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Zu dunkel

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In der Oper geht es bei Besetzungen nicht nur um die Stimme. Natürlich spielen auch Äußerlichkeiten eine Rolle. Und dann kann es schwierig werden: Ist es Rassismus oder Regiekonzept, wenn ein Schwarzer eher den bösen Monostatos als den guten Tamino singt? Muss Madame Butterfly von einer Japanerin gespielt werden? Thomas Stimmel, 29, Nachwuchs-Opernsänger mit deutscher Mutter und afroamerikanischem Vater, hat seine Diplomarbeit zum Thema „Apartheid im klassischen Gesang“ geschrieben. Er hatte selbst schon Probleme wegen seiner Hautfarbe. Ein Gespräch über Stereotype.



Dieser Text ist Teil der SZ-Recherche zum Thema "Toleranz". Alle weiteren Texte zu dem Thema findest du hier auf SZ.de

Thomas, hast du wegen deiner Hautfarbe schon mal einen Job nicht bekommen?
Thomas Stimmel: Während meines Studiums war ich mal in einem Stechen für eine Partie und der Regisseur sagte: „Die Stimme ist gut, aber optisch passt du nicht in mein Konzept.“ Klar, in so einem Vorsingen spielen viele Variablen eine Rolle, es kann auch an meiner Nase oder an den Schuhen gelegen haben. Keiner würde offen sagen: „Wir nehmen dich nicht, weil du nicht weiß bist.“ Aber ich glaube, dass es in dieser Situation an meiner Hautfarbe lag.

Ist das ein gängiges Problem?
Mein Professor für Schauspiel in Berlin hat mir mal gesagt: „Als Schwarzer musst du immer besser sein als die anderen.“ Das kann ich bestätigen und es gibt einige etablierte Sänger, bei denen die Hautfarbe eine Rolle in ihrem Job spielte: Simon Estes, ein sehr bekannter Bassbariton, der unter anderem in Bayreuth den Holländer gesungen hat, wurde beispielsweise zuerst fast immer als „rohes, wildes Tier“ inszeniert. Das hat ihm sehr wehgetan.

Der schwarze Mann als Urmann?
Ja. Bis vor einigen Jahren war es noch so, dass das Opernpublikum keine weiße Frau mit einem schwarzen Liebhaber auf der Bühne sehen wollte, weil der schwarze Mann als übersexualisiert, tierisch und triebhaft galt. Aber ein weißer Spielpartner mit einer schwarzen Frau hat einen „exotischen Touch“. Stereotype, die schwarzen Frauen zugerechnet werden – etwa dass sie lasziv, offen oder leidenschaftlich sind –, waren für das Publikum nie ein Problem. Dasselbe Phänomen gibt es nach wie vor im Film.

Man bekam als dunkelhäutiger Sänger also keine Liebhaber-Rollen?
US-amerikanische Studien aus den Neunzigerjahren, die ich für meine Diplomarbeit verwendet habe, belegen, dass schwarze Tenöre gezielt für Konzert- und Liedgesang ausgebildet wurden. Nicht für die Opernbühne. Der Tenor ist in der Oper meist der Liebhaber, aber ein Schwarzer hatte keine Chance, besetzt zu werden. Zumindest, wenn die Spielpartnerin nicht auch schwarz war.

Ändert sich das?
Ja, seit ein paar Jahren gibt es sehr erfolgreiche schwarze Tenöre. Die konservative Generation wird langsam durch eine neuere ersetzt.

Und das Publikum wird auch offener?
Ich glaube, das Publikum ist mittlerweile der offenste Part. Das Problem sind eher Intendanten und Regisseure, die für die Besetzungen und Produktionen verantwortlich sind. Die sind von einem bestimmten europäischen Sängeridealbild geprägt.

"Wir können nicht mehr so viele Asiaten besetzen, weil alle gleich ausschauen."


Es gibt ja in den traditionellen Opern oft explizit „schwarze“ Rollen – meist sind das die Bösen, die Exoten, die Außenseiter. Wird man als Dunkelhäutiger zu oft auf diese Rollen festgelegt?
Manchmal, ja. In der „Zauberflöte“ gibt es die Rolle des Monostatos, das ist der böse Mohr und Diener. Ein Sängerkollege von mir, der aus Sri Lanka stammt, schwarz ist und dessen Traumrolle Tamino wäre, hat bei einem Vorsingen gehört: „Du wirst mit deinem Aussehen eher Monostatos singen und nicht Tamino.“ Das wurde natürlich dann auch noch mit seiner Stimmfarbe begründet, aber die Aussage ist schon hart für einen jungen Sänger. In der Oper „Peters Bryllup“ von Johann Abraham Peter Schulz hat er kurz danach die Partie des Mohren Martin gesungen und wurde bestimmt nicht nur wegen seiner Stimme besetzt.

Hast du manchmal auch Vorteile durch dein Äußeres?
Das ist zweischneidig. Klar kann es ein Vorteil sein, weil man unter Umständen interessanter ist und natürlich aus der Menge hervorsticht. Es kommt auf so viel an, auf den Regisseur, auf das Konzept, auf den musikalischen Geschmack. Aber es sollte ja um weit mehr gehen als um Optik – nämlich um Emotionen, Ausdruck und musikalische Qualität auf der Bühne. Und eigentlich sollte da egal sein, wie man aussieht.

Ist die Fixierung auf Äußerlichkeiten auch an der Hochschule ein Thema?
Definitiv. Wenn dort jemand vorsingt, der nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht, wird gesagt: „An einem Opernhaus wird der- oder diejenige es schwer haben.“

Hattest du viele Kommilitonen aus dem Ausland?
An der Hochschule in München hatte ich sehr viele Kollegen aus dem asiatischen und slawischen Raum. In Berlin gab es außerdem viele Studenten aus Skandinavien, Indien und dem arabischen Raum. In Asien wird viel Wert darauf gelegt, einen Teil der Ausbildung, quasi den letzten Feinschliff, in Europa zu absolvieren. Hier ist die Wiege der Oper und der klassischen Musik und die Arbeitsbedingungen sind in Deutschland noch verhältnismäßig gut. Aber viele sehr qualifizierte asiatische Sänger haben mittlerweile mit ähnlichen Vorurteilen zu kämpfen wie schwarze Sänger.

Wieso?
An vielen Opernhäusern wird gesagt: „Wir können nicht mehr so viele Asiaten besetzen, weil die alle gleich ausschauen.“ Oder einfacher gesagt: Eine Sophie oder Annina im „Rosenkavalier“ sollte eben auch europäisch aussehen.

"Du wirst mit deinem Aussehen eher Monostatos singen und nicht Tamino."


Ich habe mal „Madame Butterfly“ in einer sehr traditionellen Inszenierung gesehen. Die Hauptrolle wurde von einer Russin gesungen – die aber als Japanerin geschminkt war. Man hatte ihr Schlitzaugen geschminkt. Das fand ich irritierend.
Im Libretto ist die Figur der Madame Butterfly eine Japanerin, die Oper spielt in Japan. Meiner Meinung nach könnte man das im Regietheater aber auch anders lösen, als Schlitzaugen zu schminken. Klischees sollten im 21. Jahrhundert auf der Opernbühne keine Rolle mehr spielen. Muss denn jede Japanerin wie eine Japanerin aussehen?

Hat sich dein Umgang mit dem Thema Hautfarbe verändert?
Ja. Es gab die Verleugnungsphase, in der ich so getan habe, als ob ich nicht sehen würde, dass ich anders aussehe. Im Nachhinein ist das natürlich Unsinn. Dann gab es die Phase, in der ich mich echauffiert habe über Kommentare zu meiner Hautfarbe. Und jetzt bin ich auf dem Stand, dass mich mein Umfeld, sei es privat oder beruflich, so akzeptieren muss wie ich bin – schließlich kann ich es nicht ändern und möchte das auch nicht.

Du kämpfst aber weiter dafür, dass sich an der Kultur etwas ändert.
Das versuche ich. Besonders als Künstler darf man doch das Thema Diskriminierung und Rassismus nicht totschweigen. Wir müssen offen damit umgehen. Die Kultur sollte Denkanstöße geben und die Menschen anregen, über den Tellerrand hinauszusehen.

Du planst da ja auch ein Projekt zum Thema . . .
Ja, es ist noch sehr inoffiziell, aber ich plane eine CD mit schwarzen Komponisten, die zu der gleichen Zeit wie zum Beispiel Mozart, Schubert, Mahler, Brahms und so weiter tolle Werke geschaffen haben, die aber niemand kennt. Es geht mir darum, nicht das Alte immer wieder aufzuwärmen, sondern andere, neue Aspekte aufzuzeigen.

Zu dick

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Anstatt Cappuccino zu trinken, bestellt Tara Erraught einen Ingwertee. Und obwohl die Münchner Herbstsonne scheint, wickelt sie einen Schal um ihren Hals. Immer wieder kommen Leute am Café vorbei, die ihr zuwinken. Sie winkt jedem mit einem Strahlen im Gesicht zurück. Hier, in Opernnähe, kennen sie viele. Die 28-Jährige ist Mezzosopranistin an der Bayerischen Staatsoper. Sie singt dort, seit sie 22 Jahre alt ist, da hatte sie ihr Gesangsstudium in Dublin noch nicht einmal abgeschlossen. Heute gibt die Irin ein Rollendebüt nach dem anderen. Im Frühjahr dieses Jahres war sie sogar beim Glyndebourne Festival zu sehen, vom Renommee her eine Art englisches Bayreuth. Da kam die Kritik.

Nicht an ihrem Gesang als Octavian im „Rosenkavalier“ – daran hatten die britischen Kritiker der Times, der Financial Times und des Daily Telegraph nichts auszusetzen. Es war Taras Figur: Sie sei „ein molliges Bündel aus Babyspeck“, „unansehnlich, unattraktiv“ und „eine optische Fehlbesetzung“.



Dieser Text ist Teil der SZ-Recherche zum Thema "Toleranz". Alle weiteren Texte zu dem Thema findest du hier auf SZ.de

Die Debatte „Dürfen Sänger dick sein?“ ist nicht neu. Schon in den Fünfzigerjahren nahm Maria Callas 30 Kilo ab. 2004 ließ sich die Opernsängerin Deborah Voigt den Magen verkleinern. Das Royal Opera House London hatte ihr die Rolle der „Ariadne auf Naxos“ entzogen – weil ihr das Kleid, auf das der Regisseur bestand, nicht passte. Mittlerweile sind offenbar beinahe Model-Maße gewünscht.

"Ein Bündel aus Babyspeck", schrieben Kritiker über Tara. Was macht das mit einem?


Wer fordert also plötzlich Size-Zero bei Sängern? Sind es Kritiker, Intendanten oder Publikum? Und was machen solche Schlankheitserwartungen mit den Künstlern und dem Opernmarkt von morgen?

Tara äußerte sich in der Öffentlichkeit zunächst gar nicht zu den Kritiken. Jetzt, knapp ein halbes Jahr später, sagt sie: „Ich wusste, dass so etwas passieren kann, ich wusste es in dem Moment, als ich mich für die Bühne entschied.“ Wenn sie über die Beleidigungen spricht, kommt der selbstbewusste Profi in ihr durch, der gelassen vom Schutzpanzer spricht, den man im Business haben muss. Wenn sie hingegen von ihrem Beruf erzählt, reißt sie ihre blauen Augen weit auf, lacht häufig und gestikuliert ungestüm mit den Händen. Da sieht man eine junge, quirlige Frau, die auf einer irischen Farm groß wurde und genug Talent und Ehrgeiz hatte, um zu einer international gefragten Opernsängerin zu werden: Mit zehn Jahren nimmt sie heimlich Gesangsunterricht. Ihre Eltern sollen es nicht merken. Mit 17 zieht sie von zu Hause aus und bei ihrer Gesangslehrerin in London ein. Wer von Anfang an kämpft, steckt auch ein paar Beschimpfungen weg. Der Weg von der Farm auf die Bühne war härter als ein paar dumme Worte.

Dass die Oper ansonsten aber gerade für junge Leute ein hartes Metier ist, betont auch Balázs Kovalik. Er ist an der Münchner Musikhochschule Leiter im Studienfach Operngesang und wählt den Sängernachwuchs bei der Aufnahmeprüfung aus: „Wir bilden unsere Studenten für die Opernhäuser aus und müssen dementsprechend darauf achten, wie wir sie verkaufen können. Da rechnen wir schon damit, dass viele Intendanten und Regisseure optische Klischeeerwartungen mitbringen.“ Klischeeerwartungen von der schlanken, dunkelhaarigen Carmen etwa? Und von der blonden und natürlich auch schlanken Protagonistin der „Entführung aus dem Serail“? Kovalik nickt und sagt dann: „Einer Sängerin, die nicht dieses Klischee anspricht, müssen wir in der Ausbildung klar machen, dass sie an solche Rollen viel schwieriger rankommen wird.“

Seit knapp 15 Jahren werden die Opernsänger, die Hauptrollen spielen, immer dünner. Das beobachtet Johannes Schatz, Leiter des Deutschlandablegers von „Art but Fair“. Der Verein setzt sich für gute Gagen und Arbeitsbedingungen ein. Agenten würden ihm immer wieder bestätigen, dass beleibte Künstler nicht mehr engagiert werden. „Erst letztens gab es eine Ausschreibung, auf die sich keine Dicken bewerben sollten.“ Nach Meinung von Schatz sind die Intendanten und Regisseure dafür verantwortlich. Die hätten in den vergangenen Jahren bei Besetzungen verstärkt Schönheitsideale berücksichtigt. Oft zulasten der Stimme. Dem Publikum sei es egal, ob ein Pavarotti mit 170 Kilo auf der Bühne stünde oder ein Tenor mit 75 Kilo.

Balázs Kovalik von der Musikhochschule sieht das anders: „In unserer Gesellschaft ist es heute nun einmal Mode, schlank zu sein. Das ist der Geschmack des Publikums, den die Intendanten bedienen.“ Deswegen versuchen Nachwuchssängerinnen, es allen recht zu machen. Schon beim Vorsingen an der Musikhochschule sollen die Bewerber „geeignete Kleidung mitbringen“. So steht das auf der Homepage des Münchner Studiengangs. Viele junge Frauen spielen das Spiel mit und singen im eng anliegenden Abendkleid vor. „Fast alle Bewerberinnen bringen schon Modelmaße mit“, resümiert Kovalik.

Fast alle, die sich an Musikhochschulen bewerben, haben inzwischen Modelmaße


Nikolaus Bachler, Intendant der Münchner Staatsoper, will davon nichts wissen: „Natürlich würde ich beleibtere Sänger besetzen, wir sind doch nicht die Modebranche.“ Dass Sänger immer dünner werden, kann aber auch er nicht leugnen. Das liege seiner Auffassung nach an der modernen Inszenierungspraxis. „Der theatralische Aspekt ist in der Oper in den vergangenen 20 Jahren wichtiger geworden, und da gibt es bestimmte Besetzungskriterien.“ Opernsänger müssen demnach verstärkt rennen, springen und klettern können, während sie singen. Ein schlanker, durchtrainierter Körper tut sich da natürlich leichter.

Tara geht täglich joggen, um für ihre Rollen fit zu sein. Eine Diät wegen der Opernbühne habe sie aber nie gemacht. Zwar ist die verbreitete Annahme, ein Opernsänger brauche genügend Resonanzraum und damit Leibesfülle, um ordentlich zu klingen, ein Mythos. Aber abzunehmen kann für Stimme und Technik gefährlich sein. Wenn sich Brust- und Bauchmuskeln verändern, können Atemtechnik und Zwerchfellstütze manchmal nicht mehr wie gewohnt funktionieren. „Es macht mir wirklich Angst, wenn ich junge Sängerinnen sehe, die unter dem Druck im Business leiden“, sagt Tara. „Einige nehmen zu schnell zu viel ab und riskieren, dass ihre Stimme einen Schock erleidet und die Technik kaputt geht.“

An sich selbst und ihrem Körper zweifelt Tara nicht: „Du kannst als Sängerin nie alles haben. Aber was du neben einer guten Stimme und einer guten Technik brauchst, sind Selbstbewusstsein und Persönlichkeit. Andernfalls kannst du dich nicht souverän vor 2500 Menschen auf die Bühne stellen.“ Wie das angesichts von Kritiken wie nach dem Glyndebourne Festival geht? „Ich lese nie Kritiken. Und schon gar nicht, wenn ich auftrete.“

Die 30.000-Euro-Frage

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30 000 Euro in 90 Tagen. Davon träumen fünf junge Männer mit ungewaschenen Mähnen und ausgewaschenen Hosen. The Whiskey Foundation nennen sie sich. Die Münchner spielen knarzigen Blues, ein bisschen wie überreizte Doors auf Amphetamin. The Whiskey Foundation sind eine Band, die bei Musicstarter mitmacht, Deutschlands erstem Crowdfunding-Musiklabel.

360 000 Euro in 90 Tagen. Davon träumt Jörg Koshorst – Kurzhaarschnitt, Dreitagebart, Aftershave. Koshorst ist Geschäftsführer von Musicstarter und damit Labelboss und Start-up-CEO in einem. Neben The Whiskey Foundation hoffen bei seinem Projekt noch elf weitere Künstler auf den Plattendeal – für den sie jeweils 30 000 Euro zusammenbekommen müssen.

Im Musikbusiness arbeitet Koshorst seit Jahren, früher als Manager bei Universal und Bertelsmann. Spricht er von Musicstarter, rattern seine Worte zwischen Fachsprech und Romantik hin und her. „Mit unserer Vision können wir die nächste Stufe zünden, um nachhaltig neue Talente zu fördern“, sagt er. „Nicht wie bei klassischem Crowdfunding, wo man Geld generiert und sich am Ende fragt, wie das genau eingesetzt wird.“

Ist Crowdfunding wirklich eine Chance für Newcomer-Bands? Eher nein. Geld bekommt, wer schon bekannter ist


Sammeln The Whiskey Foundation die 30 000 Euro, ist laut Koshorst genau geregelt, was mit dem Geld passiert: Plattendeal, Aufnahme, Veröffentlichung. Dann: spielen, spielen, spielen. „Wir begleiten die Jungs während und nach der Funding-Phase mit Know-How, mit Promo, mit Kontakten“, sagt Koshorst. Dafür greift das kleine Label Musicstarter auf große Namen zurück: Burda macht die Medienarbeit, Universal kümmert sich um den Vertrieb. „Das ist ein geiles Angebot. Und eine Möglichkeit, bei der wir nichts verlieren können“, sagt Franz Klein, der Bass spielt bei The Whiskey Foundation. „Wir machen seit drei Jahren alles selbst und haben gemerkt, dass es wahnsinnig schwierig ist, wenn man sich als aufstrebende Band dem ganzen Medienzirkus nicht anschließt.“ Um bei Musicstarter reinzukommen, musste die Band eine Vorauswahl durchlaufen. „Wir gucken einfach, wer draußen so spielt“, erklärt Koshorst das. „Wenn wir was geil finden, rufen wir an und treffen uns.“


The Whiskey Foundation brauchen 30 000 Euro durch Crowdfunding. Dann bekommen sie einen Plattenvertrag.

Kickstarter,Starnext, Vision Bakery– Plattformen für Crowdfunding gibt es viele. Das Prinzip dahinter: Jemand braucht Geld für ein Projekt und setzt einen Zeitpunkt fest, wann es da sein muss. Wer dafür bezahlt, bekommt am Ende ein Dankeschön – vorausgesetzt, die für das Projekt angesetzte Summe kommt tatsächlich zusammen. Auch speziell für Musik haben sich in den vergangenen Jahren mehrere Crowdfunding-Plattformen gegründet – PledgeMusic, Sellaband oder wemakeit etwa. Musicstarter hingegen verbindet das klassische Musikbusiness mit dem Zugang des Crowdfundings: Ist eine Band erfolgreich, bekommt sie eine Rundumversorgung mit automatischem Plattenvertrag.

Gerade der Musikbereich ist, was Crowdfunding betrifft, im Aufbruch“, sagt Wolfgang Gumpelmaier. Der Kommunikationswissenschaftler berät Firmen und Kulturschaffende zum Crowdfunding. „Das professionalisiert sich allmählich. Oder es schaltet Labels aus, weil Bands direkt mit ihren Fans kommunizieren können.“ Ist Crowdfunding also automatisch eine Chance für Newcomer-Bands?

Einer Studie der Popakademie Baden-Württemberg nach sind vor allem jene Musiker im Crowdfunding erfolgreich, die schon professioneller sind. Netzaffiner. Und: bekannter. „Natürlich hilft am Anfang eine gewisse Bekanntheit, um von Medien aufgegriffen zu werden“, sagt Gumpelmaier. „Aber Crowdfunding funktioniert auch bei kleinen Bands, die sich mit sozialen Medien auseinandersetzen wollen und können.“

The Whiskey Foundation posten viel auf Facebook: 3000 Fans. Oder auf Youtube: Ein Video hat immer 16 000 Aufrufe. Über das Netz scheinen auch sie Bescheid zu wissen. Was The Whiskey Foundation nicht wissen: wie der Plattenvertrag bei Musicstarter genau aussieht. Sie vertrauen Koshorst, der die Konditionen des Deals „branchenüblich“ nennt. Klar ist, dass während des Fundings weder Fans noch Künstler eine Provision an Musicstarter zahlen müssen. Die Firma finanziert sich wie ein klassisches Label über Plattenverkäufe – vorausgesetzt, der Künstler schafft es, die 30 000 Euro zu sammeln. Wird die Summe nicht erreicht, bekommt jeder Supporter seinen zugesagten Betrag zurück. „Wenn’s nicht klappt, dann hatten die Band und wir zumindest eine spannende Zeit“, so Koshorst.

Wenn es so etwas wie eine Galionsfigur des auf Platte gepressten Crowdfundings gibt, dann ist es Amanda Palmer. 2012 hat sie mehr als eine Million Dollar durch Crowdfunding eingenommen. Die Summe hat Palmer unter anderem in ihr Solo-Album gesteckt. Platz zehn der US-Charts. Aber hat sich Crowdfunding danach als Modell im Musikbusiness etabliert? „Crowdfunding ist die Gegenwart. Nur man sieht den Einfluss gerade noch nicht so stark“, sagt Pierre Bee. Er ist Sänger der Berliner Band I Heart Sharks, die 2011 ihr Debütalbum mittels Crowdfunding und ohne Plattenfirma finanziert haben. Sie hatten zuvor aber schon auf großen Festivals gespielt. Dass Newcomer wie The Whiskey Foundation die 30 000 Euro sammeln können, hält Bee für unrealistisch. „Dafür müsste man schon sehr bekannt sein“, sagt er.

Wolfgang Gumpelmaier ist ebenfalls skeptisch. „In Deutschland ist Crowdfunding noch nicht richtig angekommen“, sagt er. „Es etabliert sich so langsam.“ Grundsätzlich befürwortet er die Idee, eine neue Musikplattform in Deutschland zu schaffen, die Crowdfunding mit einem professionellen Apparat koppelt. „Vielleicht hätte Musicstarter aber mit weniger Projekten starten sollen. Zwei Projekte, um zu beweisen, dass solche Summen möglich sind.“ Außerdem sollten seiner Ansicht nach die Bands nicht im Vorfeld von der Plattenfirma ausgewählt werden. „Das widerspricht der Idee von Crowdfunding“, sagt er. Stattdessen sollte jeder Zugang haben. „Auch Projekte, die es auf klassischem Wege nicht schaffen oder sich nicht trauen würden, könnten so eine Community aufbauen und sich finanzieren lassen.“

"Mainstraminge Genres ziehen beim Crowdfunding mehr." Sagt der Experte


Aber welche Musik ist denn nun geeignet für Crowdfunding? Anscheinend Schmachtfetzen zwischen Deutschpop und Schlager. Denn eine Band hat das Hoffen auf den Plattenvertrag bereits hinter sich: Stereo Herz, die Zeilen wie „Du erkennst mich/neben Dir fühlt man sich leicht. Du hast so viel Mut zum Träumen/und Dein Rückgrat macht Dich reich“ singen. Am 6. November dieses Jahres haben sie das Funding-Ziel erreicht und einen Plattenvertrag mit Musicstarter erhalten – eine knappe Woche vor Fristablauf. Auch Künstler aus dem Feld Black Music sind recht erfolgreiche Crowdfunder – nach Pop und Rock die erfolgreichsten, wie die Popakademie Baden-Württemberg in ihrer Studie ermittelt hat. „Mainstreamige Genres ziehen beim Crowdfunding mehr“, sagt Gumpelmaier. „Aber auch jede Nische kann ihre Community finden.“ Laut Bee ist das Genre letztlich nicht so entscheidend. „Crowdfunding ist für Künstler, die nah am Publikum sind.“ Für Gangster-Rapper sei Crowdfunding damit zum Beispiel nichts, denkt I Heart Sharks-Sänger Bee: „Crowdfunding würde zeigen, dass die wenig Geld haben. Das wäre schlecht fürs Image.“   Ob The Whiskey Foundation mit ihrem Knarzblues und drei Konzerten monatlich die 30 000 Euro zusammenkriegen, ist fraglich. Den Fans der Band war der Plattenvertrag mit Musicstarter in den ersten Monaten 459 Euro wert. Um die restlichen 29 541 Euro einzunehmen, bleibt ihnen noch ein Tag. (Stand: 10. November 2014)

Wochenvorschau: So wird die KW 46

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Wichtigster Tag der Woche:
Samstag. Ich werde mir meinen Brustbeutel umhängen, meine Tennissocken hochziehen und mit voll geladenem Kameraakku durch München tingeln. Ich bin nämlich neu hier und dann kann man das ja mal so machen.

Kulturelles Highlight:
Wer schon immer mal etwas Verrücktes tun wollte, sich dann aber doch nicht so richtig getraut hat, kann derzeit im Münchner Stadtmuseum immerhin Anderen dabei zugucken. Das Museum hat Fotos und Videos von dreizehn verschiedenen Künstlern gesammelt, die das Leben von Aussteigern dokumentiert haben. Mit dabei sind die „Hutterer“, eine strengchristliche Wiedertäufer-Gemeinde aus Kanada und der Klassiker: Eine Gruppe junger Hippies, die in den Neunzigern im Bus von Festival zu Festival fährt und die Trendwende von LSD zu MDMA miterlebt (laut Aussage des Fotografen Tom Hunter). Ich werd’s mir angucken. Und danach vielleicht mal mit zwei verschiedenen Socken zur Arbeit kommen. Huiuiui.

Politisch interessiert mich ...
..., dass in Spanien am heutigen Sonntag die Katalanen über ihre Unabhängigkeit abstimmenn – auch wenn das Ergebnis nicht rechtlich verbindlich ist. Im September haben schon Hunderttausende Katalanen an ihrem Nationalfeiertag auf den Straßen demonstriert. Sogar Hunden wurde die Nationalflagge umgewickelt. Wenn ähnlich viele Menschen heute in die Abstimmungslokale gehen, bin ich auf die Reaktionen gespannt, die in den kommenden Tagen folgen werden.



Demonstration in Barcelona im September.

Soundtrack:
Hip-Hop ohne Rap ist Beatmusik. Flinke Zungen müssen bei den „Betty Ford Boys“ schweigen. Der Song ist zurückgelehnt und entspannt. Dafür darf Wackeldackel-mäßig mit dem Kopf genickt werden. Und genau das mache ich jetzt jeden Morgen, wenn ich Bahn fahre und diesen Track höre, den mir der liebe Praktikanten-Kollege Gregor empfohlen hat.

http://www.youtube.com/watch?v=8WmLsvFSiXg#t=126

Wochenlektüre:
Wann kommen sie? Die Hälfte von Wolfgang Herrndorfs „unvollendetem Roman“ habe ich durchgelesen und Maik „Möchtegern-Klinge“ Klingenberg und Tschick sind noch nicht aufgetaucht. Dafür wird Isa immer gestörter, ranziger und sympathischer. Diese Woche werde ich „Bilder deiner großen Liebe“ zu Ende lesen und danach ganz traurig sein. Letztes Buch und so.

Kinogang:
Eyyyyy! Auch so interessiert an „Der Mannschaft“ und Götzes tiefsinnigen Gedanken zum WM-Sieg? Nein? Gut. Dann könnt ihr euch ja wie ich „Mommy“ von Xaver Nolan angucken. Der Trailer ist zwar etwas befremdlich, vor allem, als klein Alex „Mommy“ an die Brüste grabscht, aber dafür ist der Film im Quadrat-Bildformat gedreht und das finde ich irgendwie aufregend.

http://www.youtube.com/watch?v=d7rtSqI0ZeA

Geht gut diese Woche:
Bahn fahren.

Geht gar nicht:
Noch mehr Einheit.

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Wochenvorschau: So wird die KW 46 Wichtigster Tag der Woche: Samstag. Ich werde mir meinen Brustbeutel umhängen, meine Tennissocken hochziehen und mit voll geladenem Kameraakku durch München tingeln. Ich bin nämlich neu hier und dann kann man das ja mal so machen. Kulturelles Highlight: Wer schon immer mal etwas Verrücktes tun wollte, sich dann aber doch nicht so richtig getraut hat, kann derzeit im Münchner Stadtmuseum immerhin Anderen dabei zugucken. Das Museum hat Fotos und Videos von dreizehn verschiedenen Künstlern gesammelt, die das Leben von Aussteigern dokumentiert haben. Mit dabei sind die „Hutterer“, eine strengchristliche Wiedertäufer-Gemeinde aus Kanada und der Klassiker: Eine Gruppe junger Hippies, die in den Neunzigern im Bus von Festival zu Festival fährt und die Trendwende von LSD zu MDMA miterlebt (laut Aussage des Fotografen Tom Hunter). Ich werd’s mir angucken. Und danach vielleicht mal mit zwei verschiedenen Socken zur Arbeit kommen. Huiuiui. Politisch interessiert mich ... ..., dass in Spanien am Sonntag die Katalanen über ihre Unabhängigkeit abgestimmt haben – auch wenn das Ergebnis nicht rechtlich verbindlich ist. Im September haben schon Hunderttausende Katalanen an ihrem Nationalfeiertag auf den Straßen demonstriert. Sogar Hunden wurde die Nationalflagge umgewickelt. Wenn ähnlich viele Menschen am Sonntag in die Abstimmungslokale gehen, bin ich auf die Reaktionen in Barcelona und Madrid am Montag gespannt. Soundtrack: Hip-Hop ohne Rap ist Beatmusik. Flinke Zungen müssen bei den „Betty Ford Boys“ schweigen. Der Song ist zurückgelehnt und entspannt. Dafür darf Wackeldackel-mäßig mit dem Kopf genickt. Und genau das mache ich jetzt jeden Morgen, wenn ich Bahn fahre und diesen Track höre, den mir der liebe Praktikanten-Kollege Gregor empfohlen hat. http://www.youtube.com/watch?v=8WmLsvFSiXg#t=126 Wochenlektüre: Wann kommen sie? Die Hälfte von Wolfgang Herrndorfs „unvollendetem Roman“ habe ich durchgelesen und Maik „Möchtegern-Klinge“ Klingenberg und Tschick sind noch nicht aufgetaucht. Dafür wird Isa immer gestörter, ranziger und sympathischer. Diese Woche werde ich „Bilder deiner großen Liebe“ zu Ende lesen und danach ganz traurig sein. Letztes Buch und so. Kinogang? Eyyyyy! Auch so interessiert an „Der Mannschaft“ und Götzes tiefsinnigen Gedanken zum WM-Sieg? Nein? Gut. Dann könnt ihr euch ja wie ich „Mommy“ von Xaver Nolan angucken. Der Trailer ist zwar etwas befremdlich, vor allem, als klein Alex „Mommy“ an die Brüste grabscht, aber dafür ist der Film im Quadrat-Bildformat gedreht und das finde ich irgendwie aufregend. Trailer: http://www.kino.de/kinofilm/mommy/154388 (der ganz rechts, es sind drei da) Geht gut diese Woche: Bahn fahren. Geht gar nicht: Irgendwelche Nachdrehen zum 25-jährigen Einheits-Nachdreh.

Ja, is' denn heut' scho' Weihnachten?

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Während ich diesen Text schreibe, liegen neben meinem Laptop zwei geschälte Mandarinen. Ich habe sie am Samstag gekauft, weil sie sehr rund, sehr orange und sehr frisch in der Obstabteilung lagen. Tatsächlich schmecken sie so gut, wie sie aussehen – und trotzdem bin ich ein bisschen traurig.





Für mich ist das erste Mal Mandarinenkaufen nämlich gleichbedeutend mit dem Winteranfang. Wenn Kohl und Kürbis allmählich aus dem Gemüsesortiment verschwinden, freue ich mich auf den Frühling, wenn die Erdbeer- und Spargelstände öffnen, ist der Sommer nicht mehr fern, wenn es heimische Äpfel und Wildpilze gibt, wird es Herbst – und wenn ich Mandarinen und Orangen kaufe, ist es Winter.

Mein innerer Jahreszeitenkalender ist also vor allem durch mein Einkaufsverhalten bestimmt, und weil ich kein allzu großer Winterfan bin, macht es mich eben traurig oder zumindest melancholisch, dass die die warmen Tage jetzt endgültig vorbei sind. Ich möchte aber gar keine Grundsatzdiskussion „guter Winter – schlechter Winter“ vom Zaun brechen, sondern frage dich: andere Leute, andere Trigger?

Hat der Winter 2014 für dich schon angefangen? Und wenn ja, woran machst du das fest? War es der Novembermorgen, an dem du aus dem Fenster geblickt und – zumindest, falls du in Bayern wohnst – das erste Mal weiß gesehen hast? Oder muss es gar kein Schnee sein, reicht schon der Reif auf den Wiesen und Autoscheiben, damit du innerlich in den Wintermodus umschaltest?

Vielleicht ist es aber auch die Dunkelheit, die gleichzeitig mit der Kälte kommt: Spätestens nach der Zeitumstellung schafft man es selbst bei einem radikalen „17 Uhr, nach mit die Sintflut!“-Feierabend nicht mehr im Hellen nach Hause. Oder sind es die warmen Winterjacken, die du aus deinem Kleiderschrank hervorkramst, während du die kurzen Hosen wehmütig in den obersten Zehenspitzen-Fächern verstaust?

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/589507/Tagesblog-22-Oktober-2014" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ka/kathrin-hollmer/text/regular/1028074.jpg"]

Vor ein paar Wochen ist Sandra das erste Mal mit Mütze und Handschuhen im Büro aufgetaucht, auch das könnte ein Winter-Trigger sein. Genauso wie die Begegnung mit Lebkuchen, Spekulatius und Weihnachtsstollen (wobei die gefühlt ja schon im Spätsommer in den Supermarktregalen auftauchen), der Duft von heißen Maroni in den Fußgängerzonen oder der erste Schluck Glühwein, den du trinkst, um die Kälte zu vertreiben.

Was muss passieren, damit du endgültig akzeptierst, dass der Sommer vorbei ist? Was ist dein ganz persönlicher Winteranfang?

Ende einer Billigfahrt

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Wer an diesem Dienstag um 10.30 Uhr mit einem Bus der Firma Meinfernbus.de von Berlin nach München fahren will, muss dafür an die neun Stunden einkalkulieren, zahlt aber auch nur 19 Euro. Wer die Bahn nimmt, zahlt ohne Bahncard für die gleiche Strecke 130 Euro. Wer mit dem Auto fährt, gibt zwischen 70 und 80 Euro allein für Sprit aus. Fernbus fahren ist also: extrem billig. Zu billig, wie man jetzt sieht.



Harter Wettbewerb: Fernbusreisen.

Dass der Fernbus-Pionier Deinbus.de jetzt Insolvenz anmelden musste, obwohl die Branche nicht nur wegen der Bahn-Streiks kräftig brummt, zeigt: Hohe Nachfrage und ausgebuchte Busse allein sind noch keine Überlebensgarantie. Der Preiskampf in der Szene ist hart, ruinös, und er ruiniert zuerst die, denen als Erste die Luft ausgeht: die kleinen Anbieter. Firmen wie das Offenbacher Kleinunternehmen, das mit einem Marktanteil von zuletzt gerade mal zwei Prozent nicht mehr mithalten konnte mit den Dumpingpreisen der Branche. Wer große Konzerne wie die Bahn oder die Post im Kreuz hat, hat einen längeren Atem. Klar.

So nimmt die Anzahl derer zu, die keine Lust mehr auf das Fernreisebus-Geschäft haben. Der ADAC teilte am Montag mit, dass er sich aus dem heiß gelaufenen Markt zurückziehen und seine Beteiligung an dem Gemeinschaftsunternehmen ADAC Postbus an den Partner Deutsche Post AG abgeben will. Die Frankfurter Firma City-2-City, eine Tochter des britischen Anbieters National Express, hatte sich schon im Oktober aus dem deutschen Markt zurückgezogen. Für 14,50Euro von Frankfurt am Main nach München – bei den hiesigen Kampfpreisen lohnte sich der Einsatz nicht. Dabei sein ist alles? Von wegen. Die Briten wollten, was wiederum nicht ganz unverständlich ist, neben vollen Bussen auch Gewinne sehen. Dass sie sich nun vom Markt zurückgezogen haben, zeigt, dass sie nicht mehr damit rechneten, dass bei dem Geschäft in absehbarer Zeit auch Geld hängen bleibt.

Als es losging mit all diesen bunten Fernbussen voller Menschen, die für ein paar Euro quer durch Deutschland fahren wollten, schien dies der Beginn einer neuen Zeitrechnung zu sein. Herumfahren für wenig Geld, wohin man will – es sah eine Zeit lang so aus, als sei man dem demokratischen Ideal des Reisens für alle endlich ein sehr großes Stück näher gekommen. Geahnt hatte man vielleicht von Anfang an, dass das nicht gut gehen konnte. Dass das Ideal nicht für 14,50 Euro und auch nicht für 19 Euro zu haben ist. Aber es ging bei all dem ja auch: gegen die Deutsche Bahn. Die hatte anfangs noch verzweifelt versucht, die neue Konkurrenz juristisch zu bekämpfen. Zuletzt ging es dann Knall auf Fall: zuerst City-2-City, dann Deinbus.de., jetzt auch der ADAC.

Zwei Jahre, nachdem der Fernbusmarkt in Deutschland liberalisiert wurde, beginnt nun eine neue Ära. Monatelang ging es nur darum, Claims abzustecken, Gegner zu verdrängen, Marktanteile zu horten. Jetzt, da die ersten Spieler ausscheiden, geht es um andere Fragen. Zum Beispiel: Wie lässt sich mit dem Geschäftsmodell Fernbus in Zukunft Geld verdienen? Geht das überhaupt?

Natürlich geht das – aber nur mit höheren Ticketpreisen. Darauf aber kam es bisher nicht an. Zwei Jahre lang wurde in der Branche knallhart gekämpft. Es gab einen gemeinsamen Feind, und der hieß: Bahn. Dass die mit mächtigen Angeboten wie Berlinlinienbus und IC Bus selbst für ein gutes Viertel des Fernbusmarktes steht, zeigt: So revolutionär, wie viele anfangs dachten, ist das Fernbusgeschäft nun auch wieder nicht.

Nicht mehr zumindest.

Das Beispiel des ADAC Postbus zeigt, wo die Reise hingeht: Nach dem Ausstieg des ADAC werde man das Fernbusnetz nun alleine „im nächsten Jahr weiter ausbauen“, sagte Post-Vorstand Jürgen Gerdes am Montag. Wenn ein Konzern, der 55Milliarden Euro Umsatz im Jahr einfährt, so etwas ankündigt, dann dürfen sich die anderen schon mal warm anziehen: der unabhängige Marktführer Mein Fernbus mit seinem Marktanteil von heute 45 Prozent etwa oder der kleinere Anbieter Flixbus, an dem auch der Autobauer Daimler beteiligt ist.

Der harte Wettbewerb ist noch längst nicht vorbei, nur weil jetzt ein paar Spieler aus dem Rennen sind. Sehr gut möglich ist sogar, dass die Niedrigpreispolitik noch eine Weile andauert – so lange, bis noch weitere Anbieter dankend abwinken und sich zurückziehen. Dann aber werden die Preise steigen, möglicherweise sogar kräftig. Denn niemand bietet Plätze in Fernbussen an, um Menschen zusammenzubringen oder ihnen deutsche Großstädte zu zeigen. Man macht so etwas, um Geld zu verdienen.

Drei Jahre Haft für gedopte Spitzensportler

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Die Bundesregierung hat sich nach langer Debatte auf ein Anti-Doping-Gesetz verständigt. Spitzensportler, die verbotene Substanzen einnehmen, müssen künftig mit bis zu drei Jahren Haft rechnen. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den Justizminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch präsentieren wollen.



Allein für den Besitz von verbotenen Doping-Substanzen ist eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren angesetzt worden.

Mit dem neuen Gesetz sollen zum ersten Mal gezielt Sportler bestraft werden können, die sich mit Doping einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Freizeitsportler sollen von den Strafvorschriften ausgenommen werden. Unter das neue Gesetz fallen lediglich Athleten, die mit dem Sport „erhebliche Einnahmen“ erzielen oder in einem der Testpools der Nationalen Anti-Doping Agentur (Nada) erfasst sind. Dies betrifft etwa 7000 deutsche Athleten. Wenn ein ausländischer Sportler in der Bundesrepublik gegen das Gesetz verstößt, kann er ebenfalls belangt werden. Das Gesetz erlaubt auch Geldstrafen. Dadurch kann Athleten der Vorteil genommen werden, den sie ungerechtfertigt mit Preisgeldern erzielt haben.

Mit dem Gesetz sollen aber nicht nur die Leistungssportler bestraft werden können, die gedopt haben. Auch der reine Erwerb oder Besitz dieser Stoffe wird geahndet, dafür ist ein Strafmaß von bis zu zwei Jahren Haft vorgesehen. Das Gesetz untersagt den Besitz ohne jede mengenmäßige Beschränkung. Auch dadurch wird die Strafverfolgung erleichtert.

Das Dopinggesetz soll im Frühjahr 2015 vom Kabinett beschlossen werden. Mit ihm will die Regierung die Gesundheit der Athleten schützen und die Chancengleichheit bei Sportveranstaltungen sichern. Bisher konnten die Ermittler nur einige Vorschriften im Arzneimittelgesetz nutzen, um gegen Doper vorzugehen. In der Praxis waren diese aber meist unzureichend. Staatsanwälte forderten deshalb schon lange schärfere Regeln. Das Abschreckungspotenzial durch mögliche staatliche Ermittlungen ist wesentlich höher als das durch die bisher dominierenden reinen Sportgerichtsverfahren. So sagte der frühere Radprofi Erik Zabel, seine Kollegen und er hätten bei der Tour de France mehr Angst vor den Razzien der französischen Polizei gehabt als vor dem Anti-Doping-Kontrollsystem der Sportverbände.

Das neue Gesetz sieht noch weitere Erleichterungen für die Ermittler vor. So soll es Landesregierungen erlaubt werden, die Doping-Verfahren bei bestimmten Gerichten zu konzentrieren. Dadurch könnten besonders erfahrene Juristen gegen die Sportler vorgehen. Außerdem wird die Weitergabe von Daten durch Gerichte und Staatsanwälte an die Nada erleichtert. Bisher waren die Behörden unter Verweis auf eine unklare Rechtslage manchmal nicht bereit, Informationen zu Dopern zu übermitteln.

Die Schiedsgerichtsbarkeit des Sports wird in dem Gesetz für zulässig erklärt. Diese war von Athleten wie Claudia Pechstein infrage gestellt worden. Die Sportgerichte können mit vergleichsweise kurzen Beweisverfahren lange Sperren gegen Sportler verhängen. Das neue Gesetz sieht außerdem Strafen für Ärzte und Dealer vor, die Dopingmittel verabreichen oder vertreiben.



Klickt da ein Rassist?

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Du verpflichtest dich beim Bund und wirst zu einem Soldaten – ich halte dich für einen Spaten. Du hast volle Mitgliedschaft bei den Freien Demokraten – für was ich dich halt’, kannst du mal raten.“ Alles Vorurteile? Nicht doch: „Ich habe keine Vorurteile, nur Araber haben Vorurteile.“ So offen und ironisch wie der Rapper Fatoni gehen die wenigsten mit ihren Ressentiments um. Im Gegenteil: Fragen Forscher Menschen offensiv, ob sie etwas gegen Einwanderer, Homosexuelle oder andere soziale Gruppen haben, antworten viele einfach das sozial Erwünschte.



Laut Statistik habe heimlicher Rassismus bei den letzten US-Wahlen eine große Rolle gespielt. Trotzdem der Gewinner: Barack Obama. 

Und zwar, weil sie ihre innersten Vorurteile selbst unzureichend kennen, vermutete Anthony Greenwald. Der amerikanische Psychologe entwickelte deshalb Ende der 90er Jahre ein Testverfahren, um diese geheimen Vorbehalte sichtbar zu machen. Dieser „Implizite Assoziationstest“ (IAT) sollte enthüllen, was Menschen „wirklich“ denken. Doch jetzt werden Zweifel laut an dem Test, der mittlerweile in der Sozialpsychologie weit verbreitet ist.

Dabei ist sein Prinzip auf den ersten Blick überzeugend: Probanden sehen am Computer eine Abfolge positiver und negativer Begriffe wie „prachtvoll“, „Vergnügen“ oder „abscheulich“, diese ordnen sie mit einem Tastendruck Kategorien wie „Weiße oder Schwarze“, „dicke oder dünne Menschen“ zu. Beim Test auf Rassen-Vorurteile etwa sollen zuerst gute Begriffe mit weißen Gesichtern verbunden werden und schlechte mit schwarzen. In der zweiten Stufe assoziiert man schlechte Begriffe mit weißen Gesichtern und gute mit schwarzen, sodass jede Kombination erfasst wird. Millisekundengenau wird die Reaktionszeit gemessen. Braucht jemand länger, um positive Worte für eine soziale Gruppe zu finden als negative, so hegt er wohl auch versteckte Vorurteile gegen sie.

Als Greenwald den IAT 1998 vorstellte, löste das eine Lawine aus: Endlich schien es möglich, versteckte Motive und Stereotype sichtbar zu machen. Im Internet bietet etwa die Harvard University einige Tests frei an, Millionen Menschen haben mitgemacht. Demnach hegen drei von vier weißen Amerikanern heimliche Ressentiments gegen Schwarze. Schwulenfeindlichkeit und Vorbehalte gegenüber Älteren seien weit verbreitet. Und bei den US-Wahlen 2008 habe heimlicher Rassismus eine „signifikante Rolle“ gespielt, meinten Forscher der Universität Stanford – dabei wurde Barack Obama Präsident.

Widersprüchliche Ergebnisse wie diese haben viele Forscher zum Zweifeln gebracht. „Die Idee, dass man damit etwas völlig Unbewusstes messen kann, ist infrage gestellt“, sagt der Sozialpsychologe Malte Friese von der Universität des Saarlandes. Tatsächlich könnten viele Menschen, klärt man sie im Vorfeld über den Sinn des Tests auf, voraussagen, welches Ergebnis herauskommt, sagt Friese. Auch die Idee, der IAT messe die „wahre“ Einstellung einer Person, ist dem Psychologen suspekt. „Eine Assoziation zu haben, bedeutet noch nicht, dass man sie selbst gut findet.“ Ein Beispiel: Wer in einer glücklichen Beziehung ist, kann sich zu einer anderen Frau hingezogen fühlen. Beide Gefühle sind da, doch der Verstand verhindert, dass man das als unrichtig Empfundene auslebt. Ähnlich sei es bei Vorurteilen, argumentiert Friese. „Das Ergebnis des IAT zeigt weder, ob man einem Vorurteil bei einer direkten Frage zustimmt, noch ob man eigene Vorurteile auch auslebt.“ Wer also Schwarze mit negativen Begriffen assoziiert, wird sie nicht zwangsläufig diskriminieren.

Zudem lässt sich der Vorurteils-TÜV austricksen. In Experimenten ersetzten Klaus Rothermund und Dirk Wentura die Kategorien gut/schlecht mit neutralen Wörtern oder Kauderwelsch – und maßen dennoch einen Effekt. Wie vertraut ein Wort oder eine Kategorie sei, beeinflusse die Reaktionszeit und verzerre das Ergebnis, vermuten die Psychologen. Mit Stereotypen habe das wenig zu tun. „Dass sich der IAT überlisten lässt, steht außer Frage“, meint Klaus Fiedler von der Universität Heidelberg. In Experimenten überprüfte der Sozialpsychologe die ausländerfeindliche Einstellung gegenüber Türken. Als Fiedler seinen Probanden den Test erklärte und ihn wiederholen ließ, verpufften die Effekte. Selbst als er andere Probanden in einem zweiten Durchlauf nicht über den Mechanismus unterrichtete, konnten diese den IAT überlisten.

Obwohl die methodischen Mängel bekannt sind, ist der IAT heute weitverbreitet. „In einer großen Stichprobe sind mit dem IAT gewiss Vorhersagen über Vorurteile möglich“, sagt Malte Friese. Für eine einzelne Person sei eine Vorhersage aber nicht seriös möglich. Genau das haben jedoch einzelne Anwendungen im Sinn: In den USA nutzten Arbeitgeber schon seit Jahren IATs, um vermeintlich sexistische Bewerber auszusortieren, berichtet Fiedler. „Für diagnostische Zwecke ist das unverantwortlich, da kommt man in Teufels Küche.“ Man unterschätze damit eine wesentliche Eigenschaft des Menschen: dass er sich anpassen kann.

Operation Mare Monstrum

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„Nach Lampedusa“, so begrüßte Florian Höllerer vom Literarischen Colloquium Berlin die Gäste der sechsten Konferenz der Reihe „Das Weiße Meer“ am Wannsee – „nach Lampedusa sollte doch alles anders werden“, sollte der „ungeheure Graben um die Festung Europa“ durchlässiger werden. Und in der Tat, seitdem Italien im vorigen Herbst nach dem Tod mehrerer Hundert Flüchtlinge vor Lampedusa die Mission „Mare Nostrum“ startete und seine Marine, unterstützt aus der Luft, weit über die eigene Küste hinaus in Bewegung setzte, konnten mehr als 150.000 in Seenot geratene Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet werden. Dennoch ertranken im gleichen Zeitraum mehr als 3.000 Menschen.



Ein Flüchtlingsboot kommt in Lampedusa an. Im Herbst 2013 starben hier hunderte Flüchtlinge bei dem Versuch, Europa zu erreichen.
Obgleich Italien beizeiten ankündigte, dass es die Operation weder organisatorisch noch finanziell alleine weiter tragen könne, gibt sich das übrige Europa, allen voran Deutschlands Innenminister de Maizière, dem italienischen Ansinnen gegenüber ungerührt. „Lasst sie ertrinken!“, „lasst sie fern von Europas Küsten ertrinken!“, wo keine Kameras und keine Statistiken hinreichen. Dies ist die zynische gesamteuropäische Staatsräson hinter der Operation Triton, die jetzt an die Stelle von Mare Nostrum tritt: Das neue Unternehmen hat weder die Aufgabe noch verfügt es über die nötigen nautischen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen, um Flüchtlinge aus Seenot zu retten. Es dient allein der Grenzsicherung, der paramilitärischen Abwehr von Migration und operiert in einem eng gefassten Ring von knapp 30 Seemeilen vor Europas Mittelmeerküsten, den kaum ein Schiffbrüchigen lebend wird erreichen können.

Die Operation Triton bedeutet Europas historische Absage an das Mittelmeer und den Mittelmeerraum als dem jahrtausendealten Ort des Austauschs und der Durchmischung von Menschen, Dingen, und Ideen, von Sprachen, Kulturen und Religionen. Es ist das Todesurteil für Abertausende von Flüchtlingen, die Europas vermeintlich rettende Ufern weiterhin ansteuern werden. Das von frommen Wünschen und Versprechungen erfüllte Grußwort, das der Bundesaußenminister den im LCB um vier syrische Exilautoren versammelten Zuhörern übermitteln ließ, ging mit keinem Wort auf diese drängende Problematik ein. Die Millionen von Flüchtlinge aus jenem zerschossenen und entvölkerten Land wird sie hart und unter Umständen tödlich treffen: Von nach der letzten Zählung 22 Millionen Syrern, abzüglich der vom Regime oder von Islamisten abgeschlachteten oder in Kämpfen gefallenen Landsleute, sind heute 10 Millionen, also die Hälfte aller Syrer auf der Flucht.

Die unter Lebensgefahr aus Damaskus geflohene Autorin und Journalistin Rasha Abbas fand den Mut, dies auszusprechen: „Ein blaues Leichentuch in der Mitte der Welt“. So betitelte sie ihren nEssay, mit dem sie – wie sie einräumte – die eingefleischte Meeresferne der arabischen Mentalität zu einem schicksalhaften Zeitpunkt hinter sich gelassen hat. Im Gespräch mit der SZ fasst sie den kritischen Punkt, an dem Europa heute und künftig bemessen wird, so: „Wenn Europa sich in den Krieg um Syrien aufgrund einer verwirrenden politischen Komplexität nicht einmischen und keine Partei ergreifen will, so ist dies verständlich. Davor aber liegt dieses Meer, ein Raum, in dem Europa wenigstens so viele Menschen wie möglich vor dem Ertrinken retten könnte – wenn es das italienische Modell übernehmen würde, statt es abzuschaffen. Mare Nostrum unterstrich durch seinen Namen, dass das Mittelmeer allen gehört und in ihre gemeinsame Verantwortung fällt. Hic Rhodus, hic salta!

Wie Rasha Abbas, die mit Hilfe des für Schriftsteller in Not eingerichteten Jean-Jacques Rousseau-Stipendienprogramms der Akademie Schloss Solitude nach Deutschland geholt werden konnte, sind auch Rosa Yassin Hassan, Amer Matar und Nihad Siris als Bürgerrechtler unter Lebensgefahr nach Deutschland gelangt, teilweise mit Hilfe des Writers-in-Exile-Programms des deutschen Pen-Zentrums. Dessen Präsident Joseph Haslinger gab dem Wunsch Ausdruck, das Exil möge den Autoren zur „Befreiung der Zunge“ verhelfen und – wie Christina Weiss als Schirmherrin der Veranstaltung beipflichtete – die Überlegenheit der literarischen gegenüber allen historiographischen Überlieferungen unter Beweis stellen.

Daran geknüpft, waren von der Moderatorin Larissa Bender formulierte Fragen danach, was das Exil für das Schreiben bedeute, für die Formen der literarischen Verarbeitung von Erfahrungen mit extremer Gewalt und der Last damit verbundener Erinnerungen. Die Antworten waren unterschiedlich: Mit auf dem Podium saß der nach langen, in Syrien und im Libanon verbrachten Studienjahren derzeit in Berlin lebende Franzose Mathias Énard, Verfasser mehrerer im Mittelmeerraum angesiedelter Romane. In „Zone“ (Berlin Verlag 2010) schildert er das Mittelmeer als epochenübergreifende Kampfzone politischer, religiöser und privater Konflikte. Seit der Rückkehr der Gewalt nach Syrien aber habe er keine Sprache mehr gefunden, um über dieses Land zu schreiben, von dem er selbst abgeschnitten sei.

Ähnlich ergeht es dem in seiner syrischen Heimat stark beachteten Schriftsteller Nihad Siris. Nach Kairo geflohen, musste er in Deutschland bleiben, als ihm nach der Verleihung des Friedrich-Rückert-Preises 2013 für den Roman „Ali Hassans Intrige“ (deutsch 2008 bei Lenos) die ägyptischen Behörden die Wiedereinreise verweigerten. Alles, was er schrieb, sagt er, handelt von seiner Heimatstadt Aleppo, einer der ältesten Wiegen der Menschheit. Nach der Zerstörung seiner Altstadt durch Assads Truppen ist es „ein Ort, der vielleicht nicht mehr existiert und den es künftig nicht mehr geben wird“. Das enge Band zwischen dem Schriftsteller und der Stadt, die er geliebt hat, sei damit zerrissen; noch immer falle es ihm schwer, an den Schreibtisch zurückzukehren. Es bleibe ihm nur das politisch motivierte Schreiben.

„Meine Erinnerung ist immer noch Damaskus“, sagt auch Rasha Abbas, die den Stoff ihrer Kurzgeschichten nicht unmittelbar den Ereignissen der vergangenen Jahre entnimmt. Einen anderen Weg geht der junge Filmemacher und Journalist Amer Matar. In Rakka, der Stadt, die der IS zur Hauptstadt des Kalifats erklärte, wurde er Zeuge von Grausamkeiten, deren Opfer von ihren Angehörigen nur noch als versprengte Körperteile eingesammelt werden können: Seitdem „wir jeden Tag sterben, während die Welt zuschaut“, sei Schreiben zur „Wiederholung des Sterbens“ geworden. Der Aktivist eines Straßenmedienprojekts zeichnete den alltäglichen Schrecken mit der Handykamera auf, um die Dokumente auf einem Wanderfestival durch Regionen außerhalb der Regierungskontrolle zu präsentieren.

Rosa Yassin Hassan, eine der bekanntesten Autorinnen Syriens, versteht sich als Botschafterin ihres Landes im Exil, als Chronistin der „inneren Geschichte“ der Menschen. Ihr jüngster Roman ist gerade auf Arabisch erschienen: Sein Titel lautet auf Deutsch „Die vom Zauber Berührten“. Gemeint ist die Suche nach einer anderen, neuen Erfahrungen adäquaten Sprache, die – wie sie sagt – das „Auf-dem-Kopf-Stehen“ der gewohnten Dinge aufnimmt. Bleibt die kaum fassbare Gewalt, die alles und alle vergiftet, oder wie es in der Übersetzung Larissa Benders heißt: „Einige Tage später nahm unser Leben wieder seinen gewohnten Gang.

Der Tod wurde unser tägliches Brot, wir gewöhnten uns an ihn und kosteten ihn zur Neige. Wie Verliebte, wie Gottlose berauschten wir uns an ihm; der Gestank stieß uns nicht mehr ab. Nur diese unsichtbaren Narben blieben in der Seele zurück, Narben, die eines Tages etwas hervorbringen würden, was ich nicht kenne und wovor ich mich fürchte.“
 

Tagesblog - 11. November 2014

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17:45 Uhr: Ich nehme meinen Hut (eigentlich eine Bommelmütze) und verlasse den Tagesblog. Morgen begrüßt euch hier Kathrin Hollmer, da kann der Fanclub schonmal bis dahin an seinem Starschnitt arbeiten. Habt einen schönen Abend!

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17:20 Uhr:
In letzter Zeit liken immer mehr Menschen in meiner Timelime Seiten wie "Salamisten gegen Hooligans". Dahinter verbergen sich oft Witze auf Kosten rechter Parteien, was man ja prinzipiell okay finden kann. Was daran allerdings nervt: Ein richtiger Dialog kommt so nie zustande. Sebastian Witte hat aufgeschrieben, was genau das Problem dabei ist.




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16:30 Uhr:
Auf mehrfachen Userwunsch noch Infos zu meinem ersten (und letzten?) Haustier, dem Dino! Habe leider kein komplettes Bild mit, aber er ist am Wochenende geschlüpft. Es war ein... ja... ähm. Po-Saurier? Ein Dino mit riesigem Hinterteil auf jeden Fall (vielleicht hat das besonders viel Wasser gesaugt). Nix, was auf der Packung abgebildet war, mit riesigen Glubschaugen. Ich habe ihn trotzdem lieb.




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15:50 Uhr: Nun kommt wieder neuer Redaktions-Content reingespült! Eine Frage, die ich mir tatsächlich schonmal gestellt habe, als jemand mir drohte, mich wegen meiner Bachelorarbeit zu verklagen - darf ich mich da selbst verteidigen? Oder brauche ich einen Anwalt? Benjamin Dürr hat das für's Lexikon des guten Lebens netterweise für uns rausgefunden.




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15:00 Uhr:
Ich sag euch, im Praktikantenzimmer geht's zu wie bei einem Videoabend! Warum sitze ich da nicht? Man stolpert fast über Pizza, wenn man reinkommt. Nachher holen die auch noch Barcadi Breezer raus. Aber Grafik-Azubi Sandra hat sich sehr gefreut, als ihr wieder einfiel, dass die Pizza noch da ist! (Ist noch von heute Mittag, muss jetzt keiner das Gesundheitsamt rufen).




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14:30 Uhr: Es folgt ein Programmtipp von Kathrin Hollmer! Die hat vergangenes Jahr nämlich den jungen Regisseur Daniel Abma über seinen Film "Nach Wriezen" interviewt. Dafür hatte Daniel drei Jahre lang junge Straftäter nach ihrer Entlassung aus dem brandenburgischen Knast Wriezen begleitet. Der Film kommt heute Abend um 23.45 Uhr im Fernsehen. Nach dem Trailer werde ich mir den auch angucken!
http://vimeo.com/54242744

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14:10 Uhr: Übrigens suche ich für die User-Protokolle auch noch einen User aus Dortmund - fühlt sich jemand berufen?

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13:45 Uhr: Zeit für was Fröhlicheres: Im Studentenatlas reden wir diese Woche über Dortmund. Hanna Voß hat für uns aufgeschrieben, in welche Viertel man dort ziehen sollte - ich will ja allein wegen des Namens gerne nach Barop-Eichlinghofen!




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13:15 Uhr: Tagesblog-Content from Hell: Was passiert, wenn man Ammoniumdichromat (hab ich das jetzt richtig geschrieben?) verbrennt? Ein Krakententakelsupermonster entsteht!
https://www.youtube.com/watch?v=oRngPHRj0vA

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13:05 Uhr:
Da ihr euch ja immer Tierchen-Content wünscht, das Leben aber kein Wunschkonzert ist: Hier supertraurige Tierchen! Nämlich nach außen gestülpte Teddybären vom Fotografen Kent Rogowski. Ich will sie alle adoptieren.
[plugin imagelink link="http://www.kentrogowski.com/wp-content/uploads/2011/12/Kent_Rogowski_Bears_01.jpg" imagesrc="http://www.kentrogowski.com/wp-content/uploads/2011/12/Kent_Rogowski_Bears_01.jpg"] via Kent Rogowski

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12:30 Uhr:
Falls ihr euch schonmal gefragt habt, was passiert, wenn man sein Handy bei der automatischen Tablettabgabe (auf so nem Fließband) mit abgibt: Ich hab's getestet. Es landet im Müll. Die freundlichen Mitarbeiter haben es mir da aber wieder rausgeholt, klebten nur ein paar Nudeln dran.
[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/JVE7QgKzHXs2s/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/JVE7QgKzHXs2s/giphy.gif"]

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11:45 Uhr: An die fleißigen Spiegel-Leser unter euch - hat jemand die Geschichte "Generation Merkel" von Dirk Kurbjuweit in der aktuellen Ausgabe gelesen? Hatten da gestern und heute schon Diskussionen drüber. Ich halte mich mit meiner Meinung erstmal zurück und zitiere: über die "Generation Merkel": „An der klassischen Politik nicht besonders interessiert, aber die ist im Inneren zur Zeit auch nicht besonders interessant. Sie ist in einen Kokon der Sicherheit eingewoben, wozu auch stark Angela Merkel beiträgt (…) Es ist wahrlich eine Generation Merkel, die da heranwächst.“
 [plugin imagelink link="https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/image/title/SP/2014/46/300" imagesrc="https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/image/title/SP/2014/46/300"]
Quelle: Der Spiegel

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11:25 Uhr:
40. Folge Kosmoshörer! Yeah! Und jetzt-User Hubey hat auch noch einen Plattenspieler um den es ganz viel geht - das gefällt mir natürlich. Habe nämlich auch einen und auch wenn's ganz furchtbar nervt, die Platte nach 20 Minuten immer umdrehen zu müssen - ein bisschen schön ist's halt doch. Letzte Platte die ich mir gekauft habe, war übrigens diese:
https://www.youtube.com/watch?v=DKL4X0PZz7M

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11:05 Uhr:
Oh Mist, jetzt konferieren wir schon so lange, dass ich die 11.11-Uhr-Nummer drohe zu verpassen - wobei: Da wo ich herkomme gibt's ja eh keinen Karneval. Da war in der Grundschule alle zwei Jahre Kinderfasching und das war's. Von daher...
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10:15 Uhr:
Kurzer Post aus der Konferenzpause: Wir tickern heute über das "Wintergefühl" - wann hast du das? Wenn es die ersten Mandarinen gibt? Der erste Schnee fällt? Bei mir ist das ja schon, wenn der erste Eisatem beim Radfahren kommt!




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09:20 Uhr:
Was heute wichtig wird:
  • In Indien sind acht Frauen nach einer staatlich organisierten Sterilisation verstorben. Diese Maßnahme wird dort im Rahmen der Geburtenkontrolle angeboten, damit das Land sein immenes Wachstum in den Griff bekommt.

  • Der Kapitän der südkoreanischen Fähre Sewol, die dieses Jahr im April gesunken war, muss 36 Jahre ins Gefängnis. Bei dem Unglück starben knapp 300 Menschen, darunter 250 Schüler.

  • In China gab es einen Rieseneklat: Putin hat der Frau von Chinas Staatschef Xi Jinping eine Decke umgelegt (woanders ist von einer Jacke die Rede). Böser Verstoß gegen die Etikette. Wurde deshalb direkt von chinesischen Medien zensiert. 

  • In Köln beginnt heute der Karneval um 11.11 Uhr. Wie wir das im Tagesblog psychisch verarbeiten, überlege ich mir noch. Bis dahin verweise ich mal präventiv auf unseren Studentenatlas für Köln.

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09:10 Uhr:
Guten Morgen! Leider bin ich kein frühaktives Haunhörnchen, deshalb geht's hier erst gemütlich nach der Konferenz los. Aber dafür mit: TAYLOR SWIFT! Gestern kam ihr neues Video und viele sagen, das sei voll selbstironisch und sie erwachsen und was weiß ich. Vor allem gab es aber diesen Text, in dem stand, dass man sich jetzt offiziell nicht mehr schämen muss, Fan von ihr zu sein. Deshalb also meine neue Offenheit in dem Thema:

http://vimeo.com/111428362

Jenseits der Absperrgitter

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Das Wort Mannschaft, hat Joachim Gauck am Montag gesagt, als er das deutsche Fußball-Nationalteam im Schloss Bellevue mit der Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes adelte, dieses Wort könne man nicht in fremde Sprachen übersetzen. Jedenfalls nicht richtig. Und nicht mehr: seit dem vergangenen Sommer. Seitdem die deutsche Nationalmannschaft in Brasilien Fußball-Weltmeister wurde. Die Franzosen, sagte der Bundespräsident, würden spätestens seitdem La Mannschaft sagen und die Briten The Mannschaft. Dies, sagte er, drücke Respekt und Achtung aus.



"Die Mannschaft": Das neue "Sommermärchen".

Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sind sie natürlich stolz auf solche Weihen, sie haben deshalb eine Dokumentation produziert, sie heißt: „Die Mannschaft“. Am Montagabend, ein paar Stunden nachdem Gauck seine Rede gehalten und jeder Spieler seine Urkunde und seine silberne Anstecknadel überreicht bekommen hatte, fand in Berlin die Premiere statt, roter Teppich wurde am Potsdamer Platz ausgerollt, Absperrgitter wurden aufgestellt.

Der Film soll davon genau das Gegenteil sein, er soll die deutschen Nationalspieler ohne Absperrgitter zeigen. Was dann so aussieht: Thomas Müller kellnert nach einer verlorenen Golfwette im Dirndl. Lukas Podolski lacht. Bastian Schweinsteiger sitzt mit dem Handy vorm Fernseher. Lukas Podolski lacht. Per Mertesacker ist betrunken. Er tanzt, mit einer Goldmedaille um den Kopf gebunden, im bunten Discolicht. Lukas Podolski lacht.

„Die Mannschaft“ ist viel Gefühlsduselei, alle deutschen Tore der WM, alle Paraden von Manuel Neuer in Zeitlupe, mit Geigen unterlegt, bei jedem Torschuss ein dumpfer Bass, bei jedem Tor der Sound vom Tornetz. Doch vor allem ist „Die Mannschaft“ das einfach gezeichnete Porträt einer Gruppe junger Menschen, die sich vor der Kamera gut verstehen. Ein Film, der Fans glücklich macht. Aber nicht mehr als das: Ein gut gelauntes Porträt von Deutschlands beliebtester Mannschaft.

Bereits 2006 hat der DFB die Nationalmannschaft während der Weltmeisterschaft im eigenen Land mit Kameras begleitet, Sommermärchen hieß es damals, Sönke Wortmann führte Regie. Viele Szenen ähneln sich: Die Nationalspieler beim Frühstück, auf der Massagebank, in der Kabine, angespannt vor dem Spiel, jubelnd danach. Der Film 2014, bei dem diesmal DFB-Mitarbeiter Regie führten, habe mehr Atmosphäre, mehr Nähe, es gebe mehr Einsichten hinter die Kulissen als vor acht Jahren, hat DFB-Teammanager Oliver Bierhoff vorab in der Bild am Sonntag versprochen. Doch es sind keine Eindrücke, die die Geschichte des Turniers in Brasilien umschreiben.

Es geht vor allem darum, sympathische Bilder der Helden zu produzieren, die am Montag alle einzeln neben Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Thomas de Maizière posierten. Nahbar sollen die Spieler wirken, und an einigen Stellen gelingt das auch, etwa wenn Müller, wenn man so will der Hauptdarsteller des Films, selbstironisch über seinen Freistoßtrick spricht, bei dem er im Achtelfinale gegen Algerien voller Absicht über die eigenen Füße gestolpert war. Doch dann sieht man nach Autogrammen kreischende Fans in Porto Seguro, von Sicherheitsleuten zurückgehalten. Nahbar waren die Spieler in erster Linie für den DFB-Mann mit der Kamera.

Kritische Töne fehlen, was nicht überrascht: Der Film ist eine Koproduktion von DFB und Weltverband Fifa. Dies gipfelt in einer Szene, die Kapitän Bastian Schweinsteiger zeigt, wie er morgens am Pool steht, die Arme wie zum Gebet zu einem Sonnengott nach oben gereckt, er sagt: „Obrigado Sepp Blatter.“ Er habe dem Fifa-Boss dafür gedankt, die WM nach Brasilien vergeben zu haben, erklärt er. Dass für diesen Wettbewerb Dörfer umgesiedelt und Proteste unterdrückt wurden? In Deutschland, sagt wieder Bierhoff aus dem Off, sei gar nicht rübergekommen, wie die deutsche Mannschaft in Brasilien angekommen sei, „wie wir mit Indianern getanzt haben“. Dazu laufen Bilder von Mertesacker und Podolski über die Leinwand: wie sie mit Pataxo-Indianern tanzen.

Es sind einfache Botschaften wie diese, die der Film vermittelt. Doch auch die Botschaft einer funktionierenden Mannschaft ist ja simpel, und genau um diese geht es. Das Campo Bahia und die Stimmung, die sich in sechs Wochen dort entwickelte, haben die Nationalspieler nicht umsonst immer wieder als den Schlüssel zu ihrem großen Erfolg beschrieben.

Dass Kapitän Philipp Lahm während des Turniers aus dem Mittelfeld in die Abwehr wechselte, galt als Streitpunkt. Es war aber keiner, sagt Lahm. Die beste Fußballmannschaft der Welt – wenn sie auf der Leinwand nicht gerade beim Fußballspielen gezeigt wird, dann wirkt sie wie eine Jugendgruppe im Ferienlager: Kevin Großkreutz liegt am Pool, Mario Götze und Toni Kroos spielen Tischtennis. Thomas Müller fragt den Trainer per handschriftlichem Brief, ob er zum Golfspielen darf.

Über Joachim Löw weiß man nachher, dass seine Stimme auch gepresst klingen kann, es ist ein ungewohnter Laut, den der Bundestrainer bei der Kabinenansprache vor dem Halbfinale gegen Brasilien von sich gibt, als er sagt: „Wir fighten, bis wir in Rio sind.“ Einmal sieht man Löw abends in seinem Zimmer, an der Wand hängt eine Taktiktafel, auf dem Tisch steht, was wie eine Bierflasche aussieht. Über das Finale in Rio, das Tor von Mario Götze, den Schlusspfiff, sagt er dann wieder in gewohnter Stimme: „Des isch amagischer Moment.“

Magische Momente: Momentaufnahmen einer Mannschaft, die sportlich Großartiges geleistet hat. Die holt der Film noch einmal zurück. Das Ende von „Die Mannschaft“ sind vier Augenblicke: Helmut Rahn 1954. Gerd Müller 1974. Andreas Brehme 1990. Mario Götze 2014. „Worte können das nicht beschreiben“, sagt Löw über die WM. Also hat sich der DFB ein Denkmal in schönen Bildern gesetzt.

Ein Juwel für die Prinzessin

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Soll noch einer sagen, aus Afrika kämen immer nur Hunger- und Elendsnachrichten. Gegenbeispiel: Eine Frau aus Angola plant derzeit, Portugal Telecom übernehmen. 1,2 Milliarden Euro bietet sie für das frühere Staatsunternehmen. Freilich, es gehört auch ein wenig Glück dazu, in einem Land, in dem ein großer Teil der Bevölkerung noch immer ohne Strom und fließend Wasser lebt, mit solchen Summen um sich werfen zu können. Im Fall von Isabel dos Santos, 41, besteht dieses Glück darin, zufällig die Tochter des Präsidenten zu sein.



Die 41-jährige Tochter von Angolas Präsidenten, José Eduardo dos Santos, möchte Portugal Telecom übernehmen.

Im Januar 2013 krönte Forbes sie zur ersten Dollar-Milliardärin Afrikas, nicht ohne eine kritische Stimme zu Wort kommen zu lassen. „Das zentrale Problem in Angola ist das völlige Fehlen von Transparenz“, so zitierte das Magazin den US-Professor für Afrikastudien, Peter Lewis. „Wir können die Herkunft dieser Gelder nicht nachvollziehen.“ Das geht nicht nur Lewis so, sondern auch dem Internationalen Währungsfonds. Der hatte erklärt, dass der Verbleib von umgerechnet 20 Milliarden Euro an staatlichen Öleinnahmen aus den Jahren 2007 bis 2011 nicht richtig geklärt sei.

Doch dass sie ihren Reichtum allein familiären Beziehungen zu verdanken habe, gegen solche Anwürfe verwahrt sich Isabel dos Santos. Sie verweist auf ihre Geschäftstüchtigkeit, die sich schon im Kindesalter herausgebildet habe. „Mit sechs Jahren habe ich Hühnereier verkauft“, verriet sie in einem ihrer raren Interviews der Financial Times. So habe sie sich seinerzeit ihren Konsum von Zuckerwatte finanziert.

Sechs Jahre, so alt war sie gerade, als ihr Vater, José Eduardo dos Santos, zum Präsidenten der ehemaligen portugiesischen Kolonie Angola gewählt wurde, nämlich 1979. Früher hatte er als führendes Mitglied der marxistischen Rebellengruppe MPLA („Volksbewegung zur Befreiung Angolas“) auf Einladung der Sowjetregierung in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku Ingenieurwissenschaften studiert und dort eine russische Schachmeisterin kennengelernt, die er nach sieben Jahren heiratete. Als erstes Kind dieser Liaison kam 1973 in Baku Isabel zur Welt.

Während sich die Regierungspolitik ihres Vaters immer mehr von dessen marxistischen Wurzeln entfernte, entfernte sich auch seine Tochter von ihren Ursprüngen. Nach der Trennung ihrer Eltern zog sie mit ihrer Mutter nach England, ging dort auf eine Londoner Privatschule und später aufs King’s College. In den 1990er-Jahren zog sie in die Heimat ihres Vaters, eröffnete in Angolas Hauptstadt Luanda ein Restaurant, erwarb die erste Mobilfunk-Lizenz und entwickelte mit den Jahren eine Shopping-Leidenschaft, die in ihrem Fall besondere Formen angenommen hat.

Diamanten etwa, gibt es in der Heimaterde – neben Erdöl – reichlich, dafür muss man nicht in Europas Metropolen reisen. Stattdessen kaufte Isabel dos Santos in Lissabon, der Hauptstadt der ehemaligen Kolonialmacht, Anteile an Energieunternehmen, Medienkonzernen, Banken und allerlei, was die unter dem Privatisierungsdruck der Euro-Krise stehende portugiesische Regierung sonst so anzubieten hat.

Gegen den Verkauf von Portugal Telecom regt sich in Lissabon Widerstand. Das Telekommunikationsunternehmen sei schließlich von „strategischem Interesse“ für das Land. Für dos Santos wäre das Geschäft wohl deutlich weniger emotional besetzt: Es wäre schlicht ein besonders fettes Juwel in der schon reichlich bestückten Krone der „Prinzessin“. So wird sie daheim vor allem von Kritikern genannt, die ihr die Beteuerungen, Politik und Business seien in Angola strikt getrennt, nicht so recht abnehmen. „Es gibt viele Leute mit familiären Beziehungen, die es zu nichts gebracht haben“, kontert sie. Wenn man aber hart arbeite, schaffe man es. „Ich glaube nicht an den einfachen Weg.“


Kosmoshörer (Folge 40)

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Montag:
Obwohl Montag ist, weiß ich, dass es ein guter Tag wird, da nach dem Einschalten des Radios beim Frühstück DER Song meiner Studienzeit röhrt. Und das nicht etwa, weil es sich bei Crimson & Clover um die schnulzige Ballade des jährlichen Weihnachtsballs gehandelt hat oder weil einer unserer Professoren gern Sachverhalte am Beispiel vielgespielter Bayern-1-Liedern erklärt hat.





Nein! Die Repeat-Funktion meines Plattenspielers machte diesen Titel so legendär. Während die Nadel tage- und nächtelang immer wieder an den Anfang der Single gesprungen ist, haben meine Kommilitonen und ich dabei diskutiert, getrunken, geraucht, gelacht, gelernt oder einfach gehört. Der Song wird ja schließlich von mal zu mal besser. Wer's mir nicht glaubt:

https://www.youtube.com/watch?v=GpGEeneO-t0

Dienstag:
Zuerst die schlechte Nachricht: Der Urlaub ist vorbei, ab heute heißt es wieder arbeiten. Die gute Nachricht: Ab heute heißt es nur noch 10 Tage im Monat arbeiten. Nach den letzten acht Monaten Vollzeitpraktikum eine willkommene Abwechslung. Das heißt auch, dass ich mich ab heute wieder benehmen und fühlen darf wie der bequeme Student, der ich ja eigentlich auch bin.

https://www.youtube.com/watch?v=btyx4OZRHwM

Mittwoch:
Es ist Mittwoch – genau der richtige Wochentag, um aus der Kirche auszutreten.





Den idealen Soundtrack zu diesem längst überfälligem Ereignis liefern mir die Münchener Blackout Problems. Natürlich ohne Orgeln, Chöre und den ganzen Kram.

http://vimeo.com/77588379

Donnerstag:
Donnerstags kurz vor Mitternacht in unserer Küche. Gespannt zählen Max, Stephan, Luki und ich die letzten Sekunden des Tages im Geiste runter. Wir drehen das 40 Jahre alte Radio, das wir aufgrund seiner stattlichen Größe und der ungewöhnlich hohen Anzahl an Antennen liebevoll Weltempfänger nennen, lauter, eine Stimme ertönt, die uns wie schon so oft offenbart: „Der Tag geht zu Ende und WIR bereuen nichts“.





Ihr wisst, um welchen Sender es sich handelt? Gut, wenn nicht umso besser. Denn das darauf folgende Stück Musikgeschichte ist nicht nur bei egoFM Tradtition, sondern auch in unserer WG.

https://www.youtube.com/watch?v=fFtGfyruroU

Freitag:
Es ist ein ungewöhnlich warmer Herbsttag. Max und mich packt die Unternehmungslust. Wir beschließen, mal wieder zu Fotografieren.





Als Location haben wir uns das Olympiagelände ausgesucht, da war schließlich noch keiner von uns.

https://www.youtube.com/watch?v=c9vP6OHp0vE

Samstag:
Heute finden gleich zwei Konzerte statt zu denen ich eigentlich gerne gehen möchte. Das eine wäre umsonst, das andere in meinem Lieblingsclub. Schwierige Entscheidung. Ich glaube, vor der drücke ich mich und betrinke mich lieber moderat auf einer WG-Party.

Hoffentlich war wenigstens einer von euch bei den Growlers und kann mir erzählen, wie es war.

https://www.youtube.com/watch?v=HY696M0eC3A

Sonntag:
Die Sonne strahlt, es ist herrlicher Tag, und ich winde mich im Bett und versuche, meinen Kater in den Griff zu bekommen. Ein typischer Sonntag eben. Gegen Abend schaffe ich es doch noch, meinen inneren Schweinehund zu bezwingen und diese Zeilen zu schreiben. Das wohl passendste Lied begleitet mich dabei:

https://www.youtube.com/watch?v=lfQDAWJaN34
[seitenumbruch]Gute Musik – was ist das für dich?
Ein richtig gutes Lied bleibt gleich beim ersten Mal hören im Ohr. Ein richtig schlechtes leider meist auch. Grundsätzlich macht für mich eine eingängige Melodie und schöner Gesang gute Musik. Im besten Fall mag ich dann auch noch den Text und die Aussage des Stückes. Ach,und es kann keine gute Musik sein, wenn die Lieder nicht selbstgeschrieben sind.

Wie hörst du Musik: Klassisch im CD-Spieler, auf dem Handy, über Streaming-Portale?
Je nachdem, was sich gerade anbietet. Meistens selbst zusammengestellte Musik auf dem MP3-Player, aber auch gute Radiosender und Youtube laufen gern. Zu mehr oder weniger besonderen Anlässen schmeiß ich auch gern meinen Plattenspieler an. Dieses Spotify ist bei mir noch nicht angekommen.

Wo hörst du Musik? Vor allem unterwegs, nur daheim, zum Einschlafen?
Eigentlich bei allen Gelegenheiten, bei denen es mich nicht ablenkt oder stört.

Hast du eine Lieblingsband oder Musiker, von denen du alles hörst?
Ich habe keinen Favorite, aber viele Interpreten, von denen ich mir alles zumindest einmal anhöre. Zum Beispiel Eels:

http://vimeo.com/2035584

Welche Musik magst du gar nicht und warum?
Ich mag vieles der neumodischen Elektromusik nicht, da fehlt mir einfach der Text.

Was war deine erste eigene Platte – und wohin ging dein Musikgeschmack von da aus?
Ich weiß, so war das jetzt nicht gemeint, aber meine erste richtige Platte ist eine relativ junge Anschaffung, die habe ich vielleicht 2 Jahre. Dabei handelt sich um Friskas Viljor's „For New Beginnings“. Davor hab ich aber auch schon immer einen eher rockigen, alternativen Musikgeschmack gehabt. In jüngster Zeit ist noch etwas Hip Hop dazugekommen.

https://www.youtube.com/watch?v=iawkJ890ht4

Gehst du gern auf Konzerte, und auf welche zuletzt?
Konzerte taugen mir ungemein, am besten find ich die kleineren. Zuletzt war ich vorgestern sehr spontan auf einem eben solchen, und zwar bei „Kutmasta Kurt, Motion-Man und Retrogott“ in einer abgefuckten, aber gerade deshalb auch sehr stylishen Lagerhalle.

https://www.youtube.com/watch?v=rRA9eUrO8-Y

Wie entdeckst du neue Musik und was ist deine neueste Entdeckung?
Die meisten neuen Sachen bekomme ich von Freunden gezeigt. So höre ich auch Lieder, bei denen ich nicht mal gewusst habe, dass es solche Musik überhaupt gibt. Mein neuestes Beispiel:

https://www.youtube.com/watch?v=PMV3a8DM60c

Verrate uns einen guten Song zum...
Aufwachen:

http://www.myvideo.de/watch/225545/Louis_Armstrong_What_A_Wonderful_World

Tanzen:

https://www.youtube.com/watch?v=MV_3Dpw-BRY

Traurig sein:

https://www.youtube.com/watch?v=svFRvy-DAMQ

oder auch:

https://www.youtube.com/watch?v=mmb7TU0OrOI

Sport treiben:
Eigentlich treibe ich ja keinen Sport, aber das ist ganz passend:

https://www.youtube.com/watch?v=7KJjVMqNIgA

Alle Kosmoshörer findet ihr wie immer gesammelt hier:
Kosmoshörer

Möchtest du auch Kosmoshörer werden und deine Musik-Gewohnheiten dokumentieren? Dann schreib eine jetzt-Botschaft an simon-hurtz oder eine Mail an simon.hurtz@sueddeutsche.de.

Viertelkunde: Dortmund

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Barop/Eichlinghofen


Das bekommst du hier: unmittelbare Nähe zum Campus der TU: alle Lehr- und Forschungseinrichtungen, Wohnheime und weitere universitätsnahe Infrastruktur samt Grünflächen sind zwischen diesen beiden Stadtteilen angesiedelt; mancherorts einen herausragenden Blick auf das Dortmunder Stadion
Das bekommst du hier nicht: junges Leben: die Studenten, die hier wohnen, feiern woanders; Bars und Clubs; das Verständnis deiner Nachbarn, wenn es mal lauter wird (hier wohnen vor allem Familien, Senioren und Gutbetuchte)
Durchschnittsmiete Barop: zwischen 6 und 6,70 €/qm; Eichlinghofen: etwa 6,30 €/qm (Quelle: Stadt Dortmund)

Hörde


Das bekommst du hier: Nähe zur Uni und Innenstadt; Theater, Museen, historische Bauwerke; den Phoenixsee direkt vor der Haustür (entstanden durch die Flutung des ehemaligen Stahlwerk-Geländes); das Newcomer-Festival "Rock in den Ruinen" auf dem Phoenix-West-Gelände (wenn es nicht wie in diesem Jahr abgesagt wird); das Phoenix-West-Gelände an sich, das heute Standort für Unternehmen aus dem Bereich der Mikrosystemtechnik ist, sich aber auch als Fotomotiv und für Spaziergänge bestens eignet; einen ersten Anflug von Gentrifizierung (oder wie Stadtplaner sagen würden: die Entwicklung zu einem modernen freizeitorientierten Stadtteil)
Das bekommst du hier nicht: ein breites Angebot an Kneipen, Bars und Clubs; das Verständnis deiner Nachbarn, wenn es mal lauter wird - denn die können ein paar Tage älter sein; beim Blick auf die Villen am Phoenixsee: das Gefühl, das Richtige zu studieren 
Durchschnittsmiete Hörde: 5,25 bis 5,75 €/qm (Ausnahme sind natürlich die Luxuswohnungen am Phoenixsee!) (Quelle: Stadt Dortmund)

Kreuzviertel


(bezeichnet das Gebiet zwischen Hoher Straße, Sonnenstraße, Große Heimstraße und Rheinlanddamm, grenzt an den Althoffblock im Westen, das Unionviertel im Nordwesten, das Klinikviertel im Norden und das Saarlandstraßen-Viertel im Osten) 

Das bekommst du hier: Nähe zur Innenstadt sowie zu TU und FH; Altbauten (haben den Krieg hier weitgehend unbeschadet überstanden); akademisch-studentisches Flair; Bar an Bar und viel Außengastronomie; das Gefühl, eben doch in einer richtig hübschen Studentenstadt zu leben; neidvolle Blicke, wenn du erzählst, wo du wohnst; vergleichsweise hohe Mieten
Das bekommst du hier nicht: das Flair einer ehemaligen Industriestadt (dafür ist es zu schick); einen Parkplatz; Ruhe vor deinen Eltern (denn die werden dich hier gerne und oft besuchen) 
Durchschnittsmiete Kreuzviertel: etwa 7,25 €/qm (Quelle: Stadt Dortmund) 

Nordstadt


(meint alles nördlich vom Hauptbahnhof, unterteilt in Hafen, Nordmarkt und Borsigplatz)
Das bekommst du hier: den Hauptbahnhof und einen Busbahnhof direkt vor der Haustür; extrem günstige Mieten; viele Studenten; multikulturelles lebendiges Flair (besonders rund um den Nordmarkt); gutes Essen; rund um das Hafenviertel tolle Bars und Clubs; das Kollektiv "Maschinerie", das sich für den Aufbau eines Zentrums für Underground-Clubkultur und Kunst einsetzt; das Rotlichtviertel in der Linienstraße; Sätze zu hören wie: "Das ist doch viel zu gefährlich dort! Wurdest du noch nicht überfallen?"
Das bekommst du hier nicht: eine schöne Aussicht; ein sicheres Gefühl beim Alleine-Nach-Hause-Gehen; Ruhe vor den Sorgen der Eltern, nachdem sie einmal dort waren
Durchschnittsmiete Nordstadt: 5,25 bis 5,75 €/qm (Quelle: Stadt Dortmund)


Dieser Text erscheint im "Studentenatlas", ein Projekt von jetzt.de und SZ.de. Mehr Infos dazu findest du hier. Eine interaktive Dortmund-Karte für Studenten findest du hier.

Hooligans gegen Intelligenz

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„Mein Mampf!“ steht da in Frakturschrift. Darüber ein Foto von Adolf Hitler. Er schaut mit grimmiger Miene vom Bildschirm aus den User an. Witz kapiert? Sicher doch! Mampf. Kampf. Hahaha!

Zu finden ist das Bild auf der Facebook-Seite „Hooligans gegen Salamisten“. Hier feiert man Wurst-Witze mit politischem Hintergrund. Und die Anti-Salamisten sind mit ihrer Art von Protest-Humor nicht allein. Die Seite „Hunde raus aus Deutschland“ zum Beispiel warnt vor „Überhundung“ der Heimat oder fordert: „Deutsche kauft nicht bei Hunden!“. Phrasen und Plakate aus der rechten Szene werden hier ins Lächerliche gezogen. So weit, so gut. Oder?

Nein. Denn so inhaltsleer nationalistische und rechte Texte oder Wahlplakate ja sind, so sinnentleert zeigen sich auch viele Witz-Seiten, die auf Facebook immer mehr Zulauf bekommen. Für jeden, der Kalauer wie „der ewige Pudel“ verstanden hat, sind sie ein großer Spaß. Aber mehr auch nicht. Weil sie sich in ihrem eigenen Humor und Intellekt suhlen – anstatt wirklich etwas zu ändern.


Schaut her, wie klug und überlegen ich bin! Echter Dialog findet so aber nicht statt.

Manche Tierliebhaber bezeichnen „Hunde raus aus Deutschland“ als lächerlich, andere drohen den Administratoren sogar mit Vergasung und Kastration. Mit ihren Hassattacken enttarnen sie sich selbst als ignorante Idioten und Freunde von rechten Ideologien. Auch Hetze gegen Einwanderer ist dann schnell zu finden: „Bevor die Hunde abgeschafft werden, sollte lieber erstmal das eingewanderte Pack, dass (sic!) hier für lau lebt, raus!“ postet eine Teenagerin, deren Profilbild sie mit Piercings, bunten Haaren und Hundeblick zeigt. Gierig stürzt sich eine Gruppe von Lesern auf die Äußerung des Mädchens. Mit einer Mischung aus Moralpredigt und Flachwitz machen sie sich über den Post her. Sie stacheln sogar an, weil es ihnen Spaß macht.

Die „Hooligans gegen Satzbau“ treiben das Spiel noch etwas weiter. Sie übersetzen ausländerfeindliche Posts, die oft vor Rechtschreibfehlern wimmeln, in korrektes Hochdeutsch und posten sie erneut. Dann natürlich fehlerlos, aber mit einem kleinen Gag gespickt. Am Inhalt ändern sie nichts.

Bei all dem Gelächter der schlauen Online-Bürger ist das sehr traurig. Die „Hooligans gegen Satzbau“ erklärten in einem Interview vor kurzem: „Dass wir vermutlich die Urheber der Postings nicht erreichen, ist uns klar.“ Es sei nämlich sehr schwierig mit den Rechten zu reden. Also bleibt man eben unter sich und lacht.

Es ist das alte Spiel: Unter- gegen Oberschicht. Jedes der beiden Lager vergewissert sich im Internet seines eigenen Weltbilds. Die eine Seite liket die Auftritte der hetzerischen Parteien und schreit „Wir sind keine Nazis, aber …!“. Erklärte Feinde sind hier die Gutmenschen, die Politiker oder die gleichgeschaltete Presse. Die andere Seite reagiert mit Häme. Sie erstellt Seiten wie "Rhetorische Perlen von AfD- und NPD-Anhängern", folgt der Titanic bei Twitter und amüsiert sich prächtig.

Am Ende ist das Verhalten der scheinbar so aufgeklärten User verlogen und selbstgerecht. Sie schauen durch eine dicke Glaswand, die sie von den ganzen Wilden auf der anderen Seite trennt. Die selbsternannte Netz-Elite weist AFD-Anhänger, Neo-Nazis oder Verschwörungstheoretiker durch die Scheibe selbstgefällig auf deren Rechtschreibfehler hin oder sie blockt mit einem coolen Face-Palm-Foto ab, wenn die Wilden sich nicht gleich vom Guten überzeugen lassen. Sie kritisieren mangelnde Umgangsformen oder zeigen sich fassungslos, wenn menschenverachtende Posts ihren Feed kreuzen. Auf eine Diskussion, die beiden Seiten etwas Erleuchtung bringen könnte, haben sie aber keine Lust.

Sie könnten aufklären und erklären, nehmen sich dafür aber keine Zeit, sondern behalten ihr Wissen für sich selbst. Für einen kurzen Lacher und ein leichtes Gruseln vor der Unterschicht reicht es grade noch. Für mehr nicht. Dann lieber liken, folgen, teilen und der Peergroup zeigen, wie schlau man selbst ist und wie dumm die anderen sind. Es tut immer gut, zu wissen, dass man auf der richtigen Seite steht. I just came here to read comments. Na dann: Viel Spaß!

Wann willst du wieder klein sein?

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Während gestern am St. Martinstag Kolonnen von Kindern mit ihren liebevoll im Kindergarten oder mit Mama und Papa gebastelten Laternen München erleuchteten, bin ich müde und mit leeren Händen nach Hause gefahren. Mich hatte keiner gefragt, ob ich mitlaufen möchte, oder ob man mir eine Laterne basteln soll. Dafür ich bin zu alt. Und manchmal finde ich das schade.  





Zum Beispiel, wenn mir ein Kollege erzählt, dass es im Bundestag Audioführungen für Kinder gibt, in denen „Bernd, das Brot“ Witze reißt. Oder wenn ich an der Wursttheke keine Scheibe extra mehr bekomme. Oder wenn die Kellnerin die Augenwinkel zusammenkneift und sagt: „Nee, das Gericht gibt es leider nur für Kinder unter zwölf.“ Und eigentlich meint: „Pech gehabt! Bestell’ gefälligst was Richtiges!“ Dann wäre ich gern noch einmal klein.  

Sich beim Familienessen im Restaurant ganz der Malunterlage widmen zu können ist einfach netter als Fragen und Ratschlägen zu Beruf – „Und wie soll das mit diesem Journalismus jetzt funktionieren?“ – und Beziehung – „Ich kann dir nur einen Rat geben, werde nicht zu spät Mutter!“ – ausgesetzt zu sein.   

Natürlich, das Erwachsenenleben ist unterm Strich aufregender als das Leben als Siebenjährige, aber in manchen Situationen vermisst man das Klein-Sein irgendwie doch.  

Wann hast du dir das letzte Mal gewünscht mit deiner kleinen Nichte oder dem Kind aus der U-Bahn kurz tauschen zu können?

Tagesblog - 12. November 2014

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18:46 Uhr: So, der Space-Day ist zu Ende. Schade. Finde ich. Bis jetzt sendet Philae irgendwie noch nichts (oder ich bin zu doof und finde nur nichts). Und steht womöglich nicht stabil. Ich kann deshalb zum Schluss nur noch ein paar Fotos zeigen, die schon ein bisschen zurückliegen.

Rosettas Blick auf Philae zum Beispiel: [plugin imagelink link="http://images.scribblelive.com/2014/11/12/bfe01e68-dc77-4645-9020-f001e1a7cf43_500.jpg" imagesrc="http://images.scribblelive.com/2014/11/12/bfe01e68-dc77-4645-9020-f001e1a7cf43_500.jpg"] 

Und von glücklichen Wissenschaftlern, davon kann ich gar nicht genug sehen:


Morgen begrüßt euch hier die wunderbare Nadja Schlüter. Habt einen guten Abend und bis bald!

+++

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jan-stremmel/text/regular/1029440.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jan-stremmel/text/regular/1029440.jpg"](Illustration: Sandra Langecker)

18:25 Uhr:
Bevor ich mich hoffentlich mit mit Pilae-Bildern von euch verabschiede, tut sich erst nochmal auf der jetzt-Startseite was. Heute morgen haben wir lange darüber diskutiert, denn Jan schrieb schon an der Gegenrede zu den vielen Videos, in denen gerade gezeigt wird, wie ekelhaft sich Männer auf der Straße Frauen gegenüber verhalten. Dann dachte er nochmal nach.

+++





17:25 Uhr:
... bis dahin zeig ich euch einfach nochmal mein Rosetta-Philae-Modell. Eigentlich sind die beiden ja nicht mehr zusammen. Aber ich kann sie nicht trennen!

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17:19 Uhr:
Bis es erste Bilder gibt, dauert es noch eine knappe Stunde. Hier sieht es aber eh nach Überstunden aus, ich kann euch also vermutlich noch was zeigen. Juche!

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17:10 Uhr: Wer auf einen Schlag sehr viele glückliche Wissenschaftler sehen will, sollte noch in den Stream sehen. Das macht gute Laune!

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17:05 Uhr: Wir erleben hier Geschichte! Die erste Kometenlandung überhaupt ist geglückt! 

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17:03 Uhr: Jaaaaaaaaaa!

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17:02 Uhr: Ab jetzt müssten die Bilder jede Sekunde ankommen und wir wissen, ob die erste Kometenlandung der Geschichte funktioniert hat.

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16:49 Uhr:
Wie sie alle ganz nervös vor den Bildschirmen stehen. Ich mag das. Philae twittert übrigens auch. Danke für den Link, Serfafahm!

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16:28 Uhr:
Im Stream höre ich gerade, dass Philae noch acht Minuten braucht, bis es (ja, ich glaube, es) auf dem Kometen landet (bis die Bilder auf der Erde ankommen, dauert es dann nochmal etwa eine halbe Stunde). Also Daumen drücken!

+++

16:23 Uhr:
Endlich tut sich wieder was auf unserer Startseite! Von Dortmund geht's nach München. Wir starten eine neue Serie mit München-Vergleichen. Zum Start haben wir bei der Probe des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks und unter jungen Regisseuren, die beim  34. Internationalen Festival der Filmhochschulen teilnehmen, gefragt, mit welcher Filmszene bzw. mit welchem klassischen Musikinstrument sie die Stadt vergleichen würden. Wie das funktioniert? Zum Beispiel so:

Wenn München ein klassisches Instrument wäre, dann ...

... eine Geige, weil München genauso sauber und elegant ist und ich eigentlich nur wegen meiner Freundin hier bin und gar nicht so viel Ahnung von Musik habe. (Chris, 23, BWL-Student)

Hier geht's zum Text!

+++

16:15 Uhr: Apropos Sankt Martin, da war ich thematisch ja heute schon mal. Dazu hab ich gerade diesen Text von lakrizia_borgia zum Thema Laternen mit LED-Licht gelesen, der zurecht sehr viele Herzen bekommen hat. Ich sage nur:

"Laternen ohne Kerze, das ist schlimmer als Wein ohne Alkohol, Joghurt ohne Fett, Fahrradfahren mit Helm, koffeinfreier Kaffee und schlicht der Tod des letzten Nervenkitzels, das Ende der Magie.
Ihr glaubt, Ihr seid gute Eltern, dabei seid ihr nur feige Spielverderber." 

Ein schönes Foto ist auch dabei:

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/la/lakrizia_borgia/text/regular/1029393.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/la/lakrizia_borgia/text/regular/1029393.jpg"]

+++

16:08 Uhr: Nochmal ein bisschen Nicht-Space-Inhalt. Ein spannende Animation von SZ.de (leider kann ich die nicht einbinden...). Für alle, die sich über "zu viele Ausländer" beschweren.

+++

16:05 Uhr:
Langsam wird es übrigens interessant im Stream. Ich hab die Kopfhörer schon auf. Guckt noch mehr mit hier?

+++

15:48 Uhr: EILMELDUNG: Philae hat schon ein Bild nach der Trennung von Rosetta geschickt. Ich bin ganz ehrlich aufgeregt. 

[plugin imagelink link="https://fbcdn-sphotos-h-a.akamaihd.net/hphotos-ak-xpa1/v/t1.0-9/p720x720/10435905_355335481306825_2994473627360187282_n.jpg?oh=4197a011ffc02b580d6f8d488d947ab2&oe=54EB37F1&__gda__=1423426839_2d780e44ab2ef6c93f944c6a1346f250" imagesrc="https://fbcdn-sphotos-h-a.akamaihd.net/hphotos-ak-xpa1/v/t1.0-9/p720x720/10435905_355335481306825_2994473627360187282_n.jpg?oh=4197a011ffc02b580d6f8d488d947ab2&oe=54EB37F1&__gda__=1423426839_2d780e44ab2ef6c93f944c6a1346f250"] (Quelle)

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15:28 Uhr: Habt ihr euch auch gefragt, warum Philae Philae heißt?

http://www.youtube.com/watch?v=gmFYv6vUdUk

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15:05 Uhr: Die Minions dürfen an einem Tagesblog-Tag mit mir natürlich auch nicht fehlen. An einer Uni ist einer als Vertretungsprof eingesprungen:

[plugin imagelink link="http://www.drlima.net/wp-content/uploads/2014/11/picdump-14-11-07-054.jpg" imagesrc="http://www.drlima.net/wp-content/uploads/2014/11/picdump-14-11-07-054.jpg"] (via)

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[plugin imagelink link="https://33.media.tumblr.com/e44ec0329dc22db86ac7f8b726a0b1dc/tumblr_ne90slqy0M1s0xjvpo1_500.gif" imagesrc="https://33.media.tumblr.com/e44ec0329dc22db86ac7f8b726a0b1dc/tumblr_ne90slqy0M1s0xjvpo1_500.gif"]

14:34 Uhr:
Meine Astro-Wundertüte ist noch nicht leer. Ich glaube, ein Space-Day reicht gar nicht aus... Ich bündle mal zwei Artikel zum Thema "Knochenjob" und Weltraum.

* Einmal über den Knochenjob Kometenlandung. Erklärt von Matt Taylor. Von dem ich beschlossen habe, ab jetzt Fan zu sein.

* Und einmal über den Knochenjob rumzuliegen. Wochen-, monatelang: Andrew bekommt 18.000 Dollar von der Nasa, dafür, dass er 70 Tage im Liegen verbringt und sich immer wieder untersuchen lässt. Das Ganze soll helfen, den Knochen- und Muskelschwund im Weltraum zu erforschen. Wie sich das anfühlt? Steht hier!

+++

14:04 Uhr: Nicht nur online, auch im "echten" Leben ist heut Spaceday in der jetzt-Redaktion. Chris überreichte mir eben diesen Kalender:





In der Hauptrolle: ein sogenannter Protestonaut. Da ist nicht nur ein Raumanzug dabei, sondern es geht auch noch um gesellschaftspolitische Themen.

Und auf meinem Heft klebt das hier:





Kann das wer übersetzen? Italienisch, Spanisch oder Portugiesisch ist es (anscheinend, ich kann das nur für Italienisch sagen) nicht, das haben wir eben in der Redaktionsrunde ausgeschlossen. 

+++

13:41 Uhr:
Rosetta und Philae spielen natürlich die Hauptrolle heute. Aber ich finde, Matt Taylor, Physiker aus London und Rosetta-Chefwissenschaftler - und sein Hemd! - hätten schon noch mehr Aufmerksamkeit verdient, finde ich.



+++

13:31 Uhr:
Heute am Space-Day kann ich ja auch über einen Film schreiben, der schon eine Woche lang läuft. Am Montag war ich in "Interstellar". Sehr krass war das. Am Schluss ein wenig zu viel Fiction. Und insgesamt sehr dramatisch. Aber der Film haut einen einfach um!

http://www.youtube.com/watch?v=zSWdZVtXT7E

In einem wunderbaren Textüber den Film schreibt der Neon-Kollege Alard von Kittlitz: 

"Interstellar, so viel sei verraten, hat den bescheurtsten, campesten, besten Roboter seit C3PO. Es ist so ein Mann in einem Kühlschrank."

Ich fand zwar Marvin besser.

http://www.youtube.com/watch?v=yIN7cNnDJzc

Aber sonst vollste Zustimmung! Wenn ihr vorhabt, den Film zu sehen, lest den Text. Wenn nicht, auch. Dann wollt ihr ihn wahrscheinlich doch sehen.

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13:19 Uhr: 
Uahhhh, Weinen in Schwerelosigkeit muss sehr seltsam sein...

[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/keUHBOHwrKnvy/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/keUHBOHwrKnvy/giphy.gif"]

+++

13:00 Uhr
: Mittagsverabredung ist ausgefallen. Ich wurde versetzt!

Dafür kommt jetzt auch mal ein bisschen irdischer Inhalt hier. Zwei Leseempfehlungen nämlich.

Zum einen: Zehn Dinge, die man nicht zu Autisten sagen sollte. Wie: "Wie viele Zahnstocher liegen hier auf dem Tisch?"

Und dann noch: ein schöner Text über Pink bzw. Rosa als Farbe des Widerstands. Von Kleinerdrei. 

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12:34 Uhr: Weiter geht's mit Astro-News: Tschurjumow-Gerassimenko (man nennt ihn liebevoll Tschuri) ist musikalisch!

http://soundcloud.com/esaops/a-singing-comet

(via)

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12:21 Uhr:
Ich bin heute ja schon wegen Rosetta und Philae sehr aufgeregt. Und dann ist das auch noch er erste Tagesblog, in dem ich Tweets einbinden kann.

Das tu ich hier gleich mal mit Weltraum-News:



+++

12:12 Uhr:
Finde ihr auch, dass "Mission Control" ein sehr cooles Wort ist? Ich muss allerdings an Ground Control denken. Und meinen Lieblingsastronauten:

http://www.youtube.com/watch?v=zrHHsP8BACg


+++



(Illustration: Katharina Bitzl)

11:57 Uhr:
Im Studentenatlas geht's diese Woche mit Dortmund weiter. Hanna hat freundlicherweise zusammengetragen, was man wissen muss, wenn man in der Stadt angekommen sein will. Oder sich wenigstens so fühlen möchte. Für Insider-Dortmund-Tipps bitte hier entlang!

+++

11:29 Uhr: Den Stream zur Kometenlandung gibt's übrigens auch bei SZ.de. Da ist noch nicht so viel los im Moment, man sieht nur ein paar Esa-Mitarbeiter vor Rechnern sitzen. Aber selbst das finde ich irgendwie aufregend.

+++

10:59 Uhr: Jetzt haben wir wieder ziemlich lange konferiert.. Dafür hab ich ein Best-of-Alex-Gerst-Fotos von der ISS für euch, zusammengestellt von der Geo. Meine Lieblingsbilder sind ja die von den Polarlichtern.

[plugin imagelink link="http://www.geo.de/img.php/885/498/http://img.geo.de/div/image/79128/iss-gerst-gross-06.jpg" imagesrc="http://www.geo.de/img.php/885/498/http://img.geo.de/div/image/79128/iss-gerst-gross-06.jpg"](Quelle)

+++

09:52 Uhr: Bevor wir gleich konferieren, noch ein kleiner Überblick, was ich heute - außer Rosetta, klar - wichtig finde:

* In der sehr tollen Recherche-Reihe der SZ zum Thema Toleranz empfehle ich diese sieben Tipps für mehr Zivilcourage. Werd ich mir ausdrucken und immer in der Jackentasche dabeihaben. Zu oft hab ich mich schon über mich selbst geärgert, weil ich in solchen Situationen den Mund gehalten habe.

* Der sehr wichtige Hashtag #NotJustSad sammelt seit Montag Erfahrungen mit Depressionen. Sehr lesenswert finde ich, was die Kollegen von SZ.de dazu schreiben.

* Und auf Instagram (und auch im Rest der Welt, denke ich, ich konnte das nirgends bestätigt finden, aber hey, es geht um Omas und Opas!) ist heute offizieller Weltehrentag für Oma und Opa. Da gibt es ziemlich tolle Fotos, zum Beispiel unter dem Hashtag #hipstergranny oder dem Profil "Fashion Grandpas". Ich mag Omas (Opa hab ich leider keinen mehr) ja auch ohne Fashion. Aber die Bilder sind sehr toll!






#hipstergranny #firstgenerationdope #swagishereditary #retirementgame #getonherlevel #freshsince1928 #bonnielouboo Ein von gina romero (@genomegina_g) gepostetes Foto on Jun 6, 2014 at 5:55 PDT




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09:42 Uhr: Space-Tag ist nicht nur auf jetzt.de, sondern auch auf 3Sat, vielen Dank für den Hinweis, Digital_Data! Wir haben hier leider keinen Fernseher, aber zum Glück gibt's auch einen Livestream der ESA zum Online-Gucken. Spannend soll es übrigens ab etwa 15 Uhr werden. Ich halte euch auf dem Laufenden!

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09:39 Uhr: Weil es so schön ist, muss ich auch nochmal das Video über Rosetta zeigen:

http://www.youtube.com/watch?v=AvkPFXdpOQQ

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09:22 Uhr
: Ihr vermutet es bestimmt schon. Heute wird's hier ziemlich viel Weltraumkram geben. Ich fange gleich mal an. Unbedingt ansehen müsst ihr euch die "Spaceweek" der Wired, ein grandioses Special ist das geworden! Und, so viel Selbstreferenzielles ist mir eigentlich unangenehm, aber es ist zu süß um es euch nicht zu zeigen. Vielen Dank, liebe frzzzl! Ich fühl mich krass gerührt!



(c) frzzzl

+++



(Foto: dpa)

09:05 Uhr:
Bevor es hier mit Astro- (und anderen) News weitergeht, ein Hinweis auf den heutigen Ticker. Zu dem ich beitragen möchte, dass es Sankt-Martins-Umzüge für Erwachsene geben sollte. Es kann nicht sein, dass es nur für Kinder und Eltern gesellschaftlich akzeptiert ist, mit Laternen durch die Straßen zu ziehen! Wann wärt ihr gern wieder klein? Hier geht's lang zur Diskussion!

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08:17 Uhr
: Guten Morgen an diesem ganz besonderen Mittwoch! Das Landemodul "Philae", das die Raumsonde Rosetta mitführt, landet (voraussichtlich) heute Nachmittag auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko und findet dann vielleicht mehr über den Ursprung des Lebens auf der Erde heraus. Oder die Antwort auf die Frage, ob es im Weltall noch anderes Leben gibt. Wissenschaftler sagen, diese Mission sei sexier als die Mondlandung und die ISS - erste Kometenlandung, hallo!? -, die SZ, dass sich kaum jemand dafür interessiert. Dass heute alle vor dem Fernseher sitzen wie bei der Mondlandung, glaube ich auch nicht. Begeisterung kann ich aber schon feststellen. Bei mir auf jeden Fall. Wie viel Begeisterung, das lasse ich einfach mal dieses Bild beschreiben. Selbstgebastelt, gell! 


Im Sog des Schauens

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Einmal steht der Vollmond, riesig und unwirklich schön, über dem Lichtermeer von Los Angeles. Doch der Moloch schläft natürlich nicht, unablässig pumpen Sehnsucht und Gier und Geschäftigkeit durch seine Lebensadern, die Freeways. Und am Straßenrand lauert Louis in seinem alten Auto, hellwach, bereit für eine neue, wahnsinnige Nacht.

Immer wieder quäkt sein Amateurfunkgerät: Frauenstimmen nennen Straßenkreuzungen und Hausnummern und kryptische Codes. 390 bringt gar nichts, das ist nur ein Betrunkener; 415 genauso wenig, das bedeutet Ruhestörung. Louis wartet auf die 211, bewaffneten Raubüberfall, auf die 245, Angriff mit einer tödlichen Waffe, oder auf 246, Schüsse in einem Anwesen. Sein Hauptgewinn aber wäre die Codenummer 187: Mord.

Der Mann ist ein „Nightcrawler“. Einer der Jäger des Grauens, die Nacht für Nacht den Polizeifunk abhören, um möglichst blutige Videobilder für die Lokalnachrichten am nächsten Morgen einzufangen. Und obwohl es dieses Geschäft im Flackern der Warnleuchten schon lange gibt und der Wettbewerb hart ist, scheint es doch auf einen wie Louis gewartet zu haben – einen Mann aus dem Nichts, scheinbar ohne Eltern und Freunde und überhaupt ohne menschlichen Kontakt, einen Gelegenheitsdieb und Überlebenskünstler, direkt von der Straße und bereit, wirklich alles für den Erfolg zu tun.



Wie eine Hyäne der Großstadt: Jake Gyllenhaal (re.) in "Nightcrawler"

Jake Gyllenhaal spielt diesen jungen Mann als bizarre Variation des Selfmade-Unternehmers. Eine unvergessliche Performance: Der Körper abgemagert, das Gesicht schmal, die Haare zurückgegelt. Er wirkt beinah wie ein Geist aus Stummfilmzeiten, bis hinein in die Körpersprache, man denkt an einen Wolf. Oder an eine Hyäne, was noch passender wäre. Denn er reißt das Wild ja nicht selbst, er ist ein Aasfresser, vor stärkeren Kräften duckt er sich weg. Und über Leichen geht er nur, wenn die Gelegenheit günstig ist.

Mit diesem Typen, den man doch mit etwas Grausen betrachtet, inszeniert der Regisseur Dan Gilroy nun eine klassische Aufstiegsgeschichte. Gilroy kommt vom Drehbuchschreiben, mit seinem Bruder Tony hat er zum Beispiel an der „Bourne“-Serie gearbeitet. Dies ist sein Regiedebüt, aber das merkt man nicht. Das Spiel mit den dunkelsten Impulsen des Erfolgswillens und mit dem Sog des Voyeurismus, auf das er sich da einlässt, hat er vollkommen unter Kontrolle.

Und das Erstaunliche ist: Die klassische amerikanische Aufstiegsgeschichte funktioniert selbst mit diesem gespenstischen Helden. Louis tauscht ein gestohlenes Fahrrad gegen eine Videokamera und studiert die Polizeicodes der LAPD. Okay, der tut wenigstens was, denkt man. Er geht näher ran als alle anderen, während ein Angeschossener in seinem Blut zuckt. Klar, er zeigt Initiative. Ein Sender nimmt seine Bilder und nicht die der Konkurrenz – na also, der Einstieg ist geschafft.

Bald heuert Louis einen Beifahrer an, der für ihn navigiert, bald hat er eine bessere Kamera und ein viel schnelleres Auto, und beim Verhandeln mit der Fernsehproduzentin Nina, die seine Bilder kauft und doppelt so alt ist wie er (Rene Russo, in einem tollen und mutigen Wiedereinstieg ins Filmgeschäft), wird er erst beruflich und dann auch privat immer härter. „Ich lerne schnell“, sagt er zu ihr. Was ausnahmsweise die reine Wahrheit ist.

In der Art, wie „Nightcrawler“ die Sensationsgier und Doppelmoral des amerikanischen Lokalfernsehens überspitzt, ist der Film eine moralisch angehauchte Mediensatire. „Stell dir den Aufmacher als eine schreiende Frau vor, die mit durchschnittener Kehle die Straße herunterläuft“, sagt Nina einmal zu Louis, völlig im Ernst. Solche Medienkritik gibt es allerdings im Dutzend billiger, das ist hier noch nicht der Kern der Sache.

In der Art, wie Louis ständig Erfolgsformeln aufsagt, die er auf Webseiten zur perfekten Unternehmensführung oder in Selbsthilfe-Ratgebern studiert hat, distanziert sich der Film auch geschickt vom Pathos einer Erfolgsgeschichte. Dieser gelehrige Schüler des amerikanischen Traums, der sich als völliger Soziopath entpuppt, nimmt all das Gerede vom Bessersein, vom Gasgeben, vom Dranbleiben nämlich tödlich ernst. Und einem Konkurrenten, der dem eigenen Geschäft zu sehr schadet, schneidet er dann kurzerhand die Bremsschläuche durch.

Auch das ist wichtig, aber es ist noch nicht der entscheidende Moment. Der kommt in jener Nacht, als ein Hilferuf aus dem Funkgerät quäkt und Louis sogar vor den Polizeistreifen am Tatort ist. Drinnen in der Villa wird noch geschossen, doch der Bilderjäger hockt schon im Gebüsch. Er filmt, wie die Täter herauskommen und davonfahren. Dann geht er, die Kamera auf der Schulter, selbst da rein – ohne eine Sekunde des Zögerns.

Das ist der Augenblick der Wahrheit, auch für uns Zuschauer. Wir sind dabei, mit seinen Augen. Aber wollen wir ihn, innerlich, aufhalten? Rufen wir ihm zu, die Kamera abzuschalten und den verschiedenen Opfern zu helfen, die gerade ihr Leben ausröcheln? Diese Bilder werden Louis’ Durchbruch sein, sie werden ihn in eine völlig andere Liga katapultieren – das spüren wir hier so unmittelbar wie das Pochen seines Herzschlags.
Und die Wette gilt: Welcher Zuschauer wird, wenn er sich überhaupt in diesen Film wagt, hier innerlich „Stop“ rufen? Wird nicht mitfiebern, mitjagen, mitglotzen, wird diesem dunklen Sog widerstehen, statt sich ihm lustvoll hinzugeben? Die Macht des Kinos und der Bilder ist groß, und sie zieht den Betrachter hier genau in die andere Richtung.

Eine Richtung allerdings, die niemandem ganz fremd sein dürfte. Was ist es denn, das uns langsamer fahren und angestrengt spähen lässt, wenn am Rand der Autobahn Blaulicht leuchtet und Blut geflossen ist? Es ist dieselbe Macht, viel älter als das Kino, die das Publikum früher zu den Richtplätzen und Scheiterhaufen trieb.

Alles Reden über Mediengewalt und Paparazzi-Wahnsinn hat diesen blinden Fleck der Selbsttäuschung. Denn wo wären diese Bilder, wenn niemand sie will? Und wer will sie überhaupt? Natürlich immer die anderen. Das Tolle an dem Film „Nightcrawler“ ist, dass er solche einfachen Ausflüchte nicht zulässt.

Nightcrawler, USA 2014 – Regie und Buch: Dan Gilroy. Kamera: Robert Elswit. Mit Jake Gyllenhaal, Rene Russo, Riz Ahmed. Concorde, 119 Min.

Tempo für alle

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Erinnert sich noch jemand an Barack Obama als globalen Volkstribun mit unfehlbarem Gespür für historische Metaphern, dem man in Berlin so leidenschaftlich zujubelte wie in Chicago? Am Montag hatte er ein kurzes Comeback, als er hemdsärmelig in einer Videobotschaft das Internet zur öffentlichen Grundversorgung erklärte und die Netzneutralität einforderte.

Netzneutralität ist so etwas wie das Gleichheitsprinzip für die digitale Welt (die Übertragungsgeschwindigkeit des Internets ist unantastbar!). Und weil das Internet nach wie vor eine amerikanische Einrichtung mit globaler Reichweite ist, kämpft Obama also nicht nur für Amerika, sondern für die ganze Welt.




Barack Obama

Er begann dann auch mit einem Wertekanon fürs Internet, und zwar in einem jener Dreisätze, wie sie sich schon seit der Französischen Revolution gut auf Staatswappen und Münzrändern machen: Offenheit, Fairness und Freiheit. Die entscheidende Stelle in Obamas Ansprache war aber: „ Auf der Datenautobahn gibt es keine Mautstrecken.“ Das erinnert hierzulande vielleicht an den „Freie Fahrt für freie Bürger“-Libertarismus des ADAC und an den Verkehrsminister Dobrindt. In den USA sind die historischen Bezüge etwas gewichtiger. Doch welche Freiheit meint er?

Den Begriff vom „Information Superhighway“ hatte ursprünglich Al Gore eingeführt, der damit den Clinton-Gore-Wahlkampf von 1992 führte. Unermüdlich stand der Vizepräsidentschaftskandidat vor dem Wahlvolk und predigte die digitale Zukunft. Und wenn er dann auf einer Landwirtschaftsmesse in Iowa vor lauter Farmern sprach, denen Subventionen für Mähdrescher und Maispreise eigentlich viel wichtiger waren, hatte das schon mal unfreiwillige Komik. Mitreisende Journalisten feixten damals, Al Gore habe das Internet erfunden, nur leider wolle es niemand kaufen.

Die Metapher, die Al Gore bemühte, war das große Versprechen des amerikanischen Wirtschaftswunders, das 1956 in Dwight Eisenhowers „Federal Aid Highway Act“ gipfelte. Die Highways waren damals buchstäblich die Schnellstraßen zur Demokratisierung des Wohlstandes für die Bürger in den Suburbias. Dort konnten sich die Großstadtbürger den Traum vom „Home on the Range“ leisten – das Eigenheim mit Landbesitz, das nun via Highway an die sozialen Gefüge und Arbeitsplätze der Metropole angebunden war. Für die Wirtschaft vereinte das größte Transportnetz der Welt den wilden Kontinent zum überschaubaren Marktplatz.

Der Information Superhighway war deswegen ein Versprechen mit doppeltem Boden. Denn das Bild von der Datenautobahn war auch ein Bruch mit den bis dahin gültigen Metaphern fürs Internet. Der Kulturkritiker Howard Rheingold hatte sich die Virtual Communities ausgedacht, die virtuellen und damit grenzenlosen Gemeinschaften. Das schloss an Marshall McLuhans Ideal vom Global Village an, dem Medium als globalen Dorf, das er schon 1962 prophezeit hatte. Und dann gab es natürlich den Cyberspace, jenes Bild vom kybernetischen Weltenraum, den der Schriftsteller William Gibson 1984 in seinem Roman „Neuromancer“ in den allgemeinen Sprachgebrauch einführte.

Der Abschied von diesen räumlichen Bildern, die das Ideal einer globalen Gemeinschaft beschworen, bedeutete aber auch die Zäsur im Umgang mit der digitalen Welt. Al Gores Datenautobahn manifestierte das Internet als Geflecht von Einzelsphären, die über das Netz zu einer globalen Wirtschaftszone verschmolzen. Es ging ihm um neue Märkte und technischen Fortschritt. Demokratischer Diskurs und Weltgeist waren begrüßenswerte Begleiterscheinungen, mehr nicht.

Das ist auch der Unterton in Barack Obamas Kampf für die Netzneutralität. Er zieht ja keineswegs gegen die NSA zu Felde, auch nicht gegen die Giganten aus dem Silicon Valley oder wer derzeit eben sonst noch gerade Schindluder mit der Freiheit im Netz treibt. Er will einen Wirtschaftszweig schützen, der Amerika aus dem verrotteten Industriezeitalter und dem Elend der Service Economy holen soll.

Dabei bedient er sich dann auch gleich noch eines weiteren historischen Gestus. Obama spielt die Rolle des heldenhaften Kämpfers gegen die übermächtigen Monopole. Vorbild ist ihm dabei der einstige Senator und Finanzminister John Sherman, der im späten 19. Jahrhundert gegen die neuen Giganten der Industrialisierung antrat, gegen die Eisenbahn-, Stahl- und Ölkonzerne, die sich in einer rasenden Geschwindigkeit zu Machtblöcken entwickelt hatten, die Demokratie und Wirtschaft gefährdeten. 1890 begründete sein „Sherman Antitrust Act“ die gesetzliche Grundlage, auf welche der Staat in Amerika noch heute gegen die Bildung von Kartellen und Monopolen vorgehen kann.

Auch Obama will mit der Netzneutralität das Internet vor Giganten retten. Allerdings nicht vor den Giganten des 21. Jahrhunderts, vor Google, Amazon und Apple, die in den vergangenen Jahren ähnlich schnell von Garagenklitschen zu Weltkonzernen aufstiege wie einstmals Standard Oil und Carnegie Steel. Die unterstützen ihn sogar nach Kräften. Es geht um jene Konzerne, die ihre Macht im 20. Jahrhundert aufgebaut haben, um die Kabelbetreiber, die heute oft Teile von Telefongesellschaften und Medienhäusern in sich vereinen. Die kontrollieren die Schwachstellen des Internets – jene Auffahrtrampen auf den Information Superhighway, die all die Marktplätze mit den Konsumenten verbinden. Es soll keinen sweetheart deal mit Netflix geben, ist Obamas klassisches Beispiel. Der Filmanbieter, der in den USA schon rund ein Drittel des Datenverkehrs für sich beansprucht, soll sich nicht mit den Kabelbetreibern verbünden, um die Konkurrenz aus dem Netz zu treiben.

Was aber hat so ein Kartellkampf in den USA mit Europa, Deutschland, Bayern zu tun? Einiges. Wenn Barack Obama in seiner Videobotschaft die FCC, die Behörde für Telekommunikation, drängt, die Netzneutralität zu retten, kämpft er durchaus für die digitale Freiheit weltweit aller Nutzer. Doch diese Nutzer sind eben vor allem Konsumenten des Silicon Valley. Bremst beispielsweise der Filmanbieter Netflix die Video-Angebote von Google und Amazon aus, hat das weltweite Folgen. Vor allem für Google und Amazon. Doch das sind nur Kollateralschäden.

Europa, Bayern und Deutschland werden ihren Kampf um die Netzneutralität selbst ausfechten müssen. Die Hoffnung aber, dass das Internet zur Infrastruktur und damit zum öffentlichen Gut erklärt wird, ist reiner Idealismus. Autobahnen sind öffentlicher Raum. Aber das sind auch die Zubringer und Auffahrten. Das wären bei Al Gores Datenautobahn die Kabelnetze der lokalen Provider, die Anschlüsse und Router. Die muss man bezahlen.

Afrika ist Europa und Amerika da schon einen Schritt voraus. Weil der Kontinent den Entwicklungsschritt des Telefonzeitalters weitgehend ausgelassen hat, baut man dort gerade im ganzen Land Kabel-, Wlan und Handynetze auf. Und da gibt es Aktivisten wie den Südafrikaner Steve Songs, der seinen Kontinent frühzeitig aus den Netzwerken der europäischen und amerikanischen Anbieter und Webfirmen befreien will. Weil er weiß, dass die Monopole des 21. Jahrhunderts längst keinen Raum für Entwicklungen mehr lassen, die an der Börse keine Spuren hinterlassen. Das könnte jene Offenheit, Fairness und Freiheit garantieren, von der viele hoffen, dass Obama sie am Montag gemeint hätte.
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