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Identifikation aus dem Nichts

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Die Forscher blickten auf einen Heuhaufen. Die Kreditkartendaten von 1,1 Millionen Menschen hatte ihnen eine Bank ausgehändigt, dazu alle Einkäufe, die diese Personen in drei Monaten getätigt hatten. Wann sie wo einkaufen waren und wie viel sie dabei ausgeben hatten. Doch die scheinbar wichtigsten Informationen fehlten: Die Namen hatte die Bank aus dem Datensatz getilgt, ebenso die Kreditkartennummern und die erworbenen Produkte. Nur eine Codenummer repräsentierte den Karteninhaber in der Datenbank. Es schien also unmöglich zu sein, über einzelne Einkäufe auf die Person dahinter zu schließen. Die Forscher wollten es dennoch wissen: Wie viele Informationen sind nötig, um die Kreditkarteninhaber in diesem Wust aus anonymisierten Ziffern und Zahlen eindeutig zu identifizieren?

Tatsächlich nur sehr wenige, berichtet ein Forscherteam um Yves-Alexandre de Montjoye vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Lediglich vier Datenpunkte reichten in den meisten Fällen aus, schreiben sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science, um eine Person in der Datenbank eindeutig zu identifizieren. Wenn man etwa das Konsumverhalten eines Freundes durchleuchten will, so genügen dafür also sehr einfache Grundkenntnisse – etwa, wo er am Montag seinen Kaffee gekauft hat, am Dienstag im Restaurant war, Mittwoch im Kino und Donnerstag im Baumarkt. An denselben Tagen waren vermutlich Hunderte andere auch in diesen Läden, doch nur ein Einziger war an allen Tagen in allen davon.



Vier Informationsschnipsel reichen meist aus, um den Codenamen in der Datenbank einer Person zuzuordnen und so ihr weiteres Konsumverhalten einfach ablesen zu können


Vier Informationsschnipsel reichten den Forschern in 90 Prozent der Fälle, um den Codenamen in der Datenbank einer Person zuzuordnen und so ihr weiteres Konsumverhalten einfach ablesen zu können. Auch wenn man nur das Stadtviertel kenne anstatt den Namen des Geschäfts, sei die „Re-Identifikation“ mit einigen Datenpunkten möglich.

Die Studie wirft ein Schlaglicht darauf, wie leicht sich der Schutz der Anonymisierung aushebeln lässt, selbst wenn der digitale Fingerabdruck nur blass ist. Zwar wissen die Forscher selbst, dass die wenigsten Menschen Zugriff auf solche sensiblen finanziellen Datensätze haben. Darum gehe es jedoch auch gar nicht, sagt Leitautor deMontjoye. „Unser Ziel ist es, die unteren Grenzen zu zeigen, um diese Art von Metadaten zu analysieren.“

Denn was mit Kreditkarteninformationen funktioniert, klappt wohl auch mit anderen „Metadaten“ – so heißen diejenigen Informationen, die nicht den Inhalt selbst betreffen, sondern nur dessen Umstände. Etwa, wann jemand eine bestimmte Telefonnummer gewählt hat, nicht aber, was im Gespräch gesagt wurde. Ähnlich einfach ist es demnach, aus GPS-Daten auf Personen zu schließen: So hat de Montjoye in einer früheren Arbeit die Ortungsdaten von 1,5 Millionen Smartphonenutzern über einen Zeitraum von 15 Monaten analysiert – die Informationen, die etwa Google Maps nutzt, um die eigene Position auf der Karte zu bestimmen. Auch hier reichten vier Angaben, wo sich jemand zu einer bestimmten Stunde aufgehalten hatte, um 95 Prozent der Personen eindeutig zu identifizieren (Scientific Reports, online).

Die menschlichen Mobilitätsspuren seien „höchst einmalig“, schreiben die Forscher. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich das Gleiche auch für andere Arten der Mobilität zeigen lässt, etwa im Internet über den Browserverlauf. Gerade Ortungsdaten werden häufig zu Werbezwecken weiterverkauft, Google nutzt sie zudem, um in Echtzeit Verkehrsinformationen zu sammeln.

„Heute sind mehr Alltagsvorgänge mit einer Datenerhebung verbunden als noch vor wenigen Jahren“, sagt eine Sprecherin der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhof. „Auch wenn Daten scheinbar ohne Personenbezug sind, kann dieser oft mit relativ geringem Aufwand wiederhergestellt werden.“ Wie aktuell dieses Problem ist, zeigt ein Beispiel aus New York. Vergangenes Jahr musste die Stadt Daten über 173 Millionen Taxifahrten veröffentlichen. Ein Blogger hatte dies mit einem „Freedom of Information Act Request“ von den Behörden erzwungen, dem US-Pendant zum deutschen Informationsfreiheitsgesetz. Obwohl nirgendwo stand, wer in dem Taxi unterwegs war, kamen Hacker den Insassen schnell auf die Spur. Indem sie die Ortungsdaten mit bekannten Adressen etwa von Prominenten verknüpften, konnten sie deren Ausflüge leicht nachvollziehen – darunter Fahrten in den nächsten Stripclub, die kaum in die Öffentlichkeit gelangen sollten.

Die derzeitige Rechtslage in den USA und in Europa sei kaum ausreichend, um die Privatsphäre in solchen Metadaten-Sätzen zu schützen, schließen die MIT-Forscher. „Die große Herausforderung ist“, sagt de Montjoye, „dass es sich nicht mehr nur um einzelne Datenbanken handelt, sondern dass Firmen einzelne Datenbanken miteinander verknüpfen.“ Gerade aus dieser Verknüpfung großer Informationsmengen entstünden ganz neue datenschutzrechtliche Schwierigkeiten.


Brite am Grill

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Es ist ein eindrücklicher Satz, den Steve Easterbrook da vor einigen Monaten sagte: Die jungen Leute seien „promiskuitiv, was ihre Markentreue angeht“. Das wurmt Easterbrook, ist die von ihm verantwortete Marke McDonald’s doch bislang eine der bekanntesten und wertvollsten in der Welt, auf Platz fünf in der Welt, glauben unabhängige Marketingleute, knapp vor Coca-Cola sogar.

Doch der Zuspruch nimmt ab. Ausgerechnet zum 75. Geburtstag der Hacksemmel-Bude kaufen dort immer weniger dort ein. Vor allem die jungen Menschen wollen abwechslungsreicher essen und nicht immer nur Hamburger und Chickenwings samt ihrer dann doch irgendwie gleich schmeckenden Spielarten. Im vierten Quartal ist der Umsatz des US-Konzerns um sieben Prozent auf 6,6 Milliarden Dollar gefallen – im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Vorjahr. Das erste Mal seit zehn Jahren sinken die Verkäufe in den weltweit 36000 Fast-Food-Buden.



McDonald's muss sich an neue Bedürfnisse der Kundschaft anpassen. Auf den neuen Chef Steve Easterbrook, 47, kommen einige Herausforderungen zu.


Jetzt hat die Firma, die am Rande von Chicago residiert, die Konsequenzen gezogen: Der bisherige Vorstandsvorsitzende Don Thompson, 51, muss Ende Februar gehen. Ihm folgt der Mann nach, der das mit der Tragik der Promiskuität sagte, Steve Easterbrook, bislang Markenvorstand.

Brite ist der, das allein ist schon ungewöhnlich, und auch studierter Naturwissenschaftler. Keiner von diesen reinen Betriebswirten also, wobei er bald nach dem Studium bei McDonald’s landete. Zweimal schon hat Easterbrook gezeigt, dass er ein Händchen für die richtigen Zutaten hat, im Wortsinne: In seiner Heimat brachte er McDonald’s vor einigen Jahren enorm nach vorn, beim Ansehen und bei den Kundenzahlen. „Der Mann, der Ronald McDonald wieder stark machte“, so überschrieb der Guardian damals ein Porträt über ihn, in Anspielung auf die Werbefigur Ronald McDonald, die zuvor arg gelitten hatte. Auch die Asia-Fast-Food-Kette Wagamama brachte er auf Expansionskurs.
Seine neue Position bei McDonald’s dürfte herausfordernder werden. Es gibt keine Anzeichen, dass der Trend zu gesundem, interessanten Essen nachlässt. Neben all den Gewürzen, die die echte Welt so bereithält, sorgt künftig vielleicht auch noch die virtuelle für Spannung auf dem Teller: Das „Project Nourished“ will künftig Snacks und ganze Mahlzeiten per 3D-Drucker zubereiten, auf Grundlage von Stärke und Eiweißmolekülen. Versetzt mit Aromen aller Art soll so eine kleine Mahlzeit bereitet werden können. Ohne viel Fett und auch optisch ansprechend, wenn sich der hungrige Mensch noch eine Brille mit kleinen Bildschirmen aufsetzt. Ein Burger wird sich da dann wohl auch irgendwie basteln lassen.

Wo es an allem fehlt

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Regen prasselt auf das olivgrüne Zelt, der Boden ringsum, eigentlich ein Parkplatz im Zentrum von Dnipropetrowsk, hat sich in eine schlammige Brühe verwandelt. Im Zeltinneren qualmen zwei Feldöfen. Daneben sitzen Menschen dicht gedrängt auf Holzbänken, tragen sich in Listen ein oder warten. Es sind Kriegsflüchtlinge aus dem Donbass, die es in die Auffangstelle einer örtlichen Hilfsorganisation geschafft haben. Die meisten von ihnen sind Frauen.



Menschen aus dem Kriegsgebiet Donbass suchen in der Auffangsstelle der Stadt Dnipropetrowsk Hilfe. Wegen des Krieges in der Ostukraine sind hunderttausende Menschen auf der Flucht.

Das Zelt steht hinter einem heruntergekommenen Betonbau am Karl-Marx-Prospekt, der Hauptverkehrsstraße von Dnipropetrowsk. Es ist der Empfangsraum der Erstversorgungsstelle. Flüchtlinge können in dem fünfstöckigen Gebäude ein paar Tage unterkommen, bevor sie sich eine eigene Unterkunft suchen müssen. In kargen, notdürftig hergerichteten Räumen werden sie registriert, medizinisch versorgt und mit dem Nötigsten ausgestattet. Helfer verteilen gespendete Kleider, auch psychologische Betreuung wird angeboten.

Dnipropetrowsk ist die drittgrößte Stadt der Ukraine, sie liegt nur 200 Kilometer entfernt von der Region um Donezk, wo trotz des Minsker Abkommens geschossen wird. Auch anderswo geht das Töten weiter: Am Wochenende starben bei einem Raketenangriff auf die Hafenstadt Mariupol mehr als 30 Menschen. An den folgenden Tagen wurde an mehreren Orten gekämpft, mit Toten auf beiden Seiten. Die Regierung in Kiew hat für ihre Soldaten „Abschussprämien“ eingeführt: Für ein vernichtetes Fahrzeug der Aufständischen bezahlt der Staat umgerechnet 600 Euro, für einen zerstörten Panzer 2400 Euro.

Nach UN-Angaben sind mehr als 900000 Menschen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile und weitere 600000 nach Weißrussland oder Russland geflohen. Auch Viktoria Vdovichenko hat die ständige Todesangst und die Entbehrungen nicht mehr ausgehalten. Die 38-Jährige, kräftige Statur, rote Wollmütze, ist im Juli aus Donezk nach Dnipropetrowsk geflüchtet. Ihre beiden Kinder, zwölf und drei Jahre, und ihren Vater hat sie mitgenommen. Ihr Mann ist zurückgeblieben, um seinen todkranken Vater zu pflegen.

Seit Monaten leben sie und ihre Kinder von dem Hilfsgeld, das ihr Vater bekommt. Der 72-Jährige hat einen Behindertenausweis, ihm stehen monatlich 2500 Griwna zu, etwa 140 Euro. Hinzu kommt das Wenige, das Vdovichenko als Aushilfe in einer Fabrik verdient. „Aber es fehlt an allem“, sagt sie, „an Lebensmitteln, aber auch an praktischen Dingen wie einer Waschmaschine.“ Sie schimpft auf das undurchsichtige Listen-System, nach dem Hilfsgüter und Geld verteilt werden. Da gebe es das Rote Kreuz, die Heilsarmee, die ukrainischen Behörden und diese Auffangstelle, die vom UN-Flüchtlingshilfswerk und anderen Hilfsorganisationen unterstützt wird. Stehe man bei den einen auf einer Liste, werde man von einer anderen gestrichen. „Im Grunde muss ich mich zwischen Mikrowelle und Essen entscheiden.“

Dann eilt Vdovichenko weiter. Sie will den EU-Flüchtlingskommissar Christos Stylianides sehen, der gerade eingetroffen ist. Mit einer EU-Delegation und Vertretern des UNHCR taucht der Zyprer in dem engen Zelt auf. Er will sich ein Bild von der Situation machen und überbringt Botschaften, die Mut machen sollen: „Ich bin hier, um die Solidarität der Europäischen Union für die Ukrainer zu zeigen.“ Das ist der Satz, den er in den zwei Tagen seines Ukraine-Besuchs ständig wiederholt, das ist die Mission seiner Reise, und tatsächlich ist Stylianides nicht mit leeren Händen gekommen.

Tags zuvor hat er in Kiew dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zusätzliche 15 Millionen Euro an humanitärer Hilfe zugesichert. An diesem Nachmittag wird Stylianides am Flughafen von Dnipropetrowsk Hilfsgüter in Empfang nehmen: Schlafsäcke, Zelte, Kleidung, Heizgeräte, eingeflogen mit drei Transportflugzeugen. In einer Presseerklärung ist von Operation „EU Airlift“ die Rede. Weitere humanitäre Güter sind per Lastwagen in den Osten der Ukraine unterwegs, insgesamt sind es 85 Tonnen, bereitgestellt von Deutschland, Frankreich und einigen ost- und nordeuropäischen EU-Ländern.

Der Kommissar auf dem Rollfeld, die vielen Kameras, die den Abtransport der ersten Palette aufzeichnen – die Ankunft der Maschinen ist auch ein Spektakel für die Presse, das symbolträchtige Bilder liefern soll. Stylianides verkündet: „Wir alle sind heute Ukrainer“, und es wirkt, als sei auch das Teil seiner Mission: die EU als tatkräftigen Helfer für die notleidenden Menschen zu präsentieren. Seit August hat Russland etwa ein Dutzend Konvois mit je Hunderten Lastwagen in die Regionen Luhansk und Donezk geschickt. Die Regierung in Kiew und die EU werfen Moskau vor, auf diese Weise die Separatisten mit Waffen zu versorgen; doch es befanden sich eben auch humanitäre Güter in den Lastwagen. Die Operation „EU Airlift“ kann man durchaus als Antwort der Europäer auf diese Konvois verstehen.

Die Güter, die an diesem Tag eingetroffen sind, sollen nun verteilt werden: an örtliche Anlaufstellen, aber auch an die Bevölkerung in Mariupol und – mithilfe von örtlichen Partnern – den umkämpften Gebieten. In Dnipropetrowsk werden sie sehnsüchtig erwartet. Der Leiter der Erstversorgungsstelle am Karl-Marx-Prospekt, Wladislaw Makarow, erzählt, dass die oberen beiden Stockwerke ausgebaut werden. „Bisher können hier bis zu 100 Menschen unterkommen, bald werden es 300 sein.“ Der Winter, die Wirtschaftsblockade der Kiewer Regierung für Donezk und Luhansk, die den Druck auf die Rebellen erhöhen soll, die neuen Gefechte: An diesem Tag findet sich hier niemand, der glaubt, dass ein Ende der Krise in Sicht ist.

Meine irren Beats

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Es gibt Sprüche, die sollten auf T-Shirts stehen. Auch „This sick beat“, also „Dieser irre Beat“, mag für viele darunter fallen, besonders für Fans von Taylor Swift. Die amerikanische Popsängerin rappt den Ausdruck in einer Passage ihres Hits „Shake it off“. Seitdem ist „This sick beat“ mindestens so bekannt wie der Song, in dem er vorkommt. Aber das mit den T-Shirt-Aufdrucken könnte schwierig werden. Denn Taylor Swift hat sich diesen und weitere Sprüche aus ihrem aktuellen Album „1989“ urheberrechtlich schützen lassen.

Ein Schlag für Fans – und für alle unabhängigen Hersteller von Vermarktungsprodukten, die an Swifts Erfolg mitverdienen wollten. Wer künftig etwa „Nice to meet you. Where you been?“ auf seine Badeseife prägen oder „Party like it’s 1989“ auf seine Weihnachtsstrümpfe sticken lassen will, kommt an der Sängerin und ihren Anwälten nicht mehr vorbei. Denn Taylor Swift gehören die irren Beats. Und das in vielerlei Hinsicht: Denn der Bann ist nicht nur auf T-Shirts beschränkt, wie beim US-Patentservice Justia Trademarks nachzulesen ist, sondern reicht von Hautcreme (bei „This sick beat“) über Pappteller (bei „Party like it’s 1989“) bis hin zu abwaschbaren Tattoos (bei „Cause we never go out of style“). Die Popsängerin agiert frei nach dem Motto: alles meins. Wer sich nicht daran hält, wird rechtlich belangt. Und das könnte bei einer der weltweit erfolgreichsten Künstler teuer werden.



Taylor Swift bei den New Year's Eve Celebrations in New York. Die 25-Jährige hat sich einige Songpassagen aus ihrem neuen Album '1989' patentieren lassen.


Mit „1989“ ist die 25-jährige Swift endgültig und vor allem international vom Countrysternchen zum Popstar avanciert; das Album verkaufte sich in den USA allein in der ersten Woche mehr als eine Million Mal und erreichte auf Anhieb Platz eins der Charts. Auch eine Sonderedition für die Supermarktkette Target verkaufte sich dank exklusiver Zusatzsongs gut. Swift ist bereits siebenfache Grammy-Preisträgerin, im Februar könnten weitere Trophäen hinzukommen. Das Time-Magazine hat sie vor Kurzem zur „wichtigsten aktuellen Künstlerin“ gekürt. Und als solche nimmt Swift ihre Sache ziemlich ernst: Im Wall Street Journal sagte sie im vergangenen Sommer einmal: „Musik ist eine Kunst, und Kunst ist wichtig und rar. Und für wertvolle Dinge sollte man etwas bezahlen.“ Im darauffolgenden Herbst, kurz nach Erscheinen von „1989“, zog sie ihre Songs komplett aus dem Musikstreaming-Dienst Spotify zurück und verprellte die Verantwortlichen ebenso wie die Fans. Aber langfristig machte dieser Schritt ihre Musik nur noch exklusiver.

Nun läuft auch noch die Vermarktung ihrer Texte ausschließlich über sie. Vater Scott Kingsley Swift, Vermögensberater bei der Investmentbank Merrill Lynch, dürfte angesichts von so viel Geschäftssinn stolz auf seine Tochter sein. Immerhin erwähnt er seine Kinder in seinem Vorstellungstext auf der Internetseite der Bank; Sohn Austin gehe auf die Universität Notre Dame im Bundesstaat Indiana, Tochter Taylor sei eben mehrfache Grammy-Gewinnerin.

Denn Taylor Swift hat verstanden, wie die Musikbranche inzwischen funktioniert. Ihr Patentierungswahn ist daher nicht albern oder überzogen, wie es auf den ersten Blick erscheint, sondern ein cleverer Schachzug. In einer Zeit, in der Musiker und Bands mit Albumverkäufen allein keinen großen Reibach mehr machen können, zählen alle anderen Nischen umso mehr, aus denen sich Profit schlagen lässt. Nischen wie die Drumherum-Vermarktung, wie bedruckte T-Shirts oder Pappteller. Von diesen profitiert künftig nur noch eine: Taylor Swift selbst. Vielleicht wäre das eine Idee für den nächsten Hit der Künstlerin: ein Song namens „Smart move“, also „Cleverer Schachzug“. Die Worte sähen bestimmt auch auf einem T-Shirt gut aus.

Kiezdeutsch für Radikale

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Sie drehen Videos, sie halten Reden auf öffentlichen Plätzen, sie geben Interviews. Islamisten nutzen alle erdenklichen Wege, um ihr Wort zu verbreiten. Und: Sie tun das auf eine besondere Art und Weise. Wenn man sie sprechen hört oder auf ihre Wortwahl achtet, stellt man fest, dass sie eine eigene Sprache haben. Besonders deutlich wird das in den zahlreichen Propagandavideos, aber auch abseits der offiziellen Ansprachen und Reden, zum Beispiel in dem Anfang des Jahres veröffentlichten Interview des Journalisten Jürgen Todenhöfer mit dem deutschen IS-Kämpfer „Abu Qatadah“.

Wieso sprechen die Islamisten so? Welche Bedeutung hat ihre Wortwahl? Wie funktioniert ihre Rhetorik? Dr. Abdel-Hakim Ourghi kann diese Fragen beantworten. Er ist Islamwissenschaftler und leitet den Fachbereich Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg.




Jürgen Todenhöfer im Gespräch mit dem deutschen IS-Kämpfer Abu Qatadah

jetzt.de: In dem Interview mit Abu Qatadah ist mir als erstes aufgefallen, dass er sehr oft das Wort „yani“ verwendet. Was bedeutet das?
Dr. Abdel-Hakim Ourghi: Das bedeutet auf Arabisch einfach „das heißt“. Es wird sehr oft verwendet, weil das Arabische eine sehr bildhafte Sprache ist und zu ständigen Wiederholungen neigt, das soll dem besseren Verständnis dienen und den Sinn eines Sachverhaltes betonen. Da ist das Arabische anders als das Deutsche, das eine sehr genaue Sprache ist. Das hat viel mit der Koransprache zu tun, dort findet man auch unendliche Wiederholungen in verschiedensten Kontexten, um ein Thema zu vermitteln.

Abu Qatadahs Muttersprache ist aber vermutlich Deutsch, warum dann dieser arabische Ausdruck?
Deutsche Salafisten können meist kein Arabisch, aber sie lernen ein paar Wörter und Floskeln und verwenden sie in der gesprochenen Sprache. Unter anderem, um zu demonstrieren, dass sie Muslime und Teil der Gemeinschaft sind.

Wie und wo lernen sie die denn?
Wir wissen mittlerweile, dass es eine Art „geheime Wohnungspropaganda“ in Deutschland gibt, Betreiber sind zum Beispiel Pierre Vogel oder Sven Lau. Was bei diesen Treffen genau passiert, weiß man nicht, weil sie sich der Kontrolle der Sicherheitsbehörden entziehen. Wir können aber davon ausgehen, dass dort Propaganda für den salafistischen Islam betrieben und Radikalisierung befördert wird. Und dass deutsche Salafisten dort und zum Teil in Moscheen oder autodidaktisch durch das Internet diese Floskeln lernen.

Welche Floskeln sind das?

Zum Beispiel „Alhamdulillah“ („Gott sei gepriesen“), „Masha’allah“ („Was Gott will“), zu Beginn einer Rede die Phrase „Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes“ oder die sogenannte Eulogie für den Propheten Mohammed, also eine Art Segenssprechung über den Propheten nach der Nennung seines Namens. Interessanterweise taucht in einigen Propagandavideos auch die Wendung „Ummat Mohammad“ auf, „die Gemeinde des Propheten“ – da spielen also die Nationalitäten überhaupt keine Rolle, sondern eher das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gemeinde der Muslime. Bei öffentlichen Auftritten wird vom Redner zum Takbir aufgerufen.

Was ist das?
„Takbir“ bedeutet in etwa „sagen, dass Gott groß ist“. Wenn zum Beispiel Pierre Vogel in seinen öffentlichen Predigten „Takbir“ sagt, müssen die Zuhörer mehrfach „Allahu akbar“, also „Allah ist groß“ wiederholen. Das erzeugt und intensiviert ein Gemeinschaftsgefühl. Wer angesprochen wird, kennt ja die Floskeln.

"Beim Zuhörer entsteht der Eindruck, dass es sich um die Sprache einer der coolsten Gangs der Welt handelt"


Diese Misch-Sprache aus Arabisch und Deutsch verbindet also die Islamisten, auch wenn sie ursprünglich verschiedene Sprachen sprechen?
Ja, es ist ein Soziolekt, also eine Sprache einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe.

So ähnlich wie Kiezdeutsch?

Ja, beim Zuhörer entsteht der Eindruck eines Gruppenprofils, „das Wir“, und dass es sich hier um die Sprache einer der coolsten Gangs der Welt handelt.

Diese Rhetorik spricht vor allem junge Menschen an?
Wir haben es hier mit einer Jugendsprache zu tun, die sehr gezielt eingesetzt wird. Sie dient als Identifikationsmerkmal für die Salafisten oder für die, die man inzwischen Pop-Dschihadisten nennt, also Jugendliche, die eine Art Fankult um den Dschihad aufbauen, mit entsprechendem Zubehör, wie etwa T-Shirts, einem speziellen Habitus und Ähnlichem. Es kursieren mittlerweile zahlreiche Propagandavideos auf Arabisch und Deutsch.



                                           Dr. Abdel-Hakim Ourghi

Wie sind die aufgebaut?

Im Hintergrund läuft meist ein Nasheed, das ist ein traditionelles islamisches Lied, bei dem ohne Instrumente gesungen wird, um die Zuhörer seelisch zu bewegen. Die Musik soll Unentschlossene auf einer emotionalen Ebene ansprechen und zum Mitmachen bewegen. Es werden viele Zitate aus dem Koran auf Arabisch wiedergegeben, wenn es um Aussagen des Propheten geht, werden sie allerdings auf Deutsch übersetzt und zwar sinngemäß. Mittlerweile werden auch bekannte Nasheed übersetzt. Zum Beispiel gibt es eines über das Paradies, „Dschanna“, das auf Deutsch gesungen wird, da die meisten kein Arabisch verstehen und Deutsch zur gemeinsamen Sprache geworden ist.

Der Tonfall und die Sprachmelodie des Deutschen klingen bei den Islamisten auch so besonders. Arabischer irgendwie.
Zum Teil ist das vielleicht bedingt durch das Einstreuen arabischer Wörter und Floskeln. Vogel spricht aber eher mit rheinländischem Tonfall.

Gibt es noch andere Unterschiede in der Rhetorik, die vom Arabischen aufs Deutsche übertragen werden?
Das Arabische ist eine sehr vitale, energische Sprache. Wenn man zwei Araber in der Straßenbahn sprechen hört, reden sie oft sehr laut und mit den Händen – dann denkt man als Außenstehender vielleicht, dass die beiden sich streiten, dabei kommunizieren sie ganz normal. Die Redner in den Videos sprechen auch oft mit den Händen und sehr körperlich.

Und sehr pathetisch.
Es geht ihnen auch darum, aus dem Herzen und aus der Seele heraus zu sprechen. Auf Außenstehende wirkt diese gestikulierende Kommunikation befremdlich, aber sie hat viele Aufgaben zu erfüllen. Neben dem schon erwähnten Gefühl des Zusammenhaltes auch, die sogenannten Ungläubigen, also Christen, Juden oder sogar andere Muslime, auszugrenzen.

Und die Zuhörer zu radikalisieren.
Ja, die Redner sollen vor allem unter den sogenannten „unsicheren Kandidaten“ für den Dschihad Propaganda betreiben. Unsichere sollen durch diese Sprache zum Handeln bewegt werden, sie sollen von ihrem sozialen Umfeld, der Familie oder der Schule, abgegrenzt und zu einer Abnabelung bewegt werden. Wir haben hier eine hochentwickelte Propagandamaschine, in deren Visier junge Menschen sind, die sich vielleicht in einer Sinnkrise befinden. Das sind oft Benachteiligte, die leicht zu beeinflussen sind. Diesen vermeintlichen Verlierern der Gesellschaft verspricht man in diesen Reden, dass sie Helden werden und Vorbilder für die anderen.

Über die Propaganda radikaler Islamisten (bzw. die speziellen Propaganda-Strategie des IS) haben wir mit Stephan Rebbe, Beratungsgeschäftsführer der Kommunikationsagentur Kolle Rebbe, gesprochen. Das Interview findest du hier.

Mädchen, wie organisiert ihr euren Zyklus?

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Liebe Mädchen,

Heather Watson hat jüngst wohl so etwas wie ein Tabu gebrochen. Die britische Tennisspielerin rechtfertigte ihr Erstrundenaus bei den Australian Open mit „girl things“ – dem Einsetzen ihrer Periode also. Man hat diese Begründung im Spitzensport offenbar noch nie gehört, weshalb beim Zyklus und allem, was mit ihm so zu tun hat, gerade wieder bis in die hinteren Winkeln gestöbert und gefragt wird.





Wir sehen uns in der Rubrik „Jungsfrage“ da durchaus etwas in der Pflicht und hängen uns gerne noch mit dran. Zumal es tatsächlich etwas gibt, das wir – ganz vereinzelt zunächst, seither aber doch mit steigender Tendenz – beobachten: Zyklus-Apps. „Period Tracker“ heißen die zum Beispiel, oder „Der Periodenkalender“. Und oberflächliche Recherchen haben ergeben, dass sie erstens als Symbol fast immer was mit einer Blume haben und zweitens „der einfachste Weg, um Ihre Perioden zu verfolgen“ sind (Selbstbeschreibung), oder eine Möglichkeit, „mit der Frauen ihren Monats-Zyklus überwachen können“ (App-Expertinnen-Einschätzung bei chip.de).

Damit aber nicht genug. „Begleiterscheinungen“, noch mal die Expertin, „wie zum Beispiel Bauchkrämpfe, Kopfschmerzen oder die aktuelle Seelenlage, erfassen Sie bei Bedarf ebenfalls“.

„Wie praktisch!“, war mein erster Gedanke. Und dann bin ich natürlich doch ins Grübeln gekommen. Der Sprache wegen vor allem: „verfolgen“, „überwachen“, „erfassen“, „tracken“. Mir war nicht klar, wie nah sich die Periode am Kosmos Geheimdienste bewegt. Und daraus stellten sich mir folgende Fragen:

Diese ganzen CIA-Methoden wende ich doch zunächst an, weil ich daraus auch Handlungen ableiten kann, richtig? Wenn mich das in eine aktive Position bringt. Einen Terroristen tracke ich ja nur, weil ich nicht will, dass er völlig überraschend herumbombt. Und deshalb wundert mich, ob ihr da mit euren Tagen auch etwas machen könnt, von dem wir gar nichts wissen?

Wir hätten jetzt nämlich gesagt, dass die Begriffe „Regel“ und „Zyklus“ nicht zufällig gewählt sind, das Ganze also in einem eben regelmäßigen Zyklus auftritt. Was ein überraschendes Herumbomben ja ziemlich unwahrscheinlich macht, und sich die ganze Angelegenheit deshalb mit einem einfachen Kalender oder sogar einem normal ausgeprägten Erinnerungsvermögen koordinieren lässt.

Diese Apps wirken aber, als befändet ihr euch da durchaus in einer aktiven Position. Als könntet ihr doch mehr tun, als die Pille länger als nur einen Monat zu nehmen, oder dieses Jahresstäbchen zu tragen. Ist das so? Habt ihr da Einfluss? Könnt ihr eure Tage hinauszögern oder beschleunigen? Und tut das auch? Und wenn ja: wann? Und wie?! Checkt’s Heather Watson also einfach nur nicht und hätte gar nicht unter Bauchkrämpfen verlieren müssen?

Oder verstehen wir das mit diesen Apps falsch und sie sind tatsächlich einfach nur die Rasterfandung des Intimbereichs? Oder gar nur eine Art Haushaltsbuch, in dem man alle Ausgaben einträgt, um am Ende des Monats sehen zu können, dass das Konto wirklich nicht lügt, wenn es behauptet, leer zu sein?

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort von martina-holzapfl.
[seitenumbruch]Ich bin keine Tennisspielerin und ich habe daher keine Ahnung von den medikamentösen Manipulationsmöglichkeiten menstruierender Tennisspielerinnen. Aber wir haben, abgesehen von den Varianten, die du schon genannt hast, nichts im Petto, womit sich die Periode hinauszögern ließe. Deshalb kann ich am heutigen Tag exklusiv aus dem Zentrum des Geschehens berichten. Wollt ihr es genau wissen? Ja, ihr wollt es genau wissen, sonst hättet ihr nicht gefragt. It’s a girl thing.





Ich leide seit genau zwei Stunden fiese Höllenkrämpfe und werde die Redaktion verlassen, so bald diese Antwort geschrieben ist. Und warum? Weil ich nicht auf meine Period-Tracker-App geguckt hab, die auf meinem Handy installiert ist. Weil ich das immer vergesse. Hätte ich es getan, hätte ich gewusst, was mir blüht und Schmerztabletten eingesteckt. Nicht nur das. Ich hätte schon vor Tagen prophylaktisch begonnen, Magnesium zu nehmen und Mönchspfeffer und eine Ladung Buscopan plus obendrauf.

Aber von Anfang an. Das mit dem Zyklus „tracken“, das ist etwas, dass man - wenn überhaupt - erst beginnt, wenn man schon einige Jahre seine Tage hat. Am Anfang protokolliert man nämlich gar nichts. Auch wenn Mama sagt, dass man das ab jetzt bitte machen soll. Am besten ganz unauffällig im Kalender, kleines Kreuzchen oder so was. Hält man aber für den üblichen Erwachsenenquatsch. Perioden-Kreuzchen in den Kalender malen, das ist wie alle 14 Tage das Bett neu beziehen (mit gemangelter Bettwäsche, wtf?!), wie Zimmer aufräumen, wie Socken zusammenlegen.

Beim ersten Frauenarztbesuch wird es einem erneut ans Herz gelegt, diesmal sehr mahnend und man kriegt eine grafisch katastrophal gestaltete (IT-Firma Optik meets ClipArt meets rosa Farbtupfer wie Herzen oder Blüten) kleine Faltkarte in der Größe einer Visitenkarte. Da soll man ab jetzt eintragen, wann man seine Tage hat. Na gut, sagt man dem Arzt entgegen, und meint es genauso ernst, wie man es ernst meint, wenn man nickt, nachdem der Zahnarzt sagt, dass man jeden Tag Zahnseide benutzen muss. Zu sich selbst sagt man: Go home, Alter, jeden Monat eine Unterhose ruinieren ist immer noch besser, als Kreuzchen im Kalender machen.

Dann nimmt man vielleicht ein paar Jahre später die Pille, und dann braucht man sowieso keinen Tracker mehr, weil dann weiß man ja, dass die Tage immer dann kommen, wenn die 21 Pillentage vorbei sind. Und ist man jetzt eine Tennisspielerin und kann es sich nicht erlauben, an gewissen Tagen Periodenbeschwerden zu haben, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass man die Pille nimmt, die man dann an ungünstigen Terminen ja auch easy mal durchnehmen kann. Und ich würde nicht ausschließen, dass es im professionellen Sportbusiness auch noch andere Möglichkeiten gibt, das ungünstige Menstruieren schnell wegzumogeln. Da will ich aber nicht rumspekulieren. Dass die Watson ihrer Periode ebenso hilflos ausgeliefert ist, wie ich, spricht ja dafür, dass sie nix nimmt.

Aber zurück zu den Trackern. Klar: Sie nerven. Weil sie einen zur Kleinlichkeit zwingen. Weil sie hässlich sind. Weil die meisten medizinischen Sachen hässlich sind und nach dem Prinzip rosa-für-Mädchen und blau-für-Jungs entworfen werden. Aber es gibt sie eben, und es gibt sie nicht ohne Grund. Denn grundsätzlich hilft das Tracken zu vermeiden, dass man jeden Monat aufs Neue Klamotten ruiniert, von unbändigen Schmerzen überrascht wird und keine Medikamente dabei hat. Oder aus einer hirnrissigen Laune heraus und ohne rationalen Grund die eigene Beziehung beendet. Oder Fernsehreportern aufgebracht erzählt, dass man leider das Match verloren hat, weil man seine Tage hatte.

Man muss leider der Typ sein fürs Tracken. Man muss dieses Mädchen sein, das immer Taschentücher in der Handtasche hat, immer Labello und Handcreme und Kaugummis. Man muss das Mädchen sein, das jeden Morgen die Haare föhnt und nie im ungebügelten Pullover vor die Tür geht. Dann schafft man es vielleicht auch mühelos, die eigene Periode zu tracken. Rechtzeitig Magnesium zu nehmen. Immer Buscopan auf Tasch zu haben. Und so weiter. Ist man dieses Mädchen nicht, dann, tja, dann hat man es mitunter schwer im Leben. Peace, Watson!

Wir haben verstanden KW 05

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Im Fitnessstudio gefragt zu werden, wieviel man abnehmen will, obwohl man eigentlich nur wegen Rückenschmerzen da ist = Schlimmstes Gefühl der Welt.

Es gibt wenig Nervigeres als Kugelschreiber, die beim Ein- und Ausfahren der Mine klemmen.





Es gibt einen großen Unterschied zwischen "Ich habe keinen Bock, mich zu rasieren" und "Ich habe Bock, mich nicht zu rasieren".

Man muss auch Pegida mal danke sagen.

Wenn du am nächsten Tag früh raus musst, sage zu einem ambitionierten Barkeeper nie den Satz "Probier doch einfach noch ein bisschen was aus."

Obama ist "out of fucks"!

In einer Eishockey-Montur sieht jeder böse aus. Und sie anzuziehen ist fast genauso kompliziert wie auf dem Eis nicht umzufallen.

Bananenkisten sind das Klügste zum Umziehen, vor allem für Bücher. Umzugskartons kann man immer nur zu einem Drittel damit vollmachen, dann sind sie schon zu schwer und man kann maximal noch ein paar Federn obendrauf legen (und wer hat schon Federn?). Aber Bananenkisten: Machste voll, kannste tragen, alles gut!

LED-Leuchten in der Decke sind die Pest.

Angst ist immer noch kein guter Ratgeber. Aber sag das mal der Angst – der ist das völlig wurscht.

Schönster Satz der Welt: "Ja, ich bin dann da!"

Der Name "Transmediale" könnte auch auf eine Messe für Transsexuelle hindeuten. Geht da aber eigentlich um Digitales und Kunst.

Jeder Mann ist ein potenzieller Pickup-Artist.

Sollte man öfter machen: auf dem Wertstoffhof was mit Wumms wo reinwerfen.

Es ist sehr okay, gerne in ein Café zu gehen, weil man es so mag, den schönen Kellner anzuschauen.

Die Flagge des IS ist cool. Leider.

Es werden mehr Penisse von Handy zu Handy geschickt als man denkt.

Und es werden deutlich mehr Schnitzel an der Garderobe abgegeben als man denkt.

Und der schönste User-Kommentar der Woche kommt von alcofribas: "Schnitzel an der Garderobe abgeben ist wie Hundebabys am Autobahnparkplatz anbinden!"

Was bin ich wert?

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Jennifer Lyn Morone, 35, hat mit der Jennifer Lyn Morone™ ihr eigenes Unternehmen gegründet – es besteht aus ihr selbst, Interessenten können Anteile an ihr erwerben und über ihren weiteren Werdegang entscheiden. Das Projekt wird auf der diesjährigen Transmediale in Berlin ausgestellt.


http://vimeo.com/98300179


jetzt.de: Wie kamst du darauf, dich selbst als eigene Firma zu vermarkten?
Jennifer Lyn Morone: Wir hatten in der Uni die Aufgabe, einen politischen Protest zu designen. Zu der Zeit wurden in den USA gerade die Snowden-Enthüllungen um die NSA bekannt, das hat mich beschäftigt. Ich hatte aber auch das Gefühl, dadurch, dass die Überwachung schon so lange lief und tief im System verankert war, wäre es schwer für mich, dagegen anzukommen. Also habe ich beschlossen, nach deren Regeln zu spielen und den Handel mit Daten für mich zu nutzen. Ich habe meinen Namen als Marke eintragen lassen und bin selber die Direktorin meines Unternehmens. Die Leute können seitdem Anteile an mir kaufen.

Hat das bereits jemand gemacht?
Einige sind bereits auf mich zugegangen, weil sie Interesse haben. Das sind natürlich Künstler, aber auch Anwälte, die sich mit dem Urheberrecht auseinandersetzen. In den nächsten Monaten wird das hoffentlich konkreter. Zehn Anteilseigner wären erstmal gut.


Was können die Leute von dir kaufen?

Ich bringe alles, was ich habe, in die Firma ein. Mein Wissen, meinen Körper, meine Gesundheit, was ich verdiene und was ich bereits besitze. In einer Art Online-Shop, der gerade noch in der Konstruktionsphase ist, kann man dann Anteile daran kaufen, der Preis variiert. Man kann auch private Informationen von mir kaufen, ganz wie im echten Leben.

Also zum Beispiel das Wissen, ob du einen Freund hast, gerne asiatisch isst – sowas?

Ja, genau. Mein Kunstprojekt zielt ja vor allem auf die Frage ab, was ein Mensch wert ist. Was seine Arbeit wert ist, seine privaten Daten. Ich habe beispielsweise evaluiert, wie viel Geld in meine Ausbildung gesteckt wurde, was ich besitze, wie viel meine Arbeit wert ist. Daraus berechnen sich dann die Kosten für die Anteile.

Und, wie viel bist du wert?

Über eine Million Dollar. Da ist aber zum Beispiel noch nicht der Wert meines Wissens mit drin, sondern eher, was mein Leben bisher gekostet hat.






Wie fühlt es sich an, auf einmal so eine Zahl über den eigenen Wert zu haben?
Nicht schlimm. Prominente machen sowas ja auch und soweit ich weiß, wird auch bei der Lebensversicherungen der Wert eines Menschen berechnet. Mir ist es wichtiger zu wissen, dass ich mit dieser Arbeit auch langfristig einen Wert kreiere.

Was bekommen die Menschen, die in dich investieren, im Gegenzug?

Sie werden in das Unternehmen eingebunden, dürfen Entscheidungen über mich und mein Leben treffen. Ich will damit auch zeigen, wie komplex solche Prozesse sind. Ich selbst werde erstmal die Mehrheit an meiner Firma behalten, aber natürlich könnte es theoretisch passieren, dass ich das irgendwann ändere. Wenn ich weniger als 50 Prozent der Anteile halte und mehrere Anteilseigner sich zusammenschließen, haben sie auf einmal die Mehrheit. Was dann passiert, muss ich herausfinden. Wenn jetzt zum Beispiel ein Chirurg Anteile an mir kauft und etwas mit meinem Körper anstellen möchte, müsste man das mit den anderen Anteilseignern diskutieren.

Hast du keine Angst davor, dass dir über die Macht der Anteilseigner schreckliche Dinge angetan werden?

Eigentlich nicht. Und selbst wenn das passiert, dann würde es ja auch viel über die Natur des Menschen aussagen.

In dem Projekt geht es auch darum, die Kontrolle über seine Daten zurückzugewinnen. Hast du das Gefühl, du bist da bereits ein Stück weiter?

Viele Informationen über mich sind mittlerweile auf meinem privaten Server abgelegt, das fühlt sich schon besser an. Trotzdem kommuniziere ich ja immer noch über öffentliche Leitungen, das hat sich nicht verändert. Aber ich habe das Gefühl, ich kann stärker darüber entscheiden, mit wem ich meine Daten und meine Persönlichkeit teile.


Auf der nächsten Seite: Erica Scourti über ihr Projekt, bei dem man ihr beim Sexting zuschauen kann.


[seitenumbruch]

Erica Scourti, 35, Videokünstlerin aus London, stellt auf der Transmediale ihr Projekt „Body Scan“ aus


http://vimeo.com/111503640 

Was genau bekomme ich bei „Body Scan“ zu sehen?
Erica Scourti: Für das Projekt habe ich verschiedene Teile meines nackten Körpers mit dem Handy fotografiert und durch die iPhone-App „Cam find“ gejagt. Die App versucht dann, das Fotografierte zu identifizieren und mit Informationen aus dem Internet zusammenzubringen. Wenn ich zum Beispiel meine Brust fotografiere, zeigt sie mir die Wikipedia-Seite zur menschlichen Brust, aber auch Informationen zu Brustvergrößerungen und wo ich einen Arzt dazu finden kann. Diese Informationen lese ich dann vor. Ich wollte damit zeigen, inwiefern persönliche Daten und der menschliche Körper kommerziell interessant sind.

Das klingt gruselig...
Ja, das finde ich auch. Ursprünglich war die App dazu gedacht, dass man zum Beispiel Schuhe, die man an jemandem sieht und cool findet, schnell fotografieren und so rausfinden kann, wo es sie gibt. Sie zeigt aber auch, wie aus Bildern von Maschinen lesbare Informationen werden. Diese werden dann vertaggt, man bekommt ähnliche Suchergebnisse vorgeschlagen – da ist momentan eine große Entwicklung im Gange.

Dadurch, dass das Projekt sich auf einem riesigen iPhone-Bildschirm abspielt und die App deine Bilder kommentiert, hat man das Gefühl, man schaut dir beim Sexting zu. War das beabsichtigt?

Das haben schon mehrere gesagt und ich mag den Gedanken. Wir diskutieren ja immer wieder viel darüber, inwiefern Maschinen Menschen ähnlich sein können und kommen meistens zu dem Ergebnis, dass Maschinen nicht fühlen. Bei mir sieht man, dass es da trotzdem eine Interaktion geben kann. Manche der Fotos hat mein Freund gemacht, es sind auch Bilder von seinem Körper in der Installation zu sehen. Also eigentlich sieht man uns tatsächlich bei einem intimen Prozess zu. Dadurch, dass ich die Bilder in einem so großen Kontext ausstelle und die Maschine sie mit technischen Begriffen und Anlaysen bewertet, geht allerdings jede Erotik verloren. Das finde ich interessant.

Wie fühlst du dich damit, dass so viele Leute euch jetzt in diesen intimen Momenten zuschauen können?

Wir verschicken und teilen andauernd Sachen auf Facebook oder in Messengern. Nur weil wir dabei das Publikum nicht sehen, das sich unsere Inhalte anschaut, heißt das nicht, dass es nicht da ist. Das versuchen wir nur zu verdrängen. Ich habe mich mit diesem Gedanken jetzt bewusst in die Öffentlichkeit begeben, um herauszufinden: Wie fühlt es sich an, wenn ich wirklich Menschen sehe, dir mir dabei zuschauen? Das ist nicht immer angenehm, aber ich muss es jetzt aushalten.

Also willst du mit der Installation eigentlich zeigen, dass nichts privat ist?

Genau. Man denkt ja immer, mit den Fotos, die man so verschickt, kann eh niemand was anfangen. Aber das stimmt nicht. Aus den Algorithmen und vielen anderen Daten, die bereits über einen im Netz vorhanden sind, kann man eine ganze Menge ablesen. Viele sagen dann: „Ich habe ja eh nichts zu verbergen!“. Aber das stimmt nur für die aktuelle Situation. Wenn morgen zum Beispiel die Regierung wechselt und auf einmal alle verfolgt, die blaue Augen haben – dann hat man vielleicht auf einmal etwas zu verbergen, aber dann ist es zu spät.

Denkst du, durch das Projekt bekommst du die Kontrolle über deine Daten zurück?

Ja. Ich denke auch viel darüber nach, inwiefern meine Daten überhaupt noch interessant sind, wenn sie eh für alle einsehbar sind. Wenn ich supertransparent werde, passe ich dann überhaupt noch in deren Raster?

Am Ende der Installation sagt die App, deine Bilder seien zu explizit und schmeißt dich raus. Ist das echt?

(lacht) Ja! Witzigerweise ist das allerdings auf dem Handy meines Freundes passiert, nachdem er seine Pobacken fotografiert hat. Das heißt, er wurde von der App suspendiert, nicht ich. Meine Brüste und mein Schamhaar fand die App okay, seinen Hintern nicht.


Wochenvorschau: So wird die KW 6

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Wichtigster Tag der Woche?
Wahrscheinlich gleich der Montag - mein erster jetzt-freier Tag! Da werde ich alles machen, was ich in den vergangenen Wochen als Vollzeit-Beschäftigte nicht geschafft habe: Uni-Kram erledigen, joggen, Serien gucken, gemütlich Kaffe trinken gehen. Diese Freiheit werde ich diese Woche wirklich genießen. Ich weiß, das ist jetzt Studentengewäsch, aber: Pendler haben einfach kein Leben!

Kulturelles Highlight?

Da die München-Pendelei nun ein Ende hat, beschränkt sich mein Kultur-Umkreis diese Woche auf Augsburg. Was nicht schlimm ist, weil dort zum Beispiel gerade das Brechtfestival läuft (Brecht ist nämlich einer der zahllosen berühmten Sprösslinge der Stadt). Außerdem spielt am Dienstag die Hamburger Band „Trümmer“ in der SohoStage. 

Was mich politisch interessiert:

Griechenland, Pegida, Ukraine... Ich hab das Gefühl, zur Zeit brennt es überall noch mehr als sonst. Das werde ich auf jeden Fall weiter verfolgen.

Soundtrack:
Vergangenen Freitag ist das neue Deichkind-Album „Niveau Weshalb Warum“ erschienen. Da werde ich mal reinhören. Interessant fand ich dazu dieses Interview in der Zeit. Beim Lesen fühlte ich mich irgendwie ertappt - wenn ich ehrlich bin, habe ich auf die Texte bei Deichkind noch nie wirklich geachtet.

http://www.youtube.com/watch?v=mdIP3hyxi3k

Wochenlektüre:

Wer schon meine Wochenvorschau Anfang Dezember gelesen hat: Ich bin immer noch nicht durch mit „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow. Inzwischen weiß ich allerdings, worum es geht und kann sagen: sehr gutes Buch. Aber ich will auch bald den neuen Houellebecq lesen. Und, nachdem ich diesen Artikel gesehen habe, die Memoiren von Reise-Pionierin Alexandra David-Néel. Sie ist alleine durch die Welt gereist, als das für eine Frau noch alles andere als selbstverständlich war. Die hatte bestimmt was zu erzählen!

Kinogang:
Obwohl ich mich während meines Praktikums gefühlt pausenlos informiert habe, ist völlig an mir vorbei gegangen, dass „The Interview“ jetzt doch in die Kinos kommt. Und zwar schon diese Woche! Allein um zu wissen, worum dieser ganze Skandal ging, will ich den sehen.


http://www.youtube.com/watch?v=0Zw13Z6HDXc

Und „Birdman“ möchte ich mir auch noch anschauen. Der kam vergangene Woche raus und wird gerade als großer Favorit für die Oscars gehandelt.

Geht gut diese Woche:

jetzt.de lesen!

Geht gar nicht:

Zug fahren.

Wacholder Unsinn?!

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Samstagnacht vor ein paar Wochen. In einer lauten Kneipe beugt ein Freund sich über den Tresen und brüllt den Barmann an. „Hast du zum Monkey 47 auch das 1724 Tonic Water? Das erschlägt ja die Arooomen nicht so!“



Spaß oder Spießer: Spannungsfeld Gin

Es ist ein paar Jahre her, da trank am Wochenende plötzlich jeder Gin Tonic. Der war nämlich so schön herb im Vergleich zu Wodka Lemon, den wir sonst getrunken hatten, wenn Bier zu schwach war. Auch, wenn wir längst nassgetanzt und besoffen waren, fühlte sich ein Gin-Tonic-Mund immer schön trocken und sauber an. Von Aromen sprach damals keiner. Ganz zu schweigen von Arooomen.

Jetzt ist eine neue Ära angebrochen. Die der Gin-Auskenner. Die Gin-Auskenner sind ein typisches Symptom unserer Zeit, weil sie zeigen, dass guter Geschmack das letztgültige Statussymbol ist. Und leider auch, wo guter Geschmack zu Blasiertheit wird.

Die Gin-Auskenner sind eigentlich ganz normale Menschen. Ich weiß das, weil viele meiner Freunde seit kurzem Gin-Auskenner sind. Sie studieren Medizin oder arbeiten als Junior-Architekten, da sind sie noch ganz verschieden. Aber in ihren Wohnzimmern steht, oft auf einer hüfthohen Holzanrichte, der immer gleiche kleine Wald aus Flaschen. Ein Wald aus Gin. In den greifen die Auskenner abends rein, wenn Freunde da sind. Nach ein paar Sekunden, die aussehen wie eine reifliche Überlegung, ziehen sie eine Flasche heraus. Und dann erzählen sie.


Mit der Gurke fing es an. Heute legt man Fruchtzesten-Teebeutel in den Gin Tonic.



Von London Gin, Dry Gin, Old Tom Gin, Sloe Gin und Genever. Und zwar so, als seien das keine farblosen Spirituosen, sondern indogermanische Stämme, die sie seit langem studieren. Sie sagen auch nicht mehr Gin Tonic, sondern Gin and Tonic, die Zeit muss schließlich sein. Und wenn die Zeit mal nicht ist, haben sie eine Abkürzung: „GnT“. Und mit diesem GnT experimentieren die Gin-Auskenner: Sie bereiten ihn mit Rosmarinzweigen zu, mit Orangenschalen oder Pfefferkörnern. Sie schenken sich gegenseitig zum Geburtstag kleine Probierkistchen mit neuen Tonic Waters aus Patagonien oder der Bretagne. Dann sagen sie Sätze wie: „Das Thomas Henry hat einfach eine ganz tolle Kohlensäure.“

Ich erinnere mich, dass es mit dem Hendrick’s Gin anfing. Der kam hier vor ein paar Jahren an und hatte ein Gimmick im Gepäck: Man bestellte ihn „mit Gurke“. Eine Zeit lang konnten wir mit diesem Detail Eindruck schinden. Erst vor Barkeepern, die dann wissend nickten. Dann nur noch vor den paar Menschen, die wirklich nie in Bars gingen: „Puh, hey, mit Gurke?! Wer schmeißt denn Gemüse in seinen Drink, haha! Aber oh, hmmey, schmeckt ja echt gut, merk ich mir!“

So verbreitete sich der Geheimtipp von Gelegenheitstrinker zu Gelegenheitstrinker. Und weil irgendwann jeder das Gimmick mit der Gurke kannte, musste etwas Neues her. Es folgten: der Miller (den man ohne Gurke bestellt, weil er mit Gurke destilliert wird). Der Sipsmith (den der Auskenner wegen der Fruchtnoten mit Fentimans Tonic Water kombiniert). Der Monkey 47 (aus dem Schwarzwald!), der Adler (Berlin!), und natürlich der Duke aus der Münchner Maxvorstadt. Statt Gurke bekommt man in manchen Bars heute Teebeutel mit Fruchtzesten ins Glas.

Der Barmann sagt: "Wodka ist für Wirkungstrinker, Gin für Bildungstrinker."



Und es ging aufwärts mit der Auskennerei. Heute klingen ganz normale junge Menschen an Kneipentresen, als säßen sie im Pullunder in einem holzgetäfelten Raucherzimmer und dekantierten Rotwein für die Herren von der Fuchsjagd. Vorher haben sie das Zeug noch getrunken und gelallt: „Lecker, nich' so süß wie Cuba Libre!“ Jetzt nippen sie und sagen: „Puh, also Gordon’s kann ich ja echt nicht mehr trinken.“ Das Gin-Trinken ist zur Wissenschaft geworden. Wobei ich da vielleicht Wissenschaftlern Unrecht tue. Die prahlen seltener mit ihrem Wissen.

In Hamburg gibt es eine Bar, die mehr als 80 Ginsorten anbietet. Das ist nichts Besonderes, solche Bars gibt es jetzt überall. Aber der Barkeeper dieser Bar in Hamburg hat dem Spiegel einen erstaunlichen Satz diktiert: „Wodka ist für den Wirkungstrinker, Gin ist für den Bildungstrinker.“

Und das ist genau der Punkt: Die Gin-Auskennerei dient der sozialen Distinktion. Gin Tonic, Verzeihung, Gin and Tonic, ist in diesen Graden der Kennerschaft nicht mehr nur ein Getränk mit Wacholder-Note, es ist ein Statussymbol wie ein Porsche. Der richtige Gin, kombiniert mit dem richtigen Tonic, das sind Codes, mit denen man Geschmack beweist wie mit den richtigen Manschettenknöpfen oder dem doppelten Windsor. Klar kann man auch Tengelmann-Gin und Schweppes saufen. Aber dann ist man halt ein Prolet.

Noch ein Zitat: „Das zu mögen, was massenweise zu haben ist, gilt als schlechter Geschmack.“ Das schrieb im Herbst das Zeit-Magazin in einem Text, der erklärte, worüber sich die wohlhabende Mittelschicht zurzeit definiert: über die Einzigartigkeit von seltenen Produkten. Vom Fahrrad bis zur Auflaufform. So ist es auch mit der Gin-Auskennerei.

Schon klar: Ein bisschen Distinktion wissen wir alle zu schätzen. Wir hören nicht irgendwelche Musik und tragen nicht irgendwelche Schuhe und es macht Spaß, über solche Ebenen zu kommunizieren. Die Distinktion beginnt aber zu kippen, wenn man alles gleichzeitig sein will: Bewusster Genussmensch, aber auch trinkfest, gediegener Connaisseur, aber auch lässiges Feiertier. Es gibt einen Punkt, an dem Geschmack zu Blasiertheit wird, Haltung zum Krampf. Und vielleicht ist dieser Punkt genau dort, wo man anfängt, sich über Kohlensäure in Tonic Water zu unterhalten. Über Luft in Wasser.

Tagesblog - 2. Februar 2015

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09:52 Uhr: Hier geht's gleich weiter mit der nächsten Konferenz. Derweil könnt ihr euch wie ich über dieses (und noch mehr!) Ninja-Katzen-Foto freuen:

[plugin imagelink link="http://cdn.earthporm.com/wp-content/uploads/2015/01/ninja-cat-hiding-funny-9__605.jpg" imagesrc="http://cdn.earthporm.com/wp-content/uploads/2015/01/ninja-cat-hiding-funny-9__605.jpg"] (Quelle)

Danke für den Link, Digital_Data!

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09:10 Uhr:
Ich bin wieder zurück aus der SZ.de-Konferenz, mit den wichtigsten Nachrichten für heute:

* Thema Pegida: Die Sprecherin Kathrin Oertel, die in der vergangenen Woche zurückgetreten ist, gibt heute Mittag eine (Lügen)Pressekonferenz. 
In ganz Deutschland gibt es heute wieder Gegendemos, in München unter anderem eine Friedenskette, die mehrere Gotteshäuser in der Innenstadt miteinander verbindet.
* Thema Charlie Hebdo: Das französische Satiremagazin setzt sein Erscheinen bis auf unbestimmte Zeit aus.
* Und, Thema Super Bowl. Es heißt anscheinend wirklich DIE Super Bowl. Mehr weiß ich auch nicht.
* Außer, dass ich auch gern ein Hai-Kostüm hätte:



Zwei Haie performen während der (!) Super Bowl mit Katy Perry. (Foto: afp)

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08:31 Uhr:
Guten Morgen liebe jetzt-People! Ich bin heute in Weihnachtsstimmung. Im Bus haben zwei Morgenmenschenkinder "Bald ist Nikola-husabend da!!!!" gesungen. Alle Strophen. Glaube ich, ich weiß nicht, wie viele es da gibt. Es waren viele. Außerdem macht mich das hier ziemlich neidisch:

[plugin imagelink link="https://pbs.twimg.com/media/B8rY7nVCQAA3k5j.jpg:small" imagesrc="https://pbs.twimg.com/media/B8rY7nVCQAA3k5j.jpg:small"] (Quelle)

Hätte ich das mal früher gesehen, dann wäre mein Projekt am Wochenende auch ein Schnee-Minion gewesen. Und nicht dieser Grumpy Schneemann hier:


Beruf: böser Bube

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Wenn einem jemand mitteilt, er sei „Straight Outta Compton“, dann ist das nur bedingt ein Hinweis auf seinen Heimatort. „Straight Outta Compton“, das bedeutet übersetzt: Ich habe im wirklichen Leben mehr schlimme Dinge gesehen als du in deinen Albträumen. Und es bedeutet: Wenn du dich mit mir anlegst, dann wirst du im wirklichen Leben garantiert mehr schlimme Dinge sehen als jemals zuvor in deinen Albträumen. Wer direkt aus Compton kommt, der ist wahrscheinlich ein ganz harter Bursche aus einer der gefährlichsten Gegenden der Welt.

„Straight Outta Compton“, so hieß das erste Album der legendären Gangsta-Rap-Gruppe N.W.A., die das Image dieser Stadt im Süden von Los Angeles als Heimat der Gewaltverbrecher und Gangmitglieder zementierte. „Straight Outta Compton“, so heißt auch die Dokumentation, die gerade dort gedreht wird. Die einstigen N.W.A.-Mitglieder Dr. Dre und Ice Cube sind daran beteiligt, sie wollen den Wandel der Stadt vom Synonym für Gang-Gewalt zu einer florierenden und einigermaßen sicheren Kleinstadt porträtieren. Doch daraus wird nun erst einmal nichts: Nach einem Streit am Filmset überfuhr der einstige Musik-Boss Suge Knight mit seinem Truck zwei Männer – Terry Carter starb danach, Cle Sloan liegt mit leichten Verletzungen im Krankenhaus. Knight flüchtete zunächst und sitzt mittlerweile wegen Mordverdachtes im Gefängnis.



Hip-Hop-Mogul Suge Knight in einer Polizeistation im Oktober 2014. Der mehrfach vorbestrafte Rapper überfuhr zwei Männer und steht nun unter Mordverdacht.


Noch ermittelt die Polizei von Los Angeles, fest steht bislang nur, dass Knight am Donnerstag wegen einer heftigen Debatte mit Sloan vom Set verwiesen worden war. Kurze Zeit später kam es auf dem Parkplatz einer nicht weit von den Dreharbeiten entfernten Burgerbude erneut zum Streit. Knight schubste Sloan und überfuhr ihn beim Zurücksetzen. Beim Vorwärtsfahren rammte er dann sowohl Sloan als auch Carter. Knight wird nun vorgeworfen, die beiden Männer absichtlich überfahren zu haben - sein Anwalt James Blatt dagegen sagt, dass sein Mandant um sein Leben gefürchtet habe: „Wenn dich jemand in deinem Fahrzeug angreift und versucht, das Steuer zu ergreifen, dann hast du nicht unbedingt Kontrolle über dein Auto.“ Knight bleibt aufgrund der Anschuldigungen und früherer Delikte in Untersuchungshaft, die Kaution wurde auf zwei Millionen Dollar festgelegt, ihm drohen bis zu 30 Jahre im Gefängnis.

„Die Taten eines Mannes können die Bewegung nicht besudeln, die wir hier gestartet haben“, sagt Bürgermeisterin Aja Brown. So einfach ist das allerdings nicht. Terry Carter, 55, galt als Vaterfigur für viele der Jugendlichen in dieser trotz aller Bemühungen noch immer komplizierten Stadt. Einer, den sie „Pops“ nannten und der den jungen Leuten verklickerte, dass dieses Gangleben beschissen sei und dass sie versuchen müssten, diesem Leben durch Bildung und Arbeit entfliehen zu können. Knight dagegen ist der böse Bube auf Lebenszeit, mitverantwortlich für den schlimmen Ruf dieser Stadt. Einer, der als Herkunft stets „Straight Outta Compton“ angab, auch wenn er längst in der Millionärs-Strandstadt Malibu wohnte.

Knight, 49, ist der Gründer von Death Row Records (DRR), einem der bedeutendsten Label der Rap-Geschichte. Knight ist berühmt, vor allem aber ist er berüchtigt, weil zu seinen Verhandlungstaktiken nicht Verführung und Versprechen gehören, sondern Verbrechen und Verletzungen. Um Anfang der 90er-Jahre an den Einnahmen des Hits „Ice Ice Baby“ beteiligt zu werden - sein Klient Mario Johnson hatte Teile des Lieds geschrieben –, packte er den Rapper Vanille Ice und ließ ihn kopfüber vom Balkon eines Hotels baumeln. Mit dem erhaltenen Geld gründete er DRR, er überredete Eazy-E, den Besitzer des konkurrierenden Labels Ruthless Records, unter Zuhilfenahme eines Baseballschlägers, doch bitte schön die Künstler Dr. Dre, Michel’le und The D.O.C. freizugeben. Eine Tänzerin erinnerte er an ihre vertraglichen Pflichten, indem er ihr eine Knarre an den Kopf hielt. Den Rapper Tupac Shaker rekrutierte er durch Bereitstellen einer Kaution von 1,4Millionen Dollar. Auch Snoop Dogg, MC Hammer und Jewell waren DRR-Künstler, Knight wollte aus dem Label „das Motown der 90er machen“. 1996 hatte er sein Ziel erreicht, die Einnahmen beliefen sich auf mehr als 100 Millionen Dollar pro Jahr.

Knight pflegte trotz des kommerziellen Erfolgs den Gangsta-Lifestyle, er war einer der Initiatoren der Fehde East Coast gegen West Coast zwischen Künstlern seines Labels und dem von Sean „Puff Daddy“ Combs. Höhepunkt der Auseinandersetzungen waren die bis heute nicht aufgeklärten Morde an Tupac Shakur (1996) und Notorious B.I.G. (1997). In beiden Fällen heißt es noch immer, dass Knight eine Rolle gespielt haben könnte: Bei Shakur, weil der das Label hatte verlassen wollen. Bei B.I.G. als Rache für den Mord an Shakur.

Knight musste immer wieder wegen kleinerer und größerer Delikte ins Gefängnis (zwischen 1996 und 2004 insgesamt knapp sieben Jahre lang), Künstler wandten sich vom Label ab und schworen dem Leben als Kriminelle ab. Dr. Dre verkaufte kürzlich seine Firma „Beats“ an Apple, Ice Cube spielt in Familienfilmen mit, Snoop Dogg gibt den spirituellen Funk-Rapper und Jugend-Football-Trainer. Sich über das beschissene Leben in Compton zu beschweren, es in Liedern zu thematisieren, das war ja in Ordnung. Dieses Leben aber zu glorifizieren, auch wenn man ihm längst entflohen war, das ging dann allen doch ein wenig zu weit.

Knight jedoch blieb Gangster, auch nach dem Bankrott seines Labels im Jahr 2006. Er wurde immer wieder wegen Körperverletzung, Diebstahl und Drogenbesitzes verhaftet. Im August vergangenen Jahres wurde er auf einer Party vor einer Preisverleihung niedergeschossen, wollte jedoch keinesfalls mit der Polizei kooperieren. Nun wird ihm Mord vorgeworfen. Knight hat ganz offensichtlich nicht verstanden, dass der Ausspruch „Straight Outta Compton“ für viele Menschen, darunter auch für den verstorbenen Terry Carter, als Warnung an sich selbst gelten kann.

Für die Freiheit

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Seine letzten Mails waren voller Ungeduld, er musste ins Krankenhaus, schrieb von den Schmerzen und den Unannehmlichkeiten, von diesem lästigen Krebs, bei dem die Perspektiven leider dunkel seien. Er hatte für Gebrechlichkeit keine Zeit. „Ich bezweifle, dass ich 2015 überleben werde, aber ich ignoriere das jetzt erst mal, wie Du am Anhang sehen kannst.“ Vielleicht, schrieb er, klappt ja noch ein Treffen in diesem Leben, nicht erst post mortem. Dein Carl.

Angehängt war sein Terminkalender – Carl Djerassi, 91 Jahre alt, war ausgebucht bis Mai 2015: Seminare in San Francisco, Lesungen in Texas, dann London, Wien, Rostock, New Haven, New York.

Am Ende ist ihm die Zeit ausgegangen. Es gab noch so viele Missverständnisse, so viel Ignoranz. Zuletzt lobte er in einem Gastbeitrag in der SZ die Firmen Apple und Facebook, die Mitarbeiterinnen anboten, kostenlos ihre Eizellen einzufrieren. Carl Djerassi fand schon die deutsche Bezeichnung „Social Freezing“ dafür absurd, weil abwertend. Die bisweilen fast hysterischen Reaktionen auf das kostenlose Einfrieren fand er unbegreiflich. Für ihn war es ein Angebot, das Frauen annehmen können, wenn sie wollen. Ein Geschenk der Reproduktionsmedizin, eine Möglichkeit, die das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern verringern würde. Es sei eine persönliche Wahl, ob es eine gute oder schlechte ist, wer könnte das bewerten?



Der Miterfinder der Pille, Professor Carl Djerassi, im Jahr 2000 bei "Sabine Christiansen" in Berlin.


Bis zuletzt waren das seine Lebensthemen: Die Trennung von Sex und Fortpflanzung, die Entwicklung der Reproduktionsmedizin, von der Pille über die künstliche Befruchtung bis zum Einfrieren der Eizellen. 91? Na und, im Kopf war er Jahrzehnte jünger. Er hatte immer eine große Lust, die Welt mit den wissenschaftlichen Möglichkeiten zu konfrontieren. In den Siebzigern ließ er sich selbst sterilisieren, in den Neunzigern wollte er zusammen mit einem Spezialisten für Nutzvieh die Haltbarkeit von männlichem Sperma beweisen. Sie fragten bei der Armee an, schließlich seien da genug junge Männer, die bereit wären zu masturbieren. Kein Interesse, eher Entsetzen. Und jetzt wäre dieses Wissen so wichtig.

Er sei ein „männlicher Feminist“, sagte Carl Djerassi, da war er 87 Jahre alt. Ein Methusalem, der Zeit immer weit voraus.

Aber am Ende ging ihm die Zeit dann aus, wie auch nicht, wenn man mehrere Leben in eines packt. Er war Wissenschaftler, Chemieprofessor an der Stanford-Universität. Mäzen, Kunstsammler, Romancier, Dramatiker. Er sei immer eine ambitionierte Person gewesen, sagte er 2011 in seiner Londoner Wohnung, die Wände voller Originale: Calder, Jensen, Bacon. Das war ein einigermaßen dreistes Understatement.

Er war ambitioniert und – darauf legte er Wert – immer eitel genug, um mit großer Ausdauer von seinen Erfolgen zu erzählen: Von den mehr als 1200 wissenschaftlichen Artikeln, den 33 Ehrendoktortiteln, von der National Medal of Science und der National Medal of Technology, die er wie nur wenige Chemiker beide bekam, von seinen Theaterstücken und Büchern, von seiner Paul-Klee-Sammlung, der weltweit größten privaten. Von der Briefmarke, die ihm die Österreichische Post 2005 widmete. Geboren – vertrieben – versöhnt.
Als wäre es so einfach.
Wenn Djerassi seine Lebensleistungsliste herunterratterte, seine Ehrenkreuze, Ehrenzeichen, Ehrenmedaillen, spürte man seinen Stolz und die Verletzung, dass ihm die wichtigste Anerkennung verwehrt blieb: der Nobelpreis. Aufgehoben und aufgehängt hat er vor allem die Plakate seiner Theaterstücke, den Kritikern zum Trotz, die ihn als Schriftsteller nie ernst nahmen. Er reagierte mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit. Kein Text, in dem er nicht eines seiner „Science-in-fiction“-Stücke zitierte, kein Interview ohne Hinweis auf seine Bücher. Es kamen ja immer neue dazu, er arbeitete wie ein Berserker, schrieb Mails mitten in der Nacht, nannte sich einen „intellektuellen Polygamisten“. Selbstzweifel? Nicht sein Ding. Nur manchmal sagte er, das Lebenswerk relativierend: „Ich habe halt früh angefangen und lange gelebt.“

Carl Djerassi war immer bewusst, dass ein langes Leben ein Geschenk ist. Und auch, dass Einsamkeit der Preis dafür ist.
Zuerst verlor er seine Tochter Pamela, die sich 1978 das Leben nahm. Die Tragödie seines Lebens. Fast 30 Jahre später starb seine dritte Ehefrau und große Liebe Diane Middlebrook an Krebs. Rastlosigkeit wurde immer mehr zur Überlebensstrategie, das ewige Reisen, die Vorträge, die Lesungen, das Schreiben, alles Mittel gegen die Einsamkeit, die ihn im Alter mit großer Wucht überfiel. Wie ein Getriebener pendelte er zwischen den Lebensorten: San Francisco, London, und in den letzten Jahren immer öfter Wien. Diese Stadt, die er mit 15 verlassen hat, verlassen musste, und der er sich erst später wieder näherte.

Er war ein glückliches Kind, bis der nationalsozialistische Irrsinn in sein Leben einbrach. Er wurde am 29. Oktober 1923 in Wien geboren, die Mutter aschkenasische Jüdin, der Vater bulgarischer Sepharde. 1938 floh er mit der Mutter vor den Nazis nach Bulgarien, 1939 in die USA. Dort übersprang er zwei Klassen, schaffte es mit Vermittlung von Eleanor Roosevelt ohne Schulabschluss an die Universität, studierte Chemie, wurde mit 26 stellvertretender Forschungsdirektor bei der Firma Syntex in Mexiko. Seiner Sprache hörte man die Heimatlosigkeit ein Leben lang an, es war ein Deutsch ohne Verortung, wienerisch, amerikanisch, durchsetzt mit kleinen Ungenauigkeiten, berauschend charmant.

Er war auch nach seiner Erkrankung noch eine Erscheinung, das weiße Haar, der Bart, zum Schnauzer gestutzt, der Stock mit Ebenholzgriff, wie hingemalt. Sein leichtes Humpeln zelebrierte er, das Entfalten des kleinen Stühlchens für das steife Bein – großes Kino. Ihn umwehte eine ungeheure Leichtigkeit. An seinem 90.Geburtstag schickte er einen Gruß voller Lebenslust: „C’est tout bis zum 100.“

Mit 28 gelang ihm und Kollegen die Synthese des Sexualhormons Norethisteron, die Grundlage für die Pille und die sexuelle Revolution. Seitdem galt er als Erfinder der Antibabypille. Wobei ihn das Wort Antibabypille immer nervte. Für ihn war es keine Pille gegen Babys, sondern eine für die Freiheit, zu wählen. Und weil er immer ein großer Selbstdarsteller, ein begabter Selbstvermarkter war, nannte er seine erste Autobiografie: „Die Mutter der Pille“. Dazu ein Foto, Djerassi, hochschwanger, mit dem Blick des Muttertiers. Der Titel verfolgte ihn ein Leben lang. Alle wollten mit der „Mutter der Pille“ immer über die Pille reden. Aber er war schon viel weiter. Wieder einmal war ihm die Welt zu engstirnig.

Als 2013 seine vierte und, wie er im Untertitel versprach, „allerletzte Autobiografie“ herauskam, fing er den Text mit der eigenen Todesnachricht an. Carl Djerassi, stand da, habe am 28.Oktober 2023 das Haus verlassen und sei verschwunden. Am Tag vor seinem 100. Geburtstag. Selbstmord durch Ertrinken. Auch im echten Leben hatte er Kaliumcyanid zu Hause, genug, um ein „Rudel Löwen zu töten“. Für ihn war das wichtig, zu wissen, dass er die Freiheit hat zu gehen, wenn er will.

Am 30. Januar ist er jetzt in San Francisco gestorben, mit 91 Jahren, aber man wird das Gefühl nicht los, dass er lieber noch ein bisschen gewartet hätte.

„Es wird vorwärts gehen“

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Als Richard von Weizsäcker im September 2013 das letzte Interview seines Lebens gab, war er bereits von Krankheit gezeichnet. Doch selbst wenn er sich mit den Antworten mehr Zeit ließ, waren die Gedanken von Schärfe und historischer Sensibilität geprägt. Er wollte über Europa reden, seinem „eigentlichen politischen Lebensthema“. Die Aufarbeitung der Geschichte und die Einheit Deutschlands seien nur möglich, weil es die Gemeinschaft der Europäer gebe. Auszüge aus dem Interview:

SZ: Herr von Weizsäcker, plötzlich wird über einen europäischen Hegemon diskutiert. Können Sie den erkennen?
Richard von Weizsäcker: Die Deutschen haben auf hartem Weg, in zwei europäischen Kriegen, gelernt, dass hegemoniales Denken diesem Kontinent nicht guttut. Dringend benötigt wird ein gemeinsames Europa. So wenig wie Deutschland seine Geschichte umdeuten kann, so wenig wird es eine Zukunft allein für sich definieren können.



Ein Foto von  Richard von Weizsäcker in Bellevue. Der Alt-Bundespräsident war am Samstag den 31.01.2014 im Alter von 94 Jahren verstorben.


Heute erlebt Europa eine Teilung in Nord und Süd, in Krisenstaaten und prosperierende Staaten – überspitzt in ein südlich-mediterranes und ein protestantisch-nördliches Europa. Die Deutschen spielen plötzlich eine Führungsrolle.
Die Teilung zwischen Norden und Süden in Europa hat mir nie eingeleuchtet. Ich will nicht sagen: noch weniger als die Teilung zwischen Ost und West, denn die ging ja sozusagen mitten durch unsere eigenen Eingeweide hindurch. Ich finde, dass wir gerade durch die Art und Weise, wie wir die Teilung Europas und Deutschlands überwunden haben, Prägendes für ein wachsendes Europa gelernt haben. Mit dieser Erfahrung sollten wir besser beitragen können zur Bekämpfung der aktuellen Spaltungen. Nun haben wir uns – auch mit deutschen Fähigkeiten und Tugenden – in eine Position gebracht, die für ganz Europa von entscheidender Bedeutung sein wird. Ich gehöre zu einer Generation, die sich dieser besonderen Verantwortung absolut bewusst ist. Noch einmal: Wir sind ringsherum von Völkern umgeben, die gute Gründe haben, uns nicht nahezustehen nach allem, was sie mit uns und durch uns erlebt haben, in der Kriegs- und Nazizeit.

Deswegen spürt man plötzlich wieder alte Ressentiments. Deutschland wird als zu mächtig empfunden. Hat Deutschland einen Führungsanspruch in Europa?
Das sehe ich nicht. Es gibt keinen weitgehenden politischen Führungsanspruch, und erst recht nicht in Verbindung mit wirtschaftlichen Leistungen. Fast im Gegenteil. Immer wieder taucht heute die Frage auf, ob dieses weiter notwendigerweise zusammenwachsende Europa nicht mehr Führung vertrüge, nein: dringend brauchte. Es wird nicht schnell und nicht zu weit gehen. Wir sind nach der Vereinigung, nach der Überwindung der Teilung in keiner Weise scharf darauf, nun eine Art von Führungsrolle zu übernehmen. Umgekehrt aber gilt: Wir können denjenigen Teilen der EU, die auf Hilfe angewiesen sind, diese Hilfe auch anbieten, indem wir sie stützen und indem wir unserer eigenen Bevölkerung klarmachen, wie viel wir diesen Ländern zumuten. Wir sind ein gutes Vorbild etwa durch unseren Mittelstand – aber das heißt nicht, dass wir eine Führungsrolle in diesem Europa anstreben und dafür besonders geeignet wären.
(...)

Aber die Wahrnehmung gerade in den Krisenländern zeugt ja von dieser Furcht vor einem zu dominanten Deutschland. Es leben die Klischees.
Das ist unvermeidlich. Wer mal in Griechenland war, wer mal die Friedhöfe besucht hat, der kann doch verstehen, dass die Griechen sich zunächst daran erinnern, wie schrecklich es war, als die Deutschen im Krieg als Soldaten und politische Besatzer im Land waren.
(...)

Macht Ihnen Europa Sorgen?
Ja, aber ohne solche Sorgen geht es ja auch nicht vorwärts. Und es wird vorwärts gehen. Die Sorgen werden helfen.

Pegida mit Verspätung

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Wer in Österreich lebt, ist es gewohnt, dass es eine Weile dauert, bis die neuesten Trends dort ankommen. Österreich hinkt bei Trends oft hinterher, in der Mode, bei Musik, aktuell aber auch in einem Bereich, in dem man das eher erfreulich finden kann: Pegida.

Während die Organisation in Deutschland nach den internen Spaltungen und dem Ausscheiden von Kathrin Oertel schon von manchen für tot erklärt wird, findet heute zum ersten Mal eine Pegida-Demonstration in Österreich statt. Bisher war von Pegida dort nicht viel bemerkbar, heute versammeln sich die „Patriotischen Europäer“ in Wien. Die Frage ist: Warum eigentlich erst jetzt? Schließlich gilt Österreich nicht gerade als das gastfreundlichste Land Europas, was auch der Erfolg der rechtspopulistischen FPÖ der letzten Jahre bestätigt: Laut einer aktuellen Umfrage liegt sie mit 28 Prozent klar auf Platz eins. Und: Was ist in einem Land, in dem die Rechtspopulisten derart stark sind, von einem Pegida-Ableger zu erwarten?


Auf Facebook hat  Pegida Österreich um die 11.000 Fans, Pegida Deutschland hat 15 mal so viele. Für die heutige Demonstration, die Pegida Wien als „Spaziergang“ bezeichnet, rechnet die Polizei nur mit „ein paar hundert“ Teilnehmern.



Georg Immanuel Nagel


Die Organisatoren der „Pegida Österreich“-Kundgebung verhielten sich bis zuletzt ziemlich still. Lange wusste man nicht, wer eigentlich dahinter steckt. Mittlerweile sind die Köpfe der Bewegung jedoch bekannt: Sprecher von Pegida Wien ist ein 28-jähriger Philosophie-Student namens Georg Immanuel Nagel. Der ehemalige Techno-DJ (alias „George le Nagelaux“), der mit dubiosen Tracks wie etwa „Genocidium“ (lateinisch für Völkermord) auf iTunes vertreten ist, schreibt heute als freier Journalist unter anderem für die rechten Zeitungen „Zur Zeit“ und die „Blaue Narzisse“. Das deutschnationale Blatt "Zur Zeit" gilt als FPÖ-nah und wurde immer wieder aufgrund seiner rassistischen und antisemitischen Inhalte stark kritisiert. Nagel schreibt darin am liebsten über die „Wahnideologie Multikulturalismus“, die „Kolonisierung“ durch „fremde Völker“ und sorgt sich über die wachsende Zahl von Dönerständen in Wien.

Auf der nächsten Seite: Beziehungen zu  gewaltbereiten Hooligans.


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Dass das Gesicht von Pegida Österreich ein Student aus dem rechten Milieu ist, passt zu einem Trend der vergangenen Jahre. Zahlreiche Studien sahen Österreichs Jugendliche nach rechts abdriften. Immer wieder konnte die FPÖ bei jüngeren Wählern punkten, zudem gibt es neurechte Gruppierungen wie etwa die Identitären, denen sich vor allem Studenten anschließen. Die Gruppe fällt mit Störaktionen auf, bei denen sie Transparente mit Sprüchen wie „Vielfalt braucht Grenzen“ in die Höhe halten. Über das Internet versucht sie, junge Menschen zu erreichen. In ihren Videos sagen sie den „Multikultis“ und der kulturellen Vielfalt den Kampf an. Mehrere Initiativen, die sich gegen rechts engagieren, sehen Zusammenhänge zwischen Pegida und den Identitären. Laut Angaben der Stiftung „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes“, die sich intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus in Österreich auseinandersetzt, soll Nagel offen mit den Rechtsextremen sympathisieren und auch schon einmal mit der Fahne der Gruppe gesichtet worden sein. Aber auch die Identitären scheinen sich mit Pegida identifizieren zu können: Den heutigen Pegida-Spaziergang solle man sich im Kalender „fett vormerken“, heißt es in einem Facebook-Posting der Identitären Wien.

In Österreich ist man „Daham statt Islam“-Wahlkämpfe schon gewöhnt


Neben Nagel ist nur bekannt, wer die heutige Kundgebung angemeldet hat. Arnold S., soll laut dem Nachrichtenmagazin „profil“ in der radikalen Fußballszene bestens vernetzt sein. Für den Rechtsextremismusforscher Andreas Peham ist die Verbindung zwischen Pegida Österreich und der Hooliganszene offensichtlich: „Es weist alles in Richtung gewalt-, und rechtsorientierte Fußballfans vor allem aus dem Umfeld des Fußballvereins der Austria Wien hin. Die haben schon länger ein Problem mit radikalen Fans.“ Pegida sei der Versuch, HoGeSa nach ihrem Scheitern und massiven Imageproblemen in Deutschland in Österreich zu etablieren, so Peham. Angesichts solch fragwürdiger Verbindungen ruderte selbst die FPÖ nach anfänglicher Sympathie für Pegida zurück. „Wir sind die wahre Pegida“ hieß es da plötzlich vom FP-Chef Heinz-Christian Strache.


Und tatsächlich: Österreich braucht Pegida nicht. Deren Themen haben in Österreich schon lange politische Tradition. Hier hat man sich an die „Daham statt Islam“-Wahlkämpfe der momentan stärksten Partei des Landes gewöhnt. Im einseitigen Positionspapier von Pegida Wien, das vor ein paar Tagen veröffentlicht wurde, fordert die Gruppe unter anderem ein „Asyl auf Zeit bis zur Beruhigung der Lage“, ein Punkt, der schon 2008 im Wahlprogrammen der FPÖ zu finden war. Auch die Forderung nach einer Überarbeitung der Genfer Flüchtlingskonvention zur „Vermeidung von Völkerwanderungen“ ist nicht neu. Auf die kamen schon einige FPÖ-Politiker.


Auch Andreas Peham sieht das so: „Die FPÖ hat sich längst dem Thema Islamisierung angenommen. Leider sind die antimuslimischen Ressentiments aber hierzulande nicht auf die rechte Szene beschränkt“. Bedient werden diese  auch von den Boulevardmedien: „In Österreich kann man viel mehr Rassistisches sagen als in Deutschland, und das ohne Folgen oder Skandale“, so Peham.


Aus diesen Gründen wird Pegida in Österreich wohl keine großen Erfolge erleben, aus diesen Gründen hinkt die Bewegung in Österreich hinterher. Nur: Erfreulich finden kann man das dann eigentlich nicht mehr.


Wir hätten ein paar Fragen an dich

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Wir möchten von dir wissen, was dir an jetzt.de wichtig ist. Welche Geschichten du hier lesen und welche Menschen du hier sehen möchtest. Wovon du gerne mehr hättest und was wir uns lieber sparen sollten.

Wir haben uns einen kleinen Fragebogen ausgedacht, in dem du uns das sagen kannst. Wenn du uns helfen möchtest, dann hier entlang:




Vielen Dank,

deine jetzt-Redaktion

Zur besten Dendezeit

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Und dann war Dendemann wieder weg. Gut vier Jahre lang. Man kennt das von dem Rapper inzwischen: Er veröffentlicht ein Album, das der Szene wie im Vorbeigehen neue Standards an Intelligenz, Wortwitz und Reimtechnik hinlatzt, tourt ein bisschen – und verschwindet wieder. Jetzt kommt er ins Fernsehen. Als musikalischer Leiter der Showband von Jan Böhmermanns Sendung „Neo Magazin Royale“, die ab Donnerstag wöchentlich bei ZDF Neo (22.15 Uhr) und jeweils einen Tag später im ZDF (0 Uhr) läuft. Ein Telefonat.




 
Dendemann: Guten Tag, Dendemeier hier.
jetzt.de: Guten Tag. Vorab eine schnelle Frage. Liegt es an einem Nord-Süd-Gefälle in der Wahrnehmung, dass wir uns hier gefragt haben: Wo war der eigentlich schon wieder die ganze Zeit?
Nein, nein. Das höre ich überall. Das findet ihr spannend, nicht wahr?

Sehr. Und: Wo?
Ich finde es sehr amüsant, dass das für alle so ein riesiges Geheimnis ist, was ich die ganze Zeit mache. Deshalb habe ich mir vorgenommen, es auch als Geheimnis zu bewahren.

Aber es hat schon auch mit Müßiggang zu tun, oder?
Na ja, ich habe schon jedes Jahr Festivals gespielt. Das mache ich einfach zu gerne, um es ganz bleiben zu lassen. Und ansonsten habe ich ganz schön viel Musik gemacht. Aber eben nichts, das ich dann unbedingt teilen wollte.

Weil’s dir nicht gut genug war?
Weil’s da noch lang nicht um gut oder schlecht geht. Ich finde es einfach geil, mal ein Jahr lang Beats zu machen. Einfach so, ohne drüber nachzudenken, was damit passiert. Ich weiß schon, das ist bestimmt unzeitgemäß und auch unprofessionell für jemanden, der seine Stärken wohl eher im Texten hat. Aber das ist mir egal. Ich bin doch nicht Künstler geworden, um mich jetzt damit kaputtzumachen. Ich kann doch auch mal frei haben. Also: Ja, es ist der totale Müßiggang hin und wieder. Aber ich bin ja auch nur von Strebern umgeben. Gut möglich also, dass das auch eine Trotzgeschichte ist.

Es wundert etwas, dass du ausgerechnet in einer Fernsehsendung wieder auftauchst. Bei den Interviews, die du zum letzten Album gegeben hast, sah man doch sehr oft einen, nun ja, semimotivierten Gesprächsgast. Man merkte, dass du dich im Fernsehen eigentlich nicht sehr wohl fühlst.
Ja, die Sachen, die man von der letzten Rutsche findet, die sind schon auch wirklich sehr . . . nun ja, sagen wir so: Ich bin da selbst nicht glücklich mit. So sehe ich mich auch nicht. Aber zumindest damals habe ich mir eben wahnsinnig schwer getan mit vielen Formaten. Ich habe eh schon bestimmt 90 Prozent der Anfragen abgelehnt.

Warum?
Weil’s einfach verlogener Dreck ist. Nur Sendezeit ist für mich keine Plattform.

Was ist jetzt anders?
Jetzt passt die Konstellation einfach: Jan wurde vom ZDF eingekauft, für genau das, was er ist. Und er sollte sich Gedanken drüber machen, wie seine Sendung aussehen soll. Und er hat mich geholt, für genau das, was ich bin. Das hört sich vielleicht banal an, aber genau darum geht es mir eben: Wir sollen das machen, was wir immer machen.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel sollte ich mit meiner Band – übrigens die Jungs, mit denen ich seit Jahren toure – einen Titelsong schreiben, der genau so ist wie unsere Musik – eher sogar noch ein bisschen doller. Das ist alles so nah an dem Job, den ich eh schon mache, dass ich mich jetzt schon richtig wohlfühle. Ich habe da gerade einfach ein wahnsinnig gutes Gefühl. Und ein für mich selbst beinahe verwirrendes Selbstbewusstsein. Ich spüre einfach, dass wir da was richtig Gutes machen können!

Wie wird das konkret aussehen?
Vor allem sehr spontan. Deshalb kann ich eigentlich gar nichts Konkretes sagen. Aber das grundsätzliche Vorbild der Sendung ist uns allen ja klar: Jimmy Fallon und The Roots. Die musikalischen Beiträge bei denen reichen von „Wir spielen eine eigene Version des aktuellen Songs eines Gastes“ bis hin zu „Wir spielen mit Mariah Carey ein Weihnachtslied auf Kinderinstrumenten“. Ungefähr so ist das bei uns auch gedacht. Und wenn wir dann einen schönen Plan haben, werden Jan oder die Redaktion vermutlich anrufen und alles umwerfen, weil sie sagen: „Was hältst du eigentlich davon, wenn wir stattdessen Folgendes machen ...?“

Und dann?
Müssen wir eben spontan drauf reagieren. Wenn wir in all den Jahren was gelernt haben, dann wohl das.

Auf der nächsten Seite: Dendemann über erfolgsverhindernde Entscheidungen, die Scham bei schlechten Texten und Pläne für ein neues Album.
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Hat das ZDF euch inhaltlich eigentlich irgendwelche Leitplanken eingezogen?
(lacht) Ich fürchte nicht. Tatsächlich habe ich sogar das Gefühl, dass die richtig Lust auf Jan haben und darauf, dass er da mal etwas Stress macht. Das ist schon beachtlich. Und noch ein Grund, warum ich echt richtig Bock habe.




Dendemann mit seiner Band.

Würdest du sagen, du hast bislang bewusst Entscheidungen getroffen, die den großen kommerziellen Erfolg verhindert haben?
Du meinst, dass große Sachen nicht passiert sind, weil ich mittelgroße abgelehnt habe?

Zum Beispiel.
Nein. Und es nervt mich auch, wenn Künstler sich hinstellen und weinen, dass die Spießer sie komisch finden und sie deshalb nicht zu großen Veranstaltungen eingeladen werden. Was ich mache, ist eben eigen. Damit kann nicht jeder was anfangen. Aber ich find’s eben gut und richtig. Das ist mein Verständnis von Qualität. Ich kann nichts anderes machen.

Woher kommt dein Qualitätsanspruch?
Aus einem ganz furchtbaren Schamgefühl bei meinen ersten Auftritten. Ich erinnere mich noch gut dran, auf einer Bühne zu stehen und zu merken: Da war wohl einer ein bisschen früh zufrieden zu Hause. Das hakt ja total. Sinn ergibt es auch nicht. Und der Reim ist auch noch total scheiße. Das hat einen Kontrollfleiß ausgelöst, aus dem heraus ich jetzt auch die kleinste Silbe noch mal und noch mal schiebe und feile.

Das wiederum klingt nicht nach entspanntem Künstlerdasein.
Nicht ein bisschen. Aber es ist die einzige Möglichkeit, Texten eine lange Gültigkeit zu geben.

Wann ist ein Text für dich gut?
(überlegt lange) Viel interessanter finde ich, dass sich mein Textanspruch langsam in der Szene durchzusetzen scheint. Seit noch gar nicht so langer Zeit sehe ich jedenfalls immer mehr MCs, die diese Werte in ihrer Musik leben: vielsilbig gereimt, möglichst mit einem geistreichen Vergleich und bestenfalls noch einem humoristischen Ansatz. Da muss ich mir fast schon wieder eine neue Nische suchen, so verbreitet ist das gerade.

Das klingt jetzt beinahe wehmütig.
Nein, ich finde das toll. Das waren Ansprüche, die ich nicht nur an mich gestellt habe. Ich habe ja auch den anderen vorgeworfen, schlampig in ihrer Arbeit zu sein. Und jetzt sitze ich da und muss echt staunen, wie viel sich getan hat. Das heißt für mich: Noch mal Arschbacken zusammenkneifen!

Du willst also schon noch der Beste sein.
Das Konkurrenzdenken ist zurückgegangen. Ich möchte lieber für mich Sachen ausbügeln, die mir bei mir noch nicht gefallen. Nach der ruppigen letzten Platte erwarte ich zum Beispiel wieder was Eleganteres von mir in meiner Vocal-Performance.

Ganz kurz stand auf deiner Homepage: „Schönes neues Jahr, schönes neues Album“.
Stimmt.

Da kommt also was?
Ich habe das auf die Seite geschrieben, um diese Frage zu beantworten, bevor sie gestellt wird.

Jetzt steht es nicht mehr auf der Seite.
Angedacht ist es trotzdem noch. Aber ihr wisst ja, dass ich gerade auch was anderes zu tun habe (lacht). Wenn ich also merke: Da geht im aktuellen Projekt noch mal was, werde ich daran auch weitermachen, so lange ich will.

Zu jung - zu alt (2)

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.... um meinen Urlaub in einem Hotel zu verbringen. Leisten könnte ich es mir mittlerweile, aber es ist mir viel zu langweilig. Im Hotel zu wohnen ist etwas ganz anderes als im Hostel zu schlafen, man ist gefühlt viel weiter weg und distanziert sich von den Menschen, der Stadt und dem Land. Wenn ich an Hotelgäste denke, dann sehe ich Menschen in Stoffhosen und Lederschuhen vor mir, die das Hotelgelände nicht verlassen, weil es draußen ja kein „All inclusive“ gibt. Den meisten tue ich damit sicher Unrecht und wer weiß, in zehn Jahre verbringe ich meine Urlaube vielleicht auch dort. Aber für dieses Jahr habe ich mir erst einmal vorgenommen, kleine Pensionen oder Airbnb auszuprobieren. Da gibt es – gerade was den Schlafkomfort angeht – hoffentlich ein bisschen Hotelluxus, aber mit ganz vielen Tentakeln, die einen mit der Außenwelt verbinden. 
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... für Hostels mit Massenschlafsälen. Vier Betten gehen vielleicht noch, aber alles drüber ist zu anstrengend. Dabei waren Zimmer mit 20 Partywütigen früher genau mein Ding. Ich war einer von ihnen. Wenn ich heute Urlaub mache, dann will ich etwas davon haben, mich entspannen und mal runterkommen. Wenn aber ständig – vor allem die ganze Nacht – jemand rein- und rausgeht, rumschreit, Sex hat, dich zu einem Shot einlädt und mit dir auf die nächste Party gehen will, dann wird das schwer mit der Entspannung. Aber eines ist noch schlimmer als der Schlafentzug: Du führst immer und immer wieder das gleiche oberflächliche Pseudogespräch. Wer bist du? Wie alt bist du? Woher kommst du? Wo warst du vorher? Wo gehst du hin? Spätestens nach dem fünften Zimmernachbarn hörst du gar nicht mehr richtig zu. Es wiederholt sich, nur die Variablen werden ausgetauscht, und jeder versucht, sich als unerschrockener Reisender zu profilieren. Dafür habe ich heute nichts mehr übrig.

Tagesblog - 3. Februar 2015

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11:20 Uhr: Ganz schön viel Hirn fließt zur Zeit immer in die Konferenzen. Deshalb dauert das zur Zeit immer - Mann, Mann, Mann. Gleich gibt's auch nen neuen Text.

Bis dahin gibt es eine weitere Folge aus der großen Serie "Was Aktuelles in pixelig":

https://www.youtube.com/watch?v=FIZ_gDOrzGk

++++

9:53 Uhr:
Bis nach der Konferenz werde ich also noch etwas mit Verachtung auf die Welt blicken ...

[plugin imagelink link="http://petapixel.com/assets/uploads/2015/02/9k-3.jpg" imagesrc="http://petapixel.com/assets/uploads/2015/02/9k-3.jpg"]
Hinter diesem Link verbergen sich noch mehr Bilder von sehr noblen Eulen!

++++

9:49 Uhr:
Mir wurde eben per Mail von unserem Statistik-Tool zugetragen, dass ich bei Google auf einer Stufe mit "Supermann" stehe:





++++

9:18 Uhr:
Aber ihr könnt euch ja mal eine Folge mit dem "mächtigsten Mann des Universums" ansehen, bis ich mich sortiert habe ...

https://www.youtube.com/watch?v=o9Su5-AePEI
Man achte auf das Geräusch, wenn die Mutter gleich am Anfang am Steuerknüppel rüttelt!

++++

9:14 Uhr:
Guten Morgen. Ich habe bislang NICHTS zu verkaufen.

Ein DJ mischt auf

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Wenn es Nacht wird in Tel Aviv, dann lauscht er den Stimmen. Die Stimmen sagen Sätze von größter Wucht, manchmal geht es um Krieg und Frieden, immer um die ganz wichtigen Dinge. Noy Alooshe hört aufmerksam zu, Wort für Wort, Silbe für Silbe, dann handelt er: „Ich mische ein paar Dance Beats drunter“, sagt er, „und alles ist cool.“



Sampelt für die Generation Youtube: Noy Alooshe in seiner Wohnung in Tel Aviv

Die meisten Nächte verbringt Noy Alooshe allein vor dem Computer in seinem Ein-Zimmer-Apartment im trendigen Tel Aviver Viertel Florentin. Zwei Bildschirme hat er vor sich, Boxen stehen daneben, ein Keyboard. In Endlosschleife schaut er sich Politiker-Reden an, Parteiversammlungen und sonstige Auftritte. Und mit all dem, was er dann zusammenmischt, mischt er in diesen Tagen kräftig die israelische Politik auf. Denn seine satirischen Videoclips über Premierminister Benjamin Netanjahu und all die anderen Größen im Jerusalemer Machtzirkus sind der Hit im Wahlkampf zur Parlamentswahl am 17. März.

Alooshe verbreitet seine Remix-Werke über Facebook und diverse Online-Kanäle, die Fernsehsender steigen ein – und plötzlich kann sich der Musiker und DJ vor Angeboten kaum noch retten. Ein wenig überwältigt ist er davon schon, aber nicht überrascht. Schließlich leben wir im Jahr 2015 – „das ist die Macht des Internets“, erklärt er. Andere mögen noch Plakate kleben oder endlose Fernsehdebatten veranstalten – er präsentiert Politik für die Generation Youtube, und die erreicht man am besten mit der Mischung aus Reden und Rhythmen. „Den harten Politik-Stoff kann ich nicht den ganzen Tag hören“, sagt er. Deshalb nimmt er die Politiker mit ihren Phrasen aufs Korn – und das lieben nicht nur die Zuschauer. Auch die, die er aufs Korn nimmt, wissen es mittlerweile zu schätzen.

„Früher war ich immer nur der lustige Musiker, aber das ist jetzt mein Eintrittsticket in die Erwachsenenwelt“, sagt der 35-Jährige. Angefangen hat er damit schon 2009, sechs Jahre ist das her und drei Wahlkämpfe. Um die Kandidatin Tzipi Livni zu unterstützen, hat er damals einen Clip veröffentlicht namens „Livni Boy“, angelehnt an „Obama Girl“, das kurz zuvor im US-Präsidentschaftswahlkampf für Aufsehen gesorgt hatte. Damals hat Livni die Wahl verloren, und auch das Video ging eher unter. Doch Noy Alooshe hatte eine neue Richtung gefunden: „Ich kombiniere einfach die beiden Sachen, die mich interessieren: Musik und Politik.“

Den ersten großen Treffer landete er 2011, und zwar nicht in Israel, sondern ausgerechnet in der arabischen Welt. „Zenga, Zenga“ heißt sein Clip, mit dem er zum Ergötzen aller arabischen Frühlingsfreunde den libyschen Diktator Muammar Gaddafi zur Witzfigur machte. Der Wüterich aus dem Wüstenreich hatte seinen Feinden gedroht, dass er sie jagen würde von „Gasse zu Gasse“ – „Zenga, Zenga“ im libyschen Arabisch. „Für mich klang das wie „Waka Waka“ von Shakira oder „Baby, Baby“ von Justin Bieber“, sagt Alooshe.

Nach zwei Stunden war der Remix der Rede fertig. Mehr als zehn Millionen Mal ist das Werk in verschiedenen Versionen bis heute im Internet angeklickt worden. Der Clip wurde zur Hymne der libyschen Opposition. „Wenn Gaddafi gestürzt ist, tanzen wir dazu auf der Straße“, schrieb ihm einer. Ein anderer ließ ihn via Facebook wissen: „Du bist ein Israeli und ich hasse dich, aber deinen Remix finde ich toll.“ Sogar aus Iran kam eine Anfrage, ob er etwas Ähnliches nicht auch einmal über die Ayatollahs machen könnte. Doch letztlich gibt es auch in der Heimat genug zu tun. Als Schimon Peres noch Präsident war, beauftragte er Alooshe mit einem Video zum offiziellen Start seiner Facebook-Seite: „Be my friend in peace“ heißt das Stück. Ein Foto, auf dem er mit dem altersweisen Präsidenten auf dem Sofa sitzt, schmückt seither Alooshes Apartment.

2012 heuerte ihn Tzipi Livni dann ganz offiziell für einen Wahlkampf-Spot an. Sie verlor erneut und wollte zunächst nicht zahlen. „Ich musste ganz schön Krach im Internet schlagen“, sagt Alooshe. Irgendwann kam dann der Scheck, doch er hat daraus gelernt, dass den Politikern tatsächlich nicht zu trauen ist. „Ich mag sie nicht und ich glaube keinem von ihnen mehr“, sagt er. Zum Glück sind durch den Gaddafi-Hit auch Firmen wie McDonalds und Coca Cola auf ihn aufmerksam geworden und zahlen anständig für seine Werbe-Videos.

Zur Wahl 2015 aber ist Noy Alooshe doch noch einmal ganz groß eingestiegen – auf eigene Rechnung, bis auf Weiteres. Ungefähr 20 Clips hat er schon ins Netz gestellt. „Nicht alle sind wirklich gut“, sagt er selbstkritisch. Doch viele haben schon Wirbel gemacht, etwa jenes Video, auf dem er Netanjahu zu Latin-Rhythmen gegen seinen Kontrahenten Isaac Herzog von der Arbeitspartei antreten lässt. „Lo pinita, Mamasita“ heißt das Stück, es geht um Siedlungsbau.

Auf welcher Seite er im Wahlkampf steht, das lässt Alooshe sich nicht entlocken – und vermutlich hat das auch damit zu tun, dass er es selber noch nicht weiß. „Ich sehe mich irgendwo in der Mitte“, sagt er. Besonders gern nimmt er allerdings die Schreihälse und Scharfmacher vom rechten Rand ins Visier, zum Beispiel eine Likud-Hinterbänklerin namens Miri Regev. „So, wie sie redet, ist das gut für Hip-Hop-Beats“, erklärt er und zeigt ein Video, auf dem die dralle Dame vor der Knesset rappt. Sein Ziel: Er wollte sie bloßstellen. Das Ergebnis: Er hat sie nur noch populärer gemacht. Regev kandiert jetzt bei der Wahl auf Platz vier der Likud-Liste.

„Manchmal ist es wirklich hart“, sagt er, „aber sie hat es verstanden – wenn sie nicht mitlacht, dann lacht jeder über sie.“ Es hat dann auch nicht lange gedauert, bis Regev einen Emissär zu ihm schickte, um vorzufühlen, ob er nicht für sie arbeiten wolle. Das hat er abgelehnt. Doch er will nicht ausschließen, dass er sich noch in diesem Wahlkampf anheuern lässt. Die Frage ist nur: Von wem und für wie viel? „Wenn einer anruft und viel Geld bietet, dann denke ich darüber nach“, sagt er. Manche hoffen wohl trotzdem, dass es auch billiger geht – und werfen ihm ganz gezielt einen Köder hin, so wie der frühere Finanzminister Yair Lapid. In einer seiner Reden wiederholte er ziemlich penetrant ständig das hebräische Wort „menutak“, um klarzumachen, dass der Premier sich „losgelöst“ habe von der Realität. Am nächsten Morgen meldet sich einer von Lapids Leuten bei Alooshe um zu fragen, ob das nicht ein schönes Motto für einen Clip abgäbe. „Warte einen Moment“, hat er ihm geantwortet, denn tatsächlich war das Werk schon fast fertig. „Ich habe das Wort gehört, menutak, und für mich ist das ein Salsa-Vibe“, sagt Alooshe: „Menutak, tak, tak, tak ...“

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