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Friedensprozess in Gefahr

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Tote bei Aufstand in palästinensischem Flüchtlingslager

Rafah- Die gerade erst wieder aufgenommenen Nahost-Friedensgespräche werden von neuer Gewalt bedroht. Eine für Montag geplante Verhandlungsrunde in Jericho wurde von den Palästinensern abgesagt, nachdem bei Zusammenstößen im Flüchtlingslager Kalandia am Morgen drei Palästinenser von israelischen Sicherheitskräften getötet worden.

Zu dem blutigsten Vorfall seit langer Zeit kam es, als israelische Grenzpolizisten in Kalandia, einem Flüchtlingslager zwischen Jerusalem und Ramallah, einen Terrorverdächtigen festnehmen wollten. Für Israels Sicherheitskräfte sind solche Aktionen Routine, für die Palästinenser ein fast alltäglicher Schrecken. Im chronisch unruhigen Kalandia erfuhr der Einsatz jedoch eine dramatische Zuspitzung. Einem Polizeisprecher zufolge sollen die Einheiten von bis zu 1500 Palästinensern umzingelt und mit Steinen sowie Brandbomben angegriffen worden sein. Zur Unterstützung angeforderte Soldaten seien daraufhin ins Lager eingerückt, um die Polizisten zu befreien. Als sie sich bedroht sahen, hätten sie das Feuer auf die Angreifer eröffnet.



Am Morgen tötetenisraelischen Sicherheitskräfte drei Palästinenser in einem Flüchtlingslager.

Nach Angabe palästinensischer Ärzte wurden zwei der Opfer durch Schüsse in die Brust getötet, einer erlag seinen Hirnverletzungen. Zudem werden 15 Verletzte gemeldet, von denen sechs in einem ernsten Zustand sein sollen. Das israelische Internetportal ynet berichtet, dass einer der Getöteten vor knapp zwei Jahr im Ausstausch gegen den entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit aus dem Gefängnis entlassen worden sei. Seit Jahresanfang wurden nach Angaben der Vereinten Nationen bereits 14 Palästinenser bei Zusammenstößen mit israelischen Truppen getötet. Im Vorjahr waren es drei gewesen.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas verurteilte den jüngsten Vorfall mit harschen Worten. 'Die Kette israelischer Verbrechen und der fortgesetzte Siedlungsbau senden eine klare Botschaft aus über die wahren Ziele im Friedensprozess', erklärte er. Sein Sprecher forderte zudem ein Eingreifen der USA, um einen Zusammenbruch der internationalen Bemühungen zu verhindern.

Konterkariert werden die amerikanischen Anstrengungen, die erst im Juli zum Neustart der Friedensverhandlungen geführt hatten, zudem durch politische Querschüsse aus dem israelischen Regierungslager. So bezeichnete Wohnungsbauminister Uri Ariel von der Siedlerpartei 'Jüdisches Heim' bei der Einweihung einer neuen Siedlung im Westjordanland die angestrebte Zwei- Staaten-Lösung als nicht realistisch.

Tradition gegen Nation

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In Ägypten wird eine neue Verfassung ausgearbeitet. Entwürfe wirken weniger islamistisch wie die alte - aber ähnlich vage

Kairo - In Ägypten dringen Details für den neuen Verfassungsentwurf an die Öffentlichkeit. Sie zeigen, dass auch Ägyptens neues Grundgesetz, das zweite in drei Jahren, der radikalen politischen Trendwende Rechnung trägt. Ein zehnköpfiges Komitee aus Juristen hat die Verfassung von 2012, damals von den Islamisten mit provozierender Eile durchgesetzt, überarbeitet. Ein erster Blick zeigt keinen komplett neuen Wurf, eher schon einige, wenn auch bemerkenswerte Veränderungen



InÄgypten wird gerade an einer neuen Verfassung gearbeitet. Große Veränderungen wird es aber wahrscheinlich nicht geben.

Der Artikel 2 über die "Prinzipien der Scharia" als wichtigste Grundlage der Rechtsprechung bleibt erhalten, Artikel 219 aber wird abgeschafft - so wie mehr als 40 weitere Artikel aus der letzten Verfassung. Artikel 219 hatte detaillierte religiöse Quellen angeführt, auf denen die Scharia-Prinzipien beruhten - was in den Augen vieler Ägypter Tür und Tor für eine wörtliche Auslegung der Scharia-Gesetze öffnete. Die Salafisten, nicht die Muslimbrüder, hatten vor einem Jahr darauf gedrängt. Nun hat die salafistische Nur-Partei ("Licht") wegen der Abschaffung von Artikel 219 mit dem Boykott des Verfassungsprozesses gedroht. Die Partei ist die einzige islamistische Gruppe, die die Entmachtung von Muslimbruder-Präsident Mohammed Mursi mitgetragen hat und sich seitdem in einer schwierigen Position befindet. Nun hat sie sich offenbar entschieden, doch Vertreter in die 50-köpfige Kommission zu schicken, die den Entwurf diskutieren soll - und so für Artikel 219 zu kämpfen.

Ähnlich umstritten war die Rolle der Ashar-Universität, höchster Sitz sunnitischer Gelehrsamkeit und seit Jahrzehnten staatsnah, aber inzwischen von Muslimbrüdern und Salafisten unterwandert. In der Verfassung von 2012 hatten die Islamisten ihr beratende Funktion zugesprochen; die neue tut das nicht mehr. Auch Artikel 44, der die Verleumdung des Propheten unter Strafe stellte, wurden abgeschafft.

Der religiöse Rahmen aber, so hat der Blogger Bassem Sabry festgestellt, bleibt bestehen, etwa in der Frage der Gleichstellung von Mann und Frau, die ebenfalls gemäß den Prinzipien der Scharia geregelt werden soll. Ohnehin scheint ein Defizit der alten Verfassung in der neuen beibehalten worden zu sein: Vieles ist vage, vieles bleibt künftigen Gesetzen überlassen, etwa Menschen- und Bürgerrechte. Auch die Ausführungen zur Pressefreiheit bleiben bedenklich relativ. Sie wird offenbar nicht mehr - wie 2012 - gewährleistet im Rahmen "der gesellschaftlichen Werte" und der Traditionen. Nun soll sie - ähnlich dehnbar - garantiert werden unter der Prämisse, dass die "nationale Einheit und der gesellschaftliche Frieden" geschützt sind. Tradition gegen Nation, beides lässt Raum für Interpretationen. Angesichts so großer Spielräume für den Gesetzgeber kommt der politischen Architektur besondere Bedeutung zu. Das teure, überflüssige Oberhaus, der so genannte Schura-Rat wird abgeschafft. Das Unterhaus, die Volksversammlung, hat 450 statt bisher 350 Sitze.

Das Wahlrecht, zumindest für die kommenden Wahlen, schafft die bisherige Mischung zwischen Direkt- und Listenkandidaten ab und erlaubt nur noch Direktkandidaten. Dies könnte zur Zersplitterung führen, aber auch den Muslimbrüdern die Möglichkeit bieten, wie bei früheren Wahlen unter Mubarak Kandidaten ins Parlament zu bringen. Religiöse Parteien soll es nicht mehr geben, wobei nicht klar ist, was mit den bestehenden geschieht, etwa der salafistischen Nur-Partei.

Dafür ebnet der Verfassungsentwurf verdächtigerweise den Funktionären der Mubarak-Partei NDP den Weg zurück in die Politik. Ihr Ausschluss war für einen großen Teil der Ägypter nach dem Sturz Mubaraks Konsens, nun dürfen sie wieder antreten, was all jene zu bestätigen scheint, die in der eigensinnigen Richterschaft ohnehin eine Bastion des alten, also des Mubarak-Regimes sieht. Dazu passt, dass die Richterschaft ihre Stellung bei der Gesetzgebung stärkt.

Auch die Armee kann ihre übermächtige Stellung halten. In einem Versuch, das Militär auf ihre Seite zu ziehen, hatten die Islamisten der Armee größte Freiheiten gelassen. Dies setzt sich nun fort: Der Wehretat soll eine einzige Zahl im Haushalt sein, der Verteidigungsminister Soldat, die umstrittene Militärjustiz für Zivilisten bleibt bestehen. Theoretisch ist nun Raum für Debatten über den Entwurf, aber die 50-köpfige Kommission hat nur beratende Funktion und ist zum Ärger vieler Aktivisten, fast frauenfrei. Zudem spotten Kritiker über die konstitutionelle Theorie angesichts der wahren Machtverhältnisse.

Geisterbahn und große Dusche

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Die Installationen der Ruhrtriennale gemahnen an einen Erlebnispark.

Seit einer Weile werden die Dinosaurierreste ehemaliger Hochöfen, Gebläsehallen oder Mischanlagen "bespielt", nachdem das Malochen alten Stils ein Ende hat, und nun die Gerippe des Industriezeitalters still, doch immer eindrucksvoll in den Himmel über der Ruhr ragen. Dass Zechen, Hütten und sonstige Industrieanlagen, die das Ruhrgebiet so unübersehbar prägen wie Überbleibsel aus unvordenklichen Zeiten, nicht einfach abgeräumt werden als Schrott einer vergangenen Epoche, ist einer Wahrnehmungswende zu verdanken. Aus ihrer Aufgabenstellung entlassen werden sie nun nicht mehr als düstere Orte härtester Arbeit, als Verursacher großer Verschmutzungen und als Denkmäler hässlicher, lärmender, stinkender Industrie gesehen, sondern ihnen ist eine Aura des Einzigartigen zugewachsen. Ihre zweckgebundene Architektur erzwingt unwillkürlich Staunen über die Dimensionen, deren sichtbare Gestalten den jeweiligen Produktionsarten geschuldet sind. So sind Schlote, Fördertürme und endlose Röhrenverschlingungen plötzlich zu ästhetischen Gegenständen ureigener Art geworden. Es ist kein Wunder, dass die vom Stil Neuer Sachlichkeit bestimmte Zeche Zollverein in Essen zum Weltkulturerbe erklärt worden ist, ebenso wie etwa die Hochöfen und die Gebläsehalle im saarländischen Völklingen.



Die Zeche im Wandel der Zeit. Früher ein lärmender schmutziger Ort, heute die ideale Umgebung für Kunstprojekte.

Doch sie einfach museal ruhen und rosten zu lassen, reicht nicht, um die Wahrnehmungswende zu vollenden. Die kategorisch durch ihre einstige industrielle Funktion definierten Riesenräume locken, sie ganz anders zu nutzen, sie nicht nur begehbar zu machen, sondern zu inszenieren und zu bespielen. Dennoch ist immer klar, dass zwischen den Bauten und den in ihnen stattfindenden Events, Happenings oder Installationen ein nahezu unvermeidliches Bedeutungsgefälle herrscht, das für die Künstler wohl Reiz und Schwierigkeit zugleich ausmacht.

Der schottische, vielfach preisgekrönte Videokünstler Douglas Gordon hat für die Ruhrtriennale 2013 die Ausmaße der Mischanlage der Kokerei Zollverein in Essen, ihre riesigen Trichter und verschiedenen Etagen versucht, in eine "Geisterbahn", so sagt er selbst, zu verwandeln unter dem Titel "Silence, Exile, Deceit - An Industrial Pantomime": Mächtige Explosionen scheinen den Bau zu erschüttern, die schon von draußen zu hören sind. Tastet man sich im Innern vorsichtig über die absichtlich schwach beleuchteten Treppen, Schwellen und Pfade durch die nebligen Räume schütteln die Eruptionen immerhin den Magen der Besucher durch.

Aus Mischtrichtertiefen flimmert Alufolie rheingoldartig auf, in einer Ecke lehnt eine Videowand, auf der Flammen eben mit Donnergetöse emporschlagen, eine Frau und ein Mädchen mit roter Kapuze - "Rotkäppchen" (Gordon) - tauchen auf; um die Ecke in der nächsten Halle hört man Gesang und Cellospiel, auf der dortigen Videowand singt eine Frau auf einer Treppe der Mischanlage, ein paar Stufen unter ihr spielt eine Cellistin. An anderer Stelle hockt eine Videokrähe mitten im Gang, auch ein Hund liegt versteckt am Weg, der treppauf, treppab durch die Raumfluchten führt. Ruhrtriennale-Chef Heiner Goebbels empfindet Anordnung und Inszenierung als "echtes Musiktheater". Douglas Gordon berichtet draußen vor der Tür, welche Geheimnisse seine Geisterbahn noch enthält, wenn man sie öfter besucht, erzählt von der Furcht seines Sohnes, als der die dumpfen Explosionen hörte, und von der Mitwirkung seiner Tochter. Er führt vor, wie sie aus der Langeweile der ständigen Auftrittswiederholung heraus schließlich in sein Ohr flüstert: "What shall we do now?". Dieser Wispersatz klingt oft in der Installation auf. Insgesamt wirkt die Live-Performance des erzählenden Künstlers vitaler als seine in der Wucht dieser Hallen eher harmlose Installation.

Wesentlich anders lässt sich der Turm aus Wasser, vom Londoner Künstlerkollektiv "rAndom International" vor Schacht XII installiert, erleben: einmal weil unter freiem Himmel, zweitens "spricht" Wasser als Elementarkraft. Es stürzt hier, mit Druck hochgepumpt, vor dem Schachtturm aus großer Höhe herab aus einer überdimensionalen Rechteckdusche. Man kann durch die Wasserwände in den wasserfreien Binnenraum treten. Dass sich bei Sonnenschein Regenbogeneffekte ergeben, Wind und Wetter unberechenbar, aber effektvoll mitspielen und der durchlässige und doch stabile Wasserturm zu jeder Art Spiel und Schabernack einlädt, verleiht ihm unabnutzbare Attraktivität.

William Forsythe, der große Tanzmeister, hat zum Parcours zwei witzige Arbeiten beigesteuert, Titel "Nowhere and Everywhere". Im Foyer des Museums Folkwang verblüfft die Eintretenden ein raffinierter Videozerrspiegel, und in der dortigen großen Halle lädt eine Anordnung aus herabhängenden Loten alle zu Leichtfüßigkeit und körperlicher Biegsamkeit ein. Die Lote lassen sich in Schwingung versetzen, und jeder bekommt Lust, ohne Berührung durch diesen filigranen Wald hindurchzuschlüpfen. Da geraten selbst Schwerfällige rasch ins Tanzen zwischen den schwingenden Loten. Und wenn im Foyer die Besucher sich selbst auf der Videowand entdecken, wie sie sich zeitversetzt bei jeder Bewegung verformen, um dann wieder zu "genesen", ist der Spaß perfekt.

Der in Paris lebende japanische Komponist und Elektronikkünstler Ryoji Ikeda installiert in der Kraftzentrale im Duisburger Landschaftspark nah den Hochöfen "test pattern (100m version)". Wer Geisterbahn, große Dusche, Zerrspiegel und Aufforderung zum Tanz hinter sich hat, landet nun auf dem elektronisch erzeugten Stroboskop-Laufsteg in einer Art Disco. Die verschiedenen durchlaufenden Muster sind von oben attraktiv, und die parallel dazu erzeugten rhythmischen Klangsensationen verstärken die mondäne, gleichwohl geheimnislose Anmutung der Anordnung. Manchmal erinnert sie an jene von Zebrastreifen in jede Richtung markierten Kreuzungen in japanischen Städten, auf die sich je nach Ampelschaltung Menschenströme ergießen.

Am Ende des sich selten als "Magical Mystery Tour" erweisenden Rundgangs bleibt etwas von Kindergeburtstagsstimmung - und der staunende Blick auf die Dinosaurier des Ruhrgebiets.

Synthie-Pop aus Schweden und Discopunk gegen Überwachung

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Die Fünf Songs der letzten Augustwoche kommen gleich mit zwei Instrumentalstücken, einer Satirenummer über die NSA und einem ganz neuen Popduo aus Stockholm.

Yacht - Party at the NSA
Seit ein paar Wochen wissen wir, dass unsere komplette digitale Kommunikation von Geheimdiensten überwacht wird. Und weil es unserer Regierung egal ist und auch kein großer Widerstand von der Straße in Sicht ist, wird das auch erstmal so bleiben. Da bleibt nur die Flucht in die Kunst. Subways-Gitarrist Billy Lunn hat letztens auf Twitter angekündigt, einen Song über das Thema zu schreiben. Das Duo Yacht aus Portland, Oregon, hat jetzt schon mal vorgelegt: Deren Satiresong “Party at the NSA” erinnert irgendwie an die Ramones, ist aber als groovige Disco-Nummer arrangiert, sodass die ironischen Zeilen wie "We don't need no privacy" wunderbar ins Ohr gehen. Der Comedian Marc Maron steuert im Mittelteil ein Gittarensolo bei.
http://soundcloud.com/yacht/party-at-the-nsa

Jasper P. - Im Ascheregen (Piano Cover)
Wenn es im Büro um mich herum zu turbulent wird und ich mich gerade auf einen Text konzentrieren muss, ziehe ich den großen Kopfhörer auf und höre laut Musik. Das hilft konzentrationsmäßig allerdings nur, wenn der Gesang nicht zu sehr im Vordergrund steht. Und deutscher Text geht leider überhaupt nicht. Am besten ist Klaviermusik, Bach oder so was. Das ist aber nicht gerade das, wo ich musikalisch zu Hause bin. Heute habe ich meinen Büro-Dauerschleifen-Song für die nächsten Tage und Wochen entdeckt: Ein Pianocover von "Im Ascheregen", der aktuellen Single von Casper, von der hier schon vor zwei Wochen die Rede war.
http://www.youtube.com/watch?v=7XC6rnCsof4

Arbor Lights - Interstellar
Es bleibt instrumental. Greg, Alex, Matt und James aus Birmigham haben ihre 2010 gegründete Band Arbor Lights nach dem Pub benannt, in dem sie sich kennen gelernt haben. Das ist nicht die abenteuerlichste Namensfindungs-Story aller Zeiten, und auch die Songs auf ihrer EP "Hatherton Lake" sind nichts, was dein Leben für immer verändern wird. Aber es ist richtig gute Rockmusik, bei der der fehlende Gesang Platz lässt für filigrane Cymbals und deutlich hörbare, treibende Basslines. Die auch mal über 13 Minuten ausgebreitet wird; "Interstellar" ist mit 06:06 der kürzeste Song auf der Platte.
http://www.youtube.com/watch?v=GzLufCPBQ1k

Vulkano - Vision Tricks
Lisa Pyk-Wirström und Cissi Efraimsson kommen aus Stockholm und machen unter dem Namen Vulkano wunderschönen Synthie-Pop. Sie haben bisher noch kein Album veröffentlicht, und die Songs im Netz haben einen herrlich unfertigen Sound.
http://www.youtube.com/watch?v=Rd9u5xxwAVE

Thees Uhlmann - Am 07. März
Ziemlich genau zwei Jahre nach seinem ersten Soloalbum mit dem sperrigen Namen “Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf” legt Tomte-Frontmann Thees Uhlmann die erste Single des Nachfolgers vor. In "Am 07. März" singt er über ebenjenes Datum, an dem Uhlmanns Mutter geboren ist, die FDJ gegründet wurde und die "Sendung mit der Maus" erstmals im WDR lief. Das alles erfährt man in dieser Drei-Minuten-Geschichte-Einheit, die musikalisch ziemlich genau dort weitermacht, wo Uhlmann vor zwei Jahren aufgehört hat, mit simplen Beats und zurückhaltenden Melodien, die seinen markanten Gesang untermalen.
http://www.youtube.com/watch?v=ZTLiC0xuhbA

Muss man an einer Beziehung arbeiten?

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Ein amerikanischer Motivationstrainer beklagt auf Facebook das Ende seiner Ehe und zählt auf, was er hätte besser machen können. Mehr als 100.000 Mal ist sein Post geteilt worden. Was hältst du von Verhaltensregeln für eine Beziehung?

Es gibt Beziehungen, die mit einem großen Knall und unheimlicher Wut auf den anderen zu Ende gehen. Die Gründe für die Trennung sind meist eindeutig: Schuld ist jeweils der andere und eigentlich kann man froh sein, dass es vorbei ist. So daneben wie er/sie sich immer benommen hat. Daneben gibt es die Beziehungen, mit deren Ende man sich nicht so recht abfinden will. Aber irgendwie ist es trotzdem unausweichlich. Anstatt eines Knalls und Wut kommen dann häufig Selbstzweifel: Hätte man etwas anders machen können, um die Trennung zu verhindern? 





Ein frisch geschiedener Motivationstrainer aus den USA hat sich genau diese Frage gestellt. Nach ausgiebiger Selbstreflexion und einer genauen Fehleranalyse hat Gerald Rogers anschließend auf seiner Facebook-Seite eine Liste mit 20 Dos and Don’ts für eine gut funktionierende Ehe gepostet. Mit unglaublicher Resonanz. Mehr als 10.000 Mal wurde der Eintrag seitdem geliked und an die 100.000 Mal geteilt.  

Dabei sind die Tipps lediglich ziemlich pathetisch formulierte Phrasen. "Sieh immer das Beste an ihr. Konzentriere dich nur auf das, was du an ihr liebst!", empfiehlt Rogers anderen Ehemännern. "Sie muss nicht bei dir bleiben, und wenn du dich nicht um ihr Herz kümmerst, wird sie es vielleicht jemand anderem geben(...) Kämpfe genauso um ihre Liebe wie am Anfang eurer Beziehung", ist ein weiterer Ratschlag. Das Ganze gipfelt schließlich in dem Aufruf, zu einem "Epic Lover" zu werden. Die Frau hätte das schließlich verdient. Eine Sache wird bei dem kitschigen Liebesgeschwurbel deutlich: Rogers bereut es ziemlich, nicht genug an seiner Ehe gearbeitet zu haben und sieht darin auch den Grund für ihr Scheitern nach 16 Jahren. 

Aber muss man wirklich kontinuierlich an einer Beziehung arbeiten, damit sie bestehen bleibt? Wie siehst du das? Kann man deiner Meinung nach nur glücklich zusammen sein, wenn man sich mit der Partnerschaft bewusst auseinandersetzt und sein Verhalten mitunter ändert? Oder sollte eine gute Beziehung auch von alleine funktionieren?

Lässliche und andere Sünden

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Der UN-Sicherheitsrat ist oft blockiert. Soll man ihn dann umgehen dürfen? Völkerrechtler sind darüber uneinig

US-Präsident Barack Obama hat stets Wert darauf gelegt, sich von seinem - je nach Betrachtungsweise - interventionsfreudigen bis kriegslüsternen Vorgänger George W. Bush abzuheben. Deswegen kann der gelernte Verfassungsrechtler Obama in der Syrien-Krise das Völkerrecht schlecht ignorieren. Er wird sich bemühen, einen möglichen Militärschlag gegen das Assad-Regime in Damaskus besser zu legitimieren, als es Bush bei seinem Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein tat. Obama will Beweise vorlegen, dass die Truppen Assads vergangenen Mittwoch Giftgas einsetzen und so Hunderte Menschen auf grässliche Weise töteten. Sollten Russen oder Chinesen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dann immer noch eine Strafaktion verhindern, dürfte Obama argumentieren, der Schutz der Menschenrechte legitimiere einen Militärschlag ohne UN-Mandat.



Außenminister Guido Westerwelle 2012 vor dem UN-Sicherheitsrat

Der britische Außenminister William Hague erklärte bereits, es sei zulässig, aus humanitären Gründen auch ohne das Plazet des 15 Mitglieder starken Sicherheitsrats auf einen Chemiewaffeneinsatz zu reagieren. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte am Dienstag den Präsidenten des US-Forschungsinstituts Council on Foreign Relations, Richard Haas, mit den Worten: "Der UN-Sicherheitsrat ist nicht der einzige und alleinige Aufseher darüber, was legal und was legitim ist." Ein Land wie Russland dürfe sich nicht zum "Richter über das Völkerrecht" aufspielen.

Ähnlich wie 1999 zu Zeiten des Kosovo-Krieges stellt sich die Frage: Wann dürfen anderen Staaten militärisch in einem Land eingreifen, wenn dort schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen werden? Unstrittig ist im Falle Syriens die Ausgangslage: Das Völkerrecht verbietet Einsätze von Chemiewaffen im Krieg, also auch in einem Bürgerkrieg. Zwar hat Syrien die Chemiewaffenkonvention von 1992 nicht unterzeichnet. Das Verbot gilt jedoch schon seit Jahrzehnten als Völkergewohnheitsrecht, an das die Regierung in Damaskus gebunden ist. Kein Geheimnis ist zudem, dass Syrien Chemiewaffen besitzt.

Unbewiesen ist bis jetzt jedoch, ob der mutmaßliche Chemiewaffeneinsatz syrischen Regierungseinheiten zuzurechnen ist. Diese Feststellung zu treffen, liegt auch nicht im Mandat der UN-Inspektoren. Falls der Nachweis erbracht werden sollte, wäre es Aufgabe des Sicherheitsrats, über einen Militärschlag zu entscheiden. Die UN-Charta, die unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs geschrieben wurde und bis heute als grundlegend für das Völkerrecht gilt, verbietet in ihrem Artikel 2 Absatz 4 den Einsatz von Gewalt in den internationalen Beziehungen. Allerdings dürfen sich Staaten gegen Angriffe verteidigen oder anderen angegriffenen Staaten helfen. Zudem kann der UN-Sicherheitsrat Militäreinsätze erlauben, um den Weltfrieden zu bewahren oder wiederherzustellen.

Die fünf ständigen Mitglieder im Rat - die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich - können sich aber meist nicht auf eine Intervention einigen. So kommt es, dass der Rat bei schweren Konflikten häufig blockiert ist, selbst wenn es zu massenhaften, schwersten Menschenrechtsverletzungen kommt. Interventionswillige Staaten stehen dann vor der Frage: Dürfen sie den Sicherheitsrat umgehen?

Im Kosovo-Krieg rechtfertigten die Nato-Staaten ihre Militärschläge gegen das Jugoslawien des Slobodan Milosevic als "humanitäre Intervention". Sie argumentierten, die Erfahrungen der Nazi-Zeit lehrten, dass die Welt nicht wegsehen dürfe, wenn sich ein Genozid anbahne. Sei der Sicherheitsrat blockiert, müssten eben die Staaten handeln, die dazu bereit seien.

Diese Argumentation hat große Debatten unter den Völkerrechtlern ausgelöst. In den Folgejahren wurde erörtert, inwieweit es im Völkerrecht eine "Responsibility to protect" (Schutzverantwortung) gibt, kurz "R2P" genannt. Die Staaten der Vereinten Nationen erkannten diese Schutzverantwortung bei einem Gipfeltreffen im Jahr 2005 nahezu einstimmig an. Demnach trägt jeder Staat Verantwortung gegenüber seiner eigenen Bevölkerung. Kommt er dieser nicht nach, dann kann sich die Internationale Gemeinschaft der Angelegenheit annehmen. Der UN-Sicherheitsrat muss diese Schutzverantwortung bei seinen Beschlüssen berücksichtigen. Nur eine Minderheit der Völkerrechtler geht jedoch so weit, einzelne Staaten zur Intervention zu ermächtigen, falls der Rat blockiert ist und damit versagt.

Auch der Völkerrechtsprofessor Thilo Marauhn von der Universität Gießen lehnt ein solches Interventionsrecht unter Umgehung des UN-Sicherheitsrats ab. Er argumentiert, eine globale Werteordnung, aus der ein solches Recht abgeleitet werden könnte, sei zwar wünschenswert, existiere aber bislang nicht. "Vielmehr gibt es auf unserer Erde ganz unterschiedliche Gesellschaftsmodelle und Wertvorstellungen." Umso wichtiger sei das Gewaltverbot der UN-Charta, das ein friedliches Zusammenleben der Systeme gewährleisten wolle. Dieses Gewaltverbot dürfe nicht aufgeweicht werden. Die Staaten sollten vielmehr versuchen, einen Konsens im Sicherheitsrat zu finden und sich vor allem auf wirksamere Instrumente zum Schutz der Menschenrechte verständigen.

Doch was, wenn sich die Lage in Syrien verschlimmert? Oder wenn es anderswo zu Menschenrechtsverletzungen kommt, die das Ausmaß eines Genozids annehmen? Sollen interventionsbereite Staaten untätig einem gelähmten Sicherheitsrat zusehen? Professor Marauhn räumt ein, es könne zu einem "unerträglichen Konflikt zwischen Moral und Recht kommen". In solchen Fällen sei ein Militäreinsatz unter Bruch der UN-Charta zwar immer noch nicht gerechtfertigt, aber nachvollziehbar.

Marauhn erinnert an seinen Münchner Völkerrechtskollegen Bruno Simma, der im Kosovo-Krieg von einer "lässlichen Sünde" der Nato sprach. Simma wurde dafür heftig von anderen Völkerrechtlern gescholten. Marauhn sagt jedoch im Hinblick auf mögliche künftige Völkermorde: "Es kann zu Situationen kommen, in denen ich nicht mehr weit von Herrn Simma entfernt wäre."

Die Sparkassen-Boys

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Eine fiktive Band wirbt für Girokonten und erobert Teenieherzen

Das Grundrezept für Boygroups funktioniert immer. Man nehme einen hochgewachsenen blonden Schönling, einen wilden Rocker mit Tattoo, einen Nerd mit Brille sowie einen Langweiler, der keinen bestimmten Typ verkörpert, und stelle sie im Musikvideo wahlweise auf einen regenüberströmten Straßenasphalt oder an einen schier endlosen Sandstrand - natürlich in gleichfarbiger Kleidung. Den Erfolg dieses einfachen Prinzips der Stereotypen haben Bands wie die Backstreet Boys oder "N Sync in den Neunzigerjahren zur Genüge belegt. Jetzt profitiert davon jemand, den man eigentlich nicht mit Teeniemusik in Verbindung bringt. Hinter der neuesten Band, die die Zimmerwände pubertierender Mädchen ziert, steht kein amerikanischer Musikmanager, sondern die Sparkasse.



Die fiktive Band Boyalarm im Video zu "Love can kill"

In einem Werbespot für das Girokonto der Banken jubelt die aus der "Heute Show" bekannte Komikerin Martina Hill einer fiktiven Boygroup namens Boyalarm zu, deren Mitglieder selbst gar nicht richtig zu sehen sind. Doch im Hintergrund der Werbung läuft ihre Single "Love can kill", und ein am Rand eingeblendeter Hinweis verweist auf die Homepage mit dem dazugehörigen Musikvideo - in dem man alle Klischees zusammengerührt hat. Kreischende Fans, kurze Badehosen, selbst die Szene im strömenden Regen, in der sich die "Sänger" mit offenen Hemden durch die nassen Haare fahren, fehlt nicht.

Doch spätestens, wenn sich die Jungs gegenseitig mit Wasser aus grünen, elefantenförmigen Gießkannen überschütten, sollte dem Zuschauer eigentlich klar werden: Das kann keine echte Band, das kann nur Satire sein. Was eigentlich als Persiflage auf Plastikboys im Musikbusiness gedacht war, ist jetzt kurioserweise selbst in den Charts vertreten. Bei Viva liegt der Musikclip aus der Sparkassen-Werbung seit Wochen in den Top 50 der am meisten geklickten Videos, die Jugendzeitschrift Bravo versorgt ihre Leserschaft mit Berichten wie "So ticken Boyalarm wirklich". Dabei kommt der Song von zwei professionellen Studiosängern, bestätigt ein Sprecher des deutschen Sparkassenverbands: "Wir haben bewusst einen Song produzieren lassen, der eine eingängige Melodie und damit Hitpotenzial hat."

Die Werbestrategie scheint aufzugehen, Boyalarm hat schon mehr als 7000 Likes auf Facebook, das Video auf Youtube wurde über 20000-mal geklickt. Gemeinsam mit der Werbeagentur Exit Media dreht die Sparkasse den Hype um die Boygroup immer weiter, hat auf ihrer Homepage fiktive Profile der Bandmitglieder erstellt (Foto:oh) sowie eine Tour, bei der schon beim ersten Termin klar ist, dass auch die Auftritte nur Fake sind - der Wietzendorfer Vogelstimmen-Imitatorenclub oder das Euskirchener Salzstangen-Wettessen sind Orte für die vermeintliche Tournee.

"Man muss für die jugendliche Zielgruppe heute anders werben als noch vor ein paar Jahren", sagt der Sprecher. Wenn es weiter so gut läuft, schließt er auch künftige Sparkassen-Werbespots mit Boyalarm nicht aus. Vielleicht nehmen es die Fans der Bank aber auch irgendwann übel, dass ihre neuen Lieblinge nur für eine Werbung kreiert worden sind. Dann hätte die Sparkasse genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie eigentlich wollte. Die Bravo bereitet ihr Publikum bereits vorsichtig auf diese Enttäuschung vor: "Ganz ernst nehmen kann man Aaron, Marc, Ricky und Lenny nicht", schreibt die Zeitschrift. In Interviews erzählten sie "gerne mal Schwachsinn".

Was sind deine Langzeitprojekte?

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Ein australischer Physiker hat bis zu seinem Tod 52 Jahre lang einen Trichter mit Pech beobachtet. Er wollte der Teer-Masse beim Tropfen zusehen. Hast du Projekte, die dich schon über einen langen Zeitraum beschäftigen?

Es gibt Freizeitprojekte, die sollten ungeduldige Menschen lieber bleiben lassen. Gärtnern gehört zum Beispiel dazu. Denn bis so ein Baum oder Strauch sich merklich in die Höhe rankt, dauert es eine ganze Zeit lang. Familienporträts in der Pünktchen-Technik des Pointillismus zu malen, ist auch kein Hobby, bei dem man auf schnelle Resultate hoffen darf. Pech beim Tropfen zu beobachten, gehört wohl auch dazu. Mit Letzterem hat ein kürzlich verstorbener Physiker 52 Jahre seines Lebens verbracht.



Wie geduldig bist du bei deinen Projekten?

Für seine Geduld kann man John Mainstone nur bewundern. 1961 übernahm der Australier das Experiment an der Uni von Queensland. Da klebte die zähe Masse bereits seit 35 Jahren ziemlich unspektakulär in einem Trichter. Mainstone war allerdings sofort hellauf begeistert von dem Slow-Motion-Versuch und erklärte sich zum "stillen Wächter" des Experiments. Das sollte beweisen, dass sich Pech wie eine Flüssigkeit verhält – auch wenn es sich wie ein Feststoff anfühlt und mit dem Hammer zerschlagen lässt.  

Ganze acht Tropfen fielen insgesamt seit Beginn des Versuchs – fünf davon in der Zeit, in der das Pech unter Mainstones Beobachtung stand. Der verpasste allerdings tragischerweise jedes Mal knapp das seltene Getropfe. Trotzdem hielt der Physiker bis zu seinem Tod dem Pechklumpen die Treue. Auf die Frage, ob der Versuch ihn verändert habe, sagte er in einem Interview: "Ich habe gelernt, geduldig zu sein."

Allein schon bei der Vorstellung, einer zähen Masse beim Tropfen zu zusehen, werde ich ganz hibbelig. Und auch wenn ich eigentlich kein besonders ungeduldiger Mensch bin, habe ich generell für Projekte, die über einen längeren Zeitraum laufen, einfach keinen Nerv. Früher schon hab ich die Mädchen bewundert, bei denen sich die Tagebücher nur so stapelten. Ich war schon stolz, wenn ich das zwei Wochen durchhielt. Auch meinen auf längere Zeit ausgelegten Versuch, aus einer Urlaubs-Kokosnuss eine Palme zu ziehen, habe ich schnell wieder aufgegeben.

Wie geduldig bist du bei solchen Sachen? Hast du ein Projekt, das dich bereits einige Jahre beschäftigt und an dem du immer weiter arbeitest? Oder verlierst du irgendwann das Interesse und musst dir eine neue Beschäftigung suchen?

Was sind deine Langzeitprojekte?

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Ein australischer Physiker hat bis zu seinem Tod 52 Jahre lang einen Trichter mit Pech beobachtet. Er wollte der Teer-Masse beim Tropfen zusehen. Hast du Projekte, die dich schon über einen langen Zeitraum beschäftigen?

Es gibt Freizeitprojekte, die sollten ungeduldige Menschen lieber bleiben lassen. Gärtnern gehört zum Beispiel dazu. Denn bis so ein Baum oder Strauch sich merklich in die Höhe rankt, dauert es eine ganze Zeit lang. Familienporträts in der Pünktchen-Technik des Pointillismus zu malen, ist auch kein Hobby, bei dem man auf schnelle Resultate hoffen darf. Pech beim Tropfen zu beobachten, gehört wohl auch dazu. Mit Letzterem hat ein kürzlich verstorbener Physiker 52 Jahre seines Lebens verbracht.





Für seine Geduld kann man John Mainstone nur bewundern. 1961 übernahm der Australier das Experiment an der Uni von Queensland. Da klebte die zähe Masse bereits seit 35 Jahren ziemlich unspektakulär in einem Trichter. Mainstone war allerdings sofort hellauf begeistert von dem Slow-Motion-Versuch und erklärte sich zum "stillen Wächter" des Experiments.Das sollte beweisen, dass sich Pech wie eine Flüssigkeit verhält – auch wenn es sich wie ein Feststoff anfühlt und mit dem Hammer zerschlagen lässt.  

Ganze acht Tropfen fielen insgesamt seit Beginn des Versuchs – fünf davon in der Zeit, in der das Pech unter Mainstones Beobachtung stand. Der verpasste allerdings tragischerweise jedes Mal knapp das seltene Getropfe. Trotzdem hielt der Physiker bis zu seinem Tod dem Pechklumpen die Treue. Auf die Frage, ob der Versuch ihn verändert habe, sagte er in einem Interview: "Ich habe gelernt, geduldig zu sein."

Allein schon bei der Vorstellung, einer zähen Masse beim Tropfen zu zusehen, werde ich ganz hibbelig. Und auch wenn ich eigentlich kein besonders ungeduldiger Mensch bin, habe ich generell für Projekte, die über einen längeren Zeitraum laufen, einfach keinen Nerv. Früher schon hab ich die Mädchen bewundert, bei denen sich die Tagebücher nur so stapelten. Ich war schon stolz, wenn ich das zwei Wochen durchhielt. Auch meinen auf längere Zeit ausgelegten Versuch, aus einer Urlaubs-Kokosnuss eine Palme zu ziehen, habe ich schnell wieder aufgegeben.

Wie geduldig bist du bei solchen Sachen? Hast du ein Projekt, das dich bereits einige Jahre beschäftigt und an dem du immer weiter arbeitest? Oder verlierst du irgendwann das Interesse und musst dir eine neue Beschäftigung suchen?

Laugenichtse

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Das Münchnerischste aller Essen ist nicht die Weißwurst sondern die Brezn. Aber welche ist gut? Und warum? Die jetzt.de-Redaktion hat Marktführer und Außenseiter in einer Blindverkostung getestet. Mit enttäuschendem Ausgang.

Müller-Höflinger





Gewicht, Preis und Preis/Gramm:
75 Gramm, 58 Cent:  0,77 Cent/Gramm
 
Optik:
"Weit geschwungen mit leichtem Linksdrall und fortschreitender Stirnglatze.", "Lehrbuchbreze"
 
Salz:
"Oben schon ausgefallen."
 
Konsistenz:
"Leichtes Knistern beim Drücken."
"Unfluffiger Teig."
 
Geschmack:
"Neutral irgendwie."
"Penetrant laugig im Abgang."
"Neutral bis Altpapier."
 
Esse ich, wenn . . .
"Reis als Beilage nicht passt."
 
So ist sie am nächsten Tag:
"Salziger Blasenwurf aber in geil."
"Der Bürogeschmack ist ihr in die Poren eingezogen."
 
Ehrlicher Werbeslogan:
"Keine Offenbarung – aber wieder ohne Ungeziefer!"
"Die. Breze."
 
Wenn diese Breze ein bekannter Münchner wäre, dann:
"Christian Ude"
"Edmund Stoiber"




Hofpfisterei






Gewicht, Preis und Preis/Gramm:
76 Gramm, 60 Cent: 0,79 Cent/Gramm
 
Optik:
"16:9-formatig"
"Fröhlich lächelnd"
 
Salz:
"Zu wenig",
"Weil’s zu leicht abfällt."
   
Konsistenz:
"Knackt, wenn man die Knotenärmchen drückt, positiver Eindruck."
 
Geschmack:
"Laugig, nicht zu viel und nicht zu wenig salzig. Favorit!"
"Testsieger!"
 
So ist sie am nächsten Tag:
"Gut durchgezogen. Läuft!"
"Wäre als Butterbreze noch sehr okay."
 
Ehrlicher Werbeslogan:
"Die Kaisersemmel unter den Brezn"
"Have a Brezn and a smile"
"Unbrezahlbar gut"
 
Wenn diese Breze ein bekannter Münchner wäre, dann:
"Gerhard Polt"
"Senta Berger"
"Eine knackige Julia Stegner"



Zöttl






Gewicht, Preis und Preis/Gramm:
65 Gramm, 55 Cent: 0,85 Cent/Gramm
 
Optik:
"A-förmig gestaucht wie nach einem Auffahrunfall"
"Herzförmig und rehkitzfarben"
 
Salz:
"Jackson-Pollock-artig verteilt"
 
Konsistenz:
"Sehnig",
"Klebt garantiert morgen noch an den Zähnen."
"Wie Karton mit Tesafilm."
 
Geschmack:
"Von verbrannt bis teigig ist viel dabei – nur wenig Gutes."
 
Esse ich, wenn . . .
"ich aus Versehen die Brezn aus dem Dekokorb im Pflegeheim genommen habe."
     
Ehrlicher Werbeslogan:
"Verspricht viel!"
"Auf jedem Tisch a Brezn, das ganze Jahr lang."
   
Wenn diese Breze ein bekannter Münchner wäre, dann:
"Barbara Schöneberger"
"Markus Söder"



Brotmanufaktur Schmidt





Gewicht, Preis und Preis/Gramm:
75 Gramm, 55 Cent: 0,73 Cent/Gramm
 
Optik:
"Weltschmerz"
"Speckig"
 
Salz:
"Welches Salz?"
 
Konsistenz:
"Sie in Stücke zu reißen, stärkt den Trizeps."
"Kalt und feucht"
 
Geschmack:
"Krass! Die wurde innen Desinfiziert."
"Wie ihre eigene Verpackung."
 
Esse ich, wenn . . .
"ich nach der Verpackung wirklich noch Hunger habe."
 
Ehrlicher Werbeslogan:
"Der Preuße unter den Brezn"
"Unser Brot ist aber wirklich das beste der Stadt!"
 
Wenn diese Breze ein bekannter Münchner wäre, dann:
"Jimi Blue Ochsenknecht"

 



Neulinger






 Gewicht, Preis und Preis/Gramm:
50 Gramm, 56 Cent: 1,08 Cent/Gramm

Optik:

"Anämisch"
"Mais-Kartoffel-Babybrei"
 
Salz:
"Macht das farblose Ding noch blasser."
"Gut rundherum verteilt."
 
Geschmack:
"Ich mag ja rohen Kuchenteig sehr gerne, aber bekanntermaßen macht der auch Bauchschmerzen.",
"Das ist Semmelteig in Brezenform."
 
Esse ich, wenn . . .
"mir jemand einredet, dass sie auf dem Grill ja noch dunkler wird."
 
Ehrlicher Werbeslogan:
"Die Bremmel – außen Brezn, innen Semmel vom Vortag",
"Jetzt ’ne Breze von Aral!"
 
Wenn diese Breze ein bekannter Münchner wäre, dann:
"Philipp Lahm"
"Katja Eichinger"

Rischart





Gewicht, Preis und Preis/Gramm:

71 Gramm, 55 Cent: 0,77 Cent/Gramm
 
Optik:
"Sonnenstudiogebräunt"
"Könnte als Werbebrezel in Gold vor einer Bäckerei hängen."
 
Konsistenz:
"Kellergelagert"
"Wie Gore-Tex: innen trocken, außen nass."
 
Geschmack:
"Wie man sich Brezn-Aroma aus dem Labor vorstellt."
"Diese Breze lag sicher sehr lange in einem Umzugskarton, der wiederum lange in einem Keller stand."
 
Esse ich, wenn . . .
"es nachts beim Späti in Berlin sonst nichts mehr gibt."
". . . ich auf dem Oktoberfest in den USA bin."
 
Ehrlicher Werbeslogan:
"Das Plus 1 zu hellem Fleisch."
"German pretzel!"
"Die Höhlenbrezn – außen Solarium, innen Kellermuff!"
 
Wenn diese Breze ein bekannter Münchner wäre, dann:
"Die ehemalige, aktuelle oder zukünftige Freundin von Boris Becker"
"Wolfgang Fierek"

„Meine eigene Befindlichkeit ist mir nicht mehr so wichtig“

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In dieser Woche erscheint Thees Uhlmanns zweites Soloalbum "#2". Beim Interview in der Kneipe spricht er über das Zusammenspiel von Vatersein und Rock'n'Roll, die Gemeinsamkeit seiner Mutter mit Rudi Dutschke und die schönsten Momente der vergangenen zwei Jahre.

Als ich mich mit Thees Uhlmann für unser Gespräch stilecht in einer Kneipe treffe, sitzt er dort mit Katrin Bauerfeind am Tresen, die ihn zuvor für ihre Sendung „28.30“ interviewt hat. Die beiden versichern sich ihrer gemeinsamen Liebe für Nescafé, die Moderatorin ärgert sich kurz darüber, dass sie vergessen hat, Thees zum Thema Pathos zu befragen, und dann berichten sie noch von ihren lustigen Interviewerfahrungen mit Noel und Liam Gallagher. Thees führt aus, dass er Noel nur geschlossene Fragen gestellt, und dieser alle lediglich mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet habe – dementsprechend schnell war das Gespräch vorbei. Katrin Bauerfeind hingegen erzählt die schöne Anekdote, dass Liam auf die Frage, ob es etwas gäbe, dass er an seinem Bruder möge, geantwortet habe: „Yeah, sometimes his shoes.“ Wunderschön.
Aber nun soll es dann doch um Thees Uhlmann gehen, der dieser Tage sein zweites Soloalbum „#2“ veröffentlicht.


jetzt.de: Hooligan der Herzen, Bruce Springsteen von Niedersachsen – dir wurden im Laufe der Zeit einige interessante Titel verliehen. Fühlst du dich wohl damit?
Thees Uhlmann:
Als mir der Musikexpress dieses „Ich bin der Bruce Springsteen von Niedersachsen“ in den Mund gelegt hat, das hat mich schon geärgert – das würde ich selbst nämlich nie über mich sagen. Aber klar: Bruce Springsteen und Sven Regener sind meine größten Idole. An denen orientiere ich mich und daraus mache ich keinen Hehl. Und ich weiß natürlich auch, was die Leute meinen, wenn sie mich als Hooligan der Herzen bezeichnen. Ich habe aus meinem Herzen eben nie eine Mördergrube gemacht und bin immer noch der Meinung: Lieber fünf Sätze sagen und vier davon sind falsch als gar nichts sagen und sich im Recht fühlen.  

Du hast bei deinem neuen Album erneut mit Tobias Kuhn zusammengearbeitet, der dir einige Grenzen auferlegt hat – zum Beispiel, dass du nur jeweils einen Song über die Liebe und einen über ihre Abwesenheit singen darfst. Helfen Grenzen, sich weiterzuentwickeln und an der Herausforderung ihrer Einhaltung zu wachsen?

Auf jeden Fall. Das ist aber nicht nur in der Musik so, sondern auch im Leben. Und zwar nicht nur in meinem, sondern in den Leben aller. Das Ding ist ja: Ich könnte immer einen klassischen Thees-Uhlmann-Song schreiben: Ein bisschen Bier, bisschen knutschen, bisschen traurig verliebt, bisschen nachts durch die Gegend latschen und ein bisschen Norddeutschland – fertig ist ein typischer Uhlmann-Song. Aber diese ausgelatschten Wege zu verlassen, ist künstlerisch gesehen natürlich viel interessanter. Hinzu kommt dann diese Punk-Sport-Haltung: Ach, über Krieg schreibt man nicht? Ich mache das aber trotzdem. Und keiner benutzt den begriff SPD in einem Song? Gut, dann mache ich es deshalb extra.  



Thees Uhlmann würde sich selbst niemals "der Bruce Springsteen von Niedersachsen" nennen - aber ein großes Idol ist er für ihn schon.

Hast du ein Notizheft, in das du sämtliche Ideen aufschreibst?
Nein. Wenn ich der Meinung bin, eine wirklich gute Idee zu haben, schicke ich manchmal eine SMS an mich selbst. Ansonsten bin ich Anhänger des alten Weakerthans-Konzepts: „Was wirklich gut ist, verlässt das Gehirn nicht.“ Ich bin kein Notizbuch-Typ. Aber ich beneide die Leute, die eins führen, weil es natürlich wahnsinnig gut aussieht. Mädchen mögen das.  

Du hast mal gesagt, du hättest einen unausgesprochenen Deal mit den Leuten geschlossen, die deine Musik hören, der da lautet: Wenn in deinem Herzen etwas rumpelt, dann wird auch darüber gesungen. Ist das noch so? Bleibt das auch so?

Ja, das ist so und das bleibt so. Ich muss mir von anderen Leute ja oft anhören, ich würde mich so preisgeben. Aber ich weiß überhaupt nicht, was das bedeutet. Soll ich so tun als hätte ich keine Tochter, oder was? Meine Lebensrealität wird sich immer auch in meiner Musik widerspiegeln, aber einige Leute haben offenbar ein Problem damit. Ich weiß bloß nicht, warum. Ich finde, als Rockmusiker haben wir die Verantwortung, über so etwas zu singen, weil die Leute das nachvollziehen können und sich dadurch wahrgenommen und verstanden fühlen. Das ist Teil unseres Jobs.  

Gab es denn auch schon einschneidende Erlebnisse in deinem Leben, die du aus irgendwelchen Gründen ausgespart hast?

Nein, eigentlich nicht. Nimm nur mal den Song „Weiße Knöchel“ von der neuen Platte – da versetze ich mich in einen 45-jährigen Typen, der im Ruhrgebiet Wahlkampf macht für die SPD, und der Text ist von vorne bis hinten ausgedacht. Dennoch steckt in diesem Song ganz viel Thees Uhlmann drin – vollkommen losgelöst von meiner Person. Weil ich mich darin über die flächendeckende Verfügbarkeit von Spielautomaten aufrege; darüber, wie Oberhausen mittlerweile aussieht und dass da in der Innenstadt ganz viele Geschäfte pleite gemacht habe, was den Anfang einer drohenden Verslummung signalisiert. Und weil ich mir sage: „Das kann doch nicht die endgültige Antwort auf den Strukturwandel im Ruhrgebiet sein.“ 

Du kommst aus einer Kleinstadt, wohnst aber seit Jahren in Großstädten. Aufgrund des Umstandes, dass du seit der Geburt deiner Tochter regelmäßig in deiner Heimat bist und dort viel komponiert hast, hast du den Provinzanteil deines letzten Albums auf 80 Prozent taxiert. Wie hoch ist er dieses Mal?

Dieses Mal habe ich mehr Inspiration durch die Großstadt bekommen, ich würde sagen zu 60 Prozent, während ich beim letzten Album sehr stark von Sehnsucht getrieben war. Mittlerweile habe ich mich damit arrangiert. Meine eigene Befindlichkeit ist mir nicht mehr so wichtig.  

Ein schöner Satz von dir lautet, dass man sich immer selbst die Momente schaffen muss, an die man auch in zehn Jahren noch denken wird. Gab es solche Momente in den vergangenen zwei Jahren?

Klar. Zum Beispiel als der eine Typ von den Weakerthans organisiert hat, dass wir in Toronto auf der Musikmesse spielen durften, wo ich dann meine Verwandten aus Detroit wiedergetroffen habe. Oder beim letzten Konzert unserer letzten Tour in der Großen Freiheit in Hamburg, als ich zu meiner Band gesagt habe, dass ich jetzt auf der leeren Bühne mal kurz alleine eine Zigarette rauchen möchte, und nach zehn Sekunden meine Mutter die Treppe runterkam und meinte: „Jetzt dreh mal nich’ durch.“ Oder als ich zu meiner Lütten gesagt habe, dass ich am Wochenende wieder los und ein Konzert spielen muss, und sie zu mir meinte: „Du hast doch schon letzte Woche ein Konzert gespielt. Kannst du es nicht so machen, dass alle Leute zusammenkommen und sich alle zusammen ein Konzert von dir ankucken? Dann musst du nicht jedes Wochenende wegfahren.“ Das waren wunderschöne Momente.  

Wie nimmt deine Mutter deine Karriere wahr?
Ich muss ihr nichts vormachen. Wir sind down miteinander. Aber die sammelt natürlich schon Zeitungsschnipsel und sagt: „Jetzt schick mir endlich mal wieder ein paar Autogrammkarten! Beim Schlachter werde ich immer wieder danach gefragt.“ Die ist schon ein bisschen stolz – obwohl Stolz ein Gefühl ist, das im Norddeutschen nicht gerade verankert ist.  

War sie am Anfang deiner Musikerkarriere skeptisch?

Logisch. Als ich eines Tages alles auf eine Karte gesetzt und beschlossen habe, Musiker zu werden und meine Mutter im Zuge dessen mitbekommen hat, dass ich nicht mehr krankenversichert bin, war das ganz schlimm für meine Mutter. Aber das haben wir ganz gut hinter uns bekommen.  

Du bist Vater einer Tochter und für viele Leute bedeutet das Elterndasein das Gegenteil von Rock’n’Roll. Campino hingegen hat mal gesagt, dass Kinder der wahre Rock’n’Roll seien. Wer hat Recht?

Ich habe Campino mal gedisst für diesen Ausspruch. Aber letztlich hat er etwas ganz Schlaues gesagt, nämlich: „Freunde von mir haben gerade ihr zwölftes Kind bekommen – das ist Punk-Rock.“ Das kann ich zu 100 Prozent unterschreiben.  

Einige Eltern hören mit der Geburt ihrer Kinder auf, Menschen mit eigenen Interessen zu sein. Prinz Pi hat diese Eltern mal mit Sekten verglichen, in denen nur noch über Kindersitze, Kindernahrung und Kindereinschlafhilfen gesprochen wird.
Das sind ja auch wichtige Themen. Aber ich halte nichts von der Überpsychologisierung von Kindern. Das sind weder Glücksbringer noch Mehrwertmotoren. Dass ich vor sechs Jahren ein Kind bekommen habe, ist sicherlich ein Eingriff in meine Biografie, aber kein Eingriff in meine Sicht auf die Dinge oder die Art meines Verhaltens.  

Gefällt deiner Tochter die Musik ihres Vaters?

Nee, die interessiert sich nicht für Popmusik. Die hört nur Kinderlieder. Aber sie weiß, was ich beruflich mache, und das beschäftigt sie auch. Zum Cover der ersten Platte hat sie mich gefragt, warum darauf nur mein Po zu sehen ist, und ich habe ihr geantwortet, weil ich nicht so hübsch bin. Und sie dann so: „Ja, das stimmt.“ 

Was war der Ausgangspunkt für den Song „7. März“? Der Geburtstag deiner Mutter?

Ja, absolut. Dass meine Mutter und Rudi Dutschke in der gleichen Nacht im gleichen Krankenhaus in Berlin zur Welt gekommen sind, ist einfach eine geile Geschichte.  

Was sagt denn deine Mutter zu dem Stück?

Die druckst herum. Aber ich finde es einfach krass, wie zwei Menschen in der gleichen Nacht geboren werden, beide Leben danach aber so doll auseinander driften wie nur irgend möglich. Die eine wird Lehrerin in Nordniedersachsen und führt den Inbegriff eines normalen Lebens, der andere wird zur absoluten Persona Non Grata, dem aufgrund seiner Position in den Kopf geschossen wird, und nach dem jetzt eine Straße in Berlin benannt ist. Das finde ich wahnsinnig faszinierend, wie die Zeit den Kulturgeist einer Gesellschaft verändert. Und jetzt sind meine Mutter und Rudi Dutschke wieder vereint – zumindest auf dem einen Song.

Die sicherste Großstadt der USA

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Vor der Bürgermeisterwahl im November denken die New Yorker darüber nach, was die vielen Jahre unter Michael Bloomberg für die Stadt, für die einzelnen Quartiere und für die Bevölkerung erbracht haben

Dass Michael Bloombergs Tage als Bürgermeister von New York gezählt sind, ist ein Gedanke, an den man sich nach zwölf Jahren erst einmal gewöhnen muss. Er selbst hat ja zur Erinnerung seine berühmten Countdown-Uhren im Rathaus anbringen lassen, die ihm sagen, wie viele Monate, Tage, Stunden und Sekunden es noch sind, bis er am 31. Dezember um Mitternacht aus dem Amt scheidet. Das war natürlich immer vor allem als Fingerzeig an seine Mitarbeiter gedacht: Dies, liebe Leute, ist die Zeit, die bleibt, in dieser Stadt das Unmögliche zu vollbringen. Bloomberg war schon in seinen früheren Amtszeiten berüchtigt dafür, seinen Leuten, wie Gevatter Tod auf einem barocken Vanitas-Gemälde, mit dem Stundenglas in der Hand Beine zu machen, Konferenzen durch den Einsatz von Stoppuhren zu verkürzen und ganz allgemein seine eigene Betriebsamkeit auf die Umwelt zu übertragen. Während nun die Aspiranten auf seine Nachfolge nach einem bisher eher müden Wahlkampf demnächst in ihre innerparteilichen Vorwahlen müssen, reiben sich die New Yorker in den ersten Rückblicken die Augen, wie sehr Bloomberg mit seiner Geschäftigkeit die Stadt verändert hat.



Zwölf Jahre lang war Michael Bloomberg Bürgermeister in New York – in dieser Zeit hat er vieles in der Stadt verändert.

"Drei Amtszeiten, 750 000 Bäume,450 Meilen Fahrradspuren, fünf Millionen willkürliche Personendurchsuchungen durch die Polizei und eine gescheiterte Kampagne gegen Softdrinks": Das ist die Bilanz der New York Times. Und das alles hat sich auf das Antlitz der Stadt niedergeschlagen. In gewisser Weise gilt das sogar für den Versuch, die New Yorker vor zu viel zuckerhaltigen Limonaden zu schützen, denn der war ja nur ein Beispiel für eine allgemein verhasste, aber trotzdem nicht so ganz unwirksame Politik krankenschwesternhafter Zwangsfürsorglichkeiten, zu denen umfangreiche Rauchverbote genauso gehörten wie die Propagierung des Fahrrads als Transportmittel für den Alltag. Das Gefährlichste, was einem heute in einem New Yorker Park widerfahren kann, ist von der Polizei mit einer Zigarette erwischt zu werden.

Die meisten New Yorker können sich noch an die Zeiten erinnern, als es nicht unwahrscheinlich war, da, wo ein paar Bäume zusammenstanden, sein Geld oder sein Leben an Räuber zu verlieren. Der öffentliche Raum ist mit einer Rigidität durchreglementiert, dass man vor Ver- und Gebotsschildern manchmal das Grün schon nicht mehr sieht, aber er scheint tatsächlich auch benutzbarer geworden zu sein. Die Klage, dass der harte, romantische Zauber vom Leben im gefährlichen New York unter Bloombergs Nanny-Politik dahin sei, wird tendenziell an Orten geäußert, wo man früher nach Sonnenuntergang besser nicht mehr herumirrte.

Ähnlich ambivalent beurteilen die New Yorker deshalb auch die Ergebnisse der rabiaten Durchgriffsstrategien der Polizei. Speziell die Taktik des "Stop and Frisk", des Anhaltens und Durchsuchens von Personen ohne besondere Angabe von Gründen, war immer schon umstritten. Jetzt hat ein Bundesgericht entschieden, dass es gegen die verfassungsmäßigen Rechte von Minderheiten verstößt. Denn die Opfer waren in der Regel schwarze und hispanische Jugendliche. Der Demokrat Bill de Blasio ist derjenige Bürgermeisterkandidat, der sich am vehementesten gegen diese Praxis ausgesprochen hat, was ihm zu Wählerstimmen in den schwarzen Communities verhelfen könnte. Bloomberg hingegen

beruft sich darauf, mit Mitteln wie diesen New York zur sichersten Großstadt der USA gemacht zu haben.

Tatsächlich gibt es kaum noch echte No-go-Areas. Weiße Mittelstandsfamilien siedeln heute völlig selbstverständlich in Straßen, aus deren blutdurchtränkten Namen bis vor Kurzem noch Gangsterrapper ihre Art der Kredibilität bezogen. Mit der Folge, dass etwa in Bedford-Stuyvesant, Brooklyn, wo Leute wie Notorious B.I.G. aufwuchsen, demnächst eher die bürgerliche Klavierstunde der Normalfall sein wird.

Gentrifizierung folgt ihren eigenen Gesetzen, aber es gibt schon auch ein paar politische Stellschrauben, die dabei eine Rolle spielen. Bloombergs robuste Pazifizierung der Stadt hat dem Immobilienmarkt in vielen Gegenden erst den Weg freigemacht. Der Rest sind baupolitische Entscheidungen: Unter Bloomberg sind auf einem Drittel der Stadtfläche die Bebauungspläne neu geschrieben worden. In Williamsburg und in Long Island City wuchs am Ufer des East River eine zweite Skyline aus Hochhäusern empor. Die Idee war, die Stadt entlang bestehender U-Bahn-Stränge zu verdichten. Bloomberg weist auf den Wohnraum hin, der geschaffen wurde. Kritiker beklagen den Wohnraum, der immer noch fehlt. Eine Initiative mit dem Namen "Save Greenpoint" benutzt fast die gleichen Renderings wie die Baufirma, die am dortigen Flussufer Hochhäuser errichtet hat - allerdings um davor zu warnen: Wie eine Armee von Gerichtsvollziehern stehen die da den flachen alten Häuschen des traditionellen Polen-Viertels gegenüber und winken praktisch schon langfristig mit dem Räumungsbescheid. Für alles, was nicht Manhattan heißt, ist die Zeit der Abgeschiedenheit jedenfalls vorbei. In den Bloomberg-Jahren sind Brooklyn und zum Teil auch Queens attraktivere Alternativen zum engen, stickigen, Tag wie Nacht herumlärmenden, überdeterminierten Manhattan geworden. Diese Öffnung der Stadt zu ihren Landmassen hin wird sicher das bleibende Vermächtnis sein, genauso wie die Rückeroberung der Flussufer in Form von Parks. Eine architektonische Offenbarung sind allerdings die wenigsten der neuen Gebäude.

Das gilt sogar, leider, für vieles, was in dieser Zeit in Manhattan entstanden ist. Aber das kann man nicht unbedingt Bloomberg anlasten. Auch unter einem anderen Bürgermeister wäre Daniel Libeskind die Planung für den Neubau des World Trade Centers entzogen worden, auch unter jemand anderem wäre es zu jenem etwas langweiligen Hochhaus gekommen, das David Childs in den nächsten Monaten fertigstellen wird. Und auch wenn der Bürgermeister anders hieße, hätte es eine Finanzkrise gegeben, in deren Folge interessante Projekte wie das von Rem Koolhaas am Union Square leider ungebaut blieben.

Dafür hat es ja in Midtown ordentlich gebrummt. Vielleicht ist Fosters Hearst Tower exakt die paar Stockwerke zu niedrig, die ihn großartig gemacht hätten. Vielleicht ist Renzo Pianos neues Hochhaus für die New York Times ein paar Stockwerke zu hoch für das brave Haus, das es ist. Aber das meiste ist ansehnlicher als das, was drumherum so steht und seine Qualität aus nichts anderem als aus schierer Vertikalität bezieht. Ein neues Chrysler Building, ein Haus, das als Wahrzeichen in die Herzen finden würde, ist nicht wirklich darunter. Deswegen irritiert es selbst Wohlmeinende in der Stadt jetzt so, dass Bloomberg vor Ablauf seiner Amtszeit unbedingt noch dies auf den Weg bringen wollte: Die östlichen Teile von Midtown, vom Grand Central Terminal nördlich, sind als ein Gebiet ausgeschrieben worden, in dem massiv mit neuen Hochhäusern nachverdichtet werden darf. Ausgerechnet eine Ecke von Manhattan, von der man dachte, dass sie dichter, urbaner, dramatischer gar nicht mehr vorstellbar ist. Jetzt dürften dort im Prinzip Häuser gebaut werden, die höher sind als das Empire State Building.

Die Denkmalschützer von der Municipal Arts Society of New York sorgen sich, dass Wahrzeichen wie der Bahnhof, das PanAm Building und tja, New Yorks schönstes Hochhaus, eben das Chrysler Building, aus dem Stadtbild geschluckt werden könnten - und haben dieser Tage laut Protest eingelegt. Die Kritiker von New York Magazin bis New York Times griffen sich über diese Entscheidung entsetzt an den Kopf. Und Robert A. M. Stern, der Dean der Yale School of Architecture stellte die noch viel elementarere Frage, wie dieser Zuwachs infrastrukturell verkraftet werden soll, wenn man jetzt schon Ewigkeiten braucht, um sich aus überfüllten U-Bahn-Ausgängen ins Tageslicht zu quetschen.

Die Bloomberg-Administration kann solche fast schon nostalgischen, die Endlichkeit des Wachstums anerkennenden Argumente natürlich schon aus Prinzip nicht gelten lassen und behauptet, New York würde seine Wettbewerbsfähigkeit als Standort an Städte wie Hongkong oder Shanghai verlieren, wenn nicht auch Midtown East zu Hongkong und Shanghai umgebaut würden. Selbstverständlich wird auf allen Kanälen nun gerätselt, wem genau damit ein letzter Gefallen getan werden soll. Denn insgesamt scheint nicht einmal bei großen Firmen ein besonders großes Interesse an der Ecke zu bestehen.

Woran stattdessen sehr großes Interesse besteht, wo jetzt alle hinziehen, das ist die Westside von Manhattan, das Ufer des Hudson River. Die Westside - das ist im Grunde die eigentliche Erfolgsgeschichte der Bloomberg-Jahre. Hat es mit der Begrünung der stillgelegten Industriebahngleise der Highline angefangen? Oder mit den Galerien im Meatpacking District? Sogar ein Gigant wie Time Warner will jedenfalls Hals über Kopf auf einmal seine eben erst bezogenen Bauten am Columbus Circle verlassen und an den Hudson umziehen. Die Nähe zum Wasser, der lässigere Takt hier am Rand von Manhattan, der Umbau bestehender Industriearchitekturen, die Nachnutzung von Wirtschaftsgeschichte als Energiereservoir - das sind alles Dinge, die Bloomberg in seinem Plan, die Konzernzentralen dieser Welt nagelneue Hochhausnadeln rund ums Waldorf Astoria errichten zu lassen, irgendwie nicht so ganz auf dem Zettel gehabt hat. Seine Midtown-East-Pläne haben gegenüber dem, was von sich aus passiert, etwas Saurierhaftes. Und das zeigt, dass es vielleicht doch allmählich mal Zeit wird für einen neuen Bürgermeister in New York.

Syrische Grüße

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Ein Hackerangriff hat die Website der "New York Times" lahm gelegt.

Schwarzer Hintergrund, dazu in den syrischen Landesfarben der Satz. "Hacked by Syrian Electronic Army". So sieht die Website der New York Times normalerweise nicht aus, und dass sie am Dienstag kurzzeitig so aussah, lag an einem Hackerangriff. Dahinter stecken wohl Aktivisten der "Syrian Electronic Army" (SEA), einer Gruppe, die Syriens Diktator Baschar al-Assad unterstützt, deren Mitglieder aber vermutlich selbst nicht in Syrien sitzen.



Unterstützer des syrischen Diktators Assad haben die Website der New York Times gehackt

Die Gruppe griff im selben Zeitraum auch die Website des Kurznachrichtendienstes Twitter und die britische Ausgabe der Huffington Post an, konnte dort aber nur geringeren Schaden anrichten. So waren zum Beispiel Bilder auf Twitter nicht oder nur sehr langsam verfügbar. Zusätzlich versuchte die "Syrian Electronic Army" auch CNN im Netz anzugreifen, es bleib aber beim Versuch.

Die Attacke auf die New York Times war dagegen dramatischer. Die Zeitung konnte Artikel nur über einen Umweg im Netz veröffentlichen, sie verbreitete Links zu aktuellen Texten über ihre Facebook-Seite. Die Attacke war eine besondere Form von Hackerangriff. Die Computer wurden nicht technisch in die Knie gezwungen, wie zum Beispiel bei einer DDOS-Attacke, bei der zahlreiche Anfragen die Server überlasten. Stattdessen hatte sich ein Hacker digitalen Zugang zu dem Unternehmen verschafft, das die Internetadresse nytimes.com betreut. Diese leitete der Hacker auf eine andere, auf eine syrische Seite um. Dazu verwendete er die E-Mail-Adresse und das Passwort eines Angestellten des Internetunternehmens.

Aus Sicherheitsgründen verzichteten die Journalisten der New York Times während des Angriffs auch auf den Versand von vertraulichen E-Mails. Die Website der amerikanischen Zeitung war bereits am Montag zusammengebrochen, nach Angaben der New York Times waren dafür aber keine Hacker, sondern Probleme mit der Technik verantwortlich.

Die SEA attackiert bereits seit 2011 westliche Medien, denen sie eine ungerechte Berichterstattung über den Syrien-Konflikt unterstellt. Bekannt wurde die Gruppe, als sie bei den ersten Protesten in Syrien ihre Meinung im Sinne des syrischen Regimes auf den Facebook-Seiten bekannter Politiker verbreitete, darunter auch die von US-Präsident Barack Obama. Angegriffen hat sie bislang neben der New York Times auch die Tageszeitungen Washington Post und Financial Times.

Major Tom und sein Haus am See

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Die 70. Filmfestspiele in Venedig haben begonnen, und alles bleibt beim Alten: Es gibt Baugruben, Sorgen um die Konkurrenz - und George Clooney ist da, wieder einmal der Star der Eröffnung, mit seinem Film "Gravity"

Unwahrscheinliche Zufälle, die irgendjemand den Hintern retten, sind im Kino nicht gern gesehen. Das liegt nicht etwa daran, dass die Zuschauer die Wahrscheinlichkeitsrechnung so lieben, oder daran, dass sie nicht wollen, dass Ärsche gerettet würden. Im Gegenteil: Rettung muss sein - nur eben nicht zu billig. Blut, Schweiß, Tränen und Hirnschmalz bei der Drehbucharbeit - oder der Kinokarten-Investor fühlt sich betrogen.



Gerorge Clooney und Sandra Bullock haben mit ihrem Film "Gravity" die Filmfestspiele in Venedig eröffnet.

Dabei helfen unwahrscheinliche Zufälle manchmal durchaus, gerade im echten Leben. Die Tatsache zum Beispiel, dass die 70. Filmfestspiele von Venedig gestern mit dem strahlenden Grinsen von George Clooney eröffnet werden konnten, und dass damit dem Festivalchef Alberto Barbera gewissermaßen der Arsch gerettet wurde, kann man auf vielfache Weise interpretieren: Warner Brothers wollten ihren Film "Gravity", in dem Clooney mitspielt, auf einem großen Festival sehen; Barbera fand den Film brillant; er hält den Regisseur Alfons Cuaron für einen großen Filmemacher; und so fort. Die plausibelste Erklärung, die wir uns vorstellen können, beruht aber auf einem eher unwahrscheinlichen Zufall: George Clooney hat ein Haus am Comer See. Von dort ist es nur ein Katzensprung nach Venedig, der kaum Reisekosten verursacht, der Star ist ohnehin im Old-Europe-Modus, also sagt er: Let"s do it. Gewichtiges Indiz: Vor gerade mal zwei Jahren, mit "The Ides of March", hat Clooney Venedig schon einmal eröffnet.

So darf man sich diesmal die 3D-Brille aufsetzen und mit "Gravity" zu einem, wie es so schön heißt, Weltraumspaziergang aufbrechen. Ein amerikanisches Space Shuttle schwebt sechshundert Kilometer über der Erde, man kann Küsten und Gebirge und Flussläufe erkennen, das Meer leuchtet tiefblau und wunderschön. Die Astronauten der Mission STS-157 sind ausgestiegen und basteln an der Technik herum, während sie Fehlerprotokolle mit der Zentrale abgleichen, die auch hier selbstverständlich nur "Houston" gerufen wird.

Präziser gesagt arbeiten eigentlich zwei, der dritte schwebt mit seinem Raketen-Rucksack entspannt durch die Gegend und erzählt über Funk irgendwelche Geschichten von seinen Exfreundinnen, die alle schon tausendmal gehört haben. In einem Film, in dem George Clooney mitwirkt, darf man dreimal raten, wer das nun ist. Nicht umsonst aber gab es einen Vorspann, in dem die wichtigsten Fakten noch einem schriftlich festgehalten wurden: Es ist saukalt dort oben, bis zu minus 256 Grad, es gibt keinen Sauerstoff außer dem, den man mitbringt, kurz: "Das Leben im Weltall ist unmöglich." Das musste, nach all den Star Treks und Star Wars, die wir im Kino schon erfolgreich überlebt haben, wirklich noch mal gesagt werden.

Und also darf die Idylle auch nur von kurzer Dauer sein. Houston erzählt irgendetwas von russischem Weltraumschrott im Anflug, Minuten später kommt die Meldung, dutzenden Satelliten seien bereits auseinandergeflogen, dann bricht die Kommunikation ab, selbst George Clooney wird nun ernst - und im nächsten Moment rasen bereits Metallteile heran, die Ernst Jünger in seinen Stahlgewittern wie einen Warmduscher erscheinen lassen.

Ging es im echten Weltraum, so wie wir ihn bisher von der NASA kannten, nicht eher in Zeitlupe zu? Egal. Die Körper und Gegenstände, die in "Gravity" aufeinandertreffen, tun dies jedenfalls mit höchster Wucht und Beschleunigung. Und sehr bald sind George Clooney und Sandra Bullock, die eine mit dem Weltraum nicht allzu vertraute Wissenschaftlerin spielt, nicht nur die einzigen Überlebenden der Mission - sie treiben mutterseelenallein um ein völlig zerstörtes Raumschiff.

War es vielleicht dieses Gefühl der Verlorenheit, dass bei den Machern von Venedig auf eine gewisse Resonanz stieß? Denn eigentlich ist so ein siebzigster Geburtstag ja doch ein großes Ding, für das man jahrelang plant und baut, um sich vor der Welt besonders fein herauszuputzen. Im Lido ist davon nichts zu sehen: Dieselben Bauruinen wie immer, dasselbe dicht gemachte, vor sich hinrottende Hotel Des Bains, dieselben Klagen, dass der große Konkurrent, das Festival von Toronto, längst die besseren Filme hat. Zudem möchte man die Gründungsjahre nicht wirklich erinnern - der Hauptpreis des Festivals hieß damals nicht umsonst Coppa Mussolini. So haben nun 70 Filmemacher, nur teils prominent, 70 Mini-Filme zum Geburtstag gedreht, aber auch das praktisch ohne Geld. Der große Bernardo Bertolucci, der auch der Jury vorsteht, filmt zum Beispiel 100 Sekunden lang seine eigenen Schuhe - wenn wir das denn richtig gedeutet haben.

Aber, unwahrscheinliche Zufälle hin oder her: Gäste wie Clooney und Bullock finden ja doch den Weg hierher, Brad Easton Ellis, Paul Schrader und Hollywood Bad Girl Lindsay Lohan (noch nicht ganz sicher) haben sich für "The Canyons" angesagt, dazu Nicolas Cage, für David Gordon Greens Südstaaten-Drama "Joe", Scarlett Johansson, Judi Dench, James Franco und viele mehr. Man darf eben einfach nie aufgeben, Augen zu und durch - das gilt nicht nur für das große Venedig-Gefühl, das predigt auch George Clooney seiner Co-Astronautin Sandra Bullock. Noch in der Katastrophe, mit nur noch wenigen Minuten Sauerstoff zum Überleben, darf er fast übernatürlich entspannt und heldenhaft bleiben - kein Wunder, dass er es am Ende klüger fand, die Rolle mit einem Augenzwinkern anzulegen und sich irgendwann dem großen, leeren, wunderbaren Major-Tom-Gefühl des Weltraums hinzugeben.

Sandra Bullock, am Anfang so schwach, muss dagegen kämpfen und kämpfen. Nominell bleibt der Film dabei innerhalb der Grenzen der Physik, es gibt also nicht plötzlich Aliens oder Wurmlöcher. Zugleich will er aber eine Mission Impossible sein. Wenn die amerikanische Raumfähre explodiert, gibt es in erreichbarer Entfernung eben noch eine russische - welch ein Zufall! Weil wir eben mehr sind als Schweine im Weltall, weil wir diesen unglaublichen, im Kosmos einzigartigen Überlebenswillen haben, hat das Universum schließlich ein Einsehen - und rettet uns. Venedig ist eröffnet, Hollywood hat seine Schuldigkeit getan, George Clooney darf zurück an den Comer See . Es kann losgehen.

Mugabes Spaß-Universum

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Der 89-jährige Diktator von Simbabwe plant einen 220 Millionen Euro teuren Vergnügungspark bei den Victoriafällen. Wird das "afrikanische Disneyland" jemals Realität, wäre es eine absurde Parallelwelt zur Lage im Rest des Landes

Aus seinem Hang zum Fröhlich-Bunten macht Robert Mugabe, Simbabwes vitaler Diktator, seit Langem keinen Hehl: Zu öffentlichen Auftritten, wie etwa vor seiner jüngst erfolgreich durchgesetzten Wiederwahl, kommt der 89-Jährige gern in poppig gemusterten Hemden und Schirmmützen. Insofern sollte es niemanden allzu sehr überraschen, dass seine Regierung jetzt ein "afrikanisches Disneyland" plant: Die Gegend um die von Natur aus bereits reizvollen Victoriafälle im Westen des Landes soll so touristisch noch aufgewertet werden - man wolle auf diese Weise einen "schlafenden Riesen" wecken, so formuliert es der simbabwische Tourismus-Minister.



Robert Mugabe, Diktator von Simbabwe

Simbabwe ist, zusammen mit dem Nachbarland Sambia, derzeit Gastgeber der Generalversammlung der Welttourismusorganisation, einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Schon allein diese Tatsache hat beißende Kritik von Menschenrechtlern provoziert. Schließlich liegt in dem Land nicht nur der einst blühende Tourismus am Boden, sondern immer wieder auch der eine oder andere Oppositionelle, wenn ihn Mugabes Schergen in die Finger bekommen.

An Letzterem wird sich in absehbarer Zeit wohl wenig ändern: Erst vergangene Woche feierte der seit 33 Jahren regierende Diktator in einem Stadion vor 60000Zuschauern seine Wiederwahl, die nach Einschätzung diverser Beobachter auf rundum zweifelhafte Weise zustande kam. Eine Verfassungsänderung hatte zuvor zwar erstmals die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Perioden begrenzt, was aber ausdrücklich nicht rückwirkend gilt, weshalb Mugabe möglicherweise erst um seinen 99. Geburtstag herum in die Verlegenheit kommen wird, sich über ein sinnerfülltes Leben nach der Politik Gedanken machen zu müssen.

"Die Tage des Kolonialismus sind unwiderruflich vorbei", rief der einstige Freiheitskämpfer ins jubelnde Stadion und kündigte voll frischen Tatendrangs gleich darauf an, die teilweise Enteignung ausländischer Firmen in Simbabwe, wie sie seit Längerem geplant ist, von nun an verstärkt voranzutreiben. Das ist letztlich nicht mehr als eine konsequente Fortschreibung von Mugabes "Indigenisierungspolitik", die etwa im Jahr 2000 in der Enteignung und Vertreibung Tausender weißer Farmer gipfelte.

Die Wirtschaft des Landes, das einst "Kornkammer Afrikas" genannt wurde, ging fortan vor die Hunde, in einer Phase historisch einzigartiger Inflation vermehrten sich die Nullen auf Preisschildern zwischenzeitlich so rasant wie Bakterien in Laborkulturen. Die Touristen blieben Simbabwe wohl nicht hauptsächlich deshalb fern, weil ihnen die Naturschönheit der Victoriafälle aufgrund fehlender Kasinos, Shopping-Malls und Achterbahnen irgendwie zu nackt erschienen wäre.

Letztgenannte Interpretation freilich ist einem westlich geprägten Blick geschuldet, und so verkündete Tourismusminister Walter Mzembi auf der UN-Veranstaltung in seinem Land jetzt umso entschlossener seine "Vision" von einem gut 220Millionen Euro teuren Vergnügungspark: Geplant sei etwas "Ultra-Modernes, das junge Menschen anzieht", erklärte Mzembi. Drumherum um dieses afrikanische Disneyland soll eine Art Sonderwirtschaftszone errichtet werden; einschließlich Banken, in denen "auch Leute, die nicht notwendigerweise in Simbabwe leben, Konten eröffnen können".

So ganz auf Geld aus dem Ausland will man also - trotz aller "Indigenisierungspolitik" - nicht verzichten, sich vollends der feindlichen westlichen Welt öffnen selbstverständlich aber nun auch nicht: Das afrikanische Disneyland-Spektakel, wenn es denn Wirklichkeit wird, dürfte sich wohl dauerhaft in einer 1200Hektar großen Parallelwelt abspielen, in jeder Hinsicht gegensätzlich zum großen, weiten Rest des Landes, wo ein bunt gekleideter Diktator mit seinen Widersachern auf ganz andere Weise Achterbahn fährt.

Dass Massen von jungen Reisenden sich von Mugabes Spaß-Universum magisch angezogen fühlen werden, daran scheint die Regierung jedoch keinerlei Zweifel zu haben: Pläne, den Flughafen für gut 110Millionen Euro dem künftigen Besucher-Ansturm anzupassen, liegen auch schon in der Schublade.

Marx statt Mikroblog

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Chinas Zensoren schüchtern populäre Internet-Multiplikatoren ein

"Das Internet ist unkontrollierbar", schrieb der Pekinger Künstler und Bürgerrechtler Ai Weiwei einmal. "Und weil das so ist, wird die Freiheit gewinnen. So einfach ist das." Der Beweis dafür steht noch aus. Fakt ist, dass Chinas KP bis heute erstaunlich erfolgreich das Netz kontrolliert: Zensur, so schien es lange, funktioniert. Zumindest bis 2009 - da ging der Mikrobloggingdienst Weibo an den Start.

Man nennt Weibo oft Chinas Twitter, dabei ist es für China in nur vier Jahren viel wichtiger geworden, als es Twitter für Westler jemals sein wird: Es wurde zur einzigen Spielwiese der Meinungsfreiheit im Land. Weibo läuft auf Handys, alles passiert quasi live, es ist schwerer zu zensieren als das klassische Netz. Und so informieren sich die mehr als 500 Millionen Nutzer auf Weibo über giftige Lebensmittel und verschmutzte Luft. Zuletzt brachten sie im Schwarm gar korrupte Kader zur Strecke. Die Partei merkte bald, dass ihr die Kontrolle entglitt, schon 2011 rief sie dazu auf, die "Kommandohöhen" in der virtuellen Welt zurückzuerobern.



Das Logo von Weibo, dem chinesischen Pendant zu Twitter

Jetzt will sie Ernst machen. Offiziell fahren die Behörden nun eine Kampagne gegen "Gerüchte", von denen es im chinesischen Netz natürlich genauso wimmelt wie im westlichen. Als erstes Ziel guckte sich der Apparat dabei die "Großen V" aus, so heißt in China der Kreis prominenter Weibo-Multiplikatoren, die oft mehrere Millionen "Followers" haben, an die sie mit einem Klick ihre Nachrichten senden können. Dazu zählen Filmsternchen ebenso wie Immobilienunternehmer, viele sind kritisch-liberale Kommentatoren des Zeitgeschehens. Jüngst wurden sie zu einem Propagandaseminar in Peking einberufen, wo man ihnen klarmachte, sie hätten sich von nun an beim Bloggen an "sieben Mindeststandards" zu halten: "Akkurate Informationen" kommen dabei an letzter Stelle - ganz oben auf der Liste stehen das "sozialistische System" und das "nationale Interesse".

Erste Verhaftungen folgten, diese Woche dann ein Paukenschlag: Die Polizei nahm den Start-up-Investor und Weibo-Blogger Charles Xue fest, angeblich, weil er sich mit einer Prostituierten vergnügt hatte. Xue hat zwölf Millionen Follower, er schrieb viel zu Kinderhandel und Beamtenkorruption. Seine Festnahme erfolgte unter großer Anteilnahme der Staatsmedien, von denen sich viele gar nicht erst die Mühe machten, so zu tun, als habe die Polizeiaktion nichts mit Xues Hobby als Blogger zu tun: "Der Fall Xue ist eine Mahnung für die Meinungsführer", titelte die Global Times. In China nennt man so etwas "Das Huhn schlachten, um die Affen zu erschrecken". Das Vorgehen erntet auch Kritik. Die Behörden missbrauchten ihre Macht und übten "sozialen Terror" aus, warnt Cai Xia, eine liberale Professorin an der Zentralen Hochschule der Partei: "So drängen sie die Moderaten in die Radikalität und zwingen die Auseinandersetzung vom Internet auf die Straße."

Die Propaganda ficht das nicht an. Am Mittwoch kam das neueste Edikt: Die 307000 Journalisten des Landes werden zum mehrtägigen Studium des Marxismus befohlen. Man müsse sie, so ein Beamter laut Nachrichtenagentur Xinhua ideologisch rüsten für das "Schlachtfeld Internet". Die Reaktion des bekannten investigativen Reporters Lü Minghe auf Weibo: "Sprachlos".

Reichtum eines Drachen

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Wie das Magazin "Forbes" das Vermögen fiktiver Charaktere berechnet

Die Reichen werden immer reicher. Das bilden sich die Menschen nicht ein, es ist tatsächlich so. Zumindest gilt es für die Reichen, die in Büchern, Filmen und Comics leben. Seit 2005 erstellen Redakteure des US-Wirtschaftsmagazins Forbes die Liste der "Fictional 15" - ein Ranking der reichsten erfundenen Figuren. Deren Vermögen ist im Vergleich zum Vorjahr immerhin noch einmal um drei Prozent auf 215,8 Milliarden US-Dollar gestiegen. Das ist etwas mehr als das Bruttoinlandsprodukt Portugals im vergangenen Jahr. Zwischen 2011 und 2012 hatten sie ihren Reichtum sogar um 59 Prozent vergrößert.



Dagobert Duck, die reichste Ente der Welt

Wie berechnet man den Wert von Dagobert Ducks mit Münzen gefülltem Geldspeicher? Den des Schatzes, auf den sich der Drache Smaug aus Tolkiens "The Hobbit" bettet? Wie das Vermögen des Vampirs Carlisle Cullen aus der "Twilight"-Reihe? Die Forbes-Redakteure analysieren, woher der Reichtum einer Figur stammt - aus Gold beispielsweise, Aktien oder einem weit verzweigten Konzern und rechnen das mit echten Rohstoffpreisen und Aktienkursen gegen. Auf die Liste schaffen es Figuren, die in ihrer fiktiven Welt für ihren Reichtum bekannt sind und sich einem Autor zuordnen lassen. Das schließt Figuren aus Mythen und Sagen aus, wie Midas, dem zu Gold wurde, was er berührte.

Dass es nicht ganz einfach ist, fiktiven Reichtum real zu berechnen (und dass die Redakteure sich dabei nicht immer ganz ernst nehmen), zeigt Smaug. Der geflügelte, Feuer speiende Drache hat einst die Zwerge aus dem Einsamen Berg vertrieben und bewacht seitdem den ihnen gestohlenen Schatz: Gold und Edelsteine, Silber und Waffen (bis Hobbit Bilbo Beutlin den Zwergen dabei hilft, dem Drachen die Reichtümer wieder abzuluchsen). Geschrieben steht, dass Smaug auf dem Schatz ruht. Zu berechnen galt es also, wie hoch, breit und tief so ein Haufen sein muss, damit ein Drache bequem darauf liegen kann. Im Internet stritten sich Drachenkenner, welche Länge Smaugs Körper wohl hat (Forbes: Fast 20 Meter bis zur Schwanzspitze), in welcher Position er sich zusammenrollt (entlang des Schatzes, wie eine Katze den Schwanz darumgelegt) und welchen Durchmesser der Haufen folglich haben muss (etwa siebeneinhalb Meter). Bilder deuten darauf hin, dass der Schatz etwa viermal so hoch wie ein Hobbit ist (also etwas mehr als dreieinhalb Meter hoch). Abzüglich der Luft zwischen Münzen, Schmuck und Barren und dem ein oder anderen Haufen Drachenmist kommen die Redakteure auf fast 42 Kubikmeter Gold und Silber.

Doch da endet der Reichtum des Drachen noch lange nicht: Vom vielen Liegen hat sich auf Smaugs Bauch und Brust eine Kruste aus Edelsteinen gebildet (die ihn - natürlich nur fast - unverwundbar macht). Wert des künstlichen Panzers: fast vier Milliarden Dollar. Dazu kommen mehr Edelmetalle, Diamanten und Rüstungen in den Gängen neben der Haupthöhle. Die Redakteure haben sie mit historischen Waffensammlungen verglichen. Insgesamt bemisst Forbes den Wert des Schatzes mit 54,1 Milliarden Dollar. Das sind fast acht Milliarden Dollar weniger als 2012, was vor allem daran liegt, dass im Vergleichszeitraum der Goldpreis gefallen ist. Smaug ist die zweitreichste fiktionale Figur. Das Vermögen Warren Buffetts, des viertreichsten Menschen der Welt, lag im März knapp darunter.

Pendler vs. Ausflügler

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Hund und Katz, Noel und Liam, Anwohner und Barbesucher: klar. Die hassen einander von Berufs wegen. Aber es gibt schönere, subtilere Feindschaften. Denen widmen wir eine Serie. Heute: Pendler und Ausflügler.





Die Situation:

Ein Pendler tritt seinen routinierten Weg zur Arbeit an. Jeder Schritt, jeder Handgriff ist Dank monatelanger, meist sogar jahrelanger Erfahrung optimiert: Letzter Waggon – da ist meist nicht so viel los. Fensterplatz – da kann das Sakko knitterfrei aufgehängt werden. Bis zum dritten Stopp blättert er noch ein wenig im Wirtschaftsteil der FAZ. Dann klappt er den Laptop auf klickt konzentriert in Exeltabellen herum. Bis ein lärmendes Rudel Ausflügler in Funktionsjacken in das Abteil einfällt. Nach kurzem Nicken in Richtung des Pendlers und einem rhetorischen "Hier ist noch frei, oder?", wird sich lautstark auf die umliegenden Sitze verteilt und mehrfach wieder umgesetzt, weil die Vroni der Ulla doch noch die letzten Urlaubsbilder auf der Digicam zeigen wollte und dem Max immer schlecht wird, wenn er entgegen der Fahrtrichtung sitzt. Anschließend werden Rucksäcke, Wanderstöcke und hart gekochte Eier von links nach rechts und wieder zurückgereicht, wobei kein Handgriff unkommentiert bleibt. Der Pendler versucht derweil krampfhaft, das bunte Treiben um sich herum zu ignorieren, scheitert aber und starrt daraufhin für den Rest der Fahrt grimmig auf seine Zeitung.


Dort treffen sie aufeinander:
Hauptsächlich in Regionalbahnen, die von der Peripherie in Richtung größerer Ballungszentren zockeln. Zug ist nämlich nicht gleich Zug. Der Kosmopolit unter den Pendlern, mit Wohnsitz in Berlin und Job in Hamburg, wird auf seiner Fahrt mit dem ICE wohl eher selten mit Wandergruppen konfrontiert.

Darum hassen diese beiden einander:
Die Zugfahrt ist zu einem wichtigen Morgen-Ritual für den Pendler geworden. Egal ob er hierbei versäumten Schlaf nachholt oder sich mit Bürokram beschäftigt – der Ausflügler stört ihn dabei. Mit seiner penetranten guten Laune und dem munteren Geplapper. Mit seiner leuchtenden Windjacke, bei der jede einzelne Wasser abweisende Mikrofaser nach Freizeit schreit. Der Pendler würde auch viel lieber um den Tegernsee wandern, als den ganzen Tag am Schreibtisch zu hocken. Weil er das aber nicht kann, will er wenigstens nicht aus seinem "Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier"-Trott herausgerissen werden. Schließlich ist der Zug um diese Uhrzeit normalerweise sein Revier! Der Ausflügler hegt da schon weniger direkten Groll gegen den Pendler. Er hat höchstens einen mitleidigen Blick über und amüsiert sich im Stillen über seinen missmutigen Gesichtsausdruck. Wenn allerdings Laptop und ausgebreitete Tageszeitung den ganzen Tisch belegen und beim Skat-Spielen stören, kann diese Übergriffigkeit durchaus zu Unmut und einem gezischten "Spießer!" in Richtung des nächstsitzenden Ausflüglers führen.


Das ist die besondere Schönheit dieses Konflikts:Eine kleine Veränderung der Parameter genügt manchmal, um einen Konflikt gänzlich zu entschärfen. In diesem Falle reicht es aus, wenn sich die Protagonisten zu einer anderen Tageszeit begegnen. Reagieren Pendler und Ausflügler am Morgen noch gereizt aufeinander, können sie bereits am Abend bei der Heimreise, geschafft vom Tag, friedlich nebeneinander in den Sitzen schlummern oder sogar miteinander plaudern.

Das können wir von ihnen lernen:Kleider machen Leute. Steckt man den Pendler beim Betriebsausflug in Bergstiefel, wird er augenblicklich in den ausgelassen Freizeit-Modus umschalten. Umgekehrt funktioniert es natürlich genauso. 

Meine Straße (4): Innere Wiener Straße

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Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen. Heute: Innere Wiener Straße.

Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen, die nettesten Anekdoten. Heute: 

Matthias, 30, wohnt in der Inneren Wiener Straße


Die erstreckt sich von der Ukrainisch Orthodoxen Kirche oberhalb der Muffathalle bis zum Max-Weber-Platz und fordert wegen akuter Parkplatznot und Tramschienen immer viel Geschick von den Radfahrern. Beim Zickzack-Fahren gibt’s dafür auch viel zu sehen.




Matthias in der Inneren Wiener Straße

Biergarten „Hofbräukeller“ am Wiener Platz:

Der für mich beste der Stadt. Unter den großen, alten Kastanien findet man immer Platz, der Biergarten ist nicht so überlaufen wie andere – und nach der letzten Runde kann man noch einen Drink in der angrenzenden Sausalitos-Bar nehmen und dort im Liegestuhl chillen.
 
Buden am Wiener Platz:
Wie eine Miniaturform des Viktualienmarktes stehen hier ein paar Häuschen mit Delikatessen von Wein bis Käse. Und versteckt im Eck gibt es das wunderbare Sai Spa, ein Deluxe Massage Salon, in dem man sich hübsch den Rücken wieder einrenken lassen kann.
 
„Engel & Bengel“, Nummer 61:
Seit Neuestem bekommen die Leute um mich herum alle Kinder. Ich bin deshalb wenigstens gefühlt tagein tagaus damit beschäftigt, Geschenke für die Kleinen zu kaufen. Da ist das „Engel & Bengel“ oft meine Rettung: In diesem Kinderladen gibt es abseits vom rosa und hellblauen Irrsinn auch coole Sachen: Milchflaschen in Bierkrugform zum Beispiel. Cheers!

Müllersches Volksbad:
Okay, das Schwimmbad ist kein Geheimtipp und liegt offiziell noch in der Rosenheimerstraße, kurz bevor die Innere Wiener abzweigt. Trotzdem wundert es mich immer wieder, wie viele Leute noch nicht dort waren. Die Architektur ist beeindruckend – und wer unter der Woche vormittags kommt, hat die Bahnen fast für sich allein. Übrigens: Ein Spaziergang in den Maximiliansanlagen danach lohnt immer!

Wie vorsichtig bist du im Urlaub?

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Täglich liest man schreckliche Nachrichten von verunglückten Touristen. Trotzdem denkt man: "So etwas passiert immer nur anderen." Oder wie ist das bei dir?

Betrachtet man nur die Meldungen aus den letzten zehn Tagen, ist momentan keine gute Zeit zum Urlauben. In Indonesien sind zwei junge Deutsche an den Folgen gepanschten Alkohols verstorben, in den USA erlag eine 20-Jährige den Folgen einer Hai-Attacke. In Australien wurde wiederum jemand von einem Krokodil verschleppt und wenn es Nachrichten aus Indien gibt, dann eigentlich immer nur, dass junge Frauen vergewaltigt wurden.

Puh.

So komprimiert aufgelistet, geben diese Meldungen einem natürlich ein ungutes Gefühl. Und gleichzeitig meldet sich aber auch sofort die kleine, fiese Stimme im Hinterkopf, die sagt: "Das Schnorcheln/Saufen/Schwimmen geht ja in 99,9 Prozent der Fälle gut. Das sind halt Ausnahmen." Also geht man weiter Backpacken in Ländern, die ungesicherte Touren auf Vulkane anbieten, supergünstige Tauchkurse und billige Flüge mit Blacklist-Airlines. Aber ist das wirklich richtig?



Was für ein Urlaubstyp bist du? Ist das Desinfektionsmittel ständig griffbereit? Oder eher die undefinierbare einheimische Fischspezialität?

Denn neben derart krassen Vorfällen gibt es ja auch noch mittelschwere Bedrohungen im Urlaub. In Asien drohen unschöne Magen-Darm-Krankheiten und Malaria, in vielen Backpackerländern möchte man auch lieber keine Bluttransfusionen erhalten. Hinzu kommt noch das Risiko, Opfer von Straftaten zu werden oder selber Gesetze zu brechen. Drogen in Malaysia sind beispielsweise selten eine gute Idee.

Wer trotz dieser Masse an Worst-Case-Szenarien nicht auf Abenteuerurlaub verzichten möchte, hat eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder, man lebt nach dem Motto "in Deutschland kann ich auch jeden Moment tot umfallen". Oder man rüstet sich bereits im Vorfeld mit einer halben Apotheke aus, benutzt im Urlaubsland keine öffentlichen Verkehrsmittel, isst nur in eindeutig vom Reiseführer empfohlenen Lokalen - kurz: Ist zwar sicher, aber ohne Spaß.

Wie ist das bei dir? Gehörst du zu denjenigen, die sich im Urlaub alle zwei Minuten mit Desinfektionsmittel übergießen und die Entfernung zum nächsten Krankenhaus auf den Meter genau kennen? Oder nimmst du das Risiko bewusst in Kauf, isst jedes glibschige Etwas auf einheimischen Marktständen und hälst Malarone für ein ähnliches Produkt wie Toblerone?
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