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IS-Kämpfer wider Wissen

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Wenn man bestohlen wird, macht man sich meistens auch, zumindest kurz, Gedanken über das Verbleiben der eigenen Sachen. "Guckt sich der Dieb jetzt die Bilder auf meinem iPhone an?", "Was versucht der jetzt mit meiner Kreditkarte zu bezahlen?". Solche Sachen. Meistens schiebt man den Gedanken aber schnell beiseite. Materielles ist ja ersetzbar, nicht die Aufregng wert. Und dann kommt so eine Geschichte wie die von Sam Neher, die Buzzfeed jetzt rekonstruiert hat.

Sam ist eigentlich ein amerikanischer Medizinstudent. Vergangenen Winter machte der damals 25-Jährige mit seiner Freundin einen Kurztrip nach Istanbul - und wurde dabei bestohlen. Sein Pass war weg - ärgerlich, aber auch keine Riesensache. Die amerikanische Botschaft stellte ihm zumindest schnell einen Ersatzausweis aus und so reiste Sam im Januar problemlos zurück nach Michigan.

[plugin imagelink link="http://ak-hdl.buzzfed.com/static/2015-05/18/14/enhanced/webdr04/longform-original-31289-1431975481-3.jpg" imagesrc="http://ak-hdl.buzzfed.com/static/2015-05/18/14/enhanced/webdr04/longform-original-31289-1431975481-3.jpg"] Die Geschichte von Sams Pass zeigt, was eine westliche Identität mittlerweile wert ist

Die Geschichte ist hier allerdings nicht zu Ende. Was für Sam nämlich einfach nur ein Stück Papier war, hat das Leben eines anderen jungen Mannes verändert. Sams Pass landet nicht in irgendeinem Papierkorb, sondern in den Händen von Schmugglern, die von Istanbul aus arbeiten. Das Geschäft mit ausländischen Pässen boomt, die gestohlenen Dokumente werden gescannt und dann mit den Gesichtern syrischer Flüchtlinge abgeglichen. Findet sich ein Doppelgänger, kann dieser gegen sehr viel Geld mit dem Pass nach Europa oder die USA reisen und dort, so die Theorie, ein neues Leben beginnen.

Sams Pass wurde eigentlich auch für diese Bestimmung gestohlen. Allerdings hat sich bisher noch kein Doppelgänger gefunden. Und so wurden andere, clevere Wege gesucht, damit Geld zu machen. Zum Beispiel, in dem man das Dokument Journalisten verkauft, die eine gute Story suchen.

So behauptete ein junger Ex-IS-Kämpfer gegenüber Journalisten (und wer weiß wem noch), in einem der IS-Hauptquartiere Fotos von den Pässen der Kämpfer gemacht zu haben. Es seien auch viele Amerikaner darunter gewesen Zur Anfütterung der Journalisten zeigt er ein Bild auf seinem Handy - es ist ein Foto von Sams Pass. Ein amerikanischer Dschihadist - das ist wirklich eine gute Story.

Zum Glück gibt es allerdings Google. Über Facebook und Sams Mailadresse von der Uni konnte der Journalist schnell rausfinden, dass der 25-Jährige nicht beim IS sondern in Michigan sitzt. Konfrontiert mit den IS-Vorwürfen, fiel der natürlich erstmal vom Stuhl. Immerhin: Es hat nicht gleich der Geheimdienst bei Sam zu Hause die Tür eingetreten.

Der Pass liegt jetzt übrigens immer noch bei den Schmugglern in Syrien - Fortsetzung folgt.

charlotte-haunhorst

Das News-Problem

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Ist jetzt schon etwas länger her, da gab es beruflich Erfreuliches. Was mit Aufstieg und Geld, vor allem aber etwas, das Anerkennung für Geleistetes signalisierte. Ich freute mich jedenfalls sehr drüber und ein bisschen stolz war ich vielleicht auch, und als Freundin T. dann am Telefon war, wollte ich ihr davon erzählen. Aber T. hatte gerade wenig Zeit und weil wir eh ein paar Tage später verabredetet waren, sagte ich nur etwas wie: „Da freue ich mich aber. Wir haben uns ja auch länger nicht gesehen, und es gibt auch was zu erzählen.“




"So, so, es gibt was zu erzälen? Na wenn ich da mal nix merke ..."

Und interessant ist jetzt die Antwort: So etwas wie „So, so“ nämlich, oder vielleicht auch „Oh, ho“, genau konnte ich’s nicht verstehen, aber das war auch egal, denn wichtiger war eh der Subtext. Man konnte das Augurenlächeln ja förmlich durchs Telefon hören und den Subtext dahinter. Und der lautete: „So, so, wenn ich da mal nix merke, zwinker, zwinker. Aber ich tue trotzdem überrascht, wenn du mir erzählst, dass ihr schwanger seid.“ Also sagte ich: „Nein, tut mir leid, nicht schwanger.“ Und T. sagte: „Ach so.“ Und da war kein Subtext. Nur Enttäuschung. Und ein bisschen Langeweile.

Noch etwas länger her, da gab es privat Erfreuliches: Die Frau, die ich gut kenne, und ich, wir renovierten gerade die Wohnung. Ganz schön grundlegend. Ganz schön lang auch und wir waren endlich in den Endzügen, als Freund W. anrief, aus der mittelhessischen Provinz, um einen Besuch zu verkünden. Ich sagte also: „Cool, hier verändert sich gerade eh sehr viel, dann siehst du das gleich direkt, bevor ich dir lange davon erzähle.“

Und wieder selbes Spiel: Augurenlächeln durchs Telefon und „So, so“ oder „Oh, ho“ und Beschwichtigung von meiner Seite – nein, nein, die Wohnung, einfach so, weil’s geil ist. Die subtextlose Enttäuschung von W. passte in die zwei Wörter „Ah, okay.“

Natürlich ist das auch ein Altersphänomen. Irgendwann haben alle Kinder. Und alle, die Kinder haben, halten das für das größte (eigentlich einzige) Glück. Und die meisten halten es auch auf unbestimmte Zeit für das größte (eigentlich einzige) Thema. Und man muss das natürlich verstehen. Das ist ja bestimmt auch aufregend und richtig. Und nur, damit das ganz, ganz deutlich ist: Ich liebe T. und W.! Innig und heiß! Und ihre Kinder, die liebe ich auch. Aber diese „Ach so“s und „Ah, okay“s, die sind, mit Verlaub, eine Anmaßung, dass ich sie an die Wand klatschen könnte (nicht die Kinder).

"Wir transzendieren ja momentan eher. Wir haben ja ein Kind."


Weil sich hinter der Enttäuschung, so lieb sie natürlich gemeint ist (man will sich ja nur ganz doll mit dem anderen freuen), eben auch eine Norm versteckt. Und weil die besagt, dass es irgendwann wenigstens eine Zeitlang keine erzählenswerten Neuigkeiten mehr gibt, die nicht mit Nachwuchs oder Ringtausch zu tun haben. Weil es auch sagt: „Ach, du erfreust dich noch an Weltlichem – Karriere, neuen Küchen, einer Couch? Da haben wir gerade wenig Kontakt zu. Wir transzendieren ja momentan eher. Wir haben ja ein Kind.“

Das macht andere Leidenschaften klein. Es lässt sie weniger wert erscheinen – vielleicht sogar nutzlos. Und deshalb soll hier auch tatsächlich mal ein echter, etwas wütender Appell stehen: Hört auf damit! Meine herausgerissene Wand und die loftige Küche, für die sie Platz gemacht hat, sind für mich genauso wichtig, wie der erste Milchzahn eures Kindes für euch. Behandelt die Nachricht so!

Als ich übrigens vor ein paar Tagen D. erzählen wollte, dass ich gerade einen großen Text in einem großen Ressort einer großen Zeitung untergebracht habe, mit Lob und Folgeauftrag und etwas Stolz auch wieder, da sparte ich mir das Spiel gleich: „Freue mich auf heute Abend“, sagte ich, „es gibt nämlich weder Kind noch Hochzeit und trotzdem habe ich ein paar schöne Sachen zu erzählen. Beruflich!“ D. war nur kurz irritiert, dann sagte er: „Den Text im Feuilleton meinst du? Habe ich gelesen! Bockstark. Gratuliere.“ Und dann sagte er noch, dass er sich sehr für mich freue. Und dass er sein zweites Kind erwarte. Und dann haben wir uns abends ganz wunderbar betrunken.

Was Obama auf Twitter vorhat

Wächter oder Wichtigtuer?

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Die Vorlesungen des Berliner Politikprofessors Herfried Münkler an der Berliner Humboldt-Universität werden nicht nur von Studenten, sondern seit kurzem auch von Journalisten besucht. Grund ist das Watchblog Münkler-Watch, auf dem Studenten anonym seit Beginn des Sommersemesters jede Woche eine Zusammenfassung der Vorlesung „Politische Theorie und Ideengeschichte“ sowie „kritische Kommentare frei gewählter Versatzstücke aus der Vorlesung“ veröffentlichen.

Doch ist so ein Watchblog der richtige Weg, um eine Debatte zu starten? Dr. Christoph Neuberger von der LMU München sieht das kritisch. Der Kommunikationswissenschaftler forscht unter anderem über partizipative Medien.






jetzt.de: In Deutschland kennt man Watchblogs vor allem in den Bereichen Medien- und Unternehmenskritik, wie das Bildblog und Ein Topf voll Gold oder foodwatch.Wie sinnvoll ist ein Blog, das die Vorlesung eines Professors auseinandernimmt?
Christoph Neuberger: Es ist Aufgabe von Professoren, sich der Kritik und dem öffentlichen Diskurs zu stellen, das ist das Grundprinzip der Wissenschaft. Selbst wenn Herfried Münkler in der Vorlesung keine Wortmeldungen zulässt, wie behauptet wird, gibt andere Möglichkeiten zu diskutieren. Ein Seminar oder ein Podiumsgespräch etwa, zu dem er auch eingeladen hat. An den Hochschulen sollten wir inhaltliche Kritik fördern, aber in einer Form, in der man auch als Angegriffener gerne reagiert. Das ist hier von vornherein ausgeschlossen. Die Blogger unterstellen, dass es gar keinen Sinn macht, mit dem Mann zu diskutieren. Ihre Kritik ins Internet, an die große Öffentlichkeit, zu tragen, wirkt wie eine Bestrafung.

Ein Watchblog ist also nicht die richtige Form?
Würde ich nicht pauschal sagen. Nur die Art und Weise, wie es hier geschieht, ist in zweierlei Hinsicht schwierig. Zum einen wird nach Belegen gesucht, um ein schon vorgefasstes Urteil zu bestätigen. Die Offenheit, mit der man jeden Diskurs beginnen sollte, finde ich hier nicht. Zum anderen bleiben die Blogger anonym. Man weiß man gar nicht, mit wem man es zu tun hat, und das ist eine Grundvoraussetzung für eine öffentliche Diskussion: für das einzustehen, was man sagt.





Können anonyme Blogs überhaupt glaubwürdig sein?
Anonym kann man kaum für sein eigenes Wort einstehen. Um anonym Glaubwürdigkeit und Kompetenz auszustrahlen, muss man das durch die Performance ausgleichen: durch Ausgewogenheit in der Berichterstattung, durch eindeutige Belege, die beweisen, dass die Kritik berechtigt ist. Man muss dokumentieren, dass man Insider oder Experte ist in dem Bereich, über den man schreibt. Nur ganz wenigen ist das gelungen. Der Warblogger „Salam Pax“ zum Beispiel hat während des Irakkriegs aus Bagdad gebloggt und aus nachvollziehbaren Gründen seinen echten Namen nicht genannt. Durch die Art, wie er geschrieben hat, hat er enorme Glaubwürdigkeit und auch Resonanz erreicht. Man muss triftige Gründe dafür haben, anonym zu bleiben, das scheint mir im Fall von Münkler-Watch nicht gegeben zu sein.

Die Blogger schreiben, dass „Professor_innen viel mehr Macht“ haben und sie sich deshalb schützen müssen.
Es ist schade, dass jemand im akademischen Umfeld glaubt sich auf solche Notwehr-Argumente berufen zu müssen. Ich glaube, der Vorwurf der Feigheit hat durchaus seine Berechtigung, wie er jetzt auch in den Kommentaren auf dem Blog erhoben wird.

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Wie muss ein gutes Watchblog arbeiten?
Dieam besten gelungenen Watchblogs sind sehr faktenkonzentriert und dokumentieren Fehler oder Unstimmigkeiten bei Themen, zu denen der Einzelne als Laie sich ein Urteil fällen kann. Im Fall von Münkler-Watch wäre ich vorsichtig mit dem Begriff „Watchblog“. Der hat sich eingebürgert und wird immer benutzt, wenn wieder ein kritisches Blog auftaucht. Die Ursprungsidee war aber enger gefasst. Das Bildblog in seiner ursprünglichen Form hat sich ganz auf die Bild-Zeitung konzentriert und mit guten Belegen Faktenungenauigkeiten und Unstimmigkeiten nachgewiesen. Nachgewiesen, nicht im Rahmen einer Ideologie interpretiert.

Was können Watchblogs leisten?
Sie haben eine Archivfunktion. Wenn ein Fehler passiert, gerät er sehr schnell wieder in Vergessenheit. Über so ein Blog kann man vielleicht Häufungen oder Muster feststellen. Vor allem können diese Blogs aber denjenigen eine Stimme geben, die sich bisher nicht äußern konnten, die aber durchaus Kritisches und Wichtiges beitragen können. Konsumenten, Kunstfans und Sportinteressierte haben im Internet eine Stimme bekommen, die sie in der Vergangenheit nicht oder nur sehr begrenzt hatten. Durch die sozialen Medien werden Konsumerfahrungen ausgetauscht, Bürger melden sich im politischen und im Wirtschaftsbereich zu Wort. Jeder Empfänger kann zum Sender werden, so wie es sich Brecht und Enzensberger immer gewünscht haben. Über Randgruppen und Nischenthemen werden große Ungerechtigkeiten aufgedeckt und Gegenstimmen geschaffen, Insider decken Missstände auf. Mittlerweile lernen wir jedoch, dass das nicht nur Vorteile hat, sondern auch Gefahren birgt.

Inwiefern?
Die Pegida-Bewegung entstand zu einem großen Teil in den sozialen Medien. Blogs können hoch seriös betrieben werden, aber auch Pseudo-Watchblogs sein, wo es vor allem darum geht, jemanden schlecht zu machen. Was als Konsumkritik getarnt ist, kann von einem Konkurrenz-Unternehmen kommen.

"Dass die Betreiber diese Kommentare zulassen, in denen sie selbst in Frage gestellt werden, nötigt mir Respekt ab."


Und so werden Meinungen manipuliert?
Grundsätzlich ja. Ich beobachte das auf politischen Blogs. Im Pegida-Umfeld, speziell was diesen Lügenpresse-Vorwurf angeht, haben die Anhänger sich wechselseitig in ihren weiter ins Extreme driftenden Positionen bestätgt. Diese Gefahr sehe ich beim Münkler-Blog allerdings nicht. Wenn man sich die Kommentare durchliest, merkt man, dass es vielen ein Anliegen ist, da mitzureden. Kommentatoren, die die Münkler-Vorlesung kennen, vergleichen ihre Erfahrung mit dem, was auf dem Blog geschrieben wird. Dass die Betreiber diese Kommentare zulassen, in denen sie selbst in Frage gestellt werden, nötigt mir Respekt ab. So wird ein Gegengewicht geschaffen. Auch wenn es unangenehm ist, wenn man mit solchen Texten konfrontiert ist - ich denke, das muss man ertragen können.

Einfach aushalten also?
Alles, was nicht durch das Medienrecht und sonstige Gesetze reglementiert ist, sollte man aushalten können, ja. Das Internet sollte soweit wie möglich als Partizipationsraum erhalten bleiben und nicht durch irgendeine Instanz kontrolliert werden. Im Übrigen sind solche polemischen Kampagnen wie Münkler-Watch leicht zu durchschauen. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Selbst wenn das Internet nichts vergisst, in der riesigen Informationsflut geht Vieles unter. Es sind immer noch die klassischen Medien, die ein Thema groß machen. Wenn die nicht darüber berichtet hätten, wäre Münkler-Watch weitgehend spurlos an uns vorübergegangen.

Vibrator oder Liebe?

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Liebe und Sexspielzeug sollten sich ja nicht kategorisch ausschließen. Manche Menschen würden sogar argumentieren, beides ließe sich hervorragend verbinden. Wenn man aber die Aktivität in sozialen Netzwerken beobachtet, gibt es diesbezüglich klare Tendenzen. Wo die Menschen welchen Hashtag häufiger verwenden, hat eine Website jetzt in Infografiken zusammengengefasst – und dafür über eine Millionen geographisch getaggte Instagram-Posts aus den USA und Europa ausgewertet. Nun, liebes Deutschland, musst du dich entscheiden: Vibrator oder Liebe?  

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Wir haben uns natürlich für die Liebe entschieden, ist klar! Aber wer kommt denn da so sexbesessen daher? Ach, die Schweden und Finnen. Mit der Temperatur sinkt scheinbar auch das Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Liebe: Menschen in kalten Regionen sowohl der USA als auch Europas machen sich wohl besonders gerne mit Hilfsmitteln warme Gedanken. Vielleicht erklärt hier aber auch die Bevölkerungsdichte einen Mangel an Alternativen. In nordeuropäischen Vibratorenländern gibt es generell andere Prioritäten als Liebe und Ehe (die X-Box oder Einkaufen zum Beispiel).

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Andersrum dürfte man ja in heißen Regionen besonders viel Amore erwarten. Stimmt, überhaupt ist in Europa auf die Liebe zu zählen. Aber der Blick auf ein paar Flecken zeigt: Vielleicht spielen nicht nur Klima, sondern auch ökonomische Faktoren eine Rolle? In Spanien und Griechenland zumindest ist ein bisschen weniger Liebe, als in den Nachbarländern. Außer in Zypern. Dort hat man die Liebe vom Eurovision-Songcontest-Sieg noch etwas aufgespart.

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Auch sonst scheint es eine Verbindung von Geopraphie und Demographie zu Sex-Toy-Frequenz zu geben. In den USA sitzen die abgeklärtesten Dildo-Tagger, klar, in Carrie Bradshaws Heimatstaat New York. Aber auch Kalifornien oder Nevada haben über Sexspielzeug erstaunlich viel zu erzählen. Kalifornien, ein demokratischer Staat mit Großstädten wie L.A. und San Francisco und Nevada, naja, Wüste. Die sandige Version von schwedischer Einöde.

Völlig sinnlos, die Statistik? Aber hallo. Wir haben uns gerade mit den drei wichtigsten Säulen der Menschheit auseinandergesetzt: Liebe, Sex und Politik. Und damit ist doch wohl intellektuell für heute alles geleistet. Danke, Instagram!

Wie sinnvoll ist das Deutschlandstipendium?

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300 Euro monatlich können engagierte Studenten mit guten Noten bekommen, wenn sie sich für ein Deutschlandstipendium bewerben. 47 Millionen Euro gibt der Bund jährlich dazu, die andere Hälfte kommt von Wirtschaftsunternehmen oder Privatpersonen.



Bücher sind teuer. Und Stipendien deshalb wichtig. Das Deutschlandstipendium ist trotzdem umstritten.

Das Programm wird diese Woche fünf Jahre alt. Weshalb wieder die Debatten über Sinn oder Unsinn des Stipendiums laut wurden, die es seit seiner Geburtsstunde begleiten. Die Bundesregierung lobte am Dienstag erwartungsgemäß die Erfolge des Programms, die Grünen wollen am Donnerstag im Bundestag die Abschaffung des Deutschlandstipendiums beantragen. Wir haben uns die Argumente beider Seiten angehört.

Kai Gehring ist Grünen-Abgeordneter im Bundestag und will das Deutschlandstipendium abschaffen.






"Nur 0,76% der Studierenden erhalten das Deutschlandstipendium. Gemessen an 2,7 Millionen Studierenden und den Zielen der Regierung ist es ein Flop und Ladenhüter. Für den einzelnen Geförderten ist das Deutschlandstipendium gut, es trägt aber insgesamt nicht zur sozialen Durchlässigkeit bei. Die Schwächen des Deutschlandstipendiums liegen auf der Hand: Es leistet keinen Beitrag, um Jugendliche für ein Studium zu motivieren. Denn 93 Prozent der Geförderten des Jahres 2013 studierten bereits länger als ein Semester. Zur sozialen Öffnung der Hochschulen hat das Deutschlandstipendium messbar nichts beigetragen. Es fehlen aussagekräftige statistische Angaben zur sozialen Herkunft, zur Art der Studienberechtigung oder auch zum Migrationshintergrund. Anstatt Ladenhüter wie das Deutschlandstipendium aufrechtzuerhalten, muss es endlich darum gehen, die Studienfinanzierung zu stärken und am tatsächlichen Bedarf auszurichten.

Eine ordentliche BAföG-Erhöhung bringt Studierenden, deren Eltern nicht studiert haben, viel mehr. Sie ist aber unzureichend und hängt in der Warteschleife. Auch Stipendienangebote von Flüchtlingen wollen wir dringend aufstocken, weil Tausende ohne Studienförderung bleiben. Für die Hochschulen bringt die Stipendienakquise einen hohen Aufwand mit sich, den der Bund nur zum Teil ersetzt. Auch beim Bund sind die Verwaltungskosten für das Deutschlandstipendium hoch, was bereits den Bundesrechnungshof auf den Plan gerufen hat. 2011 gingen nur etwas mehr als die Hälfte der Mittel für das Deutschlandstipendium tatsächlich an die Studierenden.





Nachgehen muss die Bundesregierung Hinweisen über versuchte Einflussnahmen von Unternehmen. Im Stipendienprogramm-Gesetz heißt es zwar, ich zitiere: „Das Stipendium darf weder von einer Gegenleistung für den privaten Mittelgeber noch von einer Arbeitnehmertätigkeit oder einer Absichtserklärung hinsichtlich einer späteren Arbeitnehmertätigkeit abhängig gemacht werden.“ In der Praxis scheint das aber anders zu sein, das zeigen Berichte. Mancherorts muss ein Stifter nur den Namen des Wunschkandidaten übermitteln und der Weg zur staatlichen Kofinanzierung ist frei. Die kurze Förderdauer des Deutschlandstipendiums von maximal zwei Semestern dürfte bei geförderten Studierenden einen Druck nach Wohlverhalten gegenüber dem Stifter auslösen, um eine Weiterförderung nicht zu gefährden. Wir finden: Zentrales Auswahlkriterium muss die individuelle Leistung der Bewerberin oder des Bewerbers sein – und die Umstände, in der sie erbracht wurde. Wirtschaftsverbände haben im letzten Jahrzehnt immer wieder angekündigt, Stipendien-Programme in Eigenregie aufzulegen. Dann sollen sie das auch tun. Sie können das Deutschlandstipendium in Eigenregie weiterführen. Das muss die öffentliche Hand nicht mit 47 Millionen Euro subventionieren, während die Mittel anderswo fehlen."

>> Warum sie das Deutschlandstipendium für eine super Sache hält, erklärt die CDU-Abgeordnete Sybille Benning
[seitenumbruch]

Sybille Benning ist CDU-Abgeordnete im Bundestag und setzt sich für das Deutschlandstipendium ein





"Das Deutschlandstipendium steht Studierenden aller Fachsemester und Fachrichtungen offen. Es hilft Studierenden, ihr soziales Engagement und ihr Studium gut zu vereinbaren. So unterstützt es junge Persönlichkeiten, die sich zu einem Studium entschlossen haben. Es geht nicht um die Motivation zum Studium an sich, sondern um die Motivation, Wissenserwerb und Engagement zu verbinden. Das Deutschlandstipendium etabliert eine völlig neue Stipendienkultur in Deutschland, mit neuen Strukturen zwischen Hochschule, Zivilgesellschaft und Unternehmen. Natürlich gibt es Verwaltungskosten. Viel ist in den ersten Jahren in den Aufbau neuer Strukturen geflossen, aber die stehen nun, so dass sich der Aufwand hier stetig verringert. Weil auch öffentliche Mittel vergeben werden, muss es Verfahren geben, die die Mittelvergabe nachvollziehbar machen.

Im Gegensatz zum Bafög ist die Förderung des Deutschlandstipendiums nicht nur an das Einkommen geknüpft. Es würdigt verschiedene Aspekte, darunter die fachliche Leistung, gesellschaftliches Engagement sowie besondere Leistungen auf dem individuellen Lebensweg. Viele Stipendiaten sind die ersten Akademiker in ihren Familien oder haben einen Migrationshintergrund oder kümmern sich um Familienangehörige. Dass diese sogenannten weichen Kriterien eine große Rolle spielen, ist gerade die Stärke dieses Stipendiums. Es stimmt nicht, dass Spender direkten Einfluss auf die Auswahl nehmen können. Sie können den Fachbereich bestimmen, sie bestimmen aber nicht den Stipendiaten; das Matching steuert die Hochschule selbst. Da ein Großteil der Gelder fachunabhängig gegeben wird, sorgen die Hochschulen nach Möglichkeit dafür, dass alle Fachbereiche bedacht werden. Durch das Deutschlandstipendium fließen Mittel, die den Universitäten bislang gar nicht zur Verfügung standen. Damit werden vor allem neue Spielräume für die Förderung besonders qualifizierter Studierender geschaffen. Ich sehe das durchweg positiv."

Kokosmilch statt Kaffee

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Im Grunde ist das Arbeiten im Ausland ja nichts Neues. Die fixe Idee von "Work and Travel" etwa treibt viele junge Menschen nach der Schule nach Neuseeland oder Kanada. Nur, dass man da dann eher Kiwis pflückt oder auf einer Farm aushilft. Was ja auch völlig okay ist, denn eigentlich geht es eher darum, im Wochentakt neue Leute kennenzulernen und sich im Hostel mit unbekanntem Bier zu betrinken.





Wenn man dann aber langsam im echten Leben angekommen ist und nach dem Studium einen echten Job hat und dafür täglich acht Stunden in einem schlimmstenfalls fast fensterlosen Betonklotz in Bielefeld verbringt, dann kann es vorkommen, dass man sich wehmütig an die Kiwipflückerei erinnert. Und sich denkt: noch mal Reisen, jaja. Das wär’s jetzt.

Gleichzeitig ist einem aber klar, dass die Hilfsarbeiten, mit denen man sich damals sein Billigbier verdient hat, heute nicht mehr infrage kommen. Weil man sich ja irgendwie weiterentwickelt hat. Weil man an den Aufgaben gewachsen ist, die man täglich im Job vorgesetzt bekommt. Und weil die Arbeit ja im besten Fall nicht nur Mittel zum gefüllten Konto ist, sondern auch ein Stück Selbstverwirklichung.

Genau für diese Art Ansprüche hat die Estländerin Karoli Hindriks im Herbst 2014 ein Unternehmen gegründet: Jobbatical. Die Bezeichnung selbst ist eine Mischung aus den Worten Job und Sabbatical; Letzteres bezeichnet eine vom Arbeitgeber unterstützte Auszeit vom Job. Hindriks’ Online-Plattform bietet aktuell knapp 250 Angebote aus fast 40 Ländern an. Viele davon sind auf IT-Spezialisten zugeschnitten – Programmieren lässt es sich schließlich auch vom Strand aus, solange es dort Wlan und Strom gibt. Aber auch Marketing-Experten, Manager und Designer werden für Zeiträume zwischen drei und zwölf Monaten gesucht.

Was sind das für Unternehmen, die erfahrene Mitarbeiter für eine derart kurze Zeit aus dem Ausland anheuern? Viele davon sind Start-Ups und haben ihren Sitz in den weniger entwickelten Ländern: Die meisten Angebote kommen aus Singapur, aber auch Indonesien und Thailand bieten viele Arbeitsstellen. Das bietet für beide Seiten natürlich entscheidende Vorteile: Die Unternehmen bekommen die qualifizierten Fachkräfte, die im eigenen Land womöglich schwer zu finden sind und die Arbeitnehmer arbeiten im Gegenzug an den Traumstränden Südostasiens.

Das Gehalt, das für die Arbeit im Ausland gezahlt wird, ist zwar oft niedriger als das, was man zu Hause mit der gleichen Arbeit verdienen würde, allerdings werden die Kosten für Unterkunft, Sprachkurse und Verpflegung meist vom Unternehmen getragen. Manchmal besteht sogar die Möglickeit, nach dem Jobbatical unbefristet übernommen zu werden. Der Job daheim muss aber nicht zwangsweise gekündigt werden. Oft kann man eine solche Auszeit mit dem Arbeitgeber absprechen und ein Jahr später etwa in den Bielefelder Betonklotz zurückkehren.

Mag sein, dass das Jobbatical unsere Lust auf Abenteuer mit unserem heimlich gehegten Bedürnis nach Sicherheit vereinbart. Klingt natürlich erstmal super, ein Jahr lang Reisen und Feiern und Lesen und Schlafen. Aber so ganz ohne Geldverdienen? So ganz ohne tägliche Routine? Hm.

Vielleicht hat der Erfolg dieses Prinzips auch etwas mit dem so eifrig besungenen Prinizp der Work-Life-Balance zu tun: Zu einem erfüllten Leben gehört eben auch ein erfüllender Job. Und wenn der dann auch noch an einem Ort erledigt wird, der nach Urlaubskatalog aussieht, dann ist das Jahr perfekt. Würde sowieso bestimmt ganz schnell langweilig, dieses Rumgelunger.

Venus in der U-Bahn

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Warten an der Bushalte. Knutschen auf der Parkbank. Straßenmusiker in der Unterführung. Alles ziemlich normal im 21. Jahrhundert. Nicht für den ukrainischen Künstler Alexey Kondakov. Er mixt aktuelle Fotos aus Kiew mit alten Meisterwerken. Die Gemälde kommen von Künstlern wie Francesco Furini, Caravaggio und Hans Holbein dem Jüngeren. Die Photos und die Collagen macht Kondakov selbst. 

Darauf sind zum Beispiel Holbeins „Gesandte“ zu sehen, die statt in einem bürgerlichen Herrenhaus in einer schäbigen Bar sitzen; göttergleiche Figuren, die in einer Unterführung tanzen oder sich in der Tram necken und eine barbusige Madonna, die nachdenklich in einem Imbiss wartet.

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Die Figuren der klassischen Bilder sind genauso vertraut, wie die alltäglichen Orte, die Kondakov fotografiert. Die Kombination der beiden ist es, die surreal wirkt. Schon weil die meisten der Figuren normalerweise eher über den Wolken schweben, als in der Unterführung zu klimpern. Wie im Titel „ The Daily Life Of Gods“ angekündigt, zeigt Kondakov genau das: wo Götter, Nymphen und Engel im 21. Jahrhundert ihren Alltag meistern würden. Herkules und Hera, die auf einer Parkbank knutschen - wo auch sonst? Die Bilder beflügeln die Fantasie: Plötzlich kann man sich Dionysos als Gangster an der Straßenecke vorstellen und Venus, die Einkäufe nach Hause bringt.

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Warum nicht mal die Großen von damals in die Tristesse von heute einladen, dachte sich Kondakov. „In meinem Projekt geht es um das Leben“, sagt er. Über den sozialen Charakter seiner Bilder will er allerdings nicht sprechen. Dass man darüber schmunzeln kann, wie lebendig die Renaissance auf einmal wird, ist vielleicht auch schon genug.

"Es könnte wieder kippen"

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Eine rassistische Aussage in einem Schulaufsatz. Ein Lehrer, der mit der eigenen Courage hadert. Eine Klasse, die rebelliert. Ein toter Schüler. Und die Frage: Wenn es wirklich einen Gott gibt, wie kann er nur so ein Arsch sein?


Im Roman „Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth von 1937 steht alles im Zeichen des Wandels der Gesellschaft, des ethischen und moralischen Verfalls und der stärker werdenden Naziideologie. In einer Inszenierung des Stücks im neuen Münchner Zwischennutzungsprojekt „BieBie“ überprüft der junge Regisseur Manuel Braun die Geschichte auf ihre Aktualität. jetzt.de hat mit ihm nach der ersten Aufführung gesprochen.

jetzt.de: Manuel, du kommst direkt aus deiner Premiere. Wie lief‘s?
Manuel Braun: Sehr gut, ich bin 8.000 Kilo leichter. Es war ein ziemlich langer Weg. Vor allem das Bespielen einer Zwischennutzung ist natürlich aufregend. Vor fünf Monaten war das “BieBie” noch eine alte Druckerei. Da musste umgebaut werden, wobei es immer Zeitverzögerungen gibt, und in dem ganzen Chaos soll man dann inszenieren. Aber es war eine Punktlandung heute.

Aber hat sich das “BieBie” als Location bewährt?
Auf jeden Fall. Die Schauspieler haben sich total gefreut, auch mal aus dem Volkstheater rauszukommen und sich quasi neues Terrain zu eigen zu machen. Für das Stück selbst war der Ort perfekt. Bei Horváth ist immer wieder die Rede von einem stillgelegten Sägewerk, daraus haben wir eben eine alte Druckerei gemacht. Das Motiv steht im Stück dafür, dass sich die Zeiten ändern und die Menschen Angst vor der Überfremdung haben. Und so nah an der Bayernkaserne, in der ja in München Flüchtlinge untergebracht sind, zeigt sich ganz klar, welche aktuelle Relevanz in diesem Stück aus den 1930ern steckt.





In einer Inszenierung im vergangenen Jahr hast du schon Sophokles‘ “Antigone” in die Neuzeit versetzt. Und jetzt „Jugend ohne Gott“. Worin liegt für dich der Reiz, diese alten Werke neu zu interpretieren?
Für mich geht es beim Theater immer um den Bezug zu unserer Zeit. Und den gibt es bei Horváth, wenn man sich zum Beispiel Bewegungen wie Pegida anschaut. Wir leben in Zeiten, in denen es wieder drohen könnte zu kippen. Und ein Satz aus dem Stück wie „Unten marschieren die Jungs und Mädels, die sich vor den Fremden fürchten“, kriegt da eine ganz zeitgemäße Bedeutung.

Gab es Punkte, an denen du gemerkt hast, dass es aber eben doch andere Zeiten waren, als das Stück entstand?
Ja, es spielt zum Teil in einem „Zeltlager“, Drilllager würde man heute wohl eher sagen. Sehr Hitlerjugend eben. Das kennen wir so zum Glück nicht mehr.

Der Teil ist für das Originalstück ziemlich wichtig, wie habt ihr das umgesetzt?
Wichtig ist ja vor allem das Mädchen der dort eindringenden Räuberbande, mit dem sich der Lehrer solidarisiert. Im Roman ist die Rede von einer Höhle, in der sie wohnt. Ich habe ihrer Figur den Bezug zu einem Flüchtlingsboot wie vor Lampedusa gegeben.



Lustige Stoffe sind nicht sein Ding: Manuel Braun.

In „Jugend ohne Gott“, geht es aber nicht nur um Fremdenfeindlichkeit, sondern zu großen Teilen auch – wie der Name schon sagt – um Gott. Ist das denn auch noch so zeitgemäß?
Ich denke, diese Fragen stellt man sich doch immer: Gibt es einen Gott? Und wenn ja, wie kann er all diese Ungerechtigkeit zulassen. Der Unterschied in unserer Inszenierung ist allerdings, ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, dass Gott am Ende nicht die Antwort auf alles ist.

Du suchst dir für deine Stücke ja echt die harten Themen aus: bei “Antigone” waren es der Irak-Krieg und der Umgang mit Whistleblowern, diesmal sind es Flüchtlinge und Rassismus. Hast du nicht mal Lust auf ein einfaches Thema? Vielleicht mal eine Komödie?
Oh ja, an manchen Tagen gerne, das würde einiges leichter machen. Aber ich glaube, Lustig kann ich nicht. Das reizt mich einfach nicht. Ich brauche Themen, die mich wirklich beschäftigen.


Weitere Aufführungstermine: Mo, 01.06.2015, Do, 04.06.2015, Fr, 05.06.2015, Mi, 24.06.2015, je 20:00 Uhr, im BieBie in München

Falscher Wet-T-Shirt-Feminismus

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Werden momentan als neue Feministinnen gefeiert: Charlize Theron (links) im neuen Mad-Max-Film und Taylor Swift im Videoclip zu "Bad Blood"

Szene 1:
Eine Frau mit einem Roboterarm und schwarzem Ruß im Gesicht steuert einen Truck durch die Wüste. Hinten drin versteckt: fünf junge Frauen in weißen Gewändern. Sie sind auf der Flucht vor einer Horde Männer, die mit ihrer rohen Gewalttätigkeit ihre Welt zugrunde gerichtet haben. Die Frau mit dem Roboterarm ist kampfbereit. In den kommenden 110 Minuten wird sie zahlreiche Typen vermöbeln, den Truck (der mit Muttermilch gefüllt ist!) reparieren und den einzigen netten Mann in dieser Wüste nicht küssen. Und das ist, wenn man zumindest zahlreichen Filmkritikern glaubt, Feminismus in seiner reinsten Form. Feminismus, wie man ihn im Jahr 2015 abfeiert und damit auch den Film, "Mad Max: Fury Road", und Charlize Theron, die Roboterarmfrau.

http://www.youtube.com/watch?v=KELy4064dHw

Szene 2: Taylor Swift steht in einem Latex-Kostüm in einem Büro und prügelt sich. Erst mit Männern, dann mit einer schwarzhaarigen Frau. Allerdings fällt sie dabei aus dem Fenster, woraufhin sie gemeinsam mit ihren Amazonen-Kolleginnen noch härter trainiert. Die tragen übrigens auch enge Latexkostüme, bis auf Lena Dunham, die nur an einer sehr großen Zigarre zieht. Was ist das? Auch Feminismus, rufen die Kritiker. Schließlich ist Lena Dunham dabei. Und sowieso – Taylor Swift, die von der Maxim jetzt zur heißesten Frau des Jahres gewählt wurde und das, nach Aussage des Magazins, auch weil sie klug ist. Superfeministin!

An dieser Stelle möchte ich unironisch festhalten: Ich bin Taylor-Swift-Fan. Der gerade erschienene Song „Bad Blood“ mit besagtem Video? Knallt! Pop in Reinform. Auch Charlize Theron finde ich toll. Aber es überrascht mich, wie leicht heute etwas, das irgendwie badass oder einfach nur das Gegenteil von Geschlechter-Klischee ist, automatisch als frauenpolitisches Statement durchgeht.

Denn bei dem Hype um Swift und Theron feiern die Kritiker nicht den Feminismus. Der Begriff steht für Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und das Ende von Sexismus – und damit des männlich bestimmten Blicks auf die Frau. Aber genau das tun die Kritiker: Sie feiern, dass Frauen "Männerdinge" tun: Sich prügeln, Trucks reparieren und Waffen abfeuern.





Gleichzeitig ignorieren sie dabei völlig, dass Swift, Theron und ihre Entourage für ein männliches Publikum inszeniert wurden: Im Taylor-Swift-Clip (der von einem Mann gedreht wurde) treten fast alle Frauen halbnackt auf. Das machen sie lustvoll und selbstbewusst - eine politische Message steckt aber nicht dahinter. Kendrick Lamar, der in dem Video als einziger Mann vorkommt, der nicht verhauen wird, darf übrigens angezogen bleiben.

Für den versierten Filmkritiker mag das ironisch sein, für den gewöhnlichen männlichen Kinobesucher sind es - Titten.


Und auch Mad Max bleibt pseudo-feministisch: So schlau die Botschaft von der Überlegenheit des weiblichen Prinzips auch sein mag, rein oberflächlich ist der Film eine Testosteron-Schlacht, garniert mit sexy Leckerbissen. Was machen die fünf geflohenen Grazien in ihrer ersten Szene? Sie spritzen ihre weißen Gewänder mit einem Wasserschlauch ab, was sie, jep, durchsichtig macht. Das mag für den versierten Filmkritiker ironisch sein, für den gewöhnlichen männlichen Kinobesucher sind es - Titten.

Woher kommt es also, dass momentan jede starke Frau direkt den "Sie ist übrigens auch Feministin"-Orden verliehen bekommt? Die Videos und Filme wären ja nicht schlechter, würde man sie einfach als gutgemachte Popkultur einordnen.

Vielleicht steckt dahinter ganz einfach Angst. Angst der Ordenverleiher davor, dass der Feminismus in Vergessenheit gerät, wenn man ihn nicht verjüngt. Und dass eine supercoole Feministin, halb Typ, halb Latexkostüm, das Thema auch wieder für junge Menschen (auch Männer) attraktiv macht. Nach dem Motto „Schaut her, als Feministin müsst ihr gar keine lila Latzenhosen tragen und verbittert sein“.

Aber mit dieser Haltung unterschätzen all die hysterischen Hurra-Rufer die jüngere Generation. Wir sind gar nicht so doof. Wir wissen sehr genau, dass unsere jetzige Gesellschaft für Frauen nicht immer fair ist und es an uns liegt, etwas dagegen zu tun. Dafür brauchen wir keine Taylor Swift als Identifikationsfigur und müssen auch keinen Tank mit Muttermilch durch die Wüste fahren. Wobei - würde eine Frau sich jetzt tatsächlich an der feministischen Taylor Swift ein Beispiel nehmen und bei der nächsten Gehaltsverhandlung im Latexanzug auf den Tisch des Chefs springen - da würde ich schon gerne zusehen.


Gesucht wegen Verbrechen gegen die Musik

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Wir dachten ja eigentlich, jeder hätte inzwischen jeden Witz über Nickelback gemacht. Dass die Kanadier als weithin meistgehasste Band der Welt ein zu einfaches Ziel sind, um noch weiter draufzudreschen. Dass es also wirklich an der Zeit wäre, die armen Jungs in Frieden zu lassen.

Aber dann haben wir gemerkt: Stimmt gar nicht! Weil: Ganz unten bist du ja erst, wenn selbst staatliche Autoritäten sich über dich lustig machen. Im Fall von Nickelback also genau: jetzt! Denn anlässlich eines Konzertes der Band twitterten Beamte der Pressestelle des Queensland Police Service diese dringende Polizeiwarnung:

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"Gesucht wegen Verbrechen gegen die Musik"

Und damit dürfte das Thema dann nun wirklich durch sein. Und uns bleibt höchsten noch, einmal mehr das zweitlustigste Polizei-Presseabteilungsbild der Welt zu teilen:

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An Wagen wie diesen

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Die Schwabinger Mutter




Das fährt sie: Einen SUV, in dem sie sehr elegant, wenn auch etwas verloren aussieht. Ob es ein so großes Auto in der Stadt braucht? Also bitte! Die Kinder müssen sicher transportiert werden, am Kurfürstenplatz ist es schnell sehr matschig und vom Luitpoldhügel kommt leicht mal eine Gerölllawine runter. Auf der Heckscheibe des Autos: Sticker mit den Namen der Kinder, in den vergangenen Jahren wieder verstärkt Leopold, Ludwig oder Klara.
 
So sieht man sie: Meist in den Nebenstraßen, in denen die Gymnasien oder Kindertagesstätten sowie Tanz- und Musikschulen der Kinder liegen. Im Auto: Kindersitz, Kinderwagen und eine Sonnenblende mit Disney-Motiv im Fenster. Dazu je nach Begabung von Leopold, Ludwig, Klara Musikinstrumente (mit Glück: Geige; mit Pech: Cello; mit viel Pech: Vibrafon) oder Sportausrüstung (mit Glück: Ballett; mit Pech: Golf; mit viel Pech: Motocross). Dazwischen die Besorgungen des Tages: kein Bier, Ingwer, ein Monatsvorrat Quinoa und viel stilles Wasser in Glasflaschen.
 
Wenn die Polizei sie anhält . . .
. . . überlegt der Beamte kurz, mit ihr zu flirten, sieht dann aber den Ehering. Also holt er sich ein paar Ernährungstipps und lässt sich erklären, was dieses Quinoa ist. Und die Kinder auf der Rückbank sind ja auch so lieb, mei, „Hallo“ und„Griaß eich!“
 
Und dann . . .
. . . hat er völlig vergessen, warum er sie angehalten hat.
 
Die Tram nimmt sie nur, wenn . . .
. . . es gar nicht anders geht. Mit der Tram hat sie gebrochen, seit sie einmal mit dem Kinderwagen einsteigen musste, um die Oma in der Au zu besuchen. Das Kleine hat die ganze Strecke vom Sendlinger Tor bis zum Mariahilfplatz durchgeweint, weil’s in der 17 so gedrängt war, und die Tram in der Müllerstraße permanent rumgeklingelt und es damit geweckt hat.
 
Das macht sie, wenn sie plötzlich ein Radler kreuzt:
Sie kriegt einen Schreck, weil sie im Kopf gerade die ganzen Besorgungen des Tages durchgegangen ist und dabei gemerkt hat, dass das Tönungsshampoo fehlt. Sie schüttelt verständnislos ihre naturblonde Mähne und fährt dann – energisch – wieder an.

>>> "Mietpreisbremse, my Ass!" - Der Geschäftsmann
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Der Geschäftsmann






Das fährt er:
Einen Dienstwagen – schick, dunkel, Audi, silbergerahmte Fenstereinfassungen, auswertiges Kennzeichen (S, B, HH, Ritterschlag: F). Meist telefoniert er über die Freisprecheinrichtung. Des Lippenlesens mächtige Menschen können die Fetzen „consulting“, „Mietpreisbremse my ass“ und „mia san mia“ erkennen.
 
So sieht man ihn: Vor allem zu Stoßzeiten. An hohen Feiertagen (Weihnachten, Valentinstag) fährt er zum Geschenke-Kaufen in die Maximilianstraße und ist jedes Mal erstaunt, dass er dort nichts für seinen vierjährigen Sohn findet. Im Auto: nichts, außer einer Aktentasche. Vor wichtigen Terminen hängt ein zweiter tadelloser Anzug im rechten hinteren Fenster. Am stark taillierten Schnitt erkennt man, dass es sich bei dem Fahrer tatsächlich um einen Geschäftsmann und nicht etwa einen CSU-Abgeordneten handelt.
 
Wenn die Polizei ihn anhält . . .
. . . hebt er mahnend den Zeigefinger, um zu signalisieren, dass das Gespräch, das er gerade führt, wichtig ist – und durchaus noch dauern wird. Während die Polizisten die ohne Blickkontakt herausgereichten Papiere anschauen, fallen Sätze wie: „Natürlich wird das Bauland.“ Und: „Ja, das ist mit Horst abgeklärt.“
 
Und dann . . .
. . . darf er einfach weiterfahren. Im Dunkeln war für die Beamten nicht klar zu erkennen, wie tailliert der Anzug im hinteren Fenster ist, und ob man nicht doch einen CSU-Abgeordneten vor sich hatte.
 
Die Tram nimmt er nur, wenn . . .
. . . er ausländischen Geschäftspartnern ein authentisches München-Erlebnis bescheren will. Dann versucht er, mit einem Hunderter eine Streifenkarte zu ziehen. Wieder in ihrer Heimat erzählen die Gäste begeistert, dass man in München für die Öffentlichen nicht zahlen muss.
 
Das macht er, wenn ihn plötzlich ein Radler kreuzt:
Er lässt es zurückgehen, weil er ja einen verdammten Martini bestellt hat.

>>> Auf dem Rücksitz immer eine Tasche mit Dreckwäsche: Der Student aus dem Umland
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Der Student aus dem Umland






Das fährt er: Meistens einen Golf oder einen anderen Kleinwagen, den er zum achtzehnten Geburtstag bekommen hat. Gebraucht. Auf dem Nummernschild steht FS oder MB oder TS, dahinter lassen zwei Buchstaben auf die Initialen des Fahrers schließen, gefolgt von einer zweistelligen Zahl, die in den vergangenen Jahren in die hohen Neunziger geklettert ist, wodurch man selbst sich sehr alt vorkommt. Deshalb, und weil in der Heckscheibe tatsächlich „Abi ’14“ steht.
 
So sieht man ihn: Vor allem am Freitagnachmittag und dann vor allem auf dem Mittleren Ring in Richtung Süden beziehungsweise schon auf der Salzburger oder der Garmischer Autobahn. Auf dem Rücksitz: immer eine Sporttasche mit Dreckwäsche. Und meistens ein Kasten Bier, von dem niemand mehr weiß, wo er herkommt und warum man ihn nicht einfach mal in den Getränkemarkt (des Heimatortes) bringt.
 
Wenn die Polizei ihn anhält . . .
. . . gibt es das ganze Programm: Er muss aussteigen, man leuchtet ihm mit einer Taschenlampe in die Pupillen, er muss mit geschlossenen Augen mit dem Zeigefinger seine Nasenspitze treffen. Dann auf einem Bein das Alphabet rückwärts aufsagen. Weil er – wie jeder – nur bis „x“ kommt, wird sehr lange über einen Urintest diskutiert . . .
 
. . . und dann . . .
. . . wird er aus Kostengründen doch nicht gemacht. Der Student verabschiedet sich also mit einem erhobenen Daumen von den Beamten, atmet tief ein, parkt, kramt das Gras zwischen den Wäschebergen hervor, dreht sich einen, und atmet noch mal tief ein.
 
Die Tram nimmt er nur, wenn . . .
. . . das Wetter unter der Woche sehr schlecht ist und die U-Bahn, deren Fahrplan er inzwischen endlich versteht, nicht fährt.
 
Das macht er, wenn ihn plötzlich ein Radler kreuzt:
Er wundert sich, was der auf dem Mittleren Ring zu suchen hat. Dann grüßt er freundlich. Schließlich ist er an fünf Tagen in der Woche selbst ein die Verkehrsregeln sehr frei interpretierender Radler.

>>> Hübsch und frech: das Mini-Girl

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Das Mini-Girl






Das fährt es:
Einen Mini (schwarz oder grün-metallic), seltener einen Smart. Einfach, weil der hübsch und frech ist, genauso wie das Mädchen selbst. Und für den Stadtverkehr reicht so ein Auto ja eigentlich auch total. Das Mini-Girl kann außerhalb des Autos grundsätzlich alles machen – Jura studieren oder Medizin, bei Cos an der Kasse arbeiten oder CEO in einer Werbeagentur sein – innerhalb des Wagens bekommt es aber sofort eine Aura voll von Lipgloss und Katy-Perry-Hits, bei der das Hirn des Betrachters unweigerlich Sonnenbrille, Handy am Ohr und irgendeinen Armreif (Gold und/oder Glitzer) dazurechnet.
 
So sieht man es: Hauptsächlich in der Nähe von Fitnessstudios oder der Uni. Manchmal aber auch zum Shoppen in einer der Boutiquenstraßen in der Innenstadt. Das allerdings nur, wenn der Freund sich weigert, mit dem dunklen Audi-Dienstwagen in die Maximiliansstraße zu fahren: „Beim letzten Mal musste ich in zweiter Reihe parken und dann hat diese Trambahn minutenlang gebimmelt, weil sie nicht vorbeigekommen ist. Das mache ich in diesem Jahr nicht mehr mit!“ Im Auto: Alles, was sich auch in einer wohlsortierten Wohnung findet. Alles!
 
Wenn die Polizei es anhält . . .
. . . zupft es nervös am kleinen Finger und verspricht zerknirscht, die Musik in Zukunft etwas leiser zu machen und „wirklich, wirklich nie wieder am Steuer zu telefonieren“.
 
Und dann . . .
. . . bekommt es trotzdem einen Bußgeldbescheid. Einfach so. Hätte man nicht gedacht, gell?
 
Die Tram nimmt es nur, wenn . . .
. . . es abends noch was trinken will und danach wirklich überhaupt gar nicht mehr fahren können möchte. Aber es tut jedes Mal weh.
 
Das macht es, wenn es plötzlich ein Radler kreuzt:
Es nutzt die entstehende Pause, um sich mit Blick in den Rückspiegel die Strähne aus der Stirn zu streichen, woraufhin der Fahrradfahrer beinahe ohne Fremdeinwirkung vom Sattel fällt.

>>> "Eindeutig kirschgrün, die Ampel!" - Der urbayerische Taxler
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Der urbayerische Taxifahrer






Das fährt er:
Der urbayerische Taxifahrer fährt, natürlich . . . Mercedes – stets ausgestattet mit Ledersitzen und -geruch. Er hat aus Lokalpatriotismus auch mal eine Saison lang BMW probiert, aber der hat nicht die Laufruhe, die es braucht. Und beim Thema Fahrgefühl ist ihm das Hemd dann doch näher als die Hose.
   
So sieht man ihn:Überall. Wo genau, entscheidet der Fahrgast, hat dabei aber mit einigen Einschränkungen zu rechnen. Natürlich würde es einem Taxler mit Ehre nie einfallen, einen Umweg zu fahren, aber die Strecke mit den vielen roten Ampeln ist schon öfter mal dabei. Am Ende kommt man trotzdem immer wohlbehalten und irgendwie versöhnt am Zielort an. Im Auto: Kein Navi! Ein Münchner kennt sich aus in München. Er kennt jede Straße seiner Stadt wie die Tasche seiner abgetragenen Lederweste. Er ist eins mit ihr. Er ist die Stadt. Technik hat er noch nie gebraucht, und wenn ihm tatsächlich mal spontan eine Adresse entfällt, dann wird ein Kollege angefunkt, bei dem er sich in gutturalen und Brummlauten und damit für den Fahrgast nicht nachvollziehbar die benötigte Information holt.
 
Die Tram nimmt er nur, wenn . . .
So weit kommt’s noch!
 
Das macht er, wenn ihn plötzlich ein Radler kreuzt:
Er schnauzt ihn an, gibt im Leerlauf einige Male Gas und schüttelt verständnislos den Kopf. Je nach Charakter des beteiligten Radlers kann es zu minutenlangen, rhetorisch einwandfreien Wortduellen kommen, in denen erörtert wird, ob Taxifahrer oder Radler grundsätzlich die größeren Deppen sind.
 
Wenn die Polizei ihn anhält . . .
. . . sagt er, sehr laut, die Ampel sei doch wohl „eindeutig kirschgrün“ gewesen. Aber selbst wenn: So spät nachts interessiere das doch wohl eh keine alte Sau mehr. Und warum sie nicht einfach weiter ihre Leberkässemmeln fressen würden und ihn in Ruhe seinen Job machen ließen?!
 
Und dann . . .
. . . nimmt er doch mal die Tram.

"Die meisten Leichen tauchen nie auf"

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Längst nicht alle Flüchtlinge haben das Glück, die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer zu überleben. Und wenn etwas schief geht, weiß oft niemand, wer verunglückt ist.

Mitte April sank im Mittelmeer ein Flüchtlingsboot, bis zu 600 Leichen sollen noch im Wrack auf dem Meeresgrund liegen. Nun will Italiens Premierminister Matteo Renzi die Leichen bergen lassen. „Ich will, dass die Welt sieht, was geschehen ist.“


Obwohl schon tausende Menschen im Mittelmeer ertrunken sind, bevor sie auf ihrer Flucht Europa erreicht haben, ist eine solche Bergung die Ausnahme. Auch identifiziert werden sie selten. Nur manchmal finden lokale Behörden die Identität der angespülten Körper heraus. Die Informationen verschwinden dann im Sterberegister der Küstenorte. Tamara Last, 27 Jahre alt, ist mit einem Forscherteam für ihre Dissertation an der Freien Universität Amsterdam die Mittelmeerküste entlang gereist und hat die Toten systematisch erfasst. In der vergangenen Woche wurde die ihre Datenbank mit offiziellen Informationen über die Grenztoten veröffentlicht. Darin sind Daten wie Geschlecht, Herkunft, Alter und Todesursache aufgeführt: 62 Prozent sind ertrunken, 2,1 Prozent verdurstet, 4,5 Prozent an Unterkühlung gestorben.

jetzt.de: Wie ist die Idee zu der Datenbank entstanden?
Tamara Last: Für meine Promotion wollte ich den Zusammenhang zwischen den Grenztoten und der europäischen Politik untersuchen. Bisher gab es aber keine offiziellen Zahlen darüber, wie viele Menschen beim Versuch starben, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. Ich habe gemerkt, dass genauere Erhebungen nötig sind.

Wie seid ihr vorgegangen?
Wir waren ein Team von insgesamt dreizehn Forschern und haben die lokalen Sterberegister der Küstenorte durchgesehen. Insgesamt fast 2,5 Millionen Sterbeurkunden in 563 Standesämtern haben wir von Hand ausgewertet – der Küste entlang von Gibraltar, Spanien, Italien nach Griechenland und Malta. Wir haben Kriterien aufgestellt und zum Beispiel nach ausländischen Namen, außergewöhnlichen Todesursachen oder Umständen gesucht, die sich von den anderen Todesfällen unterschieden.

So wurden insgesamt 3.188 Migranten gefunden, die zwischen 1990 und 2012 ums Leben gekommen sind. Das scheint relativ wenig. Allein im April sollen doch bei einem Bootsunglück mehrere hundert Menschen gestorben sein.
Die Zahl beinhaltet nur die Menschen, deren Körper gefunden wurde. Die meisten Leichen verschwinden und tauchen nie auf. Wenn ein Toter zum Beispiel am Strand gefunden wird, eröffnet die Polizei standardmäßig Ermittlungen zur Identität und der Todesursache. Am Ende wird eine Sterbeurkunde ausgestellt.





Was lässt sich daraus ablesen?
Von den identifizierten Toten waren 71 Prozent männlich; die meisten waren zwischen 20 und 30 Jahren alt und kamen aus Subsahara-Afrika.

Was war das überraschendste Ergebnis?
Sehr überrascht hat mich, wie wenig Menschen identifiziert wurden – weniger als die Hälfte der gefunden Leichen wird überhaupt identifiziert. Es ist nicht so einfach, sehr oft liegt es aber auch am Desinteresse und den fehlenden Möglichkeiten der lokalen Behörden. In anderen Gemeinden dagegen setzen sich Ehrenamtliche dafür ein, dass zum Beispiel die Angehörigen gefunden werden oder sammeln Geld für die Rückführung. Da haben wir große lokale Unterschiede festgestellt.

Was passiert mit den Leichen?
Die meisten werden vor Ort beerdigt. In seltenen Fällen werden sie in ihre Heimat überführt. Für die Angehörigen ist es wichtig, Gewissheit zu haben. Eine Sterbeurkunde hilft nicht nur bei der Trauerarbeit, sondern hat auch juristische Folgen, zum Beispiel bei Erbfragen. Leider hören die meisten Familien der Flüchtlinge aber nie mehr etwas.

Speck auf der Tastatur

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Himmel, man macht sich ja keine Vorstellungen davon, was für eine ernste Angelegenheit so ein lachendes Gesicht ist. Was man da beachten muss. Etikette zum Beispiel, eh klar, aber dann: User-Wünsche, Genderfragen, Gleichheitsgrundsätze, Symbolik. Die gute Nachricht also schnell vorweg: Wenn das alles so läuft, wie vorgeschlagen, dürfte man mittels Emojis in absehbarer Zukunft immerhin anständig zum Frühstück einladen können (und zu Sushi). Beschimpfungen werden auch leichter. Und wer einen Deal bildlich besiegeln will, der kann dabei sogar wählen: Handshake oder Fistbump.

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Es soll nämlich neue Emojis geben: ein Croissant zum Beispiel, gebratenen Speck, Avocado und Gurke auch. Dazu Gesichter mit Lügennase und Cowboyhut, eine Schwangere, einen tanzenden Mann und einen Prinzen. Und neue Tiere: Fuchs, Eule, Adler, Ente, Hai, Fledermaus. Der Hai lächelt verschlagen. Die Ente wirkt ganz schön eingebildet.

Und spannend ist jetzt der Weg, den so ein Emoji gehen muss. Der beginnt nämlich mit einer Vorschlagsliste durch das sogenannte Unicode-Konsortium – eine gemeinnützige Organisation nach kalifornischem Recht, die sich um die Weiterentwicklung eben jenes Unicodes kümmert. Den versteht man als normaler Mensch nicht, deshalb reicht es wohl zu wissen, dass das Kodierungsverfahren dafür sorgt, dass ein Smiley, eine Katze oder ein grinsender Kackehaufen auf verschiedenen Betriebssystemen gleich aussieht. Jede natürliche oder juristische Person, die bereit und in der Lage ist, den Mitgliedsbeitrag zu zahlen (zwischen 75 und 18.000 Dollar) durch den sich das Konsortium finanziert, kann übrigens Mitglied werden. Momentan darunter unter anderem: Apple, Microsoft, Adobe Systems, Google, HP und IBM.

Fuchs: weitverbreitetes Tier, hohe Symbolkraft


Nun hat die Organisation also die genannte Liste vorgelegt – und begründet. Den Tanzenden Mann braucht es demnach als „missing gender pair“, als männlichen Gegenpart zur tanzenden Frau. Aus demselben Grund gibt es auch den Prinzen, einen Bräutigam und „Mother Christmas“. Bei anderen, etwas dem „Face Palm“, einer Hand mit gekreuztem Mittel- und Zeigefinger oder der Avocado berücksichtig man User-Wünsche. Es gibt dafür Foren.

Von einer dritten Kategorie, zum Beispiel der „Call Me Hand“ erwarten die Experten sich eine starke Nutzung. Indikatoren sind etwa Google-Treffer für Begriffe wie „handshake“. Dazu kommen Erwartungen über die Nutzung. Der Fuchs sei laut der Empfehlungsliste nicht nur ein „weitverbreitetes Tier“, er ermögliche auch eine „symbolische und metaphorische Verwendung“. Der Hai auch. Bei der Eule steht das nicht.

Wenn die Emojis kommen, und sicher ist das noch nicht, dann mit Version 9.0 – also vermutlich 2016.

jakob-biazza

Mädchen, hängt ihr gar nicht an eurem Nachnamen?

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Die Jungsfrage:

Vor einer Weile verkündete einer meiner Freunde, dass er heiraten werde. Der Rest des Abends: große Aufregung, Biere, Schulterklopfen, ungetrübte Freude. Nur einen Moment lang gab es Irritationen. Keine schwerwiegenden, aber deutlich spürbar. Und zwar, als der Freund sagte, er werde in Zukunft anders heißen.

Er sagte das nicht, als wäre es ganz selbstverständlich. Er schob sofort eine Erklärung hinterher, so, wie man das automatisch macht, wenn man sagt, dass man sich eine Viertelstunde verspätet. Die Blicke der anderen verrieten: Sie erwarteten diese Erklärung auch. An seinem Nachnamen – es ist einer von der Sorte Maier, Müller, Huber – habe er noch nie gehangen, sagte er. Der seiner zukünftigen Frau sei viel origineller und schöner. Verständnisvolles Nicken in der Runde, man war zufrieden mit der Erklärung.

Eigentlich ist es aber doch komisch, dass es da eine Erklärung braucht. Das Bundesverfassungsgericht erlaubt es schon seit 1991, dass beide Beteiligten ihre Nachnamen mit in die Ehe bringen. Mehr als 20 Jahre später, könnte man annehmen, sollte es doch kein Aufreger mehr sein, wenn einer von uns heißen will wie seine Freundin.

Ist es aber. Es gibt keine offiziellen Statistiken, aber verschiedene Umfragen der vergangenen Jahre haben ergeben, dass etwa 80 Prozent aller Paare den Nachnamen des Mannes wählen und nur ungefähr fünf Prozent den der Frau. Die Default-Einstellung einer Ehe ist offenbar, dass ihr euren Namen aufgebt und wir ihn behalten.

Ich glaube, wir Jungs hängen noch ziemlich an unseren Namen. Wir geben das nicht gern zu und beteuern, dass es für uns total okay wäre, zu heißen wie unsere Freundin, wenn wir mit der mal irgendwann so richtig ernst machen sollten. Sagt sich ja auch leicht, heiraten ist was für Menschen über 30, das ist noch lange hin. In Wahrheit gehen wir aber davon aus, dass wir unseren Namen behalten können. Dass also entweder jeder weiter heißt, wie er heißt, oder ihr unseren annehmt. Die wenigsten würden das von euch verlangen. Aber uns etwas wegnehmen lassen, das wir seit Beginn unseres Lebens mit uns rumtragen? Lieber nicht.

Wie ist das bei euch? Sind euch eure Namen so egal, dass nur so wenige von euch ihn behalten wollen? Findet ihr es irgendwie romantisch, zu heißen wie euer Freund? Freut ihr euch darauf? Oder habt ihr nur keinen Bock, deshalb mit uns zu streiten? Sagt mal Mädchen, wie wollt ihr heißen?  

>>> Die Mädchenantwort von charlotte-haunhorst  [seitenumbruch]



Die Mädchenantwort:


Ich war neulich auf einer Veranstaltung mit sehr vielen älteren Frauen. Alle so Jahrgang 1960, teilweise noch früher. Und da ist mir etwas aufgefallen: Die Frauen hatten fast alle Doppelnamen. Unschöne, wie Schnackenberg-Zuffhausen und Meyer-Grobinski. Ich fand das ziemlich lustig in dem Moment – wie kann man sich freiwillig so einen Namen antun? Und jetzt, mit ein bisschen mehr Verstand und nachdem ich deine Frage gelesen habe, tut mir das richtig Leid.

Denn, und das muss hier erstmal dringend klargestellt werden: Natürlich ist uns unser Name nicht egal! Jungs und Mädchen sind da ja keine unterschiedlichen Wesen, auch bei uns ist der Name von Beginn an mit uns verwachsen wie unsere Nase. Und für beides gilt: Man kann es schön oder hässlich finden – es ist trotzdem ein Teil von uns. Ein Teil, der unsere Identität prägt. Unter diesem Namen gehen wir zur Schule, bekommen seltsame Spitznamen und veröfflichen später unsere Bachelorarbeit. Und er prägt die Vorstellung anderer Menschen von uns. Jemand, der am Telefon mit einer Charlotte Haunhorst telefoniert, stellt sich da sicher was anderes vor als unter einer Charlotte Meyer-Grobinski und einer Charlotte von Welfenfels.

So weit also alles gleich. Der erste grundlegende Unterschied kommt hier: Ihr durftet euren Namen schon immer behalten. Wir nicht. Deswegen gibt es auch diese von dir angesprochene Grundannahme, dass der Name vom Mann übernommen wird - weil Frauen da keine Wahl hatten. Und deshalb gibt es in der Heiratsgeneration vor 1991 auch so viele Frauen mit Wortungetüm-Nachnamen. Das war damals einfach die einzige Variante, zumindest ein Stückchen der eigenen Identität zu behalten. Auch wenn es eine lange und nervige Unterschrift für den Rest des Lebens erforderte. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr sehe ich diese Frauen mit den Zungenbrechernamen also eigentlich als Heldinnen ihrer Zeit.

Und deshalb sage ich auch: Wenn wir heutzutage noch euren Namen annehmen, dann nur, weil wir das wollen. Weil er schöner ist als unserer, sich bessere Vornamen für Kinder damit finden lassen oder man damit besser Schriftsteller werden kann. Und vielleicht auch, wenn wir das Gefühl haben, ihr hängt ein bisschen mehr daran als wir, und weil wir euch lieben und dieser Deal deshalb okay ist. Gleiches gilt natürlich auch für euch: Ihr solltet unseren Namen auch nur annehmen müssen, wenn er euch gefällt. Aber dann solltet ihr das auch durchziehen wie dein Kumpel. Und in zehn Jahren will dann hoffentlich keiner mehr eine Erklärung dafür.

Kann man sich dabei nicht einigen, behalten halt beide ihren Namen – irritiert heute auch höchstens noch Opa und Oma. Interessant wird das dann erst bei den Kindern - da ist uns dann nämlich irgendwie schon wichtig, dass sie unseren Namen tragen - sei es der vom Ehemann angenommene oder der eigene, damals behaltene. Aber da ist die Default-Einstellung lustigerweise ja andersherum - die Kinder haben immer automatisch den Namen der Mutter. Könnte man auch als "ausgleichenende Gerechtigkeit" bezeichnen.


Wir haben verstanden: KW 21

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  • Australische Polizisten haben Humor und Musikgeschmack.

  • Wenn die Bahn streikt, regnet es grundsätzlich in Strömen.

  • Wenn Frauen heute irgendwie badass oder einfach nur das Gegenteil von Geschlechter-Klischee sind, geht das leider automatisch als frauenpolitisches Statement durch.

  • Schweden und Finnen benutzen auf Instagram öfter die Hashtags #Dildo und #Vibrator als den Hashtag #Love.

  • Autoreifenwechseln ist Sport.

  • Autoreifenaufpumpen (mit der Handpumpe) ist Extremsport.

  • Spinatspätzle sind die geilsten Spätzle.

  • Man ist spätestens dann erwachsen, wenn die eigene Mutter eine Kurzhaarfrisur trägt.

  • In Cafés, die was mit "Fräulein" heißen, sollte man am besten auch nur mit Fräuleins reingehen.

  • Gut für ein Erfolgserlebnis bei den allerersten Balkonbepflanzaktivitäten: Kresse.

  • Mehr Spontanentscheidungen machen mehr Spaß.

  • Was anscheinend alle schon wissen: Eine Avocado reift schneller, wenn man sie neben einen Apfel legt.

  • Bester Künstlername für einen sehr ernstzunehmenden Musikproduzenten: „Professor Bratwurstgehäck“

  • Wenn man nach mehr als zehn Jahren an seine alte Schule zurückkommt, wirkt alles wahnsinnig klein.

  • Ab einem bestimmten Alter muss man mit „Deine Mudda“-Witzen sehr, sehr vorsichtig werden! Der Grund hat mit Pietät zu tun und gehört deshalb nicht hierhin …

  • Unterschätztes Kompliment: "Du kannst super Geschirrstapeln!"

  • Man kann auch eine Tasse, die in 30 Einzelteile zerbrochen ist, wieder zusammenkleben. 

  • Wenn man eine Tasse, die in 30 Eintelzeile zerbrochen ist, wieder zusammenklebt, fehlt am Ende genau eines.


Tanzen unter der Dusche zu Florence and the machine

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Wichtigster Tag der Woche: Pfingstmontag ist ja einer der wenigen Feiertage, die es im sonst im Vergleich zu Bayern ja diskriminierten Berlin auch gibt. Auf der Liste möglicher Aktivitäten steht schon länger die "Gedenkstätte deutscher Widerstand", in der ich mit 16 auf Berlin-Klassenfahrt mal war und peinlicherweise im Vortrag eingeschlafen bin (war eine lange Nacht vorher). Dabei war's wirklich interessant!

Politisch interessiert mich:
Was aus Varoufakis und der Griechenlandpleite wird. Ich habe erst kürzlich im Radio gehört, dass Experten damit rechnen, dass der Mann noch diesen Sommer zurücktritt, weil er einfach so wahnsinnig undiplomatisch ist. Dann gibt's leider auch keine lustigen Böhmermann-Videos mehr dazu.

Kinogang?
Na klar. Ich rede mir schon seit zwei Wochen ein, dass jetzt die Freiluftkino-Saison startet. Stimmt aber nie, war immer zu kalt. Diese Woche dann aber wirklich! Am liebsten den zum Filmpreis nominierten Film Victoria von Sebastian Schipper im Freiluftkino Kreuzberg. Vor ein paar Monaten habe ich ein irrsinnig lustiges Interview mit Schipper im Radio gehört (das es hier sogar noch als Podcast gibt!), in dem er sehr nett über sie Jugend in Oldenburg und München erzählt hat. Guter Typ, dieser Schipper.
https://www.youtube.com/watch?v=lV3psLDY4Qk

Soundtrack zur Woche: Nur ein halber Soundtrack, da das neue "Florence and the machine"-Album erst in der Folgewoche erscheint. Fünf Songs wurden allerdings bereits veröffentlicht und dann kann man sich ja schon mal ausmalen, was da kommt. Mein erster Eindruck: "Ceremonials", das Vorgängeralbum, gefiel mir besser. Aber abwarten.
http://vimeo.com/122951505

Lektüre: Auch ich habe mir diese Woche "Willkommen im Meer" von Kai-Eric Fitzner bestellt. Natürlich wegen #einbuchfürkai (der Kollege von Gehlen hat bei Phänomeme erklärt, worum es dabei geht). Aber auch, weil das Buch in Oldenburg spielt (wie ja auch der Schipper-Film, welch Zufall!) und ich das ganz gut kenne. Finde ich übrigens gut, dass Amazon da jetzt auf die Provision verzichtet. Man muss Großkonzerne ja auch mal loben.

Geht gut diese Woche: Das Topmodel Finale auch in seinem zweiten Anlauf verpassen.

Geht gar nicht diese Woche: Diese seltsamen Pre-Work-Parties, bei denen Menschen vor der Arbeit feiern gehen. Vor der Arbeit will ich schlafen. Und vielleicht noch frühstücken. Aber sicher nicht tanzen. Wenn überhaupt unter der Dusche (seit ich mir diesen Becky G. Song als "Dancing in the Shower" eingeprägt habe, sowieso).
https://www.youtube.com/watch?v=50-_oTkmF5I

"Ich höre TKKG-Kassetten beim Kochen"

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In der Kolumne "Zu jung zu alt" erzählen junge Menschen, was in ihrem Alter noch nicht geht. Und was nicht mehr. Diesmal: Demian, 31

Ich bin zu jung …


… für VHS-Kurse. Ich bin Musiker, Songwriter und schreibe sehr gerne auch Gedichte. Und dafür - dachte ich mir - wäre es eine gute Idee, einen Storytelling-Kurs in Starnberg zu besuchen. Doch statt angehende Romanschreiber und Poeten anzutreffen, fand ich mich dort in einer Gruppe von Senioren wieder. Die waren allerdings nicht da, weil sie nun endlich ihre Ambitionen als Buchautor verwirklichen wollten, sondern aus einem anderen Grund: Ihnen fiel nichts ein, wenn ihre Enkelkinder eine Geschichte hören wollten. Das war zwar ein sehr sympathischer Grund, schaffte aber eine etwas andere Atmosphäre, als ich erwartet hatte. Und ich habe da einfach gemerkt: Menschen in meinem Alter machen noch keine VHS-Kurse. Und wenn man darüber nachdenkt, ergibt das auch total Sinn. Junge Menschen haben natürlich auch Interesse daran, etwas Neues zu lernen, aber sie machen das in der Regel an der Uni oder im Beruf - und wenn sie es da nicht schaffen, fehlt ihnen auch sonst meistens die Zeit. Als Rentner aber kann man sich sich all dem widmen, zu dem man vorher nie kam: dem Zeichnen, einer neuen Sprache oder eben der Kunst des Geschichtenerzählens.

Ich bin zu alt …


… für TKKG-Kassetten. Ich höre sie trotzdem immer noch, vor allem in der Küche mit meiner Freundin. Sie schneidet, ich koche und dabei hören wir die Abenteuer von Tarzan, Klößchen und Co. Wahrscheinlich wie jedes Kind haben wir früher gerne Kassetten gehört, irgendwann ist uns aber aufgefallen, dass wir unsere Hörspiele nie weggeworfen haben. Über 50 Kassetten haben wir insgesamt bei unseren Eltern noch gefunden. Mittlerweile ist das Hören ein richtiges Ritual bei uns - und irgendwie meditativ. Zum einen versetzt es mich immer wieder ein bisschen in die Kindheit und ich fühle mich so wohl wie damals auf dem Rücksitz meiner Eltern auf der Urlaubsfahrt. Zum anderen höre ich die Geschichten heute ganz anders. Früher fanden ja alle Tarzan immer supercool, heute merkt man, dass er einerseits ein Moralapostel ist, andererseits ein ganz schöner Arsch sein kann und immer den armen dicken Klößchen disst. Und man checkt außerdem, dass es völlig unrealistisch ist, dass nie die Polizei die Bösewichte fängt, sondern ein 13-­Jähriger Junge - jedes Mal mit dem gleichen Judo-­Move, der Verbrecher schreien lässt: “Au, mein Arm”. Mit Abstand betrachtet sind wir - wenn wir mal ehrlich sind - für solche Geschichten schon zu alt. Auch wenn es mir erst richtig bewusst geworden ist, als beim Kochen einmal ein Nachbar bei uns klingelte und irritiert fragte, was wir denn da hören. Wir werden aber trotzdem weiter zum TKKG-Intro durch die Küche tanzen.

Der Jugendversteher

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Am Ende des Vortrags hebt ein Mann mit grauem Vollbart die Hand und steht von seinem Platz im Publikum auf. Er holt Luft, dann schmettert er in den Saal: "Mir ist so richtig wohl. Haben Sie vielen Dank. Endlich verstehe ich meine Kinder!" Und Klaus Hurrelmann steht stumm am Rednerpult und nickt. Er kennt diese Momente. Wenn seine Worte in den Köpfen der älteren Deutschen irgendwas umrücken. Für diese Momente macht er das ganze ja.  

Ein Dienstagabend im Mai, ein Kongresszentrum in der Kölner Innenstadt. Eine Viertelstunde vor demselben Auftritt: Klaus Hurrelmann sitzt in seiner Talkshow-Haltung in einem kleinen Raum neben der Bühne. Beine überschlagen, Mittel- und Zeigefinger an der rechten Schläfe. Er hört gerade einer Frau zu. Sie ist Anfang 60 und Vorstand eines börsennotierten Unternehmens. Sie wird gleich die Eröffnungsrede halten, vorher plaudert sie noch ein wenig mit dem Gast aus Berlin.  

Widersprüchlich seien sie, die jungen Leute, sagt die Frau und wiegt nachdenklich den Kopf. "Die wollen ja heute gar nicht mehr unbedingt in Führungspositionen. Freizeit ist denen plötzlich so irre wichtig!" 



Der Wissenschaftler und sein Forschungsobjekt: Klaus Hurrelmann bringt zu manchen Vorträgen einen 25-jährigen Unternehmensberater mit. Als Teil seiner Beweisführung.

Hurrelmann nickt. Er hört die Geschichten ja jeden Tag: Von 25-Jährigen, die im Bewerbungsgespräch für eine Trainee-Stelle nach fünf Minuten fragen, um wie viel Uhr sie denn eigentlich so Feierabend hätten? Von Azubis, die sich schon in der zweiten Woche beschweren, dass sie den Sinn ihrer Aufgabe nicht verstehen, oder die jeden Freitag vor dem Büro ihres Chefs stehen, um nach Feedback für die vergangene Woche zu fragen.  

Klaus Hurrelmann, dichte graue Haare, federnder Gang, ist einer von Deutschlands bekanntesten Soziologen. Ein Fachmann für Bildungsthemen, Pädagogikstudenten müssen seine Modelle für Prüfungen pauken. Berühmt ist Hurrelmann aber als Jugendforscher. 

Er gibt die Shell-Jugendstudie mit heraus, die im Auftrag des Mineralölkonzerns seit 1953 alle paar Jahre die deutsche Jugend durchleuchtet. Außerdem eine Finanzstudie über die Alterssicherung junger Leute und eine Ausbildungsstudie im Auftrag von McDonald’s. Er ist einer von acht Wissenschaftlern im Expertenbeirat Demografie, der sich dreimal im Jahr mit Innenminister Thomas de Maizière trifft, um ihn bei der Lösung eines der größten Probleme der Republik zu beraten – der Überalterung der Gesellschaft. Und wenn es mal wieder eine umstrittene Gesetzesänderung gibt, die irgendwas mit Jugendlichen zu tun hat, ist es meist Hurrelmann, der in den "Tagesthemen" oder bei Günther Jauch seine Meinung zur Gesamtschule oder zum Warnschussarrest abgibt. Mit 71 Jahren ist er der Jugenderklärer der Nation.  

"Woher kommt dieser Wunsch nach Feedback im Job?" – "Von den Computerspielen!"



Auf der Bühne in Köln ist er beim Problem mit den Azubis angekommen, die jede Woche Feedback wollen. "Ganz typisch für diese Generation!", sagt Hurrelmann in seiner schnarrenden Stimme. "Ich will Rückmeldung für das, was ich tue!" Wenn er erklärt, wie die jungen Leute denken, redet er immer in der ersten Person. "Ich" ist dann nicht mehr Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, 71, dunkelblauer Anzug und schwarze Geox-Schuhe. "Ich" ist dann ein Durchschnittsdeutscher zwischen 15 und 30. Sein Forschungsobjekt.   "Ich will direkt wissen, wie gut ich war. Was ich besser machen kann!" Er macht eine kurze Pause, er weiß, dass jetzt eine Pointe kommt, die immer zündet. "Die Wissenschaft vermutet übrigens, dass das Feedback wegen Computerspielen so gefragt ist: Ich bin es ja gewohnt, nach jedem Level eine Rückmeldung zu bekommen." 300 Leute im Saal lachen. 

Die Leute im Saal sind heute vor allem Berufsschullehrer und Ausbilder aus der Metallindustrie, dazu ein paar Schulklassen, die Hurrelmann später um ein Gruppenfoto bitten werden. Der Name des Vortrags: "Wie tickt die junge Generation?" Er dauert eine knappe Stunde. Hurrelmann hält ihn zurzeit leicht abgewandelt ungefähr dreimal die Woche. Bei Versicherungsunternehmen in Hamburg, vor Personalern in Berlin oder Pädagogen in Tübingen.  

Was die Menschen im Publikum verbindet: Sie haben beruflich mit den 15- bis 30-Jährigen zu tun, die Hurrelmann unter dem Begriff "Generation Y" erforscht. "In den Unternehmen merken sie zur Zeit: So, wie sie immer gearbeitet haben, werden sie nicht fertig mit den jungen Leuten", sagt Hurrelmann ein paar Tage vorher in seinem Büro in Berlin. "Die, die jetzt in den Beruf einsteigen, sind irgendwie anders. Also fragen sie mich: Können Sie uns das mal erklären?" Er kichert glucksend. "Ich bin selbst überrascht, wie stark die Nachfrage ist." 

>>> Was Pädagogen und die Neon Hurrelmann vorwerfen – und warum ein Gefängnisaufenthalt den Jugendforscher bis heute prägt. >>> 


[seitenumbruch]Wenn man Klaus Hurrelmann begleitet, trägt man besser gute Schuhe und leichtes Gepäck – er sprintet los, sobald eine Fußgängerampel in fünf Metern Entfernung auf Rot zu springen droht. Wenn er abends in Köln ist und am nächsten Mittag in Frankfurt einen Vortrag hält, fliegt er trotzdem für die Nacht zurück nach Berlin, nie mit mehr Gepäck als einem zusammengerollten Spiegel

"Jugendliche", schnarrt Hurrelmann in Köln ins Mikrofon, "sind wie eine Weinrebe. Wie sie sich entwickeln, hängt von äußeren Bedingungen ab. Vom Boden, vom Wetter, von der Pflege." 

Es ist einer der Punkte, die Hurrelmann immer wieder Kritik einbringen, von Pädagogen und anderen Wissenschaftlern, aber auch von jungen Leuten: Die scharfe Trennung zwischen den Generationen. Alle 15 Jahre löst nach seinem Modell eine Generation die vorhergehende ab. "Es klingt willkürlich, hat sich aber über die Jahrzehnte so bestätigt", sagt er. Die äußeren Bedingungen in der Welt ändern sich alle 15 Jahre so stark, dass man es den Menschen anmerkt, die darin aufgewachsen sind. Für Hurrelmann hat deshalb jede Generation bestimmte Stärken, Schwächen, Ängste und Komplexe. 



Hurrelmann ist 68er – trotzdem versteht er die "Ego-Taktiker". 

Da ist die Generation der Kriegskinder, geboren 1925 bis 1940: "Tief skeptisch, verunsichert, der Krieg, die Not." Da sind die 68er, seine Generation, geboren 1940 bis 1955: "Angriffslustig, rebellisch, mit Hang zum Pathos." Dann die Babyboomer, Jahrgang 1955 bis 1970: "Zum ersten Mal materiell gesichert, deshalb interessiert an anderen Dingen, zum Beispiel Umweltschutz. Eine sehr fleißige Generation!" Die Generation X, 1970 bis 1985: "Deutlich kleiner, verwöhnt, gelangweilt, orientierungslos."  

Die Generation Y, geboren zwischen 1985 und 2000, hat er vor einigen Jahren mal "Ego-Taktiker" genannt. Im Herbst hat er ein Buch über sie geschrieben, das prophezeit: "Wenn die Ypsiloner einmal in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, wird unsere Welt eine andere sein." Die FAZ motzte daraufhin, Hurrelmann versuche "mit primitivsten Mitteln, das Rätsel des Jungseins zu bewirtschaften". Pädagogen werfen ihm eher seinen moralischen Ton vor. Er setze "Jugend" mit "Anpassung" gleich, was arg konservativ sei und überhaupt – richteten sich heute nicht die Erwachsenen viel mehr nach den Jungen? Die Neon fand kürzlich Hurrelmanns Etikett der "Leistungsstreber" eine Frechheit – nur weil die Generation Y "unverschämterweise Lebenspläne entwickelt, statt entspannt in die nächste Krise zu segeln." 

Hurrelmann sagt: "Natürlich ist jeder Mensch anders. Aber –", er holt Luft, "die äußeren Bedingungen prägen alle Mitglieder einer Gesellschaft gleich. Und junge, unfertige Leute saugen das mit hypersensiblen Sinnen auf. Deshalb sieht man an ihnen alle Entwicklungen einer Gesellschaft zuerst."  

Als er selbst von der Schule flog, kämpften zwei Lehrer für ihn. Seither will er etwas zurückgeben.



Die Generation Y sei vor allem durch vier Faktoren geprägt. Erstens: Die digitalen Medien. "Internet und Smartphones haben diese Jugendlichen technisch sehr kompetent gemacht – sie haben aber auch die Weltsicht komplett verändert. Sie bewegen sich so souverän wie nie durch die Welt, sie kennen ja alles schon aus dem Internet." Zweitens: Der 11. September 2001. "Eine neue Qualität von politischem Terror. Globale Verunsicherung, gefolgt von Kriegen." Drittens: Umweltkatastrophen. "Überschwemmungen, Tsunamis, Fukushima. Die Welt ist für diese Generation nicht mehr per se ein wohnlicher Ort." Viertens: Die Wirtschaftskrise. "Diese Generation ist aufgewachsen mit dem ständigen Mantra: Es gibt nicht genug Arbeit für euch alle. Ihr seid zu viele – obwohl ihr so wenige seid."  

Auch das ist ein Grund, weshalb Hurrelmanns Vorträge zur Zeit so gefragt sind: Nie war eine Generation kleiner als die der Ypsiloner, dem Land gehen die jungen Leute aus. 1965 wurden noch 1,3 Millionen Kinder geboren. 1995 waren es noch gut halb so viele. Die Bevölkerung schrumpft, die Jungen werden nun doch gebraucht. Aber sie haben plötzlich andere Ansprüche. 

Am Tag nach dem Auftritt in Köln läuft Hurrelmann durchs Frankfurter Bankenviertel. Ein stürmischer Frühlingstag, Hurrelmann soll ausgewählte Mitarbeiter einer großen Bank schulen. Vor dem Hochhaus wartet schon eine Dame im Kostüm auf Hurrelmann. Er schüttelt ihre Hand, sieht neben dem Hochhaus eine umzäunte Baugrube und fragt: "Vergrößern Sie sich?" – "Wir bauen einen Betriebskindergarten." Hurrelmann schnalzt mit der Zunge, klappt den Daumen aus und ruft: "Sehr gut!" Er schaltet den Soziologenblick nie aus. 

"Bausparverträge! Heiraten!" Der 68er Hurrelmann müsste eigentlich den Kopf schütteln. Aber es ergibt ja Sinn! 



Warum macht Klaus Hurrelmann das alles? Er ist seit sechs Jahren von der Uni Bielefeld emeritiert, er ist jetzt Professor an der privaten Hertie School in Berlin, er könnte es sich gemütlich machen, hin und wieder ein Buch schreiben, sich um Kinder und Enkel kümmern. Warum fliegt er stattdessen durch Deutschland, als Vortragsreisender, und wirbt um Verständnis für Leute, die 50 Jahre jünger sind als er?  

Hurrelmann sagt: "Ich finde junge Leute spannende Persönlichkeiten. Die sind wichtig für alles, was passiert! Ich will sagen: Schaut mal hin, nehmt die ernst. Ich bin für eine faire, sachliche Sicht."  

Es liegt wohl auch daran, dass es in seinem Leben ein paar Mal jemanden gab, der genau hinschaute. Hurrelmann stammt aus einem Städtchen in der Nähe von Bremen, einfachste Verhältnisse. Ein Grundschullehrer kämpfte dafür, dass Hurrelmann aufs Gymnasium gehen durfte, als erster in seiner Familie. Der Vater, ein Seemann, verspottete ihn als Schwächling. Um sich "irgendwas zu beweisen", beging Hurrelmann mit Schulkameraden Ladendiebstähle – und verbrachte vier Wochenenden im Jugendarrest. Er flog deshalb von der Schule. Und wurde nur dank eines verständnisvollen Direktors an einer anderen Schule wieder aufgenommen. "Das hat mich schwer beeindruckt", sagt Hurrelmann. "Die Schärfe der Reaktion. Aber auch die Menschlichkeit danach." Später widmete er sein erstes Forschungsprojekt als Soziologe der Jugendkriminalität.  

Im 5. Stock des Hochhauses sitzen neun Banker in einem Konferenzraum. Krawatten, säuberlich gestutzte Bärte, auf den Tischen stehen Plätzchenteller und Fläschchen mit warmem Konferenz-Mineralwasser. Reihum schildern die Banker ihre Probleme mit den jungen Leuten.  

"Diesen Leuten Dienstwagen anbieten? Voll daneben!" Statussymbole sind der Generation Y völlig egal. 



"Die Bewerber heute sind so schwer zu packen! Was wollen die wirklich?" 
"Ich finde, die werden immer weniger kritikfähig." 
"Für die ist es völlig normal, sich heimlich woanders zu bewerben – einfach, um mal den eigenen Marktwert zu testen!" 

Die Finanzbranche hat ein ähnliches Problem wie die Metallindustrie, die Hurrelmann am Vortag nach Köln eingeladen hat: Ihr gehen die Lehrlinge aus. Für Hurrelmann ist das nur logisch. Es ist eine Folge der Prägung dieser Generation. Er steht vor den Bankern und spricht jetzt wieder als junger Mann zwischen 15 und 30: "Ich habe gelernt, dass nichts sicher ist. Dass ich den Wohlstand meiner Eltern wahrscheinlich selbst nicht erreichen werde. Also warte ich ab! Ich sondiere, ich lege mich nicht zu früh fest – könnte ja die falsche Festlegung sein. Vielleicht lege ich lieber nochmal ein Studium obendrauf!"

Wenn man Hurrelmann so sieht, versteht man, dass seine Thesen keine Vorwürfe sind. Das "Leistungsstreben", das Taktieren – Hurrelmann wertet das nicht. Er sieht es als Resultat einer Kindheit der Unsicherheit. Bausparverträge waren lange nicht so beliebt wie heute. Man heiratet wieder jünger. "Bausparverträge! Heiraten!", ruft Hurrelmann und lacht. Als 68er müsste er eigentlich den Kopf schütteln, als Soziologe versteht er es.

Neu ist bei dieser Generation noch etwas: Die Suche nach Sinn im Beruf. Nach Erfüllung. "Manche Unternehmen versuchen, junge Leute mit Dienstwagen zu ködern – voll daneben!" Statussymbole sind der Generation Y egal. Wie übrigens auch: Macht um der Macht Willen. "Hierarchien gegenüber sind diese Leute völlig blind", ruft Hurrelmann den Bankern zu. "Status bedeutet heute: Ich bin fit, sportlich, und zeige es meinen Freunden auf Instagram. Ich weiß, dass ich eine Work-Life-Balance brauche, sonst brenne ich aus. Der Chef mit der 90-Stunden-Woche wird bald aussterben."  

Hurrelmann hält seinen Vortrag heute nicht alleine. Neben ihm sitzt Carsten Meyer, er ist Teil von Hurrelmanns Beweisführung. Meyer ist 25, er trägt Anzug und Ehering. Meyer hat eine Unternehmensberatung gegründet, die Firmen dabei hilft, attraktiver für junge Leute zu werden. Er erzählt den Bankern von der Idee des "Freaky Friday", einem Tag in der Woche, an dem alle Mitarbeiter nur an eigenen Ideen tüfteln. Er wirft ein Foto an die Wand – es zeigt das Büro seiner Firma mit einer Ecke voller Kissen und Matratzen. Die jungen Unternehmensberater liefern sich gerade eine Kissenschlacht. Die Banker nicken brav, ein paar machen sich Notizen.  

Am Ende applaudieren sie. Und dann sagt eine der Bankerinnen: "Vielen Dank. Ich weiß nicht, ob wir bei uns in der Filiale eine Matratzenecke durchsetzen können – aber ich glaube, ich verstehe meine Tochter jetzt besser." Und Hurrelmann nickt.

Die Sprayer aus dem Seniorenheim

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Endlich mal eine positive Graffiti-Nachricht, bei der nicht der vier- bis sechsstellige Schaden an irgendwelchen besprühten Gebäuden oder Zügen im Mittelpunkt steht: In Lissabon besprüht eine "Gang" aus Rentnern die Wände der Stadt.

Keine vermummten Gestalten ziehen in der portugiesischen Hauptstadt durch die Straßen, sondern Senioren mit grauen Haaren, faltigen Armen und funktionalen Windjacken. Die ziemlich lustigen Fotos von ihren Aktionen werden seit einigen Tagen auf Twitter und Facebook geteilt.

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Dahinter steckt eine gute Idee: Die Organisation "Lata 65" (lata bedeutet Dose) bietet seit 2012 Urban-Art-Workshops für Senioren an, um sie aus ihrem Alltag zu holen, wie Spiegel Online berichtet. Mehr als 100 Senioren haben bereits mitgemacht. Das Graffiti-Sprühen nehmen sie ziemlich ernst. Ihre Stencils, die Schablonen zum Sprühen, basteln sie selbst. Beraten werden sie von Street-Art-Künstlern. Klingt nach der besten Anti-Aging-Maßnahme der Welt.

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kathrin-hollmer 
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