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Ich will nicht deine beste Freundin sein!

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Alle zwei Wochen habe ich einen Termin, der mich mit ziemlich schlechtem Gewissen zurücklässt: da telefoniere ich mit Jule. Sie schreibt mir vorher euphorische SMS: "Freu mich riesig aufs Quatschen!" Ich fühle mich eher, als stünden mir unangenehme Pflichten wie Badputz oder Behördengang bevor.

"Ah ja", könnte man nun verständnisvoll sagen, "Jule, das ist sicher so eine alte Schulfreundin, mit der dich nicht mehr verbindet als die Erinnerung an langweilige Physikstunden. Oder sie ist die anstrengende Kommilitonin, mit der du abgesehen vom Referatsthema nichts gemeinsam hast." Aber all das ist Jule nicht. Jule ist für mich eine gute Bekannte. Aber ich bin für sie ihre beste Freundin. Unfreiwillig.



Einseitige Liebe – gibt's auch bei Freundschaften

Vor etwa einem Jahr waren Jule und ich "Freundesfreunde". Dann wurden wir einander auf einem Festival vorgestellt, zu Tetrapack-Weißwein und Gitarrengeschrammel. Ein Wochenende lang taumelten wir zwischen Zeltplatz und Konzerten hin und her. Wir verstanden uns gut und waren uns sympathisch. Als wir Sonntagabend die Zelte abbauten, war sie ganz ergriffen und sagte, dass sie mich vermissen werde. Ich lachte und stimmte theatralisch in ihren Abschiedsschmerz ein.

Zu Beginn unserer Freundschaft stand ich staunend da, während Jule voller Liebe um mich herumwirbelte


Weil wir in der gleichen Stadt wohnen, trafen wir uns wieder. Bei der Begrüßung wurde ich misstrauisch: Klar fand ich es nett, sie zu sehen. Sie aber fiel mir um den Hals, als wäre ich ihre lang verschollene Schwester. Okay, redete ich mir ein, so ist sie eben: emotional. Später saßen wir mit ihrem Freund zusammen. Sie erzählte ihm mit glühenden Wangen, sie habe sich während des Festivals total in mich verknallt. "Auf den ersten Blick!" Sie strahlte. Er guckte skeptisch. Und ich lächelte angestrengt. Aber irgendwie war es ja auch schmeichelhaft und ich wollte mich darauf einlassen.

Zu Beginn unserer Freundschaft stand ich also vor Staunen erstarrt da, während sie voller Liebe um mich herumwirbelte. Und als ich mich wieder regen konnte, sagte sie schon: "Ach, wie gut, dass ich dich hab". Ich fühlte mich mies, weil ich das so gar nicht erwidern konnte.

Mir fiel und fällt dafür kein Grund ein. Jule macht interessante Sachen und denkt kluge Dinge. Wir teilen Meinungen und mögen dieselbe Musik. Sind das nicht die besten Voraussetzungen für eine Freundschaft? Und Freundschaften, sind das nicht diese Anker, diese freiwillig gewählten Bindungen, für die man furchtbar dankbar ist in einer Welt, in der man zwangsläufig schon mit so vielen Menschen zu tun hat, mit denen man lieber nichts zu tun hätte?

Jule erzählt mir intime und unangenehme Geschichten, sie vertraut mir voll und ganz, aber redet nicht nur über sich, sondern stellt mir Fragen. Sie ist emphatisch und interessiert an allem, was mich so bewegt. Bloß das Wichtigste, das wiederum scheint ihr absurderweise nicht aufzufallen: dass ich mich in meiner neuen Rolle als ihre Verbündete nicht wohl fühle.

Als Jule sich von ihrem Freund trennte und in eine andere Stadt zog, ertappe ich mich bei der Hoffnung, dass sich nun womöglich alles "ausschleicht". Ein paar Mal rief sie mich an, fragt, ob sie auf der Durchreise spontan bei mir übernachten könne. Ich begann, mir Ausreden einfallen zu lassen: Oh, ich bin jetzt erstmal unterwegs und später dann woanders; nein, dir kann leider niemand die Tür aufmachen. Ich fühlte mich bedrängt, dabei verhielt sich Jule gar nicht aufdringlich, sondern so, wie auch ich mich in engen Freundschaften verhalte. Bei engen Freunden wäre es allerdings auch selbstverständlich für mich, ihnen zu jeder Tages- und Nachtzeit die Tür zu öffnen. Oder ehrlich zu sagen: Es passt mir grade gar nicht.

Man vergisst, dass auch bei einer Freundschaft manchmal einfach nicht der Funke überspringt


Ich habe schlichtweg den Zeitpunkt verpasst, an dem ich noch hätte aussteigen können, ohne Jule zu verletzen. Ich habe nie widersprochen. Und jetzt fühle ich mich, als müsste ich ihr eine Klischee-Abfuhr verpassen: Sorry, es liegt echt nicht an dir!

Dabei ist das Quatsch. Natürlich liegt es an ihr. Es liegt an ihr, an mir und an uns. Das Besondere an Freundschaften und Beziehungen aller Art ist, dass sie aus beidseitigem Interesse eingegangen werden. Sobald etwas nicht auf Gegenseitigkeit beruht, fühlt sich falsch an, was sonst so richtig sein kann: die Anfangsphase, in der man ständig aufeinander hängt, in Dauer-Kontakt steht, sich gegenseitig hypet. Das ist wichtig, denn so entsteht eine Basis, festigt sich etwas, das die Freundschaft später durch schwierige Zeiten bringen kann, durch Streit oder räumliche Trennungen. Eine Freundschaft geht man allerdings viel schneller ein als eine Beziehung. Der Exklusivitätsfaktor fehlt. Dabei vergisst man womöglich, dass auch hier mal der Funke nicht überspringen, die Chemie nicht stimmen kann, selbst wenn man die Person als solche irgendwie gut findet.

Auch am Beginn einer Freundschaft steht eine Schwärmerei, ein Verliebtsein. Kann man das nicht erwidern, ist man nicht automatisch ein Unmensch. Mir ging es in diesem Fall eben anders als Jule. Ich sollte bloß dringend damit aufhören, mich dafür zu verurteilen – sondern mit ihr darüber sprechen.

Versautes Gemüse

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Es begann mit einer guten Nachricht: Anfang der Woche verkündete Instagram die Einführung einer Emoji-Suchfunktion. Das heißt für über 300 Millionen User: Man kann jetzt die dampfende Teetasse oder den lächelnden Kackhaufen per Hashtag suchen, ohne einen einzigen Buchstaben tippen zu müssen – und bekommt sofort passende Bilder dazu geliefert. Denn, so das Netzwerk: "Over the past few years, emoji have become part of a universal visual language." So weit, so stimmig. Nur folgte kurze Zeit später die Nachricht: die Aubergine darf nicht mit. 

Sie ist laut Instagram, anders als scheinbar die Symbolkollegen Banane, Kackhaufen oder Pfirsich, ein Katalysator unlauterer Inhalte. Sie legt nicht nur die Fährte zu leckeren vegetarischen Kochrezepten, sondern auch zu – hihi, ok, wir sagen’s jetzt mal laut – Penisfotos. 

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Denn: Wegen anatomischer Parallelen zwischen Gemüse und erigiertem Penis wird das Emoji auf Instagram, Twitter und Tinder gerne als Vergleichsmotiv verwendet. Der Hashtag #eggplantfriday etablierte sich daher als Sammelbegriff für Shots mit und ohne Hose. Und die will Instagram genauso wenig haben, wie Bilder von Nippeln oder Schamhaaren. Gemächt- und Gemüsefreunde fordern nun zu Recht: #freetheeggplant!











Die News-Seite TMZ widmete der Aubergine angesichts der Diskriminierung sogar eine Bilderstrecke, die Solidarität beweist.

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Die App zensiert damit nämlich nicht nur ins Blaue hinein (wir erinnern an andere Emoji wie geöffnete Lippen, Pfirsich oder Maiskolben, die Instagram völlig ok findet), sondern begeht einen Fehler in der Selbsteinschätzung. Instagram ist ein Bilderdienst der Masse, die neben hübschen Kaffeetassen und Wolkenkratzer nun mal auch Frauennippel und Penisse postet. Und wer diese Bilder will, tippt eben ein paar Worte mehr oder weicht auf ein anderes Motiv der Emoji-Tastatur aus. 

Die digitale Reinwischerei ist also wohl eher von kurzer Dauer. Schön für die Aubergine: Sie bekommt bald Gesellschaft von Banane, Maiskolben und Lolli. Und irgendwann erkennt Instagram vielleicht: Zensieren lässt sich die Suchfunktion und die Emojis. Aber die User bleiben ein bisschen versaut - ob mit oder ohne passendem Symbol.

sina-pousset

Mit der Keule gegen Sexismus

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Street Art der "Girl Gangs" in Mannheim.

In London wurden in dieser Woche reihenweise Werbetafeln übermalt. Sie fragten, nebst Bildern von Bikini-Models, ob der eigene Körper denn schon „strandfertig“ sei? Also malten viele Frauen (und ein paar Männer) ihre eigenen Kommentare dazu.

Das Thema ist diese Woche auch in der deutschen Lokalpolitik angekommen.

Am Mittwochabend will der erste Berliner Bezirk das regeln: Alle Fraktionen im Bezirksparlament von  Friedrichshain-Kreuzberg, außer der CDU, haben sich auf ein Verbot von sexistischer Werbung geeinigt. Seit einem Jahr hatte eine Arbeitsgruppe die Kriterien dafür erarbeitet, was genau unter „sexistischer“ und „diskriminierender“ Werbung zu verstehen sei. An den 28 Werbetafeln, die dem Bezirk gehören, ist diese dann tabu.

Für einige Männer ist das schon zu viel. Sie sehen das Kalifat des Feminismus gekommen. Zeit-Kolumnist Martenstein findet das „wie bei den Taliban“, die CDU nennt es „typisch linken Tugendterror“, „Zensur“ wittert eine Berliner Boulevardzeitung.

Die Nagelkeulen über der Schulter sollen Mut machen. Kritiker sehen darin eine "feministische Bürgerwehr".



Wie man ganz ohne dumpfe Diskussion ein anderes Frauenbild erschafft, zeigen ein paar junge Frauen im Südwesten der Republik: Die „Girl Gangs against Street Harassment“ in Mannheim. Sie drucken kampfbereite Frauen auf lebensgroße Fotos, die sie in Mannheims Straßen verkleben. Dass das eine Ordnungswidrigkeit ist, nehmen sie in Kauf.

„Wir wollen zeigen, dass man in der Werbung nur eine surreal superschlanke Minderheit sieht“, sagt Sarah Held, 33, eine der Verantwortlichen für die Girl-Gangs. Sie steht vor dem Eingang des selbstverwalteten Zentrums „Juz Friedrich Dürr“ in Mannheim. An der Wand sieht man ein Schwarzweißfoto von Sarah, mit Nietengürtel und Nagelkeule über der Schulter. Die Frauen der Girl-Gangs verkörpern kein plattes Schönheitsideal: Sie sehen selbstsicher aus, stehen breitbeinig da und jede hat eine andere Waffe in der Hand. „Klar fühlen sich einige davon provoziert“, sagt Sarah. Im Internet fand einer, das sähe aus wie eine „feministische Bürgerwehr“. Sie selbst sieht die Botschaft lieber positiv, die Girlgangs sollen Frauen und Mädchen Mut machen: „Ihr seid nicht allein.“

http://www.youtube.com/watch?v=Ppng5QgLkJA

Ins Leben gerufen hat das Projekt im vergangenen Sommer der Designstudent Tobi Fünke, 31. Sarah Held ist seit Herbst dabei, und mit ihrer Idee haben sie von Graz bis Göteborg schon viele Nachahmer gefunden. Auf der Projektseite kann man die Girl-Gangs nämlich als fertige Druckvorlagen herunterladen. So soll eine Alternative zum gängigen Frauenbild in der Werbung geschaffen und gleichzeitig auf sexuelle Belästigung im Alltag aufmerksam gemacht werden.

Deshalb war ihnen auch wichtig, wohin die Girl-Gangs geklebt wurden. Zum Beispiel ins Stadtviertel Neckarstadt-West, in Mannheim das „halbwegs gefährliche Rotlichtviertel“, sagt Sarah. „Da haben viele Frauen Angst und gehen abends nur mit einer Freundin auf die Straße.“ Eine Girlgang klebt hier an einer Bahnhofs-Unterführung, eine andere an der Jungbuschbrücke, wo Sarah selbst schon nachts belästigt wurde. „Zwei Typen fuhren mit ihrem Auto neben mir her und machten die Autotür auf. Da hatte ich ein maues Gefühl.“ Solche Ängste will das Projekt bekämpfen. Frauen erobern sich den öffentlichen Raum zurück.





Feministische Streetart ist gerade überall: Vor einem Monat wurde eine Schülerin aus Karlsruhe unter dem Hashtag #padsagainstsexism zum weltweiten Internetthema, weil sie Damenbinden mit feministischen Botschaften an öffentliche Wände klebte. In den USA tourt derzeit das Projekt „Monument-Quilt“, bei dem Vergewaltigungserlebnisse in eine gemeinsame Patchwork-Decke eingenäht werden. Und nicht nur auf der Straße tobt der Kampf gegen sexistische Werbung. Der Hamburger Verein „Pinkstinks“ zum Beispiel wurde bekannt für seine Proteste gegen den „Magerwahn“ bei „Germany's next Topmodel“ und rosafarbene Mädchen-Überraschungseier. Im Moment sammelt er Unterschriften für eine Petition (#7aUWG), die diskriminierende Werbung in ganz Deutschland gesetzlich verbieten lassen will.

Was der nachhaltigere Weg in Richtung Veränderung ist, Guerilla-Plakate oder Gesetze, oder ob das eine vielleicht langfristig zum anderen führt, muss sich noch zeigen. Eines jedenfalls lässt sich jetzt schon sagen: Aus Kreuzberg werden halbnackte Werbe-Models auch nach diesem Mittwoch nicht verschwinden. Denn Bikinis in der Werbung sind weiterhin erlaubt – sofern es sich dabei um Werbung für Bademode handelt, und nicht für Autoreifen oder Herrendeo.

Was will die Welt?

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Wie die Welt funktioniert, lässt sich nicht erklären. Aber das Internet ist der Ort, an dem sich ihre ganze Genialität und Merkwürdigkeit ballt. Was sich die Menschheit so vor dem Rechner zusammengoogelt, zeichnet deshalb ein ziemlich spannendes und akkurates Bild vom Weltgeschehen, wie die Website fixr.com jüngst bewies. Sie ermittelt Durchschnittspreise für Güter auf der ganzen Welt und schaute mal nach: Wo wollen Menschen was am meisten? Dazu veröffentlichte sie eine Weltkarte, die Ländern den meistbegehrten Suchbegriff zuordnet.

Die zeigt zunächst mal ein paar erwartbare Fakten: Prostitution in Thailand, Diamanten in Westafrika, BMW in Deutschland, Baguette in Frankreich. Doch so geballt auf einem Fleck werden die kolorierten Felder auch zum Suchbild für unerwartete Begriffe und Gegensätze.

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Während Australier sich für In-Vitro-Fertilisation interessieren, kämpfen ihre Nachbarn in Neuseeland mit dem entgegengesetzten Problem. Sie suchen nach Vasektomie.

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Auf den Inseln dominieren – übrigens international – meist Hochzeit und Bier. Vorsicht ist nur in der Karibik geboten: Wo sonst heiraten angesagt ist, droht im Süden die Scheidung. Anders in den Phillipinen: hier wollen die Menschen einfach nur noch in den Ruhestand.

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Wer sucht, findet noch mehr Aus-der-Reihe-Tanzer: Während Südamerika mit der Aufteilung in Bier, Drogen und Prostituierte etwas düster wirkt, winkt links oben ganz unschuldig der Panama-Hut. Und so ganz erwartbar bleibt es nicht: Menschen in der Antarktis interessiert nicht etwa das Rehntier, der Weihnachtsmann oder Heizungen – sondern Grundstückpreise.

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Während in Afrika Essentielles wie Essen, Kühe, Kamele, Benzin und Hochzeit dominiert, fallen Mauretanien (Sklaven) und Tansania (Safari) durch Begriffe auf, die wahrscheinlich nicht von Landsleuten gesucht werden.

Rätselhaft bleiben der Kampfjet in Russland, die Wassermelone in Japan und die Niere im Iran.

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Schockierend, unterhaltsam oder sehr erwartbar – die Weltkarte zeigt zumindest eines: Auch wenn sie etwas sehr einfaches tut, nämlich Orte auf einen Begriff zu reduzieren, einfach ist das mit der Welt eben doch nicht.

sina-pousset


Was macht die Stadt aus?

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Die Stroke ist wieder in München, seit Mittwoch und noch bis Sonntag. Und mit ihr ja auch ein kleineres Missverständnis: Die Sticker Street- und Urban-Art kleben immer noch recht hartnäckig an der Messe. Dabei treffen sie ja gar nicht mehr zu. Zumindest nicht mehr ganz. „Zeitgenössische Kunst“ sagen die Veranstalter, die Brüder Marco und Raiko Schwalbe, inzwischen lieber. Schließlich würden sich in ihrem Programm immer mehr kreative Felder mit der Kunst vermischen – Grafikdesign zum Beispiel. Mode und Musik auch.

Viele der Künstler eint dennoch, dass das Urbane für ihre Werke wichtig ist. Sei es in der Serie „DestroyRebuild“ des New Yorker Graffiti-Künstlers Avon, den brachial-politischen Stencil-Pamphleten von Van Ray (Köln), der Kalligrafie von Patrick Hartl oder in den Fotos von Andrea Peine und Aaron Kokal: man spürt die Stadt. Ihre mögliche Anonymität, ihre Rückzugsmöglichkeiten. Aber auch ihre Energie, ihren Lärm und ihre kreative Kraft.
 
Klingt also, als würden die Stroke-Teilnehmer sich mit Urbanität auskennen. Also haben wir ein paar von ihnen eine Frage gestellt: „Was macht die Stadt für dich aus?“ Sie durften das konkret auf München beziehen oder auf das Urbane an sich. Einzige Vorgabe: Sie müssen die Frage mit einem Bild für uns beantworten. Hier sind die Ergebnisse.




Kevin Lüdicke wurde 1991 geboren und lebt in Berlin.In seinen Arbeiten kombiniert er Elemente aus Urban-Art und Grafik-Design. Oft sind seine Motive surreal, wie aus Träumen entliehen. Dieses heißt einfach „Urban“.



Philip Junk, 23, „will Menschen inhaltlich erreichen“. Deshalb nutzt er gerne Kollagen: „Die Leute sollen nicht auf die Technik achten.“ Titel dieses Werkes: „König Horst schwingt die Weißwurstpeitsche.“
[seitenumbruch]



Beim Münchner Maximilian Mucha, 20, gilt: Ästhetik vor Message. Er hat gerade sein Abitur gemacht und bereitet sich auf die Kunstakademie vor. Stadt ist für ihn „vor allem Vielseitigkeit. Viele Menschen, dicht gedrängt auf einem Haufen.“



Die Stadt bedeutet für Andrea Peipe, 35, die Möglichkeit, „sehr viele Naturplätze für meine Fine Art Fotos zu finden. In München sogar in der Innenstadt“. Ob ihre Kunst damit auch Flucht ist? „Auf keinen Fall! Ich liebe meine Stadt. Aber sie ist für mich eben sehr viel mehr als nur Urbanität und Beton.“

[seitenumbruch]

Patrick Hartl, 38, hat Design in Augsburgstudiert. Schrift und alles, was sie ergeben kann, durchzieht sein Werk. Was München für ihn ist? „Mi Barrio“. Sein aktuelles Projekt heißt „Still just writing my name“.



Aussage? Interessiert Aaron Kokal, 23, nicht. „Ich möchte nur die Realität abbilden.“ Sein Bild zeigt einen künstlichen Strand in Chicago. Das Schöne an der Stadt? „Die Menschen schaffen sich da einfach ihre eigene Welt und blenden den Rest aus.“

"Genießt eure Großeltern, so lange ihr sie habt!"

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jetzt.de: Fabian, du hast 3000 junge Menschen zum Thema Generationenbeziehungen befragt. Was kam dabei raus?
Fabian Tschakert: Eine große Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung und dem eigenen Verhalten: Jugendliche wertschätzen Senioren sehr. Zwei Drittel der Befragten finden sogar, dass man etwas unternehmen sollte, um ältere Menschen stärker in die Gesellschaft zu integrieren. Wenn es aber um die eigenen Großeltern geht, ist das Interesse doch nicht so groß. Zumindest rufen die Menschen zwischen 14 und 29 Jahren ihre Großeltern nicht sehr häufig an. 35 Prozent der Teilnehmer können sich nicht daran erinnern, wann das letzte Telefonat stattgefunden hat. Ungefähr ein Drittel hat höchstens ein paar Mal im Jahr Kontakt zu den Großeltern.



Wie stehen die Generationen zueinander? Fabian und sein Team wollten das mit ihrer Umfrage herausfinden.

Das klingt ja fast ein bisschen scheinheilig.

Das ist auch der Punkt, den wir treffen wollen: Der Unterschied zwischen dem "So denke ich, dass es sein sollte" und dem "Das mache ich". Man will eben nicht so gerne wahrhaben, was man falsch macht. Wenn ich in der U-Bahn aufstehe und den älteren Menschen einen Platz anbiete, dann sagen sie meistens: "Nee, nee, bleiben Sie ruhig sitzen. Ich fahre nur zwei Stationen." Trotzdem freuen sie sich, dass man sie wahrnimmt. Das ist natürlich nur eine persönliche Einschätzung, aber ich beobachte schon, dass andere einfach sitzen bleiben. Das ist schade!

Ältere Menschen bekommen nicht genug Respekt?

Man bringt älteren Menschen nicht mehr dieselbe Anerkennung wie früher entgegen. Sie hatten eine ganz besondere Stellung: als Ratgeber oder Vermittler. Sie hatten den anderen ihre Erfahrung voraus. Heute können moderne Technologien Informationen speichern und weitergeben – dass die älteren Menschen nicht mit diesen Technologien aufgewachsen sind, erhöht die Diskrepanz zwischen Jung und Alt noch mehr.



Fabian Tschakert, 25, arbeitet für das Marktforschungs-Start-up appinio, das die Studie durchgeführt hat.

Warum habt ihr euch gerade dieses Thema für eine Studie ausgesucht?

Wir haben uns überlegt, wann wir das letzte Mal mit unseren Großeltern gesprochen haben. Bei Jonathan, meinem Chef, kam heraus: Das ist schon länger her, er könnte sich mal wieder melden. Dann haben wir in unserem Team herumgefragt. Da sind alle um die 25 Jahre alt und mussten erstmal kurz nachdenken. Keiner konnte sofort sagen: gestern, vorgestern oder letzte Woche. Deshalb wollten wir wissen, wie das generell bei jungen Deutschen aussieht.

Ihr habt die Teilnehmer aber dann nicht nur nach dem Verhältnis zu den eigenen Großeltern gefragt.

Genau, es ging auch um die Wertschätzung von Senioren im Allgemeinen und um den demografischen Wandel. Es gibt ja immer mehr ältere Menschen, das ist eine empirische Tatsache und liegt an der hohen Lebenswartung und einer sinkenden Geburtenrate, der medizinischen Versorgung und so weiter. Natürlich müssen damit gesellschaftliche Veränderungen einhergehen. Darüber wollten wir mehr wissen!

"Senioren könnten Lücken in unserem sozialen Gefüge schließen, indem sie bei der Kinderbetreuung mithelfen."


Was bedeutet so eine überalterte Gesellschaft für uns?
Das betrifft die Wirtschaft und Sozialsysteme, aber auch andere Bereiche des Zusammenlebens. Unser Rentensystem beispielsweise funktioniert ja durch Umlagen: Jede Generation bezahlt mit ihren Beiträgen nicht die eigene Altersversorgung, sondern die der Eltern beziehungsweise der Großeltern. Wenn die Zahl der älteren Menschen in Deutschland wächst, dann wird das schwierig, da ist der Generationenvertrag hinfällig und es braucht neue Formen gesellschaftlicher Verantwortung und des Zusammenlebens.

Wie könnte so was zum Beispiel aussehen?

Was den meisten fehlt, wovon Senioren aber sehr viel haben, ist Zeit. Also könnten sie Lücken in unserem sozialen Gefüge schließen, indem sie bei der Kinderbetreuung oder der Pflege anderer älterer Menschen mithelfen.



Ergebnisse der Umfrage: Die Mehrheit findet, dass wir Senioren mehr wertschätzen sollten – aber die meisten besuchen die eigenen Großeltern trotzdem eher selten.

Was ist mit dir und deinem Umfeld: Hat eure Studie etwas verändert?
Mein Chef Jonathan hat sofort nach Feierabend bei seinen Großeltern angerufen. Ich selbst habe keine Großeltern mehr, aber dafür meine Eltern angerufen. Mit meiner Großmutter, die erst vor einem Jahr gestorben ist, hatte ich tatsächlich ein sehr gutes Verhältnis. Auch während ihrer Krankheit bin ich oft zu ihr gefahren und habe mich eine Woche um sie gekümmert. Man fragt sich natürlich immer: Hätte ich häufiger anrufen sollen? Hätte ich es noch besser machen können?

Konntest du mit deiner Großmutter auch über ernstere Themen sprechen?

Je älter man ist, desto erwachsener werden die Gespräche. Als 14-Jähriger hat man noch so seine Geheimnisse, die man nicht verraten will. Aber später verändert sich das Verhältnis, genau wie zu den Eltern. Ich habe mit meiner Oma über viele Dinge aus meinem Leben gesprochen.

Und auch über ihr Leben?

Ihre eigene Geschichte kam manchmal etwas zu kurz. Damals ist mir das nicht so aufgefallen, aber in der Retrospektive kann ich sagen: Über wirklich relevante Dinge aus Omas Vergangenheit haben wir doch zu selten gesprochen.

Hast du einen Ratschlag, den du anderen jungen Menschen nach der Umfrage gerne mitgeben möchtest?

Ich finde es wichtig, dass wir dem Rollenverlust des Alters entgegenwirken und Senioren nicht aufs Abstellgleis schieben. Gerade unsere Großeltern haben als letzte Zeitzeugen des zweiten Weltkriegs viel erlebt und vor allem in der Nachkriegszeit so viel geleistet. Es ist auch ihnen zu verdanken, dass wir jungen Menschen heute in diesem Wohlstand aufwachsen können – auch wenn die öffentliche Diskussion meistens nur darum geht, dass die arme junge Generation die ältere mitfinanzieren muss. Genießt eure Großeltern, so lange ihr sie habt!

Die Kraft der Drums

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Man kennt das ja schon vom Zuschauen und Zuhören eines Schlagzeugsolos: Den ekstatischen Vibes, die einem dabei entgegen kommen, kann man sich nicht entziehen - im Gegenteil, man will sofort losschreien und mittrommeln und mitzappeln und weiß dabei doch, dass man eh niemals das erleben kann, was der Drummer jetzt erleben muss: nämlich die ultimative Ausraste-Befriedigung. Es muss herrlich sein, das Schlagzeug zu beherrschen, sagt man sich, ungefähr so herrlich, wie richtig gekonnt Boxen zu können – da kann einem wahrscheinlich gar nichts mehr passieren. Jeder Wutanfall, jedes Lebensproblem findet seine Therapiesitzung in dem Loslegen an den Drums oder am Boxsack.

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Und tatsächlich beweisen es diverse Studien: Keine musikalische Ausdrucksform wirkt so gesund und entlastend auf den menschlichen Organismus wie das Trommeln auf den Drums. Es entstresst, es senkt den Blutdruck, es wirkt natürlich schmerzlindernd, stimmungsaufhellend, es regt die Aktivität der Killerzellen des Immunsystems an – alles, was gut ist eben. Okay, Musik ist bekannt dafür, massive Heilkräfte zu besitzen, aber tatsächlich ist das Spiel am Schlagzeug besonders gesund, da jede Faser des Körpers mitarbeitet, noch stärker als zum Beispiel beim Gitarrenspiel, das ja vor allem über Hand und Finger funktioniert.

http://www.youtube.com/watch?v=J2xBPjPqEhc

Wir lernen: Ausrasten und Um-Sich-Schlagen ist sehr gesund. Vor allem wenn dabei niemand verletzt wird und auch noch Musik entsteht. Zur Hölle also mit den über Ruhestörung jammernden Nachbarn! Die sollen sich lieber selbst ein paar Drums besorgen. Hilft gegen Krebs. Und Verbitterung. Und so. Glaubt dir niemand? Einfach dieses Dokument ausdrucken und in den Hausflur hängen.

mercedes-lauenstein

Meine Straße: Schellingstraße

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"Die Schellingstraße ist für mich die beste Straße der Stadt, ich würde nie woanders hinziehen wollen. Die Uni, die Museen, der Englische Garten, das Stadtzentrum, alles ist nebenan. Und es gibt hier alle Verkehrsmittel. Die Busse bringen einen bis zum Arabellapark, die Tram bringt einen bis ans Sendlinger Tor, die U-Bahn sofort zum Hauptbahnhof und zur Messe. Aber eigentlich muss man hier gar nicht weg, man kann einen ganzen Tag in dieser Straße verbringen, ohne sich zu langweilen. Und als wäre das alles nicht schon genug, liegt die Schellingstraße auch noch perfekt genau entlang der Ost-West Sonnenachse – morgens geht die Sonne direkt hinter der Ludwigskirche auf und geht ganz genau auf der anderen Seite wieder unter. Toll ist das!

Ganz neu in der Schellingstraße ist das Lost Weekend in der alten Unibibliothek Heinrich. Und obwohl ich es gut finde, dass es in der Ecke zusätzlich zum Cadu endlich mal einen moderneren Kaffeeladen gibt, der dazu noch ganz gute Bücher hat, weiß ich noch nicht so richtig, wie ich es finden soll. Einerseits sieht es aus wie ein Co-Working-Space, andererseits fehlen dafür dann aber die Steckdosen. Kaffee und Snacks sind ziemlich teuer und es gibt anscheinend keine normale Milch, sondern nur Sojamilch. Das finde ich so albern, dass ich den Laden eigentlich schon aus Prinzip boykottieren will.





Ich mag eigentlich auch keine Bibliotheken, aber ich liebe das Historicum an der Ecke Amalienstraße. Es ist fast komplett verglast und man guckt in den ruhigen Innenhof der Uni. Da kann ich stundenlang sitzen, ohne mich zu langweilen oder nervös zu werden.
Richtig tolle Pizza gibt es bei Lo Studente an der Ecke Türkenstraße. Die Inhaber und Kellner sind alle Italiener, an den Wänden hängen Familienfotos und ständig läuft irgendein Fußballspiel.
Bei dem Franzosen Dompierre kaufe ich manchmal mein Brot, und mit Vorliebe auch die Eclairs, die sind nämlich die besten der Stadt. Auch der Kaffee ist hier großartig.

Vom Okra-Döner bin ich neuerdings auch total überzeugt. Der Gemüsedöner von denen ist nämlich nicht, wie sonst fast überall, eigentlich ein Eisbergsalatdöner, sondern mit richtig viel und echt gutem, gegrilltem Gemüse gefüllt. Und gleich nebenan gibt’s dann sehr gutes Eis – bei Gelati In. Das Eis ist meiner Meinung nach deutlich besser als das dieser hippen, neuen Eisdielen, die es jetzt überall gibt. Und dazu noch viel günstiger. Außerdem gibt es hier noch richtige Eisbecher und italienische Limos. Im Schellingsalon bin ich selten, auch wenn das ja ein Klassiker unter den Münchner Gasthäusern ist. Aber ich spiele halt nicht gern Billard oder Tischtennis – und dafür gehen die meisten ja dort hin. Am Kiosk drinnen kann man sich aber abends, wenn die Läden schon zu haben, noch super Spezi, Bier oder Grundnahrungsmittel wie Eier, Milch und Sahne holen.

Im Papierladen gibt es die schönsten Schreib- und Papierwaren überhaupt. Deshalb gehe ich da regelmäßig rein, wie andere in Galerien: einfach nur, um zu schauen. Außerdem liebe ich den Second-Hand-Laden Marietta Spitzbarth, Ecke Arcisstraße. Da ist es total herzlich und es gibt eine super Auswahl an alten und mitunter ziemlich extravaganten Markensachen. Außerdem stehen immer Gummibärchen auf dem Tresen, und in einem Körbchen schläft ein kleiner Mops.

Die Ecke Luisenstraße, an der ich wohne, ist ein bisschen verflucht. Im Moment ist in dem Laden an der Ecke wieder das italienische Restaurant La Perla drin. Die waren vor vielen Jahren schon einmal da, bevor erst ein russisches Restaurant den Laden mietete, dann ein griechisches, dann ein indisches. Alle gingen innerhalb kürzester Zeit pleite. Bei La Perla scheint es jetzt wohl zu funktionieren, aber ich bin gespannt, wie lange das hält. Dasselbe Trauerspiel gibt es auch in der Bäckerei unter meiner Wohnung: Da ist jetzt schon der dritte Bäcker in Folge drin und alle kommen auf die gleiche, wenig einladende Weise daher.

An der Ecke Augustenstraße hole ich mir seit zwei Jahren jeden Sonntagabend beim vietnamesischen Imbiss Hanoi etwas zu essen. Zum „Tatort“-gucken mit einer Freundin. Gericht Nummer 44, Bun Bo. Die kennen mich dort schon sehr gut, nett sind sie aber leider trotzdem nicht zu mir. Dafür ist halt das Essen top. Und im englischen Buchladen schräg gegenüber stöbere ich auch gern rum. Genauso wie in den Antiquitätenläden, in denen es Möbel und Dirndl gibt. Nur der eine Besitzer ist etwas verschroben: Neulich kam ich in den Laden und er hat mich eine „Hure“ geschimpft, die sich von ihrem reichen Mann Sachen kaufen lässt. Dabei habe ich nicht mal einen Mann."




Allein, aber fein!

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Das Problem sind die anderen. Also die, die zu viert am Café-Tisch sitzen und alle paar Minuten laut lachen. Oder die zu zweit ins Kino gekommen sind und den großen Eimer Popcorn zwischen sich auf der Lehne balancieren. Die sind dort, weil sie sich verabredet haben. Weil sie gemeinsam Spaß haben wollen. Weil man das doch so macht.

Oder?

Ich bin kein großer Allein-Ausgeher. Ich gehe nie alleine ins Kino oder auf ein Konzert. Was ja schon deshalb merkwürdig ist, weil man im Kino oder im Konzert, abgesehen von einer schwitzigen Hand, nichts von seiner Begleitung hat. Trotzdem war ich mal ein halbes Jahr nicht im Kino. Weil ich in einer Stadt lebte, in der ich kaum jemanden kannte. Alleine mochte ich nicht. Das Gefühl, zwischen all den schwatzenden Grüppchen als schweigender Satellit rumzustehen, kam mir schon in meiner Vorstellung fürchterlich vor – probiert habe ich es nie.



Allein, allein...

Warum das so ist, habe ich mir nie richtig klargemacht. Bis ich von einer neuen wissenschaftlichen Studie las. In den USA haben zwei Forscherinnen untersucht, warum Menschen so ungern Dinge allein unternehmen. Die Studie wird erst im August veröffentlicht, aber das New York Magazine zitiert diese Woche schon daraus. Die Forscherinnen haben in Befragungen vor allem zwei Dinge herausgefunden. Erstens: Es gibt Aktivitäten, die wir besonders ungern alleine unternehmen. Nämlich solche, die als "hedonistisch" gelten. Zum Beispiel: Kino, Konzert, Kaffee trinken, tanzen. Die Mehrheit der Befragten gab an, sich in diesen Situationen allein besonders schlecht zu fühlen, "weil Beobachter dann denken könnten, sie hätten keine Begleitung gefunden."

Allerdings: Das unangenehme Gefühl wurde sofort schwächer, je weniger Beobachter dabei waren. Oder sobald die Aktivität nach außen nicht rein hedonistisch wirkte, sondern irgendwie zweckgerichtet. Es half schon, dass die Befragten im Café eine Zeitung lasen. Das heißt: Das Alleinsein war nicht per se unangenehm. Es wurde erst unangenehm durch das vermeintliche Urteil von anderen. Und sobald es einen vernünftigen Grund für das Alleinsein gab (etwa eine Zeitung), war es wieder okay.

Die Botschaft der Forscher: Da draußen gehen riesige Mengen an Spaß ungehabt verloren, weil wir uns nicht trauen! 



Absurd? Absurd. Aber schon auch so, wie ich es immer unbewusst gespürt hatte. Wenn man mir damals, in dem halben Jahr in der fremden Stadt, versprochen hätte, dass ich das Kino-Foyer komplett für mich alleine haben würde – keine Beobachter! – ich wäre vermutlich hingegangen. Umgekehrt: Die paar Mal, die ich seither doch mal allein im Kino war, hatte ich einen guten Grund dafür – es waren Pressevorführungen, ich stand also mit Block und Kugelschreiber im Foyer und fühlte mich plötzlich okay. Ich war ja nicht zum Genießen hier.

Nun wollten die Autorinnen der Studie aber noch wissen, ob die Sorge gerechtfertigt ist. Ist es wirklich weniger schön alleine? Hat man tatsächlich weniger Spaß ohne Freunde? Also luden sie Studenten auf einem Campus ein, spontan eine Kunstgalerie in der Nähe zu besuchen. Manche waren dabei allein, andere mit Freunden. Die Probanden sollten vorab sagen, wie viel Spaß sie sich von dem Galeriebesuch erwarteten – und danach, wie viel Spaß sie tatsächlich gehabt hatten. Ergebnis: Diejenigen, die allein waren, schätzten ihren Spaß vorher (wie erwartet) deutlich geringer ein – waren aber nach dem Galeriebesuch genauso begeistert wie diejenigen, die mit Freunden unterwegs waren. Ob allein oder in der Gruppe: Alle hatten denselben Spaß.

Die Nachricht der Forscherinnen ist also eine, die wir uns mal merken könnten: Da draußen gehen riesige Mengen an Spaß ungehabt verloren, weil wir uns nicht trauen! Weil wir gerade Single sind oder in einer neuen Stadt wohnen, deren Bewohner unsere Nummer nicht haben. Weil die Freunde im Urlaub sind, oder weil wir uns einreden, dass wir ja eh irgendwie müde sind und die Netflix-Gebühr sich ja auch mal lohnen soll. Dabei ist Alleinsein nicht schlimm – und wird schon gar nicht dadurch schlimmer, dass wir etwas mit uns selbst unternehmen. Wer alleine ausgeht, kann nur gewinnen. Und wer sich trotzdem nicht traut, kann ja Block und Kugelschreiber mitnehmen.

Wochenvorschau: So wird die KW 19

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Wichtigster Tag der Woche:
Freitag. Da besorge ich mir endlich eine Sonnenbrille. Mit großer Nase und wenig Geld ist das ein schwieriges Unterfangen, welches auch mal mehrere Monate beanspruchen kann.

Kulturelles Highlight:
Am 10. Mai findet in München wieder "Deine Welt – Streetfood küsst Musika" auf der Praterinsel statt. Da ich schon das letzte Mal so begeistert war von den verschiedenen Food-Kreationen (selbstgemachte Süßkartoffelpommes, exotische Riesenhotdogs...), werde ich auch dieses Mal wieder hingehen und mich zu Livemusik den Kalorien hingeben. Vor allem kann ich das Tram Cafe mit seinen herrlichen Crêpes empfehlen. Die Veranstaltung ist nicht vom Wetter abhängig, auch bei Regen gibt es einen großen Indoorbereich.

http://www.youtube.com/watch?v=e3W7BENP8ZQ

Politisch interessiert mich…

wie das Flüchtlingsproblem geregelt wird. Bei einer erwarteten Anzahl von mehr als 200.000 Flüchtlingen in diesem Jahr ist es an der Zeit, endlich eine andere Lösung zu finden als die menschenunwürdigen Auffanglager oder scheinheiligen Schweigeminuten in mittelmäßigen Talkshows.

Soundtrack:

Auch wenn es schon im Februar erschienen ist, bekomme ich als Kante-Sympathisantin ihr neuestes Album "In der Zuckerfabrik" noch immer nicht aus den Ohren. Wenn jemand ein Bertold-Brecht-Gedicht in einen Song umwandelt und sich das Ganze anhört wie ein opiumgetränkter Abend im Asiashop, dann bin ich dabei! (Besagter Song ist "Das Lied vom Sankt Nimmerleinstag".)

Wochenlektüre:

Erst durch Irvine Welsh hat mein 16-jähriges Ich damals begriffen, dass England nicht das Land der im Garten sitzenden und teeschlürfenden Monokelträger ist, sondern genauso hässlich sein kann wie ein Regentag an einem Kleinstadtbahnhof. Immer wieder begeistert von Welshs Talent, das Widerlichste und Absurdeste aus dem Menschen herauszukramen und auf ein paar Seiten Papier zu präsentieren, freue ich mich umso mehr auf sein neustes Werk "A decent ride", in dem es – welch Überraschung – um die Exzesse eines misogynen Frauenjägers geht.

Kinogang:

Da das Wetter so richtig mies werden soll, wäre das eine super Gelegenheit, mal wieder ins Kino zu gehen. Diese Woche kommt die britische Gangsterkomödie "What the fuck is redirected" in die Kinos, in der es um vier Freunde geht, die nach einem Casino-Überfall mit dem Flugzeug in Litauen statt in Malaysia landen und es plötzlich mit der litauischen Mafia zu tun haben. Klingt etwas abgedreht, aber nachdem ich "Snatch" und "Bube, Dame, König, grAs" gesehen habe, habe ich einen kleinen Fetisch für britische Gangsterkomödien entwickelt und kann dem nun umso weniger widerstehen.

http://www.youtube.com/watch?v=qUj_DIErpBo

Geht gut diese Woche:

Squashrunde mit Bruderherz. Die Beinah-Nahtoderfahrung nach einem viersekündigen Sprint zum Bus registriere ich als einen deutlichen Hinweis meines gealterten Körpers, auch mal wieder ein oder zwei Beine zu heben.

Hoffentlich sieht das dann auch so elegant aus wie bei den beiden hier:

[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/cgcwX9qUqVwYw/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/cgcwX9qUqVwYw/giphy.gif"]

Geht gar nicht:
Sport im Freien. Da es wieder regnen soll, ist mein Vorsatz, mehr zu joggen, leider zum Scheitern verurteilt. Leider.

[plugin imagelink link="https://media2.giphy.com/media/I1mDA4dGGjbnW/200.gif" imagesrc="https://media2.giphy.com/media/I1mDA4dGGjbnW/200.gif"]

Und sonst so:
Die Frühlingsgefühle haben auch mich gepackt und zu spontanen Baumkäufen verführt. Als Amateurgärtnerin mit lachhaften botanischen Kenntnissen hoffe ich somit auf eine reiche Apfel-, Pflaumen-, Kirsch- und Aprikosenernte in den nächsten Jahren. Realistisch betrachtet wird das ganze aber eher so aussehen:

[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/m6JlOXBxbExTq/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/m6JlOXBxbExTq/giphy.gif"]

Wir haben verstanden: KW 18

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  • Auf Elektrokonzerten beträgt der Altersdurchschnitt gefühlt 16,8 Lebensjahre.

  • Xabi Alonso ist nicht nur ein großartiger Fußballer. Er kann auch sehr gut Ausrutscher anderer Menschen nachahmen.

  • Man kann noch so viele Äpfel mit ins Büro nehmen – man kauft sich trotzdem irgendwann Schokolade am Automaten.

  • Nachtbusse aus Schottland transportieren sehr viele sehr dicke Menschen mit sehr hohem Alkoholpegel.

  • Mehrere Schnarcher zusammen ergeben keine Band, sondern ein Medley aus der Hölle.

  • Männer reagieren auf den Anblick einer Toilettenschlange so fassungslos, als würde man ihnen ein Grundrecht versagen ("WAS?! ANSTEHEN?!") und formen Protestgrüppchen ("Wir wollen den Manager sprechen!" "Wir pinkeln denen einfach gegen die Wand!").

  • Auch in Freundschaften springt manchmal einfach nicht der Funke über.

  • Die niedlich-traurigste Seite des Internets ist: SAD ANIMAL FACTS[plugin imagelink link="http://36.media.tumblr.com/483698d4b77c101eccc104fb619f1e5e/tumblr_nmwwmikYCM1t3xw9zo1_1280.jpg" imagesrc="http://36.media.tumblr.com/483698d4b77c101eccc104fb619f1e5e/tumblr_nmwwmikYCM1t3xw9zo1_1280.jpg"]

  • Nach einem ordentlichen Kneipenbesuch verabschiedet man sich in England von allen Gästen mit Handschlag.

  • Wer streiten will, soll Auto fahren.

  • Wann man sich in einer Stadt angekommen fühlt: Wenn man Samstags auf den Markt geht und weiß, wo es die besten Äpfel gibt.

  • Wenn Menschen am Wasser sitzen, fangen sie immer irgendwann an, Steine ins Wasser zu werfen (sofern es welche gibt). Wirklich mmer. Das scheint ein Naturgesetz zu sein.

  • Schwimmende Hunde sehen einfach zu lustig aus.

  • Freiburg ist ein badisches Miami.

  • Endlich ein Sofa besitzen ist super! Vor allem, weil man abends den so oft gehörten, selbst nie gesagten, aber immer herbeigesehnten Satz sagen kann: "Puh, bin ich müde. Ich glaube, ich ziehe mal vom Sofa ins Bett" – um danach auf dem Sofa einzuschlafen.


Kein Zurück

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Jeder erzählt mal eine Notlüge. Oder reißt den Mund zu weit auf. Oder kriegt ihn nicht auf, wenn er eigentlich etwas sagen sollte. Meistens versucht man damit ja bloß, sich durch einen unangenehmen Moment zu retten: Man behauptet, man könne surfen, weil man sich vor den anderen am Strand keine Blöße geben will; erzählt den Mitbewohnern nicht, dass man die Miete nicht gezahlt hat, weil man sich vor den Konsequenzen fürchtet; oder lobt das Essen, das einem nicht schmeckt, weil man den Gastgeber nicht verletzen will. Doch wenn man kopflos durch einen unangenehmen Moment stürzt, um ihn möglichst schnell hinter sich zu lassen, macht man damit oft alles nur noch schlimmer. Löst eine unaufhaltsame Kettenreaktion aus oder verstrickt sich in eine Lügengeschichte.

Hier erzählen sechs Menschen, wie sie sich in eine Situation manövriert und dann nicht mehr herausgefunden haben. Und wie peinlich oder wie dramatisch es sein kann, wenn man merkt: Es gibt kein Zurück mehr.




Die Gemälde


Es ist nicht so, dass meine Eltern keine Kunst mögen nur eben keine Miró-Drucke. Leider haben sie verpasst, das meiner Oma zu sagen. Und so stand die mehrmals im Jahr mit einem großformatigen, gerahmten Bild von Joan Miró vor unserer Tür und war fest davon überzeugt, sie würde damit zur Wohlfühlatmosphäre unseres Wohnzimmers beitragen. Zu ihrer Verteidigung: Wir haben nicht nur nie versucht, sie vom Gegenteil zu überzeugen, wir haben sogar jedes Mal unsere Bilder ab- und ihre Drucke aufgehangen, wenn sie zu Besuch kam. Ich weiß noch gut, wie zu den üblichen Vorbereitungen der Stress des Wiederaufhängens kam. Das war vor allem schwierig, weil sich außer meiner Oma niemand so richtig erinnern konnte, wo das letzte Mal welcher Druck hing. Sobald meine Oma zurückfuhr, nahmen wir die Bilder wieder von den Wänden und stellten sie in eine Kellerecke bis zum nächsten Besuch.

Mit den Jahren sammelte sich eine regelrechte Miró-Armada im Keller an, deren Anbringung im ganzen Haus zwei Personen eine halbe Stunde beschäftigte. Oft schlugen wir neue Nägel in die Wände, weil es aus irgendeinem Grund immer mehr Bilder als Halterungen gab. Wenn Oma dann wieder da war, saß sie glücklich unter dem Bild mit dem Männchen, das wie eine lebende Schnullerflasche aussah, oder merkte stolz an, wie gut der fette, rote, asymmetrische Punkt auf einem anderen zu unserem Sofa passte. Und uns war klar, dass Joan Miró immer Teil unseres Wohnzimmers sein würde zumindest, wenn Oma kam. 

Kristin Höller

Der Rasierer


In einem Elektronikmarkt kaufte ich einen Langhaar-Rasierer, der mich endlich akkurat unrasiert aussehen lassen sollte. Zu Hause musste ich allerdings feststellen, dass der Rasierer nur drei Stufen hatte: zwei für sehr langbärtige Menschen und eine für solche, die sich direkt ins Gesicht schneiden wollten. Genervt säuberte ich das Gerät und legte es in die Verpackung zurück. Sah alles noch neu aus, war ja auch nur zehn Minuten ausgepackt.

An der Reklamationstheke erklärte mir ein junger Mann, dass Rasierer vom Umtausch ausgeschlossen seien. Hygiene und so. Nicht mit mir, dachte ich. Und sagte Sachen wie: Das kann doch nicht sein! und Ich hab den noch nicht mal ausgepackt! Das hielt ich so lange durch, bis es auch dem Mitarbeiter zu blöd wurde. Er nahm resigniert meinen Rasierer zurück. Ha!

Dann nahm er allerdings die Kappe ab. Sofort fielen Unmengen von Haaren heraus. Wie eine rhetorische Frage schwebte dieser kurze Moment zwischen uns. Während mein Gehirn noch alle Handlungsoptionen evaluierte, hatte mein Stolz schon entschieden, dass wir nicht mehr zurück können. Also volle Kraft voraus. 200 Prozent.

Das ist ja eine Unverschämtheit! hörte ich mich laut sagen. Den hat ja schon jemand benutzt! Was mir an Glaubwürdigkeit fehlte, versuchte ich mit Lautstärke zu kompensieren. Ich will den Manager sprechen! Irgendwann ging mir die Puste aus. Es war der leere Blick des Reklamationsmenschen, der mich bremste: Da war kein Zorn, nur noch die Müdigkeit, sich mit solchen Idioten wie mir herumschlagen zu müssen.
 
Ich hielt meine Rolle des empörten Kunden noch kurz aufrecht (wildes Gestikulieren!), aber am Ende blieb mir nur noch der Abgang, der Dank des zerlegten Geräts ungefähr so lange dauerte wie die traurigen Szene eines Roy-Andersson-Films, und den ich noch mit dem drohenden Kommentar krönte, mir so etwas nicht bieten zu lassen.

Den Rasierer benutze ich nun seit über 10 Jahren.

Johannes Uschebdy

>>> Auf der nächsten Seite: ein ausgereizter Dispo und ein falscher Vorname



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Die Schulden


Das ging los, als ich das Auto gekauft habe. Bin dabei übel in den Dispo gerutscht. Aber anstatt im nächsten Monat kürzer zu treten, habe ich meinen Dispo eben erhöht. Das war der Anfang vom Ende.

Zwei Monate später war ich mit meiner damaligen Freundin in Paris, danach in Holland. Ich hatte meine Ausgaben überhaupt nicht unter Kontrolle. Nach sechs Monaten kündigte mir die Bank die Dispoerhöhung. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt habe ich aufgehört, meine Miete zu bezahlen. Aber ich erzählte niemandem was los war. Den Schein wahren, dass alles in Ordnung ist, war das Wichtigste. Ich war clever genug, um sicherzustellen, dass erst mal nichts passiert. Für diesen RTL-Schuldenberater wäre ich wahrscheinlich ein klassischer Fall gewesen.

Es summierte sich. Mein Handyvertrag wurde gekündigt. Wir bekamen eine Stromnachzahlung. Das Auto musste repariert werden. Auf meinem Schreibtisch stapelten sich unbezahlte Knöllchen. Die Mahngebühren stiegen und stiegen.

Und dann kam der Brief von der Vermieterin. Alles flog auf und mir um die Ohren. Ich versuchte einen Kredit aufzunehmen, was zum Glück nicht funktioniert hat. Ein paar Wochen später lag die fristlose Kündigung auf dem Tisch und einer meiner Mitbewohner, ein guter Freund, rief meine Mutter an. Meine Eltern haben sofort alle Schulden bezahlt, ungefähr 5000 Euro.

Mein Vater hat seitdem Zugriff auf mein Konto. Wenn ich mit Karte zahle, bekomme ich manchmal eine SMS von ihm: War lecker gestern bei Mäckes?

Michael Ritter (Protokoll: Boris Fichtlein)

Der Name 


Wenn ich irgendwo neu bin, stelle ich mich als Katharina vor. Häufig machen die Leute dann eine Kathi aus mir. Mit diesem Namen komme ich klar. Ich habe auch nichts gegen Kathrins nur bin ich eben keine von ihnen.

Als meine Chorleiterin das erste Mal Kathrin zu mir sagte, dachte ich, sie habe sich nur versprochen. Als es in der nächsten Chorprobe wieder passierte, war ich peinlich berührt, weil ich sie beim ersten Mal nicht korrigiert hatte, und hoffte, es habe keiner gehört. Als daraufhin die ersten Chormitglieder anfingen, mich mit Kathrin anzusprechen, wusste ich, dass ich endgültig den Moment verpasst hatte, um laut zu sagen, dass ich Katharina heiße.

Nachdem sich der Name im Chor etabliert hatte, fühlte ich mich hilflos und vor allem: selbst schuld. Ich wusste nicht, wie ich wieder zur Katharina werden konnte. Ich hätte die anderen nicht nur korrigieren, sondern zusätzlich eine Erklärung liefern müssen, warum ich so lange mit der Korrektur gewartet hatte. Und ich wollte nicht kleinkariert, kein pedantischer Verbesserer sein.

Die Leute, die mich schon länger kannten, starteten eine Hilfsaktion: Überdeutlich sprachen sie meinen richtigen Namen aus. Mit Erfolg! Einige im Chor adaptierten Kathi. Die Chorleiterin allerdings nicht. Als ich ankündigte, dass ich in eine andere Stadt ziehen würde, verabschiedete sie mich als Kathrin. 

Katharina Häringer

>>> Auf der nächsten Seite: Schokolade wider Willen und Kampf gegen die Wellen

 


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Der Kuchen 


Vor einigen Jahren habe ich länger in Südfrankreich gelebt, davon zwei Jahre im Wochenendhaus einer französischen Familie. Direkt nach unserem Kennenlernen luden sie mich zum Essen ein. Als Nachtisch gab es selbstgemachten Schokoladenkuchen. Ich kann Schokolade überhaupt nicht ausstehen, aber da ich natürlich höflich sein wollte, machte ich der Mutter ziemlich überschwängliche Komplimente für ihre Backkünste. Als die Familie am nächsten Wochenende wieder ins Haus kam, gab es: Schokoladenkuchen.

Sie waren irrsinnig nett und hatten mich direkt so herzlich aufgenommen, dass ich es einfach nicht übers Herz brachte, etwas zu sagen. Von diesem Moment an bekam ich fast jedes Wochenende Schokoladenkuchen. Der war auch sehr gut, glaube ich. Wenn man Schokolade mag.

Und dann, nach etwa eineinhalb Jahren, gab es plötzlich einen Aprikosenkuchen. Wahnsinnig lecker! Als die Mutter des Hauses das nächste Mal einen Kuchen backen wollte, habe ich ganz unauffällig gefragt, ob man nicht wieder Aprikose statt Schokolade machen könnte. Da schallte ein lautes Lachen des Vaters aus dem Wohnzimmer, der sagte: Schatz, stell dir mal vor, wie absurd das wäre, wenn Quirin keine Schokolade mögen würde!
 
Quirin Rohleder (Protokoll: Johannes Uschebdy)

Die Prahlerei 


Ich habe eine große Klappe. Die hatte ich auch im Sommer 2006. Zumindest zuerst und dann habe ich sie im richtigen Moment nicht mehr aufgekriegt. Oder besser: wollte sie nicht aufkriegen.

Ich war mit einer Freundin in Südfrankreich. Wir schnupperten Freiheit und Surferluft. Um uns herum standen lauter VW-Busse. Jeden Morgen verschwanden deren braungebrannte Fahrer mit Surfboards zum Strand. Das wollten wir auch. Vor dem lässigen Lehrer und den hübschen Jungs beim Boardverleih gaben wir uns selbstsicher als erfahrene Surferinnen aus.

Dann kam der Moment, in dem wir das beweisen mussten. Wir liehen uns Surfbretter aus. Der Surflehrer fragte noch: Seid ihr sicher, dass ihr das könnt? Wahrscheinlich hielten wir die Bretter schon falsch. Das wäre der richtige Moment gewesen, um unsere kleine Notlüge doch noch aufzuklären. Aber irgendetwas in mir weigerte sich, immerhin standen da die ganzen Surferjungs um uns herum. So schwer wird das schon nicht sein, dachte ich. Und sagte: Klar können wir das!

Stimme natürlich nicht. Die Strömung zog uns sofort aufs offene Meer. Unsere letzte Chance, wieder zum Strand zu gelangen, waren die Wellen. Ständig schluckte ich Salzwasser, wusste nicht, wo oben und unten ist. Irgendwie schafften wir es, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Voller Scham brachten wir die Boards zurück zum Surflehrer, der sich natürlich vor Lachen schüttelte.

Unser sicheres Auftreten war total überflüssig. Hätten wir nicht so geprahlt, hätten wir uns einige blaue Flecken und geprellte Rippen ersparen können. Allerdings bin ich so wenn auch schmerzhaft zu einem neuen Hobby gekommen. Heute reise ich den Wellen hinterher, wann immer ich kann, und werde nach wie vor manchmal von ihnen verprügelt. Aber immerhin weiß ich jetzt, wie ich sicher zurückkomme. 
 
Mirja Hellwig

Leider keine Ballerina

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... um zu bügeln. Schon der Gedanke daran, das Bügelbrett aufzustellen, das Bügeleisen einzustecken und etwas zu bügeln, fühlt sich für mich nach maximaler Zeitverschwendung an. Die Ausrüstung dazu hätte ich in meiner WG zwar, aber wir haben sie bisher fast ausschließlich dazu genutzt, im Winter unsere Snowboards zu wachsen. Das Brett stand dann ein paar Monate als prima Ablage im Flur, aber schön ist das ja auch nicht.

Ich habe im Schrank ein paar einzelne Teile für besondere Anlässe, die eine Glättung vor dem Tragen notwendig machen. Im Zweifel würde ich das schon hinbekommen, aber wenn ich früh genug weiß, dass ich sie brauchen werde, stecke ich sie doch lieber während meines nächsten Besuchs bei meiner Mama in die Wäsche und nehme sie gebügelt wieder mit. Nein, dafür bin ich nicht zu alt. Allerdings kommt das wirklich selten vor, denn ich achte schon beim Einkaufen darauf, alles zu vermeiden, was Falten außerhalb des Toleranzbereichs erzeugen könnte.

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... um noch mit dem Balletttanzen anzufangen. Und das bedauere ich wirklich sehr. Eigentlich hatte ich schon mit sechs Jahre Lust dazu, aber Gitarre spielen wollte ich auch. Und weil ich schon so viele Hobbys hatte, sagte meine Mutter: „Dana, du musst dich entscheiden: Gitarre oder Ballett.“ Ich wählte Gitarre. Und dann war ich ganz schnell 12 oder 13, da hören die meisten anderen Kinder mit dem Ballettunterricht schon wieder auf – jetzt ist es also definitiv zu spät. Die Idee von mir an einer Ballettstange ist mir nie ganz aus dem Kopf gegangen. Ja, ich weiß, es gibt sicherlich auch Kurse für Erwachsene, aber ich glaube, das sähe bestimmt uncool und sehr laienhaft aus. Wenn, dann hätte ich es gerne richtig gelernt. Und dafür muss man einfach früh anfangen – damit der Körper noch flexibel und man selbst empfänglich für eine autoritäre Ballettlehrerin ist. Ich befürchte, weder das eine noch das andere trifft heute auf mich zu.

Salzige Mädchen

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[plugin imagelink link="http://www.ianpettigrew.com/uploads/2/8/7/9/2879459/250201_orig.jpg" imagesrc="http://www.ianpettigrew.com/uploads/2/8/7/9/2879459/250201_orig.jpg"] (Quelle)


Ian Pettigrew ist eigentlich Modefotograf. Für seine neue Fotoserie bekommt er über die Fashion-Branche hinaus Aufmerksamkeit: Der Fotograf, der selbst an Mukoviszidose erkrankt ist, hat bereits für sein Projekt "Just Breathe" Patienten fotografiert, die an der Stoffwechselkrankheit leiden. Dabei ist ihm aufgefallen, dass er viel mehr Frauen als Männer vor die Kamera bekam - und hatte eine Idee für eine neue Fotoserie.

[plugin imagelink link="http://www.ianpettigrew.com/uploads/2/8/7/9/2879459/7314840_orig.jpg" imagesrc="http://www.ianpettigrew.com/uploads/2/8/7/9/2879459/7314840_orig.jpg"] (Quelle)

Für sein Nachfolgeprojekt fotografierte Ian Pettigrew Mukoviszidose-Patientinnen zwischen 20 und 40 Jahren – und zwar im Bikini, im BH oder mit hochgekrempeltem Oberteil, sodass man ihre Narben und die Sauerstoffapparate sieht, die sie zum Teil zum atmen brauchen. "Salty Girls" hat er die Fotostrecke genannt: salzige Mädchen, weil der Schweiß von Mukoviszidose-Patienten einen erhöhten Salzgehalt aufweist. Noch schöner als die Fotos von Ian Pettigrew ist, was er im Interview mit der Huffington Post sagte: "Unsere Körper sind Landkarten von allem, was wir durchgemacht haben, und das sollte Teil dessen sein, was sie so erstaunlich macht. Unsere Narben zeigen unsere Geschichten, unsere Kämpfe, unsere Erfolge. Sie sollten etwas sein, das wir anerkennen, nicht kritisieren."

kathrin-hollmer 

“Klischees sind kostbar”

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Raphael Stratz hat sogar eine Visitenkarte. “Autor und Texter”, steht da in geprägter Schrift. Und auf der Rückseite: “Der Thesaurus ist mein Lieblingsdino”. Wie viel Ironie da mitschwingt, bleibt unklar. Wie so Vieles an diesem Abend.

Niklas Mönch und Raphael Stratz kommen von der deutschen Uraufführung ihres Stückes “Ausländer” im Theatersaal des Augustinums. Die Küche hat schon zu, es gibt noch Brot mit Tzatziki. Niklas hat vorgeschlagen, zum Griechen zu gehen. “Das passt dann thematisch”. Es geht ja um Europa, die Krise mit Griechenland. Um Konflikte zwischen den Kulturen, die auf einer Zugfahrt von Paris nach Zagreb ausbrechen.
Ein englischer Hafenarbeiter etwa belästigt ein ganzes Abteil mit dem Geruch seines Ham-Sandwichs und eine oberösterreichische Tagestouristin wird panisch, weil sie sich von “Tschuschs” umzingelt fühlt.

 

Im eigenen Stück als müffelnde DB-Beamte zu sehen: Niklas Mönchund Raphael Stratz

Europa also. Zusammenhalt und Solidarität. Flüchtlingsproblematik und Argwohn. Ambitioniertes Projekt, wenn man nicht mal 20 ist. Und eines, bei dem es sehr schwierig ist, einen guten Ton zu treffen. Man ist da schrecklich schnell im Kosmos Sozialpädagogik und Wedeln mit dem Zeigefinger und Claudia Roth hält eine Widmungsrede. Stil kann da ein wichtiger Begriff werden, Verpackung vielleicht auch.Niklas und Raphael sehen mit ihren langen, wirren Haaren und den tätowierten Unterarmen ein bisschen aus wie zwei, die Designmärkte in Friedrichshain organisieren.

Der Ton also. Oder halt: Vielleicht doch erst die Aufführung. Die Theatergruppe der Friedrich-Oberlin-Fachoberschule hat das Stück gespielt. Niklas und Raphael haben dort vergangenes Jahr ihre Fachhochschulreife bestanden. Niklas ging dann für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Frankreich, monatelang haben sie über Skype an den einzelnen Szenen gefeilt. “Erstmal nur für uns.” Als der Text endlich fertig war, hatten die Proben längst begonnen. Die Aufführung ist klassisches Schultheater: aufgemalte Schnäuzer, herunterfallende Pappschilder und ein paar Versprecher – aber der Text, der dem zugrunde liegt, ist bemerkenswert.

 Figuren nah am Stereotyp, Pointen nah am Flachwitz


Der Ton funktioniert also. Quasi jede der Figuren ist nah am Stereotyp, sehr nah. Und dann doch wieder nicht.Die Pointen drohen oft zu Flachwitzen zu werden - und werden es doch nicht. Da gibt es einen baguetteessenden Franzosen, der trotz eigener Knopffabrik nicht in der Lage ist, einen anzunähen. Oder zwei Schaffner, die auf den ersten Blick aussehen wie biedere, müffelnde Deutsche-Bahn-Beamte, dann aber ihren Hang zu lateinischen Redewendungen ausleben. “Na na”, mahnen sie, als jemand fast den Zug verpasst, “Tempus fugit.”

“Dass das ganze Stück auf Klischees aufbaut, ist ja gewollt.”, sagt Niklas. “Apropos.”, sagt Raphael und bestellt drei Ouzo.

Klischees seien kostbar, erklären die beiden dann. Sie verbildlichten schließlich die eigenen Vorurteile. “Die muss man dann nur noch widerlegen.” Raphael muss das wissen. Er ist seit einem halben Jahr Integrationshelfer an einer Münchner Mittelschule, Niklas macht sein FSJ an einem Gymnasium in Obernai im Elsass. Dort war auch die Premiere, das Feedback sei überwältigend gewesen. Das Stück wirkt also auch in einer 10000-Einwohner-Stadt, wo es keinen Starbucks, dafür aber eine Front-National-Quote von 26 Prozent gibt? “Na sicher”, antwortet Niklas und schnipst offensiv beiläufig einen Brotkrümel vom Tisch.

"Der Ursprung des Problems sitzt in den Köpfen"


“Ausländer”, sagt er dann, wolle aber schon auch ein Plädoyer sein. Für mehr Zusammenhalt in Europa und für Solidarität mit Flüchtlingen. Weil man ja überall mitkriegt, dass da was falsch laufe. “Und wenn wieder etwas passiert, dann macht da Günther Jauch eine Sendung zu und gut ist”, sagt Niklas und ist plötzlich so ernst wie am ganzen Abend noch nicht. “Wir sitzen in der S-Bahn und hören den Leuten zu. Und da merkt man, dass der Ursprung des Problems in den Köpfen sitzt.”

Die Köpfe also. Und wie kommt man da am Besten rein? “Am Besten mit Humor. Wenn man gerade so richtig gelacht hat und dann kommt ein Schocker, dann trifft einen das viel intensiver.” Vor allem der Ausgang des Stückes trifft. Die Mission ist also erfüllt. Der Abend war ein Erfolg, fast 400 Zuschauer sind gekommen.

Spät am gleichen Abend sind die jungen Autoren dann langsam doch müde. Und auch ein bisschen stolz. “Unser erstes Stück, das ist schon etwas Besonderes”, sagen sie und grinsen über die Bierflaschen hinweg. Ein klares Ziel hatten sie anfangs noch nicht, dafür einen Namen: Mönch Stratz & Söhne. “Da haben wir uns selbst noch nicht richtig ernst genommen.” Vielleicht tun sie das jetzt immer noch nicht und vielleicht ist das auch gut so.

Sie treten raus vor die Tür, Raphael wirft einen Blick zurück auf die unverputzte Fassade. “Sieht bisschen spießig aus von außen.” “Ich weiß”, sagt Niklas, “ist aber drinnen viel besser als man denkt.”

Cornflakes ohne Ende

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Ryan McHenry ist berühmt. Das ist einerseits erstaunlich. Denn Ryan McHenry ist 2013 nur deshalb berühmt geworden, weil er Vine-Videos mit Ryan Gosling bearbeitet: In die Mini-Videos, die nur ein paar Sekunden dauern, fügt er jeweils einen Löffel mit Cornflakes ein, den er dem Schauspieler vor den Mund hält. Und Gosling, mal mit Blut im Gesicht, mal mit lässiger Brille, weigert sich jedes Mal, sie zu essen. Die Serie wurde berühmt als "Ryan Gosling won't eat his cereal". Andererseits ist die Aufmerksamkeit für die Videos gar nicht so erstaunlich, denn die Vine-Reihe ist ziemlich lustig:

http://www.youtube.com/watch?v=FkpCP9R1Jjc

Nachdem Ryan McHenry sich im vergangenen Jahr eine Auszeit für eine Chemotherapie nehmen musste, machte er sich vergangenen Juli wieder an die Arbeit. Neue Vines und Tweets entstehen, in seinem so beliebten lakonischen Stil. Dann kehrt der Krebs zurück und McHenry bleibt bis zuletzt aktiv auf seinem Twitter-Account. Am Sonntag ist Henry im Alter von 27 Jahren an Krebs gestorben. Auch in seinem letzten Vine verweigert sich Ryan Gosling noch den Cerealien:    

http://www.youtube.com/watch?v=qKImvzb5NpQ

Den Kampf gegen den Krebs hat Ryan McHenry verloren, den Kampf für die Cerealien vielleicht noch nicht. Ihm zu Ehren soll der Schauspieler Ryan Gosling jetzt eine Schüssel Cornflakes essen, so fordert es eine Petition. Aber vielleicht wäre es konsequenter, wenn Gosling auch diese Schüssel verweigern würde - ganz im Gedenken an McHenrys Meme.

pia-rauschenberger

Teilt die Kummerkästen auf!

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Und dann weinte M.! Nur kurz – kleine, verzagte Schluchzer. Aber die schüttelten sie trotzdem ganz schön. Ein langes Stück Asche löste sich von ihrer heruntergebrannten Zigarette, an der sie noch kaum gezogen hatte, und fiel ihr auf den Schuh. Um den Balkon herum war Nacht und Ms Stimme hallte im Innenhof. Sie fragte: „Was würdest du denn an meiner Stelle tun?!“ Und dann schluchzte sie noch mal. Und ich würde jetzt nicht sagen, dass ich darauf gelogen habe. Aber direkt die Wahrheit gesagt habe ich eher auch nicht. Wie auch?! Die Wahrheit hätte gelautet: „Renn’! Schnell und weit, so lange du noch jung bist und die Kraft hast!“

Drei Stunden vorher, selber Balkon, selbes Thema, anderer Mensch: T. ist mit M. seit ungefähr zwei Jahren zusammen. Aber nicht so euphorisch. Emotional mehr Peripherie. Man merkt das zum Beispiel daran, dass er aus seiner kleinen Wohnung in absehbarer Zeit raus muss und deshalb gerade eine neue sucht. Lieber noch mal für sich alleine. Man merkt es auch daran, dass er wieder jedes Wochenende feiern gehen will. Nicht immer lieber für sich alleine. Aber manchmal schon. Unter anderem deshalb hatten die beiden sich vor ein paar Wochen zwischenzeitlich getrennt.


Zwei Menschen, die sich einen Kummerkasten teilen - funktioniert leider selten. Vor allem nicht, wenn die beiden ein Paar sind.

Deshalb, und wegen des großen Wortes „Perspektive“. M. hätte gerne irgendwann Kinder. T. wahrscheinlich auch. Aber eher noch nicht gleich und eine – da ist es – Perspektive, wann stattdessen, will er auch lieber nicht geben. Jetzt sind sie trotzdem wieder zusammen. „Ich schaue mir das jetzt eben noch mal an“, hatte T. gesagt, und zwar mit der Herzenswärme, mit der Menschen sonst über die Umsatzsteuervoranmeldung reden.

Die Verwendung von Insiderinformationen ist bei Börsenspekulationen eine Straftat. Das sollte auch bei Paarberatungen gelten.


Ich wusste das also alles und deshalb wusste ich nicht, was ich M. sagen sollte. Weil ich die wahre Antwort auf ihre Frage kannte, konnte ich ihr nicht antworten. T. hatte gemahnt: „Das muss aber unter uns bleiben“. „Das darfst du ihm aber bitte nie erzählen“, hatte auch M. gefleht. Ich war zum Kummerkasten geworden, in den beide Beziehungsparteien ihre stille Post geworfen hatten. Und das ist falsch. Man darf seine Freunde nicht in diese Position bringen. Wissen verpflichtet. Wer zu viel von beiden Konfliktparteien weiß, wird zum Diener zweier Herren. Wenn die Solidarität paritätisch verteilt ist. Oder zum Spion von einem. Wenn sie es nicht ist. Beides ist Mist. Herrschaftswissen ist gefährlich. Es gehört in den Kosmos der Geheimdienste. Nicht in soziale Beziehungen.

Deshalb müssen Paare ihre Sorgenkübel aufteilen. Haarklein und, falls es Grauzonen gibt, auch explizit. Die Dings kriegt den X und der Bumms die Y! Punkt. Bei Börsenspekulationen Insiderinformationen zu verwenden, ist in Deutschland eine Straftat. Das sollte auch für freundschaftliche Paarberatung gelten. Wer von einer Seite entscheidende Einblicke in ein Beziehungssystem hat, der darf auf der anderen nicht mehr eingreifen.

Was ich M. gesagt habe? „Ich glaube, ihr habt ein paar Themen, über die sich jeder von euch für sich klar werden muss.“ Das ist in seiner Erkenntniswucht ungefähr auf dem Niveau von „Morgen wird es Wetter geben“ oder „Wahrscheinlich ist vor Sterzing Stau“. Eine Aussage, die die Luft kaum wert ist, die für sie veratmet wurde. Selbst schuld!

Gedenken mit Cornflakes

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Gestern hatten wir bereits darüber berichtet: Eine Petition fordert, dass Ryan Gosling eine Schüssel Frühstücksflocken isst. Klingt natürlich erstmal nach einer Meldung vom Spannungsfaktor "Hund beißt Mann", gleichzeitig fragt man sich unweigerlich, was denn eigentlich Goslings verdammtes Problem mit Frühstücksflocken ist? Hat er eine Gluten-Unverträglichkeit? Muss er abnehmen? Boykottiert er Cornflakes wegen mieser Produktionsbedingungen bei Cornflakes-Bauern?

Umso mehr freuen wir uns, heute die zweite Knallermeldung bringen zu dürfen: Gosling hat die Frühstücksflocken nachweislich gegessen. Hier der Videobeweis.

Der Hintergrund der ganzen Aktion ist allerdings gar nicht mehr so profan: Denn mit dem Video beweist Gosling, dass er ein mitfühlender Mensch ist. Die Flocken hat er zu Ehren des vergangenen Sonntag mit nur 27 Jahren verstorbenen Ryan McHenry gegessen. McHenry war nämlich der Erfinder des wohl bekanntesten Ryan Gosling-Memes "Ryan Gosling won't eat his cereal". Dabei hatte McHenry einige Szenen aus Gosling-Filmen zusammengeschnitten und ihm immer wieder einen Löffel voller Müsli oder Cornflakes hingehalten. Jedes Mal sieht es so aus, als würde Gosling das Essen ablehnen.
https://www.youtube.com/watch?v=FkpCP9R1Jjc

Auch als McHenry kurz darauf an Knochenkrebs erkrante, produzierte er weiterhin seine lustigen kleinen Filmchen. Sogar sein letzes Werk, ein Film Ende April, zeigt, wie Gosling wieder sein Essen verweigert.
https://www.youtube.com/watch?v=qKImvzb5NpQ#t=82

Das Meme wurde so populär, dass bei einem Q&A zu Goslings neuem Film im April der Schauspieler sich sogar genötigt fühlte, eines klarzustellen:




Als McHenry ihn daraufhin fragte, ob er ihm dieses Meme je verzeihen würde, war Goslings Antwort eindeutig:




Nun, nach McHenrys Tod, zeigt Gosling, dass auch das "No" ein Witz war. Schließlich hat er die Schüssel ja doch noch gegessen. Im Anschluss kondolierte Gosling übrigens McHenrys Familie. Er schrieb, dass er sich freuen würde, zumindest einen kleinen Teil zu McHenrys Leben beigetragen zu haben.

charlotte-haunhorst

Der dritte Mann

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In der Serie Seinfeld gibt es eine Episode, in der das Problem der Dreisamkeit perfekt dargestellt wird. Jerry, Elaine und George sind enge Freunde und gehen öfters zusammen aus. Eines Abends muss jedoch Jerry kurzfristig absagen und dabei wird klar: Elaine und George haben einander zu zweit nichts zu sagen. Stattdessen gibt es bedrückende Stille, gesenkte Blicke und klägliche Versuche, dort eine Gemeinsamkeit zu finden, wo sonst ganz selbstverständlich eine ist. Die beiden sind das, was sie “friends in law” nennen. Sie führen eine Freundschaft zu dritt – miteinander, aber nicht untereinander. Sie brauchen ihren Verbingdungsmann Jerry. Die beiden führen eine Schwiegerfreundschaft.


Fehlt der Schwiegerfreund, fehlt auch etwas in der Zweierfreundschaft.

Auch im echten Leben gibt es das: Schockstille, nervöses Geknibbel am Flaschenetikett, verlegene Blicke aufs Handy - und der Kampf um ein halbwegs gutes Gespräch. Es ist nicht rational zu erklären, wie und warum sich die Atmosphäre verändert, aber etwas fehlt plötzlich. Was vor wenigen Minuten in geselliger Runde noch so gut lief, wird jetzt zu einer Qual.

Wer ist also dieser Mensch, der so sehr am Konzept der Freundschaft rüttelt? Eigentlich fand man ihn doch immer so lustig mit seinem trockenen Humor und seinen interessanten Geschichten, die immer schallendes Gelächter in der Runde auslösten. Wieso fällt man mit ihm alleine auf einmal in die kommunikative Mittelmäßigkeit zurück?

Mit dem Schwiegerfreund fallen Gespräche leicht - weil die Verantwortung auf drei Personen aufgeteilt wird



Ist der Schwiegerfreund ein schlechter Freund? Möglich. Aber nicht zwangsläufig. Er ist vielmehr ein Zwischenwesen in den menschlichen Beziehungen. Seine wahren Freundschaftsqualitäten zeigt er, wenn er in Begleitung mit dem eigentlichen Freund auftritt. Er stellt Fragen, auf die man selbst nicht kommen würde, zeigt neue Perspektiven. Vielleicht ergreift er sogar manchmal Partei bei Meinungsverschiedenheiten. Er ist der Motor einer Zweierbeziehung und macht das, was vorhin schon gut war, noch besser. Er ist die dritte Instanz und sorgt für das Gleichgewicht in der Dreierkonstellation, indem er alle als eine Art Brücke miteinander vereint.

Denn mit dem Schwiegerfreund fallen Gespräche leicht, weil die Verantwortung für eine gute Unterhaltung auf drei Personen aufgeteilt ist. Das hilft der Zweierfreundschaft - und kaschiert die Tatsache, dass man sich mit dem Schwiegerfreund eigentlich nichts zu sagen hat. Die Dreisamkeit verschleiert die zwischenmenschlichen Probleme, die zwei von drei miteinander haben. Man muss sich nicht mit dem Fehlen der Basis für eine Freundschaft auseinandersetzen, weil die Harmonie im Dreiergespann irgendwelche Zweifel gar nicht aufkommen lässt.

Der Schwiegerfreund wird damit wohl eher selten zum sehr engen Freund. Ausgeschlossen ist es aber nicht. Denn wenn sich beide alleine in einem Raum gegenüberstehen und mit sich selbst, und nur mit sich selbst, konfrontiert werden, entscheiden sie, ob sie wirklich Freunde sind oder einfach nur Beilagen, die gut miteinander harmonieren, aber auf keinen Fall das Hauptgericht ausmachen. Aber auch das ist dann nicht schlimm. Mit den Beilagen schmeckt das Hauptgericht doch schließlich erst richtig gut.

Teuer = Wertlos?

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Ich habe schon darauf gewartet, dass jemand fragt, wie viel meine neue Laptop-Tasche gekostet hat. Also war ich vorbereitet. Nicht, weil ich mich freue, wenn jemand nach dem Preis fragt, oder ich auf Komplimente aus bin. Sondern weil ich mir vorher genau überlegt habe, was ich antworten werde: „So 50 oder 60 Euro oder so.“ In Wahrheit hat sie doppelt so viel gekostet. Und ganz ehrlich noch ein bisschen mehr.





Bei mir hat sich das zu einer fixen Regel entwickelt: Wenn ich, was nicht besonders oft vorkommt, viel Geld für etwas ausgebe, und mich jemand nach dem Preis fragt, sage ich immer „Och, nicht so teuer“ oder ergänze manchmal: „War schon im Sale“. Wenn mein Gegenüber nicht aufhört, genauer nachzufragen, nenne ich ungefähr die Hälfte des echten Preises. Auf diese Regel bin ich ein bisschen stolz. So kann ich mir meine ausgedachten Preise nämlich merken. 

Eigentlich habe ich keinen Grund zu lügen, außer der Tatsache, dass ich nur wenig so sehr verabscheue wie Angeben. Ich finde es nachhaltiger und ökonomischer, mehr Geld in Qualität zu investieren statt in Günstiges, das man bald ersetzen muss. Trotzdem behalte ich es lieber für mich – aus Angst vor den Reaktionen.

Viel Geld für etwas auszugeben ist das Gegenteil von mühelos und unangestrengt und damit das Gegenteil von cool.


Denn wenn ich erzähle, dass meine Laptop-Tasche ein Zehntel von dem gekostet hat, was der Computer wert ist, könnte ja jemand sagen: „Du musst aber gut verdienen, dass du dir das leisten kannst!“ Ich müsste dann darüber nachdenken, ob ich mir das wirklich leisten kann, und am Ende könnte ich mich gar nicht mehr über das schöne Stück freuen. Oder es könnte jemand sagen, dass mein teuer erstandenes Stück gar nicht aussieht, als hätte es viel Geld gekostet, sondern eher nach Discounter. Dann würde ich meinen Kauf erst recht bereuen.

Hinter meinen blödsinnigen Lügen steckt aber noch etwas anderes: Viel Geld für etwas auszugeben ist das Gegenteil von mühelos und unangestrengt und damit das Gegenteil von cool. So ist es in der Liga Designertasche und Cabrio und so war das schon in der Schule. Gute Noten waren nur cool, wenn man nicht besonders viel dafür tun musste – oder wenigstens allen Klassenkameraden erzählt hat, dass man eigentlich ja überhaupt nicht dafür gelernt hat.

Zunächst klingt es wie ein Paradoxon, dass Dinge in der Wahrnehmung anderer automatisch weniger wert sind, wenn man viel Geld dafür ausgegeben hat. Wenn man sich eine Welt vorstellt, in der das Gegenteil der Fall ist, wird es allerdings schon weniger absurd: Dann würde jemand, der für seine neue Jacke oder Halskette gelobt wird, nämlich sagen: „Hat ja auch ne Stange Geld gekostet, höhö!“ Das ist nicht nur angeberisch, sondern bedeutet auch, dass Stil automatisch teuer und für jeden erhältlich ist. Dabei wollen wir doch vor allem individuell sein und dabei auch noch bescheiden. Erst ein Stück, das man auf dem Flohmarkt gefunden, vererbt bekommen oder nur im Sale als glückliches Schnäppchen gemacht hat, ist etwas Besonderes. Alles andere ist nur Kapitalismus.
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