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Tagesblog - 5. März 2015

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16:38 Uhr: So, people. Wir machen das hier jetzt ganz kurz und schmerzlos. Weil: Es ist eigentlich keine große Sache. Ich verabschiede mich jetzt mal gemächlich IM Tagesblog. Und damit aber auch VOM Tagesblog. Denn das heute war der letzte Tagesblog, den es auf jetzt.de gab.

Ja, ihr lest richtig. Nein, eine Tragödie ist das gar nicht. Weil: Wir bauen nur ein bisschen um. Jetzt gleich um 17 Uhr wird das passieren. Und das, was wir die vergangenen Monate im Tagesblog gemacht haben, machen wir weiter. Nur etwas konzentrierter. Etwas übersichtlicher. Und es heißt nicht mehr Tagesblog, sondern Netzteil. Klingt kompliziert? Ist es nicht. In dieser Hausmitteilung wird es erklärt.





Viel Spaß damit! Denn das wird es machen.

Der Tagesblog und ich reiten derweil mal von dannen.

http://www.youtube.com/watch?v=RYzZPsK78Gg

Was bitte nicht zu verwechseln ist mit van Dannen.

http://www.youtube.com/watch?v=YlfL7Oe5dAI

++++

15:18 Uhr:
Jürgen Klopp hat sich übrigens inzwischen bei Marcel Reif entschuldigt. Die Memme.

++++

15:15 Uhr:
Lieber Gott, wenn ich heute nur einen Wunsch frei habe, dann mach bitte, dass diese Harvard-Absage echt ist! *drops mic*

[plugin imagelink link="http://i.imgur.com/sMSBWDg.jpg" imagesrc="http://i.imgur.com/sMSBWDg.jpg"]
(Quelle)

++++

14:51 Uhr: Dave Chappelle hatte also all die Jahre recht!

http://www.youtube.com/watch?v=3zjUPUWwDl8

++++

14:44 Uhr:
Wo wir's eben erst von Alternativ-Karrieren hatten. Was sagt ihr zu diesem schnittigen Afro-Baller:

[plugin imagelink link="https://pbs.twimg.com/media/B_My8DOUwAEkj5b.jpg" imagesrc="https://pbs.twimg.com/media/B_My8DOUwAEkj5b.jpg"]

Damn right, people: It's him!

http://www.youtube.com/watch?v=yP9IKhfXT9E

13:41 Uhr:
Wenn ich's mir recht überlege, vielleicht doch noch etwas Fußball:

http://www.youtube.com/watch?v=GMnBOQAxe4c
Große Worte!

++++

13:32 Uhr:
Und dann vielleicht doch lieber wieder ein Schaufenster. Und zwar ein schwer süßes!




Fragt man sich manchmal schon, wo er die immer her hat, der Juri ...

12:37 Uhr:
Also gut. Auf vielfachen Wunsch noch etwas Fußball:

http://www.youtube.com/watch?v=h_EdMoyTDQk

Bin schnell was essen. Bis gleich, ihr Hasen.

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11:21 Uhr:
Afrob zum Beispiel. Der ist sich sicher, dass er im Gefängnis gelandet wäre, wenn es Rap nicht gegeben hätte. Samy Deluxe: Psychologe. Fernsehkoch Tim Mälzer hingegen: Schlagzeuger. Woher wir das wissen? Der Fotograf Pascal Kerouche hat sie gefragt - und sie dann in die Plan-B-Rollen schlüpfen lassen.

Das ergibt eine sehr schöne Fotostrecke, die du in unserem aktuellen Print-Magazin findest. Und jetzt auch auf der Startseite.





++++

10:55 Uhr:
Die Nachrichtenlage ist bislang noch seltsam dünn, aber immerhin:

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist zum Beispiel betrunken Auto gefahren - wobei man (vielleicht etwas gewogen) von "Restalkohol" spricht. Auf der Heimfahrt von München nach Starnberg ist die ehemalige Bundesjustizministerin in eine Polizeikontrolle geraten. "Ich hatte so etwa 0,8 Promille", zitiert die Bild-Zeitung sie. Und: "Ich fahre seit 40 Jahren Auto, noch nie ist etwas gewesen." Ist natürlich eine absolut stringente Begründung. Da fehlt sich nix.

Hillary Clinton will ihre Mails veröffentlichen. Der Schritt ist eine Reaktion auf die "E-Mail-Affäre", mit der die ehemalige Außenministerin derzeit konfrontiert ist: Sie hat während ihrer Amtszeit immer über ihr privates Mail-Konto geschrieben und da fehlt die Transparenz - sagen Kritiker.

In Singapur lieber keine Graffiti sprühen.

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9:24 Uhr:
Fußball ist hier ja deutlich unterrepräsentiert. Zu recht auch. Aber Marcel Reif gegen Jürgen Klopp geht immer!

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9:06 Uhr:
Guten Morgen, ihr Hasen. Das wurde im Tagesblog natürlich schon beworben, aber ich finde Teresas Interview mit einem Münchner Headshop-Betreiber (das sind diese Läden, in denen es Bongs und Grinder und Vaporizer und so gibt) so sympathisch, dass es euch doch noch mal ans Herz legen möchte.

So sieht der aus:





Und solche Sachen erzählt er:



Wird ihr Laden oft kontrolliert? Und passt die Polizei Kunden draußen ab?
Im Vergleich zu früher wird bei mir fast gar nicht mehr kontrolliert. Aber am Anfang haben sie schon draußen von der Tür gewartet, um die Kunden zu durchsuchen.
 
Wie fies.
Ja wirklich. Die kamen mit ihren ganzen Polizeischülern und haben die an den kleinen Kiffern üben lassen. Im Gegensatz zu den richtigen Junkies wehren die sich nicht so. Und im Laden haben sie ständig alles Mögliche konfisziert. Ich hab einmal Hanf-Tee ins Sortiment aufgenommen. 14 Tage später stand ein 20-Mann-Sonderkommando vom LKA im Laden – mit Hunden und Maschinenpistolen. Sie sagten, man könne THC aus dem Tee extrahieren ...

Der Dschungel

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Mumbles ist immer noch traurig an diesem Dienstagmorgen. „Welcome to the Jungle“, sagt er mit leiser Stimme in Anlehnung an das Lied der Rockgruppe „Guns’n Roses“. Dann zitiert er weitere Textzeilen: „Es wird mit jedem Tag schlimmer hier, wir leben wie die Tiere.“ Danach legt er ein paar Blumen auf den Gehsteig – hier, in der San Pedro Street von Los Angeles, im Stadtteil Skid Row, wo am vergangenen Sonntag Polizisten einen schwarzen Obdachlosen erschossen haben.

Den Toten hat Mumbles gekannt. Ein wohnungsloser Mann mit schwarzer Hautfarbe. Einer wie Mumbles. „Ist das Leben eines schwarzen Menschen weniger wert?“, fragt er, der seit 15 Jahren keine Wohnung hat. Dann ruft er: „Diese Polizisten sind Mörder!“

Seinen richtigen Namen will Mumbles, 53, nicht nennen. Wie die meisten der etwa 2000 Obdachlosen hier benutzt er einen Spitznamen. Wer groß und dürr ist, der wird Slim genannt. Wer undeutlich spricht: Mumbles. Wer aus Kamerun kommt, der nennt sich Africa – so wie der Mann, der am Wochenende erschossen worden ist. Er hatte zunächst einen Passanten belästigt und womöglich auch bestohlen, danach mit einem anderen Obdachlosen gestritten und sich anschließend geweigert, sein Zelt vom Gehsteig zu entfernen. Sechs Polizisten standen ihm gegenüber, das ist auf dem Handy-Video eines Zeugen zu sehen, sie diskutierten mit ihm, es kam zur Rangelei. Auf dem Video ruft einer der Polizisten: „Er hat meine Pistole!“ Dann sind Schüsse zu hören. Africa stirbt noch auf dem Gehsteig.  



Fälle wie Ferguson sind in den USA kein Einzelfall. Auch in Los Angeles sind viele Afroamerikaner Opfer von Polizeigewalt

Der Fall und die im Internet veröffentlichten Aufnahmen sorgen für Aufsehen – nicht nur, weil polizeiliche Gewalt in den Vereinigten Staaten durch die Vorfälle in Ferguson (ein weißer Polizist erschoss einen unbewaffneten Afroamerikaner) und New York (ein Afroamerikaner starb an den Folgen eines polizeilichen Würgegriffs, obwohl er immer wieder rief: „Ich bekomme keine Luft!“) derzeit wieder besonders im kollektiven Gedächtnis verankert ist. Auch, weil Africa genau hier erschossen worden ist. In Los Angeles. Auf offener Straße. Von Beamten des Los Angeles Police Department (LAPD). Die Bewohner dieser Stadt, sie erinnern sich noch sehr genau daran, was im April 1992 passiert ist. Die Beamten, die den Afroamerikaner Rodney King bei dessen Verhaftung brutal verprügelt hatten, waren freigesprochen worden – danach kam es im Süden von Los Angeles zu Protesten, die zunächst friedlich begannen, jedoch rasch eskalierten. Autos wurden umgeworfen, Supermärkte ausgeraubt, Wohnhäuser angezündet. 53 Menschen starben bei den „South Central Riots“, mehr als 2000 wurden verletzt. Erst nach sechs Tagen konnte die Nationalgarde die Situation wieder unter Kontrolle bringen.

Bei jedem neuen Fall polizeilicher Gewalt werden deshalb die gleichen Fragen gestellt: Was hat sich getan seit 1992? Ist Los Angeles nun eine zivilisierte Stadt oder immer noch ein urbaner Dschungel, in dem manche Bewohner wie Tiere leben müssen? Die Antwort jener Menschen, die sich am Dienstag in Skid Row versammeln: Es hat sich nicht viel verändert in den vergangenen 23 Jahren. „LA ist immer noch ein Dschungel“, sagt Mumbles: „Und es wird immer ein Dschungel bleiben.“ Als Beweis dafür zitiert er die von der Los Angeles Times veröffentlichten Statistiken: In den vergangenen 15 Jahren gab es 228 Menschen, an deren Tod LAPD-Beamte beteiligt waren – durchschnittlich wird hier alle drei Wochen jemand von einem Polizisten getötet, mehr als vier von fünf Opfern sind Afroamerikaner oder Latinos.

Diesmal marschieren etwa 200 Bewohner von der San Pedro Street zum Hauptsitz der LAPD. Sie halten Schilder hoch, auf denen steht: „Das Leben eines Schwarzen ist wertvoll.“ Oder: „Polizisten sind Mörder.“ Erst als ein Priester zu Besonnenheit mahnt, wird es still – viele recken jetzt ihre rechte Faust nach oben. Auch der Priester. Die Menschen sind wütend. Es spielt für sie keine Rolle, dass Africa – wie sich mittlerweile herausstellte – einst die Identität eines Franzosen angenommen hatte, um in die USA einzureisen. Es ist für sie nicht von Bedeutung, dass er vor 15 Jahren eine Bank ausgeraubt hat. Es spielt für sie auch keine Rolle, dass Africa der Aggressor war bei dieser Begegnung und während der Rangelei offenbar nach der Pistole eines Beamten gegriffen hat.

Sie werten seinen Tod als weiteres Indiz für weiße Willkür und polizeiliche Schießwut. „Da waren mehrere Polizisten mit Pistolen und Elektroschockern – und sie waren nicht in der Lage, diese Situation unter Kontrolle zu bringen?“, ruft Cue Jean-Marie den Protestierenden zu. Er ist der Priester, der vorher zur Ruhe gemahnt hat. „Das ist ein weiterer sinnloser Tod eines unbewaffneten Afroamerikaners durch die Polizei.“

Bislang weigert sich der Polizeichef, die Aufnahmen jener Kameras zu veröffentlichen, die an den Uniformen von zwei Polizisten angebracht waren. Das Misstrauen bleibt daher groß in dieser Stadt, trotz zahlreicher Projekte wie etwa den „Watts Bears“ – ein Footballteam mit Grundschulkindern aus einer der ärmsten Gegend der Stadt, die beim Sport von LAPD-Beamten betreut werden. Doch was helfen diese kleinen Erfolge, wenn dann einer auf offener Straße abgeknallt wird und es die ganze Welt per Internet-Video sieht?
Die Menschen trauern im Stadtteil Skid Row. Sie singen, sie reden, sie umarmen sich. Wenn ein Polizeiauto vorbeifährt, dann brüllen sie „Mörder“ oder „Fuck the Police“. Aber immerhin gibt es keine Schlägereien, keine Randale, keine Plünderungen. Vielleicht hat sich ja doch etwas getan in dieser Stadt.

Hasch zum Mitnehmen

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Zwei Kisten Bier, zehn Flaschen Rotwein, ein paar Packungen Chips und 30 Gramm Marihuana: So könnte bald eine Party-Einkaufsliste aussehen, wenn es nach den Grünen geht. Die Partei hat erstmals einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis vorgestellt. Danach sollen Erwachsene künftig bis zu 30Gramm Cannabis besitzen dürfen und diese in speziellen Geschäften legal erwerben können. Die Cannabis-Händler sollen nach Vorstellung der Grünen streng kontrolliert werden. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren dürften generell kein Cannabis kaufen. In der Nähe von Schulen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen soll es keine Coffeeshops geben, Werbung für die Droge soll verboten sein.



Die Grünen fordern nach legalen Coffeeshops, um den Handel besser zu kontrollieren

Mit diesem Vorschlag würde auch dem Jugendschutz Rechnung getragen, finden die Grünen. „Der Dealer auf dem Schwarzmarkt fragt nicht nach dem Personalausweis“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Dörner. Der drogenpolitische Sprecher der Fraktion, Harald Terpe, betont, dass die Partei Cannabis-Konsum keineswegs für ungefährlich halte. Nur steige trotz des Verbots die Anzahl der Konsumenten kontinuierlich. Deswegen sei es Zeit, die Droge zu legalisieren, allein um den Handel besser kontrollieren und vor allem besteuern zu können. Die Steuern und das Geld, das durch die Entlastung der Strafbehörden frei würde, will die Partei in Präventions- und Aufklärungsprojekte stecken. Dass sie im Bundestag eine Mehrheit für ihr Gesetz bekommen, glauben die Grünen selbst nicht. Sie wollen jedoch damit die Grundlage für eine Debatte schaffen, sagt Dörner. Und die hat sich seit der „Hanf statt Kohl“-Kampagne der Partei 1998 zu deren Gunsten verschoben.

Eine Gruppe anerkannter Strafrechtsprofessoren hat kürzlich eine Petition verfasst, in der sie das Ende der repressiven Cannabis-Politik fordert. Rainer Wendt, Chef der Polizeigewerkschaft, empfiehlt, zumindest den Konsum kleiner Mengen von Cannabis nicht mehr zu verfolgen. Denn die Ermittlungsverfahren würden ohnehin routinemäßig eingestellt.

Chinas neue Heldin

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Das war so nicht geplant. Eigentlich sollte die Bühne dem Nationalen Volkskongresses gehören, jenem Schauparlament, das an diesem Donnerstag mit viel Pomp in Peking zusammentritt. Es sollte die Woche sein, in der Partei und Regierung dem Volk ihre Erfolge präsentieren. Und dann kommt eine 39-jährige Journalistin und stiehlt allen die Schau. Chai Jing, ehemals Reporterin beim Staatssender CCTV, hat etwas Erstaunliches geschafft: Sie beherrscht die öffentliche Debatte. Mit einem Dokumentarfilm, den sie auf eigene Faust gedreht hat. Ein Film über den Smog.

„Unterm Firmament“ heißt der Film. Er ist 104 Minuten lang, kostete mehr als eine Million Yuan, umgerechnet 143000 Euro, die Chai Jing aus eigener Tasche bezahlt hat. Das im Internet veröffentlichte Video ist ein Ausnahmewerk: ein Stück unabhängiger investigativer Journalismus in einem Staat, der unabhängigen Journalismus eigentlich nicht duldet. Es wurde am vergangenen Wochenende veröffentlicht im Netz, – und die Reaktion ist spektakulär. Schon in den ersten beiden Tagen wurde das Video mehr als 120 Millionen Mal angeschaut. Es behandelt das Thema Nummer eins in China. Der Smog treibt die Menschen um. Und von den Staatsmedien fühlen sie sich nicht umfassend informiert, oft auch betrogen.



Smog wird in der chinesischen Regierung meist totgeschwiegen

Smog ist ein großes Problem in China, das von der Regierung meist kaum angesprochen wird Chai Jing ist keine Unbekannte. Sie drehte für ihren Arbeitgeber CCTV schon in der Vergangenheit Filme über heikle Themen. Über die Lungenseuche Sars, über die menschenfressenden Kohleminen ihrer Heimatprovinz Shanxi. Sie gewann Preise. Sie schrieb Bestseller. Und vor einem Jahr gebar sie ein Kind, damals verließ sie CCTV. Ihre Tochter wurde mit einem Tumor geboren, gutartig zwar, aber sie musste operiert werden, und verbrachte ihr erstes Lebensjahr „wie eine Gefangene“ zu Hause; weggesperrt aus Angst vor der Luftverschmutzung, die im Jahr in China eine halbe Million Menschen tötet, die Zahl stammt von einem früheren Gesundheitsminister.

Die Geburt ihrer Tochter, sagt Chai Jing, sei für sie der Anstoß gewesen. „Ich wollte drei Fragen auf den Grund gehen“, sagte sie der Volkszeitung: „Was ist Smog? Wo kommt er her? Und was können wir tun?“ Der Film ist nicht nur deshalb so erfolgreich, weil er tiefer bohrt als das in China sonst üblich ist. Chai Jing erzählt die Geschichte auch persönlich und emotional. Sie interviewt eine Sechsjährige in der Kohleprovinz Shanxi. „Hast du schon einmal Sterne gesehen?“ – „Nein“, antwortet das Mädchen. „Und Wolken?“ – „Nein.“

Dabei ist das Video alles andere als ein Rührstück. In der Machart ist der Film angelehnt an Al Gores „An Inconvenient Truth“: Eine in schlichte Jeans und weiße Bluse gekleidete Chai Jing präsentiert Zahlen, Fakten, Zitate, Clips. Die Regierung kommt nicht allzu gut weg. Ein Experte berichtet, wie die Ölindustrie in dem Komitee das Sagen hat, das die Schadstoffwerte für Benzin festlegt. Die Journalistin begleitet einen staatlichen Umweltinspektor zu einer stahlproduzierenden Dreckschleuder in Zentralchina. Nach ein paar Monaten forscht sie erneut nach und entdeckt, dass die Firma die von dem Inspektor auferlegte Strafe nie bezahlt hat. Als sie bei der Provinz nachfragt, warum die schlimmsten Umweltverschmutzer nicht stillgelegt werden, ist die Antwort: „Arbeitsplätze für die Umwelt opfern, das geht nicht.“ Selbst staatliche Medien applaudierten. „Die Regierung muss die Sorgen der Öffentlichkeit endlich ernst nehmen“, schrieb die Südliche Metropolenzeitung. Der neue Umweltminister, Chen Jining, schickte ihr eine SMS, um ihr zu gratulieren. „Meine Heldin“, nennt sie der bekannte Immobilienunternehmer Pan Shiyi. Es gab auch zornige Attacken. Nationalistische Kreise schimpfen sie eine „Verräterin“, weil Chai Jing, seit jeher eine liberale Vorzeigejournalistin, ihr Kind in den USA zur Welt gebracht hatte.

Es ist nicht so, dass die Offiziellen im Voraus nichts gewusst hätten von der Produktion: Ex-Kollegen von CCTV hatten ihr geholfen, die Webseite der Volkszeitung kooperierte gar bei der Veröffentlichung des Films – aber dass er so einschlagen würde, damit hatte wohl keiner gerechnet. Die überrumpelten Zensoren schauten der Debatte ein paar Tage lang zu, dann wurde es ihnen zu bunt: Am Dienstag verschickten die Propagandabehörden Zensuranweisungen an Webportale und soziale Medien. „Um nicht abzulenken von den wichtigen Themen des Volkskongresses“ müsse auf der Stelle sämtliche Berichterstattung über den Film und seine Schöpferin eingestellt werden, heißt es in einem Rundschreiben der Shanghaier Zensurbehörde, das vom Portal China Digital Times veröffentlich wurde: „Sämtliche Äußerungen, die geeignet sind, Zweifel an der Regierung zu säen oder diese zu attackieren, müssen blockiert und gelöscht werden.“ Wichtig dabei: „Diese Anweisungen müssen geheim bleiben.“

Schaufensterkritik: süß konserviert

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Ein Klassiker – und damit eines der ganz wenigen kleinen Geschäfte mit Tradition in der immer mehr vereinheitlichten Innenstadt – ist das „Spanische Fruchthaus“ am Rindermarkt. Bereits seit 1912 wird hier alles verkauft, was man mit Hilfe von Zucker trocknen und konservieren kann. Einen sehr großen Anteil dieses beeindruckenden Sortiments zeigt auch das Schaufenster des Geschäfts. Was genau hier jetzt „spanisch“ ist, wird allerdings genauso wenig beantwortet wie die Frage nach dem Alter der Auslage. Eigentlich ist das aber auch egal: Sie ist ja konserviert.

Das neue Netzteil

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Wenn du öfter hier bist, wirst du es schon bemerkt haben: Wir haben auf der jetzt.de-Startseite heute ein bisschen umgebaut. Es sind keine großen Veränderungen, aber wir wollen sie trotzdem kurz erklären.

Ganz oben findest du weiterhin die vier aktuellsten größeren Geschichten auf jetzt.de. Darunter werden statt Tagesblog und jetzt-Momenten drei weitere kurze Texte aus der Rubrik „Netzteil“ stehen: Hier werden wir in Zukunft vor allem bemerkenswerte Kleinigkeiten notieren, die uns im Netz auffallen: ein Video, das uns zum Nachdenken gebracht hat, ein Mem, über das wir und/oder die ganze Welt gerade sehr lachen mussten, eine kurze Geschichte, von der wir denken, dass wir sie dir schnell zurufen müssen. 





Wir haben bislang sehr viele solcher Fundstücke im Tagesblog gepostet. In Zukunft wollen wir noch besser und genauer auswählen und unsere Auswahl schneller auffindbar machen. Deshalb werden wir den Tagesblog einstellen und unsere Netzteile ab morgen direkt auf der Startseite unter unseren Aufmachern platzieren.

Weiter unten auf der Startseite findest du ausgewählte SZ-Texte, die jetzt-Momente und weitere Redaktionstexte von jetzt.de.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Deine jetzt-redaktion

"Ich verkaufe mehrere Kilo Gras im Jahr"

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Paul heißt natürlich anders. Was er tut, ist illegal. Er verkauft seit mehr als zehn Jahren Cannabis. Wir haben uns mit ihm lange über das Dealen in München unterhalten. Über seine Kunden, über seine Lieferanten. Und über Vertrauen in einer Branche, in der es wenig Vertrauen geben kann.

Aus verständlichen Gründen kann er viele Details nicht preisgeben, ohne zu viel von sich zu erkennen zu geben. Deshalb haben wir zusätzlich beim Leiter des Drogenderzernats bei der Münchner Polizei nachgefragt, wie aktiv die Dealer-Szene in München ist: Wie viel wird im Jahr sichergestellt? Was passiert mit Menschen, die erwischt werden? Ist die Konzentration an THC, dem Wirkstoff im Cannabis wirklich so stark angestiegen, wie alle behaupten. Die Informationen sind grau abgesetzt.





Wie wird man denn Dealer? Wie hast du angefangen?
Klein. Ich habe bei einem Kumpel, der etwas mehr gemacht hat, hin und wieder 50 bis 100 Gramm geholt. Davon habe ich Freunden was abgegeben und damit meinen eigenen Bedarf finanziert. Noch ohne finanziellen Gewinn also. So bin ich da reingekommen. Und dann wurde es stetig mehr.

Wie?
Indem ich Menschen kennengelernt habe, die etwas mehr besorgen konnten.

Wo lernt man die kennen?
Immer durch Kontakte – aus dem Freundeskreis, aus dem Sportverein, aus der Uni.

Wie viel verkaufst du jetzt?
Es schwankt. Aber schon ein paar Kilo im Jahr.

Wie viel in München insgesamt mit Cannabis gehandelt wird, lässt sich nicht sagen. Ein Anhaltspunkt ist höchstens die Menge an Drogen, die die Polizei sicherstellt. Auch die sichergestellte Menge hat aber nur bedingte Aussagekraft, sagt Markus Karpfinger, Leiter des Münchner Drogenderzernats bei der Polizei: „Betäubungsmittelkriminalität hat ein hohes Dunkelfeld. Sichergestellte Mengen lassen keine Rückschlüsse darauf zu, wie viel Ware im Umlauf ist. Wir hatten schon Jahre, in denen wir mehr als 100 Kilogramm in München sichergestellt haben. Manchmal, zum Beispiel 2014, sind es auch nur ca. 20 Kilogramm. Die Zahl schwankt, und ist auch stark von Zufällen abhängig.“ 
Auf eine Zahl kann Karpfinger noch verweisen: Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden in München im Jahr 2013 insgesamt 503 Verfahren bezüglich Handel und Schmuggel mit Cannabis erfasst.

Über was für eine Marge reden wir da?
Das ist wie beim ganz normalen Handel: Es hängt sehr davon ab, in welchen Einheiten ich einkaufe. Im Schnitt aber wohl irgendwas zwischen 20 und 30 Prozent.

Wie transportierst du das, wenn du es abholst?
Immer anders. Mal zu Fuß, mal auf dem Rad. Manchmal auch im Auto oder Taxi. Selten zweimal hintereinander auf demselben Weg. Von da, wo ich es kaufe, bis zu den Orten, an denen ich es lagere, ist es aber nie weit.

Wo und wie lagert man so viel Gras?
(lacht) Soll ich dir jetzt die Adressen sagen? Auf jeden Fall nicht an einem Ort, sondern verteilt. In Einheiten, die so klein sind, dass man keine ganz ernsthaften Probleme bekommt, falls doch mal was schiefgeht.

Strafbar ist der Handel mit Cannabis immer, egal wie groß die Menge ist. Nur wenn kein Handel vorliegt, bleibt der Besitz von geringen Mengen unter sechs Gramm Cannabis meist ohne strafrechtliche Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft geht dann von Eigenbedarf aus. Der stellt zwar auch eine Straftat dar und wird von der Polizei zur Anklage gebracht, die Staatsanwaltschaft lässt die Anklage bei Ersttätern aber meistens fallen.

Tauschst du dich mit irgendwem drüber aus, wie groß die Einheiten sein können?
Ich habe Kunden, die Anwälte sind. (lacht)

Angenommen, es geht doch mal was schief: Gibt es einen Ehrenkodex, dass man Lieferanten nicht verrät?
Bei mir schon. Die Menschen, bei denen ich kaufe, kenne ich alle schon lang. Das sind fast alles Freunde. Die würde ich niemals hinhängen. Aber noch mal: Das sind keine Dimensionen, bei denen mir ein Deal mit der Staatsanwaltschaft etwas bringen würde.

Denkst du, deine Kunden wären auch so loyal dir gegenüber?
Bei fast allen: ja. Zum einen, weil keiner bei mir so viel kauft, dass es für ihn irgendeinen Unterschied machen würde, wenn er meinen Namen nennt. Zum anderen gilt hier dasselbe wie bei den Menschen, bei denen ich kaufe: Ich kenne eigentlich alle persönlich. Sonst würde ich es auch nicht machen.

Leute, bei denen die Polizei Betäubungsmittel findet, werden immer nach ihren Bezugsquellen befragt, sagt Markus Karpfinger. Wie viele davon ihre Quellen preisgeben, darüber führe man aber keine Statistik. „Klar ist: Je mehr Strafe jemand zu erwarten hat, desto eher ist er geneigt, durch Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden das Strafmaß zu minimieren.“

Bekommst du Kunden also auch nur über Bekannte vermittelt? Werbung kannst du ja nicht machen.
Quasi ausschließlich, ja. Und dann sind es eigentlich immer gute Freunde von denen. Das ist mir auch wichtig. Ich möchte auf keinen Fall einfach nur der Dealer für Menschen sein und so viel raushauen, wie geht. Mit den Leuten, die kommen, kann ich ratschen, das ist zum Teil über viele Jahre gewachsen. Es sind gefühlt immer noch Bekannte, denen ich etwas mitbringe. Natürlich verdiene ich auch etwas damit. Aber eben nicht auf Teufel komm raus. Das macht mein Leben auch insgesamt unkomplizierter: Weil ich die Leute kenne, wissen sie, dass ich eben auch mal nicht erreichbar bin. Nur ganz wenige rufen deshalb ständig an und nerven mich.

Hast du Regeln, wie Leute dich kontaktieren dürfen?
Klar. Aber die erzähle ich dir sicher nicht. Höchstens so viel: Es wird nix am Telefon geredet.

>>> Unter Pauls Kunden sind auch Lehrer und Familienväter. Wenn er merkt, dass seine Kunden Suchtprobleme haben, spricht er sie darauf an.

[seitenumbruch]

Was sind das für Leute, die bei dir kaufen?
Ganz normale, gediegene Münchner: Anwälte, Lehrer, Studenten, Familienväter.

„Wir erfassen den sozialen Hintergrund der Beschuldigten nicht“, sagt Karpfinger. „Aber die Erfahrungswerte sagen: Das ist ein ziemlicher Querschnitt aus allen Alters- und sozialen Schichten, vielleicht mit einem Schwerpunkt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In diesem Alter ist man wohl geneigter, Drogen auszuprobieren. Und dann sind da auch ältere Beschuldigte, ich sage mal: aus dem Bereich der Alt-68er.“

Wir reden also tatsächlich von einer Volksdroge, die sich in allen gesellschaftlichen Schichten findet?
Wenn ich mich bei mir umschaue: absolut, ja. Da ist alles dabei. Auch völlig arrivierte Menschen, die hin und wieder abends chillen. Die würden sonst halt ein Bier trinken. Wobei ich das Kiffen damit auf keinen Fall verharmlosen will. Ich habe meine private Einstellung da inzwischen etwas verändert.

Inwiefern?
Das Gras, das du heute bekommst, ist so hochgezüchtet, dass es eine viel krassere Wirkung hat als früher. Mit der kann man umgehen. Aber man sollte sich schon bewusst sein, dass wir hier über eine Droge sprechen. Wirklich prall zu sein, ist schon ein extremer Zustand. Jeder, der etwas anderes behauptet, macht sich etwas vor.

Immer, wenn die Polizei Drogen sicherstellt, wird ein Gutachten angefertigt. „Da wird gemessen, wie viel Wirkstoff tatsächlich in den Betäubungsmitteln feststellbar ist. Und der THC-Gehalt bei Marihuana hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Früher lag er bei zehn Prozent, heute liegt er in der Regel zwischen 20 und 30 Prozent.“

Du verkaufst das Zeug aber doch.
Ja. Weil ich denke, dass die Menschen für sich selbst verantwortlich sind und wissen müssen, was sie tun.

Hast du Leute erlebt, die bei dir einkaufen, bei denen du gemerkt hast, dass sie Suchtprobleme haben?
Zum Glück noch nicht oft.

Was hast du dann gemacht?
Einer war ein Freund, den ich schon lange kannte. Ich habe viel mit ihm geredet und ihm klar gemacht, dass er was tun muss. Gegeben habe ich ihm auch nichts mehr. Der hat das dann tatsächlich in den Griff bekommen und kifft nur noch selten. Bei einem anderen habe ich das auch versucht. Der ist irgendwann nicht mehr gekommen.

Weißt du, wo dein Zwischenhändler das Gras herbekommt?
Nicht bis ganz zurück. Will ich auch nicht wissen.

Weil es weiter oben in der Kette doch ungemütlicher wird?
Zumindest so weit, wie ich die Kette kenne, sind das alles ziemlich normale Menschen, keine Mafiosi, falls du dir das gerade so vorstellst. Beim Handel mit Gras ist das meistens noch entspannter als bei anderen Drogen.

Das meiste Cannabis, das in München verkauft wird, kommt aus Holland, sagt Markus Karpfinger vom Münchner Drogendezernat. „Viel kommt aber auch über die Balkanroute. Albanien zum Beispiel ist da zu nennen.“

Trotzdem gibt es auch da schlimme Auswüchse. Gras, das mit Blei beschwert wurde. Leute, die mit Vergiftungen ins Krankenhaus kommen. Kannst du die Qualität irgendwie kontrollieren oder beeinflussen?
Beeinflussen nicht. Ich hatte aber einmal eine Lieferung, die voll mit Bleistaub war. Das merkt man zum Glück meistens rechtzeitig.

Und dann?
Habe ich’s zurückgegeben.

Gibt das Stress?
Ein bisschen. Aber es gibt auch keine Alternative. Ich würde das jedenfalls nie verkaufen.

Dass Gras mit Blei oder anderen Substanzen beschwert oder gestreckt wurde, hat die Münchner Polizei bislang bei ihren Funden noch nie feststellen können, so Karpfinger. Mit Blei versetztes Gras sei momentan vor allem in Leipzig und Umgebung im Umlauf. Dealer nutzen Bleistaub, um das Gewicht ihrer Betäubungsmittel zu erhöhen, damit höhere Umsätze zu erzielen sind. Mehr als 120 Leipziger wurden bislang in Krankenhäuser eingeliefert, weil sie das mit Blei versetzte Marihuana geraucht hatten. 

Wie anspruchsvoll sind deine Kunden hier sonst? Merken die Qualitätsunterschiede und sprechen dich drauf an?
(lacht) Schon. Ich hatte am Anfang mal eine Zeitlang nur Homegrown (Gras, das privat angebaut wird, Anm. d. Redaktion). Da haben ein paar dann im Scherz rumgepöbelt: „Hast du immer noch die deutsche Hecke oder gibt es inzwischen wieder was anständiges?“ Ist aber schon länger her.

Fragen die Kunden hier auch schon nach bestimmten Sorten oder Geschmacksrichtungen?
Nein. Dafür ist das Angebot zumindest in München einfach nicht groß genug.

Wie stehst du zur Legalisierung?
Ich bin absolut für die Legalisierung. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn man auch in München endlich entspannt irgendwo sitzen und einen Joint rauchen könnte. Andere Städte wie Köln oder Berlin sind da wenigstens inoffiziell weiter. Hier haben die meisten immer noch Paranoia, sofort in Handschellen auf dem Boden zu liegen, wenn sie draußen rauchen.

Für dich fiele im Fall der Legalisierung aber auch deine Einnahmequelle weg. Oder würdest du so etwas wie einen Coffee-Shop aufmachen?
Nein. Für mich war das nie ein echter Job. Wenn’s legal wird, ist das die perfekte Gelegenheit für mich, aufzuhören.

Klingt, als wäre das nicht ganz so einfach.
Natürlich nicht. Es ist ein sehr angenehmes Nebeneinkommen. Aber tatsächlich habe ich auch ohne die Legalisierung schon einen groben Zeitplan, wann ich aufhöre. Das sind aber private Gründe. Ich mache das seit mehr als zehn Jahren. Irgendwann wird man auch müde.

Schläfst du gut?
Nicht immer. Man kann das nie ganz vergessen.

Hast du je überlegt, noch andere Drogen zu verkaufen?
Nie! Das wäre mir zu gefährlich. Vor allem habe ich aber keinen Bock, an echte Junkies zu verkaufen. Die drehen dir dann tatsächlich mal durch, wenn sie unbedingt was brauchen. Das würde ich nicht packen. Die Leute, die bei mir kaufen, sind alle sehr entspannt. Die kaufen inzwischen ziemlich vorausschauend und wenn es mal nichts gibt, gibt es eben nichts.

Dieser Text ist Teil des Themenschwerpunkts „360Grad – Die Legalisierung von Marihuana“ von sz.de und jetzt.de. Hier liest du ein Interview mit einem Besitzer eines Headshops, in dem Bongs und Pfeifen verkauft werden - und in dem manchmal das LKA auftaucht.

Kanadas Stolz

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Spitze Ohren, Topfschnitt, markante Augenbrauen: Unter Anhängern der Fernsehserie Star Trek ist das Aussehen von Leonard Nimoy Kult. Der eigenwillige Look des Schauspielers könnte bald auch außerhalb der Trekkie-Szene größere Verbreitung erfahren – in den Geldbörsen vieler Kanadier. Nach Nimoys Tod am Freitag ehren viele Star-Trek-Anhänger aus Kanada den beliebten US-Schauspieler auf besondere Art – per Spocking. Der Begriff steht für einen kreativen Eingriff auf dem kanadischen Fünf-Dollar-Schein. Durch wenige, geschickte Federstriche zeigen Banknoten nicht mehr den altehrwürdigen Premierminister Wilfrid Laurier (1841 bis 1919), sondern Mr. Spock, den berühmtesten Vulkanier der Welt. Auf dem alten, aber noch genutzten Schein erinnert die Physiognomie Lauriers tatsächlich etwas an Nimoy.

 

Das sog. "Spocking" zu Ehren Leonard NImoys  ist zu einer Massenbewegung geworden

Was Star-Trek-Anhänger belustigt, sorgt bei der kanadischen Nationalbank allerdings für Unmut. Es sei in Kanada nicht illegal, Banknoten zu bemalen, sagte Josianne Ménard von der Nationalbank in Ottawa. Spocking könnte aber die Sicherheitsmerkmale und auch die Lebensdauer der Scheine beeinträchtigen. Darüber hinaus appellieren die Zentralbanker an das patriotische Bewusstsein der Kanadier: Die Bank findet, dass „das Beschreiben und Bemalen von Banknoten unangemessen ist, denn sie sind ein Symbol unseres Landes und eine Quelle unseres Nationalstolzes.“ Der Brauch, die Banknoten per Spocking umzugestalten, ist aber nicht neu. Unter den malenden Trekkies besonders beliebt war eine Serie des Fünfers auf Baumwollbasis, die 2011 ausgemustert wurde. Seither verwendet die Zentralbank einen Schein aus Plastik, auf dem die Kritzeleien weniger haltbar sind.

Nimoy war am Freitag im Alter von 83 Jahren an einer Lungenerkrankung gestorben. An der Seite von Captain Kirk und der restlichen Crew von Raumschiff Enterprise hatte er Fernsehgeschichte geschrieben.

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Langsam entwickelt sich die Geschichte zur Posse. Erst kommt das defekte Krypto-Handy des NSA-Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg (CDU) in entsiegelter Packung in Bonn an. Und dann war es zwischenzeitlich auch noch verschollen. Sensburg war bisher davon ausgegangen, das Handy werde derzeit im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) überprüft, um mögliche Manipulationen auszuschließen. So sei es ihm berichtet worden. So war es aber gar nicht. Das Bundesamt hat das Paket postwendend zurück nach Berlin geschickt – eine Untersuchung des Geräts hat es nicht veranlasst. Am Donnerstag bestätigte die Bundestagsverwaltung: Das Handy ist wieder da. Zum Aufklären der NSA-Affäre kommt der Ausschuss gerade nicht so recht.



Zweimal quer durch die Republik wurde das abhörsichere Handy des NSA-Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg geschickt.

Sensburgs Blackberry Z30, ausgestattet mit einem Krypto-Chip des Düsseldorfer Anbieters Secusmart (Wert: 2000 Euro), hatte irgendwann im Februar die Pin-Nummer nicht mehr angenommen. Das muss nichts heißen. Mit den hochkomplexen Verschlüsselungssystemen in dem Gerät gibt es offenbar immer wieder Probleme. Kaum einer der Abgeordneten und Politiker, die die Regierung mit den Geräten ausgestattet hat, nutzt das Z30 regelmäßig.

Sensburg hat das Gerät also über die IT-Abteilung der Bundestagsverwaltung zum BSI nach Bonn schicken lassen. Das BSI prüft und wartet sämtliche Krypto-Handys, die innerhalb der Bundesregierung und des Bundestages in Umlauf sind. Transportiert haben soll das Paket DHL. Als es in Bonn ankam, fehlte allerdings ein seriennummerierter Kabelbinder, mit denen die IT-Abteilung des Bundestags in solchen Fällen Pakete versiegelt.

Haben Geheimdienste ihre Finger im Spiel? Wenn ja, warum haben sie das Paket nach der Öffnung nicht wieder versiegelt und so ihre Spuren verwischt? Sollte die Aktion ein Warnschuss an die Aufklärer im Ausschuss sein, es nicht zu weit zu treiben?

Oder war am Ende nur ein DHL-Mitarbeiter eine Spur zu neugierig?

Die Bundestagverwaltung hat Anzeige gegen unbekannt erstattet. Die Sache wird also durchaus ernst genommen. Auf Nachfrage teilte das BSI mit, es habe „unmittelbar nach dem Eintreffen des Paketes“ die Bundestagverwaltung informiert und das Paket zurück nach Berlin geschickt. Eine „forensische Untersuchung“ habe es auch nicht gegeben. Dazu liege dem BSI kein Auftrag vor. Grünen-Obmann Konstantin von Notz ist genervt. Die Sache lenke nur von der eigentlichen Arbeit ab.

Der Fall passt in die Reihe seltsamer Vorgänge rund um den NSA-Ausschuss. Jetzt etwa wurde bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) wiederholt Akten nicht vollständig an den Ausschuss übermittelt hat. In der vergangenen Woche ist offenbar ein Zeuge vernommen worden, der sich auf Akten stützen konnte, die den Ausschussmitgliedern nicht vorlagen. Pikant ist die Angelegenheit auch deshalb, weil der BND für den Komplex „Glotaic“ bereits die Vollständigkeit der Akten signalisiert hatte. Hinter der „Operation Glotaic“ steckt eine Abhör-Kooperation zwischen dem US-Geheimdienst CIA und dem BND an einer Datenleitung in Düsseldorf.

Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas geschieht. Im vergangenen Oktober hatte der Ausschuss den Zeugen „T.B.“ geladen, der ebenfalls über Akten berichtete, die dem Ausschuss nicht vorlagen. Damals ging es um einige wenige Seiten. Die Sitzung wurde abgebrochen. Auch damals lag eine Vollständigkeitserklärung des BND vor. Martina Renner, Obfrau der Linken im NSA-Ausschuss, ist sauer. „Das ist keine Petitesse“, sagte sie am Donnerstag. Sie würde dem BND nicht einmal mehr ein Versehen durchgehen lassen. So stellte der BND die Sache dar, wie ein Mitarbeiter des Kanzleramtes in einem Schreiben an den Ausschuss mitteilte. Renner: „Wir erwarten eine gewisse Ernsthaftigkeit.“ Es könne „nicht sein, dass die Behörde, die wir untersuchen, über Art und Umfang der Akten entscheidet“, die der Ausschuss bekomme.

BND-Chef Gerhard Schindler wurde deshalb in den Ausschuss zitiert. Von einem Versehen wollte der offenbar nicht mehr sprechen. Vielmehr seien die Akten geprüft und von BND-Mitarbeitern fälschlicherweise als „nicht einschlägig“ für den Ausschuss befunden worden, wie SPD-Obmann Christian Flisek nach dem Treffen sagte. Der BND soll nun sämtliche Aktenbestände noch einmal auf Vollständigkeit prüfen.

17 Cent mehr

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In der Textilindustrie waren die Arbeitsbedingungen für die Menschen meistens schlecht und die Löhne karg, seitdem die maschinelle Verarbeitung von Baumwolle im England des 18. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Das gilt auch für die heutigen Nähstuben der globalen Wirtschaft in Asien. Schichten von 14 Stunden, kaum freie Tage und haufenweise unbezahlte Überstunden sind dort für viele Arbeiter Alltag. Dafür erhalten sie meist nur den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn, der in einem Land wie Bangladesch mit etwa 50 Euro monatlich kaum zum Überleben reicht. Trotzdem sind viele Menschen heilfroh, wenn sie einen Job in einer Textilfabrik ergattern können. Mehr als vier Millionen Menschen arbeiten für mehr als 5000 Bekleidungshersteller.

Für Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) ist die Ausbeutung in der Textilindustrie alles andere als ein Naturgesetz, er wirbt für eine andere Verteilung des Gewinns in der textilen Wertschöpfungskette. „Von einer Hose müssen mehr als zwei Euro in Bangladesch landen“, sagte Müller kürzlich bei einer Veranstaltung der Hilfsorganisation Brot für die Welt.
 


Vielen Konsumenten fehlt das Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen in indischen Textilfabriken

Aber wie verteilen sich die Kosten? Die Kampagne für Saubere Kleidung, ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften, hat dies für ein T-Shirt berechnet. Etwa die Hälfte des Verkaufspreises entfallen demnach auf Kosten und Gewinn des Handels, ein Viertel verschlingt die Markenwerbung, die Produktionskosten der Fabrik werden auf 13 Prozent geschätzt und der Transport sowie die Steuern am Preis des T-Shirts auf elf Prozent. Die Arbeiterlöhne machen gerade einmal ein Prozent aus. Andere Berechnungen variieren. Vor allem bei sehr geringen Produktpreisen steigt der Anteil des Lohns an. Eines ist jedoch unumstritten: Höhere Löhne für die Beschäftigten verteuern die Preise für den Verbraucher nur geringfügig. Berechnungen zufolge würde eine Verdopplung der Arbeitnehmer-Einkommen in den Billiglohnländern den Produktpreis von 8,50 Euro gerade einmal um 17 Cent steigen lassen. Existenzsichernde Löhne sind ein Schlüsselthema bei dem Textilbündnis aus Politik und Wirtschaft, das Müller angestoßen hat. Das Thema bleibt aktuell und steht auch auf der Agenda des G-7-Gipfels auf Schloss Elmau Anfang Juni.

Neues Image, neue Chance

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Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis die Kurden wieder ihre traditionellen Feuer entzünden, Anlauf nehmen und über die Flammen springen. Ihr Neujahrsfest steht kurz bevor, Newroz, am 21. März ist es soweit. Es beendet den Winter, der hart sein kann, besonders in den Bergen. Die Erwartungen an diesen Tag sind sowieso hoch. Aber in diesem Jahr sind sie das ganz besonders. Im Juni wird in der Türkei ein neues Parlament gewählt. Und jetzt ist Bewegung in die Debatte über die Lösung des Kurdenkonflikts gekommen.



Abdullah Öcalan führt die Kurdenpartei PKK vom Gefängnis aus. Von dort aus forderte er seine Anhänger auf, den bewaffneten Kampf aufzugeben.


Zwar schweigen die Waffen seit 2013. Aber dieser Frieden ist überaus brüchig. Geht es nach der islamisch-konservativen AKP-Regierung, dann soll das diesjährige Newroz-Fest die Schlussetappe der Friedensverhandlungen einleiten. Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu hat die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK jetzt aufgefordert, den bewaffneten Kampf mit dem Neujahrsfest endgültig aufzugeben.

Wird aus dem Neujahrsfest in diesem Jahr ein Friedensfest?
Nach mehr als 30 Jahren des blutigen Kampfes mit etwa 40000 Toten ist die Sehnsucht nach einem friedlichen Zusammenleben groß. Und vor ein paar Tagen wurde sie noch von einem bemerkenswerten Auftritt genährt. Im Istanbuler Dolmabahçe-Palast trat Sırrı Sureyya Önder, Abgeordneter der parlamentarischen Vertretung der Kurden, der HDP, gemeinsam mit Regierungsvize Yalçın Akdoğan vor die Presse. Das war schon eine Sensation. Der HDP-Politiker verlas eine Erklärung des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan, in der er seine Gefolgsleute auffordert, die Entwaffnung einzuleiten. Zudem nannte er zehn Verhandlungspunkte als Grundlage für Gespräche, auf die sich Öcalan und die türkische Regierung verständigt hätten. Noch im Frühjahr solle ein entsprechender Beschluss gefasst werden.

„Die Zeit wird zeigen, ob dies ein historischer Schritt ist, aber er ist ein sehr wertvoller Schritt, ohne Zweifel“, kommentierte Kolumnist Göksel Bozkurt im Oppositionsblatt Yurt. Seine Wortmeldung zeigte aber auch, dass der Glaube an eine wirklich schnelle Lösung des Konflikts nach so vielen Enttäuschungen gering geworden ist.

Trotzdem stehen die Chancen, dass sich dieses Mal wirklich etwas bewegt, so gut wie schon lange nicht mehr. Der gemeinsame Auftritt eines Regierungsvertreters mit einem HDP-Mann zeigte, dass im Hintergrund seit Längerem verhandelt wird. Tatsächlich haben die Kurden und die AKP unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan gemeinsame Interessen. Beide wollen die Verfassung ändern, das ist einer der zehn Punkte aus dem Verhandlungskatalog. Erdoğan will mehr Macht für sich als Staatspräsident durchsetzen. Um die Verfassung zu ändern braucht er nach der Wahl am 7. Juni eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Die Kurden wollen Anerkennung, mehr Rechte und Freiheiten – und dies in der Verfassung verbürgt haben. Gut möglich, dass Erdoğan die Stimmen der Kurden noch braucht.

Für die Kurden geht es bei der Wahl dieses Mal wirklich um alles. Bisher ist die HDP im Parlament nur über errungene Direktmandate vertreten, nicht als Partei. Sie stellt 28 der 550 Parlamentarier, die aber nicht über die gleichen Ressourcen verfügen können wie die Konkurrenz. Wäre die HDP in der Vergangenheit als Partei angetreten, dann wäre sie ganz sicher an der Zehn-Prozent-Hürde gescheitert und gar nicht im Parlament. Jetzt haben die Kurden die Strategie gewechselt. Ihr Kampf gegen die IS-Milizen in Kobanê hat ihnen neues Selbstbewusstsein gegeben. Und ein neues Image. Wer bisher Kurden vor allem mit der PKK und Terror in Verbindung brachte, sieht nun auch Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte. Jetzt probieren sie es als Partei, beflügelt von guten Umfrageergebnissen, welche die HDP derzeit bei neun Prozent sehen. Entweder schaffen sie die Zehn-Prozent-Hürde und damit den Einzug ins Parlament, dann sind sie dort ein einflussreicher Faktor. Gelingt dies aber nicht, dann fehlt die Stimme der Kurden. Die Versöhner unter ihnen würden ihre parlamentarische Vertretung verlieren. Für den Friedensprozess hätte das schwer absehbare Folgen. Womöglich entlädt sich dann der Frust und die Wut auf den Straßen des Landes. Daran kann auch Erdoğan kein wirkliches Interesse haben, der mit dem Ziel angetreten ist, den Konflikt zu lösen.

Die anderen Oppositionsparteien, die säkulare CHP und die Nationalisten von der MHP, sehen schon eine neue Koalition aus AKP und HDP entstehen. Aber so eng sind die beiden nicht. HDP-Chef Selahattin Demirtaş soll zu seinen Parteifreunden in Ankara gesagt haben: „Wir vertrauen der AKP nicht.“ Dort wieder äußerte sich Regierungsvize Bülent Arınç nicht weniger zurückhaltend: Demirtaş verhindere den Frieden. Der Ausgang der Wahl könnte beide zur Annäherung zwingen – ob sie nun wollen oder nicht.

200 Wasserhähne weniger

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Jetzt wollen alle dichthalten. Die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes schweigen eisern, wenn sie nach dem Leck auf der Baustelle ihrer neuen Berliner Zentrale gefragt werden. Nur so viel wird verraten: Diebe haben mehrere Wasserhähne aus den oberen Stockwerken gestohlen und so in dem Hochsicherheitsbereich einen großen Wasserschaden angerichtet. Dienstagmittag hatte ein Anrufer die Polizei verständigt. Der Rest ist Schweigen.



Die neue BND-Zentrale gefällt mit ihrer stattlichen Fassade und zwei künstlichen Palmen, die an getarnte Funkmasten erinnern sollen.

Der Fall wirf viele Fragen auf. Dass der Auslandsgeheimdienst BND die Antworten geheim hält, heizt Spekulationen an Stammtischen und in sozialen Netzwerken an. Das Internet wird von einem Schwall an Wasserwitzen geflutet: Der BND sei nun mit allen Wassern gewaschen. Habe den Quellenschutz vernachlässigt. Habe Wasser auf die Mühlen der Kritiker geliefert. Fast so absehbar wie die Netzfrotzeleien war die Reaktion von Hans-Christian Ströbele. Der grüne Bundestagsabgeordnete forderte am Donnerstag eine umfassende Untersuchung. Die neue BND-Zentrale sei schließlich „nicht irgendein Gebäude“. Aber auch der Rest des Landes wüsste gerne, wie die Diebe in die wohl bestbewachte Baustelle der Hauptstadt eindringen konnten. Ob der Wasserschaden ein Sabotageakt war. Und wer dahintersteckt.

Ein Anruf bei der Berliner Polizei. „Wir schließen nicht aus, dass es ein Anschlag war“, sagt ein Sprecher am Donnerstag. In der Vergangenheit wurden aus Protest gegen die Gentrifizierung von Berliner Kiezen immer wieder Rohbauten geflutet. Der Staatsschutz beobachte, ob Linksextremisten im Internet ein Bekennerschreiben veröffentlichen. Momentan werde nicht nur wegen Diebstahls, sondern auch wegen Zerstörung von Bauwerken ermittelt.

In Berliner Medien ist von einem Wasserschaden in Millionenhöhe die Rede. Und von etwa 200 gestohlenen Wasserhähnen. Gleichzeitig will die dpa von fünf abgeschraubten Armaturen erfahren haben. Zu alldem sagt die Polizei nichts. Aber dazu, dass die Hähne nicht wertvoller gewesen seien als gewöhnliche Baumarktmodelle. Die Täter hätten keine Einbruchsspuren hinterlassen, weshalb man sich auch auf jene Personen konzentriere, die auf der Großbaustelle arbeiten.

Laut einer Sprecherin des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, an die der BND alle Anfragen zum Thema überstellt, sind dort Tausende Menschen beschäftigt, von denen jeder Sicherheitschecks durchlaufen habe. Die Baustelle in Berlin Mitte wird rund um die Uhr von einem privaten Sicherheitsdienst und Kameras bewacht. Wer vor dem Gebäude steht, steht erst einmal vor einem Schutzwall. Durch Schleusen können nur angemeldete Besucher auf das Gelände. Oder, wie es die Sprecherin formuliert: „Da kommt man als normaler Mensch gar nicht rein.“

Nachdem das offensichtlich doch jemandem gelungen war, lief laut Polizei seit Dienstagmorgen eine „größere Menge Wasser“ über mehrere Zwischendecken bis in die unteren Stockwerke. Dabei, heißt es in Medienberichten, seien die Lüftung und elektrische Anlagen beschädigt worden. Ob das Wasser beim Abschrauben der Armaturen losgesprudelt war oder ob die Diebe es absichtlich aufgedreht hatten, ist unklar. Der BND hält dicht. Der Schaden wurde jedenfalls erst mittags bemerkt.

Dabei müsste auf der Baustelle Hochbetrieb herrschen. Denn eigentlich sollte die neue Zentrale seit vier Jahren fertig sein. Im nächsten Jahr sollen nun endlich 4000 Beschäftigte einziehen. Derzeit ist der BND-Hauptsitz noch im oberbayerischen Pullach. Die Baukosten sind ohnehin schon von 720 Millionen auf etwa eine Milliarde Euro gestiegen. Von Anfang an galt das Gebäude, das sein Architekt Jan Kleihues liebevoll „das Arschgeweih“ nennt, weil es aus der Luft betrachtet an ein solches erinnert, als teuerstes Gebäude, das die Bundesrepublik je gebaut hat. 14000 Fenster, 20000 Tonnen Stahl, 135000 Kubikmeter Beton. Von Anfang an war es jedoch auch für eine Rekordserie an Pannen berühmt.

Höhepunkt war das Jahr 2011, in dem Unbekannte geheime Baupläne stahlen und ein Abteilungsleiter über seinen Dienstcomputer Pornos bestellt haben soll. 2010, als längst gebaut wurde, plötzlich neue Sicherheitsbedenken: Tausende ausländische Bauarbeiter müssten sorgfältiger kontrolliert werden. Mehrkosten: 25 Millionen Euro. 2012 wurden 4000 Meter Lüftungsrohre falsch eingebaut und wieder herausgerissen. 100 Millionen Euro und anderthalb Jahre Bauzeit mehr.

Ob der Wasserschaden die Bauzeit ein weiteres Mal verlängern wird, ist noch nicht bekannt. Fest steht: Der BND hat gerade mit mindestens zwei Lecks zu kämpfen. Vergangene Woche offenbarte ein Schreiben, dass der Geheimdienst dem NSA-Ausschuss mehr als hundert Dokumente vorenthalten habe. Aber das ist eine ganz andere Baustelle.

Wartezeit: 88 Jahre

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In dieser handgemachten Silberschatulle wird das Unikat versteigert. 


Am Sonntag wäre die Verkehrsbehörde von New York fast zum Helden geworden. Beim Sicherheitscheck am Flughafen JFK baten Beamte der Transportsicherheit einen gewissen Tarik Azzougarh, gelandet aus Marokko, seinen auffällig gesicherten Spezialkoffer zu öffnen. Er hatte keinen Schlüssel dabei. Sie konfiszierten den Koffer.

Was sie nicht wussten: Azzougarh ist unter dem Namen "Cilvaringz" ein Produzent des Wu-Tang Clans. Und in seinem Koffer trug er das wohl wertvollste Stück Musik der Gegenwart: das einzige Exemplar des neuen Wu-Tang-Albums.

Das Album sorgt seit Monaten für Schlagzeilen und Entrüstung. Es soll das letzte Album der Gruppe werden – und nur ein Fan soll es zu hören kriegen. „Die Musikindustrie ist in der Krise“, verkündeten die New Yorker Rapper im Herbst feierlich. Deshalb hätten sie das Album nur ein einziges Mal auf CD gepresst, alle Originale und Mastertapes nach den Aufnahmen zerstört. Das Album mit 31 Songs wird demnächst über eine Kunst-Auktionsplattform im Internet versteigert (ein siebenstelliger Betrag wird erwartet), und ansonsten nur in Kunstmuseen über abhörsichere Kopfhörer zu hören sein.

Warum 88? Die Quersumme von 2015 ist 8. Sie mögen Zahlenmystik. 



Die Fans finden das erwartungsgemäß nur so mittel. Und jetzt hat Wu-Tang-Sprecher RZA mit einem Q&A für noch mehr Wut gesorgt: Das Album, sagte er, dürfe vom Käufer erst in 88 Jahren anderweitig verwertet werden. Fans müssen also bis zum Jahr 2103 warten. (Warum 88? Acht ist die Quersumme von 2015, steht außerdem für die Unendlichkeit, und der Wu-Tang Clan hat seit jeher einen mittelschweren Fimmel mit Zahlenmystik.)

Am Mittwoch platzte Method Man dann der Kragen. Der ist selbst Mitglied des Clans, war aber offenbar nicht so ganz eingeweiht:  

What do you mean 88 years? ... Fuck that album, I'm tired of this shit and I know everybody else is tired of it, too. ... Give it to the people, if they want to hear the shit, let them have it. Give it away free. I don't give a fuck; that ain't making nobody rich or poor. Give the fucking music out.

RZA daraufhin auf Twitter so:  



 


Alles easy also: Der Käufer darf das Album nur nicht kommerziell verwenden. Er darf es aber gratis zum Download anbieten. (Ist aber, hat RZA selbst gesagt, bei einer Millionen-Investition "eher unwahrscheinlich".)

Ach so: Das Problem am Flughafen hat sich dann noch geklärt. Die Sicherheitsbeamten schoben den Koffer durch einen besonderen Hochleistungs-Scanner und ließen Tarik Azzougarh passieren. In Richtung MoMa PS1, wo er das Album am Montag gemeinsam mit RZA dem gewogenen Auktionärs-Publikum vorstellte.

jan-stremmel

Sauf dich schön!

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Dinge, die wir Menschen als schön empfinden:

- Rosige Bäckchen
- Große Pupillen
- Breites Lächeln

An diesen Attributen erkennen wir offenbar unterbewusst besonders vitale Menschen-Exemplare, die ergo: gut zur Fortpflanzung geeignet sind.

Trifft sich gut, denn zufällig sind genau das drei Reaktionen, die Alkohol in unserem Körper auslöst. Wir kriegen rote Bäckchen, entspannen unsere Muskeln, öffnen die Pupillen und lächeln mehr. Alkohol macht uns also tatsächlich attraktiver. 

Vorsicht: Das zweite Glas bewirkt das Gegenteil!  



Ein paar Forscher aus Bristol haben das soeben als Ergebnis einer Studie verkündet. Titel der Studie: "Increased Facial Attractiveness Following Moderate, but not High, Alcohol Consumption." (Hier die gesamte Studie als PDF)

Für das Experiment haben sie Studenten fotografiert, jeweils vor und nach einem Drink. Andere Studenten mussten die Fotos nach Attraktivität bewerten. Und: 250 Milliliter Wein (bei einem Körpergewicht von 70 Kilo) machten die Kandidaten im Schnitt attraktiver. 

Aber obacht: Steigerbar ist der Effekt leider nicht. Einige Kandidaten bekamen die doppelte Dosis Alkohol. Und waren plötzlich weniger attraktiv als im nüchternen Zustand. Taktisches Saufen ist und bleibt also ein Drahtseilakt.

jan-stremmel

Zum Glück gezwungen

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Nasser ist zu spät. „Sorry, ich war noch in der Schule“, sagt er und setzt sich an den Tisch in der Frauenberatungsstelle, an dem bereits mehrere Journalisten und ein Kamerateam auf ihn warten. Es ist nicht das erste Mal, dass der junge Mann mit den zwei Steckern in den Ohren und der Kette, auf der in silbernen Buchstaben „Nasser“ steht, mit Medienvertretern spricht. Aber trotzdem wirkt er wie jemand, der sehr knapp auf dem Grat zwischen überdreht und gefestigt wandelt. Seine Worte überschlagen sich, er sagt immer wieder „ich weiß jetzt gar nicht, wie ich das ausdrücken soll“. Dabei kann Nasser eigentlich sehr eindrücklich erzählen, was ihm passiert ist.



Nasser trägt seinen Namen mit Stolz um den Hals. Er will nicht anonym bleiben.

Nasser ist vor 18 Jahren in Berlin geboren, er ist libanesischer Herkunft und schwul. Eigentlich sollte man das heutzutage gar nicht mehr erwähnen müssen. Muss man in diesem Fall aber. Denn seine Homosexualität und dass er sich nicht in der Anonymität versteckt, sind Gründe, weshalb spätestens ab kommender Woche viele Medien über ihn berichten werden.

Dann beginnt nämlich der öffentliche Prozess von Nasser gegen seine eigenen Eltern in Berlin. Die Anklage lautet „Entziehung Minderjähriger“. 2012 wurden rumänische Grenzer auf einen jungen Mann auf der Rückbank eines PKW aufmerksam, der eigentlich unter der Vormundschaft des Jugendamtes stand und Deutschland gar nicht verlassen durfte. Der Junge war Nasser, die anderen Männer im Auto sein Vater und seine drei Onkel.

Die Anklage lautet "Entziehung Minderjähriger". Alles andere kann man nicht beweisen.


Nassers Version der Geschichte ist, dass seine Familie versucht habe, ihn zu entführen, um ihm später im Ausland etwas anzutun und so die Ehre der Familie wieder herzustellen. Zuvor hätten sie ihn bereits mehrfach misshandelt und an ein Mädchen aus dem Libanon zwangsverheiraten wollen. Und das eben alles, weil ihr Sohn schwul ist und damit eine Schande für die muslimische Familie. Was die Familie selbst dazu sagt, wird man kommende Woche bei dem Prozess erfahren. Sicher ist allerdings: Bis auf die Entführung, die besagte rumänische Grenzer bezeugen könnten, sind Nassers Vorwürfe nur schwer beweisbar. Deshalb lautet die Anklage auch nur „Entziehung Minderjähriger“, die körperlichen Misshandlungen und die versuchte Zwangsverheiratung, die seit 2011 in Deutschland ein Straftatbestand ist, werden nicht verhandelt. Trotzdem will Nasser diesen Prozess. Und er will ihn öffentlich und mit seinem echten Namen. Denn ihm geht es nicht um Rache. Nasser will ein Zeichen setzen.

Bereits die Tatsache, dass das vom Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain organisierte Pressetreffen mit Nasser in einer Frauenberatungsstelle stattfindet, illustriert das größere Problem, das dahinter steckt: Männer werden als Opfer von Zwangsheiraten oder sogar Ehrenmorden kaum wahrgenommen. Bei der Diskussion geht es primär um junge Frauen, die natürlich auch die Hauptbetroffenen von Zwangsheiraten sind. Dementsprechend ist aber auch das Beratungsangebot angelegt. In Deutschland gibt es nur eine Beratungsstelle für Betroffene von Zwangsheirat, die sich explizit auch an Männer richtet, und die ist in München. Ein weiteres Problem ist das Alter der Betroffenen: Minderjährige können vom Jugendamt betreut und untergebracht werden. Von Zwangsheirat sind allerdings meistens junge Menschen zwischen 18 und 21 Jahren betroffen, für die ist das Jugendamt nicht mehr zuständig. Für Frauen gibt es dann Frauenhäuser und Wohnprojekte. Und für Männer? Bleibt theoretisch erstmal nur die „soziale Wohnhilfe“. Besser auch bekannt als Obdachlosenheim.

>> Warum Zwangsheirat deutlich mehr Männer betrifft als bisher angenommen



[seitenumbruch]


Petra Koch-Knöbel, die Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks Kreuzberg-Friedrichshain, und Monika Michell von Terre des Femmes, kennen diese Probleme. Beide sind ebenfalls bei dem Treffen mit Nasser anwesend und engagieren sich im Berliner Arbeitskreis gegen Zwangsverheiratung, der 2013 eine Studie über das Ausmaß des Problems in Berlin hat durchführen lassen. Das Ergebnis: Unter den teilnehmenden 159 Berliner Schulen, Beratungseinrichtungen und Jugendämtern waren 2013 431 Fälle von Zwangsverheiratungen bekannt geworden – davon betrafen 402 Frauen, aber eben auch 29 Männer. Das können Jungs und Männer sein, deren Frauenwahl der Familie nicht passt. Oder eben Homosexuelle wie Nasser.

Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr viel höher. Petra Koch-Knöbel sagt deshalb: „Wir müssen unsere Hilfsangebote auch in diese Richtung ausbauen und Schutzeinrichtungen für junge Männer anbieten.“ Vielleicht könnte Berlin dabei eine Vorreiterrolle einnehmen, schließlich kommen auch junge Homosexuelle aus anderen Teilen Deutschlands oder sogar dem nahen Ausland wegen der vermeintlichen Toleranz in die Stadt. Und diese werden oftmals von ihr Familie gesucht.

Nasser: "Ich will zeigen, dass nicht alle Menschen in Berlin frei und in Frieden leben können."




Monika Michell von Terre des Femmes erklärt die Hintergründe so: „Bei Familien mit patriarchalen Strukturen wird Sexualität nur als Heterosexualität geduldet. Wenn Männer diesem Bild nicht entsprechen und keine Frau heiraten wollen, ist die Ehre der Familie beschädigt und kann im schlimmsten Fall nur mit einem Mord wiederhergestellt werden. Diese Jungen werden dann von der Familie gesucht und sind in Lebensgefahr.“ Was Michell damit auch sagen will: Zwangsehen sind keine Frage von Religion oder Staatsangehörigkeit. Sie treten bei Muslimen, Christen, Türken und Deutschen auf. Und: Nasser lebt seit seinem Outing gefährlich.

Nasser selbst ist das natürlich klar. Aber er sagt selbstbewusst: „Ich habe keine Angst mehr. Ich will selbst bestimmen können, wen ich liebe und andere wachrütteln. Ihnen zeigen, dass nicht alle Menschen in Berlin frei und in Frieden leben können.“ Viele Betroffene von Zwangsheiraten und Gewalt innerhalb der Familie ziehen ihre Anzeigen später zurück. Der familiäre Druck ist einfach zu hoch. Nasser gibt sich hingegen kampflustig, vielleicht auch, weil er in seinem neuen Leben ohne Eltern etwas zu verlieren hat. Seit er mit 15 von einer Mitschülerin vor den Eltern zwangsgeoutet wurde, war sein Leben ein einziger Kampf gegen die Eltern, in dem die Entführung durch den eigenen Vater nur der Höhepunkt war. „Ich dachte jahrelang, ich sei der einzige Homosexuelle auf der Welt. Ich kannte die Welt draußen nicht, wusste nicht, an wen ich mich mit meinem Problem wenden kann. Mittlerweile weiß ich, dass ich kein Einzelfall bin“, erzählt Nasser. Am Ende kontaktierte er das Jugendamt, das den Eltern schnell das Sorgerecht entzog. In dieser Phase kehrte Nasser allerdings immer wieder aus Sehnsucht zur Familie zurück - um dort dann eine neue Enttäuschung zu erleben.

Mittlerweile ist er selbstständig. Er hat einen deutschen Pass, lebt in einem Wohnprojekt und holt seinen Schulabschluss nach. Später möchte er Flugbegleiter werden. Auch wenn er zu seiner Familie keinen Kontakt mehr hat, sagt er, er sei so glücklich wie noch nie. Viele hätten ihm nach seinem Gang an die Öffentlichkeit ihre eigenen Geschichten geschrieben, um seinen Rat gebeten. „Ich empfehle dann immer, sich an den Lesben- und Schwulenverband zu wenden, die unterstützen einen“, sagt Nasser. Für den den dritten Jahrestag seines Coming-Outs im Oktober hat er bereits in Berlin eine Demonstration gegen Homophobie geplant. Klaus Wowereit hat schon zugesagt. Der Prozess gegen seine Eltern ist bis dahin hoffentlich gut ausgegangen.

Alles weg

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jetzt.de: Petri, wie kommt man nur auf die Idee, all seine Sachen wegzusperren?
Petri Luukkainen:Meine Freundin hatte mich gerade verlassen, ich ging einkaufen, damit es mir besser geht, aber wirklich besser wurde es nicht. Im Gegenteil. Also habe ich beschlossen: Weg mit dem Kram! Nur wusste ich nicht so recht, was ich davon behalten soll und was nicht. Ich habe überlegt, womit ich auskommen könnte und was überflüssig ist. So kam mir die Idee zum Film. Am Anfang wussten nur meine besten Freunde von dem Projekt. In der Arbeit haben die Kollegen meine Veränderung kaum bemerkt. Erst als ich es ihnen später erzählt habe, ist ihnen aufgefallen, wie merkwürdig ich damals war. Ich habe mich beispielsweise nicht rasiert, weil ich keinen Rasierer hatte oder trug immer dieselben Klamotten.

Warum hast du gleich so einen radikalen Schnitt gemacht?
Ich dachte mir, wenn ich schon was mache, dann richtig. Ein Jahr erschien mir ein guter Zeitraum, in einem Jahr kann viel passieren. Wesentlich schwieriger war es zu entscheiden, was ich zurücklasse und wieder mitnehme. Herauszufinden, was ich wirklich brauche. Die Basics. Aber was sind die Basics? Ich fand, das war eine interessante Frage, komplett von Null anfangen. Ich war überrascht, wie wenig das war: Klamotten, Schuhe, Zahnbürste, alles, was ich wirklich jeden Tag brauche.



Petri Luukkainen, 30, aus Helsinki arbeitet als Werbefilmer.


Waren da auch Leute, die deine Idee abgelehnt haben?
Abgelehnt nicht, manche fragten, ob das nicht total langweilig sei, was ich da mache. Mir ist aufgefallen, dass ich ohne meinen Besitz ziemlich abhängig von anderen war. Ohne die Hilfe anderer hätte ich das gar nicht schaffen können.

Denkst du, man wird abhängiger von anderen Menschen, je weniger man selbst besitzt?
Ich denke, jeder sehnt sich mehr nach menschlichen Beziehungen als nach Besitz. Aber je weniger du hast, desto freier bist du auch. Ich habe viel über die stoische Philosophie gelesen, insbesondere von Marcus Aurelius. Ich kann mich damit identifizieren. Nehmen wir ein klassisches Wohnzimmer: Darin steht ein Tisch, ein Sofa, Lampen, Fernseher. Was davon ist wirklich nötig, um sich wohlzufühlen?

Dein Projekt erinnert ein bisschen an „Fight Club“. Darin heißt es auch: „Erst wenn du am Nullpunkt bist, hast du wieder die absolute Freiheit. Alles was du hast, hat irgendwann dich. Erst wenn du alles verloren hast, hast du die Freiheit, alles zu tun, was du willst”.
Ich hatte diesen Film auch im Hinterkopf. Als ich 15 war, war das mein Lieblingsfilm. Ich habe ihn sehr oft gesehen, und er hat mich in meinem Denken sehr beeinflusst. Ich lese viel über die stoische Philosophie, die auch “Fight Club” inspiriert hat. Ich denke, dass ich mich eher daran orientiert habe.

Im Film ist es manchmal wirklich hart, dir bei deinem Projekt zuzuschauen, etwa in der Szene, als du nackt auf dem kalten Boden liegst und versuchst zu schlafen.
Das war echt schmerzhaft. Zufällig war es in der Nacht sehr kalt, und ich musste überlegen, ob ich mich direkt neben die Heizung lege und schwitze oder ob ich mich etwas weiter weg lege und nichts von der Wärme spüre. Eigentlich habe ich aber eine sehr romantische Erinnerung an diese Nacht. Es war wie ein kleines Abenteuer.

Dokus über Konsum und Materialismus gibt es viele. Was hast du anders gemacht?
Ich zeige nicht nur den Verzicht auf Dinge, sondern auch den Prozess der Aneignung von Dingen. Ich stelle den ganzen Kram ja erst mal in ein Lager und nehme mir jeden Tag etwas davon. Jedes Mal musste ich mich neu entscheiden: Was brauche ich heute, was hat mir gestern gefehlt, auf was kann ich noch ein wenig warten? Es steckt auch eine kleine Love Story im Film. Ich lerne meine jetzige Freundin kennen, ich verliebe mich, das Publikum hat daran teil. Es ist ein Protokoll meines Lebens. Ich zeige sehr oft meine Oma oder meine Freunde, Familie. Nach dem Experiment hat es sich so angefühlt, als hätte ich ein Tagebuch geschrieben.

Ein sehr öffentliches Tagebuch.
Erst im Kino habe ich realisiert: Oh Gott, alle schauen mir zu! Daran hatte ich bis dahin nie so richtig gedacht. Ich habe mich auch geschämt. Ich meine, man hat sehr viel meiner Privatsphäre gesehen. Man sieht mich in meiner schlimmsten Verfassung, diesen einsamen, jungen Mann mit all diesen vielen Sachen, und er kann sich einfach nicht entscheiden, was er davon jetzt braucht und was nicht.



Nach dem ersten Tag wusste Petri genau, was er sich aus dem Lager holen wird: Einen Mantel

Dein Film erscheint in einer Zeit der wirtschaftlichen Krisen und Angst vor Arbeitslosigkeit, insbesondere bei den Jüngeren. Ist dein Film eine Botschaft an jene, die wenig haben?
Ich finde, mein Film hat eine ähnliche Botschaft wie „Fight Club“: „Bist du dein Zeug“? Wir versuchen, uns mit dem Kauf von Dingen zu individualisieren, rauszustechen. Es wird immer mehr gekauft. Auch Arme können kaufen, es ist ja alles billig geworden und wenn man das Geld doch nicht hat, holt man sich eine Kreditkarte, verschuldet sich und um die Schulden abzubezahlen, geht man arbeiten. Und im Hinterkopf hat man schon das nächste Ding, das man sich kaufen will. Ich denke aber, dass das erst mit der jüngeren Generation gekommen ist. Früher haben die Leute etwas gekauft und jahrelang behalten. Heute gibt es ständig neue Versionen von etwas und das kaufen die Leute, ein Update nach dem Anderen.

Du hast mit sehr wenigen Sachen gelebt. Hast du immer noch so wenig Besitz oder bist du wieder in dein altes Muster verfallen?
Ich habe immer noch wenige Sachen in meiner Wohnung. Ich habe mein Leben kaum geändert, seit ich die Doku gedreht habe. Wenn ich irgendwohin reise, nehme ich nicht mehr mit als einen kleinen Koffer. Das wäre früher undenkbar gewesen. Mein Bezug zu Gegenständen hat sich sehr geändert. Früher wollte ich durch sie glücklich werden. Das machen viele Menschen. Versuchen, sich Glück zu erkaufen

Aus Prestigegründen?
Ich glaube, es ist etwas einfacher. Viele bauen eine emotionale Bindung zu ihren Sachen auf. Das macht es dann noch schwererer, auf sie zu verzichten.

Was hast du dir als erstes gekauft, nach dem das Jahr vorüber war?
Ich bin lange nicht in einen Laden gegangen, ich war das gar nicht mehr gewohnt. Jetzt merke ich, dass das Bedürfnis, etwas zu kaufen, langsam wieder zurückkommt. Ich habe mir gerade tatsächlich eine Zahnbürste gekauft!

Jungs, warum küsst ihr euch nicht öfter?

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Liebe Jungs,

wir müssen noch mal reden. Wegen dieses Knutsch-Plattencovers von vor einer Woche. Die darauf abgebildete Männerkussfotografie hat ja ein ziemlich homophobes Gezänk in der deutschsprachigen Hip-Hop-Sphäre provoziert. Dann kam diese Woche dieses Video, bei dem sich allerhand Deutschrapper gegenseitig küssen: 

https://www.youtube.com/watch?v=JNLlR7ZvEC8 Antilopen Gang - Verliebt

Aber nochmal zurück zum Shitstorm. Wir wissen natürlich, dass ihr als westlich-urban sozialisierte Bildungssprösslinge in einer ganz anderen Denkliga spielt als irgendwelche dahergelaufenen Homophobiker-Fans von Bass Sultan Hengzt. Ein schwules Knutschepärchen auf der Straße lässt euch vermutlich ebenso wenig aufmerken, wie ein lesbisches oder ein Heteropärchen. Trotzdem müsst ihr uns aufklären: Wie kann es sein, dass die gleichgeschlechtliche Zärtlichkeit unter Männern noch immer so viel Gegenwind hervorbringt?
 
Denn, das man muss ja mal sagen, supermegakrassurbane Aufgeklärtheit hin oder her, dieses kokette Geknutsche untereinander gibt es bei euch nicht. Bei uns Mädchen schon. Zugegeben, es wird weniger, je älter wir werden. Weil uns aufgeht, dass das so aufregend nun auch wieder nicht ist, und eher ein bisschen peinlich als sexy für alle Außenstehenden. Aber – es ist eben keine große Sache. Weder skandalös, noch eklig, noch heikel. Höchstens ein bisschen doof, je nach Situation.
 
Bei euch aber ist es eben schon noch skandalös, eklig, heikel. Man muss sich nur vor euch hinsetzen und sagen: „Stell dir folgendes vor: Heteromann küsst Heteromann.“ Und wie auf Knopfdruck verzieht ihr das Gesicht. Oder sagt: „Nee, echt nicht, ey, never!“ Das ist echte Empirie, nicht nur ausgedacht, ehrlich wahr. Ihr wisst das. Also, Scheinheiligkeit beiseite. Erklärt uns, was das Problem ist mit nicht-schwulen, küssenden Männern.

>>> Die Jungsantwort von lucas-grunewald >>>  [seitenumbruch]

Die Jungsantwort
 
Wirklich? Wegen dieser paar hundert Trottel, die da ihren hinterwäldlerischen Senf an diesen Hip-Hop-Typen hingeschmiert haben, müssen wir jetzt noch mal...? Damit das klar ist: Wir lassen uns das jetzt nur gefallen, weil wir tatsächlich gerade kurz ins Stocken gekommen sind, als wir uns gefragt haben (also mal ernsthaft): Warum küssen wir Hetero-Jungs uns eigentlich nie, weder zum Schocken noch zum Imponieren noch zu sonst irgendeinem Zweck, der euch irgendwann dazu bewegt, ohne sexuelle Hintergedanken ein Mädchen zu knutschen?

Ich glaube, es fängt schon woanders an, dieses Befremden, das wir bei körperlicher Nähe mit anderen Jungs spüren. Und zwar dort, wo sehr vieles anfängt, was wir uns hernach ein Leben lang schwer erklären können: In der Kindheit. Möglicherweise ist das heute anders oder wird in manchen Familien seit jeher besser gehandhabt, aber bei uns waren sich die Jungs nicht nahe. Nicht in Richtung Kuscheln.

Ihr hingegen: schon. Das Schmusen wird euch Mädchen ja quasi antrainiert wie das Schuhebinden. Wir können das jetzt leider nicht besser herleiten als mit sehr pauschalen Dummbatz-Klischees, aber aus unserer Warte besteht so eine Mädchenkindheit zu guten Teilen aus: Kuscheln mit Mami, Busseln mit Omi und Im-Bett-von-Moni-Schlafen. Da ist der Schritt zum Rumzüngeln im Bushäuschen nicht weit.

Wir dagegen müssen uns schon sehr viel dummes Zeug anhören, wenn wir nach dem siebten Geburtstag ernsthaft noch mit Jungs ein Bettchen teilen oder uns auf irgendeine Art näher kommen, die sich nicht als Rangelei oder Strafraum-Notbremse verkaufen lässt.

Ich glaube, von dort an kann man dann auch nix mehr retten. Es sei denn man ist schwul. Die Sache mit dem Girl Crush, der euch ja später immer mal wieder ereilt, wenn ihr den neuen Film mit Chloe Sevigny seht – gibt’s irgendwie nicht bei uns. (Haben wir hier übrigens schon mal erklärt.)

Nach kurzer Rücksprache mit Kollegen darf ich auch hierfür offiziell den Grund vermelden: „Wir finden uns gegenseitig einfach nicht so schön.“ Männergesichter fühlen sich für uns nicht gut an. Zu kantig, zu großporig, zu rauh. Das ist nichts, woran man gerne mal unverbindlich seinen Handrücken entlangstreichen will – geschweige denn die Zunge reinstecken. Im Gegensatz zu euch, der ihr ja doch der Schönheit von Frauen grundsätzlich was abgewinnen könnt, oder?

lucas-grunewald

Talent statt Telefonat

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Die Fotografin Rosa Roth, 27, widmet ein ganzes Magazin dem Prinzip Handy-Foto: Auf der Phototriennale in Hamburg soll „The Smart View“ Release feiern, mit Künstler-Porträts und Texten zum Thema Smartphone-Fotografie. Um das Heft produzieren zu können, haben Rosa und ihr Team gerade eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.



"The Smart View"-Erfinderin Rosa Roth und ihr Kollege Fabian Mrongowius

jetzt.de: Rosa, du bist studierte Fotografin und fotografierst selbst am liebsten analog – wieso dann jetzt ein Magazin für Smartphone-Fotografie?
Rosa Roth: Ich habe Anfang 2013 eine Arbeit gemacht, für die ich mich mit verschiedenen Leuten über Whatsapp unterhalten habe – und zwar nur mittels Fotos. Es ging darum, inwieweit unsere Sprache durch die Apps, mit denen wir Bilder teilen, visualisiert wird. Bilder können mittlerweile ganze Wörter und Sätze ersetzen. Man muss nicht mehr schreiben „Das Wetter ist schön!“, sondern schickt ein Foto von der Sonne. 

Und dann hast du Menschen fotografiert, die mit dem Smartphone fotografieren.
Ja, im Sommer 2014 bin ich nach Italien gereist und habe dort an den Hotspots wie dem Schiefen Turm von Pisa und vorm Colosseum die Touristen durch meine Kamera beobachtet, wie sie Bilder mit ihren Smartphones und Tablets machen. Vorher habe ich mich auch schon wissenschaftlich mit Smartphone-Fotografie beschäftigt und mich gefragt: Wie kann ich den wissenschaftlichen Fundus und meine künstlerische Arbeit unter einen Hut bringen? Dann dachte ich: Wieso mache ich nicht einfach ein Magazin?



Rosa hat Touristen, die mit ihren Handys fotografieren, fotografiert – analog.

Gibt es schon viel wissenschaftliches Material zu dem Thema?
Nein, sehr wenig. Alle Veröffentlichungen dazu sind aus den Jahren 2013 und 2014.

Womit beschäftigen die sich?
Es geht um das Teilen von Informationen, rund um die Welt, zu jeder Zeit, an jedem Ort und darum, wie sich die Kommunikationsweisen verändert haben. In Sachen Fototheorie gibt es noch keine neuen Ansätze, die die Mobil-Fotografie einschließen.

Sie hat doch sicher unter Fotografen keinen so guten Ruf, oder?
Die Qualität der Bilder ist nicht sehr hoch und der Arbeitsaufwand gering. Da kann man als professioneller Fotograf immer sagen: „Ein zwölf mal zwölf Zentimeter großes Bild kann man an Tante Emma schicken, aber keine Kunst draus machen!“ Oder: „Ich habe zehn Stunden an der Retusche meines Bildes gesessen und du wischst ein Mal über deinen Bildschirm!“ Aber es hat eben den klaren Vorteil, dass du es überall machen kannst, das Handy hast du immer in der Tasche. Und die Kameras sind mittlerweile echt gut. Ein weiterer Vorteil ist, dass man das Bild gleich bearbeiten kann, das ist so, als hätte man sein Labor oder seinen Computer immer dabei.

Gibt es denn mittlerweile professionelle Smartphone-Fotografen?
Ja, auf Plattformen wie Instagram und VSCO ist das stark sichtbar. Klar, da gibt es auch viele Privatpersonen, die Selfies posten, aber eben auch hochwertige Fotografie. Bestimmte Leute werden da gehypet wie verrückt. Und es entwickeln sich auch gewisse fotografische Stile: Food Photography, Porträtfotografie, Landschaftsfotografie und so weiter. Alle Strömungen in der Fotografie gibt es mittlerweile auch auf Instagram. Da wiederholt sich zwar vieles und viele Leute kopieren sich gegenseitig. Wir haben aber versucht, Beiträge zusammenzustellen, die ein bisschen daraus ausbrechen, eine speziellere Position einnehmen. 

[plugin bildergalerielight Bild2="©Dimitri Procofieff" Bild3="©Erik Arkadi Seth" Bild4="©Jackson Lawlor Eaton" Bild5="©Jody Mattioli" Bild6="©John Bozinov" Bild7="©Julia Szafarczyk" Bild8="©Rosie Urbacher" Bild9="©Rüdiger von Selzam" Bild10="©Sinziana Velicescu"]

Wie habt ihr die gefunden?
Ich musste mir erstmal ein Netzwerk aufbauen, ich kannte ja noch niemanden aus der Szene. Dabei bin ich bis in die USA vorgestoßen – da ist die Smartphone-Fotografie schon viel weiter ist als in Europa, es gibt einen kleinen Kunstmarkt dafür, Künstlerkollektive, Galerien, die Mobile Photographers vertreten und so weiter. Im Dezember habe ich einen Beitragsaufruf für die erste Ausgabe gestartet und habe ziemlich viele Einsendungen bekommen. Es sind Leute aus der ganzen Welt dabei, aus Kalifornien, Australien, Finnland, Brasilien, richtig international.

Was macht deren Bilder so besonders?
Rüdiger von Selzam und Jody Mattioli zum Beispiel kombinieren mehrere Bilder zu ganzen Serien oder Bildpaaren. Das ist ungewöhnlich, da auf Instagram ja sonst nur Einzelbilder gezeigt werden. Oder Michael Haberbosch, der ein ganzes Buch mit Handybildern produziert hat, ohne sie jemals mit einer Bildbearbeitungsapp geöffnet zu haben. 

Trotzdem: Viele Smartphone-Fotos haben eine ähnliche Ästhetik.
Ja, es zeichnet sich schon eine Grundästhetik ab. Die lehnt sich wie schon gesagt an die typischen fotografischen Stile an und dazu gibt es diesen Vintage-Look, einen Blick zurück auf die alten Techniken. Die Instagram-Filter sind alle an alte, analoge fotografische Verfahren angelehnt.

Smartphone-Fotos, also die digitalsten Fotos, die es gibt, in ein Magazin zu drucken, ist auch ziemlich retro.
Wir haben auch eine Webseite, da sollen Artikel, Infos und Online-Features erscheinen. Die Druckausgabe bildet die Essenz aus der Arbeit mit dem Blog und hat den Vorteil, dass man sich Zeit nehmen kann, um die Fotos auf sich wirken zu lassen – abseits von der ganzen Informationsmasse im Internet.

Fast jeder hat ein Smartphone – kann dadurch auch jeder zum Smartphone-Fotografen werden?
Ein gewisses fotografisches Talent muss man natürlich mitbringen, was Ausschnitt und Komposition angeht. Man kann sich vieles online ansehen und sich etwas abgucken. Und die Bldverarbeitungsapps sind so einfach gestaltet, dass jeder damit umgehen kann. Eine Gegenleistung, die wir beim Crowdfunding anbieten, wird ein Mobile Workshop sein, da werden wir mit fünf Leuten durch Hamburg gehen und zeigen, wie man ein gutes Smartphone-Foto macht und das schön verarbeitet. Ich kann mir vorstellen, dass wir das auch in Zukunft anbieten, wenn das gewünscht wird.

Feminismus und Frühling

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Wichtigster Tag der Woche: Ich weiß, es gibt nicht Uncooleres als übers Wetter zu sprechen, zu schreiben oder auch nur zu denken, aber das ist mir völlig egal jetzt. Am Dienstag und Mittwoch soll es 16 Grad warm werden. 16. Plus! Ich bin sehr erkältet und kann im Moment nicht jubeln, weil ich sonst wieder husten muss. Aber ich juble innerlich. Laut! Und hoffe, dass ich bis dahin gesund genug bin, um meine erste Eisdieleneiskugel des Jahres zu essen.
Außerdem freue ich mich auf Sonntag, da habe ich Zeit, mich auf dem „Heldenmarkt“ umzusehen, einer Messe für nachhaltigen Konsum im Post Palast in München.

Kulturelles Highlight: Da gibt es diese Woche ziemlich viel, das mich interessiert, leider ist das meiste ziemlich weit weg von München. Noch bis 13. März läuft Berlin zum zweiten Mal die Feminist Film Week, dort werden internationale Filme gezeigt, die entweder von Regisseurinnen gemacht wurden und/oder in denen starke weibliche Figuren vorkommen. Einer davon ist „3 hours to love“ aus Portugal, darin geht es um Frauen im Gefängnis, die über Sexualität im Knast sprechen.

http://vimeo.com/53982091

Außerdem ist Buchmesse in Leipzig und, jetzt kommt doch noch was für mich, noch bis 12. März eine spannende Foto-Ausstellung in München: Bei der „Munich Contemporary Photography #2“ werden Fotos von Künstlern mit Münchner Hintergrund gezeigt, unter anderem von Armin Smailovic und Conny Mirbach, von dem ihr vielleicht auch auf jetzt.de schon mal was gesehen habt. Das wird gut!

Politisch... hat mich diese Youtube-Dokumentationüber die Hinterbliebenen der Opfer vom Maidan sehr berührt. Oft ist es ja so, dass man diese Dinge schnell aus den Augen verliert, sobald sie ein paar Tagen nicht auf den Titelseiten auftauchen, was schade ist und schlimm und irgendwie wohl auch menschlich. Drum: dringend angucken!

https://www.youtube.com/watch?v=fY8Qeh-FZaU

Soundtrack: Ja, das ist schon ein paar Wochen alt, aber Olli Schulz hat immer so was Tröstendes, und das passt gerade zu meiner Stimmung, drum ist mein Soundtrack diese Woche sein neues Album "Feelings aus der Asche". Nur Olli Schulz (und ein gewisser Kollege aus der jetzt-Redaktion) darf ungestraft  solche Wortspiele machen!

http://www.youtube.com/watch?v=oJTlNHGLmjU

Außerdem ist am Freitag das neue Album von Jesper Munk erschienen. Ich denke, da lohnt es sich reinzuhören!

http://www.youtube.com/watch?v=QcGE7GmktYA

Kinogang: Da ist überraschend viel dabei, das mich interessiert. "Das Mädchen Hirut" zum Beispiel, darin geht es um eine äthiopische Anwältin, die eine 14-Jährige verteidigt, die ihren Vergewaltiger getötet hat. Krasse Geschichte. Allerdings mitproduziert von Angelina Jolie, das schmälert meine Begeisterung gleich ein wenig.

http://www.youtube.com/watch?v=Dze4OJfdE8M

Dann ist da noch die Doku "Willkommen auf Deutsch", für die die Dokumentarfilmer Carsten Rau und Hauke Wendler fast ein Jahr lang Flüchtlinge und Anwohner im Landkreis Harburg zwischen der Lüneburger Heide und Hamburg begleitet haben. Und weil ich Agentenkram mag, ist auch noch "Kingsman: The Secret Service“" eine Option. Und bei „man“ fällt mir ein: "Birdman" habe ich immer noch nicht gesehen…

Geht gut diese Woche: Vorgelesen bekommen, wenn man zu krank ist, um selbst zu lesen. Und "Alf" gucken. Immer!

Keine Chance hat diese Woche: Zu krank sein, um selbst zu lesen.

Und sonst so? Bin ich auf der Suche nach einer wirklich schönen Laptoptasche. Fürchte aber, so etwas gibt es eigentlich gar nicht. Ich versuche es diese Woche trotzdem.

Unvollendetes Amerika

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Seine Rede über Bürgerrechte beginnt Barack Obama mit einem Helden: Er schildert, wie sich der schwarze Aktivist John Lewis für den Protestmarsch am 7. März 1965 rüstet. Lewis will mit Hunderten Mitstreitern nach Montgomery ziehen im Südstaat Alabama, um friedlich gleiche Rechte für Schwarze einzufordern, vor allem das Recht, wählen zu dürfen. Lewis packt einen Apfel ein, eine Zahnbürste, ein Buch – was man eben mitnimmt für eine Nacht im Gefängnis. Später, auf der Edmund-Pettus-Brücke in Selma, benannt nach einem Anhänger des Ku Klux Klan, schlagen Polizisten so erbarmungslos auf die Demonstranten ein, dass der Tag fortan „Bloody Sunday“ heißt, blutiger Sonntag. Lewis trägt einen Schädelbruch davon.

Am Samstag hat der US-Präsident in Selma vor der Brücke an diesen Tag erinnert, und er würdigte den Mut von Menschen wie Lewis. „Die Demonstranten waren nicht übermäßig groß und stark, aber sie haben Millionen Menschen Mut gemacht“, sagte Obama. „Sie bekleideten keine Ämter, aber sie haben das Land geführt.“ Als schwarze Amerikaner hätten sie Hunderte Jahre brutaler Gewalt ertragen und doch keine Sonderrechte gefordert, nur gleiche Rechte. Die Mächtigen damals hätten sie geschmäht und ihren Patriotismus infrage gestellt. Und doch sei in Selma etwas geschehen, das nicht amerikanischer sein könne: Bescheidene, unbekannte Menschen hätten sich vereint, um die Richtung zu ändern, in die sich ihr Land bewegte.  



Die schwarze Bürgerrechtsbewegung hatte in Selma einen ihrer Höhepunkte

Obama definierte bei dieser Gelegenheit, was er für die wahre Vaterlandsliebe hält: „Welcher Patriotismus könnte größer sein als der Glaube, dass Amerika noch nicht vollendet ist, dass wir stark genug sind, um selbstkritisch zu sein, dass jede Generation aufs Neue unsere Mängel erkennt und beschließen kann, dieses Land entsprechend unserer Ideale zu erneuern?“ Einerseits wollte sich der Präsident damit selbst rechtfertigen: Gegner auf der politischen Rechten stellen oft seine Vaterlandsliebe infrage, weil er gesellschaftliche Missstände anprangert oder Amerikas Macht im Ausland endlich nennt. Andererseits nutzte Obama die Rede für eine Bestandsaufnahme über Bürgerrechte im heutigen Amerika, nicht nur im Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen, sondern allgemein zwischen der Mehrheit und Minderheiten wie Schwulen, Behinderten, Latinos und Asiaten.

Der „Bloody Sunday“ hat eine Wende eingeleitet: Landesweite Empörung über die Gewalt in Selma half Präsident Lyndon B. Johnson, ein neues Gesetz für ein allgemeines Wahlrecht im Kongress durchzusetzen. Aber die Kluft zwischen Schwarz und Weiß ist noch immer sichtbar, wenn auch viel schmaler als einst. Daran haben vor allem die Zustände in Ferguson erinnert, einem Vorort von St. Louis in Missouri, wo ein weißer Polizist im August 2014 einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschoss. Obamas positive Botschaft lautete, dass Ereignisse wie die in Ferguson „nicht mehr vorherrschend sind“, und anders als 1965 sei weiße Willkür gegenüber Schwarzen nicht mehr von Gesetz oder Gewohnheitsrecht erlaubt. Gleichwohl habe Amerika den Rassismus nicht besiegt. „Wir müssen nur unsere Augen und Ohren und Herzen öffnen, um zu wissen, dass die Geschichte noch immer einen langen Schatten auf uns wirft. Wir wissen, dass der Marsch nicht vorüber ist“, sagte Obama vor Zehntausenden, überwiegend schwarzen Bürgerinnen und Bürgern.

Gerade in der vergangenen Woche hat ein Bericht aus dem US-Justizministerium eine vernichtende Bilanz darüber gezogen, wie die Polizei in Ferguson schwarze Bürger ohne jeden Anfangsverdacht schikanierte, anpöbelte, ausbeutete. Die Stadtverwaltung sanierte ihre Finanzen, indem sie systematisch Bußgeld eintrieb. Als die Menschen nach dem Tod des erschossenen Michael Brown protestierten, trat ihnen die Polizei in kriegerischer Pose entgegen. In Ferguson sei jener „Missbrauch und jene Geringschätzung“ zum Ausdruck gekommen, die einst die Bürgerrechtsbewegung ausgelöst hätten, sagte Obama.

Auch beim Wahlrecht liegt weiter vieles im Argen. Noch immer häufen sich besonders im Süden des Landes Berichte, wonach die Behörden gezielt versuchen, Schwarze und Arme vom Wählen abzuhalten. Gleichwohl hat das Oberste Gericht, der Supreme Court, im Jahr 2013 die Wahlrechtsreform von 1965 weitgehend entkernt: Südstaaten wie Alabama hätten ihre rassistische Vergangenheit hinter sich gelassen, hieß es, sie müssten ihre Wahlgesetze heute nicht mehr von Washington kontrollieren lassen. Obama appellierte an die in Selma anwesenden Kongressmitglieder, ein neues Gesetz zu verabschieden zum Schutz von Minderheiten an Amerikas Wahlurnen. Und er beklagte die inzwischen massive Enthaltung bei Abstimmungen im ganzen Land. „Wie können wir beiläufig ein Recht wegwerfen“, fragte er, „für das so viele gekämpft haben?“
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