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Milliardenspiel

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Noch nie wurde im Fußball so viel Geld für Transfers ausgegeben. Der Sport muss aber seine soziale Verantwortung erkennen.

Mit seinem Wechsel vom englischen Fußballclub Tottenham Hotspurs zum spanischen Rekordmeister Real Madrid ist der 24-jährige Waliser Fußballprofi Gareth Bale zum teuersten Spieler der Welt geworden. Sein künftiger Arbeitgeber hat für ihn eine Ablösesumme von 100 Millionen Euro bezahlt, ein neuer Rekord auf dem Transfermarkt. Das ist nur ein weiteres Beispiel dafür, welch enorme Geldsummen im internationalen Fußballgeschäft im Spiel sind. Insgesamt wurden in diesem Jahr umgerechnet fast 2,6 Milliarden Euro für den Transfer von Spielern ausgegeben, knapp ein Drittel mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Geld, das vor allem aus den immer weiter steigenden Lizenzgebühren für TV-Rechte und den entsprechenden Sponsorenverträgen stammt. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Preisspirale weiterdreht, einhergehend mit Skandalen und Kritik am globalen Geschäft Fußball. Die Frage aber lautet: Ist das wirklich die Zukunft des Fußballs?



Seit seinem Transfer zu Real Madrid ist Gareth Bale (hier mit der Walisischen Nationalmannschaft) der teuerste Fußballspieler der Welt.

Ausgerechnet die fußballbegeisterten Brasilianer haben im Juni eindrucksvoll auf die Selbstbezogenheit des Fußballs und seine mangelnde soziale Dimension hingewiesen. Im Umfeld der Fußballspiele zum Fifa-Konföderationen-Pokal, der ein Jahr vor der Fußballweltmeisterschaft im Gastgeberland ausgetragen wird, protestierten Millionen Menschen gegen die hohen Kosten der Vorbereitungen für die Weltmeisterschaft 2014 und dagegen, dass gleichzeitig öffentliche Dienstleistungen zerfallen, insbesondere die Gesundheits- und Bildungssysteme. Diese Demonstrationen haben viele in Brasilien und in der Fußballwelt gleichermaßen überrascht. Die Annahme, sobald der Ball rolle, werden sich die Proteste schon legen, erwies sich als Trugschluss. In abgemilderter Form dauern die Proteste bis heute an. Die brasilianische Öffentlichkeit hat den Fußball zum Anlass genommen, aktiv zu werden. Die Demonstranten fordern, dass vor Fußballereignissen nicht nur in Stadien und in die Straßen zu Stadien investiert wird. Fußball soll nicht nur zum Nutzen einiger weniger sein, sondern für alle.

Nichts ist mit Fußball vergleichbar, kein Produkt, keine Dienstleistung, keine gesellschaftliche Bewegung, kein anderer Sport. Fußball ist einzigartig mit seiner enormen Strahlkraft und Attraktivität, seiner Macht, mit der er Menschen auf der ganzen Welt in allen Gesellschaftsschichten erreicht. Daraus leitet sich die besondere soziale Verantwortung der Akteure im Fußballgeschäft ab. Clubs wie Manchester United oder Bayern München inspirieren Menschen in Jakarta und Nairobi genauso wie in ihren Heimatstädten. Entsprechend muss das Konzept der sozialen Verantwortung weiterentwickelt werden.

Fußball kann Leben verändern. Er kann jungen Menschen aus benachteiligten Verhältnissen Themen wie Bildung, Integration, Gewaltprävention oder Friedensarbeit näherbringen. Täglich sehe ich, wie Menschen durch Fußball vor Landminen oder Bandenkriminalität bewahrt, über HIV oder Fettleibigkeit aufgeklärt werden oder eine Arbeitsstelle bekommen. Es gibt außerdem eine Vielzahl inspirierender Beispiele für die gelungene Zusammenarbeit von Sponsoren, Fußballverbänden und -vereinen, Regierungen und Graswurzel-Fußballprojekten - in der Entwicklungsarbeit ebenso wie bei der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit in Europa oder in der Arbeit mit Obdachlosen in den USA.

Ich liebe Fußball und ich glaube an die Kraft des Fußballs. Daher frage ich mich: Was wäre, wenn der Fußball, die Fußballindustrie als Ganzes, mit diesem Juwel wirklich verantwortungsvoll umgehen würde? Verantwortungsvoll im unternehmerischen und gesellschaftlichen Sinne. Was wäre, wenn das Geschäft Fußball den sozialen Mehrwert in sein Geschäftsmodell integrieren würde?

Dabei geht es mir nicht darum, dass die Vereine großmütig von dem, was sie erwirtschaften, 'zurückgeben', dass sie als milde 'Wohltäter' auftreten. Es geht um ein zukunftsfähiges 'Produkt Fußball'. Wenn man sich den Kapitalfluss im Fußball anschaut, dann zahlen dort vor allem die Fans ein, direkt oder indirekt - sei es durch den Kauf eines Gareth-Bale-Trikots, einer Eintrittskarte für das Bundesligaspiel am Wochenende oder durch die Rundfunkgebühren, die wir alle bezahlen. Daran würde auch niemand Anstoß nehmen, wenn es sich um irgendeine Ware oder Leistung und nicht um Fußball handelte. Weil es aber um Fußball geht, kann es nicht sein, dass die eigentlichen 'shareholder', die Milliarden Fans und die Menschen, die mit Fußball erreicht werden können, lediglich als Konsumenten oder als Empfänger von Marketinginteressen getriebenen Charity-Maßnahmen verstanden werden. Denn genau sie sind es, die den Wert des Fußballs ausmachen.

Würde der Fußball sich dieser Einzigartigkeit bewusst, könnte er auch seine gesellschaftliche Wirkung entfalten. Es geht nicht darum, Gutes zu tun, denn viele Akteure im Fußball, nicht zuletzt der Weltverband Fifa, tun da bereits sehr viel. Es geht vielmehr darum zu verstehen, dass es keine andere Wahl gibt, als grundsätzlich verantwortungsvoll mit dem öffentlichen Gut Fußball umzugehen. Das wäre nicht nur eine smarte Entscheidung, es wäre auch die einzig richtige.

Die Ereignisse in Brasilien können zum Wendepunkt in der Geschichte des Fußballs werden. Sie haben gezeigt, dass Sportgroßereignisse nicht mehr losgelöst von ihrem gesellschaftlichen Umfeld funktionieren. Die Kluft zwischen dem Fußballgeschäft einerseits und den gesellschaftlichen Gruppen, aus denen der Fußball kommt und dem er seinen Erfolg verdankt, muss dringend geschlossen werden. Es ist an der Zeit, dass der Sport sich auf seine Wurzeln besinnt und mit seiner eigenen Basis verbindet. Der Fußball braucht funktionierende Gemeinschaften, um sich weiterzuentwickeln. Er muss ein aktiver, verantwortungsbewusster Bestandteil der Gesellschaft sein. Der Fußball ist kein Besitztum der Fußballindustrie. Er gehört den Fans und der Gesellschaft, und die Branche bleibt ihnen noch zu viel schuldig.

Noch nie war der Fußball so teuer wie heute, das hat die vergangene Woche gezeigt. Bisher ist ihm der Kollaps erspart geblieben, weil die unwiderstehliche Qualität des Produkts Fußball alles wettmacht - noch. Die Leidenschaft für das Spiel lässt Fans noch oft über die Ticketpreise, die astronomischen Gehälter und Transfer-Deals sowie die zahlreichen Skandale hinwegsehen. Aber erste Risse werden sichtbar: Die protestierenden Brasilianer haben uns im Juni gezeigt, dass der Fußball sehr wohl an Strahlkraft einbüßen kann, wenn er zu Veränderungen nicht bereit ist.

"Wir trauen euch nicht"

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15.000 Menschen protestierten in Berlin gegen Datenspionage. Als prominenter Redner trat unter Jubel der US-Internetaktivist Jacob Applebaum auf.

Sie sind jung und wütend. Sehr jung und sehr wütend. Max und Mike, beide zwölf Jahre alt, haben sich gut vorbereitet: 'Security is Illusion' steht auf dem selbst gebastelten Schild der beiden Buben aus Berlin-Kreuzberg - Sicherheit als Illusion. 'Ich habe keinen drauf Bock, dass die alles von mir wissen', sagt Max, der kleinere der beiden jungen Demonstranten und hält sein Schild nach oben, 'die machen mit uns, was sie wollen. Das geht doch nicht.' Die, damit sind die Geheimdienste der Vereinigten Staaten und aus Großbritannien gemeint, gegen deren Ausspähprogramme am Samstag mehr als 15000 Menschen in Berlins Mitte auf die Straße gehen. Und natürlich geht es gegen die Bundesregierung, vor allem gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kanzleramtschef Ronald Pofalla.

Ein breites Bündnis von 86 Organisationen und Vereinen hat unter dem Motto 'Freiheit statt Angst' zum Widerstand aufgerufen: von der Berliner Aids-Hilfe über Attac, den Chaos Computer Club, der Freien Ärzteschaft, dem Verein Netzwerk Recherche bis hin zu den Jugendorganisationen der etablierten Parteien - alle sind sie da, bis auf die Junge Union.



Etwa 15.000 Menschen nahmen an der Demonstration gegen Überwachung und für Datenschutz teil.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie der Wahlkampfauftakt der Piraten: Ein Segelboot ist mit Parteiflaggen gespickt. Einige Fahnen im Publikum sind so groß, dass die Träger Probleme haben, sie bei Wind oben zu halten. Die Farbe orange ist so dominant, dass der Moderator darauf hinweist, dass Parteien zwar willkommen seien. Es handle sich aber um eine Demonstration der Bürger. Die Flaggen müssen nach hinten weichen. Die Julis, der Nachwuchs der FDP, haben sich in der letzten Reihe positioniert - so recht passen sie als Anhänger einer der drei Regierungsparteien nicht ins Bild. 'Aber trotzdem gehören wir dazu', sagt Juli-Mitglied Alexander Mechter, 'wir sind liberaler als viele meinen. Und ich persönlich kann mit der Haltung der Regierung in der Spy-Affäre nicht viel anfangen.'

Damit trifft der Jungliberale - bei all seiner Zurückhaltung - den Kern der Großdemonstration. 'Wir trauen euch nicht', ruft Kai-Uwe Steffen vom Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung von der Bühne aus und die Adressaten sind schnell ausgemacht: 'Das ist ein Wahlkampf mit gespaltener Zunge. Wir wollen Freiheit statt Angst - auch an der Wahlurne.' Plakate wie 'Angie, mach deinen Job' lassen erahnen, dass der Großteil der Demonstranten der Kanzlerin am Wahltag die Stimme eher verweigern wird. 'Weil die Bundesregierung und vor allem die Kanzlerin ihrem beeideten Auftrag nicht gerecht wird. Sie schützen unsere Rechte und unsere Freiheit nicht', poltert Christoph Bautz von der Nichtregierungsorganisation Campact.

Zu einer Demonstration dieser Art in Berlin gehört auch, dass sie mehr an ein Volksfest denn an eine Revolte erinnert. Aus drei Kisten und einem Kübel wird eine Kamera, vereinzelt sind Guy-Fawkes-Masken zu sehen, die Botschaften auf den Schildern machen die Wut der Menschen deutlich. 'Interessante Menschen haben Geheimnisse' lässt ein junger Berliner wissen. 'Es betrifft uns alle', sagt er, 'wir sind wie gelähmt, aber wir dürfen uns nicht lähmen lassen. Sonst geht unsere Freiheit drauf.'

Von Freiheit wird viel gesprochen, auch von Jacob Appelbaum. Der US-amerikanische Internetaktivist wird wie ein Star empfangen. Die Masse jubelt, trillert, klatscht als er auf die Bühne tritt. Appelbaum unterstützt Wikileaks und führte ein Interview mit Snowden. Jetzt stört er auch für kurze Zeit die beinahe kuschelige Atmosphäre der Kundgebung. Er schmettert seinen Zuhörern Sätze wie diese entgegen: 'Meine Regierung hat eure angelogen, damit sie euch anlügen kann.' Und: 'Diejenigen, die uns schützen sollten, tun das nicht. Die NSA hat gute Menschen gezwungen, Schlechtes zu tun; sie hat die Menschen zu Agenten des Staates gemacht.' Dagegen müssten die Aufrechten aufstehen, sagt Appelbaum.

Gerd Billen, Vorstand der Verbraucherzentrale, ruft derweil zur Wachsamkeit auf: 'Pofalla kann diese Affäre nicht einfach so beenden. Wir müssen uns wehren. Mit Freiheit und Mut. Nicht mit Angst.' Einen konkreten Vorschlag habe er auch: Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für Datenschutz, wäre doch ein guter Datenschutzminister: 'Der Datenschutz gehört nicht ins Innenministerium. Er gehört umgesetzt.'

Der Schurke und sein Hundeblick

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Das Kino macht der Welt den Prozess: Die 70. Mostra del Cinema in Venedig prämiert Filme über Wut, Hass und Gewalt.

Die Frage am Ende eines großen Filmfestivals, was das Kino nun umtreibt, wie es auf die Gegenwart reagiert, in welche Zukunft es aufbrechen will - die ist nie ganz leicht zu beantworten. So schwer wie diesmal, am Ende der 70. Mostra del Cinema in Venedig, schien das aber noch selten zu sein. Und auch die Entscheidungen der Wettbewerbsjury helfen dabei wenig.

Der Goldene Löwe zum Beispiel blieb endlich mal wieder in Italien: Gianfranco Rosi gewann mit seinem Dokumentarfilm 'Sacro GRA'. Darin umkreist er die Autobahn, die Rom umkreist. Dort findet er einen alten Mann, der in einem Zimmer mit seiner erwachsenen Tochter lebt; einen abstrusen Abkömmling eines alten Adelsgeschlechts mit grauem Zopf und Zuhälter-Manieren; einen Palmenexperten, der Käfer belauscht; ein paar alternde Nutten und einen Sanitäter, der mit dem Krankenwagen auf der GRA zirkuliert und die Unfallopfer einsammelt, die sie produziert.

Und dann geht er nach Hause, in eine leere Wohnung, immer noch nah am Ring, und skypt mit den Nutten. Das ist alles ganz schön - aber wenn Rosi sagt, er habe sich Italo Calvinos 'Die unsichtbaren Städte' zum Vorbild genommen, dann klingt das nach einer hochtrabenden Zielsetzung, die im Film nicht so recht sichtbar wird. Zusammengenommen ergeben seine Miniaturen nicht mehr als die Erkenntnis, dass der Autobahnrand keine gute Wohngegend ist.



Symbol und Trophäe der Filmfestspiele in Venedig: der Goldene Löwe. Am vergangenen Samstag wurde er erneut vergeben.

Oder der Große Preis der Jury für Tsai Ming-Liangs 'Stray Dogs': Ein Vater mit seinen beiden Kindern in einem Abbruchhaus. Es passiert nichts, es wird kaum gesprochen, Tableaus voller Einsamkeit und Melancholie reihen sich aneinander. Das ist schon faszinierend - aber anders als in früheren Filmen von Tsai Ming-Liang ist es auch so voller prätentiöser Gesten, als sei der Regisseur von seinem Stil selbst berauscht. Wenn in der letzten Sequenz des Films, einer Rückblende, ein Paar kurz vor der Trennung etwa zwanzig Minuten lang mit Tränen in den Augen ein halbzerstörtes Wandgemälde anstarrt, dann ist das keine Beobachtung von Menschen mehr, die sich in ihrem Umfeld bewegen. Es wirkt einfach nur inszeniert. Die Jury wollte - zumindest in ihrer Mehrheit - offenbar vor allem überraschen mit ihrer Wahl. Und sie wollte auch erregt und verstört werden. Das immerhin kann man als eine Art Tendenz festhalten. Jene Filmemacher im Wettbewerb, die in ihren Werken ganz bewusst Hass, Wut und andere dunkle Gefühle erzeugt haben, sind dabei nicht schlecht gefahren.

Die harmlosere Variante war da noch der italienische Beitrag 'Via Castellana Bandiera' von Emma Dante. Ihre 82-jährige Hauptdarstellerin Elena Cotta gewann die 'Coppa Volpi' als die beste Schauspielerin. Irgendwo in den ärmlichen Außenbezirken Palermos treffen sich zwei Autofahrerinnen in einer so engen Gasse, dass eine von beiden zurücksetzen müsste. Das passiert aber nicht, und die Wut auf beiden Seiten steigt - bis die trotzige Alte am Steuer (Cotta) tot ist. Metapher für ein Land, indem es keine 'Civiltà' mehr gibt und nichts mehr vor und zurück geht?

Noch deutlich düsterer der Beitrag aus Griechenland, 'Miss Violence' von Alexandros Avranas (Silberne Löwe). In den eher fahlen, ruhigen, abgezirkelten Bildern des neuen griechischen Kinos entwickelt sich hier ein Horrorszenario: Elfjähriges Mädchen springt vom Balkon, als ihre kinderreiche Großfamilie gerade Geburtstag feiern will, und nach und nach kommt heraus, dass ihr graugesichtiger, ruhiger, streng wirkender Großvater wohl auch ihr Vater war - und nicht nur ihrer. Ein Inzestdrama von Fritzlschen Dimensionen, es gibt sogar Interaktionen mit dem Jugendamt, aber alle schweigen - und der Patriarch betätigt sich auch noch als Zuhälter der eigenen Töchter.

Regisseur Avranas ist recht gut darin, Hass auf diesen fahlen kleinen Mann zu erzeugen - als Zuschauer möchte man ihn töten, und genau das passiert am Ende auch. Der Schauspieler Themis Panou, der dem Schurken seinen traurigen Hundeblick geliehen hat, bekam dafür den Darstellerpreis. Einen völlig unwahrscheinlichen Superbösewicht konstruieren, Hass und Mordgedanken schüren - das gehört im Kino allerdings zu den leichtesten Übungen. Hat man gerade als Grieche nun das Recht dazu - weil man vielleicht selbst gerade vom Schicksal terrorisiert wird?

In Philip Grönings 'Die Frau des Polizisten' (Spezialpreis der Jury) geht es zwar nicht um Inzest, aber um häusliche Gewalt - in der erstickend beengten Konstellation des geburtenarmen Deutschland: Vater, Mutter, Kind. Gewalt, die einmal mehr mit überkorrekten männlichen Regeln, mit männlichem Egoismus, mit dem rituellen Hineinschlüpfen in die bequemen Hausschuhe assoziiert wird, und der Täter von Beruf eben: Polizist. In einzelnen, streng getrennten Vignetten, die fast drei Stunden füllen, konzentriert sich Gröning vor allem auf die innige Mutter-Kind-Beziehung, zeigt auch mal einen netten Vater, so viel Balance muss sein - und findet schließlich erschütternde Bilder dafür, wie die Gewalt für die vierjährige Tochter zur Normalität wird.

Aber auch hier spürt man überdeutlich das Konstrukt, die wohlfeile Ideologie, auch eine gewisse Selbstgerechtigkeit: Die Welt ist, wie sie ist, also haben wir Filmemacher ja wohl das Recht, sie zu hassen und wütend zu sein. Es gab auch Filme, die sich den Umgang mit den Schrecken der Wirklichkeit schwerer gemacht haben, wie Kelly Reichardts 'Night Moves', der fast zeitgleich beim Festival in Deauville gewann, oder den Gewinner des Kritiker-Preises, Xavier Dolans 'Tom à la ferme'. Wenn die Juryentscheidungen dann am Ende dazu beitragen, dass Wut und Hass das Grundgefühl bleiben, das der Jahrgang 2013 in Venedig hinterlässt, ist das doch ein bisschen wenig.

Misstöne im Mogul-Garten

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Das bayerische Staatsorchester und sein indischer Dirigent Zubin Mehta geben ein Konzert in Kaschmir. Es sollte dem Frieden dienen. Doch in der Konfliktregion im Himalaja kann auch Musik politischen Streit entzünden

Der Maestro hatte lang auf diesen Moment gewartet. Immer schon wollte der weltberühmte Dirigent Zubin Mehta ein Konzert in den Bergen von Kaschmir dirigieren. Am Samstag war es so weit. Organisiert von der deutschen Botschaft in Indien, waren der Maestro und das bayerische Staatsorchester angereist, um am malerischen Dal-See, mitten in einem zauberhaften alten Mogul-Garten, Werke von Beethoven, Haydn und Tschaikowsky zu spielen. Der Auftritt wurde über Fernsehkanäle in alle Welt übertragen, und neben den klassischen Stücken aus Europa war denn auch zu hören, wie das Münchner Orchester mit einheimischen kaschmirischen Künstlern zusammen spielte.



Maestro Zubin Mehta und das Bayerische Staatsorchester im Mogul-Garten. Das Konzert sollte dem Frieden dienen, sorgte aber  dennoch für politische Kontroversen.

'Ehsaas-e-Kashmir' - Gefühle für Kaschmir - lautete das Motto des Konzerts. Der deutsche Botschafter Michael Steiner, der sehr viel Energie in dieses Projekt gesteckt hat, sprach von einem rein kulturellen Ereignis, das mit Politik nichts zu tun habe. Es diene als Brücke zwischen den Kulturen, und am Tag des Konzerts sah Steiner die Distanz von mehr als 7000 Kilometern zwischen München und Srinagar auf null zusammenschmelzen.

Doch andere Gräben, die mit Kaschmir und seiner komplizierten Geschichte zu tun haben, blieben bestehen und rückten im Laufe der Debatte um das Konzert erneut ins Licht. So entwickelte sich schon vor Anreise des Orchesters eine politische Kontroverse. Die Vorstellung, dass ein ausländisches Orchester von diesem Format mit einem weltberühmten Dirigenten an seiner Spitze in einem ideologisch und politisch stark aufgeladenen Konfliktgebiet ausschließlich als verbindendes Kulturereignis verstanden würde, erwies sich als Illusion.

Mehta hatte schon vor dem Auftritt immer wieder von der Kraft der Musik gesprochen, die Menschen zum inneren Frieden verhelfen könne. Doch Streit entstand vor allem deshalb, weil das Konzert nicht von allen als alleiniges Kulturereignis betrachtet wurde. Die deutsche Botschaft hat zwar mehrfach betont, dass sie nicht beabsichtige, mit dem Konzert Politik zu machen. Aber sie konnte nicht verhindern, dass andere darin ein genau dieses - nämlich ein politisches Signal - gesehen haben.

Kaschmirische Separatistenführer protestierten, weil mit so einem Auftritt der Eindruck befördert werde, alles in Kaschmir sei normal. Das Konzert diene dazu, die indische Herrschaft zu legitimieren, war aus ihrem Lager zu hören. Separatisten-Chef Syed Ali Geelani hatte bis zuletzt an die Deutschen appelliert, den Plan doch noch fallen zu lassen. Schließlich rief er zum Streik auf, viele Geschäfte blieben deshalb am Samstag geschlossen.

Wegen der massiven Sicherheitsvorkehrungen durch das indische Militär glich der Ort einer Festung, wie Reporter aus der Srinagar berichteten. Die Times of India meldete, dass nur wenige Stunden vor dem Auftritt vier Menschen erschossen wurden, als sie versuchten, eine Polizeistation anzugreifen. Das Gefecht ereignete sich 50 Kilometer vom Auftrittsort entfernt und erinnerte an daran, dass die Berge noch immer umkämpftes Terrain sind. Kaschmir hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem der kompliziertesten Konfliktgebiete Asiens entwickelt, drei Nuklearmächte - Indien, Pakistan und China - erheben hier Ansprüche. Zu Spannungen kommt es vor allem an der sogenannten Line of Control, der Demarkationslinie, die den von Pakistan beherrschten Teil im Westen vom indisch beherrschten Teil im Osten trennt. Dort, wo die Inder die Macht haben, also in jenem Teil, wo auch das klassische Konzert stattfand, schwelt eine separatistische Rebellion, die für die Unabhängigkeit Kaschmirs kämpft. Viele Kaschmiris wollen wenigsten möglichst viel Autonomie erreichen.

Trotz der harten Debatte und der Kritik, die sich im Laufe der Woche zugespitzt hatte, sagte Botschafter Steiner nach seiner Rückkehr nach Delhi am Telefon: 'Das Konzert war ein Traum.' Den Vorwurf, dass es die indische Herrschaft legitimiert habe, lässt er nicht gelten. Weder die deutsche noch die indische Nationalhymne sei am Samstag gespielt worden - 'und es wurde bewusst keine Einladung an die indische Staatsspitze ausgesprochen.' Statt der erwarteten 1500 Gäste seien schließlich 2700 gekommen, für den Botschafter ein überwältigender Erfolg. 'Wir hatten Kaschmiris aus allen Schichten als Gäste', versicherte Steiner. Zu behaupten, es sei nur ein Konzert für VIPs gewesen, treffe keineswegs zu.

Echte Hingucker

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Am Wochenende hat sich auf Twitter eine Art zweite #Aufschrei-Debatte Bahn gebrochen. Diesmal geht es jedoch nicht um Sexismus, sondern um Alltagsrassismus. Die unzähligen Tweets unter dem Hashtag #schauhin zeigen: auch hier ist eine gesellschaftliche Debatte notwendig.





„Mit nur einem Klick, das ist das Ziel, soll man/frau eine ungefähre Ahnung davon bekommen, wie sich der Alltagsrassismus in Deutschland anfühlen kann.“ Das schreibt die Journalistin Kübra Gümüsay in ihrem Blogüber #schauhin. Sie hat diesen Hashtag ins Leben gerufen, sie dachte, Deutschland könnte eine Debatte über Alltagsrassismus gebrauchen. Anscheinend hatte sie Recht. Seit Freitag, als der #schauhin geboren wurde, kann man zuhauf Tweets wie diese lesen:










Anfang der Woche hat Gümüsay auf einer Veranstaltung namens #abbloggen, initiiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung, darüber diskutiert, wie Rassismus und Sexismus sichtbar gemacht werden können. Eine Antwort auf diese Frage seien Hashtags, das habe vor allem die #Aufschrei-Debatte gezeigt, sagt Gümüsay: „Interessant war, dass #Aufschrei eine Alltagsrealität durch Tausende von Einzelgeschichten zum Thema machte und auf die mediale Agenda setzte. Etwas Ähnliches brauchte es auch für andere Diskriminierungen, dachte ich mir.“ 

Also sammelt Gümüsay im Anschluss an die Veranstaltung mögliche Namen für den Hashtag. Zur Auswahl und Diskussion stehen unter anderem #auf180, #jederfremd oder #Allrass. Die Vorschläge werden in einem Titanpad gesammelt, einer Art Notizbuch, das frei editierbar ist, für jeden, der möchte. Am Ende setzt sich #schauhin durch.

Grundsätzlich sollte in diesem virtuellen Dialogforum auch die Frage geklärt werden, wann die Aktionen beginnen sollte. Am Freitag aber tauchen anonyme Saboteure im Titanpad auf. Sie löschen Diskussionsbeiträge, posten rassistische Inhalte. Wer dahinter steckt, ist unklar. Für Gümüsay aber sind diese Angriffe ein weiteres Zeichen dafür, nicht länger zu warten und mit der Debatte anzufangen. Die 25-jährige Journalistin, die in Oxford lebt und studiert, legt einfach los. #schauhin, der Alltagsrassismus-Aufschrei, ist geboren. Aus einem Tweet werden viele, mit jeder Einzelerfahrung steigert sich die Wirkung, auch längere Facebook-Einträge werden gepostet. Der Hashtag landet in kurzer Zeit direkt in den Trending Topics, ist unter den Topthemen, über die sich die Nutzer mehrheitlich unterhalten.  

Wie immer ist nicht jeder Diskussionsbeitrag tatsächlich auch eine Beschreibung von rassistischen Situationen im Alltag. Aber in all diesen Tweets sammeln sich vor allem unterschiedlichste Erfahrungen.

#Schauhin zeigt schnell und eindrucksvoll, wie Rassismus funktioniert und vor allem, wie jede Art der vermeintlichen Andersartigkeit zum Anlass genommen wird, Menschen auszugrenzen. Das fängt an bei der Hautfarbe, die immer nur dann thematisiert wird, wenn sie nicht-weiß ist, und hört auf bei Menschen, die ausgelacht werden, weil sie beten.  

Bei #schauhin geht es darum, dass Menschen, die in der medialen Präsenz so gut wie keine Plattform haben, um über ihre Probleme zu reden, sich diese Plattform eben kurzerhand selbst schaffen. Das Neue ist ja nicht die Diskriminierung, sondern der Hashtag.

Opa und der Wahlkampf

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Charlottes Opa ist 84 und schreibt Mails, hat einen Facebook- und einen Twitter-Account. Für jetzt.de erklärt er einmal im Monat, was ihn die vergangenen Wochen besonders beschäftigt hat. Heute: Steinbrück vs. Merkel und der Wahl-o-mat.

Opa, wieder Zeit für unsere Monatskonferenz! Was hast du Neues im Netz erlebt?
Opa: Ich habe die deutsche Adresse vom Vatikan gefunden und denen dann auch eine Mail geschrieben.

Und was wolltest du von ihnen?
Opa:
Na, ihnen mal sagen, wie ich die aktuellen Entwicklungen der Kirche sehe. Was mich stört, was sie anders machen könnten.

Gab's eine Reaktion?
Opa:
Nein. Dabei ist es schon vier Wochen her, dass ich geschrieben habe. Aber wenn sie ihre Adresse öffentlich angeben, müssen sie auch damit rechnen, dass man ihnen schreibt. Finde ich.

Das sehe ich genauso. Aber vermutlich haben die nicht genügend Leute, um alle Mails zu beantworten.
Opa:
Das kann gut sein. Ist aber schade.

Die letzten Wochen waren ja vor allem mit dem Bundestagswahlkampf gefüllt. Das verfolgst du sicher auch, oder?
Opa:
Natürlich. Deine Oma und ich haben auch das TV-Duell gesehen.

Und wer hat für euch gewonnen?
Opa:
Schwierig. Aber auch interessant, dass alle Sender da unterschiedliche Ergebnisse hatten. Beide hatten Schwächen, fand ich.



Im Internet fanden die Leute ja Angela Merkels Kette weitaus interessanter als ihre Argumente...
Opa:
Die ist mir gar nicht aufgefallen. Annemarie schon, aber auch nicht, dass die Farben da verkehrt herum waren. Das haben wir erst am nächsten Tag in der Zeitung gelesen.

Es gibt ja auch im Internet Möglichkeiten, sich politisch zu informieren. Zum Beispiel gibt es ein Spiel, wo man die Positionen verschiedener Parteien vorgetragen bekommt und dann aussuchen kann, was einem am nächsten ist und dann...
Opa:
Du meinst den Wahl-o-mat?

Äh, ja, genau. Du kennst dich aus.
Opa:
Natürlich habe ich von dem gehört. Ich habe ihn aber noch nicht gemacht. Das ist mir zu blöd.

Weil du eh schon weißt, was du wählen wirst?
Opa:
Einfach, weil ich finde jetzt ist eine Zeit, in der man die ganze Wahlberichterstattung und den Wahlkampf mit Vorbehalt genießen muss.

Das verstehe ich nicht?
Opa:
Früher war es so, dass man in den Tagen vor der Wahl die Berichterstattung komplett eingestellt hat. Da war es unfein, am Tag der Wahl vor Bekanntgabe der Ergebnisse überhaupt darüber zu sprechen. Man wollte bloß nicht die Entscheidungen der Menschen beeinflussen. Das ist jetzt anders.

Also findest du es nicht gut, dass man sich in den neuen Medien die ganze Zeit informieren kann?
Opa:
Doch, das ist schon gut und ja auch wichtig, dass man junge Leute erreicht. Aber ich brauche das für mich halt nicht.

Für mich sind bei dieser Wahl ja vor allem die Bildungs- und Sozialthemen wichtig. Wie ist das bei dir? Interessiert man sich als älterer Mensch vor allem für Gesundheitspolitik?
Opa:
Nein, dafür habe ich mich schon immer interessiert. Aber halt auch für Bildung. Ich bin aber so rational davon auszugehen, dass die zukünftigen Entscheidungen in beiden Bereichen mich nicht mehr groß betreffen werden (lacht). Da muss ich dir übrigens noch eine Anekdote zu erzählen...

Und zwar?
Opa:
Neulich ging ich auf dem Friedhof spazieren. Eine Radfahrerin hinter mir klingelte auf einmal, ich war ihr im Weg. Dabei hätte sie ja eigentlich schieben müssen. Als sie mich dann genauer sah, rief sie aber auf einmal "nicht erschrecken!" und stieg ab. Ich scheine doch wackeliger auszusehen, als ich das selbst wahrnehme.

Du hast auch eine Frage an Opa? Stell sie in den Kommentaren. Oder schick sie per Mail mit dem Betreff „Frag Opa“ an info@jetzt.de oder auf Twitter unter dem Hashtag #fragopa.

Metallica-Premiere und Bayernwahl

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Wo sollte man diese Woche unbedingt hingehen? Welchen Film sehen und was auf keinen Fall verpassen? jetzt-Mitarbeiter planen ihre Woche. Dieses Mal steht dieser Plan im Zeichen der Landtagswahl, dazu kommen Metallica, Snowboarder mit gutem Geschmack und Elektroautos




Wichtigster Tag der Woche:
Der Sonntag. Da ist Landtagswahl in Bayern, das letzte Kräftemessen vor der Bundestagswahl.  

Politisch interessiert mich...

Neben dem vielen Wahlvorgeplänkel bin ich vor allem auf eine Entscheidung gespannt, die diese Woche in den USA gefällt wird. Wird Obama einen Militärschlag auf Syrien anordnen oder nicht? Die Option, dies mit einem UN-Mandat zu tun, ist vom Tisch. Obama will einen Alleingang, hat aber das Parlament um eine Entscheidung gebeten. Der US-Kongress soll den geplanten Militärschlag billigen, eine endgültige Entscheidung wird ab dem Montag erwartet. Der Auswärtige Ausschuss des Senats hat sich schon dafür ausgesprochen.  

Kinogang?
Diese Woche läuft "Freedom Bus" an, eine Dokumentation, die in Ägypten gedreht wurde, vor und während der ersten Wahlen des Arabischen Frühlings in Ägypten. Er erzählt die Geschichte eines jungen Ägypters, der in Deutschland aufwächst, als Versicherungsmanager Karriere macht und dann von den Demonstrationen auf dem Tahir-Platz nach Kairo gelockt wird, wo er mit Freunden den titelgebenden „Freedom Bus“ ins Leben ruft. Der Film lief schon beim Filmfest in München und gewann zwei Preise. Ich habe ihn dort dummerweise verpasst.  
http://www.youtube.com/watch?v=4AvHPOPFgB4  

Welche Wochenlektüre?

Wahlunterlagen. Ich bin am Sonntag unterwegs und habe deshalb Briefwahl beantragt. Die Unterlagen, die dann in meinem Briefkasten landeten, sind umfangreich. Vor allem die Volksentscheide, die anstehen, sind in schönstem Amts- und Gesetzesdeutsch aufgeführt. Da ist noch Recherche notwendig, bevor ich mir da ein Kreuz erlauben kann. Vergnüglichere Lektüre: Harald Martenstein wird diese Woche 60. Mal sehen, ob das Auswirkungen auf seine Kolumne im "Zeit Magazin" hat.  

Werde ich auf jeden Fall tun:
Berichte von der Internationalen Automobilaustellung (IAA, 12. Bis 22. September) in Frankfurt lesen. Ich bin alles andere als ein Autofreak, genaugenommen kenne ich mich sogar kein bisschen aus. Aber irgendwie bin ich gerade angefixt von Elektroautos, seit in meiner Straße in letzter Zeit öfter einer von diesen neuen BMW i3 parkt. Der sieht gar nicht schlecht aus und nachdem er im Juli vorgestellt wurde, war die Rede davon, dieses Auto könne die Branche verändern. Mich interessiert deshalb, was die Konkurrenz elektrotechnisch auf die IAA-Bretter zaubert.  

Keine Chance diese Woche...

Die Internationale Funkausstellung, die noch bis zum 11. läuft. Dokus über den 11. September, mit denen die Fernsehsender bestimmt diese Woche wieder aufwarten werden.  

Soundtrack der Woche?
Ich habe gerade gelesen, dass am 12. September vor zehn Jahren Johnny Cash gestorben ist. Hab ich eh schon viel zu lange nicht mehr gehört, kommt in die Wochenplaylist. Und dann werde ich aller Voraussicht nach am Samstag ganz viel neue Musik kennenlernen. Da ist Premiere des neuen Films von Isenseven, einer Münchner Snowbaordcrew, deren Filmemacher nicht nur schöne Filme machen, sondern auch einen sehr guten Musikgeschmack haben, sodass ich nach ihren Filmen immer in ein bis zehn Lieder verliebt bin, die ich bis dahin noch nicht kannte.  

Wenn ich irgendwo anders sein könnte...

würde ich nach Berlin fahren. Ich bin gerade über einen Trailer für einen neuen Metallica-Film gestolpert, der diese Woche dort Premiere feiert (irgendwer von der Band kommt wohl auch). Der Trailer ist so vollkommen übertrieben Neunziger-Megarockband-mäßig, dass ich mich sofort wieder wie 12 gefühlt habe und Lust drauf bekommen habe, mir den tatsächlich anzuschauen. 

Verwechselt!

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Zwei Polizisten haben Prinz Charles' jüngeren Bruder Prinz Andrew im Garten des Buckingham Palace mit einem Einbrecher verwechselt. Peinlich, peinlich! Wann hast du schon mal jemanden für jemand anders gehalten?

Eigentlich sollte man meinen, dass Prinz Andrew sich unbehelltigt rund um den Buckingham Palace bewegen kann. Immerhin ist er Prinz Charles’ jüngerer Bruder und damit auch ein Sohn der Queen. Trotzdem wurde er kürzlich von der Polizei aufgehalten, als er durch den Garten des Palasts spazierte– Angaben der britischen Tageszeitung „Daily Express“ zufolge sogar, indem man Waffen auch ihn richtete. Scotland Yard dementiert das allerdings, man habe nur seine Personalien kontrolliert. Aber wie auch immer es genau abgelaufen ist, fest steht, dass die Polizisten den Prinzen nicht erkannt und daher mit einem Unbefugten wenn nicht sogar Einbrecher verwechselt haben. Das ist natürlich ziemlich peinlich. Man kann es den Beamten eventuell nachsehen, wenn man weiß, dass sie erst zwei Tage zuvor zwei tatsächliche Einbrecher aufhalten mussten.



Man kann ja mal was verwechseln, oder?

Die ganze Szene erinnert ein bisschen an Slapstick-Einlagen in Komödien oder Cartoons, in denen ein Mensch mit dem Baseballschläger hinter der Tür wartet, um dem mutmaßlichen Einbrecher, der sich draußen am Schloss zu schaffen macht, eins überzubraten, sobald er hereinkommt. Und dann ist es am Ende bloß der Ehemann, die Gattin, der Bruder oder die Oma, jedenfalls jemand vollkommen Harmloses, dem bald eine sehr große Beule auf dem Kopf wachsen wird.

Im echten Leben passiert das in dieser Vehemenz, von Vorkomnissen im Palastgarten der Königin von England mal abgesehen, höchst selten. Trotzdem gibt es immer wieder Verwechslungen. Die beschränken sich bloß eher darauf, dass man jemanden auf der Straße freudig grüßt und dann war’s jemand Fremdes. Ist natürlich nicht schlimm, aber trotzdem ein bisschen peinlich. Und das kann betrunken auf einer Party noch sehr viel uberschwänglicher passieren, was dann noch ein bisschen peinlicher ist. Oder man trifft jemanden und weiß, man kennt ihn, bloß weiß man nicht woher. Und dann steckt man ihn in eine völlig falsche Ecke und denkt, das sei der Typ aus dem Seminar, dabei ist es der Freund einer Kommilitonin, und der wundert sich, dass man die ganze Zeit mit ihm über Kleists „Penthesilea“ sprechen will, dabei studiert er doch Luft- und Raumfahrtechnik.

Wann hast du schon mal jemanden verwechselt? In welchen Situationen warst du peinlich berührt, weil du jemanden für jemand ganz anders gehalten hast und warum ist dir das passiert? Hast du die Person dem falschen Kontext zugeordnet oder sah sie irgendwem einfach verdammt ähnlich? Wann musstest du zugeben „Ach herrjeh, ich dachte, du wärst…“?

Grillkartoffeln im Soßenbad

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Gegessen wird immer, aber jeder macht es anders. In der Kolumne Kosmoskoch dokumentieren jetzt-User und jetzt-Redakteure jeweils eine Woche lang, was am Abend bei ihnen auf den Tisch kommt, und schreiben auf, warum. Heute: jetzt-Userin mandelkrokant

Diese Woche hat sich jetzt-Userin mandelkrokant die Mütze des Kosmoskochs aufgesetzt.

Montag:



Da ich am allerersten Montag vor meiner Abreise völlig vergessen habe ein Foto zu machen, hier eben der folgende Montag. Am Tag vor dem Flug gab es tatsächlich auch gar nichts zum Abendbrot, außer natürlich hektischem Packen und der Hoffnung, nichts vergessen zu haben. Es gibt zwar eigentlich einen Nudelauflauf, aber irgendwie reicht mir heute der Thunfischsalat aus Tomaten, Gurken, Romanasalat, Mais und Thunfisch mit einem Dressing aus Limettensaft und Olivenöl. Es ist zu kalt um draußen zu essen, also sitzen wir zu fünft im kleinen Wohnzimmer und schauen selig in den Kamin. Wie ihr seht, hätte ich auch da beinahe vergessen ein Foto zu machen, aber bei der zweiten Portion ist es mir dann wieder eingefallen.

Dienstag:



Wir sind morgens um 8.25 Uhr nach Stockholm und von Stockholm dann weiter nach Kiruna geflogen. Dafür mussten wir eindeutig zu früh aufstehen, wenn es da nach mir geht. Auf beiden Flügen habe ich unglaubliche Kopfschmerzen, sobald das Flugzeug auch nur annähernd an den Landeanflug denkt, und sie hören auch den ganzen Abend nicht mehr auf. Meine Mutter kocht für uns und es gibt Rentier in gehackter Form in einer Sahnesoße mit Champignons. Reis mit angebratenen Zwiebeln für die Großen und Kartoffelbrei für das Kind (bei dem es sich übrigens um den zerknautschten Säugling aus meinem Text "Mathilda" handelt, nur dass es mittlerweile fünf Jahre alt und nur noch morgens so verknautscht ist, ist auch gar nicht meins, sondern das meiner Tante, die vor zwei Monaten nach Nordschweden ausgewandert ist, weswegen wir sie besuchen). Dazu einen einfachen gemischten Salat mit einem Dressing aus Olivenöl, Senf, ein bisschen Balsamico und allen Kräutern und Gewürzen, die ich im Schrank meiner Tante finde. Sogar ein bisschen pulverisierter Ingwer ist dabei, obwohl Ingwer und ich eine schwierige Beziehung haben. Das Essen sieht in etwa so aus, wie sich mein Kopf fühlt und nachdem das Kind zum Teilen bereit ist, klaue ich mir auch ein bisschen Kartoffelbrei, der in Ermangelung von Muskat kurzerhand mit Curry verfeinert wurde. Zum Trinken gibt es eine Traubensaftschorle. Alles in allem sehr lecker.

Mittwoch:



Schon wieder vergessen ein Foto zu machen! Diesmal macht es aber gar nichts, das Foto ist zwar von Donnerstag, aber es gab am Abend zuvor exakt das gleiche. Ja, auch den Latte Macchiato gabs zum Abendbrot. Ich liebe Kaffee und kann ihn auch völlig tageszeitunabhängig genießen. Wir sind in Gällivare, der nächstgrößeren Stadt. In einer Art Café-Pub lassen wir uns ein bisschen nieder und genießen die Sonne, die hier bis etwa 21 Uhr scheint, dann kurz einer Art Dämmerung weicht, nur um nachts ab etwa 1.30 Uhr wieder langsam aufzugehen. Es gibt einen Salat, der, wie ihr seht, zu einem bedeckenden Teil aus Rentier und Bacon besteht. Darunter verstecken sich Gurken, Tomaten, noch mehr Zwiebeln und Eisbergsalat. Das Dressing scheint hauptsächlich aus schwedischer Mayonnaise zu bestehen, ist aber sehr lecker, weil die Mayonnaise dort viel leichter und weniger fettig ist als hier. Vom Fleisch gebe ich großzügig etwas ab und kürze es so auf ein mir angenehmes Maß. Das neben dem Latte ist eine Passionsfruchtbrause. Ziemlich kalt, ziemlich kohlensäurehaltig und ziemlich lecker. Um ehrlich zu sein habe ich sie nur genommen, weil ich den Namen gut fand. Apotekarnes nämlich.

Donnerstag:



Seit ich dieses Rezept mal irgendwann vor Monaten in einer Zeitung gesehen habe, möchte ich manchmal nichts anderes mehr kochen. Eigentlich besteht es aus einem Schnitzel mit Erdnusspanade und Kartoffelsalat, da wir aber keine Erdnüsse haben, gibts eine ganz normale aus Semmelbröseln. Weil ich kein Freund von Salzkartoffeln und Mischgemüse und dergleichen bin, aber gerne leckere Beilagen habe, die man getrost auch einzeln essen kann, ist das eigentlich das ideale Gericht für mich. Der Kartoffelsalat besteht nämlich aus Kartoffeln, Gurke, Chilischoten, Lauchzwiebeln und bekommt seinen großartigen Geschmack durch das Gemüsebrüheweißweinessigolivenöldressing. Leider bekommen wir keine Lauchzwiebeln beim Einkaufen, sodass normale herhalten müssen; tut dem Geschmack aber keinen Abbruch. Ordentlich Curry dran und gut ziehen lassen. Beim anderen Salat haben Tomaten, Gurken, Mangold, Wasabirucola, Romanasalat und Mais mit Olivenöl, Senf, Weißweinessig und allerhand frischem Koriander zusammengefunden. Der Wasabirucola ist zu meiner naiven Überraschung tatsächlich scharf, aber gut.




Zum Nachtisch gibt es diesen Kuchen, den ich am Nachmittag gebacken habe. Eigentlich ist das ein Teig für Heidelbeer-Muffins mit weißer Schokolade. Als ich für eine Party nach einem Rezept für Muffins gesucht habe, die sich von Chocolatechips und Blaubeere unterscheiden, bin ich auf die großartige Seite complimenttothechef.com gestoßen. Dort habe ich dann eben jene Muffins ausprobiert und aus den Heidelbeeren Himbeeren gemacht. Ungelogen die besten Muffins, die jemals meinen Ofen verließen. Saftig und locker und einfach großartig. Irgendwann also überfiel mich dann die Lust auf etwas Süßes und weil wir keine Muffinformen hatten, habe ich einfach einen Kuchen draus gemacht. Genauso lecker, braucht nur ungefähr doppelt so lang im Ofen und verliert ein kleines bisschen die Lockerheit. Aber der Geschmack ist und bleibt fantastisch.

Freitag:



Okay, jetzt muss ich mal eine Fleischpause einlegen. In Berlin esse ich eindeutig seltener Fleisch und vor allem auch seltener richtig zu Abend. Wir grillen und essen auf der Wiese hinter dem Haus mit Blick auf den See. An den anderen Tagen reicht uns die Terrasse, aber damit man leichter einen Blick auf den Grill haben kann stellen wir den Tisch herunter. Alle anderen kümmern sich um irgendwas oder reden mit den Nachbarn, was mir ganz recht ist. So stehe ich also in der Küche und schneide Tomaten, Gurken, Mangold und jungen Spinat für den Salat. Dazu gesellen sich noch Mais, Olivenöl und Balsamico. Die Guacamole bekommt eine ordentliche Portion Knoblauch, ohne, dass ich es so richtig gemerkt habe. Normalerweise besteht sie bei mir aus Avocados, Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Frischkäse, Zitrone, Salz und Pfeffer. Dummerweise lese ich das Etikett des Frischkäses nicht sofort und bemerke später, dass es sich um Frischkäse mit Knoblauch handelt. Aber wir wohnen hier quasi mitten im Wald in Nordschweden, wen sollte es da stören? Im Kühlschrank finde ich außerdem noch einen Rest Feta und verpacke ihn gemeinsam mit Tomaten und Champignons in kleine Alufolienpakete, darüber nur ein wenig Olivenöl und Basilikum, gut verschnüren und ab auf den Grill. Mein vegetarisches Abendessen lässt meine Geschmacksknospen zufrieden zurück und wenn man sich viel Mühe gibt, vergisst man sogar die Trilliarden Mücken, die einem die ganze Zeit um den Kopf schwirren.

Sonnabend:



Es ist Sonnabend und wir wollen zu einem Festival nach Tjautjas, einer kleinen Insel. Ich merke, dass ich wirklich völlig verwöhnt bin vom infrastrukturellen und kulturellen Angebot in Berlin. Dort angekommen bezahlen wir 200 schwedische Kronen, was umgerechnet etwas mehr als 20 Euro sind, und sind erstmal enttäuscht. Die Insel ist nicht klein, sondern winzig und das Festival besteht aus genau einer kleinen ebenerdigen Bühne, die von einem weißen Zelt überdacht wird. Alkohol gibt es erst ab 19 Uhr und wir müssen noch drei Stunden warten, bis wir uns das hier alles schöntrinken können. Ich ärgere mich ein bisschen wegen des ausgegebenen Geldes und rauche dafür ein paar Zigaretten zu viel. Irgendwann kriegen wir dann Hunger und das einzige, was es gibt, sind Burger und Kartoffeln vom Grill. Entweder mit Gemüsequark oder mit Lachsquark. Ich entscheide mich auch heute wieder für die vegetarische Variante. Auf dem Tresen stehen Zwiebeln, Salat, Burgersoße, Ketchup und eine asiatische süß-saure Soße. Von allem außer der Burgersoße mache ich mir etwas auf den Teller und als wir eine Bank gefunden haben, essen wir zu Abend. Wieder direkt am See, aber schließlich sind wir auch auf einer Insel. Es schmeckt besser, als ich es erwartet habe und nachdem endlich Bier und Wein ausgeschenkt wird, ist sowieso alles besser. Es hat sich die Band Whiskey and Women nach Tjautjas verirrt, was ich wirklich verirrt nenne, denn ich glaube, richtig gehört zu haben, dass sie aus Oakland kommen. Die sind ganz gut und als ich nach Feuer frage, werde ich kurz für eine Freundin der Band gehalten. Schließlich sei mein Englisch so amerikanisch. Das kann nur am Bier liegen und ich hole mir lieber gleich noch eins.

Sonntag:



Der Sonntag hat mich wirklich erledigt. Das Kind hat den x-ten Wutanfall, reagiert auf gar nichts mehr und ich beginne die volle U8 am Freitagabend zu vermissen. Es ist August und kalt. Zwar ist es jeden Tag kühl und das Kind hat auch jeden Tag einen kleineren oder größeren Wutanfall, aber irgendwie war es dann heute doch genug. Ich weiß, dass es noch schwer für sie und sie noch nicht richtig angekommen ist und alleine ein Kind, das ein bisschen freidreht, wäre noch kein Grund, mal ein bisschen Zeit für sich zu brauchen, aber das alles noch gepaart mit der Einsamkeit des Waldes, der Langeweile, die manchmal am Abend kommt, und fünf verschiedenen Menschen unter einem Dach, die alle unterschiedliche Bedürfnisse und Willen haben, ist dann doch ausreichend. Also verbanne ich alle aus der Küche und sage, sie sollen irgendwas machen, das mich in Ruhe lässt. Aus dem Küchenfenster heraus sehe ich, wie alle etwas zu tun haben. Freund und Kind angeln, Tante und Mutter kümmern sich um die noch auszupackenden Habseligkeiten in den Umzugskartons und ich stehe in der Küche und mache Lasagne. Die letzte Schicht ist eine Mischung aus Smetana und Mascarpone und bei Lasagne immer meine Lieblingsschicht, auch wenn ich auf die konventionelle Béchamelsoße komplett verzichte. Auch diesmal gibt es wieder Salat aus Gurken, Tomaten, Mangold, jungem Spinat, gelber Paprika und Romanasalat mit Limettensaft und Olivenöl als Dressing. Alles wird ein bisschen scharf, auch wenn ich nicht weiß, warum, aber in letzter Zeit wird jedes Essen bei mir immer ein bisschen scharf. Das Kind liebt die Lasagne und isst ganze drei Portionen. Es gibt wieder Harmonie im Haus, und das stimmt mich milde und lässt mich den Stress des Tages schnell vergessen. 

Auf der nächsten Seite liest dumandelkrokants Antworten auf den Fragebogen zur Kochwoche.

Welchen Stellenwert hat Essen in deinem Leben?  
Das schwankt von Zeit zu Zeit. Ich esse gerne gut, aber manchmal geht es auch um bloße Nahrungsmittelaufnahme. Besonders in der Uni ist Essen eher notwendig denn gut ausgewählt. Auch in der Zeit, in der ich in keiner Beziehung war, war mir das nicht so wichtig. Wenn man allerdings einen Menschen hat, mit dem man sein Leben teilt oder wenn man mit Freunden zusammen kocht, bekommt alles durch das Gemeinsame daran eine höhere Priorität, finde ich. Es schmeckt auch gleich viel besser.

Was ist dir beim Essen und Einkaufen besonders wichtig?  
Generell kann ich sagen, dass ich gerne immer Obst und Gemüse zu Hause habe und auch vermehrt darauf achte, dass es sich um einigermaßen regionale Produkte handelt. Gerne auch Bio, wenn auch nicht ständig und bei allen Lebensmitteln. Aber beim Fleisch zum Beispiel macht es alleine schon geschmacklich einen Unterschied.

Erinnerst du dich, wann du zum ersten Mal für dich selbst gekocht hast und wer dir das Kochen beigebracht hat?   
Ich muss wohl so zehn gewesen sein in etwa. So richtig erinnern kann ich mich aber nicht mehr. Meine Mutter war alleinerziehend mit mir und meinem schwerstbehinderten Bruder und hatte selten Zeit, Mahlzeiten vorzukochen oder alles so vorzubereiten, dass ich fast nichts mehr machen musste. Deswegen wurde häufiger auch mal improvisiert. Meine Oma allerdings hat immer groß gekocht. Sie hat fünf Kinder und manchmal fällt es ihr auch heute noch schwer, für weniger als sieben Personen zu kochen. Mittlerweile versuche ich immer mal ein paar Gerichte aus meiner Kindheit nachzukochen, die sie zubereitete. Meine ersten Grünen Klöße allerdings waren ein großer Reinfall. Ich gucke mir Dinge einfach ab oder werfe alles in Topf oder Pfanne, von dem ich denke, dass es ganz gut zusammenpassen könnte.

Was war dein Lieblingsessen als Kind?  
Eindeutig die Klöße meiner Oma. Mit einer braunen Soße, manchmal Rotkohl und irgendeinem Fleisch dazu. Das hat mich aber alles nicht besonders interessiert. Klöße und Soße, mehr brauchte und brauche ich nicht um glücklich zu sein. Dazu noch die obligatorischen Nudeln in verschiedenen Variationen, aber mein großes Glück waren die Klöße meiner Oma.

Was ist dein aktuelles Lieblingsessen?  
Das habe ich gar nicht mehr in seiner klassischen Form. Wahrscheinlich ist mein Lieblingsessen immer temporär etwas, was ich gerade neu kennengelernt habe und was mich überzeugt hat. Wie der Kartoffelsalat zum Beispiel.

Was magst du gar nicht?  
Kapern, Oliven, Erbsen, eigentlich Ingwer, aber das bessert sich zur Zeit, Meerrettich, Blutwurst, Innereien, gekochte Möhren und Rote Bete. Mit allem davon kann man sehr effektiv meine Laune und meinen Appetit versauen.

Mittags warm und abends kalt oder andersrum?   
Am liebsten beides. Wahrscheinlich aber lieber abends warm, denn mittags gibt es oft keine wirklich zelebrierte Mahlzeit.

Wo isst du am liebsten, am Tisch oder auf dem Sofa?  
Ganz früher wurde bei uns am Tisch gegessen, nachdem ich dann aber ausgezogen war, hat sich dafür, inklusive mir, niemand mehr interessiert. In meiner letzten Wohnung hatte ich zwar sogar einen Esstisch, der wurde aber eigentlich immer zweckentfremdet. In meiner jetzigen Wohnung gibt es auch wieder einen, der ist sogar größer als der letzte und der Raum der offenen Küche wird auch tatsächlich dafür genutzt. Trotzdem essen wir manchmal noch auf dem Sofa. Ich mag beides, je nach Stimmung.
 
Was trinkst du zum Essen?   
Meist irgendeine Schorle, selten Bier oder Wein.

Wie oft gehst du auswärts essen und hast du ein Lieblingsrestaurant?   
Ich glaube, das mache ich ziemlich häufig. Als Kind dachte ich immer, dass man das nur zu speziellen Anlässen macht und dass es ein Erwachsenending ist. Heute macht es mir aber viel Spaß. In einer Großstadt zu leben hat dahingehend auch echt Vorteile. Man kann viele verschiedene Sachen ausprobieren und isst sich so durch die Welt, das mag ich sehr. Besonders gern gehe ich ins Van Hoa, einem vietnamesischen Restaurant in meiner Nähe. Dort gibt es immer nur zwei Tagesgerichte und man kann sich sicher sein, dass es immer schmeckt.

Was isst du, wenn es schnell gehen muss?   
Unterwegs gibt es meistens irgendwas vom Bäcker, zu Hause auch ein Brot mit dem drauf, was der Kühlschrank hergibt.

Was war das aufwändigste Gericht deines Lebens?   
Im Nachhinein fand ich kein Gericht sonderlich aufwändig, eher spannend, weil ich nicht wusste, was man Ende dabei rauskommt. Vergangenes Weihnachten habe ich zum Beispiel für meine Familie einen Hasenbraten gemacht. Ich war ziemlich aufgeregt, weil ich unbedingt wollte, dass es gut wird, und unter anderem auch meine Oma, für mich ja DIE Köchin schlechthin, dabei war. Der hat es allerdings sehr gut geschmeckt und alle waren am Ende zufrieden. Das zweitspannendste war der Shepherd's Pie, den ich für die Eltern meines Freundes gemacht habe. Ich hatte die ganze Zeit Bedenken, dass die Konsistenz von Soße und Kartoffelbrei zu flüssig ist und ich allen einen unansehnlichen rot-weißen Brei auftischen muss. Was dann aber zum Glück nicht passiert ist. Wirklich aufwändig wird es allerdings, wenn ich mich nochmal an Thüringer Klößen versuche. Aber das hebe ich mir vielleicht noch ein wenig auf.

Hast du ein Standard-Gericht, wenn Eltern oder Freunde zu Besuch kommen?   
Mittlerweile ist das wohl tatsächlich der Shepherd's Pie. Ansonsten entscheiden wir immer spontan und sehen dann am Ende, was dabei rausgekommen ist.

Welchen jetzt-User oder -Redakteur möchtest du als Kosmoskoch sehen?   
Sehr gerne shaddu. Wir haben einmal vor vier Jahren zusammen gekocht, seitdem kam es aber nie wieder dazu. Ich bin also neugierig, was bei ihm heute so auf dem Teller landet. Oder alcofribas, weil ich sein Geweih bei jetzt.de immerzu sehe und es mich interessieren würde, sofern er nicht schon längst dran war.

Bildervergleich: Gottschalk & Jauch vs. Joko & Klaas

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Heute Abend vereint die RTL-Show "Die 2" ein altes Duo: Thomas Gottschalk und Günther Jauch. Gegen "ganz Deutschland" wollen die beiden antreten - und dabei ein bisschen so sein wie Joko und Klaas. Ein Vergleich in Bildern.

Gemeinsam am Anfang




Humorniveau




Gute Idee




Blöde Idee




Inspiration




Wären gerne wie




Frauenquote




Umgang mit Nacktheit




Musikalisches Talent




Fans




Im goldenen Gewand




Fingerzeig




Probleme mit der Größe


Ein Leben lang traurig

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Die 26-jährige Israelin Shani Boianjiu hat einen Roman über den Militärdienst in ihrem Land geschrieben. "Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst" begleitet drei Mädchen durch diese Zeit, in der Langeweile und Gewalt auf das Erwachsenwerden prallen. Das ist ziemlich frustrierend - aber großartig erzählt.

Für Yael fallen ein wichtiger Augenblick der Selbstfindung und der Beginn des Zweiten Libanonkrieges im Juli 2006 beinahe zusammen: „Dreizehn Tage vor Kriegsausbruch wurde ich plötzlich schön.“ Ein Satz, der klarer nicht sein könnte und einen trotzdem vollkommen ratlos zurücklässt, weil er den Krieg und die Schönheit in einen Zusammenhang stellt, den es eigentlich nicht geben kann. Für Yael und ihre Freundinnen Avishag und Lea aber gibt es ihn. Denn seit die drei Mädchen aus einem israelischen Dorf an der Grenze zum Libanon nach dem Abitur ihren Wehrdienst ableisten müssen, sind die Grausamkeit und die Langeweile des Militärs unmittelbar mit den Höhen und Tiefen ihres Erwachsenwerdens verwoben. Davon erzählt Shani Boianjius Debütroman „Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst“, der diesen Dienstag in deutscher Übersetzung bei Kiwi erscheint.  

Shani Boianjiu weiß, wovon sie schreibt. 1987 wurde sie in Jerusalem geboren, wuchs in einem Dorf an der libanesischen Grenze auf und absolvierte den in Israel auch für Frauen verpflichtenden rund zweijährigen Militärdienst. Anschließend studierte sie in Harvard, veröffentlichte Kurzgeschichten in der „New York Times“ und dem „New Yorker“ und wurde 2011 von der „National Book Foundation“ unter die besten Autoren unter 35 Jahren gewählt.  



Die Autorin Shani Boianjiu hat selbst den Militärdienst in Israel geleistet

Nun erscheint Shani Boianjius Debütroman in insgesamt 19 Ländern. Zum einen ist es ein ehrliches Buch, das Israel in keiner Weise schont. Das Land ist in den Augen der in den Achtzigern geborenen Mädchen nicht mehr die Zuflucht für die zerstreute Diaspora, es ist vor allem ein Land im Nahost-Konflikt, der sich tief in die eigene Lebensgeschichte gräbt. Zum anderen ist es ein wirklich gutes Buch. Boianjiu kann erzählen. Aus ihrem Ton spricht mal die gesamte Langweile und Frustration ihrer Generation, mal das Staunen oder die schiere Panik vor den Dingen, die da vor sich gehen. Aber nie ist er überladen oder kitschig, sondern stets schlank und präzise. Man will gar nicht mehr aufhören zu lesen, weil sich das Gefühl, gerade etwas verstanden zu haben vom Leben der jungen Israelis, mit jedem Satz steigert.  

Eigentlich müsste dieser Roman gar kein Roman sein. Die einzelnen Kapitel sind oft in sich geschlossene Episoden, die ohne das Vorher und das Nachher funktionieren. Vielleicht ist das gewollt, vielleicht ist es auch eine Form, die einer Debütantin, die bisher vor allem Kurztexte geschrieben hat, leichter fällt. In jedem Fall aber stört es nicht. Der ständige Perspektivenwechsel zwischen der kühlen Yael, die (wie Boianjiu selbst) im Militär als Waffenausbilderin eingesetzt wird, der sensiblen Avishag, die sich nichts mehr wünscht, als sich endlich das Leid von der Seele reden zu können, und der bissigen Lea, die den Wehrdienst in ihrer Fantasiewelt übersteht, macht das Buch abwechslungsreich. Zwischendurch mischt sich die Stimme eines auktorialen Erzählers ein und eine weitere Perspektive führt uns zu einem sudanesischen Flüchtlingsmädchen. Am Ende glaubt man, keine der drei Protagonistinnen richtig kennengelernt zu haben – aber nicht, weil die Autorin keine Figuren konstruieren kann, sondern weil diese sich selbst noch nicht gefunden haben. Weil sie zwischen ihrer verlorenen Jugend in dem winzigen Dorf, der harten Zeit beim Militär und der ungewissen Zukunft umhergeschleudert werden.  

Dass die Mädchen unter erschwerten Bedingungen erwachsen werden, erkennt man sofort. Die erste Szene zeigt sie in der kleinen Dorfschule, ihr Klassenzimmer ist ein Container. Sie lernen die Geschichte Israels, sie lernen etwas über die „Panzerfaust-Kinder“, die zu zweit die Waffe halten mussten, sodass das hintere Kind beim Rückstoß Feuer fing und das vordere ebenfalls verbrannte, weil es versuchte, das hintere zu löschen. Kurz darauf sagt Yael in bester angepisster Jugendlichen-Manier: „Ich sterbe. Wir müssen heute eine Party machen.“ Die Mädchen arrangieren sich mit der Situation, sie müssen ja. Sie laufen mangels Handyempfang im Dorf den ganzen Weg bis zum Sendemast, sie schauen amerikanische Serien im Fernsehen, sie lieben die Jungs, die da sind. Yaels große Liebe ist Avishags Bruder Dan. Er ist die erste Berührung der Mädchen mit dem Militär.  

Dans Schicksal steht wohl für viele traumatisierte Soldaten. Und es steht für ein mögliches Schicksal der Freundinnen. Dan hat seinen Wehrdienst schon abgeleistet. Seitdem zeichnet er Militärstiefel, die ganze Küchenwand voll, und noch bevor die Mädchen eingezogen werden, schießt er sich eine Kugel in den Kopf. Unter diesem Stern steht ihre Zukunft. Sie ist zermürbend. Der Wehrdienst besteht zu einem großen Teil aus sinnlosen Wachschichten, „warten, warten, warten. Dann im Container acht Stunden unruhiger Schlaf, während dem ich mich fragte, worauf ich die vielen Stunden eigentlich gewartet hatte. Und wieder von vorn.“ Er besteht aber auch aus Absurditäten, wie der Demonstration einiger Palästinenser gegen die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit. „Könnten Sie uns vielleicht versprengen, für einen Zeitungsbericht oder so was?“, bittet einer der Demonstranten die am Checkpoint stationierte Lea. Und er besteht aus unfassbaren Grausamkeiten, aus Morden an Soldaten oder kleinen Jungs und aus Szenen der Flucht an der Grenze, in denen Menschen in Stacheldrahtzäunen verenden oder zwölf Frauen in einem winzigen Laster in ihren eigenen Fäkalien sitzen. Die Soldatinnen versuchen, all das irgendwie zu überstehen, zum Beispiel, indem sie sich aus gefrorenen Infusionsbeuteln Eiswasser in die Venen leiten, nackt auf dem Wachturm sonnen oder Rekruten verführen. Sie haben die Hoffnung, dass diese Zeit spurlos an ihnen vorbeigeht: „Diese zwei Daten, die Tage an den beiden Enden ihrer Dienstzeit. Was auch immer sich zwischen diesen beiden Tagen abspielte, war Dekoration und Luft und würde nicht beeinflussen, was mal aus ihr werden würde.“ 

Aber Dans Schicksal hat zuvor schon bewiesen, dass das nicht stimmt. Die Mädchen kehren noch einmal heim, bevor sie in die weite Welt reisen, bevor sie studieren und anfangen, wirklich zu leben. Aber der Militärdienst ist nicht einfach so vorbei. An ihren Checkpoints hatten sie Heimweh – daheim haben sie es immer noch, „das Gefühl ging nicht weg.“ Sie sind Verlorene. Dans Schwester Avishag zum Beispiel fällt in ein tiefes Loch: „Sie wusste, dass sie ihr ganzes Leben lang traurig sein würde, ihr ganzes Leben lang.“ Das ist das Gefühl, mit dem Shani Boianjiu ihre Leser zurücklässt: tiefe Traurigkeit, absolute Hoffnungslosigkeit. Aber dann eben auch großes Glück über dieses unglaublich große Erzähltalent, von dem man gar nicht genug bekommen kann.




Shani Boianjiu: Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst. Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch und Ulrich Blumenbach. Kiepenheuer&Witsch 2013. 336 Seiten, 19,99 Euro.

Die Macht des Positiven

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Nur gute Nachrichten verändern die Meinungen der Menschen

Lungenkrebs. Herzinfarkt. Impotenz. Runzlige Haut. Vor diesen und noch viel mehr hässlichen Wirkungen des Rauchens wird auf Zigarettenschachteln gewarnt. Also, warum fangen trotzdem so viele Menschen mit dem Rauchen an? Eine Grund scheint zu sein, dass Menschen unangenehme Informationen weitgehend ausblenden und Warnungen deshalb kaum dazu geeignet sind, um Verhalten zu verändern. Das trifft besonders auf Jugendliche zu: Wie Wissenschaftler um Christina Moutsiana vom University College London berichten, besteht ein Zusammenhang zwischen dem Lebensalter und der Fähigkeit, Einstellungen im Lichte negativer Informationen zu revidieren (PNAS, online). Wenn Warnungen vor Impotenz und Krebs nicht fruchten, was wirkt dann? Moutsiana empfiehlt, zur Tabakprävention auf die positiven Folgen der Abstinenz hinzuweisen: Der Nichtraucher spart eine Menge Geld, hat eine schönere Haut und so weiter.



Abschreckende Abbildungen wie die des US-Gesundheitsministeriums bewirken offenbar nicht wirklich das, was sie sollen..

Die Forscher baten ihre Probanden, ihr persönliches Risiko für verschiedene Schicksalsschläge einzuschätzen, etwa für einen Autounfall, dass bei ihnen zu Hause eingebrochen wird und andere unerwünschte Begebenheiten. Anschließend wurden den Probanden, die zwischen neun und 26 Jahre alt waren, die Zahlen zu ihrem tatsächlichen Risiko vorgelegt. Nun konnten sie ihre Schätzung anpassen. Auf die schlechte Nachricht, dass ihr persönliches Risiko deutlich über ihrer Schätzung liegt, reagierten viele bockig: Sie passten ihr Schätzung gar nicht oder kaum an. Je jünger die Probanden waren, desto deutlicher zeigte sich die Tendenz. Hatten die Teilnehmer hingegen ihr Risiko überschätzt und erhielten die frohe Kunde, dass alles weniger wild sei, passten die meisten ihre Schätzungen an. Das galt unabhängig vom Alter der Probanden. Mit positiven Informationen geht der Mensch eben ganz anders um: Er nimmt sie ernst; besonders, wenn sie ins eigene Weltbild passen.

Viele Eltern gehen beim Betreuungsgeld leer aus

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Eine erste bundesweite Bilanz zeigt: Länder lehnen im Durchschnitt jeden fünften Antrag ab, Hamburg sogar fast jeden zweiten


Gut einen Monat nach Einführung des Betreuungsgelds versuchen viele Eltern vergeblich, die neue familienpolitische Leistung zu bekommen. Jeder fünfte Antrag wird derzeit nicht bewilligt. Dies geht aus einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung bei den Bundesländern hervor. In Nordrhein-Westfalen liegt demnach die Ablehnungsquote bei 31 Prozent, in Hamburg sogar bei 43 Prozent. Viele Mütter und Väter übersehen offenbar, dass ihre Kinder zu alt sind, um die 100 Euro für die Betreuung zu Hause erhalten zu können.



Eine Familie beim Spaziergang im Park (Archivbild von 2006)-für viele wohl eher Traumbild als Realität.

Bis Ende August/Anfang September wurden in 14 Bundesländern etwa 27000 Anträge auf Elterngeld gestellt. Tatsächlich sind es noch mehr, weil Niedersachsen und Rheinland-Pfalz keine entsprechende Statistik führen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) wertete die erste Bilanz als Erfolg: Sie zeige, wie wenig Ahnung die SPD als Betreuungsgeld-Kritiker "von den Wünschen der Familien hat".

Die Anzahl der nicht bewilligten Anträge beläuft sich bei den zwölf Ländern, die dazu exakte Angaben machten, allerdings auf fast 5000. Bezogen auf die dort eingegangenen Anträge entspricht dies einer Quote von knapp 20 Prozent. In fast allen Fällen habe die Ablehnung an dem gesetzlichen Stichtag gelegen, teilten die zuständigen Ministerien mit. Anspruch auf das Betreuungsgeld besteht nur, wenn die Kinder nicht vor dem 1. August 2012 geboren sind.

Das Betreuungsgeld ist am 1. August 2013 parallel zum Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige eingeführt worden. Eltern, die für die Betreuung ihres ein- oder zweijährigen Kindes keinen öffentlich geförderten Platz in Anspruch nehmen, hilft der Staat mit 100 Euro, vom 1. August 2014 an mit 150 Euro pro Monat. Nach den Vorstellungen von Schröder sollte der Stichtag für das Geburtsdatum der Kinder der 1. Januar 2012 sein. Im parlamentarischen Verfahren wurde die Frist jedoch um sieben Monate verschoben, um Steuermittel zu sparen. Dies gilt bei manchen Abgeordneten in der Union mittlerweile als Fehler, weil dies dazu geführt hat, dass Eltern ungleich behandelt werden und das Geld noch nicht für alle Kinder im zweiten Lebensjahr bereitsteht.

Die stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig hält deshalb das für sie grundsätzlich falsche Gesetz auch für fehlerhaft ausgestaltet: "Viele Eltern fühlen sich betrogen. Sie stehen nun ohne Kitaplatz und ohne Betreuungsgeld für ihre Kinder da." Die von der Bundesregierung versprochene freie Wahl zwischen Betreuungsplatz und Betreuungsgeld gebe es gar nicht.

Schwesig machte außerdem darauf aufmerksam, dass Geringverdiener, die wegen des Bezugs von Betreuungsgeld keinen Kinderzuschlag mehr bekommen, ihren Anspruch auf das Bildungspaket verlieren. Bei Hartz-IV-Empfängern werden die 100 Euro ebenfalls als Einkommen angerechnet. Die Bundesagentur für Arbeit hat daher die Jobcenter angewiesen, notfalls selbst das Betreuungsgeld für anspruchsberechtigte Eltern zu beantragen. Schwesig sprach vom Prinzip "linke Tasche, rechte Tasche". Dies sei "familienpolitischer Irrsinn".

Leben statt lernen

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China will Schulkindern Hausaufgaben und Prüfungen erlassen


Glückliche Schulkinder. Anfang Juli kursierte im chinesischen Netz ein Foto von Schülern in Urumqi, die vor Freude ihre Ranzen in die Luft warfen. Die Stadt hatte ihnen ein Geschenk gemacht: Die ersten "Sommerferien ohne Hausaufgaben". Für deutsche Kinder normal - revolutionär aber für China, wo Kinder mit der Einschulung aufhören, eine Kindheit zu haben. Wo man auf den Straßen oft nur Kleinkinder sieht, weil die älteren Geschwister für Jahre hinter Schulbänken und Schreibtischen verschwinden. Von frühmorgens bis spätabends. Ein Beamter der Stadt Urumqi sagte, die Chinesen müssten ihre Einstellung ändern. Es sei nämlich so: "Man kann auch vom Leben lernen."



Strenge Ordnung - Schulkinder bei einer Aufführung in Beijing (Archivbild von 2001)

Das Erziehungsministerium hat nun zum Schulanfang Pläne vorgestellt, wonach es Hausaufgaben für die ersten Klassen ganz abschaffen möchte, auch soll es die ersten drei Jahre keine Prüfungen geben. Nun tobt die Debatte. Ein durchschnittlicher Schultag in China ist mehr als acht Stunden lang. Einem Bericht der Pädagogischen Zeitung zufolge besuchen neun von zehn Schülern jeden Tag nach Schulende noch eine Nachhilfeschule. Und dann warten zwei bis vier Stunden Hausaufgaben. Gymnasiasten, die um halb sieben aufstehen und abends um elf - nach den Hausaufgaben - ins Bett gehen, sind die Norm. Eine Untersuchung in Shanghai stellte 2011 erheblichen Schlafmangel bei Gymnasiasten fest: Im Durchschnitt kamen sie auf weniger als sieben Stunden pro Nacht.

Immer wieder liest man von Schülern, die dem Druck nicht mehr standhalten und Selbstmord begehen, zuletzt im Mai der 13-Jährige in Nanjing, der in den Ferien um vier Uhr morgens aufstand, um seine Hausaufgaben zu machen, und den die Eltern zwei Stunden später tot auffanden.

Man sollte denken, Chinas Eltern würden sich über die Abschaffung der Hausaufgaben wenigstens für die Jüngsten freuen. Das Gegenteil ist der Fall. Viele haben Angst. In Chinas Bildungssystem wird nämlich gnadenlos ausgesondert: Viele Bewerber kämpfen um Einlass in nur wenige Top-Schulen. All das Plagen mündet in die Universitäts-Aufnahmeprüfung, deren Note am Ende in den Augen vieler über das Leben ihrer Kinder entscheidet - und alle treibt die ständige Furcht um, ihre Kinder könnten im Konkurrenzkampf nicht mithalten.

Und so berichtet die Global Times von Müttern, die entsprechende Testläufe in Peking unterlaufen, indem sie dem Kind in der gewonnenen Zeit selbst neue Hausaufgaben und Kurse auferlegen: Englisch, Mathe, Kalligrafie und Go. Fatalistische Kommentatoren erinnern daran, dass dies nicht der erste solche Vorstoß ist: Die Regierung probierte es im Jahr 1988, dann 2000, schließlich 2010 - und scheiterte jedes Mal. Im vergangenen Jahr machte ein Achtklässler in der Stadt Foshan seinem Frust Luft, indem er die Webseite des lokalen Erziehungsamtes hackte und dort eine Nachricht hinterließ: "Liebe Führer, habt Ihr nicht weniger Hausaufgaben versprochen? Will die Schule uns foltern?" Der Vizechef des Amtes erklärte, die Vorwürfe seien "grundlos". Der 13-jährige Hacker sei "ein Computernerd, der in den Ferien zu viel Zeit am Rechner sitzt und zu wenig an seinen Hausaufgaben".

Günstiger unterwegs

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Die EU-Kommission will die hohen Gebühren für Handytelefonate im Ausland abschaffen


An diesem Mittwoch wird Kommissionschef José Manuel Barroso aus Portugal seine alljährliche Rede zur Lage der Europäischen Union halten, der ebenso alljährlich eine eher mäßige Aufmerksamkeit zuteil wird. Auch deshalb wollte er ein kleines Schmankerl aufgehoben wissen, das die Kommission an diesem Dienstag beschließen will, aber bereits durchgesickert ist. Es soll den Handynutzern unter den rund 500 Millionen EU-Bürgern das Ende der Roaming-Gebühren bringen. Denn die Kommission will die Weichen dafür stellen, dass die zumeist horrenden Aufschläge, die der Mobilfunkkunde zahlen muss, wenn er sein Handy beziehungsweise Smartphone im europäischen Ausland nutzt, zumindest schrittweise verschwinden. Oder, wie es die zuständige Kommissarin Neelie Kroes aus den Niederlanden voller Pathos formuliert: Auch "die letzten Grenzen, die Europa noch kennt, die Grenzen im Himmel, sollen fallen."



Eine junge Frau telefoniert am Strand von Tarifa an der Costa de la Luz in Spanien mit ihrem Handy (Archivfoto vom 10.07.2007)

Auf den Fluren des Kommissions-Gebäudes in Brüssel wird hinter vorgehaltener Hand mittlerweile eingestanden, dass man eigentlich ehrgeiziger war: "Wir hatten unseren Schuss höher angesetzt." Aus einer Reihe von Gründen, die auch damit zu tun haben, dass der Telekom-Markt in Europa extrem zersplittert ist und aus Tausenden Unternehmen besteht, entschied man sich für ein Modell, das die Telekom-Unternehmen gewissermaßen zur freiwilligen Abschaffung der Roaming-Gebühren zwingen soll. So sollen die Telekom-Unternehmen ihren Kunden Tarifpakete anbieten, die ab Juli 2014 auf die Berechnung von Roaming-Gebühren für Telefonate, SMS und Internetnutzung verzichten. Zurzeit liegen sie bei bis zu 24 Cent pro Minute (plus Mehrwertsteuer).

Sollten sie der Abschaffung nicht aus eigenen Stücken nachkommen, droht den Unternehmen in zweifacher Hinsicht Ungemach: Sie bleiben den gegenwärtigen Regelungen unterworfen, die ab Mitte 2014 eine weitere Reduzierung der zulässigen Roaming-Gebühren um 67 Prozent vorsieht (im Gespräch waren einmal 90 Prozent). Andererseits werden die Firmen dazu gezwungen, ihren Kunden für die Handynutzung im Ausland den Wechsel zu einem anderen Anbieter zu ermöglichen. Das kann ein lokaler Provider, aber auch ein Konkurrenzunternehmen aus dem eigenen Heimatland sein, das gebührenfreies "Roaming" anbietet. Den Unternehmen würde damit theoretisch der Verlust eines Kunden drohen. Kroes hofft aber auch, in die Marktstruktur einzugreifen: Da nicht alle Telekom-Unternehmen Filialen in jedem EU-Land unterhalten, sollen die Firmen Allianzen schmieden, die der Schaffung eines paneuropäischen Telekomunternehmens dienen könnten.

"Die digitale Welt und das Internet sind angeblich grenzenlos - aber wir haben nicht eine einzige Firma, die in sämtlichen EU-Staaten operiert", sagte Kroes am Vorabend der Kommissionssitzung. "Ich würde liebend gerne ein Rennen zwischen Vodafone und anderen Firmen sehen, in dem es darum geht, das erste wirklich paneuropäische Telekom-Unternehmen zu werden." Sie will außerdem erreichen, dass Dienste wie Skype, Whatsapp oder Viber, die Gratiskommunikation ermöglichen, in Zukunft nicht mehr von (Mobilfunk-)Anbietern blockieret oder behindert werden. Auch sollen innereuropäische Ferngespräche im Festnetz nicht teurer sein als Inlands-Ferngespräche.

Die Befürchtungen der Telekom-Unternehmen, dass die Abschaffung der Roaming-Gebühren zu einem Gewinneinbruch führen könnte, hält Kroes für maßlos übertrieben. Sie machten nur fünf Prozent des Profits aus, argumentiert sie. Im Übrigen meint die niederländische Kommissarin, die Innovationsfreudigkeit der Unternehmen schärfen zu können. Dass der Profit bei gleichzeitigem Anstieg des Umsatzes sinke, sei auch dem Umstand geschuldet, dass sich Telekomfirmen auf Lorbeeren wie den schnell verdienten Roaming-Gebühren ausruhen können.

Das Regelungspaket, das nach der voraussichtlichen Annahme durch die Kommission noch vom Europaparlament und den europäischen Regierungen gebilligt werden muss, widmet sich auch der kontrovers diskutierten Frage der Netzneutralität. Dabei bleibt Kroes hinter den Vorstellungen zurück, die das Bundeswirtschaftsministerium entwickelt hat - und kommt der Industrie ein Stück entgegen. So sollen die Telekomfirmen Pakete mit unterschiedlichen Übertragungsgeschwindigkeiten und -volumina anbieten können. Dem Kunden soll eine qualitativ hochwertige Grundversorgung zugesichert werden. Wer aber größere und schnellere Datenmengen will oder braucht, soll sie auch erhalten können. Der Bedarf, der beim Versenden von E-Mails anfällt, sei nicht vergleichbar mit der Netzstabilität, die etwa bei der Online-Übertragung einer Hirnoperation nötig sind. Die Industrie argumentiert, dass Flatrates, die eine Differenzierung zwischen Datenmengen verbieten, die Investitionskapazitäten der Firmen beschränken, die Qualität der Netze aufrecht zu erhalten.

Eine unsichere Sache

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Das System lässt wählen und scheitert beinahe: Sobjanin bleibt Moskaus Bürgermeister


Es ging schon auf Mitternacht zu, als irgendjemand in der Moskauer Verwaltung entschied, nun sei es Zeit zu feiern. Die Wahlkommission hatte soeben 54Prozent für den amtierenden Bürgermeister gemeldet, nicht einmal ein Viertel der Auszählungsprotokolle war bearbeitet, aber die Tendenz schien klar: Sergej Sobjanin hatte im ersten Durchgang gewonnen. Nun musste er zu den Moskauern reden. Ganz hinten stellte sich der weißhaarige Mann auf die riesige Bühne am Bolotnaja-Platz, weit weg von den vielen Menschen da unten. "Danke, dass Ihr gekommen seid. Danke, dass Ihr mich unterstützt", rief er in ein Mikrofon. Und dann sagte er diesen Satz: "Noch stehen die Ergebnisse nicht fest. Aber ich bin sicher, am Ende gewinnen wir trotzdem!" Nach zwei Minuten suchte der Sieger wieder das Weite.



Putin-Kritiker Alexej Nawalny am 15.09.2012 auf einer Kundgebung in Moskau


Charisma und Volksnähe sind nicht die Disziplinen, in denen er punktet, das weiß Sobjanin selbst. Die sind eher das Metier von diesem anderen, dem Herausforderer, dessen Namen die staatlichen Fernsehsender nur nennen, wenn er vor Gericht steht oder wieder mal ein Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft, den der Präsident nur "diesen Herrn" nennt, bei dem es immer Ärger gebe, wenn er irgendwo auftauche. Alexej Nawalny hat in den vergangenen Wochen eine Ochsentour durch die Stadt gemacht, drei Auftritte am Tag, Tausende Hände geschüttelt, mit den Menschen auf der Straße diskutieren. Was bleibt einem übrig, wenn man vom Fernsehen totgeschwiegen wird und niemand einem einen Veranstaltungssaal vermieten will?

Am Morgen nach der Wahl sieht es so aus, als habe Nawalny mit seiner Taktik Erfolg gehabt. Um 10 Uhr in der Früh verkündet die Wahlkommission das vorläufige amtliche Endergebnis: 51 Prozent für Sobjanin, 27 Prozent für Nawalny. Der Technokrat von Putins Gnaden ist damit nur haarscharf einer Stichwahl entkommen. Der Blogger und Anti-Korruptions-Aktivist triumphiert mit einem Ergebnis, das die Erwartungen um mehr als das doppelte übersteigt. Und er will das Ergebnis nicht anerkennen und fordert eine Stichwahl.

Als Krönungsfeier für seinen schärfsten Gegner hatte der Kreml die Wahl eigentlich nicht vorgesehen. Sie erschien zunächst wie eine sichere Sache: Wir lassen ein bisschen mehr Demokratie zu und die, die am lautesten danach schreien, fallen durch. Sobjanin hat in den drei Jahren seit seiner Einsetzung durch den Kreml vieles erreicht; den Moskauern gefällt, wie sich ihre Stadt entwickelt. Sobjanin hat die Autos und die Reklameschilder aus dem Zentrum verbannt, er lässt die Metro ausbauen und die Parks verschönern. So einer muss sogar in einem ehrlichen Wahlgang siegen.

Doch offenbar haben die Strategen in seinem Umfeld nicht bedacht, dass Sobjanins Wähler noch nicht an ehrliche Wahlen gewöhnt sind. Wenn sie nicht mehr im Kollektiv an die Urne geschickt werden, wenn keine Busse durch die Straßen fahren und die Rentner ins Wahllokal karren wie bei einer Kaffeefahrt, kleines Präsent inklusive, dann bleiben sie einfach Zuhause. Nur 32Prozent der Wahlberechtigten haben ihre Stimme abgegeben. Darunter viele Junge, die Nawalny mit einem Wahlkampf im amerikanischen Stil mobilisiert hat: Über die sozialen Netzwerke, über die Aktivierung von Freunden, Eltern, Bekannten. Zehntausend Freiwillige waren als Beobachter in den Wahllokalen in der ganzen Stadt. Eine Bürgerwahlkommission hat parallel zur amtlichen die Auszählungsprotokolle ausgewertet - und ist auf ein Ergebnis unter 50 Prozent für Sobjanin gekommen.

Nawalny zählt eine ganze Reihe von Verstößen auf und fordert eine Stichwahl. Am Montagabend rief er seinerseits seine Anhänger auf, zum Bolotnaja-Platz zu kommen. "Wir wollen Ruhe in Moskau", erklärte Nawalny vorher. Aber: "Wir lassen uns nicht eine einzige unserer Stimmen wegnehmen."

Auch Experten, die den Kreml von innen kennen, zweifeln an dem Ergebnis. Der Politologe Gleb Pawlowski, einst selbst Berater Putins, bestätigte zwar auch, dass die Wahl in Moskau vergleichsweise sauber abgelaufen sei. Auf die Frage, ob der Kreml wohl die echten Ergebnisse verkünden würde, wenn Sobjanin knapp unter 50 Prozent liege, sagte er: "Das wäre der Moment der Wahrheit für unser System. Ist es schon zu diesem Schritt bereit? Ich glaube nicht."

Wie gerecht ist unser Bildungssystem?

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Reformen und Experimenten zum Trotz gilt das deutsche Bildungssystem im europäischen Vergleich nach wie vor als eines der ungerechtesten. Empfindet ihr das genauso?

Einfallsreich sind die verantwortlichen Politiker ja durchaus, wenn sie mal wieder mit Schultypen und Lehrplänen experimentieren. Aber werden dadurch wirklich Veränderungen erreicht,die Schülern und Lehrern in den letzten Jahren genutzt und für mehr Gerechtigkeit gesorgt haben? Bisher jedenfalls scheinen die zahlreichen Reformen in erster Linie für Verwirrung bei den Betroffenen gesorgt zu haben. Im Rahmen des Projektes „Die Recherche“ beschäftigten sich SZ-Redakteure daher mit den Fragen, wie Schulbildung in unserem Land derzeit aussieht und welche Verbesserungsvorschläge Lehrern, Schülern und Eltern sinnvoll erscheinen. Die Ergebnisse der Recherche gibt es seit gestern auf SZ.de sowie auf der Schul- und Hochschulseite der Süddeutschen Zeitung zu lesen. Und sie geben Anlass, zu fragen, wie es um Bildungsgerechtigkeit in der Bundesrepublik bestellt ist.



Gleiche Chancen für alle? Schüler in Stuttgart auf dem Weg zur Schule

Neben der Schulbildung sind die Sozialisation und Erziehung im Elternhaus entscheidende Faktoren, die die Zukunft eines jeden Schulkindes bestimmen. Eben jene wiederum hängen eng mit dem Bildungsgrad (und Ehrgeiz) der Eltern und ihrer finanziellen Lage zusammen. In Deutschland wirkt sich der Bildungsvorteil, den Kinder reicher und gebildeter Eltern dadurch genießen, besonders stark aus. Dies liegt allerdings nicht nur an der Finanzlage der Familien. Der Startvorsprung von Akademikerkindern wird auch dadurch deutlich vergößert, dass ihre Leistungen tendenziell eher überschätzt werden, während vergleichbare Fähigkeiten von Kindern aus "niedrigeren" sozialen Schichten oftmals unterschätzt werden.
Anstelle von Strukturreformen muss daher eine Umgestaltung des Unterrichts und der Schule selbst treten, die nicht länger nur Lern- sondern auch Lebensraum für junge Menschen sein soll, um sie nachhaltig zu unterstützen. Insbesondere Schüler aus sozial benachteiligten Familien müssen mehr gefördert werden und die Chance erhalten, einen Bildungsgrad zu erreichen, der allein auf ihren Fähigkeiten aufbaut und nicht auf dem Kontostand und Beruf ihrer Eltern. Auch die Lehrer spielen hierbei eine wichtige Rolle als Motivationsquelle und sollten sich im Idealfall nicht dazu verleiten lassen, Schüler aufgrund ihrer sozialen Herkunft zu etikettieren.    

Nicht das System sondern die Schulbildung an sich und der Umgang mit Kindern und Jugendlichen aus finanziell schwachen Familien scheint renovierungsbedürftig. Und vielleicht ist es in diesem Zusammenhang auch nötig, sich von alten Mustern zu verabschieden, statt sie mit neuen Namen zu tarnen und beizubehalten. Gerechter kann Bildung nur werden, wenn sie weiter entwickelt wird und alle Schüler eingebunden werden - vor allem eben auch diejenigen, die im Elternhaus keine wirkliche Förderung erfahren. Klingt reichlich utopisch aber erst dann lässt sich doch wirklich von Bildungsgerechtigkeit sprechen oder etwa nicht? Wie beurteilt ihr die Situation an deutschen Schulen? Und welche Verbesserungsvorschläge habt ihr?

Hoffnung auf Ausweg im Syrienkonflikt

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Damaskus stimmt der Kontrolle seiner C-Waffen zu, um einen Militärschlag zu verhindern. Paris bringt russischen Vorschlag in UN-Sicherheitsrat ein. Obama hält aber an Gewalt-Drohung fest

Das syrische Regime hat nach eigenen Angaben den russischen Vorschlag angenommen, seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen. Damaskus habe sich einverstanden erklärt, sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallem am Dienstag in Moskau. Der Vorschlag werde einem amerikanischen Angriff "den Boden entziehen", sagte der Minister. Die russische Regierung kündigte einen Plan zur Chemiewaffenkontrolle in Syrien an. "Wir bereiten konkrete Vorschläge in der Form eines Plans vor, den Interessierte erhalten werden - natürlich auch die Vereinigten Staaten", kündigte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag an und brachte damit neue Bewegung in den festgefahrenen Syrien-Konflikt.



Suchen eine Einigung im Syrien-Konflikt: Russlands Präsident Putin und US-Präsident Obama

Westliche Staaten werfen Syriens Staatschef Baschar al-Assad vor, für einen Giftgasangriff mit Hunderten Toten nahe Damaskus verantwortlich zu sein. Die USA und Frankreich haben deswegen einen Militärschlag angedroht. Russland hingegen geht im Unterschied zur US-Regierung nicht davon aus, dass Assad Chemiewaffen eingesetzt hat.
US-Präsident Barack Obama hatte sich am Montagabend offen gezeigt für den Vorschlag, Syriens Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und dann zu zerstören. Er würde einen Angriff "absolut" auf Eis legen, wenn das syrische Regime seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stelle, sagte Obama in mehreren TV-Interviews. Er betonte, dass wohl erst die "glaubhafte militärische Drohung" aus den USA dazu geführt habe, dass das Regime in Damaskus sich überhaupt kompromissbereit zeige. Obama plante in der Nacht zum Mittwoch eine Rede an die Nation. Eine für diesen Mittwoch geplante erste Abstimmung im US-Senat über einen Syrien-Einsatz wurde indes auf unbestimmte Zeit verschoben.

Während auch die chinesische Regierung die neue russische Initiative zur Entschärfung des Syrien-Konflikts begrüßte, reagierte die syrische Opposition ablehnend. Der Vorschlag Russlands biete Assad nur eine neue Möglichkeit, Zeit zu schinden. Kriegsverbrechen müssten bestraft werden. "Es reicht nicht aus, wenn der Verbrecher einfach nur die Tatwaffe übergibt", erklärte das Oppositionsbündnis Nationale Syrische Allianz. Nach Meinung von Experten würde die Beseitigung des gesamten syrischen Chemiewaffen-Arsenals tatsächlich Jahre dauern und setze zudem einen Waffenstillstand voraus.

Frankreich - das einzige Nato-Land, das sich aktiv an einem amerikanischen Militärschlag beteiligen würde - kündigte am Dienstag an, einen Entwurf für eine Syrien-Resolution in den UN-Sicherheitsrat einzubringen. Der Text wird laut Außenminister Laurent Fabius den russischen Vorschlag zur Vernichtung des syrischen Chemiewaffen-Arsenals aufgreifen. Für den Fall der Nichtbeachtung sollen Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta möglich sein. Dies würde Militärschläge gegen das Assad-Regime einschließen. Wann der Sicherheitsrat über den Vorschlag abstimmen soll, war zunächst unklar. Bislang haben die beiden ständigen Sicherheitsratsmitglieder Russland und China alle Resolutionsentwürfe blockiert, die eine Tür für eine militärische Intervention öffnen.

Schuldig!

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Kidnapping, Gruppenvergewaltigung und kaltblütiger Mord - ein indisches Schnellgericht verurteilt die vier Angeklagten nach dem Tod einer jungen Studentin in Delhi, ohne zunächst ein Strafmaß zu verhängen

Nur ein kleiner Kreis bekam den Richterspruch im Gerichtssaal tatsächlich zu hören. Anwesend waren die Angehörigen des Opfers und der vier Angeklagten, die Anwälte und einige ausgewählte Reporter - mehr Menschen hatten gar keinen Zugang zum Vergewaltigungsprozess in Delhi. Dennoch verbreitete sich die Nachricht binnen Sekunden im ganzen Land und über seine Grenzen hinaus: Alle vier Männer sprach Richter Yogesh Khanna in 13Punkten der Anklage schuldig, dazu gehören Kidnapping, Gruppenvergewaltigung und kaltblütiger Mord, wie indische Medien berichteten. Den vier Tätern droht damit entweder lebenslange Haft oder die Todesstrafe. Das Strafmaß soll am heutigen Mittwoch festgesetzt werden. Die Verteidiger kündigten an, den Schuldspruch vor einem höheren Gericht anzufechten. Vor dem Gericht hatten sich Demonstranten versammelt, die riefen: "Hängt sie, hängt sie."



Mit einer Kerzenandacht demonstrieren indische Frauen für harte Strafen im Vergewaltigungsprozess in Delhi

Die vier Männer, die seit Februar vor einem so genannten Schnellgericht stehen, hatten am 16. Dezember 2012 im Süden Delhis eine junge Frau und ihren Freund in einen Bus gelockt. Den Mann schlugen sie, dann vergewaltigten sie nacheinander die Studentin und folterten sie mit einer Eisenstange. Schließlich warf die Gang ihre beiden Opfer wieder aus dem Bus auf die Straße. Die 23-jährige Studentin lag tagelang auf der Intensivstation in Delhi, wurde schließlich zu Spezialisten nach Singapur verlegt, doch die Ärzte konnte ihr nicht mehr helfen. Am 28. Dezember erlag sie ihren schweren Verletzungen.

Wer sind die Männer, die zu solcher Brutalität fähig waren und deren Tat Indien monatelang aufgewühlt hat? Ihr mutmaßlicher Anführer, Busfahrer Ram Singh, hat den Urteilsspruch nicht mehr erlebt, der 33-Jährige starb bereits am 11. März im Gefängnis, man fand ihn erhängt in seiner Zelle, angeblich war es ein Selbstmord, aber der Verdacht hält sich, dass Singh im Gefängnis gelyncht und sein Mord anschließend vertuscht wurde. Nachbarn haben Singh, der vor 20 Jahren aus einem Dorf in Rajasthan nach Delhi kam, als streitsüchtigen Mann in Erinnerung, der gerne sehr viel trank.

Der jüngste der Angeklagten war schon vor einigen Tagen verurteilt worden, er war zur Tatzeit 17 Jahre alt, als Minderjähriger darf sein Name in Indien nicht genannt werden. Er stammt aus einem Dorf in Uttar Pradesh, das er im Alter von elf Jahren alleine verließ, um in der Stadt Geld zu verdienen. Ein ruhiger, guter Junge sei er gewesen damals, wie sich ein früherer Nachbar erinnerte. Der Jugendliche hatte sich vor einem Jugendgericht zu verantworten, das ihm die mögliche Höchststrafe - drei Jahre Jugendarrest in einer Besserungsanstalt - auferlegte. Über ihn und das von vielen als zu milde empfundene Strafmaß streitet Indien immer noch heftig.

Mukesh Singh, der jüngere Bruder des angeblichen Anführers der Bande, ist Mitte zwanzig, beide lebten im Slum Ravi Dass und schlugen sich dort mit Gelegenheitsjobs durch. Er respektiere Frauen und wolle nichts weiter als hart arbeiten und ein einfaches Leben führen, versicherte der Mann in einem Interview. Nicht weit von den Brüdern Singh entfernt lebte der 20-jährige Vinay Sharma, der einzige in der Gruppe, der die Schule abgeschlossen hat, alle anderen brachen schon in frühen Jahren ab. Sharma arbeitete in einem Fitness-Studio. Noch ein Jahr jünger ist Obstverkäufer Pawan Gupta, 19, der angab, zur Tatzeit mit Sharma auf einem Konzert und gar nicht im Bus gewesen zu sein. Auch die anderen hatten die Tat bestritten. Das Gericht sah es hingegen als erwiesen an, dass alle Angeklagten beteiligt waren, so auch der 28-jährige Hilfsarbeiter Akshay Takhur, der aus dem armen Bundesstaat Bihar stammt.

Fast alle Täter waren nach Delhi gezogen, um dort zu Geld zu kommen. Aber keinem ist der Aufstieg tatsächlich gelungen. Nur das Opfer, die 23-jährige Physiotherapie-Studentin, hatte sich durch ihren Fleiß und ihre Disziplin nach oben gearbeitet. Sie wollte weitermachen mit dem Studium, um später Ärztin zu werden. "Sie hat das auch getan, um uns aus der Armut zu helfen", sagte der Vater nach ihrem Tod. "Sie wollte nicht, dass ich noch in hohem Alter hart arbeiten muss."

Die Inder gaben ihr den Namen Nirbhaya, "die Furchtlose". Sie hatte noch im Sterben eine "furchtlose und mutige" Aussage über den Hergang der Tat gemacht, wie ein Polizist erklärte. Das Gericht konnte sich damit auf den letzten Bericht des Opfers sowie die detaillierten Zeugenaussagen des überlebenden Freundes im Bus stützen, um seine Urteile zu sprechen. Der Freund ist noch immer traumatisiert, weil er alles mit angesehen hat und seiner Freundin nicht helfen konnte. Nach der Tat sagte er: "Ich konnte mir nicht vorstellen, das ein Mensch einem anderen so etwas antun kann."

Schmierige Geschäfte

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BP streitet über das Ausmaß der Katastrophe im Golf von Mexiko. Anwälte verdienen an den Opfern

Es ist eine juristische Schlacht, die sich vermutlich noch über Jahre hinziehen wird. Mehr als drei Jahre nach der vom britischen Energiekonzern BP verursachten Ölpest im Golf von Mexiko geht es um milliardenschweren Schadensersatz, Strafzahlungen und Kompensationen. Ganze Heerscharen von Anwälten, die schon jetzt zu den großen finanziellen Nutznießern der Katastrophe gehören, sind damit beschäftigt, immer neue Finten zu ersinnen, um die gegnerische Seite bloßzustellen. Jüngster Schachzug BPs: Nach Darstellung des Konzerns sind aus dem Bohrloch Macondo etwa zwei Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) weniger ausgelaufen als von den US-Behörden behauptet. Die offiziellen Berechnungen hätten einen fehlerhaften Ansatz, heißt es.



Die brennende Ölplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko (Archivbild)

Die amerikanische Regierung dagegen schätzt, dass knapp fünf Millionen Barrel ins Meer geflossen sind, wovon etwa 800000 Barrel eingesammelt werden konnten. Nun werden sich die Experten vor dem Distrikt-Gericht in New Orleans streiten, wie Kläger und Beklagte zu diesen sehr unterschiedlichen Ergebnissen gelangen konnten. Der erste Verhandlungstag ist für den 30. September angesetzt.

Bei dem Unglück im Golf von Mexiko im April 2010 war die von BP betriebene Ölplattform "Deepwater Horizon" explodiert. Elf Menschen starben. Millionen Barrel liefen ins Meer. Es war die schlimmste Ölpest in der Geschichte der USA. Insgesamt 87 Tage dauerte es, bis BP das defekte Bohrloch schließen konnte. Die Küsten von fünf US-Bundesstaaten wurden verseucht. Fischer und Restaurantbesitzer litten unter Einnahmeausfällen.

Erst kürzlich hat der britische Professor Martin Blunt vom renommierten Imperial College in London einen 209 Seiten starken Bericht vorgelegt, in dem die These BPs gestützt wird. Der Geologe hat berechnet, dass "nur" 3,26 Millionen Barrel ausgetreten sind. "Entweder man nimmt die Schätzung von fünf Millionen Barrel, aber ohne jede wissenschaftliche Fundierung, oder aber man legt die objektiven Daten zugrunde und kommt dadurch zu einer geringeren Menge", erklärte Blunt in der US-Zeitung Houston Chronicle.

Für den BP-Konzern, der bereits Milliardensummen für die Folgekosten der Umweltkatastrophe locker gemacht hat, geht es dabei um einiges: Wird dem Konzern ein Verstoß gegen den Clean Water Act, ein Gesetz aus dem Jahre 1972, nachgewiesen, muss er mit Strafzahlungen in Höhe von bis zu 17,6 Milliarden Dollar (etwa 13 Milliarden Euro) rechnen. Legt man die vom Unternehmen vorgelegte, geringere Austrittsmenge zugrunde, könnte BP dagegen mit maximal 10,6 Milliarden Dollar davonkommen.

Kein Zufall ist es, dass BP bei der Aufarbeitung der Ölkatastrophe einen vorsichtigen Strategiewechsel eingeleitet hat. So betont zwar Konzernchef Robert Dudley immer wieder, dass das Unternehmen Verantwortung für die Katastrophe übernehme. Zudem hatte BP in seiner Bilanz 38 Milliarden Dollar für die Kosten der Katastrophe zurückgestellt. 14 Milliarden Dollar mussten die Briten bereits an Reparatur- und Reinigungskosten zahlen, etwa für das Stopfen des Lecks. Das Unternehmen finanzierte die hohen Kosten vor allem durch den Verkauf von nicht-strategisch bedeutenden Beteiligungen.

Doch gleichzeitig gibt es aus Sicht von BPs Anwälten keinen Zweifel daran, dass Ölpestopfer - unterstützt von findigen Juristen - sich mit überzogenen Schadensersatzforderungen aus den "Fleischtöpfen" bedienen wollen. Der vom US-Gericht eingesetzte Verwalter Patrick Juneau habe Entschädigungszahlungen etwa an Unternehmungen genehmigt, die in Wirklichkeit gar keinen Schaden durch die Ölpest vor der Küste erlitten hätten, warf vor kurzem der für BP tätige Anwalt Theodore Olsen den US-Behörden vor.

BP hatte sich im vergangenen Jahr mit Vertretern Tausender Privatkläger auf die Zahlung einer milliardenschweren Entschädigungen geeinigt, die aus dem Fonds fließen sollen. Die vom Konzern zunächst veranschlagte Summe von 7,8 Milliarden Dollar könnte sich jedoch erheblich erhöhen, wenn die großzügigen Berechnungsmethoden der US-Behörden für Schadensersatzansprüche angewendet werden. Danach dürfen zum Beispiel Fischer und Restaurantbetriebe aufgeblähte Gewinnzahlen aus der Zeit vor der Katastrophe zugrunde legen, um nachzuweisen, dass sie besonders hohe Verluste durch die Ölpest erlitten haben.

Experten rechnen damit, dass die Verfahren wegen ihrer Komplexität noch Jahre dauern. Parallelen gibt es zum Tankerunglück 1989 der "Exxon Valdez" in Alaska. Gerichtsprozesse gegen den für die Ölpest verantwortlichen US-Konzern ExxonMobil zogen sich über 20 Jahre hin. Am Ende sahen die tatsächlichen Opfer relativ wenig von dem Geld. Die Profiteure waren vor allem Anwälte.
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