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Meine Straße: Pariser Straße

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Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen, die nettesten Anekdoten. Heute:   

Markus, 31, Bankkaufmann






"Die Pariser Straße ist zusammen mit dem Pariser Platz die Schnittstelle zwischen gentrifiziertem Haidhausen und dem abgeranzten Bahnhofsflair des Ostbahnhofs. Hier trifft man die junge, hippe Mittelschicht und andererseits, die Weißenburger runter, dann wieder total harte Typen, deren Lebensgeschichte man sich gern mal erzählen lassen würde.  

Im Haidis kann man cool frühstücken, da gibt es so ein Baukastensystem, um das Frühstück zusammenzustellen, so was mag ich ja immer. Angenehm ist, dass da auch ein sehr gemischtes Publikum sitzt. Es ist gemütlich und schon ein bisschen verspielt, aber nicht unangenehm hip. Und die Bedienungen sind voll nett. 

Unter meinem Haus ist mein liebster Gemüseladen Fresh House. Den betreibt ein lustiger Türke namens Aziz, er verkauft großartige Tomaten. Außerdem ist das einer der wenigen Läden in München, die englischen PG-Tips-Tea führen, was vor allem für meine Freundin ein unschlagbares Argument ist, die kommt nämlich aus London. 

Gegenüber ist das Lokal Belicious-Burger, mein absoluter Hasskappenladen, das meiner Meinung nach schlimmste Burgerrestaurant Münchens. Überall hauen sie dir um die Ohren, wie geil es hier ist, aber ich finde es total überteuert und null originell. Meine Freundin und ich haben für zwei Burger und ein paar Getränke um die 40 Euro bezahlt – der vegetarische Burger meiner Freundin, übrigens der einzige der Karte und für 10,40 Euro, war mit irgendeinem einfallslosen Gemüse belegt. 

Nebenan vom Burgerladen ist der Gitarrenladen MG Guitars, der gehört dem Gitarristen der Scorpions. Vor zwei Wochen haben sie da ihr siebenjähriges Jubiläum gefeiert, und es standen lauter coole Glamrocker vor der Tür, haben Kippen geraucht und Bier getrunken. Im Laden selbst hatten sie eine Bühne aufgebaut, auf der ein Konzert stattfand.  

Der Steel is real dürfte schätzungsweise der Fahrrad-Laden mit dem authentischsten Fixie-Verkäufer der Welt sein, der hockt immer mit Kappe und bunten Strümpfen vor dem Laden und guckt superlässig in die Gegend. An der Ecke zum Pariser Platz gibt es jetzt im Keller den 240 Nightclub, dessen Konzept es ist, nur 240 Stunden zu öffnen bevor der Laden wieder verschwindet. Früher gab es da Latin-Partys, aber das hat nicht gezogen, jetzt versuchen sie es eben so. Irgendwie echt schlecht, aber auch echt lustig. Und sie schenken Giesinger Bier aus.  

Neuerdings werden hier in der Gegend übrigens diese kleinen quadratischen Grasflächen am Straßenrand von den umliegenden Cafés oder Läden genutzt. Das ist ganz lustig. Wie in so Minigärtchen stellen die da dann zwei Liegestühle rein oder ein kleines Planschbecken mit Quietscheenten drin. Im Kosys an der Ecke Wörthstraße kann man super Kaffee trinken und Kuchen essen, ich würde es als eine Mischung aus Marais und Aroma-Café beschreiben. Ist wirklich sehr cosy! 

Und falls man mal ein feines Öl oder einen feinen Wein braucht, wenn die Eltern zu Besuch kommen, gibt es neben dem Steel is real einen Weinladen, der von einem alten Ehepaar betrieben wird. Die machen alles ganz langsam und haben die Ruhe weg. Musst du nicht reingehen, wenn es dir pressiert. Aber wenn du Zeit hast, ist es toll da."

To-Do-Liste: Stefan Raab

Frisch Aufgegeilt

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Vor ein paar Jahren fing es an mit seltsamer Fitness-Werbung im Netz. "Mit diesem einfachen Trick hat sie sieben Kilo Bauchfett verloren!", so oder so ähnlich lauten die Slogans. Dazu zwei nebeneinander gestellte Fotos von irgendeiner Unbekannten: Auf dem ersten hält sie unglücklich ihren nackten, weißen Wabbelbauch in die Kamera, auf dem zweiten ist sie hingegen bestens gebräunt und super durchtrainiert. Wenn man auf die Werbung klickt, gelangt man entweder auf Webseiten für teure, dubiose Fitnessprogramme oder noch dubiosere Abnehmpülverchen.

Mittlerweile wird das Internet von Fitnessfreaks gestürmt, die unter Instagram-Namen, die stets eines der Worte "Fitness", "Competition" oder "Abs" enthalten, täglich als Beweis ihrer Traningsfortschritte in sehr kleiner Unterwäsche posieren. Dazu dann Bilder von früher, auf denen sie unglücklich speckig waren (#throwbackthursday) und darüber philosophieren, wie nur richtig hartes Workout geile Körper formt.

Bevor man in Anbetracht solcher Bilder in Depressionen versinkt, sollte man lieber den Blog von Sophie Kay lesen. Sophie ist nämlich Personal Trainerin in London - und selbst vom ganzen #absyeah-Wahnsinn genervt. Deshalb hat sie auch ein "Vorher-Nachher-Bild" erstellt – wobei vorher in diesem Fall bedeutet: Besseres Licht, weniger enge Unterwäsche und eine leicht schräge Haltung.
[plugin imagelink link="http://41.media.tumblr.com/5f11cdcb77875cf597627199919f4726/tumblr_inline_nprtjwZ0Do1qdu4bq_500.jpg" imagesrc="http://41.media.tumblr.com/5f11cdcb77875cf597627199919f4726/tumblr_inline_nprtjwZ0Do1qdu4bq_500.jpg"] Quelle: Thisissophiesblog

Dazu schreibt sie, dass das ganze Gequatsche von "Sei härter als der Rest" und "Lauf möglichst viel" in der Realität nun einmal harte und vor allem nervige Arbeit sei. Und dass auch sie als Fitnesstrainerin nicht besonders schnell laufen könne. Und dabei vor allem nicht wie die ganzen athletischen Menschen aus der Werbung aussähe. Ein Beweisfoto gibt es dazu auch:
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Und das finden wir so sympathisch, dass wir jetzt auch im Bad unsere Muckis fotografieren gehen. Mit seitlich gedrehter Haltung, versteht sich!

Katzenvideos sind gut für dich!

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Endlich mal eine Umfrage, die keine Probleme hatte, genügend Teilnehmer zu finden: Jessica Gall Myrick, Doktorandin an der Indiana University, wollte wissen, warum Menschen Katzenvideos schauen und inwiefern das ihre Stimmung beeinflusst. Die Angaben von 7000 Teilnehmern konnte sie dabei auswerten - und die Ergebnisse sind ganz großartig für alle Prokrastinierer und Katzenliebhaber unter uns! Denn nun machen auch bizarre Meldungen wie diese hier Sinn, die vom direkten Zusammenhang von Produktivität und Katzenvideos zeugen.

Myrick fand nämlich heraus, dass:
  • Das Anschauen von Katzenvideos nachweislich die Stimmung verbessert

  • Die meisten sie zwar schauen, um zu prokrastinieren, das wegen der daraus folgenden besseren Laune und Motivation aber nicht schlimm sei

  • Katzenvideo-Prokrastinierer auch kein schlechtes Gewissen dabei hätten, nach dem Motto "Ich könnte ja auch etwas Sinnvolles tun"


Allerdings stellte die Forscherin auch fest, dass ein Drittel aller Cat-Content-Nutzer sich selbst als Katzenmenschen bezeichnen würden. Wer da direkt an die verrückte Frau von den Simpsons denkt, sei allerdings beruhigt: Die Mehrheit der Befragten gab gleichzeitig an, auch Hunde zu mögen.
http://www.youtube.com/watch?v=q2Xg7QUXiDA
Nicht alle Katzenvideo-Nutzer sind so!

Und hier schließt sich der Kreis: Hunde sind ja schließlich die Tiere, die gestressten britischen Studenten in Prüfungsphasen in extra eingerichteten Puppy-Rooms ein bisschen Glücksseligkeit verschaffen sollen. Wir stellen fest: Bei Stress hilft doch immer noch Flauschiges am besten. Ganz egal, ob zum Streicheln oder zum Anklicken.

Die Katzenvideo-Studie wurde übrigens unterstützt von der Lil-Bub-Foundation - eine Stiftung für "Tiere mit besonderen Bedürfnissen". Und wenn ihr jetzt dieses einstündige (!) Video von ihrem Namensgeber Lil Bub anschaut, ist das ja glücklicherweise nachweislich keine verschwendete Zeit.
http://www.youtube.com/watch?v=ZuHZSbPJhaY


Endlosschleifchen

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In einer Berliner U-Bahn Richtung Pankow: Vier junge Mädels sitzen mir gegenüber. Sie sehen aus, als hätten sie ein Abo von der ID und auch schon mal für sie gemodelt. Und dann sehe ich es an einem dieser jungen Schwanenhälse: Das Tattoo-Halsband. Wäre ich ein Emoji, würde ich die Hände an die Wangen klatschen und meinen Mund zu einem O formen. Die Mädchen plappern munter vor sich hin. Ich versuche unauffällig Kontakt zu anderen Fahrgästen aufzunehmen. Seht ihr das? Niemand rührt sich. Vielleicht fahren sie nur auf eine Bad-Taste-Party, denke ich. Aber dafür ist es noch zu früh am Tag.  



Voll knorke. Tattoo-Halsbänder sind zurück.

Na klar, ich schäme mich ein bisschen für die Mädels, die sonst so stilsicher wirken. Aber da ist noch etwas anderes als Fremdscham: Es ist dieses Gefühl, das meine Tanten, meine Mutter, meine Lehrerinnen gehabt haben müssen, als wir mit 16 stolz unsere ersten Karottenhosen auftrugen und Freundinnen mit Vokuhila-Ansätzen nach Hause brachten. Es kribbelt in den Fingerspitzen, man will aufstehen und an den Bändchen zupfen: "Ernsthaft? Findet ihr das schön?"

Warum dieses Halsband? Warum gerade dieser Trend, der doch eigentlich vor zehn Jahren noch auf dem Schulhof gestorben ist? Plötzlich zu erkennen, wie ein Trend auflebt, den man selbst mal originell und cool fand zeigt mir: Für die Trägerinnen gehöre ich vermutlich schon zur Erwachsenen-Generation. Genau so fühle ich mich plötzlich: wie eine alte Tante, die aus einer anderen Generation kommt und deshalb den Hauptteil der Zeit mit einem Fragezeichen über dem Kopf herumläuft. Fühlt sich sehr merkwürdig an.

Atomkriege sind meistens einmalige Angelegenheiten, Modesünden zyklisch wie Naturkatastrophen.



Denn gleichzeitig ist da ein diffuses Gefühl von Verwirrheit. Darüber, dass irgendwer die eigenen modischen Fehlgriffe wiederholt. Ja, Wiederholung liegt in der Natur von Trends. Aber es gibt doch gewisse Dinge über die sich alle Menschen einer Generation einig waren: das brauchen wir nicht nochmal. Dazu gehören: Atomkrieg, die No Angels und Tattoo-Halsbänder. Ich frage mich: Wo ist dieser Konsens hin?  

Das Problem: Atomkriege sind meistens einmalige Angelegenheiten, Modesünden sind zyklisch, so wie Naturkatastrophen, Tsunamis oder Erdbeben. In der Zeit, in der sie gerade nicht wüten, können wir Dämme bauen und sichere Gebäude. Für Modetrends scheint das nicht zu gelten. Sie werden wieder und wieder reproduziert. Eine Studie, die ich vor kurzem gelesen habe, sagt, dass der IQ in den letzten Jahren nur noch sehr langsam steigt. Vor mir sitzt der lebende Beweis dafür, denke ich mir und ertappe mich wieder in meiner neuen Rolle als Kleider-Zupf-Tante.   

Ich blinzele noch mal vorsichtig zu den Mädels rüber, dann tauchen in meinem Kopf Bilder auf von mir und Freundinnen im Frankreichurlaub mit Batikhemden, Batikschals und Tattohalsbändern. Oder die Zeit, nachdem wir Save The Last Dance geschaut hatten und beschlossen, nur noch Baggies aus Synthetik-Stoff zu tragen. Vielleicht bin ich deshalb so erschrocken über dieses spezielle Revival, weil es mich an die Makel in meiner eigenen Modegeschichte erinnert. Es hilft nichts, in 20 Jahren werde ich wieder peinlich berührt sein, wenn ich jemanden in meinen Lieblings-Segeltuchschuhen in der U-Bahn sitzen sehe. 

Und dann beschließe ich, was auch schon viele andere Mütter, Tanten und Omas vor mir beschlossen haben müssen. Augen zusammenkneifen und respektvoll sagen: Mutig Mädels! Bestimmt ein Zitat, was ihr da am Hals tragt, oder? Eigentlich ja ein Zitat an mich.

Mädchen, warum der Sommerschal?

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Die Jungsfrage:

Liebe Mädchen,

es ist ja nun sogenannter Sommer. Heißt in unserer Logik: Aus Mantel wird Jäckchen, aus Stiefel wird Sneaker, aus Socke wird manchmal sogar gar nichts, solange bis wieder ein Monat mit R ist. Das Sortiment, aus dem wir morgens im Nacktzustand vor dem Schrank auswählen, wird saisonal komplett ausgetauscht. Und aus dem neuen Baukasten an Klamotten (dünner, kürzer, farblich möglicherweise gewagter) kombinieren wir uns dann was zusammen, egal wie das Wetter wird. Ist ja schließlich: SOMMER! Gibt es, wie derzeit, eine klimatische Eintrübung zu beklagen, zwiebeln wir uns halt mehrlagig unter die dünne Jacke, klappen beim Radfahren meinetwegen den Kragen hoch oder stecken bei allzu viel kühlem Gegenwind das T-Shirt in den Hosenbund.

Und nun seid ihr da so anders! Ihr verfügt nämlich noch über ein Accessoire, das wir im Sommermodus gar nicht kennen. Das ihr aber mit völliger Nonchalance einfach zum luftigen Top oder gar zum Sommerkleid dazutut: den Schal. Der Sommerschal ist, wenn wir das korrekt beobachten, meist etwas leichter gewebt als das winterliche Pendant, er soll ja auch nicht vor Erfrierungen schützen. Er soll aber – ja was eigentlich? Was soll, mal ganz ehrlich, mitten im Sommer, der Schal?! Zum, das ist ja besonders abstrus, ansonsten kurzärmligen Outfit!

Ist ja nicht so, als wärt ihr auch ansonsten immer für bibberkaltes Wetter präpariert – ihr tragt kurze Hosen oder Röcke, knappe Tops, wie jeder Warmblüter im Juni. Aber dazu dieses Wickelding, das uns ständig an November an der Bushaltestelle denken lässt – oder, meinetwegen, an Zahnärzte in weißen Leinenhosen auf dem Mallorca-Rückflug. Ist euch, auch wenn der Restkörper warm ist, am Hals irgendwie immer kalt? Müsst ihr den besonders schonen? Ist der Schal aus modischen oder sogar irgendwie taktischen Gründen ratsam? Weil ihr damit einen möglicherweise gewagt kurzen Rock mit einem extraverdeckten Busenbereich ausgleichen wollt?

In anderen Worten: Hä?

>>> Die Mädchenantwort von nadja-schlueter [seitenumbruch]Die Mädchenantwort:

Liebe Jungs,

heute seid ihr aber arg pragmatisch. Was man im Sommer mit einem Schal soll? Gut aussehen natürlich! Aber okay, das reicht als Erklärung vermutlich nicht, klamüsern wir das also mal auseinander.

Es gibt bei uns, wie ihr schon bemerkt habt, zwei Arten von Schals: den Winter- und den Sommerschal. Und deren Aufgaben sind umgekehrt zueinander verteilt. Der Winterschal soll als erstes und vor allem wärmen und als zweites dann noch okay aussehen, was einigermaßen schwer ist. Er ist halt meistens irgendwie zu dick und zu groß, um vorteilhaft zu sein. Fällt einem immer dann auf, wenn man sich auf einem Foto mit Winterschal sieht und denkt: „Achdujeh, warum steckt mein Kopf denn in einer von diesen Zugluftwürsten, die Mama früher immer vor die Haustür gelegt hat?“

Der Sommerschal hingegen muss als erstes gut aussehen und als zweites eventuell wärmen. Es ist nämlich so: Wir haben schon diese latente Angst, wir könnten doch frieren. Oder frösteln. Wenn man sich verschwitzt in den Schatten eines Sonnenschirms setzt, um was Kaltes zu trinken, dann zieht es einem ja manchmal ganz plötzlich so frisch durch die dünnen Klamotten. Und da ist ein leichter Schal einfach die beste Lösung: schützt die kälteempfindliche Hals-und-Nacken-Partie und kann im absoluten Notfall auch um die Schultern gelegt und als Jackenersatz getragen werden. Ich zum Beispiel gehe nur sehr selten ohne Notfallschal aus dem Haus.

Aber vor allem ist da eben der Aspekt „gut aussehen“. Sommerschals sind ein super Accessoire, ein Zwitter zwischen funktionalem Kleidungsstück, das einen bedeckt, und Schmuckstück, das man sich wie eine Kette um den Hals legt. Und weil ein Schal von der Form her so schlicht ist (quadratisch oder rechteckig, mit Fransen oder ohne – mehr Varianten gibt es nicht, maximal noch den Schlauchschal, aber der ist eigentlich schon wieder vorbei), kommen bei ihm zwei Dinge besonders zur Geltung, die bei anderen Kleidungsstücken oft zu kurz kommen, weil da der Schnitt so viel wichtiger ist: das Material und die Farbe. Sommerschals gibt es in den schönsten Farben, weil Sommermode die schöneren Farben hat. Und aus den schönsten Stoffen, weil sie ja vor allem leicht sein müssen. Leichte Stoffe sind mit das Beste, was es auf der Welt gibt, die will man die ganze Zeit anfassen und sich freuen – und da die Nacken-Hals-Partie ja wie gesagt sehr empfindlich ist, ist einen Sommerschal aus Seide (der Klassiker!) tragen in etwa so, als werde man die ganze Zeit ein bisschen gestreichelt oder habe jemanden bei sich, der einem beruhigend die kühle, trockene Hand in den Nacken legt. Und rein modisch gesehen ist der Bruch auch noch so ein Ding, das für den Sommerschal spricht: Wollpulli und dicker Schal – langweilig. Nackte Schultern und Tuch um den Hals – hui!

So, und am Ende ist da vielleicht noch dieser Traum. Denn Sommer, zumindest der unserer Träume, bedeutet ja eigentlich nicht bei Prä-Gewitter-Schwülhitze im Englischen Garten rumhängen und über die Hitze klagen. Sondern der Traumsommer sieht eher so aus: stahlblaues Meer, stahlblauer Himmel, sengende Sonne, aber eben auch eine Steife Brise vom Wasser her und dann in einem Auto ohne Verdeck die Küstenstraße langbrausen. Und was braucht man da ganz dringend? Einen Schal, so einen leichten, feinen, den man sich zur Not auch elegant Grace-Kelly-mäßig um den Kopf legen kann, um die Ohren (oder die Frisur) zu schützen. Und wie der dann flattert, dabei ein Geräusch macht wie ein kleines Segel und in der Sonne ganz fein glänzt! Wie kann man da noch fragen, wofür man im Sommer einen Schal braucht?

Porno statt Ketchup

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Es gibt unterhaltsame Neuigkeiten aus QR-Code-Hausen. Unterhaltsam, aber auch lehrreich, sonst würden wir sie hier gar nicht erwähnen. Folgende Szene: Der Ketchup-Freund Daniel K. freut sich über ein Angebot, das ihm der Ketchup-Hersteller seines Vertrauens auf dem Rücketikett seines Produkts präsentiert. Die Kunden sollen sich ihr persönliches Etikett für eine Ketchup-Flasche bestellen.

Super Idee, denkt Daniel, und scannt den QR-Code. Er landet allerdings nicht dort, wo er hinwill. Sondern auf einer Seite, die wir hier lieber nicht verlinken. Nur so viel sei gesagt: Statt Ketchup-Flaschen sieht er „Deutschlands geilste Camstars“ und Einladungen zu Webcam-Sex mit Damen wie PinaPopp, MariaMia und Tiffany Angel.

Da stimmt was nicht, stellt Daniel K. fest und mokiert sich. Der Ketchup-Hersteller entschuldigt sich und erklärt: Das von Daniel K. erworbene Ketchup hatte wohl eine Weile im Regal verbracht - so lange, dass die angepriesene Werbe-Mitmach-Aktion längst nicht mehr lief. Die Firma Heinz hatte die Webadresse hinter dem QR-Code nämlich nur für den Zeitraum der Kampagne reserviert. Dass danach ein Porno-Portal denselben Link nutzen könnte, war dabei nicht bedacht worden.

Genug gelacht und die Notizblöcke gezückt für die Moral von der Geschicht'. Erstens: Alles hat ein Ende. Auch die Gültigkeit von QR-Codes. Falls ihr also jemals einen benutzt, lieber ein bisschen länger buchen. Zweitens: Ketchupflaschen sicherheitshalber immer an für Kinder unzugänglichen Orten lagern.

christian-helten

Aufklären, nicht verteufeln

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Die Festivalsaison geht los. Und auf ein Festival sollte man gut vorbereitet sein. Dabei helfen zum Beispiel die Drug Scouts aus Leipzig. Sie beraten Menschen auf Festivals zum Thema Drogenkonsum und stehen ihnen auch währenddessen bei. Die Drug Scouts sind bekannt für ihre Nähe zur Party-Szene und für das Vertrauen, das man dort in sie hat. Ein Gespräch mit Drug-Scout Antje Kettner über ihre andere Art der Präventionsarbeit.

Jetzt.de: In einem Image-Film auf eurer Homepage werbt ihr mit „Tanzen. Party. Rausch... aber sicher!“. Kann es überhaupt sicher sein, Drogen zu nehmen?
Antje Kettner: Nein. Da geht es eher darum, Leute dazu zu animieren, darüber nachzudenken, was sie tun und trotzdem Infos an die Hand zu geben. Darüber zu sprechen, wie man die Risiken reduzieren kann. Beim Rausch geht es natürlich auch darum, gerade nicht alles unter Kontrolle zu haben.  

Euer Slogan ist „Informationen statt Vorurteile“. Findet ihr, dass immer noch zu wenig aufgeklärt wird?
Es gibt ja tatsächlich relativ viel Aufklärung über ganz unterschiedliche Kanäle. Aber ich denke schon, dass da noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist.  

Was macht euren Umgang mit dem Thema so besonders?

Uns zeichnet vielleicht aus, dass wir selbst aus dem Party-Kontext kommen und zu den Leuten auf Partys und den VeranstalterInnen eine echte Verbindung haben. Deshalb glaube ich, dass wir Leute anders ansprechen können. Weil es da eine Akzeptanz und Wertschätzung auf beiden Seiten gibt. Das ist immer eine gute Grundlage, um offen über schwierige Themen zu sprechen. Wir wollen die Leute ernst nehmen!  

Wie sieht eure Arbeit auf Festivals aus?

Wir haben dort einen Raum oder eine Hütte, in der Leute Fragen stellen können oder Infos und Safer-Use-Materialien abholen können. Und mit der wir vor allem einen Raum bieten, an dem sie sich ausruhen können und im Ernstfall betreut werden.  




Ein Van der Drug Scouts im Einsatz

Wird euch manchmal zum Vorwurf gemacht, dass ihr Menschen zum Drogenkonsum anregt?

Den Vorwurf wird es wohl immer geben. Aber es gibt nun mal junge Menschen, die sich für den Drogenkonsum entscheiden und wir wollen, dass sie diese Entscheidungen bewusst treffen. Sie sollen wissen, was sie tun.

Gibt es auch Drogen, von denen ihr prinzipiell abraten würdet?
Sagen wir mal so: es gibt natürlich Drogen, die mit höheren Risiken verbunden sind. Ganz klar. Aber grundsätzlich muss man dabei immer gucken, in welchem Kontext überhaupt konsumiert wird. Wie sind die Konsummuster? Welcher Zweck steckt hinter dem Konsum? Nur dann kann man im Einzelfall bei einer Entscheidung behilflich sein. Pauschal zu sagen: „Das ist Teufelszeug“ finde ich sehr schwierig.  

Warum?
Wenn man sich die Zahlen anschaut, ist Alkohol ziemlich weit vorne, was Gesundheitsschäden angeht. Und trotzdem konsumieren das viele.  

Vor kurzem habt ihr auf eurer Internetseite vor Räuchermischungen gewarnt, die zu den sogenannten Legal Highs gehören, also Rauschmitteln, die als legal gelten. Was ist daran so gefährlich?

Das Problem ist vor allem, dass man da nicht weiß, was man konsumiert. Auch die Bezeichnung irritiert, weil sie suggeriert: das ist legal, das ist ok. Da wiegen sich die Leute dann in Sicherheit. Dabei ändern sich die Wirkungen schnell und sind nicht gut abzusehen. Das ist schon was anderes als bei den etablierten Party-Drogen. In den Räuchermischungen sind unglaublich viele verschiedene Substanzen enthalten. Da fehlen die Erfahrungswerte. Da gibt es krasse Nebenwirkungen und unerwartete Schwierigkeiten beim Runterkommen. Die Leute rechnen oft nicht damit, mit Legal Highs so extreme Erfahrungen zu machen.  

Und wie sähe sicherer Konsum aus?

Erstmal sollte man Bescheid wissen, wie Substanzen überhaupt wirken und vor allem auch wie die Wechselwirkungen genau ablaufen. Meistens liegt ja ein Mischkonsum vor. Die Person, die konsumiert, sollte sich auch bewusst darüber sein, in welcher Verfassung sie gerade ist. Viele Substanzen verstärken ja die aktuelle Verfassung. Und man sollte sich den Kontext klar machen: Was ist das für ein Ort, an dem ich bin? Wie sind die Leute? Das geht natürlich auch die Leute mit an, die Clubs betreiben oder Festivals organisieren.  

Und was können die zum Beispiel tun?

Zum Beispiel Orte schaffen, an denen man sich zurückziehen und auch mal ausruhen kann. Es tut den Leuten sehr gut, wenn sie die Möglichkeit haben, eine kurze Pause zu machen, Wasser zu trinken, was zu essen. Außerdem sollte es eine breitere Verantwortung unter Partygästen geben, damit man sich auch umeinander kümmert, wenn es jemand anderem schlecht geht.  

Wie steht es um das Bewusstsein in der Party-Szene um diese Dinge?
Das ist ganz unterschiedlich, je nach Partyszene. Manchen Party-Crews ist die Achtsamkeit inzwischen sehr wichtig. Es gibt aber auch Clubs oder Partys, auf denen alles wild durcheinander genommen wird. Grundsätzlich haben die Leute mit uns und unserem Angebot wenig Berührungsängste.  

Es nehmen immer noch viele Menschen Crystal Meth im Partykontext, obwohl vor den körperlichen Folgen und der schnellen Abhängigkeit überall gewarnt wird. Was beobachtet ihr da?

Es gibt auf jeden Fall inzwischen Partyszenen, die sich von Crystal distanzieren. In andere ist es immer noch integriert. Und die Substanz erfüllt ja auch gewisse Erwartungen hervorragend. Also, man kann zum Beispiel lange durchhalten.  

Hat der mediale Diskurs über eine Droge wie Crystal überhaupt Einfluss auf die Partyszene?
Naja, das, was in den Medien berichtet wird, stimmt nicht immer mit den praktischen Erfahrungen der Konsumenten überein. Es gibt Leute, die Crystal über einen langen Zeitraum konsumieren, ohne dass man es ihnen ansieht. Weil die sehr auf sich achten. Man darf sich das nicht so schwarz-weiß vorstellen: Eine Studie vom Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) hat gezeigt, dass es sehr unterschiedliche User-Gruppen gibt, die zu verschiedenen Zwecken Crystal konsumieren. Aber es ist natürlich klar, dass es bei Crystal ein höheres Risiko gibt, eine Abhängigkeit zu entwickeln, als bei anderen Substanzen. Der Party-Konsum kann auch in den Alltag rüberwandern und dann problematisch werden. Wir betreiben deshalb ein Online-Programm, um das Aussteigen aus dem Crystal-Konsum zu erleichtern.  

Wo seid ihr noch außerhalb von Festivals und Partys vertreten?

Wir haben einen Laden in Leipzig, in dem wir Beratungen anbieten. Außerdem haben wir ein Drogentelefon. Und wir machen Präventionsveranstaltungen mit jungen Menschen. Für Club- und Security-Personal bieten wir außerdem spezielle Schulungen an.

Der schwulste Garten aller Zeiten

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Man kann natürlich darüber streiten, ob diese Garten-Deko schön ist oder nicht.
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Was aber zu weit geht, ist der Brief, den Julie Baker, die Besitzerin dieses Gartenschmucks an ihrem Zaun fand:
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Der Garten, schreibt der empörte Nachbar (oder die empörte Nachbarin), werde langsam „gnadenlos schwul“. Und das gehe natürlich nicht, in einer christlichen Gegend, in der noch dazu Kinder wohnen!

Ob der Urheber des Zettels wirklich wie angekündigt die Polizei gerufen hat, ist unbekannt. Was allerdings bekannt ist: Er wird das genaue Gegenteil dessen erreichen, was er mit dem Zettel bezwecken wollte.

Denn Julie Baker reagierte auf den Brief mit einer Crowdfunding-Kampagne. Sie sammle Geld, schreibt sie, um ihren Garten noch viel mehr „relentlessly gay“ zu machen. Wenn genug gespendet werde, sei vielleicht auch ein Dach in Regenbogenfarben drin.

Und dann explodierte das Internet. Unter dem Hashtag #RelentlesslyGay verbreiteten Twitterer die Kampagne und posteten Kommentare und Fotos anderer gnadenlos schwuler Dinge, von Gartenschaufeln, die Julie sich vielleicht anschaffen sollte, bis zur Queen:








Auf Facebook gibt es eine Gruppe mit knapp 1000 Mitgliedern, auf den Fotos, die dort gepostet werden, kann man sehen, dass sich in Julies Vorgarten nicht nur die Lämpchen in Regenbogenfarben vermehren, sondern auch die Kamerateams und Reporter von Zeitungen, die über Julies Kampagne berichten wollen. Und natürlich gibt es auch ein paar Skeptiker, die die ganze Geschichte bezweifeln und glaube, Julie habe den Zettel selbst geschrieben, um schnell an leichtes Geld zu kommen. Tatsächlich ist der Nachbar bis jetzt nicht in Erscheinung getreten - was nach dem Medienecho allerdings auch niemanden wundern dürfte.

Bis Freitagnachmittag war Julie Bakers Crowdfunding-Kampagne auf mehr als 31.000 Dollar angewachsen. Sieht aus, als würde das der gnadenlos schwulste Vorgarten werden, den die Welt je gesehen hat.

christian-helten

Wir haben verstanden: KW 25

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  • Es gibt ja wirklich immer noch Autogrammjäger! Und sie sehen aus wie im Comic: untersetzt, nerdige Westen und viel zu große Mappen unterm Arm! Gesichtet vorm Bayerischen Hof in München.

  • Mit guten Ideen ist es eigentlich wie mit der Liebe: Gezielt danach zu suchen bringt nullkommanullgarnix. Sie sind dann einfach irgendwann da oder auch nicht. Und das unsichere Warten in der Zwischenzeit nervt total.





  • Nachmittags im Park sehr viel Averna aus halben Zitronen trinken: total perfekt!

  • Nachmittags betrunken auf dem Gehweg gegen einen Laternenpfahl rennen: total peinlich!

  • Verdammt schönes Gefühl, endlich den letzten Umzugskarton zusammenfalten und in den Keller tragen zu können.

  • Verdammt beschissenes Gefühl hingegen, wenn man sich seit Monaten auf ein Konzert freut, für das man vor Monaten ein Ticket gekauft hat – und dann findet man eben jenes Ticket einfach nicht mehr.

  • Es gibt nichts Befreienderes, als ohne Tasche durch die Welt zu gehen.

  • Vielreisender und Koffer-Auspack-Muffel zu sein, ergänzt sich eigentlich sehr gut. Nur hat man halt dann im kalten Norden eventuell noch das Sommerkleid aus dem Urlaub im Süden dabei.

  • Marzahn und Hollywood– quasi das Gleiche!

  • Liebe und Freundschaft ergibt: Chaos. Und fünf interessante Geschichten.

  • Beim Samstagskaffee mal unter den Tisch schauen, da könnte ein Diktiergerät kleben.

  • In neuer Jogginghose gammelt es sich gleich viel glamouröser.

  • Wie wenig man über das Kinderkriegen weiß, merkt man erst, wenn man mal in einem dieser Bücher blättert, die Schwangere (und ihre Partner) lesen, um zu verstehen, was da jetzt so alles passiert.

  • Solltest du jemals das Verlangen verspüren, in so einem Buch zu blättern: nur zu. Aber überspringe unbedingt den Abschnitt, der „Dammriss“ überschrieben ist.

  • Was die Belgier können: schöne Männer und Pralinen.

  • Schöne Filme zusammen sehr spät nachts gucken macht sie noch schöner.

Die Niedlichkeit des T-Rex

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T-Rex hat mich durch meine Kindheit begleitet. Er zierte meinen Schulrucksack, meine Brotbox und war als kleine Holzfigur an Haargummis befestigt. Mein Bruder hatte sogar einen Plüsch-T-Rex, der ihm bis zur Hüfte reichte. Die Haargummis trage ich nicht mehr, aber mir rutscht noch heute ein verzücktes „Ooh“ raus, wenn der Saurier mich morgens von meiner Cornflakespackung angrinst - was er derzeit wieder tut, denn es läuft gerade "Jurassic World" in den Kinos.

Warum ich den monströsesten Fleischfresser der Geschichte so süß finde, ist, nüchtern betrachtet, schwer nachvollziehbar. Als das erste Skelett eines Tyrannosaurus Rex vor über 100 Jahren in Wisconsin entdeckt wurde, gruselten sich die Menschen sehr. Die Größe der Knochen ließ auf einen unbekannten Giganten schließen, der schnell Vorlage für Horrorgeschichten und später auch Horrorfilme wurde. So richtig bekannt wurde T-Rex dann durch den ersten Jurassic Park Film aus dem Jahre 1993. Da frisst er Ziegen, Menschen und alles, was nicht schnell genug wegrennen kann. Damals empfand ich für diese Figur noch sehr wenig bis überhaupt keine Sympathie. Mit den späteren Jurassic Park Filmen änderte sich das. Langsam, aber stetig lernte man die Spezies T-Rex kennen. Sah auch mal der T-Rex Mama dabei zu, wie sie mit elterlichem Elan ihre Babys beschützte oder andere mütterliche Dinge tat: „Ooh! Süß!“  




Mit "Jurassic Park" wuchs in den 90ern auch die T-Rex-Spielzeugpalette

Mit der Popularität der Jurassic-Park-Filme vergrößerte sich in den 90er Jahren die Palette an T-Rex-Spielzeug, Was-ist-Was Saurier-Editionen und anderen Dino-Produkten schlagartig. Scheinbar immer aufmerksamer wurde von Seiten der Hersteller darauf geachtet, dass ihre T-Rex-Figuren nicht zu gruselig aussahen. Sie bekamen große Knopfaugen und grinsten freundlich. Und das passte natürlich auch zur Repräsentation der Spezies T-Rex in den Filmen: Wir lernten sie immer ein bisschen besser kennen und damit immer auch ein bisschen mehr lieben. Trotz Blutrünstigkeit. „Das Grundsozialverhalten der Saurier spricht unser menschliches Mitgefühl an“, glaubt Dr. Daniela Schwarz vom Museum für Naturkunde in Berlin. Die Dino-Faszination sei bereits seit ihrer Entdeckung groß gewesen, aber die Jurassic-Park-Filme haben T-Rex noch mal zu neuem Ruhm verholfen. Von Film zu Film erfahren wir mehr über sein Sozialverhalten und schließen ihn deshalb immer mehr ins Herz. Hinzu kommt sein aufrechter Gang, meint Schwarz. Unter allen Sauriern finden wir die am süßesten, die uns am ähnlichsten sind.

Im allerneuesten Jurassic-Film, Jurassic World, ist diese allgemeine T-Rex-Sympathie nun so weit fortgeschritten, dass er nicht einmal mehr der böseste und mächtigste aller Saurier ist. Ein neuer Riesendino bedroht die Insel, der viel größer, mächtiger und brutaler ist. T-Rex selbst kämpft an der Seite der Menschen und gehört damit offiziell zu den Guten. Nach 20 Jahren Filmgeschichte ist ihm der Imagewechsel vom Killer zum Retter der Familien gelungen.    

Und dann sind da natürlich noch die Ärmchen des T-Rex. Sie sind, naja, winzig, und lassen T-Rex bei genauerer Betrachtung wie eine etwas unbeholfene Karikatur des Menschen wirken. Nicht umsonst gibt es Karikaturisten wie zum Beispiel Hugh Murphey, die Zeichnungen von T-Rex anfertigen und ihn uns noch süßer und harmloser finden lassen: T-Rex, wie er versucht, Lidschatten aufzutragen und dabei auf die Schulter zielt. Wie er She-Rex die Taxitür aufhält. Wie er versucht, Sonnencreme aufzutragen und nur an den Bauchbereich rankommt.

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In den Murphey-Karikaturen ist T-Rex immer herzerreißend hilfsbedürftig

Wozu diese Ärmchen evolutionstechnisch wirklich nützlich waren, weiß man bis heute nicht genau. Saurier-Expertin Schwarz erzählt allerdings von neuen Studien, die nahe legen, der T-Rex habe sie dazu genutzt, sich bei der Paarung am Partner festzuhalten. Und schon fallen mir gemein-lustige Dinosexwitze ein!

Aber warum müssen wir unseren Spott überhaupt auf den Giganten projizieren? Sicherlich ist es einfacher, eine abstrakte Dinofigur zur Zielscheibe zu machen, als soziale Randgruppen. Das wäre politisch nicht korrekt und politisch nicht korrekt zu sein, das macht sich heutzutage gar nicht gut. „Und natürlich, weil er nicht mehr lebt“, begründet Schwarz meine Frage. Im Gegensatz zum weißen Hai oder anderen Killer-Giganten, bräuchten wir vor T-Rex nämlich endgültig keine Angst mehr zu haben. Was uns heute vielmehr Angst macht, ist das Wissen, dass es diese riesigen Tiere tatsächlich einmal gegeben hat. Wir können es uns kaum ausmalen.

Die Vorstellung, dass T-Rex vor 100 Millionen Jahren genau hier, wo jetzt mein Schreibtisch steht, den pummeligen Stegosaurus verspeist haben könnte, gruselt mich. Ich will mir das auch nicht vorstellen. Viel lieber verniedliche ich ihn zum liebenswerten Dino, der Hilfe beim Eincremen braucht. Vor diesem tollpatschigen Trottel brauch ich keine Angst zu haben. Ich kann ihn belächeln und bemitleiden und mir morgens vor der Cornflakes-Packung das ein oder andere intuitive „Ooh“ gönnen.

Grexit ohne Queen Elizabeth

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Wichtigster Tag der Woche: Der Donnerstag. Da startet das Filmfest in München - und das ist einfach immer sehr, sehr schön

Politisch interessiert mich...
ob die Griechen jetzt wirklich pleite gehen. Eigentlich werden ja seit Jahren immer wieder Termine in den Raum geworfen, an denen es definitv vorbei sein soll und dann verstreichen sie und keiner erinnert sich mehr daran. Ein bisschen wie die oft angekündigten und dann doch wieder verschobenen Weltuntergänge.

Kulturelles Highlight:
Seit Anfang Juni läuft die dritte Staffel von "Hannibal" in den USA. Als ich "Das Schweigen der Lämmer" zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich tagelang nicht schlafen. Die obersterile Variante mit Mads Mikkelsen als psychopathischem Kannibalen ist allerdings so grausam, dass ich das ganz gut abspalten kann. Für einen verregneten Sommertag ist das also der nächste Binge-Watching-Plan.

http://www.youtube.com/watch?v=9pNXLmDdrL0

Soundtrack der Woche: Das neue Lied von Beirut "No No No". Ich amüsiere mich ja immer prächtig, wenn Bands ankündigen jetzt mal was "ganz Neues" gewagt zu haben und dann ist man froh, dass es eigentlich doch klingt wie immer. Und hört besonders gerne auch nochmal die alten Songs, zum Beispiel diesen hier:

http://vimeo.com/44513799

Kinogang?
Vielleicht nicht unbedingt nächste Woche - da ist ja das Filmfest. Aber "Die Lügen der Sieger" hat so gute Kritiken bekommen, dass ich mir (trotz vorhersehbarem Plot) ernsthaft überlege, das anzuschauen. Dem deutschen Film eine Chance!
https://www.youtube.com/watch?v=j2Y7RmdQYDg

Geht gut:
Den Besuch von Queen Elizabeth II. kommende Woche in Berlin ignorieren. Royals haben eh nur Unterhaltungswert, wenn sie heiraten oder streiten.

Geht gar nicht:
Dass es warme Kekse mit Eiscreme drin noch nicht an deutschen Eisdielen gibt.

Das ist doch alles gar nicht echt

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Jeannine Michaelsen wird das noch lange nachhängen. Als Online-Expertin des ZDF wollte sie Oliver Kahn während der Fußball-EM 2012 das Twittern beibringen. „Der erste Mensch, dem Oliver Kahn folgt“, sagte sie stolz, „ist Harald Schmidt!“ Gelächter im Publikum.

Alte Geschichte. Aber Robert Michel alias Rob Vegas erzählt sie immer noch gern. Er ist nämlich Harald Schmidt. Oder, wie er es nennt, „der inoffizielle, geduldete Social-Media-Manager von Harald Schmidt“. Seit 2009 schreibt er lustige Tweets unter Schmidts Namen und es ist nur halb offensichtlich, dass der selbst gar nichts damit zu tun hat. Der Account zeigt ein Foto von ihm (typischer Griff an die Brille), der Account-Name lautet @BonitoTV (so heißt Schmidts Produktionsfirma) und in der Beschreibung steht „Tweets von meinem Social Media Onkel @robvegas“ (als sei Rob als Schmidt-Twitterer engagiert worden). Kurz: Es handelt sich um einen Fake-Account. Und Jeannine Michaelsen ist drauf reingefallen.

Twitter ist voll von solchen Fakes. Irgendwelche Menschen twittern als Prominente. Man kann fast jeden beliebigen Namen in das Suchfeld eingeben und wird Ergebnisse finden. Die „echten“ Accounts sind mit einem blauen Häkchen gekennzeichnet, damit man weiß, dass es sich hier wirklich um den Barack Obama (oder sein Social-Media-Team) oder die Beyoncé handelt. Hinter allen anderen Accounts steckt irgendeine Privatperson. Aber warum macht man so was? Warum bedient man sich eines berühmten Namens, um 140-Zeichen-Nachrichten abzusetzen? Natürlich geht es dabei um die härteste Währung des Internets: Aufmerksamkeit. Aber warum man die will, das kann verschiedene Gründe haben.

Dr. Stephan Humer ist Internetsoziologe und hat sich schon viel mit Fake-Accounts beschäftigt. Er glaubt, dass sie oft individuell motiviert und darum schwer zu kategorisieren sind. Aber einen groben Versuch wagt er: „Man kann Fake-Accounts im positiven Sinne nutzen, zum Beispiel für virales Marketing. Oder im negativen, zum Beispiel, um einen Shitstorm auszulösen.“



Hier twittert einer, der hier gar nicht twittert. Verwirrend!

@BonitoTV gehört zur ersten Kategorie. Angefangen hat Rob aus Spaß. Aber als es so gut lief, fing er an, den Account für sich zu nutzen, weil er selbst Komiker mit eigener Online-Show ist. „Schmidt folgen 75 000 Leute, mir 17 000. Ich lasse ihn viel von mir retweeten, damit er Werbung für mich macht“, sagt Rob. Den echten Schmidt hat er auch mal kontaktiert, ein Anwalt hat ihm dazu geraten. Keine Reaktion. Schmidt könnte verbieten, dass jemand seinen Namen verwendet. Aber es ist ihm offenbar einfach egal, weil er weiß, dass Rob ihm nicht schaden will.

Zur zweiten Kategorie, der negativen, gehören Parodie-Accounts, die genau das eben doch wollen: einen Prominenten diskreditieren. Stephan Humer nennt als Beispiel @Saschalobot. „Das ist eine Art Spiegelung von Sascha Lobo. Wenn der etwas schreibt, macht der andere Account etwas Humoristisches oder Negatives daraus.“ Es gehe darum, zu zeigen, dass Lobo eigentlich nichts kann oder weiß.

Weil diese negativen Fake-Accounts viel leichter als solche zu erkennen sind, sind sie die weniger spannenden. Das Interessante an @BonitoTV ist ja, dass bis heute Menschen drauf reinfallen. Und zwar auch, weil sie glauben wollen, dass da Schmidt persönlich twittert. „Wenn die einen Tweet lesen, denken sie dabei ja nicht an mich“, sagt Rob, „sondern stellen sich Schmidts Stimme vor. Sogar viele, die wissen, dass es ein Fake-Account ist, mögen einfach, dass in ihrem Leben theoretisch noch ein Schmidt stattfindet.“

Und dann gibt es da noch einen Spezialfall der Fake-Accounts: die, deren Urheber sich anders als Rob Vegas nicht offenbaren. Einer der bekanntesten ist @BillMurray: 519 000 Follower und ein großes „I AM NOT BILL MURRAY“ in der Beschreibung. Der Autor oder die Autorin niedlicher Tweets wie „As an adult, I’m not eating nearly as much ice cream as 10 year old me thought I would“ zeigt sich nicht, nutzt den Account also nicht zu Werbezwecken. Er oder sie will Billy Murray aber auch nicht bloßstellen. Bleibt ein anderer Grund für den Fake – und das Versteckspiel: Macht. „Der berühmte Name ist nur Mittel zum Zweck“, sagt Stephan Humer, „wichtiger ist die Konstruktion. Die steht für den Autor, er hat sie völlig in der Hand – und wenn er sie aufgibt, gibt er alles auf.“ Denn wenn auf einmal klar ist, dass dort Hans Müller aus Berlin twittert, mittelgroß, mittelalt, mittelhübsch, zerbricht die Illusion. Ohne den Account wäre Hans Müller uninteressant – und mit Hans Müller wäre der Account uninteressant. Aber so hören Hans Müller mehr als 500 000 Menschen interessiert zu. Theoretisch zumindest. Und vielleicht ist er sogar Bill-Murray-Fan und das Twittern hat für ihn darum einen besonderen Reiz. „Fans, die unter prominenten Namen twittern, sind in einer privilegierten Nähe zum Prominenten. Sie sind die Gralshüter, die sagen: Ich verbreite die wahre Lehre des Prominenten XY, nur über mich erreicht ihr ihn“, sagt Stephan Humer. Das klingt fast schon ein bisschen gruselig.

Natürlich kommen Aufmerksamkeit und Erfolg nicht nur über den berühmten Namen. Man muss auch ein bisschen was dafür tun, dass die Menschen einem folgen. Muss die generellen digitalen Mechanismen beherrschen, Twitter verstehen. Aber dann hat man als Twitter-Doppelgänger sehr viel mehr Macht als die Doppelgänger früherer Zeiten. Man muss sich nicht schminken oder verkleiden, keine Mimik und keine Gestik imitieren. Man muss einfach nur 140 Zeichen schreiben und dabei einen bestimmten Ton einigermaßen treffen. Den Rest erledigt das Gehirn des Lesers. Oder Jeannine Michaelsen.

Mach’s dir wie die Schwedin

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Sehr geehrte Damen und Herren der gepflegten Sprachkultur,

in Schweden hat es eine Wortneuschöpfung gegeben! Die Vokabel „Klittra“ bezeichnet ab jetzt die weibliche Masturbation. Für dringend notwendig befand diesen Schritt die Swedish Association for Sexuality Education. Die weibliche Masturbation sei im Gegensatz zur männlichen auch deshalb noch immer ein Tabu, weil es für letztere unzählige lässige Ausdrücke gebe, und für die weibliche nicht, so die Organisation.

Sie rief daher im November vergangenen Jahres dazu auf, gute Begriffe für die Selbstbefriedigung der Frau einzusenden. Neben „Klittra“ lauteten die diskutierten Vorschläge etwa „Selfa“ oder „Pulla“. Entschieden wurde sich aber schließlich für „Klittra“, denn dieses Wort betone die bei der weiblichen Masturbation entscheidende Rolle der Klitoris.




Hat diese Frau gerade geklittert?

Schön für die Schwedinnen! Haben sie ein neues Wort. Nur: Was sagt das jetzt dem Rest der Welt? Vielleicht nicht so viel. „Selbstbefriedigung“, „Es sich machen“ oder das ja auch oft etwas rotzig von Frauen für sich selbst adaptierte „Sich einen runterholen“ tun es im Deutschen ja eigentlich auch. Oder doch nicht? Muss da was Eigenes unternommen werden? Was sagt dazu man dazu wohl bei der Deutschen Vereinigung für Sexualerziehung?

Aber da die Schweden bekanntlich als Trendsetter berühmt sind, besteht wohl eine reale Chance, dass der Begriff die Runde macht und demnächst eingedeutscht wird. Vielleicht wird bereits in wenigen Jahren allernorts fröhlich vom „Klittern“ gesprochen: „Ich klittere mir einen.“ „Ich habe geklittert.“ Garantiert findet das Wort auch seine Fans im englischen oder amerikanischen Sprachraum: „Well, I was just clittering, when the phone rang and then I was like, well, I'm just clittering, so I definetly won't answer this call and....“

Wir sagen: Geht vielleicht cooler.

Mit selbstgemachten Grüßen, eure jetzt-Redaktion

"Und, was machst du so?"

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Angeben


Neben dem „Treffen“ der eigentliche Hauptzweck eines Abitreffens. Schließlich ist es eine der wenigen Gelegenheiten, in denen du Menschen triffst, deren Biografie sich wie ein Lineal neben deine eigene legen lässt, weil ihr vor fünf oder zehn Jahren durch dasselbe Schultor in die Welt gestartet seid (→ „Und, was machst du so?“).
 

Blackout-Moment


Die Schrecksekunde, in der dir klar wird, dass du ums Verrecken nicht weißt, wie der Typ mit dem Kurzhaarschnitt und dem Polohemd heißt, mit dem du gerade redest. Die einzige noch abrufbare Erinnerung ist, dass er in Bio immer ganz vorne links saß und nie was gesagt hat.
 

Clowngarantie


Menschen ändern sich mit der Zeit (→ Mutanten). Nur einer ändert sich nie: der Klassenclown. Beziehungsweise hat er sich im echten Leben stark geändert, fällt aber in der alten Konstellation aus Kumpels aus dem Rauchereck wieder zurück in alte Verhaltensmuster (→ Yo-Yo-Effekt). Er ist also auch nach zehn Jahren noch derjenige, der in die erste Getränkebestellung einen Witz einbaut und auf dem → Gruppenfoto seinem Nachbarn Hasenohren macht.
 

Distanzierung


Bis zum Vorabend des Abitreffens wird mit alten Klassenkameraden oder unbeteiligten Dritten herablassend und maximal distanziert über das lästige Nostalgie-Event gesprochen. Feststehende Formulierungen: „Boah, null Bock auf die ganzen Nasen“ / „ . . . aber muss ja“ / „ . . . ist dann ja auch wieder fünf Jahre Ruhe.“ Dass das ein inszeniertes Ritual ist und sich fast jeder penibel vorbereitet hat, zeigt sich am Abend des Treffens: an der auffallend hohen Quote frisch geschnittener Haaren, perfekt gebügelter Hemden und zeitnah aufgefrischter Urlaubsbräune.
 

Eichen


Es gibt die Weltreisenden, die Auswanderer und die Frequent Traveller, die beim Abitreffen über Entwicklungsprojekte in Belo Horizonte reden oder von der guten Luft in Oakland schwärmen. Und es gibt die Eichen. Die wohnen immer noch genau gleich weit von der Schule entfernt wie früher und haben jemanden aus dem nächsten Abi-Jahrgang geheiratet. Auch wenn die Frequent Traveller sie für beschränkte Hinterwäldler halten: Eichen sind die wichtigsten Teilnehmer des Abitreffens. Sie sind die Einzigen, die wissen, was in der Heimatstadt eigentlich heute so los ist, dass letzten Sommer der Chemietrakt der Schule brannte und der Dings immer noch dieses Cabrio fährt. Und das ist ja der Rohstoff, aus dem Smalltalk-Gespräche gemacht sind.
 

Fernbleiber


Manche der „Leider keine Zeit“-Absagen mögen wahr sein – aber häufiger ist der Grund, dass die Abwesenden gerade arbeitslos, frisch getrennt oder sonst irgendwie unzufrieden sind und lieber keine Fragen zu ihrem Leben beantworten möchten. Und dann sind da diejenigen, die sich durch ihr Fernbleiben eine Aura des Geheimnisvollen geben wollen – und das tatsächlich schaffen. Denn wenn alle → „Und, was machst du so“-Gespräche des Abends geführt wurden, sind die mysteriösen Fernbleiber das Thema aller Unterhaltungen.
 

Gruppenfoto


Will früher oder später auf jeden Fall jemand machen. Leider. Dauert immer noch so lange wie früher und sieht genauso aus wie früher (→ Clowngarantie), nur mit mehr Kopfhaut im Bild.
 

Hangover


Der Kater nach dem Abitreffen rührt meist nicht vom Alkohol her (→ Zipperlein), setzt aber oft schon auf dem Heimweg ein: ein Mischgefühl aus Rührung (angesichts der alten Schulkameraden, vor allem der → Eichen), Hadern mit den vertanen Chancen der vergangenen zehn Jahre (→ Angeben, → Quote) und den bohrenden Fragen: Wie sehen die anderen mich jetzt wohl? Bin ich ein → Mutant?

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Interessensmaß, das richtige


Obacht, kritischer Punkt! Auf dem Abitreffen wirst du mit 50 Menschen sprechen, die dich die letzten fünf Jahre nicht interessiert haben. Zeigst du zu wenig Interesse, stirbt das Gespräch sofort ab. Zeigst du zu viel, sitzt du den halben Abend in der Ecke und lauschst einem Vortrag über die faszinierenden Details einer Energiewirtschafts-Dissertation oder musst dir Fotos von der Motorradsammlung des Unternehmenserben anschauen.
 

Jugendliebe


Da war ja mal was, zwischen Patrick und Isabelle. Auf der Stufenparty in der Grillhütte haben sie geknutscht, waren ein Jahr zusammen und haben sich nach dem Abi getrennt – wegen Studium und Ausland und mit dem Leben anfangen und so. Und jetzt? Patrick heiratet in zwei Wochen, Isabelle hat eine Tochter und die beiden sitzen den ganzen Abend zusammen und Patrick fasst Isabelle manchmal vorsichtig an den Oberarm. Alte Erotik, neu aufgewärmt! Das Zusammentreffen mit der Jugendliebe kann allerdings auch weniger schön enden (→ Verzweiflungstat).
 

Kinder


Egal wie stolz die Inhaber von Superjobs und tollen Auslandserfahrungen → angeben – am stolzesten sind diejenigen, die Kinder haben. Und sie können ihren größten Stolz sogar live präsentieren. Sie haben die kleine Emma nämlich einfach mitgebracht. Hier ist es besonders schwer, das richtige → Interessensmaß zu finden, das höflich genug ist, aber nicht dazu führt, dass man den ganzen Abend mit der kleinen Emma spielen muss.

Lehrerbesuch


Jemand aus der → Orgagruppe schlägt vor, doch auch den Herrn Czorwunka oder die Frau Schmidt einzuladen. Die haben ja früher auf der Klassenfahrt auch immer mitgesoffen (und einmal sogar gekifft!!!). Bete, dass sie nicht kommen! Der Reiz, einen Lehrer betrunken zu sehen, verflüchtigt sich genau in dem Moment, in dem das Lehrer-Schüler-Verhältnis endet. Den alten Lehrer jetzt zu bespaßen, ist der härteste Job des Abends: Er klagt darüber, wie frech und verkommen die Fünftklässler von heute sind und lässt sich im schlimmsten Fall nach sieben Rotwein zu einer → Verzweiflungstat hinreißen.
   

Mutanten


Früher war der Schmolke bleich, still und trug Socken in Sandalen, genau wie sein Vater, der Mathelehrer. Eigentlich willst du deshalb mit einer Ausrede verschwinden, als er dich anspricht, schaffst es aber nicht, weil du das falsche → Interessensmaß angesetzt hast. Zum Glück: Sonst wäre dir nämlich entgangen, dass Schmolke aus dem Mathelehrerhaushalt ausgebrochen und zum selbstsicheren, weltgewandten Typen mutiert ist, der gerade in San Francisco seine erste Foto-Ausstellung kuratiert. Die Mutation funktioniert allerdings auch umgekehrt: Der Steve, der früher der tolle Bassist der Schulband war, ist jetzt stellvertretender Vorsitzender im AfD-Ortsverband.

Nie


Dinge, die auf Abitreffen nie passieren, obwohl man sich das heimlich wünscht: der Klassenprimus von damals erzählt, dass er Hartz IV bezieht; du erhältst stehende Ovationen für deine Energiewirtschafts-Dissertation; alle betrinken sich hart und tanzen zusammen auf den Tischen; Karl kriegt die Frau (→ Verzweiflungstat); und alle fühlen sich wohl.
 

Orga-Gruppe


Maßgeblich dafür verantwortlich, ob ein Treffen überhaupt zustande kommt und wie es wird: Entweder macht es die Streber-Klassensprecher-Fraktion, dann gibt’s Sektempfang und gediegenes Essen im Gasthof zur Post. Oder es machen die, die auch früher immer die Partys organisiert haben. Einer von denen ist jetzt eh „in der Gastro“ und hat einen Spezial-Deal mit dem Betreiber seines Stammclubs ausgehandelt.
 

Papa und Mama


Zwei, für die das Klassentreffen wichtiger ist als für dich. Weil: Die haben nie wieder so viel von deinem Leben mitbekommen wie damals, als du auf der Schule warst. Deshalb sind sie aufgeregt und stellen sehr viele Fragen („Was macht eigentlich der Christoph jetzt?“; „Und , wie hieß sie noch . . .  die Sabine, in die du so verliebt warst – aus der ist bestimmt was Tolles geworden, oder?!”).

Quoten


Innerlich führst du den ganzen Abend Statistiken und Ranglisten: Wie viele von den Coolen sind eigentlich cool geblieben und wie viele sind → Mutanten? Wie hoch ist die Großverdiener- und wie hoch die Arbeitslosen-Quote? Wie viele sind schon verheiratet und/oder haben → Kinder? Die Zwischenergebnisse sind maßgeblich für dein weiteres Verhalten an diesem Abend und können schlimmstenfalls direkt zu Frustsaufen oder einer → Verzweiflungstat führen.
 
Raum-Schrumpfung
Du bist zwar nicht gewachsen, seit du Abi gemacht hast. Trotzdem stellst du beim Besuch der alten Schule – ein Standard-Programmpunkt jedes ordentlichen Klassentreffens – fest, dass hier alles viel enger und kleiner ist, als du es in Erinnerung hattest. Die Aula kam dir früher riesig vor, ist aber kaum größer als ein Tennisplatz, und der größte Chemiesaal ist lächerlich im Vergleich zu dem Uni-Hörsaal, in dem du heute Morgen noch gesessen hast.
[seitenumbruch]
 

Stammtischfalle


Eigentlich hast du dich trotz → Distanzierung ja auch ein bisschen gefreut: Endlich kannst du mal wieder mit Menschen reden, die du lange nicht gesehen hast. Aber irgendwann kannst du einfach nicht mehr. Dein Smalltalk-Akku ist leer. Deshalb verbringst du den restlichen Abends mit den drei besten Freunden, die du jeden zweiten Mittwoch im Monat beim Stammtisch siehst.
 

Taktisches Antworten


Nach einer Stunde Abitreffen hast du so viele → „Und, was machst du so?“-Gespräche geführt, dass du für jedes Gegenüber die passende Antwort parat hast. Du weißt genau, in welche Hülle du deine Lebenssituation und deine Jobbeschreibung wickeln musst, damit sie den gewünschten Effekt haben: Was du sagen musst, wenn du keinen Fortgang des Gesprächs willst („Ich mache was mit Textilienhandel“), und was, wenn du das Gegenteil erreichen willst („Ich habe so eine Online-Plattform gegründet; heißt Zalando, kennst du vielleicht“).
 

„Und, was machst du so?“


Häufigste Gesprächseröffnung des Abends, Steilvorlage fürs → Angeben, Grund für → taktisches Antworten.
 

Verzweiflungstat


„Einmal noch“, denkt sich Karl, „ein allerletztes Mal noch“, und setzt sich zu seiner → Jugendliebe – oder besser gesagt: zu dem Mädchen, in das er seine ganze Schullaufbahn verliebt war, das ihn aber von Klasse 5 bis 13 hat abblitzen lassen. Leider hat ihm keiner gesagt, was der →Yo-Yo-Effekt ist.
 

„Weißt du noch, . . .“


Zweithäufigster Gesprächsbeginn nach → „Und, was machst du so?“ Birgt weniger Konfliktpotenzial, weil in Erinnerungen schwelgen nicht so heikel ist wie Job-Kündigung-Ehe-Scheidung-glücklich-gradenichtsohappy-Gespräche.
 

Xylophon


Instrument, das niemand zum Abitreffen mitbringt. Warum auch?
 

Yo-Yo-Effekt


Mit dem Abitreffen ist es wie mit dem Familienbesuch: Man geht zurück in ein System, in dem man eine feste Rolle hatte – und schwupps, hat man sie wieder. Egal, was man heute beruflich so macht oder wie viel Mühe sich der Therapeut gegeben hat, die Wunden der Schulzeit verheilen zu lassen: der Clown wird wieder zum Clown (obwohl er jetzt Anästhesist wird), Karl wird wieder zum Loser (obwohl er sein Jurastudium mit Auszeichnung abgeschlossen hat) und du wirst auch wieder der oder die von früher sein, weil die anderen dich halt so sehen. Besonders blöd: Der Yoyo-Effekt verstärkt den → Hangover.
 

Zipperlein


Ja, ihr seid älter geworden. Ja, irgendwer hatte letztes Jahr eine Knie-OP oder klagt über Schlafstörungen. Und vor allem: Alle betonen, dass sie echt nicht mehr so gut saufen können wir früher. „Weißt du noch, damals, da war man am nächsten Tag suuuperfit, und jetzt spür ich’s drei Tage, wenn ich mal einen über den Durst trinke. Boah – ich werd’ echt alt!“

Das ist...Abdullah Karaca, muslimischer Passionsspiele-Leiter

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Ja Mei! Ein junger Regisseur mit türkischen Wurzeln und Jesus am Kreuz!

Das ist...
Abdullah Kenan Karaca, Theaterregisseur am Münchner Volkstheater und seit kurzem zweiter Festspielleiter der Oberammergauer Passionsspiele 2020. Ja, genau. Das Stück, das zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde und für das sich alle Jahrzehnte wieder ein ganzes Dorf die Haare lang wachsen lässt. Seit Ende der Pestepidemie im 17. Jahrhundert wird es aufgeführt, um dem Herrn Dankbarkeit zu zollen. Seitdem hat sich da erwartbar viel getan.

Frage: Wie kommt Karaca von seinem Regiedebut „Arrabboy“, das einen jungen Kriminellen „Mega Checker“ aus Berlin-Neukölln porträtiert, plötzlich dazu, die Leidensgeschichte Jesu zu inszenieren? Gar nicht so plötzlich: Karaca ist in Garmisch geboren und in Oberammergau mit den Passionsspielen aufgewachsen – als Elfjähriger wirkte er selbst unter der Leitung von Christian Stückl mit. Der Mann, mit dem Karaca sich nun die Regie teilt. Neben viel Talent und einem guten Draht zu Regisseur und Förderer Stückl besitzt der Jungregisseur, der in Hamburg studierte, also auch genügend Verständnis für das Projekt.



Alle Jahrzehnte wieder: die Passionsspiele im Oberammergau.

Der kann…ziemlich gut Theater machen und immer noch eins drauflegen. Auf den Hauptschul- den Gymnasialabschluss, auf das Regiedebüt den großen Erfolg. Nach ersten Versuchen als Regieassistent am Münchner Volkstheater inszenierte er dort 2012 "Arabboy" nach dem kontroversen Roman der Berliner Journalistin Güner Balci, nahm damit am von Stückl veranstalteten Theaterfestival "Radikal jung" teil, bekam Applaus, eine verlängerte Spielzeit und inszenierte darauf "Der Große Gatsby“, "Woyzeck" und "Romeo und Julia".

Der geht...mit großer Lockerheit an das katholisches Heiligtum ran - und mit Einwanderer-Klischees um: Er habe mit „mehr Kritik“ gerechnet, sagt er. Trotzdem wirbelte er gerade einiges an konservativem Staub durch oberbayerische Luft. Denn neben viel Unterstützung murmelt sich da– und auch anderorts – so manch einer ein "Sowas hätt’s früher ja nicht gegeben!" in den Bart. Aber der Sohn türkischer Einwanderer hat gelernt, mit der Widersprüchlichkeit deutscher Integrationspolitik zu leben. In Hamburg sei er der katholische Bayer gewesen. In Bayern ist er jetzt eben der muslimische Passionsspielleiter. Für seine Einbürgerung fehle ihm, so die freundliche Beamtin zu Karaca, nun nur noch der Sprachtest – trotz vorgelegtem deutschen Abiturzeungis. Zum Test sagte Karaca akzentfrei "Nein, danke."

Wir lernen daraus, dass…man mit dem eigenen Klischee im Nacken sehr gut Arbeiten kann, ohne sich davon verunsichern zu lassen.

Nur Google weiß über ihn, dass...der Name „Abdullah Karaca“ so etwas wie das türkische Equivalent von Peter Müller sein muss. Ungefähr genau so viele Twitter-Accounts gibt es jedenfalls unter diesem Namen etwa.


Gräber überall

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Wer in diesen Tagen in seiner Stadt ungewohnte Gräber auf Grünflächen oder am Straßenrand entdeckt, begegnet den Auswüchsen der Berliner Protestaktion „Die Toten kommen“. Am Sonntag, 21. Juni, rief das "Zentrum für politische Schönheit" in Berlin zu einem Protestmarsch auf, dessen Ziel die Wiese vor dem Bundestag sein sollte. Dort wurden von den mehr als tausend Teilnehmern der Aktion hunderte Gräber ausgehoben. Es entstand ein riesiger Friedhof in Gedenken an Flüchtlinge, die ums Leben gekommen sind - ein Zeichen des Protests gegen die Flüchtlingspolitik der EU. Die intendierte Aussage der Aktion: Die Toten des Mittelmeers sind nicht mehr länger nur abstrakte Ziffern, sie werden immer sichtbarer. Sie rücken in unser Leben und wir dürfen sie nicht weiter ignorieren.

Nun kann man darüber streiten, wie angebracht es ist, sich Stimmen und Körper bereits Verstorbener zu eigen zu machen. Wie angebracht es überhaupt ist, eine solch komplizierte, vielschichtige und bereits vieldiskutierte Problematik wie die Flüchtlingspolitik der EU zu einem so eindimensionalen und dramatischen Happening zu machen.

Sicher ist: Die Aktion findet großen Anklang und zahlreiche Nachahmer in ganz Deutschland. Ein tumblr-Blog namens unknownrefugees.tumblr.com sammelt jetzt Fotos der Gräber. Es sind viele. Einige bestehen nur aus einem aufgestellten Holzkreuz, andere sind beinahe professionell dekoriert, aufwendig mit Pflastersteinen umzäunt und von unzähligen Kerzen gesäumt.




Das "Grab" eines "unbekannten Flüchtlings" in Dresden

Das ist natürlich eindrucksvoll, erst recht in der Bilderflut, die man auf dem Blog bestaunen kann: Anscheinend gibt es eine ganze Menge Menschen, die einen so diffusen Handlungs- und Protestbedarf gegen die herrschenden Zustände empfinden, dass sie sich über jede greifbare, übersichtliche Option freuen, diesem Unwohlsein Luft zu machen. Und sei es in Form eines selbstgebauten Grabes am Straßenrand. Bleibt die Frage, was ein solches am Ende wirklich bewirkt. Oder ob es nicht als kurzlebige Urban-Gardening-Meme aus dem Juni 2015 in die Geschichte der folgenlosen Protestversuche der sogenannten Generation Y eingeht.



Ein ganz nomaler Spinnenmann

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Als Schwiegersohn astrein: Er ist Nichtraucher, konsumiert Alkohol nur in Maßen, flucht nicht, dealt nicht mit Drogen (logisch!) und hat erst ab 16 Jahren Sex – und zwar nur mit über 16-Jährigen. Klingt toll aus Perspektive der Schwiegereltern – ansonst vielleicht ein bisschen langweilig. 

Zumindest für einen Superhelden. All diese Kriterien soll Spiderman im Film erfüllen, wie ein geleakter Geheimvertrag zwischen Sony Pictures und dem Comic-Verlag Marvel verrät. Der Vertrag fiel offenbar Hackern in die Hände, die mehrere E-Mails von Sony erbeutet hatten. Marvel verpflichtet darin Sony, sich bei der Umsetzung der Filmfigur Spiderman an genaue Bestimmungen zu halten. Wichtig ist ihnen außerdem: Er muss heterosexuell sein und weiß. Daran lässt sich für Marvel nichts rütteln.



Unter dem Anzug müsste er eigentlich nicht weiß sein und wenn er die Maske abnimmt, könnte er ja auch mal einen Mann küssen. Marvel sieht das allerdings anders.

Für einen Superhelden relevant könnte die Vorgabe sein, dass Spidy niemanden foltern darf und nur zur Selbstverteidigung oder zum Schutz von anderen töten darf. Wieso seine sexuelle Orientierung und seine kaukasische Herkunft wichtig sein sollten, leuchtet allerdings überhaupt nicht ein. Gut, der berühmte Kuss über Kopf. Da denkt man eben an Spidy und Mary Jane. Aber warum sollte sich nicht auch Spiderman weiterentwickeln, seine Jugendliebe mal hinter sich lassen und einen Mann küssen?

So sieht das auch der aktuelle Spiderman-Darsteller Andrew Garfield. Wirklich weit kam er mit seinem Vorschlag allerdings nicht, dass Spiderman im nächsten Film seine Homosexualität entdecken könnte. Da ist Marvel in seinen Auflagen strikt: Nur wenn Spiderman in den Marvel-Comics homosexuell werden sollte, dürfte er das auch im Film sein.

Spidy bleibt also erstmal der sterile Schwiegersohn-Typ: männlich, weiß, heterosexuell. Dabei düfen andere Comic-Figuren sexuell schon eher tun und lassen, was sie wollen: Catwoman hatte kürzlich ihr Coming-Out als Bisexuelle, genau wie Iceman aus der „X-Men“ Reihe. Warum darf der Spinnenmann nicht küssen, wen er will?

Pia Rauschenberger

"Marsimoto gehört in ein Museum"

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Kein Hallo. Mit einer Entschuldigung beginnt das Telefongespräch mit Marten Laciny. Er hatte das Handy nicht gehört, weil er noch angeln war. „Ich wohne ja am Wasser“, sagt er. Und in seiner Stimme schwingt Zufriedenheit darüber mit. Vielleicht auch Stolz. Jeden Tag angle er. Und vermutlich tut er gut daran, so häufig die damit einhergehende Entspannung zu suchen. Schließlich führt er nicht nur ein Leben als Prominenter, sondern gleich zwei. Denn die Privatperson Marten Laciny ist nicht nur Marteria, sondern auch Marsimoto.




Der Mensch: Marten Laciny

Als Marteria ist Marten der Popstar gewordene Rapper, dessen letzte Alben allesamt Gold gingen; der Typ, von dem die Kids Texte wie den der Nummer-Eins-Single „Lila Wolken“ auf dem Schulhof mitrappen und dessen Name auch schon mal durch die Klatsch-und-Tratsch-Spalten der Boulevardpresse gereicht wird. Als Marsimoto hingegen verkörpert Marten so etwas wie Marterias skurrilen Zwillingsbruder. Marsimoto, ein maskierter grüner Kobold, der stets mit hochgepitchter Mickey-Mouse-Stimme über Themen wie Gras, Indianer und zum Leben erweckte Spalding-Basketbälle rappt. Kein Popstar, eher der Antiheld – wenn auch ein gefeierter.

http://www.youtube.com/watch?v=92Hvcb8TU0Y

Was viele nicht wissen: Marsimoto war zuerst da. Für die Marsimoto-Rolle versteckt Marten sich bereits seit 2006 hinter der hanfgrünen Maske. Als Marteria hingegen trat Marten erst ein Jahr später auf den Plan. Seitdem wechseln sich die beiden Alter Egos mit ihren Veröffentlichungen ab. Für Marten bedeutet das eine künstlerische Doppelbelastung, die mit wachsendem Erfolg nicht weniger wird. Gut also, wenn man da einen Ausgleich hat, der einen bei dem ganzen Rummel erdet. Angeln zum Beispiel.

„Marteria und Marsimoto brauchen sich gegenseitig“, erklärt Marten. „Und beide sind sehr dankbar dafür, dass es diese Freshness gibt, mit der sie sich gegenseitig hochpushen und zu Höchstleistungen anstacheln können.“ Die beiden Charaktere stünden in Konkurrenz zueinander und seien jeweils der Meinung, besser zu seien als der andere und mehr Platten verkaufen zu können. „Marsi glaubt, am Ende als Gewinner dazustehen. Marteria hingegen sieht das genau andersherum.“ Es ist ungewöhnlich, einen Künstler über sich in der dritten Person sprechen zu hören. Und dann auch noch zweimal.

Kommerziell gewann bislang stets Marteria. Marsimoto-Platten blieben immer unter der Grenze von 100.000 verkauften Einheiten. Das könnte sich nun ändern. Seit dem 12. Juni ist das neue Marsimoto-Album „Ring der Nebelungen“ draußen. „Die Platte ist der Ritterschlag und das Beste und Kohärenteste, was ich als Marsi je gemacht habe. Wer weiß: Vielleicht ist das sogar das letzte Marsimoto-Album.“ Marten hält kurz inne, bevor er – vielleicht etwas bedeutungsschwanger – ergänzt: „Ich habe zumindest keine Ahnung, wie ich das noch mal toppen soll.“ Er lacht. Er weiß, dass er sein Marsimoto-Alter-Ego nicht begraben kann. Nicht jetzt, auf dessen künstlerischem Höhepunkt.

>>> "Marsi gehört eigentlich nicht auf die Bühne, sondern in eine Galerie." <<<
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Denn in der Tat: „Ring der Nebelungen“ ist ein grandioses Album geworden. Verquere Beats voller Bass und Wahnsinn schaffen eine intergalaktische Soundwelt, in die Marsimoto seine bildgewaltigen Texte voller Meta-Ebenen auf doppelte Böden spuckt. Alles wie gehabt also – nur besser. „Es geht auf der ganzen Platte nur um eine einzige Sache: Es zu fühlen. Nur so entsteht Kunst. Und Marsimoto ist Kunst. Marsi gehört eigentlich nicht auf die Bühne, sondern in eine Galerie.“ Die Lieder des neuen Albums gehörten entsprechend in einen Rahmen. „Meisterwerk“ heißt denn auch eines von ihnen. „Ich mal' dir dieses Meisterwerk/Wenn alles nur so einfach wär“, rappt er darauf mit inbrünstiger Easiness. Und die Töne verschwimmen, als planschten sie in einem grünen Lichtermeer aus Hundertwasser; ein Lichtermeer, aus dem Marten Laciny mit diesem Album einen ganz großen Fisch geangelt hat.




Die Kunstfigur: Marsimoto

Sowohl beim Hören der Platte, als auch im Gespräch mit Marten wird eine Sache besonders deutlich: Bei all der instrumentierten und lyrischen Abseitigkeit von Marsimoto entsteht zwischen ihm und seinem Publikum nie eine Distanz – all der Inszenierung und Maskierung zum Trotz. Im Gegenteil. Je mehr Lichtjahre Marsimoto sich kreativ vom Diesseits zu entfernen scheint, desto näher rückt man an ihn und seine Welt heran. Und die Erklärung dafür liefert Marten auf der Platte gleich selbst: „Warum scheinen manche Sterne heller als die anderen?/Vielleicht weil sie einfach näher an uns dran sind.“ Im Gegensatz zu Marteria gibt er keine Autogramme und lässt sich nicht mit frenetischen Fans fotografieren. Als Kunstfigur lässt ihn das aber umso echter wirken – auch wenn das ein Widerspruch in sich ist.

Die Widersprüche sind es schließlich, die Marsimoto besonders machen. Popstar und Antiheld in einem. Vielleicht sind er und seine Musik gerade deshalb so unfassbar, weil sie nicht zu greifen sind. Und letzten Endes macht dieser Umstand Marsimoto womöglich zu „viel mehr Popstar“ als Marten es als Marteria je sein wird. Je sein kann.

http://www.youtube.com/watch?v=TB2Pfw8fm-w

Als ein solcher Popstar/Antiheld spielt Marsimoto live natürlich nur noch auf den größten Bühnen des Landes. Den ersten Gig zum neuen Album gab Marsimoto vor mehr als 90.000 Leuten beim diesjährigen Rock am Ring: Urban-Bereich, Dunkelheit, Haupt-Act. „Das ist halt die Marsi-Attitude. Da fängt es gleich groß an. Weil es groß ist.“ Während Marten sich nach außen stets bodenständig und genügsam gibt, kommt das Wort „Bescheidenheit“ im Wortschatz von Marsimoto nicht vor. Er kann es sich leisten. Auch dieses sauropodengroße Selbstbewusstsein wird dem eines Popstars gerecht.

Am Ende des Interviews bedankt sich Marten höflich für das Gespräch. Und er entschuldigt sich noch mal dafür, dass er das Telefon am Anfang nicht gehört hat. Kein Problem. Er würde jetzt wieder zum Angeln gehen. Wie heißt es im Marteria-Song „Verstrahlt“ doch so schön: „Ein großer Fisch braucht ’n großen Teich“. Die HipHop-Szene hat er jedenfalls längst am Haken. Und die Massen drum herum womöglich auch.

Wortschatztruhe: Post Fomatic Stress Disorder

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Leandra Medine, die sehr lustige Autorin des sehr empfehlenswerten Modeblogs The Man Repeller, ist, wie vielleicht nicht jeder weiß, neben ihrer modischen Expertise unter anderem auch Fachfrau für moderne Sozialangstzustände und deren Bezeichnungen. Sei es die FOMO (fear of missing out), die FODO (fear of disappointing others) oder die FOMD (fear of missing documentation) – Medine hat sie alle schon durchdekliniert.




... und du hast geschlafen.

Nun ist das menschliche Gehirn ein dunkler Wald, beziehungsweise ein weites Feld und fördert natürlich stets neue Befindlichkeiten zutage. Und so wundert es nicht, dass Frau Dr. blog. Medine bereits ein neues Angst- beziehungsweise in diesem Fall Angstschock-Phänomen als solches erkannt und kurzerhand mit der schönen Abkürzung „PSFD“ versehen hat: Die „Post Fomatic Stress Disorder“. Fomatic leitet sich von FOMO ab. Die Störung bezeichnet daher folgerichtig den Schock, der einen am Tag nach einer Party erfasst, die man trotz innerem FOMO-Grabenkampf - und leider bevor sie richtig gut wurde - verlassen hat.

Und das sieht ungefähr so aus: Du wachst auf, scrollst dich einmal durch Facebook oder Instagram, und da ist sie, deine Crew, die du hast allein weiterfeiern lassen, und chillt mit Mike Tyson auf einer unbekannten Dachterrasse. Untertitel: „YO, und nächste Woche Miami, rollin’ mit Tysons Homiiiiies! #onceinalifetime #newbuddys #yo #foreveryoung #flügeschongebucht #check.“

Es ist Sommer und alle sind schön, wirklich unfassbar schön und glücklich und jung, alles wie im Film, wie mit Soundtrack - und du liegst im Bett und hast alles verpasst.


Das erste Sonnenlicht legt sich auf ihre Gesichter, Anna hat das tolle blaue Kleid an, Flo fliegt das Cap vom Kopf und Mike Tyson zündet Alex die Kippe an. Es ist Sommer und alle sind schön, wirklich unfassbar schön und glücklich und jung, alles wie im Film, wie mit Soundtrack - und du liegst im Bett und hast alles verpasst. Dir wird kalt und heiß und kalt und heiß und du bist hellwach und dir ist kotzübel. Aber nicht, weil du einen Kater hast. Sondern weil du KEINEN Kater hast. Weil du früh ins Bett gegangen bist, während die anderen einfach weitergemacht haben. Was du ja auch noch in Erwägung gezogen hattest, dann aber gelassen hast, weil – ja, warum denn eigentlich?

Du beißt dir ins Handgelenk und tippst das WhatsApp-Symbol auf deinem Smartphone an, denn da hängt eine rote Blase drüber und sie ist 84 ungelesene Nachrichten schwer. Du scrollst sie durch und dir zittern die Hände und dir wird noch ein bisschen kälter und heißer. Man könnte aus den vielen Nachrichten eine Durchschnittsnachricht machen und sie lautete dann in etwa so: „woah, wo bist du, komm wieder her man, wo bist du denn, was los, once in a lifetime night mannnn, was geht, mike tyson buckht uns gxad flüge nach miami, ah hilfe, komm sofort wiede her sonst bist du nix dabei du feeeehlst, wo bist du!!!“

Du bist blass im Gesicht und du spürst es. Viel zu still im Zimmer. Viel zu spät. Es ist elf Uhr morgens. Du hast es verpasst und kannst nichts mehr daran ändern. Sieben Stunden zu spät. Du hättest nicht gehen dürfen, und hast es doch getan und dich sogar gut dabei gefühlt und konsequent, weil du die FOMO nämlich eiskalt besiegt hattest. Aber es war falsch, sie zu bekämpfen, und dumm. Und jetzt sind alle mit Mike Tyson befreundet und fliegen nach Miami, außer dir. Denn du hast geschlafen.

Und dann tippst du ganz langsam eine Antwort in dein Handy. „Ich hab geschlafen“. Löscht es. Schreibst: „Oh neinnnnnnn“. Löscht es. Schreibst: „xhduzdzfueruffvjfbjrjrbjbf“. Löscht es. Und dann fällst du nach hinten um und stapelst alle drei Kissen auf dein Gesicht und beschließt, ja, was beschließt du? Es gibt nichts mehr zu beschließen. Das Schlimmste, was einem chronischen FOMO-Erkrankten passieren kann, ist eingetreten: Der FOMO-Supergau, alias PFSD, Post Fomatic Stress Disorder.
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