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Anklageschrift gegen die CIA

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Die Verhöre von Terrorverdächtigen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 durch den US-Geheimdienst CIA waren brutaler als bekannt und brachten nur wenig geheimdienstlichen Nutzen. Das geht aus einem Untersuchungsbericht des US-Senats hervor, der am Dienstag nach langem Ringen zwischen Parlament und Geheimdiensten veröffentlicht wurde. Die CIA habe sowohl das Weiße Haus als auch den Kongress über das Ausmaß des Programms getäuscht.



 Dianne Feinstein beantwortet die Fragen der Reporter. Die demokratische Senatorin hat den Untersuchungsbericht gegen den Widerstand von Republikanern und Geheimdienstkreisen durchgesetzt.

Die rund 500-seitige Kurzfassung des Berichts enthält noch immer zahlreiche geschwärzte Stellen, formuliert aber scharfe Kritik. So sollen einzelne Gefangene bis zu eine Woche lang am Einschlafen gehindert, andere mit dem Tod bedroht oder in enge Kisten gesperrt worden sein. Manchen Verdächtigen wurde angedroht, CIA-Agenten würden ihre Angehörigen aufspüren und töten. Andere wurden von medizinischem Personal mit Einläufen schikaniert; ein Verantwortlicher pries die Methode als Mittel, um „totale Kontrolle“ über den Gefangenen zu bekommen.

Der Bericht suggeriert überdies, dass es in mehr als den drei bisher bestätigten Fällen zu Waterboarding gekommen ist, also zu simuliertem Ertränken. Die Autoren haben offenbar fotografische Beweise für eine Waterboarding-Vorrichtung in dem als „Salt Pit“ bekannten Gefängnis in Afghanistan sichergestellt. Bisher behauptete die CIA, die Methode sei in dieser Anstalt nie angewendet worden.

Die CIA-Führung soll den Nutzen der umstrittenen Verhörmethoden gemäß Bericht regelmäßig übertrieben dargestellt haben. Tatsächlich hätten auch die extremsten Vorgehensweisen keine brauchbaren Informationen geliefert, die direkt zur Verhinderung von Anschlägen oder zur Aufspürung von Terroristen geführt hätten. Auch die Tötung Osama bin Ladens durch US-Spezialeinheiten sei nicht erst durch brutale Verhöre seiner Komplizen möglich geworden.

CIA-Mitarbeiter haben die Vorwürfe des Berichts bestritten. Er erzähle „nur eine Seite“ der Geschichte und enthalte zu viele Fehler, erklärte der Geheimdienst am Dienstag.

Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, die dem Senatsausschuss vorsitzt und den Bericht gegen massiven Widerstand von republikanischer Seite und aus Geheimdienstkreisen durchgesetzt hat, schreibt im Vorwort des Papiers, die Verhörmethoden seien bis zu einem gewissen Grad verständlich, aber niemals zu rechtfertigen: „Die wichtigste Lektion dieses Berichts ist, dass die Geheimdienste stets berücksichtigen müssen, wer wir sind als Nation, dass sie unsere Gesetze und Grundsätze einhalten müssen – egal, wie hoch der Druck zu handeln ist.“

Präsident Barack Obama teilte mit, die Untersuchung bestätige ihn in der Ansicht, dass einige CIA-Methoden jener Zeit sich nicht mit den Werten der Nation vertrügen. Sie hätten dem Ansehen der USA in der Welt geschadet. Gleich nach seinem Amtsantritt 2009 habe er diese Praktiken deshalb gestoppt. „Ich werde weiterhin kraft meines Amtes dafür sorgen, dass wir nie wieder auf solche Methoden zurückgreifen werden.“

Werte-TÜV für Europa

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Die Europäische Union sieht sich gerne als einzigartige Wertegemeinschaft, die Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit vorlebt. Die EU-Staats- und Regierungschefs, allen voran Angela Merkel, preisen die Union deshalb oft als große Ausnahme auf der Welt, die es selbstbewusst zu verteidigen gelte. Aus diesem Grund werden beitrittswillige Länder strengen Kriterien unterworfen. Und die Türkei rückt einer Mitgliedschaft auch deshalb kaum näher, weil bis heute massive Zweifel bestehen, ob das Land diese Kriterien erfüllen würde. In Artikel zwei des EU-Vertrages heißt es: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte.“



Die Europäische Union steht für gemeinsame Werte. Die Grünen fordern, dass die Einhaltung dieser Werte kontrolliert werden sollte.

Doch so klar das klingt, so unklar ist bis heute, was passieren soll, wenn ein EU-Mitglied diese Prinzipien national einschränkt. Den Verdacht gab es bereits, als die österreichische Volkspartei ÖVP im Jahr 2000 eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ Jörg Haiders einging. Gravierender wurde es, als der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi Mediengesetze und Kartellbestimmungen in seinem Land so änderte, dass seine eigenen Medien eine dominante Stellung erreichten. Und in Ungarn gibt es seit Jahren die Klage, dass die Regierung die Freiheit der Medien und der Gerichte zu ihren Gunsten beschneidet. Was also tun, sollte ein Land gegen EU-eigene Werte verstoßen?

Bislang gibt es nur eine sehr harte Strafe – oder gar keine. Wenn ein EU-Mitglied gegen die Werte der Staatengemeinschaft verstößt, könnte die EU-Kommission ihm seine Stimmen im Rat und damit seine Mitsprache entziehen. So sagt es Artikel sieben des EU-Vertrages. Weil diese Sanktion aber hart ist, wurde sie noch nie eingesetzt. Andere Strafen jedoch gibt es nicht, und einen wirklich transparenten Überprüfungsprozess gibt es auch nicht. Deshalb wollen die Grünen nun etwas ändern. Sie wollen eine feste und regelmäßige Überprüfung der Rechtsstaats- und Grundrechtsprinzipien für alle EU-Staaten einführen. Diese soll freiwillig sein und doch einen Fingerzeig geben, welcher Mitgliedsstaat bereit ist, sich überprüfen zu lassen.

Außerdem fordern die Grünen in einem Papier, das der SZ vorliegt, eine Art „Rat der Weisen“. Er soll nicht ad hoc agieren, sondern dauerhaft eingesetzt werden, um gegenüber politischen Einflussversuchen unabhängig zu bleiben. Jedes nationale Parlament soll einen Vertreter entsenden, das EU-Parlament soll zusätzlich zehn besondere Persönlichkeiten ernennen. Das Gremium soll die Kriterien präzisieren, die Grünen wollen auch Pressefreiheit und Medienvielfalt garantieren. Zudem sollen die Länderprüfungen in einem jährlichen „Weißbuch zur Lage der Grundwerte und der Rechtsstaatlichkeit in der EU“ veröffentlicht werden.

Sollte ein Land tatsächlich gegen EU-Werte verstoßen, dann plädieren die Grünen auch für weitere Sanktionen, so für das Einfrieren von Mitteln aus dem Strukturfonds. Man solle finanzielle Sanktionen freilich „dort einsetzen, wo sie den größten Effekt auf die jeweilige Regierung und den geringsten auf die Bevölkerung haben“, schreiben die Autoren, darunter die frühere EU-Abgeordnete Franziska Brantner. Sollte in Frankreich der rechtsextreme Front National die nächste Wahl gewinnen, könnte diese Debatte noch aktueller und konkreter werden.

Leipzig verstehen

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Dieser Text erscheint im "Studentenatlas", ein Projekt von jetzt.de und SZ.de. Mehr Infos dazu findest du hier. Eine interaktive Leipzig-Karte für Studenten findest du hier.


  • Eindeutig überschätzt: das Barfußgässchen in der Innenstadt. Touristen werden die Kneipen und Restaurants dort oft als gemütlich und originell empfohlen. In Wirklichkeit sind nur die Preise originell, besser essen kann man dagegen in einer der zahlreichen Volxküchen, in denen Hobbyköche für Gäste gegen Spende kochen.

  • Eindeutig unterschätzt: Museumsbesuche. Wer verstehen möchte, was Alltag in der DDR für die Menschen bedeutete, sollte das Museum in der Runden Ecke und das Fundbüro besuchen.

  • Sächsisch für Anfänger, Lektion 1 "Im Dialog": Wenn jemand auf eine Frage mit "Nu" antwortet, meint er entgegen aller Logik "Ja".

  • Der Schein trügt: Das graue Hochhaus in der Innenstadt hat wenig mit dem MDR zu tun - auch wenn dessen Logo auf der Fassade pragt. Der Sender hat lediglich einige Büros in dem Gebäude gemietet, sein Hauptsitz liegt außerhalb des Stadtzentrums. Ursprünglich wurde das Hochhaus für die Universität gebaut und heißt deshalb auch "Uni-Riese". Inzwischen ist die Hochschule allerdings ausgezogen und das Gebäude trägt einen neuen Namen: City-Hochhaus.

  • Sächsisch für Anfänger, Lektion 2 "Flora und Fauna": Marienkäfer nennt man hier "Modschekiebschn".

  • Fußball - eine komplizierte Beziehung: Wer sich zu Red Bull - Verzeihung - RasenBallsport Leipzig bekennt, sieht sich nicht nur mit dem Hass der gegnerischen Fans, sondern auch mit der Verachtung der Anhänger anderer Leipziger Clubs konfrontiert. Zwischen Leipzigs Vereinen sind die Gräben tiefer als anderswo: auf der einen Seite Lokomotive Leipzig, kurz Lok. Der Verein hat seit Jahren mit finanziellen Problemen und rechtsextremen Fangruppen zu kämpfen und ist sportlich weit vom eigenen Anspruch entfernt. Auf der anderen Seite BSG Chemie, zweimaliger DDR-Meister, der nach der Wende zum FC Sachsen Leipzig fusionierte und 2011 insolvent ging. Linke Fangruppen haben inzwischen die BSG Chemie neu gegründet - seitdem lebt die Feindschaft zwischen Lok- und Chemie-Anhängern wieder auf.

  • Sächsisch für Anfänger, Lektion 3 "Situationen im Alltag": Will man romantische Stimmung herstellen, empfiehlt es sich, ein bisschen "Muschepupu" zu machen. Gemeint ist damit die situationsbedingte Abdunklung eines Raums.

  • Akademische Würden: Leipzig ist stolz auf seine intellektuelle Geschichte. Die deutschsprachigen Vorläufer der Wikipedia erschienen erstmals in Leipzig. In der Stadt wurden die Lexika von Brockhaus und Meyer verlegt, ebenso wie das von Konrad Duden entwickelte deutsche Wörterbuch. Weniger stolz ist man dagegen auf einen Zwischenfall an der Uni Leipzig: Während des zweiten Weltkriegs kam es hier zum ersten Atom-Gau der Geschichte

  • Kanzlerin packt mit an: Von 1974 bis 1982 bauten Studierende die Ruine eines ehemaligen Turms der Stadtmauer zum Studentenclub "Moritzbastei" aus. Unter den 30 000 Freiwilligen war auch eine Physikstudentin namens Angela Kasner, die dank ihrem Einsatz bis heute freien Eintritt hat.

  • So groß und bunt und tolerant die alternative Szene der Stadt auch ist, Menschen mit dunkler Hautfarbe begegnen in Leipzig immer noch alltäglichem Rassismus - egal, ob sie fließend Sächsisch sprechen oder nicht.

Rauchentwicklung

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Und plötzlich rauchen Leute E-Zigarette, denen man bislang eigentlich gerne die Klamotten nachgekauft hätte. Haben wir etwas verpasst? Sind E-Zigaretten plötzlich cool geworden? Wir haben ein Experiment unternommen und legendären Rauchern welche in die Hand gedrückt. Das Ergebnis: nicht so schlimm wie erwartet.




Farblich abgestimmt: Audrey Hepburn in "Frühstück bei Tiffany"



Bill Murray in "Coffe and E-Cigarettes"




Gibts es eigentlich Cannabis-Liquid für die E-Zigarette?



Vielleicht stirbt Bruce dank der E-Zigarette noch langsamer.


[seitenumbruch]

Auch dem Comandante gefällt's!



Humphrey Bogart nuckelt eher daran - grenzwertig...



James Dean weiß immer, was er tut - auch, wenn es um die E-Zigarette geht.



Außer Atem:
Jean-Paul Belmondo umklammert die E-Zigarette.



John Lennon raucht sie wie eine Friedenspfeife.
[seitenumbruch]

Er kann einfach alles tragen: Kurt Cobain mit der kleinen weißen.



Macht harte Männer noch härter - zeigt Eric Lawson, der Marlboro Man.



Lasziv geht auch mit E-Zigarette. Marlene Dietrich macht es uns vor.



Und Sharon Stone sowieso.



Nur Slash ist damit noch sexier.

"...dann darf sie auch kein anderer haben!"

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Wer sich trennt, hat Schmerzen. Dann schleichen die Ex-Partner in ihrem Schmerz umeinander herum und denken: „Vielleicht doch noch mal?“ Und dann: „Nein, bloß nicht!“ Dann kümmert sich jeder um seinen Schmerz und sein Ding und heilt. Und Ende.

Aber trotz Heilung und trotz Ende kann man bei Ex-Paaren, die längst miteinander abgeschlossen haben, immer wieder ein Phänomen beobachten, das man die „Nach-Eifersucht“ nennen könnte, wenn man denn einen Namen dafür suchte. Um das zu erklären, denken wir uns kurz ein Beispiel-Ex-Paar aus: Jana und Robert. Jana und Robert haben sich vor einem Dreivierteljahr getrennt. Robert ist längst in einer neuen Beziehung und denkt: „Genug Zeit ist ins Land gegangen, wir kommen gut miteinander aus, Jana und ich, und ich bin sowieso wieder glücklich.“ Aber dann kommt der Moment, in dem Jana auf einmal auch einen neuen Freund hat. Vielleicht erzählt sie Robert sogar selbst davon. Vielleicht erfährt er es von einem Freund. Vielleicht gibt es auch ein Foto von Jana und dem Neuen auf Facebook oder wo Fotos standardmäßig eben so auftauchen. Und dann sitzt da auf einmal Robert, der doch eigentlich längst Geheilte, und kriegt zum ersten Mal seit Langem diese feuchten Augen. Ganz ratlos ist er dann, schüttelt ein bisschen den Kopf und sagt: „Wieso fühlt sich das denn jetzt so schlimm an?“ Und das ist eine verdammt gute Frage: Warum, zur Hölle, fühlt sich das für viele so schlimm an? Es war doch alles längst gut und neu!



Er könnte eigentlich cool damit sein. Ist es aber nicht.

Schuld ist wohl zum einen diese Sache, die an so vielem Schuld ist, was uns in der Liebe und in Beziehungen Kummer macht: der Exklusivitätsanspruch. Klingt jetzt erstmal unlogisch, denn wer sich getrennt hat und in einer neuen Beziehung ist, hat ja zuallererst vor sich selbst bewiesen, dass das mit der Exklusivität Quatsch ist und Menschen zwar nicht austauschbar sind, aber es auch mit anderen Menschen schön sein kann. Trotzdem scheint es da dieses Gefühl zu geben. Das Gefühl, dass man sich selbst für jemand anderes entscheiden kann, aber es trotzdem nett ist, wenn es jemanden gibt, für den man doch der Eine ist. Weil nach einem niemand mehr kam. Das ist gut fürs Ego. Und anscheinend bedeutet „Ich will Jana nicht mehr“ für Robert auch ein bisschen „...aber das heißt noch lange nicht, dass jemand anders sie haben darf.“ Wenn dann doch jemand anderes auftaucht, kommt auf Robert eine zweite kleine Schmerzwelle zu, die Jana schon längst hinter sich hat. Die „Okay, es kann auch jeder andere sein“-Welle. Die Nach-Eifersucht eben. Und das Ende der alte Beziehung fühlt sich auf einmal noch mal besonders endgültig an. Dann ist das Vorbei auch noch vorbei. Der neue Partner ist der Neuanfang für Jana und damit das Ende für Robert.

Zum anderen ist da die Angst vor dem neuen Menschen in Janas Leben. Für den Robert ab sofort eine besondere Rolle spielen wird. Bisher war Robert nur für Jana „der Ex“. Und vielleicht noch für ihre Freunde und Bekannten drumrum, aber die verbanden mit ihm bloß nette, alte Geschichten oder den Kummer, für den er bei Jana gesorgt hatte. Das ist part of the game, wenn man eine Beziehung geführt hat. Wenn das game aber eigentlich längst vorbei ist und Robert schon nicht mehr daran denkt, dass Jana ihn manchmal noch nebenbei in einem Gespräch erwähnt („Ah, in der Bar war ich mit meinem Ex-Freund mal, aber der Gin Tonic war so schwach gemixt!“), erschreckt es ihn, wenn da auf einmal jemand ist, für den er auch „der Ex“ ist. Eine Art Phantom. Der Mensch, der vorher da war. Der diesen Platz eingenommen und ausgefüllt hat. Der ein Vergleichswert ist, ganz automatisch. Robert will aber kein Phantom sein und auch kein Vergleichswert und auch niemand, der schon aus Prinzip abgelehnt wird.

Und das ist vielleicht der subtilere, aber doch gar nicht so unwichtige Aspekt der Nach-Eifersucht: Da ist für Robert nicht nur ein Mensch nicht mehr auf dem Markt, und nicht nur ein Mensch, mit dem er eine vorbelastete Beziehung hat. Sondern es sind zwei, ohne dass er mit dem einen davon je etwas zu tun gehabt hätte. Janas neuer Partner wird vermutlich einiges über Robert erfahren, Robert kann ja schlecht verhindern, dass er mal zum Gesprächsstoff wird zwischen diesen beiden, die sich jetzt nahestehen. Und Janas neuer Partner kann wahrscheinlich niemals Roberts Freund werden, egal, wie gut sie sich eigentlich verstehen würden. Robert wird ihn niemals neutral betrachten können und er wird Robert niemals neutral betrachten können. Er wird ihn immer als Vergangenheit sehen, mit der er nichts zu tun haben will. Und das ist niemand gern: eine Vergangenheit, mit der jemand nichts zu tun haben will.

Das Gute ist: Auch die Nach-Eifersucht geht vorbei. Auch das Vorbei des Vorbei geht vorbei. Zeit kriegt ja bekanntlich alles hin. Vielleicht sogar ein entspanntes Verhältnis zwischen allen Beteiligten. Oder: eine ganz angenehme Egal-Haltung. Ist ja immer am schönsten, wenn jeder jedem sein Glück gönnt. Wenigstens ganz leise.

Tagesblog - 11. Dezember 2014

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17:01 Uhr Und ich sage "Tschüss" für heute. 




Damn right, man!

PS: Morgen empfängt euch hier Jacuzi. Jacuzi Pizza. Ihr dürft raten, wer damit gemeint ist.
Ach Mist, stimmt gar nicht. War ein Irrtum. Hab mich verguckt. Morgen waltet hier Christina, "Chriz", auch bekannt als: die coolste Schnecke von allen.

16:17 Uhr
Die vorletzte Folge der Kettengeschichte! Und mit ihr kehren wir endlich zurück an den Ort, an dem alles begann: Die Tankstelle. Aber lest selbst.

15:53 Uhr
Derzeit ganz groß im Netz: Dieses neue Video von Bilderbuch!

http://www.youtube.com/watch?v=-Yo2WOJ4WMY&feature=youtu.be&list=PLdRt5Jb7oGTE_tDAAYsH7ubueljVZK8MH

Bilderbuch? Wie, was, wer ist das denn? Kein Problem, dein Kompetenzteam von jetzt.de hat die Band natürlich schon vor einem Jahr auf dem Radar gehabt. Hier ein Interview von Jan mit Bilderbuch-Sänger Maurice über die Cool- bzw. Uncoolness deutscher Musik. 

15:06 Uhr
Noch ein Geschenk für Mama und Papa gefällig? Kein Problem nicht, das hier wär doch süß:

 



14:47 Uhr
Gut, wem's die Schafe nicht bringen, für den gibt's jetzt Wowis letzte To-Do-Liste. Eigenwerbung ist uncool, aber das hab ich hier ja heute eh schon mehrfach gebrochen, also: ES IST DAS LUSTIGSTE, WAS ICH SEIT LANGEM GELESEN HABE!

Ohne Scheiß jetzt. Ich vergöttere meine Kollegen dafür, dass sie so viel lustiger sind, als ich alte Schmalznudel es jemals sein werde.





14:45 Uhr
Ihr seid alle so abgebrüht - niemand interessiert sich für das süße Video, dass ich gekriegt hab. Mann! Ist doch voll cool. Wann passiert einem das mal, dass man mit dem Auto in einer Schafherde feststeckt? Ok, ist ja nicht mir passiert, aber meinem Freund. Und dann ist es halt insgeheim DOCH auch mir passiert, wegen Telepathie und so. Mich als hartgesottenes "Citygirl" packt es jedenfalls. (Zu lange her, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin.)


14:20 Uhr
Hier in diesem altmodischen jetzt.de kann man ja keine Handyvideos posten, die man live aus dem echten Leben zugeschickt bekommen hat, und deshalb hab ich das Video, das ich euch zeigen wollte, jetzt extra auf unserem youtube-Kanal hochgeladen! (Ja, sowas ham wir!)

Ich taufe es: "Things my boyfriend does, while I'm working"

http://www.youtube.com/watch?v=d-Yv-QWt53k&list=UU3n8qGg9moOwiCJMs7R8eAw

13:23 Uhr
Seit Jahren gibt es jede Woche auf der jetzt.muenchen-Seite in der gedruckten SZ eine münchenspezifische Verstandenliste (eine digitale und überregionale gibt es ja seit einigen Wochen immer freitags hier) - und weil wir immer wieder zu hören kriegen, wie gern diese Verstandenliste gelesen wird, haben wir uns nun entschieden, die auch online mitzunehmen.

Also bitte: Versteh mal einer München.




Mit extra eigenem Cool-Bild!

11:58 Uhr
So lang weg gewesen, weil das hier alles gelesen (bzw. angefangen zu lesen):

Über das Leben eines echten Eremiten.
Über, jaja, boring Street- bzw. U-Bahn-Art, aber das Bild gefällt mir trotzdem.
Über Ralph Giordano bzw. Ralph Girodano übers Leben.
Über und zur ZEIT-Titel-Debatte.
Übers Modebloggen und Glaubwürdigkeit.

11:32 Uhr
Räusperrrr!

Hier waren eine Autorin und ein Fotograf nachts in den Unis und haben mal nachgesehen, was da eigentlich noch so geht (während die Uhr immerhin schon zur Geisterstunde schlägt!).




Musizier, musizier - geht in der eigenen WG nachts um eins nicht mehr, in großen, alten Gemäuern wie der Musikhochschule dagegen schon.

11:02 Uhr
Oh man, schon elf Uhr nochwas, wo bleibt die Zeit? Viel zu viele Angelegenheiten hier mal wieder. Was kann ich bieten? Meine Taschen sind leer. Gleich gibts aber 'ne neue Geschichte. Und vorher? Gibts ein GIF. Sowas funktioniert doch immer bei euch, oder?

Kleines Interview mit mir selbst zu diesem Bild:

"Warum gefällt es Ihnen?"
"Es erinnert mich an mein Badezimmer. Das Bild über dem Kamin ist also in meinem Fall dann der Spiegel über dem Waschbecken. Gucke ich hinein in diesen Spiegel, passieren seltsame Dinge."
"Danke für diese Auskunft!"
"Danke auch!"
"Tschüss!"





09:51 Uhr 
Grad bei youtube total differenziert "Song zum Aufwachen" eingetippt. Was kommt ? Dat hier:

http://www.youtube.com/watch?v=wV9H5McpMqE




09:42 Uhr
Mit den Nachrichten des Tages wirds heut schleppend - selbst in der großen SZ-Konferenz war alles allen egal und keiner hatte eine Idee. Originalzitat aus der Runde: "Selbst im Internet ist irgendwie nichts los."

Mit Wowereit geht eine Epoche zuende.

Instagram überholt Twitter.

War ja gestern schon, ist aber immernoch ein bisschen spektakulär: Der A380 steht vor dem Aus. 




Heute ganz müdgeistig (vielleicht aber auch nur höhenkrank im 25. Stock): Die große (und trotzdem teilnehmerarme) Konferenz.

09:30 Uhr
Guten Morgen, Freunde. Erste Tageshandlung: Adventskalender aufmachen. Raschelknack. (Anm. d. Red.: Geräusch, wenn sich ein Türchen öffnet.)



Problembeladen

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Es gibt Geburtstagsgeschenke, die Freude machen und solche, die man am liebsten gleich wieder zurückgegeben möchte. Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission, ist da bestimmt keine Ausnahme. Das Präsent, das ihm Gegner des Freihandelsabkommens TTIP am 9. Dezember zum 60. Geburtstag überreichten, stand ganz sicher nicht auf seiner Wunschliste. Es ist ein Päckchen voller Probleme. Eine Million Unterschriften haben die Organisatoren der europäischen Bürgerinitiative „Stopp TTIP“ in nur wenigen Wochen gegen das geplante Bündnis zwischen den USA und der EU gesammelt. Die nächste Million hat das Bündnis von 320Organisationen bereits in Angriff genommen. Das macht die Sache für Juncker und seine Mannschaft nicht leichter – Zeit für eine Zwischenbilanz.



Aktivisten demonstrieren gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP. Anlässlich des 60. Geburtstages von EU-Kommissionspräsident Juncker wurden über eine Million Unterschriften gegen das geplante Freihandelsabkommen überreicht.

Die Erwartungen sind groß, als Vertreter beider Seiten im Sommer 2013 die Gespräche aufnehmen. Ihr Ziel ist es, Europa und die Vereinigten Staaten noch näher zusammenzubringen. Gemeinsam wollen sie den größten globalen Wirtschaftsraum schaffen, auch um dem mächtigen China besser Paroli bieten zu können. Das „Transatlantic Trade and Investment Partnership“, so der sperrige Titel des Abkommens, soll den Geschäften zwischen Alter und Neuer Welt neuen Schwung verleihen. Wirtschaft und Politik versprechen 800 Millionen betroffenen Menschen mehr Wachstum und Jobs.

Nach sieben Verhandlungsrunden ist von der Anfangseuphorie wenig geblieben. Die Zweifel am Nutzen von TTIP wachsen. Die Geheimniskrämerei der Verhandlungsführer, die NSA-Spionageaffäre, der Streit um Sonderrechte für Konzerne und private Schiedsgerichte tragen ihren Teil dazu bei. In Brüssel und Berlin stehen die Verfechter des Freihandels inzwischen unter Dauerbeschuss. Der Widerstand hat sich zu einer Bürgerbewegung entwickelt. Rentner, Studenten, Arbeiter, Angestellte und Selbständige ziehen an vielen Orten gemeinsam auf die Straße. Vor allem in Deutschland, Frankreich, Österreich und Luxemburg formieren sich die Gegner.

Das Reizthema TTIP entwickelt eine Eigendynamik, die so manchem Politiker Sorgen bereiten dürfte. Da werden Erinnerungen an Stuttgart21 wach, jenes umstrittene Bahnprojekt, das die sonst eher friedliebenden Schwaben vor einigen Jahren auf die Barrikaden trieb. Der Aufstand gegen das milliardenteure Projekt löste ein politisches Erdbeben aus – und es verhalf Winfried Kretschmann zu seinem Posten als erster grüner Ministerpräsident eines Bundeslandes in Deutschland.

Die neue EU-Regierung und Kommissionschef Juncker stehen bei den Freihandelsgesprächen unter strenger Beobachtung. Das wurde schon bei den Europawahlen im Frühjahr deutlich, als TTIP unerwartet auf der Wahlkampf-Agenda landete, was konservative Kräfte gern verhindert hätten. Wie konnte es so weit kommen?

Verantwortlich dafür ist nicht allein das geplante Abkommen mit den USA. Die Wurzeln liegen tiefer. Das Paradigma, dass freier Handel automatisch mehr Wohlstand für alle bedeutet, ist ins Wanken geraten. Die Finanz- und Euro-Krisen der vergangenen Jahre haben das Vertrauen vieler Europäer in den Freihandel und die Globalisierung erschüttert. Selbst eineinhalb Jahre nach Beginn der Gespräche ist wenig über den genauen Inhalt und die Verhandlungspositionen der TTIP-Macher bekannt. Das schürt Misstrauen und weckt Ängste – ganz egal, ob die nun berechtigt sein mögen oder nicht.

Die neue Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, diesen Makel zu beseitigen. Regierungschef Junker verspricht mehr Transparenz und Aufklärung über den Fortgang der Gespräche. Die neue Handelskommissarin, die Schwedin Cecilia Malmström, muss das umsetzen – und zugleich die amerikanischen Verhandlungspartner besänftigen, die den Proteststurm gegen TTIP in Europa mit zunehmendem Argwohn beobachten. Keine leichte Aufgabe, Juncker und Malmström werden sich an diesem Versprechen messen lassen müssen.

Der erste große Stresstest steht bevor. Die nächste Verhandlungsrunde ist von 2. bis 6. Februar in Brüssel angesetzt. Dann sollen unter anderem die umstrittenen Investorenschutzregeln zur Sprache kommen, die einige EU-Länder wie Frankreich oder Österreich am liebsten ganz aus dem Vertrag verbannen würden. Die Bundesregierung sieht die Klauseln zwar kritisch, ist aber grundsätzlich dafür. Konzerne könnten damit Staaten vor private Schiedsgerichte zitieren und auf milliardenschweren Schadensersatz verklagen, etwa, wenn sie Gewinne durch schärfere Umweltgesetze gefährdet sehen. Die amerikanische Seite hat signalisiert, dass sie auf die Regeln nicht verzichten wird.

Doch solche Verfahren können für die Steuerzahler teuer werden, wie eine neue Studie des Netzwerks Friends of the Earth Europe bestätigt. Insgesamt 3,5 Milliarden Euro Schadensersatz mussten EU-Länder demnach in den vergangenen 20 Jahren an Investoren und Konzerne zahlen. In 60 Prozent der Fälle ging es um Umweltfragen. Basis dieser Klagen waren Investorenschutzregeln in älteren Handelsverträgen.

Die Risiken sind schwer kalkulierbar. Friends of the Earth warnt vor einem enormen Anstieg solcher Investorenschutzklagen, sollten die Klauseln auch im europäisch-amerikanischen Abkommen verankert werden. US-Unternehmen sind bekannt für ihre Streitlust. Europäische Konzerne gelten ebenfalls als nicht zimperlich. Das zeigt die Klage gegen den deutschen Atomausstieg. Der schwedische Konzern Vattenfall fordert nach neuen Erkenntnissen knapp fünf Milliarden Euro Schadensersatz von Deutschland, vor Kurzem war von 3,7 Milliarden Euro die Rede. Selbst im Bundeswirtschaftsministerium wertet man diesen Fall als Paradebeispiel für ein schlechtes Schiedsgerichtsverfahren.

Die Sonderrechte für Investoren sorgen auch beim fertig ausgehandelten Ceta-Abkommen mit Kanada für Verstimmung in der Berliner Koalition. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) steht unter dem Druck seiner Genossen, die bei dem Thema gespalten sind. Vor allem an der Basis brodelt es. Die Bundesregierung dürfe dem Vertrag nur zustimmen, wenn die Klauseln gestrichen würden, fordern viele. Doch so einfach ist das nicht, das weiß Gabriel, denn damit stünde das ganze Abkommen infrage. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will das Abkommen mit Kanada unbedingt, so wie es ist und ohne Abstriche. Gabriel steckt damit in der Zwickmühle und will nun einen Parteikonvent über den strittigen Investorenschutz abstimmen lassen. Ein Termin ist für das erste Halbjahr 2015 angepeilt.

Das kanadische Freihandelsabkommen wird so zum Wegweiser für TTIP. Inhaltlich sind sich die Verträge ähnlich, das Abstimmungsprozedere wird gleich sein. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Ceta noch viele Hindernisse nehmen muss, bevor es in Kraft treten kann. Laut Fahrplan aus dem Berliner Wirtschaftsministerium könnten bis dahin noch mindestens drei Jahre vergehen. Die jetzige Bundesregierung hätte dann nichts mehr damit zu tun.

Hintergrund für die Verzögerung ist ein Kompetenzgerangel zwischen Brüssel und den EU-Ländern. Der frühere Handelskommissar Karel de Gucht schien fest davon überzeugt, dass TTIP und Ceta nur die Zustimmung von EU-Rat und -Parlament brauchen. Inzwischen geht man in Brüssel jedoch davon aus, dass die Parlamente der einzelnen Mitgliedsländer ebenfalls zustimmen müssen, weil die Verträge nationales Recht tangieren. Da das aber noch nicht abschließend geklärt ist, werden wohl der Europäische Gerichtshof und nationale Instanzen wie das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben.

Der Kampf um das Abstimmungsverfahren macht die Sache langwierig. Außerdem wächst die Gefahr des Scheiterns, weil einzelne Länderparlamente ihre Zustimmung verweigern können. Das würde das Aus bedeuten. Eine weitere Auseinandersetzung steht im Frühjahr im Europaparlament an. Die EU-Abgeordneten verlangen ebenfalls mehr Mitspracherechte. Bisher ist nur vorgesehen, dass sie über die Verträge als Ganzes abstimmen. Korrekturen wären dann nicht mehr möglich. Inzwischen gehen Beobachter davon aus, dass sich auch die Verhandlungen zwischen der EU und den USA länger hinziehen werden. Ende 2015 sollte ein Vertragsentwurf für TTIP auf dem Tisch liegen. Inzwischen erwartet kaum jemand mehr, dass eine Einigung noch in die Amtszeit von US-Präsident Barack Obama fallen wird. Die nächsten Wahlen sind im November 2016.

Eineinhalb Jahre nach dem Start der Verhandlungen steht das europäisch-amerikanische Wirtschaftsbündnis unter keinem guten Stern. Die Schwierigkeiten häufen sich. Das könnte auch daran liegen, dass die Macher zu viel auf einmal wollen. Zu sehr haben sie sich dabei an den Wünschen der Wirtschaft orientiert, ohne andere betroffene Gruppen einzubeziehen. Dazu gehören Sozial- und Umweltverbände, Gewerkschaften, kirchliche Organisationen und andere Interessengruppen.

Eine Million Unterschriften von TTIP-Gegnern mögen EU-Kommissionspräsident Juncker nicht begeistern, aber er wird sie nicht ignorieren können. Sie sind eine Aufforderung, es besser zu machen. Ein Bündnis mit den USA hat nur einen Sinn, wenn die Europäer dahinterstehen. Dafür sind mehr als ein paar magere Wachstumsprognosen nötig. Es gibt noch viel zu tun.

Dieser Text ist Teil der SZ-Projekts „Die Recherche“ zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Erweitert um zusätzliche Text erscheint „Die Recherche“ zu TTIP jetzt auch als E-Book. Sie können das E-Book kostenlos herunterladen: über www.sz.de/ttipbuch-epub im ePub-Format und auf www.sz.de/ttipbuch-mobi im Mobipocket-Format (Kindle).

Wasserträger

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Wie kam das Wasser auf die Erde? Reiste es einst Huckepack auf Asteroiden – auf felsigen Brocken, die wie kleine Planeten um die Sonne kreisten und mit der jungen Erde kollidierten? Oder hatten Kometen es im Gepäck, Schweifsterne aus den eisigen Tiefen des Sonnensystems, die ab und zu der Erde einen Besuch abstatteten?

Lange Zeit bevorzugten Astronomen die Kometen-Hypothese. Nun schlägt das Pendel wieder in Richtung der Asteroiden aus. Verantwortlich dafür sind erste Ergebnisse des europäischen Kometenjägers Rosetta, die Forscher jetzt im Fachmagazin Science (online) veröffentlicht haben.



Diesen Kometen, 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, untersucht die Raumsonde Rosetta. Aus den Daten folgern die Forscher Rückschlüsse über die Herkunft des Wassers.

Im vergangenen Monat hatte die Rosetta-Sonde Beobachter fasziniert, als sie einen kleinen Roboter namens Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko absetzte. Wenige Tage nach seiner holprigen Landung verstummte Philae allerdings. Rosetta selbst ist deutlich produktiver und untersucht mit ihren elf wissenschaftlichen Instrumenten seit Monaten schon den Kometen. Ein Massenspektrometer namens Rosina bestimmt dabei die Häufigkeit einzelner Atome und Moleküle – darunter auch das Verhältnis von Wasserstoff zu seiner deutlich schwereren Variante Deuterium. Mit diesem sogenannten Isotopenverhältnis lässt sich – wie mit einem Fingerabdruck – die Herkunft von Wasser bestimmen.

Bei den bislang aus der Ferne untersuchten Kometen lag der Wert meist nahe an den Verhältnissen in den irdischen Ozeanen. Die Resultate von Rosetta, mit deren Hilfe nun erstmals Fingerabdrücke vor Ort genommen werden können, deuten dagegen auf einen anderen Ursprung des Wassers hin. In der Gashülle von Tschurjumow-Gerassimenko ist das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff demnach dreimal so hoch wie auf der Erde. „Das ist der wohl größte Anteil an schwerem Wasser in allen bekannten Himmelskörpern des Sonnensystems“, sagt Rosina-Projektleiterin Kathrin Altwegg von der Universität Bern.

Das Ergebnis steht allerdings im Widerspruch zu Messungen des europäischen Weltraumteleskops Herschel. Mit dessen Kamera haben Astronomen vor drei Jahren den Fingerabdruck des Kometen Hartley 2 beobachtet und dabei kaum Unterschiede zum irdischen Wasser entdeckt. Wie Tschurjumow-Gerassimenko stammt Hartley 2 aus dem Kuipergürtel, einem Kometenparkplatz unweit der Neptunbahn.

Für Matt Taylor, Rosetta-Projektwissenschaftler bei der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, muss das kein Widerspruch sein. „Je tiefer die Temperaturen bei der Entstehung sind, desto höher ist der Anteil von schwerem Wasserstoff“, sagt Taylor. Folglich spreche einiges dafür, dass die Kometen des Kuipergürtels in unterschiedlicher Distanz zur Sonne entstanden sind.

Die daraus resultierende Mischung verschiedener Deuterium-Fingerabdrücke spiegelt sich allerdings nicht in den irdischen Ozeanen wider. Für Kometenforscherin Altwegg ist daher klar: „Das Wasser ist höchst wahrscheinlich von Asteroiden und nicht von Kometen auf die Erde gebracht worden.“


Knochenjob Wissenschaft

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Der Druck ist hoch geworden und in vielen Fällen ist er zerstörerisch. Wer als Wissenschaftler einen Vertrag auf Zeit hat, der muss die Zeit nutzen. Das heißt: erfolgreich forschen. Es müssen Ergebnisse da sein, ehe die zwei oder drei Jahre um sind, die ein Professor oder Institut gewährt haben. Und die Ergebnisse müssen neu sein, bemerkenswert, nicht nur ein Protokoll der Ratlosigkeit. Was macht dieser Druck mit jungen Wissenschaftlern? Er lässt sie immer wieder zu Tricksern werden, zu Fälschern. So lautet zumindest das Ergebnis einer Studie, die an diesem Donnerstag veröffentlicht wird.



Eine technische Assistentin der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin arbeitet in einem Labor mit Pflanzensprößlingen. Einer Studie nach zwingt die unsichere Joblage viele junge Wissenschaftler zu "Fehlverhalten".

Die Autoren, von denen einige selbst auf befristeten Stellen arbeiten, haben fast 1700 Nachwuchswissenschaftler zu ihren Arbeitsbedingungen befragt – und reichlich Kritik gesammelt. Tausende befristete und oft kümmerlich bezahlte Stellen machen den Beruf Wissenschaftler an Hochschulen und Forschungsinstituten unattraktiv, ausbeuterisch – und verführen zum Betrug. Denn was tun einige Forscher, wenn sie nicht die passenden Ergebnisse finden? Sie machen sie passend: Gut 80 Prozent der Befragten gaben an, dass die unsichere Lage „wissenschaftliches Fehlverhalten“ begünstige, gut 40 Prozent von ihnen hatten solches Fehlverhalten wegen Zeitverträgen schon selbst erlebt. Das heißt, sie unterdrücken oder fälschen unerwünschte Ergebnisse. Eigentlich sind sie der Wahrheitssuche verpflichtet.

Doch das Leben in Unsicherheit wirkt viel weiter, hinein in das Privatleben: Fast zwei Drittel der Nachwuchswissenschaftler sagen, sie hätten bereits jetzt Kinder, wenn sie einen festen Job hätten, fast 90 Prozent der Wissenschaftlerinnen sehen darin eine „systematische Benachteiligung der Frauen“. Fast zwei Drittel der Befragten würden der Tochter eines Freundes eher abraten, Wissenschaftlerin zu werden. Forscher ist kein Traumberuf mehr. „Die beste Frauenförderung wären mehr feste Stellen“, sagt Sebastian Raupach, einer der Autoren der Studie „Exzellenz braucht Existenz“. Raupach hat eine Petition für bessere Arbeitsbedingungen initiiert, binnen weniger Monate unterstützten sie 25000 Wissenschaftler im Netz. 84 Prozent der 160 000 wissenschaftlichen Mitarbeiter an Deutschlands Hochschulen haben Zeitverträge, die Lage bei den gut 50000 Mitarbeitern an Forschungsinstituten wie Fraunhofer ist kaum besser. Sie unterstützen Professoren, managen Organisationskram und forschen. In vielen Fällen arbeiten sie zu Recht auf Zeit, etwa, weil die Doktorarbeit nach drei Jahren geschrieben oder das Forschungsprojekt nach zwei Jahren beendet ist. Doch die Befristung ist auch in anderen Bereichen zur Regel geworden, etwa bei Dozenten.

Raupach arbeitete selbst acht Jahre auf Zeitverträgen, er ist Partei, will etwas bewegen mit der Studie. Doch die Ergebnisse entsprechen den Berichten vieler Wissenschaftler – und weiteren Studien: Gerade erschien eine Untersuchung des Instituts für Hochschulforschung in Halle-Wittenberg. Ergebnis: Von den Lehrbeauftragten an Universitäten, die zum Beispiel Proseminare anbieten, wird nur jeder zweite bezahlt. Das Team um Projektleiter Roland Bloch verglich an acht Hochschulen die Vorlesungsverzeichnisse mit den Namen, die in der Gehaltsliste der Uni auftauchen. Ein Drittel der Lehrenden ist der Verwaltung demnach offenbar gar nicht bekannt – und wird somit nicht von der Uni bezahlt. Viele sind Mitarbeiter an externen Instituten und arbeiten gratis, um Kontakte zu knüpfen oder Erfahrung zu sammeln. „Der Lehrbetrieb würde zusammenbrechen ohne die wissenschaftlichen Mitarbeiter – und diese sind fast immer befristet beschäftigt“, sagt Bloch. Weil die Hochschulen oft selbst nur befristet Geld haben, handeln sie wie viele Firmen: sie setzen Zeitarbeiter ein. „Hire-and-fire-Lehrende“ nennt sie Bloch. Dies aber verschlechtere die Lehre: Keiner betreut die Studenten dauerhaft, ständig wechseln die Ansprechpartner.

„Die prekären Arbeitsverhältnisse treiben die besten Köpfe aus der Wissenschaft“, sagt Simone Raatz (SPD). Die Vizevorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag möchte dem Trend zum wissenschaftlichen Prekariat neue Regeln entgegenstellen. Nach einem Eckpunktepapier ihrer Fraktion soll es Mindestzeiten für Arbeitsverträge geben und mehr feste Stellen. Gerade Doktoranden müssten Sicherheit erhalten, um nicht nach einem Jahr Arbeit vor dem Nichts zu stehen, sagt Raatz. Sie will nicht alle Zeitverträge in feste Stellen umwandeln, das fordern nicht einmal die Wissenschaftler selbst. „Es geht uns um eine sinnvolle Personalauswahl durch Bewertungen und Gespräche“, sagt Raupach. Eine breite Mehrheit der Wissenschaftler fordert laut seiner Studie, Hochschulen und Instituten eine Obergrenze für befristete Stellen vorzuschreiben.

Ob es so kommt, wird sich bald klären: Kommende Woche sprechen SPD und Union darüber, im Januar sollen gemeinsame Eckpunkte stehen. Einfach wird es nicht werden. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) schrieb kürzlich, der wissenschaftliche Nachwuchs brauche zwar bessere Perspektiven. „Zu pauschale Einschränkungen“ bei Zeitverträgen richteten aber mehr Schaden an als sie nutzten.



 



Cleopatra und die Hollywood-Leaks

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Was haben der nordkoreanische Nachwuchsdiktator Kim Jong-un und die ägyptische Pharaonin Cleopatra gemeinsam? Beide sind gerade unfreiwillige, aber zentrale Protagonisten in einer der heftigsten Schmierenkomödien, die sich die amerikanische Filmindustrie seit Langem geleistet hat – und die sie wohl auch noch lange beschäftigen wird.

Was ist passiert? Bereits Ende November hatte eine bislang anonyme Hacker-Gruppe namens „Guardians of Peace“ die Computer von Sony Pictures ausspioniert, einem der größten und einflussreichsten Filmstudios in Hollywood. Die Hacker verlangten von den Sony-Bossen zunächst einen bislang unbekannten Geldbetrag. Kurz darauf wollten sie aber plötzlich etwas ganz anderes erpressen: Sie forderten Sony auf, die Trash-Komödie „The Interview“, die in den USA an Weihnachten und in Deutschland im Februar anlaufen soll, nicht in die Kinos zu bringen. In dem Film spielen James Franco und Seth Rogen, der auch Koregisseur und Koautor des Projekts ist, zwei amerikanische TV-Macher, die ein Exklusiv-Interview mit Kim Jong-un bekommen – und von der CIA aufgefordert werden, den Diktator bei dieser Gelegenheit doch bitte zu eliminieren.



"Hollywood-Leaks": Die Hacker-Gruppe "Guardians of Peace" hat die Computer von Sony Pictures veröffentlicht ausspioniert und pikante Informationen veröffentlicht.

Der Trailer verspricht ein herrlich politisch inkorrektes Klamauk-Tohuwabohu, das die „Guardians“-Hacker aber überhaupt nicht witzig finden. Sie stellten nicht nur fünf Sony-Filme auf Filesharing-Plattformen, um dem Studio finanziell zu schaden, sondern veröffentlichten auch Gehaltslisten von Sony-Mitarbeitern sowie Budgetkalkulationen. Besonders Letztere ist man in Hollywood immer sehr darauf bedacht geheim zu halten – damit die Konkurrenz nicht weiß, wie weit man sich finanziell für ein Projekt aus dem Fenster lehnt. Dem naheliegenden Verdacht, dass Nordkorea hinter der Cyber-Attacke stehen könnte, widersprach der dortige Regierungssprecher vehement – betonte aber gleichzeitig fröhlich, dass man über die ganze Sache auch nicht unglücklich sei.

Das war aber nur das Vorspiel dieser Hollywood-Leaks-Affäre, die sich Mittwoch zu einer ordentlichen Schlammschlacht unter sehr mächtigen Filmemachern ausgeweitet hat – womit nun Cleopatra ins Spiel kommt. Die hat in Hollywood bereits 1963 ein legendäres Monumentalfilm-Denkmal bekommen, mit Elizabeth Taylor als bezaubernder Pharaonin. Ein Film, der der Schauspielerin Angelina Jolie so gut gefallen hat, dass ein opulentes Remake von „Cleopatra“ seit Jahren ein erklärter Traum von ihr ist. Und im Gegensatz zu Kleinkindern mit Prinzessinnenphantasien hat sie aufgrund ihres Renommees, das den Filmstudios schon viele Millionen Dollar eingebracht hat, auch die Möglichkeit, ihren Wunsch Wahrheit werden zu lassen. Dummerweise ist sie aber trotzdem so ziemlich die Einzige, die dieses Projekt, das mit 180 Millionen Dollar ein selbst für L.A.-Verhältnisse irre hohes Budget haben soll, für eine gute Idee hält. Das legen die vertraulichen E-Mails zwischen hohen Hollywood-Executives nahe, die die „Guardians of Peace“-Hacker nun als nächsten Schritt in ihrer Anti-„Interview“-Offensive veröffentlicht haben. Diese Mails sind etwas zu detailreich und mit zu vielen Insider-Informationen gespickt, um Fälschungen zu sein, weshalb auch Gossip-ferne Fachzeitschriften wie Variety ihren Inhalt gerade genüsslich wiederkäuen.

Als Erster hatte das New Yorker Medienblog Gawker Auszüge zusammengetragen – und dürfte damit dafür gesorgt haben, dass in Hollywood so mancher Business-Lunch abgesagt wurde. Natürlich ist klar, dass in einer Industrie, die sich gerade panisch gegen Internet-Filmkonkurrenten wie den Streaming-Dienst Netflix rüstet und immer wahnsinnigere und riskantere Budgets und Marketingkampagnen für ihre Blockbuster auffährt, nicht nur freundlicher Smalltalk geführt wird. Doch geben die eisernen, ungeschriebenen Gesetze in den Hollywood Hills seit jeher vor, dass man interne Schmutzkampagnen nicht nach außen trägt. Ein Meister dieser Kunst ist beispielsweise Steven Spielberg, der sich in der Öffentlichkeit gerne als netter, bärtiger Märchenonkel verkauft, aber im Betrieb als knallharter Verhandlungspartner gilt, dessen Machtwort sich sogar auf Projekte auswirken kann, in die er gar nicht unmittelbar involviert ist.

Auch bekannt für seine rigorosen Verhandlungsstrategien sowie sein Desinteresse an Dinnerpartys ist der Produzent Scott Rudin. Der ist außerhalb der Filmindustrie namentlich nicht sehr berühmt, aber trotzdem der Kopf hinter ziemlich vielen Hits. Er hat unter anderem „Die Truman Show“ und „No Country for Old Men“ produziert – und ist seit einigen Jahren der Stammproduzent des gefeierten Regisseurs David Fincher. Mit ihm hat er zuletzt das Biopic „The Social Network“ über Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gestemmt. Eine Zusammenarbeit, die sie für ein weiteres Biopic, diesmal über Apple-Gründer Steve Jobs, fortsetzen wollten – und zwar für das Sony-Studio. Ein Projekt, das seit Jahresanfang heiß diskutiert wurde, vor allem seit Fincher für die Regie und Christian Bale für die Hauptrolle gehandelt wurden. Aber plötzlich platzte das Prestigeprojekt, mit dem Rudin nun zum konkurrierenden Universal-Studio wechseln musste, wo es mit ganz neuem Personal geplant werden muss. Jetzt weiß man aufgrund der neuen, von den „Guardians“ geklauten internen Sony-Mails auch warum. Im zwischen Februar und November dieses Jahres ausgetauschten Mailwechsel von Rudin und seiner Kollegin Amy Pascal, die im Vorstand von Sony sitzt, gibt der geschasste „Jobs“-Produzent wild fluchend Angelina Jolie die Schuld am Scheitern des Films. Jolie habe durch Intrigen dafür sorgen wollen, dass Fincher von „Jobs“ abgezogen werde, um ihren privaten „Cleopatra“-Irrsinn zu inszenieren – ein Film, der ursprünglich Rudins zweites Herzensprojekt im Hause Sony gewesen ist.

Nachdem Rudin seinen Frust in den E-Mails an Pascal zuerst noch an ein paar anderen Kollegen ausgelassen hat – zum Beispiel bezeichnet er die junge Produzentin Megan Allison als „bipolare 28-jährige Spinnerin“ –, schießt er sich anschließend vollkommen auf sein Hauptziel Jolie ein: „Jeder Idiot weiß doch, dass dieses Projekt ein Riesenreinfall sein wird. Wenn wir das wirklich machen, wird die gesamte Filmindustrie uns auslachen – und zwar zu Recht. (...) Ich werde bestimmt nicht einer 180 Millionen Dollar teuren Ego-Dusche vorsitzen.“ Dann wird er persönlich: Jolie sei eine „untalentierte, verzogene Göre, die mit ihrer Wahnidee noch diverse andere Karrieren zerstören werde.“

Als Pascal ihn auffordert, sich doch einfach mit ihr zusammenzusetzen oder zumindest mal zu telefonieren, rastet Rudin endgültig aus: „So ein Masturbationsanruf ist ein Rumgewichse, für das ich wirklich keine Zeit habe. (...) Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, einen Film mit ihr zu drehen – oder mit irgendjemandem, der für sie arbeitet.“ Das wiederum ist ein fieser Seitenhieb auf Angelinas Ehemann Brad Pitt und ihre sechs (Adoptiv-)Kinder: Die nämlich sollen angeblich allesamt in dem verhassten „Cleopatra“-Film mitspielen, nachdem Jolie schon so gute Erfahrungen mit ihrer Tochter Vivian vor der Kamera gemacht habe. Vivian war in diesem Jahr gemeinsam mit ihrer Mutter in der „Dornröschen“-Neuauflage „Maleficent“ zu sehen.

Auch von Rudins Geschäftskumpel David Fincher wollen die „Guardians“ Geheimes erfahren haben, wie Gawker berichtet. In einer E-Mail lästert Fincher, der den täglichen Hollywoodbetrieb seit jeher hasst, über den wohl am heißesten erwarteten Blockbuster des kommenden Jahres: „Star Wars Episode VII“. Darin spielt Adam Driver eine tragende Rolle, der seit seinem Sidekick-Auftritt in „Inside Llewyn Davis“ zum Shootingstar geworden ist. Trotzdem findet Fincher es eine „schreckliche Idee“, dass Driver einen „Star Wars“-Bösewicht spielen soll. Das ist zwar keine ganz so drastische Äußerung wie die von Rudin, dürfte Fincher aber trotzdem einige Türen in der nachtragenden, eitlen amerikanischen Filmindustrie verschlossen halten – zum Beispiel beim Disney-Studio, dessen wichtigster Goldesel aktuell „Star Wars“ ist.

Wie wird es nach diesen Hasstiraden weitergehen in Hollywood? Einerseits wird sich gerade das Sony-Studio nun nicht mehr so stoisch schweigsam zu den Geschehnissen geben können wie bisher. Denn die neueste Meldung in der Angelegenheit war nun in der Los Angeles Times zu lesen, die berichtete, das Studio sei bereits vor einiger Zeit vom Department of Homeland Security gewarnt worden, dass ein Kim-Jong-un-Attentäter-Film vielleicht keine gute Idee sei. Dass der Film solche internen wie externen Gossip-Lawinen lostreten würde, hat wohl trotzdem keiner der Verantwortlichen vermutet. Andererseits: Dass Sony in filmwirtschaftlich so unsicheren Zeiten trotzdem an einem solch riskanten Projekt festhält, zeugt von einer Chuzpe, die man in der Ära der Fortsetzungs-Superhelden-Filme einem großen Hollywood-Studio eigentlich gar nicht mehr zugetraut hätte.

Wasserträger

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Wie kam das Wasser auf die Erde? Reiste es einst Huckepack auf Asteroiden – auf felsigen Brocken, die wie kleine Planeten um die Sonne kreisten und mit der jungen Erde kollidierten? Oder hatten Kometen es im Gepäck, Schweifsterne aus den eisigen Tiefen des Sonnensystems, die ab und zu der Erde einen Besuch abstatteten?



Die Sonde Rosetta untersucht seit Monaten den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko.

Lange Zeit bevorzugten Astronomen die Kometen-Hypothese. Nun schlägt das Pendel wieder in Richtung der Asteroiden aus. Verantwortlich dafür sind erste Ergebnisse des europäischen Kometenjägers Rosetta, die Forscher jetzt im Fachmagazin Science (online) veröffentlicht haben.

Im vergangenen Monat hatte die Rosetta-Sonde Beobachter fasziniert, als sie einen kleinen Roboter namens Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko absetzte. Wenige Tage nach seiner holprigen Landung verstummte Philae allerdings. Rosetta selbst ist deutlich produktiver und untersucht mit ihren elf wissenschaftlichen Instrumenten seit Monaten schon den Kometen. Ein Massenspektrometer namens Rosina bestimmt dabei die Häufigkeit einzelner Atome und Moleküle – darunter auch das Verhältnis von Wasserstoff zu seiner deutlich schwereren Variante Deuterium. Mit diesem sogenannten Isotopenverhältnis lässt sich – wie mit einem Fingerabdruck – die Herkunft von Wasser bestimmen.

Bei den bislang aus der Ferne untersuchten Kometen lag der Wert meist nahe an den Verhältnissen in den irdischen Ozeanen. Die Resultate von Rosetta, mit deren Hilfe nun erstmals Fingerabdrücke vor Ort genommen werden können, deuten dagegen auf einen anderen Ursprung des Wassers hin. In der Gashülle von Tschurjumow-Gerassimenko ist das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff demnach dreimal so hoch wie auf der Erde. „Das ist der wohl größte Anteil an schwerem Wasser in allen bekannten Himmelskörpern des Sonnensystems“, sagt Rosina-Projektleiterin Kathrin Altwegg von der Universität Bern.

Das Ergebnis steht allerdings im Widerspruch zu Messungen des europäischen Weltraumteleskops Herschel. Mit dessen Kamera haben Astronomen vor drei Jahren den Fingerabdruck des Kometen Hartley 2 beobachtet und dabei kaum Unterschiede zum irdischen Wasser entdeckt. Wie Tschurjumow-Gerassimenko stammt Hartley 2 aus dem Kuipergürtel, einem Kometenparkplatz unweit der Neptunbahn.

Für Matt Taylor, Rosetta-Projektwissenschaftler bei der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, muss das kein Widerspruch sein. „Je tiefer die Temperaturen bei der Entstehung sind, desto höher ist der Anteil von schwerem Wasserstoff“, sagt Taylor. Folglich spreche einiges dafür, dass die Kometen des Kuipergürtels in unterschiedlicher Distanz zur Sonne entstanden sind.

Die daraus resultierende Mischung verschiedener Deuterium-Fingerabdrücke spiegelt sich allerdings nicht in den irdischen Ozeanen wider. Für Kometenforscherin Altwegg ist daher klar: „Das Wasser ist höchst wahrscheinlich von Asteroiden und nicht von Kometen auf die Erde gebracht worden.“ Alexander Stirn

Herzrasen

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Wo ist Rudolf Elmer? Der 59-jährige Schweizer Whistleblower sieht normalerweise aus wie ein Buchhalter, unauffällige Brille, dunkles Hemd, sorgenvolle Falten auf der Stirn. Erst als der Richter das Wort an den Mann im Kapuzen-Pullover richtet, wird es klar: Das ist Rudolf Elmer. Fellgefütterte Lederjacke, Turnschuhe, kuschliger Schal, Vollbart. Mit Mühe bewegt er sich zum Redner-Pult. „Mir geht es im Moment nicht gut“, das ist sein erster Satz. Rudolf Elmer, der Mann, der Wikileaks mit Kundendaten seines früheren Arbeitgebers, der Privatbank Julius Bär fütterte, sagt, er sei nicht verhandlungsfähig. Ein Gutachter sagt etwas anderes. Elmer, der von 1994 bis 2002 führender Manager auf den Cayman Islands war, könne aussagen. Er müsse aber immer wieder Pausen machen.



Rudolf Elmer bei seiner ersten Verhandlung im Jahr 2011. Nun steht er erneut vor Gericht.

So wolle man es halten, erklärt der Richter, und beginnt, Elmer Fragen zu stellen. Wie lange er schon in Therapie sei. Ob es zutreffe, dass er Hausmann sei und seine Frau arbeiten gehe. Wie es sein könne, dass bei dem kleinen Verdienst seiner Frau und der nicht so kleinen Miete der Familie sein Vermögen auf eine Million Schweizer Franken gewachsen sei. Elmer verweigert die Aussage, wenn auch nicht konsequent. Mit den Buchverkäufen habe er kaum Einkünfte gehabt, sagt er, seine Homepage sei zeitweise von jemand anderem betreut worden. Und nein, auf den Spendenaufruf, den er auf der Homepage gestartet hatte, habe niemand reagiert.

Die Vorwürfe, um die es an diesem Mittwoch vor dem Bezirksgericht Zürich geht, beziehen sich vor allem auf die Jahre 2007 und 2008. Elmers Anwältin beantragt daher, den Prozess gar nicht erst beginnen zu lassen: Nach sieben Jahren sei der Vorwurf der Bankgeheimnisverletzung verjährt. Und da man annimmt, dass Elmer Anfang Dezember 2007 begonnen hat, die Daten bei Wikileaks hochzuladen, dürfe man ihn im Dezember 2014 nicht mehr anklagen.

Doch der Prozess geht weiter. Man werde über diese Frage im Urteil entscheiden, befindet der Richter, und gibt der Justiz die Gelegenheit, Elmer zu befragen. Der antwortet, unterbrochen von Hustenanfällen, immer gleich: Er wolle nichts sagen. Auch die Urkundenfälschung, die ihm zur Last gelegt wird, kommentiert er so wenig wie möglich. Es geht um ein Schreiben an Kanzlerin Angela Merkel, das Elmer am 26. November 2007 auf Wikileaks publizierte. Es war so verfasst, dass es aussehen musste, als sei Merkel Kundin bei Julius Bär und halte dort zweifelhafte Offshore-Konstrukte. Elmer bezeichnete den Brief als Test, den er verfasst habe, um herauszufinden, ob Wikileaks brisantes Material publiziere. Mit großen Namen hat der Whistleblower kein Problem. Der damalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück wurde im Frühjahr 2009 von Elmer angeschrieben. Die Verhandlung ist die zweite gegen Rudolf Elmer. Schon 2011 wurde ihm vorgeworfen, Daten weitergegeben zu haben.

Der Whistleblower selbst äußerte Vorbehalte gegenüber dem Vorgehen der Zürcher Staatsanwaltschaft. Es sei unzulässig, ihn in der Schweiz anzuklagen, weil er die Daten als Angestellter der Julius Bär auf den Cayman Islands gewonnen habe. Damit unterliege er nicht dem schweizerischen Recht. Im Gerichtssaal sah man das anders. Elmer sei bei der Schweizer AHV sozialversichert und somit Angestellter einer Schweizer Firma gewesen.

Und die Daten-CDs, die Elmer 2011 medienwirksam Wikileaks-Sprecher Julian Assange übergeben hatte? Leer, sagt der Angeklagte. „Sie haben die Journalisten in London getäuscht?“ fragt der Richter. Elmer nickt. Ihm etwas anderes nachzuweisen, dürfte schwierig werden.

Einige Aktivisten waren zu seiner Unterstützung gekommen, trugen T-Shirts mit Aufschriften wie „Free Whistleblower“. „Dürfte ich noch eine Frage stellen?“ kam es von der Zuschauerbank. Der Richter verneinte, die Beweisaufnahme war beendet. Eine halbe Stunde später sollten die Plädoyers gehalten werden. Elmer drohen 42 Monate Haft.

Doch auf dem Weg zurück in den Gerichtssaal brach der 59-Jährige zusammen. Sanitäter wurden gerufen, Rudolf Elmer zur Klärung seiner gesundheitlichen Situation ins Krankenhaus gebracht. Wann der Prozess weitergeht, ist unklar.

Einsam wacht

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Kunstakademie


1.03 Uhr: Eine Bekannte, die lange an der Kunstakademie studiert hat, meinte einmal, dass die Akademie eigentlich ein öffentliches Irrenhaus sei: Alles erlaubt, weil alles Kunst. Einerseits total schön, andererseits total gefährlich. Weil man nach und nach mit der Welt da draußen immer weniger anfangen könne. Man merkt das schon auch, wenn man durch die Akademie geht. Hier ist offiziell um 19 Uhr geschlossen. Tatsächlich gehört den Studenten ihr Narrenschiff 24/7. Im Foyer ist noch die Ausstellung von Robert Frank zu sehen, Zeitungsseiten, auf denen die Werke abgedruckt waren, einfach an die Wände gekleistert.




Für immer Abhängen: Die Kunstakademie

Passt zum Rest der Akademie, wo auch überall was an die Wände, auf den Boden, in den Aufzug geschmiert ist. Unten im Erdgeschoss wird gefeiert – im „Salong“, einer Art wöchentliche Bar – und der Flur ist durchzogen von Rauchschwaden. Musik, Gläserklirren, rotes Licht, überall Krimskrams, überall liegende Künstler und Freunde. Oben im Erdgeschoss ist es leerer, ruhiger, aber hinter fast jeder Ateliertür brennt Licht. Aus einer kommt eine Malerin. Sie trägt weite Hosen voller Farbflecken. In dem Atelier, in dem sie arbeitet, malen noch drei andere. Eine große, dunkelhaarige Frau mit riesigen Kopfhörern zum Beispiel. Sie könne nur nachts arbeiten, wenn draußen Ruhe ist und niemand was von ihr will. Und mehr will sie nicht erzählen. „Ich möchte keine Reportage über mich“, sagt sie und setzt die Kopfhörer wieder auf. Von hier wieder raus in die echte Welt zu gehen, tut immer ein bisschen weh.
 

Zentralbibliothek der Hochschule München


23.55 Uhr: Aus den Gullis vor der Bibliothek steigt Dampf auf. Das Gebäude selbst liegt beinahe grell erleuchtet da, die Front ist fast vollständig gläsern. Drinnen riecht es nach Burrito und Mülleimer. Im Foyer, neben surrenden Cola-Automaten und einer grünen Gummipalme, lernen zwei Jungs über vielen Büchern und karierten Zetteln, ein Kinderspielbereich liegt verlassen um die Ecke. Über die Wendeltreppe hoch in die Mensa. Weiter Blick über die leeren Tische mit den bunten Stühlen, auf zerknüllte Servietten und leer getrunkene Spezi-Flaschen.




Und über allem das Surren der Cola-Automaten: In der Zentralbibliothek der Hochschule München

Ganz hinten im Raum sitzt Ömer, er ist 29 und studiert Maschinenbau. „Schwer ist’s“, sagt er, ihm fehlten Grundlagen, die er als Hauptschüler nicht gelernt hat. Nach dem Abschluss hat er eine Ausbildung zum Gas- und Wasser-Installateur gemacht, schließlich seinen Meister und dann konnte er endlich studieren. Er arbeitet auch jetzt noch in seinem gelernten Beruf. Tagsüber. So, dass er es nebenbei gerade noch in die wichtigsten Vorlesungen schafft. Zum Lernen bleibt ihm nur die Nacht. Hier hinten in der Mensa sei ein guter Platz, findet er. Unkompliziert, man hat die Übersicht und kann sich ausbreiten. Nach Hause fährt er von hier eine knappe Dreiviertelstunde – mit Nachttram und Nachtbussen nach Laim. Oft holt er sich auf dem Heimweg am Stachus noch etwas zu essen. Am nächsten Morgen um acht geht es dann wieder los.
 
Eine Etage höher, in der Bibliothek, riecht es nach Schweiß und Socken. In einem abgetrennten Gruppenraum sitzen noch fünf Schüler: vier Jungs, ein Mädchen. Sie gehen alle auf dieselbe FOS, morgen steht eine Wirtschaftsklausur an. Aber auch sonst lernen sie gern hier. Und gern spät. Einer von ihnen ist immer da, darauf kann man sich verlassen. Warum hier und nicht zu Hause? „Da geht nix: Zu Hause sitz ich ’ne halbe Stunde und guck aus dem Fenster, dann guck ich ’ne halbe Stunde die Lampe an“, sagt einer der Jungs.
 

Technische Universität


0.05 Uhr: In der Holzwerkstatt der TU muss gerade ein Stadtviertelentwurf gelasert werden. Der Laser brennt schwarze Formen in dicke Pappe, es riecht verkokelt. Jana lehnt an dem Gerät und folgt der grellen, gelben Flamme mit den Augen. Sie studiert im siebten Semester Architektur. Und sie sagt etwas, das später ein Erstsemester der Architektur etwa im selben Wortlaut wiederholen wird: „Wenn du Architektur studierst, kannst du dir das Schlafen abschminken.“ Heute hofft sie, vor halb vier nach Hause zu kommen. Manchmal lebt sie fast in der TU: Sie isst, trinkt, schläft hier. Hoch in den weißen Saal sollten wir mal gehen, sagt sie, da sei es toll. „Dürfen aber nur Erstis rein.“
 



Nur noch kurz 'ne Treppe entwerfen bis die Sonne wieder aufgeht: Im Weißen Saal auf dem Dach der TU.

Durch die langen, weißen Gänge also und vorbei an all den Schaukästen über Geodäsie (Erdvermessung), Architektur, Elektrotechnik, immer weiter nach oben. Einsam ist es hier. Viel Platz. Irgendwann fährt tatsächlich jemand mit dem Fahrrad an uns vorbei. Auf dem Dach führt eine Gipsspur von der völlig eingesauten Toilette in den weißen Saal. In den hohen Raum ist eine Galerie eingezogen. Oben ausgelegene, weiße Couchen, Hängematten. Unten lauter Tische. Ansonsten ein riesiges Chaos. Überall Gipsreste, zerrissene Zettel, leere Take-away-Tüten und Pizzakartons, Kleber, Sticker, Verpackungen, Saftboxen.

Leonhard, 19, ist der einzige, der hier heute Nacht noch sitzt. Grad vor ein paar Tagen gab es eine große Abgabe, die meisten machen jetzt mal ein bisschen frei. Leonhard muss noch ein Modell für eine Treppe bauen und gerade läuft es so gut. „Ist schon okay mit den vielen Aufgaben“, sagt er. So sei es halt als Architekt. Und es gebe hier ja alles, was man braucht: Sofas, einen Kühlschrank mit Spezi und Bier, und morgens kann man als Student im Café Vorhoelzer nach durchgearbeiteter Nacht bis 11 Uhr umsonst Kaffee trinken. Nachts ist immerhin noch die Terrasse offen. Vielleicht der beste Ort der Stadt für eine kleine Arbeitspause, egal zu welcher Uhrzeit.
 

Staatsbibliothek


23.15 Uhr: Auf der riesigen Treppe, die hinauf in den „Allgemeinen Lesesaal“ führt, werden die Menschen klein und kaum greifbar. Nachts verstärkt sich das noch.
 



Alles müd und in sich versunken: Im Allgemeinen Lesesaal der Staatsbibliothek.

Wir dürfen im Lesesaal nur auf dem sogenannten „Catwalk“ Fotos machen – sogar die Pressesprecherin der Bibliothek nennt ihn so. Stimmt, fällt einem da wieder ein, die Stabi ist ja dieser angebliche Flirt-Ort. Sehen und gesehen werden. Zumindest nachts scheint das nicht zu gelten. Alle sind tief in ihre Arbeit versunken. Andere lebende Wesen? Interessieren hier niemanden. Ein Paar gleich am Eingang trägt schwarze Kostüme: sie einen großen Hut und ein enges, korsetthaftes Kleid, er ist im Frack da. Wer sind die? Schauspieler, die gleich irgendwo auftreten? Einfach nur Freaks?
 
Das Fragen verbietet sich hier leider. Die kleinsten Geräusche wirken hier gleich sehr laut: das Schlagen von Buchrücken auf Tische, das Hin- und Herrutschen von Stoff auf Stühlen. Jemand fährt sich durchs Haar, stöhnt leise, atmet aus, der Deckel eines Stifts rollt über den Schreibtisch, Rascheln, Blättern, Knistern von Papier, dumpfe Schritte auf dem Teppichboden. Irgendwo fällt ein Buch auf den Boden, steckt jemand einen Stecker in seinen Laptop, tippt jemand was auf der Tastatur. Wasserflaschen knacken. Es ist, als trügen alle eine Glasglocke um ihren Kopf. Als bemerke niemand den anderen.
 
Oben auf der Galerie schläft ein alter Mann. Sein Kopf ist auf den Brustkorb gesunken. Die Seiten des Buches, das vor ihm liegt, stehen in die Luft ab. Ein anderer älterer Herr sieht sich Röntgenaufnahmen von Lungenflügeln an. Einer guckt auf seinem Laptop Fußball – komisches, stummes Rasenballett. In den Fenstern spiegelt sich die Bibliothek bis in die Ferne weiter. Ein Draußen gibt es nicht. Bis die erste Durchsage kommt, dass die Bibliothek bald schließt. Da fangen unten im Hof die Krähen an zu schreien, und sie hören auch nicht mehr auf, bis es zwölf ist.
 
„Es kommen oft dieselben Menschen abends“, erzählt der Pförtner später. „Und die alten Männer schlafen oft ein. Aber sie haben eine innere Uhr und wachen immer genau dann auf, wenn man sie wecken will.“ Heute sei ein ungewöhnlich ruhiger Abend, sagt der Mann auch. Eigentlich sei gerade in Winternächten viel mehr los. Als die letzte Durchsage ertönt beginnt das große Erheben und die Menschen sehen wie ferngesteuert aus, wenn sie zu ihren Schließfächern gehen: starrer Blick nach vorn oder auf die eigenen Schuhe. Das Türaufhalten wirkt mechanisch. Jacke, Schal, Mütze an. Und raus, aus den großen, schweren Toren in die Nacht.
 

Musikhochschule


23.58 Uhr: Die Türen der Musikhochschule sind mit Schildern beklebt: „Zugang nur für Hochschulangehörige.“ Wegen der Touristen. Die Musiker sind im ehemaligen Führerbau der NSDAP untergebracht. Da kommen viele Menschen, die nur mal kurz Hitlers altes Arbeitszimmer sehen wollen. Drinnen hat gerade das Adventssingen stattgefunden, so etwas gibt es oft hier: öffentliche Musikvorspiele. Außerdem darf hier bis ein Uhr nachts geübt werden. In Wohnhäusern geht das schließlich nicht.




Hinter zwei dunklen Türen klingt noch ein Flügel: Die Musikhochschule.

In dem Gebäude ist also überall Musik, und es lässt sich nie ganz verorten, wo sie genau herkommt. Nur die Radio-Meldungen von B5-Aktuell, die sich darunter mischen, klingen klar und deutlich aus dem Pförtnerhäuschen: „Der Mörder stach mit einem Messer zu. Nach Polizeiberichten . . . “ Irgendwo fiedelt eine einsame Geige. Im „Großen Saal“ werden Tonaufnahmen gemacht, Eintritt verboten.
 
Dann endlich ein Mensch. Ein Mädchen tritt aus einer der vielen schweren Holztüren. Jeder, der nachts hierher kommt, um zu üben, bekommt beim Pförtner einen Schlüssel für eines der Zimmer. Nie dasselbe. Drinnen stehen meist ein Flügel und ein Sofa. Tagsüber wird in diesen Räumen unterrichtet. Das Mädchen heißt Kunwha und kommt aus Korea. Viel mehr will sie nicht reden. Lieber Geige üben.
 
Also weiter. Der Garderobenbereich dient nachts als Gemeinschaftsraum. Hier stehen Automaten, bei denen aus ein und demselben Schlauch Fünf-Minuten-Terrine und Kaffee kommt. Arcan steht auch da. Er studiert Komposition, eigentlich in Ankara, aber jetzt ist er für einige Semester hier. Er führt uns in seinen Raum. Neben dem Klavier steht der Laptop, mit dem er aufnimmt. Und dann fängt er an zu spielen – wunderschöne Klavier-Pattern, feine Dramatik. Könnte zu einer Filmszene gehören. Es fällt schwer, zu gehen.

Wir haben verstanden - über München

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Jede Woche lernen wir in unserer Stadt etwas dazu. Um es nicht zu vergessen, schreiben wir es hier auf. Wenn du auch etwas verstanden hast, schreibe doch eine Mail an muenchen@jetzt.de:




 
. . . wer in München Kontakte knüpfen (oder flirten) will, muss nur samstagabends mit Essbarem (am besten Süßem!) U-Bahn-fahren.
 
. . . dies ist eine Zeitung. Wer in München eine Wohnung sucht, sollte in einer solchen inserieren. Das wirkt Wunder.
 
. . . wenn man hier spätnachts auch endlich mal anderswo was zu Essen bekäme, würden all die McDonald’s-Filialen und Burger Kings schnell sterben. Andererseits: Dass es fast nur die gibt, um dort den betrunkenen Hunger morgens um fünf zu stillen, sorgt ja auch dafür, dass das Publikum dort viel durchmischter ist als in den Fastfood-Ketten-Filialen anderer Großstädte.
 
. . . München fühlt sich klein an, wenn man ÖPNV oder Rad fährt. Und groß, wenn man Auto fährt.
 
. . . für Haidhausener ein pain in the ass: der Haidhauser Weihnachtsmarkt. Da kann er für sich genommen gar nichts dafür. Er ist ja schön, aber leider eben in dieses Nadelöhr gebaut. Und damit einfach immer im Weg.
 
. . . bei der Organisation in der Bayernkaserne läuft ja vieles schief – aber all die Ärzte und Sozialarbeiter und Lehrer und Erzieher und so weiter, die dort arbeiten, die sind wirklich, wirklich super und engagiert und haben ein gutes Herz.
 
. . . total super natürlich, dass München wieder ein richtiges Rockfestival bekommt. Das hat schon gefehlt hier. Aber musste es denn wirklich unbedingt „Rockavaria“ heißen?
 
. . . fehlt eigentlich nur noch der Claim: „O g’rockt is!“
 
. . . das „Tollywood“, das hat unsere Praktikantin gerade verstanden, heißt gar nicht „Tollywood“ sondern „Tollwood“, und ist damit auch überhaupt kein Wortspiel aus Theresienwiese und Hollywood.
 
. . . der Münchner Hund von heute trägt Strickpullover.
 
. . . auch in München scheint ab und zu mal die Sonne. Ganz kurz.
 
. . . „Fresh Arugula“ ist frischer Raukensalat, sagt die Karte des Trachtenvogl.
 
. . . wenn man den „Munich Cool Guide“ in einem Laden oder Restaurant rumliegen sieht: Hier lohnt sich das Flyer-Einpacken mal ausnahmsweise!
 
. . . abends im beheizten Außenbereich des Dantebads ist der Winter durchaus zu ertragen.
 
. . . auf der Eislauffläche im Prinzregentenbad auch.

Was Wowereit noch vorhat


Die jetzt.de-Kettengeschichte, Teil 34

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Was bisher geschah:
Anna jobbt an der Tankstelle und haut mitten in der Nachtschicht ab, um ihren Schwarm Gerwin Gewinner zu treffen. Doch Gerwin entpuppt sich als Verbrecher und er und seine Komplizin, die alte Liesel Maier, sperren Anna auf einem Dachboden ein. Annas Chef Paul, der sie retten will, kennt die Entführer schon - die drei haben gemeinsam Kunstwerke gestohlen, die magische Kräfte haben.

In einer Parallelrealität hat Anna inzwischen einen Roman namens "Nachtschicht" gelesen und wurde in die Geschichte hineingesogen. Ihre Freundin Rana gerät in die Fänge der Entführer, Ranas Freundin Bernhard wird ermordet. Anna und Paul flüchten in die Tankstelle, werden von einer Zombie-Armee bedroht und von einem fliegenden Einhorn gerettet...

...und Anna erwacht in einer Redaktion als Autorin einer Kolumne namens "Nachtschicht", wird aber gefeuert. Vor dem Redaktionsgebäuse trifft sie auf einen geheimnisvollen Fremden und auf Gerwin - als Kapitän eines Raumschiffs. Anna wird ohnmächtig und wacht im Haus ihrer Urgroßtante auf. Dort bekommt sie die Möglichkeit, zu einem beliebigen Punkt der Erzählung zurückzuspringen und landet wieder in der Redaktion, die sie arbeitslos verlässt. Ihre nächste Mission: eine erfolgreiche Journalistin werden! Aber erst geht sie noch in einen Club, in dem sie plötzlich auf alle Figuren ihrer bisherigen Geschichte trifft...

Alle vorigen Teile der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 33 von jetzt-Userin Toni_Silber.




Anna spürt, wie die Wirkung des Drinks nachlässt. Noch ein letzter, mütterlicher Blick von Wendy, ein leises Kichern, dann löst sie sich mit einem leisen Plopp in Rauch auf.

Plopp, plopp. Alle Figuren, die Anna auf ihrer Reise geschaffen hat, verschwinden. Plopp. Plopp. Plopp. Zurück bleiben Rauchschwaden, die in der Nase beißen. Anna wird ganz schwindelig davon. Alles vor ihren Augen verschwimmt für einen Moment.

"Willste noch was?", fragt der Barkeeper. Anna schüttelt schwach den Kopf. Abrupt steht sie auf und wankt auf ihren hohen Absätzen erneut zum schmuddeligen Waschraum. Einmal gerät sie ins Stolpern, kann sich aber gerade noch fangen. In der Toilette beugt sich Anna über das versiffte Waschbecken und spritzt sich kaltes Wasser ins Gesicht. Immer noch ist ihr übel und immer noch tanzen Sterne vor ihren Augen. Sie schwitzt.
"Ich muss hier raus", denkt Anna, wankt hinaus auf den Flur und taumelt langsam in Richtung Hintertür. Die frische Luft tut gut. Seltsam berührt wandert Anna die von den Straßenlaternen beleuchteten Straßen entlang.
"Du musst die Kurve kriegen, Anna, es wird Zeit."
Wendys Worte klingen ihr im Ohr nach.

Anna hat längst die Orientierung verloren, sie weiß nicht, wie lange sie schon ziellos durch die Stadt streift. Als sie um einen Ecke biegt, erblickt sie eine Tankstelle. Ihre Tankstelle. Wie in Trance läuft sie darauf zu. Vor der hell erleuchteten Scheibe bleibt sie stehen und schaut hinein. Direkt neben dem Eingang stapeln sich die Chipstüten und gleich dahinter sind die Zeitschriften mit ihren grell schreienden Titelbildern. Und am Ende des Raums befindet sich die Kassentheke. Die Verkäuferin wendet Anna gerade den Rücken zu. Es ist ein junges Mädchen, das fast die gleiche Frisur wie Anna trägt. Falsch. Es ist die gleiche Frisur. Und auch die Haarfarbe ist Annas zum Verwechseln ähnlich. Wer ist das?

Dann dreht sich das Mädchen um. Anna kann mit einem Mal nicht mehr denken. Ihr stockt der Atem.

Du willst wissen, wie es weitergeht? Teil 35 (und damit der letzte Teil!) der Kettengeschichte erscheint am Donnerstag, den 18. Dezember. Grande Finale!

Grenze mit Handicap

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Wenn es je ein Bild gegeben hat, das die Opulenz Europas und das Elend der Flüchtlinge an seinen Grenzen eindrücklich gegenüberstellt, dann dieses: ein Foto vom Golfplatz in Melilla mit seinen unerbetenen Zaungästen. Vorne schlagen Golfspieler ihre Bälle ins satt bewässerte Grün; im Hintergrund sitzen afrikanische Flüchtlinge rittlings auf einem mehrere Meter hohen Gatter. Doch dieses hegt eben nicht die palmenumsäumte Sportanlage ein, sondern ist eine Grenzbefestigungsanlage des Königreichs Spanien.



Dieses Bild ging um die Welt: Melillas Golfplatz an der Grenze zu Marokko.

Besonders pikant war die Information, dass die Europäische Union den Golfplatz in Spaniens nordafrikanischer Exklave mit 1,4 Millionen Euro bezuschusst hatte – auf Antrag der spanischen Regierung, die selber 3,5 Millionen Euro dafür lockermachte. Die EU-Kommission hat ihren Millionenzuschuss nun gerechtfertigt, mit Argumenten, die wie Hohn wirken müssen: Die Kofinanzierung des Golfplatzes sei Sportförderung – und daher dazu angetan, die Lebensqualität der EU-Bürger in Melilla zu verbessern.

Enthalten ist diese Bemerkung in der Antwort der EU-Regionalkommissarin Corina Creţu auf eine parlamentarische Anfrage der EU-Abgeordneten Marina Albiol. Die spanische Linke hatte sich daran gestoßen, dass das Geld für den Golfplatz ausgerechnet aus dem EU-Regionalfördertopf gekommen war. Diese Mittel sollen eigentlich dafür sorgen, dass sich die Lebensverhältnisse in den verschiedenen europäischen Staaten möglichst weit anpassen. Dass Melilla ein Infrastrukturproblem hat, ist unbestritten. Aber: „Glaubt die Europäische Kommission wirklich, dass ein Luxusgolfplatz der Korrektur von Ungleichgewichten in der EU dient?“, wollte Frau Albiol wissen. Nicht nur das, antwortete Kommissarin Creţu ziemlich wörtlich. Wenn man es genau nehme, schaffe man „durch die Förderung von öffentlicher Sportinfrastruktur“ nicht nur die Gelegenheit für Leibesübungen, sondern auch Investitionen und damit Jobs. Damit sei ein Ziel der EU-Regionalförderung sehr genau getroffen. Zusätzlichen Mehrwert entfalte das Golfplatzprojekt dadurch, dass das Grün auf einer inoffiziellen Müllhalde gepflanzt wurde, die zum Himmel stank. Man habe also zu besserem Müllmanagement in der Stadt Melilla – und damit auch zum Umweltschutz beigetragen. Albiol ist über diese Ausführungen empört. „In meinen Augen ist das eine einzige Unverfrorenheit“, sagte die Spanierin in Brüssel, „die Kommission will uns offenkundig für dumm verkaufen.“ Die Grünen-Abgeordnete Ska Keller, die wiederholt die Grenzanlagen an Spaniens Grenze besucht hat, hält Creţus Argumentationslinie ebenfalls für „völlig absurd“.

Das eigentliche Problem aber bleibt der Umgang des EU-Mitgliedsland Spanien mit den Flüchtlingen. Jedes Jahr versuchen mehrere Tausend Menschen, über den Zaun in Melilla nach Europa zu kommen, dort werden sie meist, oft unter Missachtung elementarer Grundrechte, wieder abgeschoben. Die Aufnahmebedingungen gelten als katastrophal. Dass ausgerechnet dort ein Golfplatz entstanden sei, „wo täglich das Flüchtlingsdrama zu beobachten“ sei, zeige nur, „wo die Prioritäten der EU liegen“, sagt Albiol. Damit habe der Platz tatsächlich eine besondere Symbolkraft.

Ebola wütet weiter

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Vielleicht sind es doppelt so viele, im Extremfall liegt die Zahl bis zu viermal so hoch. Mit diesem Hinweis hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO in den vergangenen Monaten immer wieder ihre Statistiken der Ebola-Opfer versehen, wohl wissend, dass ein wesentlicher Teil der Infizierten in Westafrika gar nicht erfasst wird.



Wie die WHO am Mittwoch meldete, sind 7897 Menschen in Sierra Leone als erkrankt registriert, in Liberia sind es 7719 Fälle.

Ein Zwischenfall in Sierra Leone eröffnet nun allerdings ein noch viel düsteres Szenario: Im Kunu-Distrikt, einem Diamantenschürfgebiet an der Grenze zu Guinea, ist ein Einsatzteam der WHO auf eine erschreckende Situation gestoßen. Die Helfer in der einzigen Krankenstation der Gegend waren am Rande ihrer Kräfte, einige selbst infiziert. 25 Patienten waren allein in den fünf Tagen vor der Ankunft des Teams gestorben. In der folgenden Woche begruben die Helfer weitere 87 Tote.

Offiziell registriert wurden in dieser entlegenen Region Sierra Leones seit Beginn der Epidemie im März insgesamt aber nur 119 Infektionen. Zumindest für Kunu können die Behörden deshalb sicher sein, dass ein massiver Teil der Ebola-Infektionen überhaupt nicht gemeldet wird. Die Gründe sind bekannt: In vielen Fällen haben die behördlichen Beobachter im ländlichen Raum nicht einmal ein Auto, um die Dörfer abzufahren und nach Ebolakranken zu suchen. Helfer können die eigenen Handygebühren nicht bezahlen. Und weiterhin bleibt auch die medizinische Versorgung außerhalb der Städte katastrophal.

Unterdessen hat Sierra Leone auch in der offiziellen Statistik Liberia überholt: Wie die WHO am Mittwoch meldete, sind 7897 Menschen in dem Land als erkrankt registriert, in Liberia sind es 7719 Fälle. Für Guinea zählen die Behörden 2292 Infektionen. Was auffällt: In Sierra Leone sterben laut Statistik nur etwa 20 Prozent der Erkrankten. In Guinea liegt die Todesrate um 62 Prozent. Die Zahlen für Sierra Leone sind damit auch in sich nicht stimmig. Offenbar verhält es sich mit Ebola wie mit einem Sprichwort der Einheimischen: „Wir haben erst die Ohren des Flusspferds gesehen“.

Schauplatz Berlin: Letzte Festreden

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Das Schwule Museum in Berlin liegt in einem seltsamen Niemandsland aus Möbelhäusern, Parkplätzen, Strich. Überall staksen junge osteuropäische Prostituierte auf einen zu, mit Barbielächeln im Gesicht: „Schön Feierabend? Blasen?“

Klaus Wowereit bekommt an diesem Abend nichts mit von den Frauen auf dem Strich. Er wird – noch – vorgefahren in einer Senatslimousine. Das Museum will dem Bürgermeister mit einer (erschreckend dürftigen) Ausstellung den Feierabend versüßen. So steht er dann pünktlich um 18 Uhr im Café, lässt hölzerne Reden mit müder oder gelangweilter Miene über sich ergehen, die stets mit dem millionenfach recycelten Wowereit-Klassiker von 2001 enden, als er bekannte: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“



Klaus Wowereit bei seiner Verabschiedung im Foyer des Roten Rathauses.

Die Sonne hat man schon lange nicht mehr in Berlin gesehen, Glanz allein bringen in diesen trüben Tagen die Wowereit-Festspiele. Alle wollen ihm noch einmal die Hand schütteln, ihn zum Abendessen und zu Varieté-Shows einladen. Die Lokalzeitungen schaufeln Doppelseiten frei für den König der Stadt. Heute, am Freitag, steht kein einziger Termin mehr im Kalender. Er werde vielleicht in ein Loch fallen, gibt er zu, das sei bei plötzlichem Renteneintritt ja oft der Fall. Vielleicht geht er aber auch einfach mal zum Friseur heute, waschen und legen. Kudamm-Coiffeur Udo Walz findet sicher noch Zeit für ihn.

Die Ausstellung im Schwulen Museum, das sind: ein paar Artikel, unter anderem einer aus der Neuen Revue, der Sabine Christiansen in inniger Umarmung mit Wowereit zeigt („Kann sie ihn noch umdrehen?“), 23 Unterschriften der Fußballspieler der Nationalmannschaft und ein Pappdouble von Wowereit. Der Noch-Regierende gibt sich Mühe, Interesse zu zeigen. Er ergreift dann auch das Wort („So viele Gelegenheiten habe ich ja nicht mehr“) und sagt, dass Schwulsein im politischen Betrieb „Gott sei Dank“ heute nur noch eine Randnotiz sei. Früher, wenn er mit seinem Lebenspartner, dem Chirurgen Jörn Kubicki, in dessen Dorf aufgekreuzt sei, „war niemand erfreut. Heute dagegen spielt die Blaskapelle auf, wenn ich komme“.

Einen Tag später hält Wowereit die wirklich allerletzte Rede als Regierender Bürgermeister, auf den Treppenstufen im Foyer des Roten Rathauses. Ein schwuler Männerchor singt und Applaus brandet auf, als Wowereit und Kubicki erscheinen. „Wir sind ja jetzt seit 20 Jahren zusammen“, sagt Wowereit und wird von Kubicki korrigiert: „22 Jahre“. In den Reden davor und danach wird Wowereits 13-jährige Amtszeit ein ums andere Mal auf sein Schwulsein reduziert und jenen millionenfach recycelten Satz. Doch dann wird es sogar Wowereit selbst zu bunt und zu viel mit den sonnigen Sätzen und der Lobhudelei. In seinem allerletzten Satz in seiner allerletzten Rede sagt er dann: „Es geht in Berlin nicht nur um uns Homosexuelle. Es geht um alle, die anders sind. Es gibt noch immer Ecken in Berlin, wo Männer nicht Hand in Hand laufen können und Juden keine Kippa tragen können, ohne angepöbelt zu werden.“

Dann verabschiedet der Männerchor Wowereit in den Lebensfeierabend und stimmt ein letztes Lied an. Alle wippen mit, Wowi auch: „There Is No Business Like Show Business.“

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Als Bill Clinton im Weißen Haus regierte, nannten Washingtons Journalisten die Zeitschrift The New Republic das „In-Flight Magazine of Air Force One“, das Bordmagazin also, das der Präsident im Flugzeug liest. Das war Angeberei – aber nicht nur: Das 100 Jahre alte liberale Magazin hat viel mehr Einfluss, als die bescheidene Auflage von schätzungsweise 50.000 Exemplaren vermuten ließe (offizielle Zahlen gibt es seit 2005 nicht mehr). Die New Republic ist oft schwere Kost, die Hochglanzzeitschrift kann aber bis heute die Meinungsführerschaft unter gemäßigt linken Intellektuellen in den USA für sich beanspruchen.



In diesem Herbst engagierte The New Republic-Eigentümer Hughes mit Gabriel Snyder einen neuen Chefredakteur. Das gedruckte Heft soll nur noch zehnmal im Jahr erscheinen, die Redaktion wird verkleinert und von Washington nach New York verlegt.

Möglicherweise nicht mehr lange. Vorige Woche verließ ungefähr ein Drittel der Redaktion Knall auf Fall die New Republic, 28 Journalisten, darunter die komplette Redaktionsspitze und der angesehene Literaturkritiker des Blattes, Leon Wieseltier. Die nächste Ausgabe musste gestrichen werden. Mit dem in der jüngeren Mediengeschichte einmaligen Exodus protestierten sie gegen den neuen Eigentümer Chris Hughes und dessen Digitalstrategie.

Es ist ein wenig wie beim deutschen Spiegel: Ein Magazin mit stolzer Geschichte leidet am Übergang ins Digitalzeitalter. Nur ist der Konflikt bei der New Republic radikaler, und alle Beteiligten sind konsequenter als die Kollegen in Hamburg. In Washington steht das Silicon Valley gegen die Tradition des gedruckten Meinungsjournalismus. Wichtigster Akteur ist Facebook-Mitgründer Chris Hughes, 31, der das kränkelnde Magazin 2012 gekauft hat. 2007 hatte er das aufstrebende Unternehmen Facebook mit schätzungsweise 700 Millionen Dollar in der Tasche verlassen. Hughes half Barack Obama im Wahlkampf und organisierte dessen Webauftritt.

Die andere Jungstars aus der digitalen Welt ließ sich Hughes von einem der großen Namen der gedruckten Welt faszinieren – Jeff Bezos von Amazon kaufte die Washington Post, Chris Hughes die New Republic. Zunächst sah es in der Redaktion nach einer echten Freundschaft zwischen Neuem und Altem aus. Hughes ließ die Website reformieren und verbesserte die interne Organisation. Vor allem aber zeigte er Ehrfurcht vor der Tradition. „Gewinn als solcher ist nicht mein Motiv“, sagte er der New York Times. „Der Grund, weshalb ich mich hier engagiere, ist die Tatsache, dass ich an die Art von energischem, kontextuellem Journalismus glaube, den wir als Gesellschaft brauchen.“ Ein Veteran des Magazins, Franklin Foer, wurde „Editor“, also de facto Chefredakteur unter dem nominellen Chef Chris Hughes.

Von Gewinnen konnte bei der New Republic tatsächlich keine Rede sein. Das Heft war seit Jahren defizitär, und unter Hughes stiegen die Verluste weiter, bis auf fünf Millionen Dollar, schätzt die New York Times. In diesem Herbst scheint Hughes die Geduld verloren zu haben. Als erstes engagierte er einen neuen Geschäftsführer: Guy Vidra, der von Yahoo kommt. Vidra beendete die Zeit der netten Worte. Chefredakteur Franklin Foer wurde gefeuert und durch Gabriel Snyder ersetzt, einem Nachrichtenredakteur von Bloomberg News, der auch schon für das Klatschportal Gawker gearbeitet hatte. Vidra und Snyder begannen aufzuräumen. Das gedruckte Heft soll statt zweimal im Monat nur noch zehnmal im Jahr erscheinen, die Redaktion wird verkleinert und von Washington nach New York verlegt. Aus dem Magazin soll ein „vertikal integriertes digitales Medienunternehmen“ werden. Entlassungen immerhin werden dank des Massenexodus nicht mehr nötig sein. Hughes muss sich eher überlegen, wie er Stellen neu besetzt, damit nicht noch ein weiteres Heft ausfällt.

Der Konflikt ist mit Emotionen überladen. Die New Republic sei „eine der großen Lieben meines Lebens“, schrieb der geschasste Foer in einem Memo an die Kollegen. Kein Wunder bei dieser Geschichte: Die erste Ausgabe erschien vor fast genau 100 Jahren, am 7. November 1914. Zu den Gründern gehörten die großen liberalen Publizisten Walter Lippmann und Herbert Croley. Die neue Zeitschrift setzte sich für weitreichende Sozialreformen ein, später für den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg. Hinterher entdeckte Lippmann zu seinem Entsetzen, wie sehr politisch motivierte Journalisten im Krieg die öffentliche Meinung manipuliert hatten. Als Konsequenz schrieb er 1920 den bis heute lesenswerten Aufsatz „Liberty and the News“ über den Ethos des unbestechlichen Journalisten. Die New Republic trug wesentlich dazu bei, dass der Begriff „Liberalismus“ in Amerika seine Bedeutung änderte. Ein „Liberaler“ im modernen amerikanischen Sinne kämpft nicht nur für die persönliche Freiheit, er versucht dieses Ziel mittels starker Staatseingriffe zu erreichen. Später fochten die Linken in der New Republic ihre Debatten aus, über die Haltung zur Sowjetunion, den Antikommunismus, den Vietnamkrieg und die Unterstützung Israels.

Und jetzt das Internet-Zeitalter. Ein Problem scheint gewesen zu sein, dass sich die Journalisten und die neuen Macher aus dem Silicon Valley auf sehr fundamentale Weise nicht verstanden. „Es gab einen kulturellen Bruch, der eigentlich nicht nötig gewesen wäre“, sagte Julia Ioffe, eine junge Ex-Redakteurin, dem Wall Street Journal. Niemand habe etwas dagegen gehabt, mehr im Internet zu tun. Sie selbst und Ex-Chef Franklin Foer sind eifrige Blogger. Der neue Chef Guy Vidra schien indes mit der Redaktion nicht kommunizieren zu können. „Es war wie Kaffeesatzlesen. Guy redet in Silicon-Valley-Phrasen. Wenn wir ihn nach Details gefragt haben, schien er nie eine Antwort zu wissen.“ Vidra seinerseits sagte dem Magazin Politico, der Verdacht, er strebe eine klick-getriebene Aggregatorseite an wie BuzzFeed, sei absurd.

Es bleibt die Frage, ob durchs Internet reich gewordene Unternehmer wirklich in der Lage sind, Journalismus und nicht nur Software zu denken. Jeff Bezos will die Washington Post als App aufs Tablet bringen. Das macht immerhin neugierig. Vergleichbare Ideen fehlen bei der New Republic. Das pompöse Wort vom „vertikal integrierten digitalen Medienunternehmen“ ist bis auf Weiteres eine Leerformel. Niemand hat bisher gesagt, was das bedeutet, außer weniger Druckausgaben. Kein Wunder, dass die Redakteure weglaufen.

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