markenstrategieagentur


Wenn ich in unserem Dachgarten sitze, fährt die U-Bahn auf Augenhöhe an mir vorbei. Das ist witzig, weil man die Leute beobachten kann, ohne dass sie es wissen. Als ob die Stadt an einem vorbeizieht. Gleichzeitig kann ich mit Freunden in der U-Bahn sitzen, auf die Terrasse zeigen und stolz sagen: „Guck mal, da arbeite ich.“ Wir haben einen Kräuter- und Gemüsegarten und sogar ein Wasserbecken, in dem man im Sommer die Füße küh- len kann. Die Dachterrasse ist ein Rückzugsort, an dem ich mit meinen Kollegen auch mal über vertrauliche oder persönliche Themen sprechen kann. An dem Ausblick gefällt mir die Vielfalt. Ich kann auf das Mural schauen, auf die U-Bahn, auf die Spree oder auch einfach mal den Blick in die Ferne schweifen lassen. Gleichzeitig fühle ich mich, als sei ich immer mitten in der Stadt. Diese Urbanität mag ich sehr. Dass die U-Bahn gelegentlich etwas laut ist, gehört dazu.




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Meike Osterchrist, 27, Verlagsvolontärin


Um meinen Blick auf den Hamburger Hafen beneiden mich natürlich viele. Und auch wenn das klischeehaft klingt: Durch die Kräne, die ständig was auf- und abladen, und die Schiffe, die kommen und gehen, bekomme ich schon so ein Gefühl von Reisen, von weite Welt, von Freiheit. Oft, wenn ich eine Aufgabe abgeschlossen habe und mich an die nächste machen muss, schaue ich vorher noch einmal aus dem Fenster. Dabei sammle ich meine Gedanken, das Wasser übt etwas Beruhigendes auf mich aus. Das hilft gerade am Nachmittag, wenn die Konzentration manchmal ein wenig nachlässt. Das Bild nutzt sich für mich auch nicht ab. Jeden Tag entdecke ich etwas Neues. Gewöhnen musste ich mich eher an die Akustik des Ganzen: Es war mir vorher nicht klar, wie laut Kräne quietschen können.


Mehlwurm? Mahlzeit!

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„Ich war einmal wie ihr“, sagt Christian und sieht die 25 jungen Menschen an, die vor ihm im Gras sitzen. Es ist drückend heiß in Bern, ein paar Meter weiter rauscht die eisblaue Aare. Einige seiner Zuhörer trinken Bier aus Dosen, andere kauen auf ihren Sandwiches rum oder machen Fotos von dem Typen im lila T-Shirt, der da gerade redet. Christian lässt sich davon nicht ablenken und spricht ruhig weiter: „Aber dann, dann habe ich mich getraut und es probiert – und war überzeugt“, sagt er und rollt, wie auf einen Tusch, das Plakat hinter sich aus. Einige Zuhörer verziehen daraufhin das Gesicht, andere müssen grinsen. Fast alle hören auf zu essen.

Denn das, was Christian auf seinem Plakat zeigt, ist nicht der Weg zu Jesus Christus. Es sind: Gerichte mit Insekten. Bilder von Brownies mit Vanilleeis, in denen mit Schokolade überzogene Heuschrecken stecken. Hamburger mit Mayo, auf der einzelne Larven verteilt liegen. Ein Mann mit weißer Chefkochmütze, der das Ganze professionell herrichtet. Bilder, die auf einem hippen Foodblog stehen könnten – wären da nicht diese Tiere.

Christian Bärtsch ist 25 Jahre alt und tatsächlich hat er so etwas wie eine Mission: Er will Menschen davon überzeugen, künftig Insekten auf ihren Speiseplan zu setzen. Er selbst isst sie bereits zweimal pro Woche. Und wenn es gut läuft, machen das die 25 Studenten und Wissenschaftler von der Berner Summer School bald auch.

Vor zwei Jahren hat der Schweizer VWL-Student gemeinsam mit seinem ehemaligen Kommilitonen Matthias Grawehr das Start-up Essento gegründet, das Produkte wie Ravioli, Burger oder kleine Snacks aus Insekten in den Supermarkt bringen will. „Insekten sind das Fleisch der Zukunft“, sagt Christian. Was er damit meint: Um alle Menschen auf der Welt satt zu kriegen und gleichzeitig die Umweltverschmutzung zu reduzieren, braucht es neue Ideen. Insekten sind da, insbesondere im Vergleich zu Fleisch und Soja, Alleskönner: Sie sind extrem proteinhaltig, gleichzeitig verursacht ein Kilo Insektenfleisch in der Herstellung 93 Prozent weniger Methangase als ein Kilo Rindfleisch – wobei für das Insektenkilo achtmal weniger Futter benötigt wird. Und wenn man sie richtig züchtet, übertragen sie – anders als Säugetiere – auch keine Krankheiten auf Menschen.

Insekten könnten das neue Sushi sein: erst eklig, dann modern.


Schätzungsweise zwei Milliarden Menschen auf der Welt, vor allem in Afrika, Asien und Südamerika, essen bereits regelmäßig Insekten. In Europa ist das aber immer noch eine Seltenheit. Wenn überhaupt, bekommt man Insekten in mondänen Feinkostrestaurants oder sieht, wie Promis sie im Dschungelcamp essen. Und ekelt sich. Ganz normal zu kaufen gibt es sie bisher nicht. Und das ist eine Marktlücke, in die momentan diverse junge Start-ups drängen. Denn wenn Insekten erst einmal ein beliebtes Trendessen sind, abseits von Ekel und Mutprobe, ist es nicht mehr weit, bis auch normale Supermärkte sich dafür interessieren. Zum Vergleich, wie dieser Imagewandel der Insekten klappen könnte, wird von den jungen Unternehmern gern Sushi herangezogen: „Sushi war für die Generation unserer Großeltern total exotisch – roher Fisch, wer isst so was schon? Und jetzt ist es angesagt, jeder kauft es mal schnell in der Mittagspause“, sagt Christian.

Bis Insekten das neue Sushi werden, müssen allerdings zwei Hindernisse überwunden werden: Zum einen die Gesetzeslage – in vielen europäischen Ländern sind Insekten nicht offiziell als Lebensmittel zugelassen, höchstens als Tierfutter. Meist hat das kulturelle Gründe: Insekten sind in Europa ein Nahrungstabu, ähnlich wie Hunde. In der Schweiz wird das ab 2016 zumindest teilweise geändert, dann dürfen Mehlwurm, Wanderheuschrecke und Hausgrille im unverarbeiteten Zustand, also als ganze Tiere, verkauft werden. Doch es bleibt immer noch das zweite, größere Hindernis: unsere Köpfe. „Man denkt automatisch, ein Insekt schmeckt nach Haaren und sechs Beinen. Dabei kann es ein positives Geschmackserlebnis sein – und das will ich den Leuten zeigen“, sagt Christian und packt aus seiner mitgebrachten Tüte mehrere Tupperdosen aus. Darin enthalten: Crostini, die mit einer Art Pastete aus zermahlenen Mehlwürmern überbacken wurden. Und in einer kleinen roten Dose: ganze Mehlwürmer, leicht angeröstet. Das sollen die Teilnehmer aus der Summer School nun probieren. Christians Erfahrung nach essen die Menschen Insektenprodukte eher, wenn sie das Tier nicht mehr erkennen können. Deshalb hofft er für sein Unternehmen, dass die Schweizer Gesetzeslage hier noch angepasst wird – dass die Ravioli Insektenfleisch enthalten, würde man ja trotzdem auf der Packung angeben.

Bei einem Schwein ist das ähnlich: Dessen Kopf oder Füße zu essen, erfordert mehr Überwindung, als ein rosiges Medaillon anzuschneiden. Das hat wohl auch mit Ekel zu tun, aber vor allem damit, dass ein ganzes Tier oder erkennbare Teile davon uns den Tötungsprozess, der unserem Essen vorausgegangen ist, bewusster macht. Bei einem Mehlwurm fällt der allerdings weg: Er muss nicht geschlachtet, sondern einfach nur runtergekühlt werden. Das wechselwarme Tier schläft dann ein und wacht nicht wieder auf. Deshalb hofft Christian, dass vielleicht auch Vegetarier Insekten als Nahrungsalternative wahrnehmen könnten. Sobald sie ihren – kulturell bedingten – Ekel überwunden haben.

>>> "Uah, die sehen ja aus, als würden sie noch leben!“, sagt eine junge Engländerin, als sie die angerösteten Mehlwürmer sieht.
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Christians Start-up steht noch ganz am Anfang. Fünf Personen arbeiten momentan mit, unter anderem eine Lebensmitteltechnologin und ein Koch. Sie haben eine kleine Zuchtanlage für die Mehlwürmer, 50 Kilo ernten sie im Monat. Die von ihm angebotenen Insektenverkostungen sind in der Schweiz halblegal, sie dürfen nur im „privaten Umfeld“ erfolgen. Der heutige Termin mit der Summer School ist so ein „privates Treffen“, die mitgebrachten Speisen hat Christian morgens zu Hause zubereitet. Beziehungsweise bei seinen Eltern, bei denen er gerade wohnt, um Essento finanzieren zu können.

Er ist aber optimistisch, in den nächsten Monaten Investoren zu finden, um dann auch Geschäftsräume in Zürich beziehen zu können. Die Österreicherin Katharina Unger, 25, ist da schon um einiges weiter. Für das Gespräch über ihre Erfindung „Farm 432“ sitzt sie in einem mit Bananenmotiven bedruckten Oberteil und großen Kopfhörern vor ihrer Laptopkamera – in China. „Farm 432“ ist eine Zuchtstation für schwarze Soldatenfliegen, mit der quasi jeder zu Hause seine eigenen Insekten produzieren und ernten kann. Innerhalb von 432 Stunden werden aus einem Gramm Eiern in der „Farm“ ca. zwei Kilo Larven.

Ein Schwein kann man nicht auf dem Balkon züchten. Insekten schon.


Katharina ist momentan in China, weil hier die erste Prototypserie ihrer „Farm“ produziert wurde. Malaysische Wissenschaftler testen ebenfalls gerade eine Beta-Version ihres Produkts. „Dabei fing das Ganze eigentlich als großer Selbstversuch an“, sagt Katharina. Ursprünglich hat sie Industriedesign in Wien studiert, kurz vor Studienende verbrachte sie einige Zeit in Hongkong. „Dort kann man alles essen – und mir wurde bewusst, wie komplex Ernährung eigentlich ist. Manche Tiere isst man in bestimmten Ländern, andere nicht.“ Sie fing an, sich mit industrieller Massentierhaltung auseinanderzusetzen, realisierte, dass sie ökologisch und ökonomisch oft nicht effizient ist, viel Fleisch muss importiert werden. Insekten wären da eine Alternative. „Ein Schwein kann man nicht auf dem Balkon züchten, Insekten schon. Die brauchen wenig Platz und Wasser, man kann sie sogar auf Abfall züchten“, sagt Katharina. Schließlich designte sie „Farm 432“, mithilfe von Entomologen, also Insektenforschern, Youtube-Videos und diversen Selbstversuchen. Unter ¬anderem hat sie schon Insekten in den Räumen der Uni und in ihrer WG gezüchtet.

Auf Katharinas Webseite könnten auf den ersten Blick auch schwedische Designermöbel verkauft werden – alles ist sehr aufgeräumt und clean, schwarze Schrift auf weißem Grund. Dazwischen dann: sehr professionelle Fotos ihrer Ideen. Nur, dass die eben keine Möbel, sondern – unter anderem – einen spacig anmutenden weißen Plastikapparat mit großer, durchsichtiger Kuppel zeigen, der von einer jungen Frau bedient wird: die „Farm“. Ein Video beschreibt, wie das Ganze funktioniert: Oben in die „Birthday Box“ kommen die Fliegenlarven hinein. Nachdem sie geschlüpft sind, fliegen sie weiter in die durchsichtige Kuppel. Im besten Fall paaren sie sich dort und legen neue Larven ab, die dann wiederum gegessen oder in der „Farm“ erneut vermehrt werden können. In zwei Wochen entstehen so 500 Gramm Insektenfleisch. Das reicht für zwei Mahlzeiten.

Ähnlich wie Christian hat auch Katharina das Insektenessen in ihr Leben integriert: „Ich wollte ja nicht etwas designen, das ich selber nicht nutzen würde“, sagt sie. In einem weiteren Video kann man sie deshalb auch beim Kochen sehen. Wie sie lebende Heuschrecken zwischen Frischkäse und Joghurt im Kühlschrank einfriert, damit sie sterben, im Anschluss auf einem Küchenbrett ihre Beinchen entfernt und sie dann zusammen mit Mehlwürmern in einer Pfanne anbrät.

In der letzten Einstellung isst Katharina die braunen Teilchen direkt aus der Pfanne. Es hat etwas sehr Ästhetisches und zugleich Selbstverständliches, wie sie das tut. Kein Überwinden, kein Kichern. In der „Über mich“ Rubrik ihrer Webseite schreibt Katharina gleich hinter ihrem beruflichen Werdegang: „I enjoy eating insects.“ Man glaubt es ihr. Die „Farm“ ist mittlerweile ihr Hauptjob, im Juli hat sie eine Kollegin eingestellt. Im Herbst soll eine Crowdfunding-Kampagne starten, damit die „Farm“ auch in Europa vertrieben werden kann.

Katharina und Christian sind nicht die einzigen, die sich beruflich Insekten verschrieben haben. „Als ich 2013 mit der ‚Farm‘ angefangen habe, war das alles noch sehr neu. Mittlerweile gibt es gerade in den USA viele Start-ups, die Insekten speziell für den menschlichen Verzehr produzieren. In Europa ist Holland da ein Vorreiter“, sagt Katharina. Auch Christian erzählt: „In den Niederlanden kann man Insekten bereits im Supermarkt kaufen, in Belgien sind schon zehn Arten für den Verzehr legalisiert. In Italien sind die Gesetze wiederum sehr restriktiv – als wir auf der Expo in Mailand Verkostungen machen wollten, gab es da ziemliche Probleme.“ Und in Deutschland sei in die Richtung start-up-technisch auch noch nicht so richtig viel los. Aber Gespräche mit Berliner Interessenten führt Christian bereits. Er könnte sich auch vorstellen, ein Pop-up-Restaurant zu eröffnen.

Für die Teilnehmer der Summer School hat Christian mittlerweile seine Crostini mit der Mehlwurm-Pastete auf Tellern mit karierten Servietten drapiert. Jeder will mal probieren. In einer Glasschale werden die angerösteten ganzen Mehlwürmer rumgereicht. Eine junge Engländerin wirft einen Blick in die Schale. „Uah, die sehen ja aus, als würden sie noch leben!“, sagt sie und geht verschreckt einen kleinen Schritt zurück, dann direkt wieder einen vor und fragt: „Die sind wirklich tot, ja?“ Dann nimmt sie mit den Fingerspitzen einen Mehlwurm heraus. Augen zu und runter damit. „Hm, ganz knusprig. Und irgendwie … salzig“, sagt sie. Nachschlag möchte sie trotzdem nicht. Ein junger Mann aus Mexiko neben ihr hat da viel weniger Hemmungen. Beherzt greift er eine ganze Handvoll Mehlwürmer und steckt sie sich in den Mund. Zerkaut sie bedächtig, schluckt runter und zuckt dann mit den Schultern: „Gibt’s bei uns zu Hause häufig“, sagt er. Christian grinst. Aus seiner Sicht genau die richtige Einstellung.

Die Unmöglichen

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jetzt.de: Herr Buchholz, warum ist das Perpetuum mobile so ein großer Menschheitstraum?

Martin Buchholz: Seit der Steinzeit müssen wir Menschen oft hart für unser tägliches Brot arbeiten. Im Lauf der Jahrhunderte hat man deshalb nach immer neuen Wegen gesucht, um unser Leben und die Arbeit zu erleichtern: das Rad, Flaschenzüge, Windmühlen, die Dampfmaschine. Von einer Wundermaschine zu träumen, die einem die Arbeit nicht nur erleichtert, sondern gleich ganz abnimmt, weil sie nutzbare Energie produziert, ist da nur konsequent.

Welche physikalischen Hindernisse haben die Tüftler denn dabei immer übersehen?
Zum Beispiel, dass die Bewegung der einzelnen Bauteile aneinander Reibung verursacht. Dabei wird Wärme erzeugt und die kostet Energie, die ungenutzt verloren geht. Schon funktionieren die Konstruktionen nicht mehr.

Bereits im 11. Jahrhundert versuchten Gelehrte, Perpetua mobilia zu bauen. Auch Leonardo da Vinci tüftelte später daran. Seine Konstruktionszeichnungen sind heute Kunstschätze, technisch allerdings nutzlos. Das sah da Vinci am Ende sogar selbst ein und schrieb: „Oh ihr Erforscher der beständigen Bewegung, wie viele … Hirngespinste habt ihr euch … schon ausgedacht. Geht und gesellt euch zu den Alchemisten.“ Zur Erklärung: Alchemisten sind aus seiner Sicht etwa so seriös wie Astro-TV-Berater heute.




Martin Buchholz, geboren 1976 in Bochum, studierte Maschinenbau an der TU Braunschweig und der University of Glasgow (UK). Seit 2002 lehrt und forscht der diplomierte Energietechniker am Institut für Thermodynamik der TU Braunschweig. In seiner Freizeit tritt Buchholz bei Science Slams auf und erklärt auf Youtube die Gesetze der Thermodynamik.

Warum fällt es Erfindern bis heute so schwer, die natürlichen Grenzen der Physik zu akzeptieren?
Der Energieerhaltungssatz ist, wie alle Naturgesetze, kein endgültiger Beweis, sondern die logische Schlussfolgerung aus allen bisher gemachten Beobachtungen – bis jemand das Gegenteil beweist. Würde es einem Erfinder also irgendwann gelingen, ein Perpetuum mobile zu bauen, wären die Grundsätze der Thermodynamik hinfällig.

Glauben Sie daran?
Es gibt schon solche „Gegenbeweise“, weil ja zum Beispiel die spezielle Relativitätstheorie gezeigt hat, dass die Gesetze der Mechanik zwar für unseren Alltag gelten, aber bei ganz großen Geschwindigkeiten ihre Gültigkeit verlieren. An ein ähnliches Schicksal für die Thermodynamik glaube ich allerdings nicht.

Mal angenommen, es gelänge doch …
… dann würde der Erfinder eines funktionierenden Perpetuum mobile sehr schnell sehr reich werden, er bekäme den Nobelpreis, Straßen würden nach ihm benannt, er wäre eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Ein Held.

Der Wissenschaftler Johann Bessler wäre gern so ein Held gewesen. Er hat Anfang des 18. Jahrhunderts eine komplizierte, etwa drei Meter große Rad-Konstruktion gebaut, die nicht mehr aufhörte, sich zu drehen, und ging eine Wette mit einem Zweifler ein: 54 Tage wurde die Maschine in einem Raum eingeschlossen – bei der Öffnung drehte sich das Rad immer noch. Erst Monate später stellte sich heraus, dass Diener im Nachbarzimmer gekurbelt hatten, um das Rad am Laufen zu halten. Fast 300 Jahre später ist man immer noch nicht weiter: 2014 zeigte die Gesellschaft für autarke Energie, technische Innovation und Altruismus aus Österreich online per Livestream eine Maschine, die angeblich Energiedifferenzen nutzte, um Lampen und einen Fernseher mit Strom zu versorgen. Wie das genau funktionierte, war für den Zuschauer nicht erkennbar. Dann gab es einen Stromausfall. Auf eine Maschine, die angeblich losgelöst von jeder Steckdose läuft, sollte das keine Auswirkung haben – doch kurze Zeit später gingen die Lampen und der Fernseher aus. Der Spott war groß, der Verein schob den Ausfall auf einen „technischen Defekt“.

Haben sich die Ansätze für die Perpetua mobilia im Lauf der Zeit geändert?
Ja. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit haben sich die Erfinder vor allem an der Mechanik versucht. Sie konstruierten Räder mit Hebeln oder komplizierte Wassersäulen. Die modernen Entwürfe gehen in eine ganz andere Richtung. Statt sich mit Mechanik zu beschäftigen, werden oft neue Energiequellen präsentiert, von denen selbst Physiker noch nie etwas gehört haben.

Zum Beispiel?
Ein Klassiker sind Energiefelder, in denen die Erde und das gesamte Universum zu schwimmen scheinen. Die sind dann für die Wissenschaft natürlich nicht messbar – so umgehen die Erfinder auch aufwendige Beweise.

Einer der bekanntesten Verfechter solch absurder Energiequellen ist Claus Turtur, immerhin Physikprofessor an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Mit Flügelradmotoren will er die Energie des Raumes nutzen. Wie genau das funktioniert, erklärt er in hochkomplizierten, stellenweise völlig unverständlichen Ausführungen. In der Hochschullandschaft gilt er als Witzfigur. Der Kopp Verlag (bekannt durch nationalistische Bücher oder Ufo-Literatur) druckte Turturs Buch „Freie Energie für alle Menschen“. Von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften – sie wendet sich gegen pseudowissenschaftliche Behauptungen – bekam Turtur dafür den Preis für den größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres. In einem freien Energieforum schreibt ein aufgebrachter User dazu: „Es ist eine unglaubliche Ungeheuerlichkeit, wie die deutsche Justiz und die Hochschullandschaft sich für die Interessen der Energielobby einspannen lässt, wenn es darum geht, echte Alternativen zur Energiegewinnung mit allen Mitteln massiv zu unterdrücken.“

Es gibt also heute noch eine richtig aktive Perpetuum-mobile-Szene?
Das Internet ist vielleicht sogar die Grundlage für eine aktive Szene. Es ermöglicht Menschen mit wunderlichen Ideen, Gleichgesinnte zu finden, das gilt für Verschwörungstheorien aller Art. Auch zum Thema „Perpetuum mobile“ gibt es rege Foren und Blogs. Und Youtube-Videos von vermeintlich geglückten Erfindungen.

Und wie reagiert diese Szene auf physikalische Fakten?
Kritiker werden sofort abgewehrt. Ihnen wirft man gern Nähe zur Energielobby oder zu Geheimdiensten vor. Die Verschwörungstheoretiker glauben, dass die internationa- le Staatengemeinschaft und alle möglichen Konzerne die Erkenntnisse über mögliche Perpetua mobilia unterdrücken wollen, damit wir von herkömmlichen Energiequellen abhängig bleiben.

Auch beim Deutschen Patent- und Markenamt gehen jährlich Dutzende von Anmeldungen für Perpetua mobilia ein. 2012 hat ein Erfinder geklagt, nachdem ihm die Eintragung verweigert wurde, das Gericht wies die Beschwerde ab. Die Richter begründeten ihre Ablehnung damit, dass es sich bei der Erfindung um ein sogenanntes Perpetuum mobile handle, so etwas verstoße gegen naturwissenschaftliche Gesetze. Seitdem landen alle Perpetuum-mobile-Anträge ungeprüft im Müll. Aber die Erfinder werden ganz sicher nicht aufgeben. In der Hoffnung, dass sich irgendwann ein Rad für immer dreht.

Fragen nach Frauen und der Frisur

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Sorry, Donald, aber das hättest du wirklich vorher wissen können. Oder, um noch so einen schönen Besserwisser-Satz zu verwenden: Donald, das hätten wir dir gleich sagen können!

Was Donald Trump hätte wissen und wir ihm hätten vorher sagen können? Na, dass es ordentlich nach hinten losgehen wird, wenn er Twitter-Nutzer bittet, ihm Fragen zu stellen. Trotzdem hat er das gestern getan.



Trump war zu Gast in der Twitter-Zentrale und versprach, in kleinen Videobotschaften auf Tweets mit dem Hashtag #AskTrump zu antworten. Am Ende beantwortete er zwölf sorgfältig ausgewählte Fragen, zum Beispiel „What is the key to success in business?“, „What can we do to help you win?“ oder „How would you fix the student debts crisis?“ Es gab aber natürlich viel mehr Fragen. Sehr viel mehr Fragen. Einen riesigen „Trump, da lassen wir uns aber nicht zwei Mal bitten“-Haufen an kritischen, spitzen, fiesen Fragen, um den Präsidentschaftskandidaturanwärter der Republikaner bloßzustellen.

Es folgt der Versuch, den Fragen-Wust in ein Korsett zu pressen, denn zumindest thematische Tendenzen waren erkennbar:

1. Natürlich, klar, wie sollte es anders sein: Thema Haare.










2. Trump ist bekannt für seine frauenfeindlichen Äußerungen, darum: Thema Frauen.










3. Es gehört zu Trumps politischem Programm, einen extrem harten, mitunter hetzerischen Ton gegenüber Immigranten anzuschlagen, darum wurde auch dieses Thema oft aufgegriffen.










Besonders gerne übrigens mit dem Verweis darauf, dass er selbst von Einwanderern abstammt – und dass seine Frau aus Slowenien stammt.










4. Der ganze Rest, gerne albern, gerne auch sehr persönlich.










5. Vielleicht die Frage aller Fragen:




Trump war gestern übrigens nicht der einzige, der auf Twitter zu einem „Ask me anything“ aufrief und sich damit Ärger einhandelte: Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat das ebenfalls getan (#FragNestlé) und musste sich eine Menge Fragen zur Privatisierung von Trinkwasser, der Abholzung des Regenwalds und der Umweltverschmutzung mit Nespresso-Kapseln gefallen lassen. Unterschied zu Trump: Das Social-Media-Team von Nestlé bemühte sich, fast alle Fragen zu beantworten, egal, wie harsch sie gestellt wurden.

In jedem Fall haben sowohl Trump als auch Nestlé sich ins Gespräch gebracht. Dass sie allerdings beinahe gleichzeitig ihre Fragerunden gestartet haben und man sie darum in einem Atemzug (bzw. Tweet) erwähnt, war wohl Zufall.







Nadja Schlüter

Playstation-Spieler schauen gerne Mom-Pornos

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Stichwort, nach dem Playstation-Nutzer am häufigsten auf YouPorn suchen: „Mom“.

Allein für dieses lustige Ergebnis haben sich die Statistiken, die YouPorn erhoben hat, schon gelohnt. Der Rest ist aber auch ganz interessant. Laut Chip finden 200.000 der täglich etwa 20 Millionen YouPorn-Nutzer ihren Weg über eine Spielkonsole auf die Porno-Plattform – also hat YouPorn mal ausgewertet, wie sich die Gamer auf der Seite verhalten und wie sich die Spieler und Spielerinnen von Playstation, Xbox und Nintendo Wii unterscheiden. Zum Beispiel eben bei den beliebtesten Suchwörtern: Playstation-Nutzer mögen es gerne reif („Mom“, „milf“) und familiär (neben „Mom“ suchen sie auch oft nach „step sister“), Xbox-Nzuter zwar auch, aber noch lieber mögen sie Lesben-Pornos, und Wii-Spieler stehen am meisten auf Mangas.

[plugin imagelink link="https://i.imgur.com/wPPjeRd.png" imagesrc="https://i.imgur.com/wPPjeRd.png"]

Auch spannend: Der Geschlechter-Vergleich von Spielern und Spielerinnen nach angeschauten Kategorien und Suchwörtern.

[plugin imagelink link="https://i.imgur.com/xyXLNVt.png" imagesrc="https://i.imgur.com/xyXLNVt.png"]

Playstation-Nutzer bleiben am längsten, besuchen in dieser Zeit aber am wenigsten verschiedene Seiten auf YouPorn. Bei Wii-Nutzern ist es genau umgekehrt.

[plugin imagelink link="https://i.imgur.com/87l80vv.png" imagesrc="https://i.imgur.com/87l80vv.png"]

Und auf einer Weltkarte kann man sehen, welche Konsole wo am häufigsten für den Porno-Konsum genutzt wird.

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Weitere Grafiken gibt es auf Imgur und Incredible Things. Da kann man lange scrollen und die Grafiken interpretieren. So wie eine Autorin von Incredible Things: „I think the biggest shock of all is that people use the Wii to get their rocks off. The Wii is probably the least sexy console there is! I can’t look at it without thinking of playing Wii Bowling with my grandparents.“

Valerie Dewitt

Politischer Kampf - mit Playmobil

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Ursprünglich ist Nikos Papadopoulos, 36, promovierter Astrophysiker und Drehbuchschreiber. Seit zwei Jahren betreibt er den Blog "Plasticobilism", auf dem er die aktuelle politische Situation Griechenlands satirisch mit Playmobil kommentiert. Dabei ist der Blog oft stark deutschland- und europakritisch. Unsere Fragen hat er per Mail beantwortet.



 Zuspitzung ist Papadopoulos Stärke.
 

Wie würdest du das nennen, was du auf deinem Blog machst. Ist das Kunst? Satire? Politische Bildung?
Das kann jeder Leser selbst entscheiden. Ich selbst würde aber sagen: Es ist Satire und gleichzeitig ein Tagebuch über die harte tägliche Realität in Griechenland. Wobei das natürlich nicht nur Griechenland betrifft. Für mich selbst ist der Blog aber auch eine Art Therapie: Ich konnte einfach nicht mehr still sein, die Dinge nicht unkommentiert lassen.

In deinen eigenen Worten - was bedeutet es momentan, Grieche zu sein?
Es heißt bankrott, arbeitslos, betrogen von der Politik, hoffnungslos und arm zu sein. Und gleichzeitig bedeutet es, alles was man hat, mit Leuten zu teilen, denen es noch schlechter geht, als einem selbst. Und wenn es nur eine Umarmung ist.



Eine ziemlich genaue Nachstellung eines
echten Bildes. 

Warum benutzt du ausgerechnet Playmobil um die Politik zu kommentieren?

Alles fing damit an, dass ich mit meinem älteren Sohn mit Playmobil spielte. Dabei dachte ich darüber nach, dass dieses Spielzeug immer noch kindliche Unschuld und Reinheit symbolisiert. Die Männchen lächeln immer, selbst wenn man sie in grausame Szenen setzt. Und an diese Kindersicht auf die Dinge wollte ich die Menschen wieder erinnern, das haben viele von uns leider verloren. Wir sind unemotional, apathisch und unsensibel gegenüber den Grausamkeiten in unserer Welt geworden. Nichts schockiert uns mehr. Mit meinen Playmobil-Szenen will ich die Herzen der Menschen berühren. Sie daran erinnern, was Menschlichkeit bedeutet. 

Einem Bericht zufolge wurde dein erster Blog von Playmobil dichtgemacht - weil er zu politisch sei. Stimmt die Geschichte?
Ja, das ist wahr. Die deutsche Firma hat meine erste Facebookseite (Die Playmobilisim hieß, Anm. d. R.) runternehmen lassen, ohne Vorwarnung, weil ich ihre Markenrechte verletzt hätte und ihre Produkte "politisch" benutzen würde. Also habe ich die neue Seite “Plasticobilism” genannt. Da wurde ich aber wieder von der Firma kontaktiert, dass sie die Seite runternehmen lassen würden, wenn ich nicht alle Fotos mit politischem Inhalt entferne. Mittlerweile haben wir ausgehandelt, dass ich die Sachen drauflassen darf, wenn ich einen Warnhinweis auf die Seite stelle, dass das alles nichts mit der Firma Playmobil zu tun habe. 
Ich finde aber auch, dass ich das Recht habe, selbst erworbenes Spielzeug so zu benutzen, wie ich möchte. Ansonsten könnte ein Stiftehersteller den Käufern ja auch sagen: Ihr dürft damit nur aufschreiben, was wir genehmigen. Das wäre beides Zensur.



Nikos Post kurz vor der Wahl. Bildunterschrift: Wahlen im Protektorat.

Deine Posts bezüglich der Wahl in Griechenland vergangenen Sonntag wirken sehr zynisch. So, als hättest du keine wirkliche Wahl gehabt. Kannst du das genauer erklären?
Für mich waren die letzen Wahlen in Griechenland eine Farce. Als wären wir ein Protektorat von Europa, in dem man Menschen die Illusion gibt, sie hätten eine Vielfalt demokratischer Optionen, dabei wurde über ihr Schicksal längst über die Bevölkerung hinweg entschieden.
 Es ging nur noch darum, bereits von der vorherigen Regierung unterzeichnete Memorandum (also die gemeinsam mit EU, EZB, IWF und Troika festgelegten Sparmaßnahmen, Anm. d. R.) politisch legalisieren zu lassen und damit unsere Entscheidung im Referendum gegen weitere Sparmaßnahmen für nichtig zu erklären. Die Wahl am Sonntag war also eigentlich nur eine Entscheidung für einen Premierminister, der die Arbeit der vorherigen fortsetzt. Wie soll ich mich da frei fühlen?   

Hast du dann überhaupt am Sonntag gewählt? Und wie beurteilst du das Wahlergebnis?
Ja, ich habe gewählt, aber nicht die Memorandum-Parteien. Ich hätte gedacht, dass das mehr Leute so sehen, dass die Wähler sich nach einem "Schluss mit der Sparpolitik" sehnen. Von der Wahl bin ich deshalb sehr enttäuscht, sie bewegt Griechenland weiter in die falsche Richtung. Denn dass die Sparpolitik uns nur auslaugt und nicht hilft, hat die Vergangenheit doch bereits gezeigt. Das Leben in Griechenland wird nur noch von Armut, Arbeitslosigkeit und der Angst vor morgen bestimmt. 



Ein weiter Post kurz vor der Wahl. Bildunterschrift: Demokratie in Griechenland - wer wird Angelas neues Haustier?


Unsere Kanzlerin Angela Merkel kommt auf deinem Blog auch nicht gut weg. Was denkst du über sie?
 
Sie ist die Herrscherin von Europa. Sie entscheidet über die Regeln und die Zukunft der Europäer. Dass sie kürzlich die deutschen Grenzen für Flüchtlinge zugemacht hat, zeigt, was ihre Vision für Europa ist. Und was sie generell von der Menschheit denkt.

So stimmt das aber nicht ganz - es kommen schon noch Flüchtlinge nach Deutschland rein, allerdings nicht mehr alle und es gibt Grenzkontrollen.
Das weiß ich, es bestärkt mich aber noch mehr in meiner Haltung. Weil es mich daran erinnert, dass wir hier in den südlichen Ländern alle Flüchtlinge reinlassen. Und ich finde, dass wir dabei von Europa, das ja eigentlich vereinigt sein sollte, nicht unterstützt werden.

Wie reagieren die Griechen auf deinen Blog?
Die meisten nehmen ihn sehr ernst, weil sie meine Gefühle gegenüber der Politik teilen. Ich bekomme jeden Tag Nachrichten von Menschen, die mir schreiben, dass sie meine Arbeit unterstützen und hoffen, dass ich weitermache. So lange ich diese Akzeptanz erlebe, tue ich das auch.



Wald - in noch besser!

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Auf den ersten Blick versteht man nicht genau, was das eigentlich sein soll. Eine Holzhütte? Dafür ist sie zu niedrig. Ein Trimm-Dich-Spielplatz? Zu hoch. Eine Sitzgelegenheit? Vielleicht am ehesten noch. Genau genommen sind das, was die Studenten der Estonian Academy of Arts in Tallin da im Wald aufgestellt haben allerdings: Megaphone.

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Da soll man aber nicht seinen Ghettoblaster reinstellen und lautstark ein Open-Air feiern. Im Gegenteil: Die Megaphone sind so installiert, dass man, wenn man drinsitzt, ein optimales Sounderlebnis im Wald bekommt. Heißt: Das Surren, Knarzen und Fiepen wird besonders gut hörbar.

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Estland ist zu über 50 % mit Wald bedeckt - also eine riesengroße, gratis zur Verfügung stehende Outdoorfläche, in der man campen und abhängen kann. Aus Sicht der Studenten nehmen die Esten das allerdings gar nicht mehr wahr, ihr Wald ist ihnen egal geworden. Mit Megaphonen soll sich das ändern. Ob das klappt, ist letztendlich wohl gar nicht so wichtig - schön aus sieht es allemal.

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charlotte-haunhorst

ISIS isses einfach nicht

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Neun Jahre ist es her, dass uns die skelettierte Bauchrednerpuppe Achmed vom Terroristendasein und den wenig rosigen Bedingungen desselben erzählt hat. Jetzt hat eine Studie offizielle Daten von IS-Abgängern ausgewertet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Kalifat wirklich kein Ponyhof ist – ganz anders, als es die Propaganda des IS selbst verspricht. 
 
Analysematerial boten die Aussagen von 58 ehemaligen IS-Kämpfern, die seit Januar 2014 die Terrorgruppe verlassen und sich öffentlich dazu geäußert haben. Darunter sind 51 Männer und 7 Frauen, zum Großteil aus Syrien und seinen Nachbarstaaten, aber auch Europäer, Asiaten und Australier. Allesamt repräsentieren sie sicher nur einen kleinen Bruchteil der Organisation, aber ihre Aussagen geben dennoch einen Einblick in den IS, wie man ihn bisher nicht kannte. Das grundsätzliche Problem der Abbrecher: Ihre Erwartungen an den IS entsprachen nicht unbedingt der Realität.
 
Der Hauptgrund: Den syrischen Diktator Assad zu bekämpfen, ist schon lange aus dem Fokus der Organisation gerückt, finden sie. Stattdessen ständen die Auseinandersetzungen mit anderen Rebellengruppen im Vordergrund sowie die Paranoia der Kommandeure, Spione und Verräter in den eigenen Reihen ausfindig zu machen und zu bestrafen. „Muslims are fighting Muslims“, sagt einer der Abgänger dazu. „Assad’s forgotten about. The whole jihad was turned upside down.“
 
Außerdem machte den Abgängern das Ausmaß an Brutalität zu schaffen, mit dem der IS gegen seine Feinde vorgeht. Allerdings lehnen die meisten Abgänger Brutalität nicht generell ab, sondern vor allem dann, wenn sie gegen Sunniten gerichtet ist. Und der IS ist ebenfallls sunnitisch. Zudem gingen IS-Kämpfer bei militärischen Operationen grundsätzlich nach dem Prinzip des Kollateralschadens vor: Frauen, Kinder und Zivilisten kämen dabei genauso zu Schaden wie Geiseln und sogar eigene Mitglieder. Das alles verstöße gegen den eigentlichen Kern des Islams.
 
Einige IS-Abgänger haben zudem Erfahrung mit „Korruption“ innerhalb der Gruppe gemacht. Ihrer Meinung nach wurden ausländische Mitglieder privilegiert behandelt. Die Studie zitiert aber auch zwei der angeblich „privilegierten“ Ausländer: Die verließen den IS, weil sie  zu Selbstmordattentätern ausgebildet wurden - und das offenbar so gar nicht im Sinn hatten, als sie nach Syrien zogen. Grundsätzlich, so argumentieren die Deserteure weiter, widerspräche solch „korruptes“ Verhalten dem zentralen Versprechen des IS, nämlich „eine perfekte islamische Gesellschaft, basierend auf Fairness und Gleichheit“ , zu schaffen.
 
Ein etwas anders geartetes Problem hatten vor allem diejenigen Abgänger, die sich dem IS aus materiellen Gründen angeschlossen hatten: Dicke Autos und Luxus blieben aus; dafür hatten sie mit Strom- und Nahrungsmittelknappheit zu leben. Auch die Kämpfe beschrieben sie als nicht so heldenhaft, wie sie sich diese zuvor vorgestellt hatten. Kurzum: Ihnen mangelte es an Lebensqualität im Kalifat. Potentielle Rekruten könnten die Ergebnisse der Studie zum Umdenken bringen, das erhoffen sich zumindest die Herausgeber. Dem Bild des IS als ideologisch gefestigte Terrorgruppe könnten sie in jedem Fall schaden.
 
Übrigens gibt es neben Achmed noch jemanden, der es schon vorher gewusst hat:

http://www.youtube.com/watch?v=OnxLLG5dItI

Apokalypse - mal wieder

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Eigentlich sollte diese Meldung gut für alle Hobbyastronomen sein: In der Nacht von Sonntag auf Montag gibt es eine totale Mondfinsternis - inklusive Blutmond.

Erinnern wir uns kurz an die Schulzeit zurück: Eine Mondfinsternis entsteht, wenn die Erde sich so zwischen Sonne und Mond schiebt, dass der Mond in ihrem Schatte liegt. Hinzu kommt aber am Montag, dass der Mond supernah an der Erde ist (ein sogenannter "Supermond", ganz ernsthaft) und nicht unsichtbar wird, sondern rot leuchted - also zum Blutmond wird. Für die, die es ganz genau wissen wollen: Das liegt daran, dass trotz der Verdeckung immer noch Sonnenlicht durch die Erdatmosphäre  in den Schattenkegel hinein gebrochen wird. Und das betrifft vor allem die roten, langwelligen Teile des Lichts, deshalb leuchtet der Mond rot. So weit, so romantisch - könnte man meinen.


Oh oh!

Das Internet findet das aber nicht romantisch, sondern eher angsteinflößend. Und das liegt vor allem an Menschen wie Irvin Baxter. Der ist selbsternannter "Präsident des Endzeitministeriums", das übrigens seinen Sitz in einem Suburb von Dallas hat, und prophezeit schon sehr lange, dass das Ende nah sei. Um genau zu verstehen, wie er das meint, könnte man jetzt bei ihm eine 14-teilige DVD-Box für 200 Dollar kaufen, was wir dann aber doch gelassen haben. Stattdessen reicht auch dieses Youtube-Video:
https://www.youtube.com/watch?v=tnF4dsGsbZI#t=21

Darin kündigt Baxter an, dass mit dem Blutmond "some great event" passieren wird und das reicht natürlich, um das Internet, vom ausgebliebenen Maya-Weltuntergang 2012 immer noch nachhaltig enttäuscht, anspringen zu lassen. Der Hashtag #bloodmoon trendet bereits seit Tagen auf Twitter und Facebook, viele fragen sich: Ist das große Event die Apokalypse? Wird dem Papst, der, was ja kein Zufall sein kann, zeitgleich die USA bereist, etwas widerfahren? Oder geht es vielleicht um den Atomdeal, den die Welt bei der UN-Vollversammlung, die ganz zufällig am 28. September beginnt, mit dem Iran eintüten will???

Und während alle Panik schieben und zahlreiche Webseiten mit Texten wie "Bringt der Blutmond wirklich den Weltuntergang" versuchen Leute auf ihre Seite zu locken, freuen sich vor allem Online-Propheten wie Irvin Baxter. Für Sonntagnacht hat er bereits einen großen Vortrag über die Auswirkungen des Blutmondes angekündigt. Danach ist er bis Ende November ziemlich ausgebucht - er muss überall in den USA Vorträge über die Apokalypse halten. Der Mann hat vermutlich Insiderwissen, wie es nach Montag weitergeht.

charlotte-haunhorst

"Meine Woche ist schon so voll..."

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Der Herzschrittmacher-für-die-Freundschaft-Chat


Wer schreibt?


Zwei, die mal dicke Freunde waren und jetzt nur noch Freunde sind. Oder Bekannte. Oder Zweck-Freunde.

Und warum und wie?


Jens und Stefan haben in den ersten Semestern viel unternommen. Zusammen ins Stadion, zusammen in Urlaub, zusammen saufen, zusammen lernen. Aber dann haben sie sich irgendwann ein bisschen auseinandergelebt, Erasmus, Freundinnen, solche Sachen spielten da eine Rolle. Jetzt studieren sie zwei verschiedene Masterstudiengänge und treffen sich in unregelmäßigen Abständen. Meistens, wenn einer Lust auf ein Feierabendbier hat, aber niemand anders findet, der mitkommt. Eigentlich könnten sie es also auch lassen, mit dem Kontakt. Aber der Chat ist halt immer noch in der Chat-Liste, wie ein Mahnmal, das „Meld dich!“ sagt. Also melden sie sich. Ohne viel zu sagen zu haben. Nur ab und an kommt mal eine Erinnerung hoch, an die man sich klammern kann...

Und wie sieht das konkret aus?



Zuflucht in Bildung

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Anna Schmauder, 24, hat eine Google-Maps-Karte mit Unis und Hochschulen erstellt, die ihre Vorlesungen und Veranstaltungen kostenlos für Flüchtlinge öffnen oder ihnen sogar ein Studium trotz fehlender Nachweise ermöglichen. Die roten Points of Interest sind Gasthörer- und Schnupperstudienangebote, die blauen reguläre Studienmöglichkeiten.





Anna hat in Heidelberg Politikwissenschaft studiert und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag. Gerade gründet Anna zusammen mit ihrer Kommilitonin Johannah Illgner die Initiative "Uni für alle", die Geflüchteten den Zugang zur Uni Heidelberg erleichtern will. Im Interview spricht sie über die Hürden, die Geflüchtete auf dem Weg an die Uni aufhalten, und einen 30 Jahre alten Beschluss, der Flüchtlingen ohne Anerkennung ein Studium in Deutschland ermöglicht.

jetzt.de: Anna, du erstellst gerade eine Google-Maps-Karte mit Studienangeboten für Flüchtlinge. Bis auf die Einleitung, die es auch auf Englisch gibt, sind die Infos in der Karte aber fast ausschließlich auf Deutsch. 
Anna Schmauder: Die Infos sind vor allem Ansprechpartner und Telefonzeiten. Das ist nicht optimal, aber die Infos auf den Webseiten der Unis, auf die wir verlinken, sind auch größtenteils auf Deutsch. In den allermeisten Studiengängen an den Unis und Hochschulen in Deutschland wird außerdem auf Deutsch gelehrt, auch in Heidelberg gibt es kaum Angebote auf Englisch. Die Geflüchteten, die in Deutschland studieren oder ihr Studium abschließen wollen, wissen, dass sie Deutsch lernen müssen, und wollen das auch. 

Wer soll deine Karte dann lesen?
Es geht bei der Karte um einen ersten Überblick mit den zuständigen Ansprechpartnern, die Sprache ist dabei nicht so relevant. Die Informationen auf der Karte sollen von den Unis, Initiativen und Ehrenamtlichen gestreut werden. Den Verantwortlichen soll so auch das Interesse der Bevölkerung an einer Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten für Geflüchtete deutlich gemacht werden. Das ist wichtig, denn wie ich gerade erst herausgefunden habe, wird es bereits die ganze Zeit so gehandhabt, dass Geflüchtete Zugang zu einem regulären Studium haben können. Nur weiß das fast niemand, und wenn man nach „Studium“ und „Flüchtlinge“ googelt, bekommt man bislang keine Informationen dazu, dass man als Flüchtling ohne Nachweis und Anerkennung studieren kann.  

Wie kann das sein?
Es gibt einen Beschluss der Kultusministerkonferenz von 1985 (PDF), damals kamen viele Menschen mit akademischem Hintergrund aus dem Iran nach Deutschland und wollten hier weiter studieren. Der Beschluss sieht vor, dass man auch ohne Nachweisdokumente, aber mit einem indirekten Nachweis, einem Zeitungsbericht über die Schulabschlussfeier etwa, wie andere Studienbewerber geprüft wird. Nach diesem Beschluss wird zumindest an der Uni Heidelberg noch immer gehandelt. Es gibt also Wege für Geflüchtete an die Uni.

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Auf deiner Karte stehen im Moment nur zwei Unis, die ein richtiges Studium für Geflüchtete anbieten. 
Ein Großteil der Programme besteht aus Gasthörerschaften, Schnupperstudien, verbunden mit Sprachkursen und Mentoring-Programmen. Das klingt natürlich erst mal gut, aber das alles ermöglicht den Geflüchteten nicht, ein Studium aufzunehmen. Es gibt keine Zertifikate, und wenn es welche gibt, kann man sie nicht für ein späteres Studium anrechnen. Mit unserer Initiative in Heidelberg wollen wir ein Rahmenprogramm für eine vollständige Zugangsberechtigung für Flüchtlinge zur Aufnahme eines Fachstudiums an der Uni Heidelberg schaffen. Auf der Suche nach Best-Practice-Beispielen habe ich auch die Karte angelegt. Heidelberg wäre prädestiniert dafür, Flüchtlingen den Unizugang zu erleichtern.  

Warum das?
Zum einen, weil 75 Prozent der Flüchtlinge, die nach Baden-Württemberg kommen, zunächst in Heidelberg untergebracht und registriert werden. Zum anderen weil das Bundesamt für Migration einen Integrationskurs erst bezahlt, wenn der Asylantrag abgeschlossen ist. Das bedeutet, wenn sich keine Ehrenamtlichen darum kümmern, auf dem Land zum Beispiel, ist es für Geflüchtete schwer, während des Verfahrens Deutsch zu lernen, und das kann Monate bis Jahre dauern. In Heidelberg ist das anders, da finanziert die Stadt einen Kurs für alle Geflüchteten, die hier untergebracht sind, die Volkshochschule und der Asylarbeitskreis finanzieren durch Spenden weitere Folgekurse für Geflüchtete. Somit ist die sprachliche Hürde für ein Studium schon etwas kleiner.   

Wie kommt es, dass sich mehr Hochschulen als Universitäten für Geflüchtete öffnen?
Für die Unis scheint es mehr Hürden zu geben, richtige Programme für Geflüchtete aufzusetzen, das ist bei den Hochschulen niedrigschwelliger. Ich trage auf der Karte auch die Partner-Unis der Kiron-Universität (mehr dazu hier auf jetzt.de) ein, die Flüchtlingen ein Studium ermöglicht, auch deren Partnerunis sind vor allem Hochschulen.  

Gerade hat die Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka angekündigt, die Studienkollegsplätze auszubauen, dort werden Bewerber mit ausländischen Abschlüssen auf ein Studium an einer deutschen Hochschule vorbereitet. 
Das ist das richtige Signal. Insgesamt 2.400 zusätzliche Plätze an den 30 Kollegs in Deutschland speziell für Flüchtlinge soll es geben, bislang gibt es insgesamt 4.000. In Heidelberg wären das bei paritätischer Verteilung 80 Plätze, also fast eine Verdoppelung. So wie auch an Kitas Integration gefördert wird, muss das endlich auch an den Unis passieren.

Was habt ihr konkret mit eurer Initiative "Offene Uni Heidelberg" geplant? 
Es geht uns zuallererst um den Abbau von Barrieren – und zwar kommunikativen, sprachlichen und finanziellen. Erst einmal muss kommuniziert werden, dass in Baden-Württemberg nach der Novelle des Landeshochschulgesetzes von 2014 eine Immatrikulation unabhängig vom Status erfolgen kann. Man braucht keinen anerkannten Status oder ein Bleiberecht, sondern kann sich auch während des Asylprozesses immatrikulieren lassen oder bewerben. Nach der Bewerbung wird geprüft, welche Bildung man mitbringt, ausländische Schul- oder Studienabschlüsse können anerkannt werden. Ich weiß von syrischen Geflüchteten, dass ihre Hochschulzugangsberechtigung im Heimatland in den meisten Fällen auch in Deutschland anerkannt wird. Außerdem sollen die Unis die Geflüchteten mit Mentoring-Programmen und Sprachkursen begleiten. Wir finden, dass die Unis sich da kümmern müssen, nicht nur Ehrenamtliche.    

Die globalen Fans des Xi Dada

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Die ganze Welt liebt China. Liebt vor allem Chinas großen Anführer: Xi Dada, beziehungsweise in echt natürlich Xi Jinping. Xi Dada ist ja nur der Kosename, weil das einfach so ein dufte Kosennamentyp ist, dieser große Mann.

Na jedenfalls: Da muss man nur mal auf die Straße gehen, besser noch auf den Uni-Campus, irgendeinen chinesischen natürlich, und mal wild durch die Nationen fragen: Wer ist dieser sweete Xi Dada? Und wie findet ihr ihn? Schon kriegt man blindverliebte Antworten: „A wise and resolute president“, „Not only a business man, also a family man“, „Handsome, yah, he is very charismatic“ .... Süß sei er, ein Gentleman, man könne ihn sich geradezu als Ehemann wünschen, die ganze Welt liebe und respektiere ihn, durch ihn sei die Freundschaft zwischen ihm und China für 10.000 Jahre garantiert. Na na na, 10.000 Jahre, das ist aber nun schon ein bisschen übertrieben? Ach wat! Außerdem: Wenn das echt so viele verschiedene Leute sagen, aus so vielen verschiedenen Ländern, dann kann das ja nur stimmen.

Aber überzeugt euch selbst. All diese zitierten und noch viele andere O-Töne des Lobes, der Liebe, der Bewunderung für Xi Dada, den brilliantesten Staatsmann, den die Weltgemeinschaft je gesehen hat, finden sich in folgendem recht aktuellen Propagandavideo der Chinesischen Regierung:

http://www.youtube.com/watch?v=PnRo9AMT8FI#t=56

Mei, China halt, denkt man jetzt. Was soll man dazu noch groß sagen. Was uns allerdings doch brennend interessiert ist: Wer genau sind denn bittesehr diese Studenten? Was zur Hölle wurde ihnen für diesen Auftritt an Cash geboten, dass sie die Bitte nicht abschlagen konnten? In was für einer Welt leben wir noch mal?

Mit all diesen Fragen vorerst allein lässt euch:

Euer ebenso ratloses jetzt.de

mercedes-lauenstein

Das ist... Ali Mohammed Baqir al-Nimr, Todeskandidat

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Das ist...


Ali Mohammed Baqir al-Nimr, je nach Quelle 20 oder 21 Jahre alt, und vom höchsten saudischen Gericht zum Tode durch Enthauptung und anschließende Kreuzigung verurteilt. Er wurde 2012 verhaftet, zu diesem Zeitpunkt war er 17 Jahre alt. Der arabische Frühling erlebte da gerade seine Hochzeiten in Saudi-Arabien und Ali hatte er in seiner Heimatstadt Qatif gegen das saudische Königshaus demonstriert. Verurteilt wurde er allerdings wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrorzelle und Angriffen auf die Polizei mit Molotowcocktails. Er selbst sagt, das dazugehörige Geständnis 2012 unter Folter unterzeichnet zu haben.

Dass man erst so spät von Alis Schicksal hört, liegt auch an der saudischen Justiz. Das gesamte Verfahren wurde geheimgehalten, er hatte nie Kontakt zu einem Anwalt. Erst durch Zufall erfuhren Menschenrechtsorganisationen von dem Fall, Alis Vater hat gestern ein Gnadensgesuch für seinen Sohn beim König eingereicht.

Der kann...


nichts für seine Verwandschaft – sie ist aber wahrscheinlich der Grund für seine Verhaftung und Verurteilung. Menschenrechtsorganisationen und private Quellen beschreiben Ali als jungen Mann, der am Tag seiner Verhaftung eher zufällig mit seinem Mitschülern demonstrieren ging. Er sei kein Aktivist, das Todesurteil politisch motiviert, denn Ali al-Nimr ist der Neffe von Nimr al-Nimr, einem der prominentesten Kritiker des saudischen Königshauses. Sein Onkel hatte 2012 demokratische Wahlen gefordert und zu Demonstrationen aufgerufen, allerdings stets ohne Anwendung von Gewalt. Auch er wurde 2014 zum Tode verurteilt, nach internationalen Protesten wurde das Urteil bisher allerdings nicht vollstreckt. Hinzu kommt, dass die al-Nimrs der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien angehören. Staatsreligion ist der hanbalitische Islam, eine Form des Sunnismus.

Der geht...


wenn nicht schnell etwas passiert: in den Tod. Experten gehen davon aus, dass das Urteil jederzeit vollstreckt werden könnte. Meistens werden nicht einmal die Angehörigen zuvor informiert.

Wir lernen daraus...


dass Saudi-Arabien und leider auch die UN die Sache mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen: Die Todesstrafe widerspricht nämlich Artikel 3 der UN-Generalversammlungs-Resolution von 1948, in dem es heißt: „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“ Eine weitere UN-Resolution besagt, dass Straftaten, die von Minderjährigen begangen werden, nicht mit der Todesstrafe sanktioniert werden dürfen. Beide Resolutionen wurden von Saudi-Arabien unterzeichnet.
Besonders bizarr: Kurz nachdem bekannt wurde, dass Saudi-Arabien al-Nimr hinrichten lassen will, wurde der saudische UN-Botschafter, Faisal Bin Hassan Trad, zum Vorsitzenden des UN-Menschenrechtsrats ernannt. Ein Gremium, das laut eigener Satzung eigentlich Länder ausschließen sollte, die wiederholt die Menschenrechte missachten – und Saudi-Arabien gehört da definitiv dazu, allein in diesem Jahr wurden dort 134 Hinrichtungen vollzogen und die Verurteilung des regimekritischen Bloggers Raif Badawi zu 1000 Peitschenhieben erregte weltweite Aufmerksamkeit. Auf der Skala der politischen Rechte und Freiheitsrechte der NGO Freedomhouse erreicht Saudi-Arabien stets die niedrigste Punktzahl.

Google weiß...


wie al-Nimr noch gerettet werden könnte: Der saudische König persönlich müsste ihn begnadigen. Damit das passiert, versuchen Menschenrechtsorganisationen mit Petitionen maximalen Druck auszuüben. Wichtig wäre aber auch, dass die Politik sich äußert. Bisher hat das allerdings nur Frankreich getan. Ebenfalls ein Statement abgegeben haben – und das wirkt in diesem Zusammenhang fast zynisch – Menschenrechtsexperten der UN.

Das längste Video der Welt

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Im Jahr 2015, das ist allen wohlbekannt, hat der junge Durchschnittsmensch einfach zuviel Zeit. Weiß gar nicht, wo er hinklicken soll, so wenig Unterhaltungsprogramm gibt es im Netz. Auch hat der junge Mensch von heute einfach ein wahnsinniges Konzentrationspotenzial. Was bieten wir ihm also, um seinen Nerv zu treffen? Ja genau, ein 98 Stunden dauerndes Interview! Das ist doch mal super. Da weiß er endlich mal wieder, mit was er seine Nachmittage füllen soll.

Okay, das ist übertrieben. Aber: Tatsächlich kann man sich gerade auf Youtube live ein 98-Stunden-Interview mit Bushido ansehen. Und natürlich macht das irgendwie doch ziemlich viel Sinn für den jungen Internetmensch dieser Tage, denn dieser kann ebenjenes Interview einfach all day long im Hintergrund laufen lassen, quassel quassel, rap rap, und bla bla, und auch wenn er zwischendurch mal sechs Stunden in die Uni/ins Kino/aufs Klo geht, hat er noch nicht viel verpasst und trotzdem das Gefühl, dass immer jemand da ist.

Eigentlich ist dieser Trend zu stundenlangen Rap-Interviews ja sowieso die allerbeste Metapher fürs ganze große Internet. Läuft in einem fort, müllt einem das Unterbewusstsein voll, aber gibt einem das vage und drogenähnliche Gefühl, nie allein, nie leer zu sein. Auf diese schöne, irre pathologische Illusion heben wir einen und sagen: Viel Vergnügen mit diesem Video.

http://www.youtube.com/watch?v=YWsSV85xNYg

mercedes-lauenstein

Eine Mass für Super Mario

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http://www.youtube.com/watch?v=yMrFIMRXWfM
Oktoberfest-Level mit dem "Super Mario Maker". So sieht die Super-Mario-Wiesn aus - mit Kommentar. 


Er war schon in Burgen aus Schokolade und in verzauberten Wäldern. Er hat Prinzessinnen aus Geisterschlössern gerettet und Dinosaurier in Lava geschubst. Und jetzt, pünktlich zum „Italienerwochenende“, kommt der wohl berühmteste Italiener der Welt endlich auch nach München: Die Rede ist von Super Mario, dem schnauzbärtigen Handwerker mit den roten Latzhosen, der seit 30 Jahren durch die Videospiele von Nintendo hüpft.

Die Gelegenheit dazu schafft der „Super Mario Maker“, ein neues Spiel für Nintendos Wii-U-Konsole. Mit diesem Editor-Programm können Spieler mit Dutzenden Bausteinen eigene Level bauen – von blitzschnellen Hindernisläufen bis hin zu den simplen, aber sorgfältig ausbalancierten Leveldesign-Meisterwerken, für die Nintendo berühmt ist. Die Bastler können ihre fertigen Level ins Internet hochladen, sie mit anderen Spielern teilen oder selbst durch ihre Kreationen hüpfen. Seit der Level-Editor am 11. September erschienen ist, kamen so mehr als eine Million digitale Hüpfburgen zusammen: fliegende Piratenschiffe, Achterbahnfahrten durch Minenstollen im Stil von Indiana Jones und vieles mehr. Genau das ist ja der Reiz hinter so einem Editor: der standardisierten Levelwelt eigenes Leben einzuhauchen. Ihr eine persönliche Note zu geben, Spiele, Filme oder gleich die Realität zu zitieren und in das Mario-Universum zu holen.

Die Wiesn ist ein großes Jump n' Run-Spiel


Als wir uns durch diese Level klickten, merkten wir, dass eines noch fehlt: das Mario-Oktoberfest. Dabei bietet sich doch kaum etwas so sehr an wie die Wiesn - ist sie doch eigentlich selbst ein großer Spielparcours, mit vielen Hindernissen und Hürden. Das Gedränge in der U-Bahn, durch das man fast so geschickt navigieren muss wie durch eine Unterwasserwelt in Marios „Mushroom Kingdom“. Die vielen Karussells, die blinken und leuchten und tuten und wie alles in der bunten Mario-Welt möglichst viel Eskapismus bieten wollen. Und sind nicht die traditionellen Fahrgeschäfte so etwas wie Vorläufer der Computerspiel-Challenges? Die Labyrinthe mit Geheimgängen und Sackgassen, durch die wir in Computerspielen laufen, gibt’s auf Volksfesten schon ewig. Der Tobbogan wirkt mit seinem Förderband und seiner Rutsche wie die analoge Ur-Version eines Jump-and-Run-Spiels. Es macht kaum einen Unterschied, ob wir bei Super Mario mit Schildkrötenpanzern auf Hindernisse und Gegner schießen oder ob wir auf der Wiesn an der Schießbude stehen oder Dosenpyramiden umwerfen. Und selbst die Hauptattraktionen der Wiesn, die Bierzelte: Sehen die nicht der Burg ganz schön ähnlich, die am Ende von fast jedem „Super Mario Bros“-Level das Ziel markiert?

>>> Kommt Mario heil ins Bierzelt?
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So haben wir die Super-Mario-Wiesn gebaut.
Die Mario-Version des Löwenbräu-Zelts: Mit Bowser statt Raubkatze.

Wohin Mario bei seinem ersten Besuch auf der Wiesn also auf dem Weg sein muss, war uns ganz schnell klar: Ein Bierzelt muss am Ende des Levels stehen, so weit man das eben in die abstrakte Klötzchen-Welt von Super Mario übersetzen kann. Weiße und gelbe Bausteine sowie grünbepflanzte Plattformen sorgen für angemessenes Dekor am Eingang. Darüber thront – ganz nach dem Vorbild eines gewissen maßkrugbewehrten Löwen – Bowser höchstselbst, die urtümliche Panzerechse, die jetzt schon einige Dutzend Mal Marios Prinzessin Peach entführte. Bowserbräu also: Das mag zwar wenig bayerisch klingen, aber vielleicht liefert es der nächsten Craftbeer-Mikrobrauerei eine zündende Idee.

Bei unserer Version des "Hau den Lukas" schwenkt der Bildausschnitt nicht schnell genug. Also lieber eine Schießbude bauen.


Auch das erste Fahrgeschäft war schnell gebaut: ein Riesenrad. Am besten mit wunderbarer Aussicht aus luftiger Höhe auf das Alpenpanorama der Kulisse aus „Super Mario World“. Ein paar Plattformen umkreisen ein gefährlich aussehendes Zahnrad, einige Lavakugeln auf Schienen imitieren das Jahrmarkt-Lichterspiel, noch ein, zwei Hindernisse – fertig.

Schwieriger wurde es mit unseren Ideen für eine Oktoberfest-Bude zum Mitmachen: „Hau den Lukas“ schien einleuchtend – Mario sollte in unserer Version einen besonders hoch aufgehängten Fragezeichenblock treffen. Aber leider schwenkt der Bildausschnitt bei so einer akrobatischen Einlage nicht schnell genug. Also eine Schießbude: Drei leere Schildkrötenpanzer liegen bereit, drei Fragezeichenblöcke müssen mit Sprung-Würfen angeschossen werden. Hinter einem verbirgt sich ganz Wiesn-typisch eine Blume.

Und dann der Adrenalin-Höhepunkt: eine Geisterbahn! Stilecht als Spukhaus-Silhouette mit spitzen Türmchen gebaut, dazu ein kurzer Ausflug mit dem Wagen auf den Balkon, um Fahrgäste anlocken. Für die Innendekoration bot sich das Geisterschloss-Szenario aus „Super Mario World“ an. Aber keine Angst, wie auf der Wiesn gilt auch in der Mario-Geisterbahn: Bitte keine Füße oder Hände aus dem Wagen strecken! Dann kann auch nichts passieren.

Wer den Super-Mario-Maker daheim hat und das Wiesn-Level spielen will, findet es dort unter dieser ID-Nummer: A60A-0000-005E-6A2D

Du Grüntee-Schlampe!

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Gute Schimpfwörter müssen sich sagen lassen wie Militärbefehle: schnell und mit viel Spucke. Die deutsche Sprache, gerne mal als grundaggressiv bezeichnet, ist dafür sehr geeignet. Aber die besten Schimpfwörter gibt es nicht auf Deutsch, sondern auf Arabisch, Thailändisch oder Spanisch.

In diesen und anderen Sprachen beschimpft man sich nicht nur als „Arschloch“ oder „Wichser“, sondern als „Arschhaar“, „Bandwurm“oder „Grüntee-Schlampe“.

http://www.youtube.com/watch?v=6Nwk6UaLBSo#t=199

Allgemein beschreiben Schimpfwörter häufig Genitalien, Fäkalien, Tiere und Krankheiten – andere appellieren an Moral und Religion. Alle sind abhängig vom Kulturraum. Was genau wir sagen, hängt außerdem von komplexen neurologischen Verbindungen im limbischen System ab, das heißt dem triebhaften Teil des Gehirns.

Einfach aber effektiv:



Der Klassiker: 



Der Downer:



Diese schmutzigen Worte sagen sehr nette Menschen einfach so in die Kamera. Alles zum Zweck der Völkerverständigung.  








Es wäre der Welt also zu wünschen, dass sie dieses Video zum Anlass nimmt, aus dem nationalen Beschimpfungstrott auszubrechen und endlich mal ein paar neue Fremdwörter in den Schimfwortschatz einzubauen. Zumindest das mit der Grüntee-Schlampe können wir doch schon mal nachvollziehen.  





Wer sich dem Thema noch tiefergehend widmen möchte, dem sei dieser Shakespeare-Beleidigungs-Generator ans Herz gelegt. Da kommen dann solche bösen Sätze raus wie: Spongey hedge born hugger mugger. Keine Ahnung, was das heißt, aber es klingt extrem gut. Besonders wenn man es ganz schnell mit ganz viel Spucke sagt.

sina-pousset 

Mädchen, was soll der Kleiderstangen-Hype?

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Vor ein paar Jahren gab es beim Thema weibliche Kleideraufbewahrungstechnik einen Superlativ, auf den ihr euch alle einigen konntet: den begehbaren Kleiderschrank. Wahrscheinlich war das ungefähr zur der Zeit, als ihr euch mit euren Freundinnen getroffen habt, um „Sex in the City“ zu schauen. Da lief Carrie Bradshaw freudeseufzend durch ihren neuen Mehrzimmerschrank, und in meiner Vorstellung freudeseufzte es dann auch in euch drin ein bisschen, allerdings mit leichter Tendenz zum Wehmutseufzen, denn so einen Kleiderschrank werden die meisten von euch nie haben.





Mittlerweile wurde Sex in the City längst von Lena Dunhams „Girls“ abgelöst. Ich kenne die Serie nicht gut genug, um zu wissen, wo Dunhams Charakter Hannah ihre Klamotten aufbewahrt. Aber es würde mich nicht wundern, wenn sie nicht in einem Schrank hingen (und schon gar nicht in einem begehbaren). Nein. Ich glaube, sie hängen auf einer Kleiderstange. Denn seit einer Weile stehen solche Kleiderstangen in jedem zweiten Mädchenzimmer. Manchmal als Schrank-Ergänzung, mindestens genauso häufig aber auch als Ersatz dafür.

Und das, liebe Mädchen, verstehen wir nicht so ganz. Wir erkennen da keine Vorteile. Die Kleider sind weder vor Staub geschützt noch vor Blicken, die später über hässliche Exemplare oder ungebügelte Unordnung lästern könnten. Die Stange bietet keine praktischen Bonus-Features und keine optischen Anziehungspunkte. Sie steht da einfach rum, und nachts läuft man Gefahr, dagegen zu torkeln und sie umzuwerfen.

Deshalb fragen wir uns: Wie kam es, dass die Kleiderstange euer liebstes Kleideraufbewahrungs-Tool wurde? Beziehungsweise: Ist sie das überhaupt, ein Kleideraufbewahrungs-Tool? Ist sie vielleicht eher Schmuck- als Möbelstück? Eher Accessoire als Stauraum? Hat sie eine noch tiefere Bedeutung, die wir Jungs mit unseren stupiden T-Shirt-Stapler-Hirnen nicht erfassen? Oder ist am Ende, ganz vielleicht, doch Lena Dunham schuld?

Auf der nächsten Seite antwortet: martina-holzapfl
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Gehen wir die Sache doch heute ausnahmsweise mal ganz strukturiert an.

Kleiderstangen-Pro:

- Die Kleiderstange ist billig und sieht lässig improvisiert aus. Kleiderschränke sind teuer und sehen etabliert aus. Wir sind arm und wollen cool sein und entscheiden uns daher natürlich für die Kleiderstange, im Kombination mit ein paar Kisten und Schachteln oder Kommoden.
- Jedem Kleidungsstück tut es besser, zu hängen, als zusammengefaltet in einer Schublade zu liegen. Was hängt, knittert nicht.
- An einer Kleiderstange sind Klamotten innerhalb von Sekunden aufgehängt. Zusammenlegen erfordert Zeit und Konzentration. Wir sind faul. Punkt für die Stange.
- Eine hübsch kuratierte Kleiderstange (Regeln: nur die feinsten Zwirne bzw. Modekatalog-haftigsten Strickpullis aufhängen – auf kupferfarbenen Bügel von Hay natürlich-  ein, zwei zarte Kettchen dazu, eine gute Ledertasche, am Boden zwei Paar gut geputzte Schuhe) vermittelt uns die herrliche Illusion, in einer Boutique zu leben. Beziehungsweise: nicht in Heidelberg irgendwas Heidelberghaftiges zu studieren, sondern als angesagte Jungarchitektin in New York zu arbeiten. Alles, was weniger dekorativ ist und nicht hängen darf, wird einfach in Kisten, Schachteln oder Kommoden gestopft. Das ist...
-... zwar ein bisschen auch Selbstbetrug, aber immerhin mit der guten Nebenwirkung, dass wir unsere schönen Teile länger schätzen und lieben, weil wir sie so boutiquen- und geschenk- und fashionhaft behandeln und aufhängen. Könnte man fast schon einen nachhaltigen Umgang mit Dingen nennen. Bewussten Konsum. Oder so. Oder nicht?

Kleiderstangen-Contra:

 - Je nach Größe der eigenen Wohnung, beziehungsweise, meistens hat man ja nur ein Zimmer, macht sie dieses schnell unruhig. Optisch. Zumindest, wenn man mehr als fünf Kleider daran aufhängt und noch ein paar Möbel mehr hat, als einzig diese Kleiderstange und eine Matratze auf zwei Europaletten.
- Die Kleidung an der Kleiderstange verstaubt schnell und macht, dass überhaupt das ganze Zimmer schnell verstaubt.
- Einige Kleider verbleichen sogar auf der Kleiderstange.
- Auf eine Kleiderstange passt bei gleichem Quadratmeterverbrauch etwa vier Mal weniger als in einen echten Kleiderschrank. Man hängt sie also schnell sehr voll und muss dann den Rest dann sehr knittrig und unhandlich in Kisten oder Kommoden verstauen, die noch mal Platz wegnehmen.

Ihr seht, das Ding bei der Kleiderstange ist: Vor- und Nachteile wiegen sich gegenseitig auf. Kleiderstangen sind nicht so effizient wie Kleiderschränke, aber haben eine Aura, die wir mögen. Und sie sind günstig. Kleiderständer sind nicht perfekt. Sie machen ein bisschen Spaß. Sie passen zu unserem Leben, das nie perfekt ist, aber okay, und irgendwie immer erstmal nur eine Übergangslösung. Ernst wird es alles früh genug. Eines Tages werden wir einen Kleiderschrank kaufen. Und ein Bett. Und einen vernünftigen Staubsauger. Aber das hat noch Zeit.

Achso, wo der Trend herkommt, haben wir euch natürlich noch nicht erklärt. Sind wir leider auch überfragt. Ist halt irgendwie im Zuge dieser ganzen Mode- und Wohnbloggisierung so über uns gekommen. Ob nun ausgerechnet Lena Dunham alias Hannah in Girls eine hat, wissen wir grad nicht so genau. Vielleicht hat die auch nur einen abgehalfterten Vintagekleiderschrank vom Vormieter. Aber Jessa Johannson, ihre bohèmige, von Jemima Kirke gespielte Serienfreundin, die hat doch garantiert so eine.


In Serie

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Krümel auf dem Bett, dreckiges Geschirr daneben, die Augen trocken und der Zeigefinger auf der Tastatur. "Watch next Episode", steht auf dem Bildschirm und du klickst, klickst, klickst, bis du Kopfschmerzen hast. Und dann nochmal. Das nennt man "Binge Watching", es ist Teil des von Kollegin Nadja Schlüter beschriebenen Kreislaufs, auf dem das Serienschauen basiert.

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Bis es soweit ist, dass ein durchschnittlicher Mensch zum Serienzombie mutiert, vergeht, so fand Streaming-Dienst Netflix nun in einer Studie in 16 Ländern heraus, aber erst mal etwas Zeit (hätten sie gleich mal Nadja zu Rate ziehen können) – und zwar von Serie zu Serie unterschiedlich viel.

[plugin imagelink link="http://images.mentalfloss.com/sites/default/files/netflix_7.jpg" imagesrc="http://images.mentalfloss.com/sites/default/files/netflix_7.jpg"] 

Die hauseigene Serie House of Cards, von Netflix nach Benutzeralgorithmen konzipierte, braucht nur drei Anläufe, ganze acht Folgen lang dauert es beim Friends-Nachfolger How I Met Your Mother. Mad Men, mittlerweile schon fast Kult unter Serienfans, benötigt sechs Folgen für den "Noch Eine!"-Effekt. Inhaltlich lassen sich dabei wenig Schlüsse aus den Episoden ziehen.

Das bedeutet jedoch, dass sich der Erfolg der Serie nicht aus der Pilot-Folge ablesen lässt – eine Nachricht, die auch für TV-Sender interessant sein könnte. Der Schritt zum Zombiedasein braucht Zeit. Manchmal mehr, manchmal weniger. Meistens schauen wir eben so lange sporadisch, bis wir abhängig sind.

[plugin imagelink link="https://media.giphy.com/media/qn2t1VIIr1alq/giphy.gif" imagesrc="https://media.giphy.com/media/qn2t1VIIr1alq/giphy.gif"] "And you're hooked."

Die Holländer sind laut Netflix die schnellsten Serienjunkies: sie brauchen durchschnittlich eine Folge weniger, als andere Länder. Kritischer sind die Neuseeländer. Sie brauchen ein bis zwei Episoden mehr, als der Rest. Am schnellsten waren die Deutschen übrigens von der Fantasy-Comic-Serie Arrowüberzeugt, die Franzosen von How I Met Your Mother

Warum man aber die Episoden einer Serie runterstürzt, wie ein Jüngling die Jägermeister-Shots zum 18.? Dafür hat Netflix keine Erklärung. Vielleicht aus dem selben Grund: weil man es jetzt eben kann.

sina-pousset

Wir haben verstanden - KW 39

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  • Zuhause ist, wenn man bis drei Uhr nachts mit den Geschwistern billiges Bier trinkt, obwohl einer am nächsten Tag noch zur Schule muss.

  • Saudi-Arabien bekommt den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat, mag aber gar keine Menschenrechte.

  • An einer richtig frischen Apfeltasche kann man sich die Zunge verbrennen.







  • Flüchtlinge können bisher nur in Saarbücken und Stendal vollwertig studieren.

  • Viele Menschen auf dem Oktoberfest trinken Bier jetzt nicht mehr nur aus Masskrügen, sondern auch aus ihren eigenen Schuhen. 

  • Wenn man so müde ist, dass alles wehtut, sollte man auf keinen Fall direkt schlafen. Sondern sich hinlegen und ausstrecken und das Gefühl, das sich dann im Körper ausbreitet, so richtig genießen.

  • Gleichzeitig sehr beängstigend und sehr befreiend: Das Wissen, dass man sein Leben von heute auf morgen komplett ändern könnte.

  • Man sollte doch wieder öfter Postkarten schreiben.

  • Unfassbar, dass der Sommer wirklich vorbei ist. Hatte sich so angefühlt, als würde es einfach für immer warm bleiben.

  • Manchmal hat man Bock auf nix  - außer auf Grießbrei.

  • Man wurde zwar schon oft davor gewarnt, aber man sollte sich wirklich niemals alleine auf sein Navi verlassen. Never.

  • Playstation-Spieler schauen gerne Mom-Pornos - und Gamerinnen schauen 86% mehr Threesome- Pornos als ihre männlichen Mitspieler.

  • Man kann in einer fremden Stadt rasant schnell neue tolle FreundInnen finden, die man irgendwie gerne als Souvenir verpackt mitnehmen würde.

  • Doof. Immer wieder: den "Das mache ich später" Fail zu begehen.

  • Avocados sofort essen - sonst legt man sie in den Kühlschrank. Und merkt es erst, wenn man die nächste kauft und dort verstaut. Ein Teufelskreis. 

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