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Ein Markt der Mächtigen

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Im Kern geht es dabei um ein Verbot von Gratiszeitungen. Doch weil dieses Verbot ganz unmittelbar und ungeniert auf das Massenblatt Israel Hayom („Israel heute“) abzielt, das im Eilmarsch zur größten Tageszeitung des Landes geworden ist, tobt nun ein Glaubenskrieg um den Gesetzentwurf: Soll er tatsächlich die Presse schützen, oder ist er in Wahrheit ein Frontalangriff auf die Pressefreiheit?
Tatsächlich trifft beides zu – und deshalb ist dieser Fall auch so hochbrisant.



Eine Ausgabe des kostenlosen Israel Hayom von 2010. Das Blatt ist konservativ ausgerichtet und das Sprachrohr von Premier Netanjahu.

Man kann den Aufstieg von Israel Hayom als Medienmärchen oder auch als Horrorgeschichte darüber beschreiben, wie Zeitungen zum Propaganda-Instrument und Spielball politischer Interessen werden. Märchenhaft sind die steil steigenden Auflagenzahlen: 320000 Exemplare werden mittlerweile jeden Tag von Israel Hayom verteilt. Im ersten Halbjahr2014 stieg der Marktanteil auf nunmehr 39,8 Prozent. Die Konkurrenz ist abgeschlagen, ratlos und bald wohl auch pleite.

Hinter diesem Aufstieg steckt allerdings kein wirtschaftliches oder publizistisches Kalkül, sondern ein politisches: Israel Hayom ist das Sprachrohr von Premierminister Benjamin Netanjahu, der nicht zuletzt dank dieser medialen Schützenhilfe die beiden Wahlen in den Jahren 2009 und 2013 gewinnen konnte. Finanziert wird das Gratisblatt von einer Art reichem Onkel aus Amerika – von Sheldon Adelson, der mit seinen in Las Vegas erwirtschafteten Milliarden auch zu den großzügigsten Förderern der amerikanischen Republikaner zählt.

Israel Hayom aber hilft nicht nur Netanjahu, sondern es pflügt auch die gesamte israelische Medienlandschaft um – und wird damit zu einer Bedrohung der Meinungsvielfalt. Denn den anderen Zeitungen des Landes nimmt das Blatt nicht nur die Leser weg, sondern durch Dumpingpreise auch die Anzeigen. Die früher größte Zeitung Yedioth Ahronoth versucht sich bei einem Marktanteil von nur noch 36 Prozent gesundzuschrumpfen. Die linksliberale Haaretz ist auf sechs Prozent abgerutscht und hat darauf mit Entlassungen und Einschränkungen im Umfang reagieren müssen. Und Maariv mit zehn Prozent Marktanteil hat ohnehin schon Konkurs angemeldet und wurde vom rechtsgerichteten Verleger Eli Azor übernommen. Aus der Konkursmasse sicherte sich Adelson als zweites Standbein noch schnell das Wochenblatt Makor Rischon.

Diesem Verdrängungswettbewerb soll nun per Gesetz ein Riegel vorgeschoben werden. Eine Mehrheit gilt als sicher, obwohl der Initiator Eitan Cabel aus der oppositionellen Arbeitspartei stammt. Unterstützung aber hat er schnell von sämtlichen Koalitionspartnern Netanjahus erhalten, die in der Medienmacht des Regierungschefs auch eine Bedrohung für ihre jeweils eigenen Parteien erkennen. Wirtschaftsminister Naftali Bennett hat Israel Hayom deshalb mit der Prawda verglichen, Justizministerin Tzipi Livni sieht darin „keine Zeitung, sondern Wahlpropaganda“.

Bei einer Diskussion im Kabinett am Sonntag warnte allein Strategieminister Juval Steinitz aus Netanjahus Likud-Partei vor einer Zustimmung zum Gesetz. „Es sei ein Spiel mit dem Feuer“, erklärte er, „in einer Demokratie kann niemals das Parlament ein Medium schließen, sondern nur der Markt.“ Der Oppositionsmann Cabel hält dagegen, dass er Israel Hayom ja gar nicht verbieten, sondern nur dazu zwingen wolle, einen Preis für die Zeitung zu verlangen. Dieser Preis darf dem Entwurf zufolge nicht mehr als 70 Prozent unter der zweitbilligsten Zeitung liegen.

Das letzte Wort dürfte in diesem Fall aber ohnehin nicht das Parlament haben, sondern das Oberste Gericht. Vorsorglich aber hat Israel Hayom am Dienstag noch einmal mächtig Stimmung gegen das Gesetz gemacht: 79 Prozent aller Israelis seien dagegen, wird gemeldet. Das Ergebnis ist eindeutig – und entstammt einer eigenen Umfrage.

Pilgerfahrt und Pistolen

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Ismail I. hatte sein Auto vollgepackt. Tarnkleidung, Nachtsichtgeräte, Medikamente, Geld, Armbanduhren fanden sich in dem Wagen, auch Bücher und Süßigkeiten. Der 24-Jährige war mutmaßlich auf dem Weg zurück in den Bürgerkrieg, nach Syrien, wo er zuvor schon für die Terrormiliz IS gekämpft haben soll. Doch der Stuttgarter Libanese kam nicht weit an jenem 13. November 2013. An der Feng-Shui-Raststätte in Gruibingen, kurz vor dem Albaufstieg an der A8, griffen die Staatsschützer zu. Sie nahmen Ismail I. fest, mit ihm auch Mohammad Sobhan A., 38, einen Deutschen mit afghanischen Wurzeln, der in Mönchengladbach lebte. Von diesem Mittwoch an müssen sich die beiden zusammen mit Ezzedine I., Ismails 34-jährigem Bruder, vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verantworten. Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung drohen den drei Männern Haftstrafen bis zu zehn Jahren.



Hochsicherheitstrakt Stuttgart: Hier muss sich der mutmaßliche IS-Kämpfer Ismail I. verantworten.

Es ist der zweite Prozess gegen einen IS-Kämpfer in Deutschland. Der erste wird derzeit geführt in Frankfurt am Main, wo Kreshnik B. angeklagt ist. Der 20-jährige Sohn kosovarischer Eltern, in Bad Homburg geboren, wuchs ohne religiöse Bindung auf, geriet irgendwann in den Bannkreis islamistischer Prediger und reiste in den Dschihad nach Syrien. Eine ähnliche Geschichte wird nun auch im Gerichtssaal in Stammheim zu hören sein, wo Ismail A. und seinen beiden Mitangeklagten der Prozess gemacht wird.

Nach allem, was man über das Leben des Ismail I. weiß, schlug er sich ohne Schulabschluss und Berufsausbildung in Stuttgart mit Gelegenheitsjobs durch, lebte danach für kurze Zeit mit einer schwedischen Frau in Malmö zusammen. Nachdem die Beziehung gescheitert war, kehrte er im Jahr 2010 nach Stuttgart zurück, lebte bei seiner Mutter, arbeitete in einem Fast-Food-Laden, fälschte Krankmeldungen, nahm Drogen. In einer Moschee in Bad Cannstatt erfuhr sein Leben dann offenbar die entscheidende Wendung. Schon bald soll er entschlossen gewesen sein, in den Dschihad zu ziehen. Im Juli 2013 brach er zu einer Pilgerfahrt nach Mekka auf, unmittelbar danach machte er sich auf den Weg nach Syrien.

In der Grenzstadt Atma stieß Ismail I. zu den IS-Truppen, wurde trainiert von tschetschenischen Dschihadisten. Eine der entscheidenden Fragen bei dem Prozess wird sein, ob Ismail I. tatsächlich auch gekämpft hat in Syrien. Zurück in Deutschland sollte er laut Anklage Ausrüstung und Medikamente kaufen. Sein Bruder Ezzedine ist angeklagt, weil er für seinen Bruder 10000 Euro aufgetrieben haben soll. Die Verhaftung von Ismail I. verdankt die Polizei nur einem Zufall. Der Verkäufer in einem Stuttgarter Waffenladen wunderte sich, woher der junge Mann das Geld für so teure Nachtsichtgeräte hatte, und vor allem: Was wollte er damit anstellen? Deshalb informierte er die Polizei.

In den Verhören mit der Polizei soll Ismail I. nun sehr kooperativ gewesen sein, soll viele Details über das Leben und Kämpfen im IS verraten und Personen identifiziert haben. Seinen Aussagen zufolge hat er sich in Syrien sehr bald von den Dschihadisten losgesagt. Er will eine Handverletzung simuliert haben, um abreisen zu dürfen. Also habe man ihn mit einer Einkaufsliste nach Deutschland geschickt. Die Frage ist allerdings: Warum hat er sich, wenn er doch mit den IS-Kämpfern nichts mehr zu tun haben wollte, Geld besorgt und wirklich eingekauft?

Mit Tempo 250000

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Das Firmament stand in Flammen. „Tausende Sternschnuppen und Feuerkugeln fielen hintereinander eine Stunde lang.“ Das schrieb Alexander von Humboldt im November 1799 über die „Lightshow“ am Himmel über Venezuela. Der Naturforscher war Zeuge eines besonders heftigen Meteorsturms geworden, der Leoniden. In ein paar Wochen werden kosmische Geschosse dieses Schwarms erneut mit Tempo 250000 in die Erdatmosphäre eindringen und als flüchtige Leuchtspuren aufblitzen. Ein Spektakel, wie es Humboldt erlebt hat, wird es leider nicht geben. Während des Maximums in der Nacht zum 18. November erwarten die Astronomen lediglich 15 bis 20 Sternschnuppen pro Stunde. Von 1999 bis 2003 dagegen beobachteten sie jeweils mehrere Tausend. Chinesische Chroniken aus dem Jahr 902 berichten gar, dass die „Sterne wie Regen vom Himmel gefallen“ seien. Die große Frage lautet: Warum schwankt die Aktivität der Leoniden derart stark?



Sternenhimmel: der Schauplatz für die Leoniden-Schauer.

Der Meteorschauer stammt von einem Kometen, den Ernst Wilhelm Tempel und Horace Tuttle 1865 unabhängig voneinander aufgespürt hatten. Die Forscher fanden heraus, dass er einmal alle 33 Jahre die Sonne umrundet. Kometenkerne gleichen schmutzigen Eisbergen, die bei Erwärmung abbröseln. Fontänen spucken Staub, der sich entlang der Kometenbahn verteilt. Durchkreuzt die Erde eine solche „Sandbank“, kommt es zu Kollisionen mit diesem natürlichen Weltraummüll – wir beobachten Meteore. In Sonnennähe füllt der Komet die Teilchenreservoirs im Prinzip alle 33 Jahre auf, allerdings nie gleichmäßig. So gibt es mehrere, unterschiedlich große und dichte „Sandbänke“. Daher lässt sich die Stärke eines Leonidenschauers nur schwer vorhersagen. Während etwa der für 1899 prophezeite ausblieb, bot jener von 1966 völlig unerwartet ein grandioses Schauspiel.

Ihren Namen verdanken die Leoniden einem perspektivischen Effekt, der vom Lauf der Erde um die Sonne herrührt und den jeder schon mal im Alltag erlebt hat: Wer bei heftigem Schneefall Auto fährt, sieht die einzelnen Flocken durch die Windschutzscheibe stets von einem einzigen Punkt aus der Ferne heranströmen. Die Astronomen bezeichnen die Meteore nach dem lateinischen Namen jenes Sternbildes, in dem dieser Punkt (Radiant genannt) liegt. Im Fall der Leoniden ist es der Löwe, lateinisch Leo.

Merkur erreichte am 1. November seinen größten Winkelabstand von der Sonne. Daher kann man den flinken Planeten täglich bis zur Monatsmitte kurz vor Sonnenaufgang tief über dem Osthorizont erspähen. Während Venus und Saturn in diesem Monat unbeobachtbar bleiben, zeigt sich Mars im Schützen für ungefähr eineinhalb Stunden am westlichen Abendhimmel. Jupiter im Löwen geht jetzt bereits vor Mitternacht auf. Uranus in den Fischen lässt sich am besten in der ersten Nachthälfte beobachten; am Abend des 4. November zog der fast volle Mond an dem Planeten vorüber. Neptun im Wassermann können erfahrene Sternfreunde nach Einbruch der Dunkelheit am abendlichen Firmament finden. Der weitere Fahrplan des Erdbegleiters: Vollmond am 6., Letztes Viertel am 14., Neumond am 22. und Erstes Viertel am 29. November. Am 8. November steht der Trabant abends nahe bei Aldebaran, dem Hauptstern in der Konstellation Stier. Am 18. November flitzen die Leoniden über das Firmament. Bereits am 12. November erreichen die Tauriden ihr Maximum, mehr als fünf bis zehn Sternschnuppen pro Stunde werden es allerdings nicht sein.

Couchsurfing für Erstsemester

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Anna (links), 22, studiert Medizin, ihr Freund Peter, 23, Lehramt Geschichte und Politik. Für die Aktion "Deine Couch für Erstis" ließen sie die Psychologie-Studentin Sascha, 21, aus der Ukraine zwei Wochen lang auf ihrem Sofa schlafen, bis sie eine eigene Bleibe gefunden hatte.  

jetzt.de: Anna und Peter, ihr habt Sascha auf eurer Couch schlafen lassen – kostenlos und obwohl ihr in eurer Zweizimmerwohnung nicht gerade viel Platz habt. Warum?
Anna:Im Sommer bin ich zusammen mit einer Freundin mit dem Rucksack durch Italien gereist und fand es unglaublich, wie gastfreundlich die Leute waren. Wir fuhren auf eine Insel, ohne ein Zimmer oder eine Ferienwohnung gebucht zu haben und konnten ganz spontan bei Fremden übernachten und kochen. Das ist einfach ein schönes Gefühl, und das wollte ich gerne weitergeben.
Peter: Außerdem wissen wir selbst, wie schwierig es ist, in Münster eine Wohnung zu finden. Als wir mit dem Studium angefangen haben, wohnte ein Kommilitone die ersten paar Wochen in einer Jugendherberge. Ich glaube, die Uni wollte sogar mal Turnhallen als Notunterkünfte anbieten. Wir haben damals auch einen Monat lang gesucht und mussten lange von unserer Heimatstadt Recklinghausen aus pendeln. Das war auch ein Grund für uns, bei der Aktion mitzumachen.

Wie war die Resonanz auf eure Anzeige im Internet?
Anna: Ich bekam gleich am ersten Wochenende ganz viele SMS, Anrufe und Nachrichten, auch später, als Sascha schon hier war. Einen Tag vor Vorlesungsbeginn meldete sich noch jemand aus Polen, der ganz verzweifelt eine Bleibe suchte. Da tat es mir sehr leid, ihm absagen zu müssen.

Wie habt ihr Sascha ausgewählt? Gab es eine Art Casting?
Anna: Einige Studenten schickten richtige Bewerbungen über WhatsApp und schrieben, wie ordentlich sie sind und wo sie ihren Bundesfreiwilligendienst geleistet haben. Wahrscheinlich sind viele unsicher und denken, sie müssen sich besonders gut präsentieren, um so kurzfristig noch einen Schlafplatz zu bekommen. Die meisten sagten aber wieder ab, weil sie dann doch ein Zimmer gefunden hatten. Als Sascha anrief, war die Couch noch frei.

Sascha, du kommst aus Kiew und fängst hier einen Master in Psychologie an. Vom Ausland aus ist die Wohnungssuche bestimmt noch eine Spur stressiger…
Sascha: Ich habe mich hier für einen Platz im Studentenwohnheim beworben, als ich noch in der Ukraine war. Ich habe WGs angeschrieben, aber mir hat niemand geantwortet. Ich hatte damals noch kein Visum und konnte nicht genau sagen, wann ich kommen würde. Ich wusste, dass es beim Studentenwerk Notunterkünfte gibt, und bin sofort dorthin gegangen, als ich in Münster angekommen bin. Das war aber am 3. Oktober, deshalb war niemand da. Am Ende war nur noch ein Zimmer in der Jugendherberge frei. Dann habe ich von "Deine Couch für Erstis" erfahren.

Hattest du keine Angst, bei Fremden auf der Couch zu schlafen?
Sascha: Schon ein bisschen. In der Ukraine schläft man eher nicht bei Fremden oder lässt Fremde bei sich wohnen. Ich habe Anna und Peter angerufen und bin abends zu ihnen gefahren. Wir haben uns gleich gut verstanden.
Anna: Am ersten Abend, als Sascha hier war, fragte ich sie nach ihrem Alter. Sie antwortete, dass sie am nächsten Tag 21 wird. Leider musste ich an dem Abend arbeiten und es tat mir so leid, dass sie ihren Geburtstag ganz alleine in einem fremden Land verbringen musste, deshalb habe ich am nächsten Tag einen Kuchen gebacken und ein „Münster für Anfänger“-Buch gekauft, damit sie wenigstens etwas zum Auspacken hatte.

Couchsurfing kennt man eigentlich vom Backpacker-Urlaub. Eure Situation ist ganz anders: Studium, Arbeit, Alltag – und plötzlich ist man eine WG auf Zeit. Wie klappt so ein Zusammenleben?
Anna: Sascha war tagsüber viel unterwegs, zum Beispiel für Behördengänge. Abends haben wir zusammen gekocht. Zwischendurch waren Peter und ich auch noch fünf Tage in Berlin. Wir hatten Zeit gehabt, Sascha ein bisschen kennenzulernen und wussten, dass wir ihr vertrauen können. Außerdem haben wir sowieso nichts, was groß hätte wegkommen können (lacht). Ansonsten haben wir versucht, Rücksicht zu nehmen. Wir haben zum Beispiel keine abgeschlossene Küche…
Peter: ...wenn ich mal früh raus musste, hab ich im Dunkeln gefrühstückt, um Sascha nicht zu wecken. 
Anna: Wenn Freunde zum Filmabend bei uns waren und wir auf der Couch saßen, haben wir natürlich darauf geachtet, dass es nicht zu spät wird. Wir haben unsere Zimmertüren geschlossen, damit Sascha in Ruhe skypen kann. Das ist natürlich alles nicht ideal, gerade bei einem längeren Zeitraum. Ich kann mir vorstellen, dass es für Sascha anstrengend war, weil sie kein eigenes Zimmer hatte. Sie wollte ja auch ihre Koffer nicht auspacken…
Peter:...weil sie dachte, dann würde es so aussehen, als würde sie länger hier bleiben wollen.
Sascha: (lacht) Für mich war es bequem, ich habe mich hier sehr wohl gefühlt. Ich musste ja auch noch nicht arbeiten oder lernen, ich hatte Orientierungswochen und konnte mir hier in Ruhe eine WG suchen.

Ohne eigenes Zimmer ist das mit der Privatsphäre gar nicht so einfach. Wie habt ihr es geschafft, euch in bestimmten Situationen nicht in die Quere zu kommen?
Anna:
Da gab es keine konkreten Absprachen. Ich denke, dass Sascha nach ein paar Tagen unseren „Rhythmus“ kannte und dann immer ein etwas früher aufgestanden ist als wir, um ein bisschen Privatsphäre zu haben. Sie zog sich zum Beispiel oft im Bad um. Sie hat uns nicht extra gebeten, für ein paar Minuten mal nicht ins Wohnzimmer zu gehen, wobei das auch kein Problem gewesen wäre.

Würdet ihr anderen empfehlen, bei „Deine Couch für Erstis“ mitzumachen?
Peter: Natürlich geht es vorrangig um den Schlafplatz, aber ich glaube, es war auch superwichtig, dass wir für Sascha Ansprechpartner waren: Wir haben ihr bei der Wohnungssuche geholfen, und dabei, Münster kennenzulernen. Wir haben ihr auch beim Umzug in ihre jetzige WG geholfen und sind mit ihr zu Ikea gefahren.
Anna: Wir haben uns reingehangen, weil wir uns irgendwie für Sascha verantwortlich gefühlt haben. Sie hätte das nie von uns verlangt, aber wir wollten ihr gerne helfen.
Peter: Wir möchten das nächstes Semester auf jeden Fall noch einmal machen, auch wenn es im Sommer wahrscheinlich nicht so viele Anfragen gibt. Die Dankbarkeit, die Sascha uns gegenüber jetzt aufbringt, ist einfach ein super Gefühl.

Dieses Interview erscheint im "Studentenatlas", ein Projekt von jetzt.de und SZ.de. Mehr Infos dazu findest du hier.
 Eine interaktive Münster-Karte für Studenten findest du hier

Meine Straße: Ehrengutstraße

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Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen, die nettesten Anekdoten. Heute:




 

Stephanie, 29, Architektin



Das einzige Problem mit der Ehrengutstraße: das Hin- und Wegkommen. Im Dreimühlenviertel gibt es schließlich weder eine eigene U-Bahn- noch eine Tram-Station. Man ist auf das Rad oder den Bus angewiesen. Leider gibt es auch kaum normale Supermärkte in der unmittelbaren Umgebung. Für eine Drogerie muss man schon bis zur Lindwurmstraße fahren. Davon abgesehen kann man hier aber prima leben, ohne je woanders hinzumüssen.

Zum Frühstücken gehe ich ins Café Zimt– ein herzlicher, bodenständiger Laden mit einem guten Chai-Latte, was ich toll finde, da ich keinen Kaffee mag. Ich bestelle immer das „Frühstück Nr.1“: Croissant mit Butter, Marmelade und Heißgetränk.
 
Mein totaler Lieblingsladen und meine Stammkneipe ist das YOL, ein griechisch-türkisches Restaurant, in Familienbetrieb. Er kommt aus der Türkei, sie aus Griechenland. Hier braucht man im Gegensatz zu fast allen anderen Lokalen keine Reservierung, sondern bekommt immer einen Platz. Samstags gibt es Bauchtanz. Unschlagbar sind der Vorspeisenteller, die Dorade und die Calamari. Aber mit Gemüse als Beilage und nicht mit Salat. Das ist wichtig, weil das Gemüse richtig, richtig gut schmeckt. Und als Nachtisch muss man dann unbedingt den „Nachtisch mit Beleuchtung“ bestellen. So steht er in der Karte. Es ist ein Obstteller – auf einer Etagere serviert und obendrauf steht eine ausgehöhlte Orange mit einem Teelicht drinnen. Natürlich gibt es auch für jeden Gast immer mindestens einen Ouzo umsonst.
 
Gleich nebenan gibt es das uralte Eiscafé Italia, in dem schon meine Mutter in jungen Jahren Eis essen war. Das wird von zwei lustigen Cousins und der strengen Mutter von einem der beiden betrieben. Der Laden ist nicht hip – normales, selbstgemachtes Eis halt, wie man es früher gegessen hat – aber gut. Einer der beiden Cousins, Tommaso, schreit immer durch die Gegend und quatscht alle Leute an. Selbst wenn du mit dem Rad vorbeifährst, kommst du um einen Kommentar von ihm nicht herum.
 
Das Roeckl ist auch super. Und wunderschön eingerichtet. Die betreiben da Wiedereingliederung von benachteiligten Jugendlichen ohne lupenreine Vorgeschichte – sie bekommen dort die Chance auf eine Ausbildung. Ist jetzt kein Laden für jeden Tag, weil er etwas feiner und teurer ist, aber ein Besuch lohnt sich definitiv, vor allem zum Steak- und Schnitzelessen.
 
Das Bavarese, in dem man eine gute Pizza Funghi essen kann, und die gegenüberliegende Kneipe, das Valentin Stüberl, muss man ja eigentlich gar nicht erwähnen, das kennt sowieso jeder. Leider ist das Bavarese immer gnadenlos überfüllt, so dass man kaum einen Platz bekommt. Im Stüberl geht es vor allem zu Fußballmeisterschaften ab. Die legen dann echten Rasen vor der Tür aus, und das ganze Dreimühlenviertel besetzt die Straßenkreuzung.
 
Ercan’s Body Gym ganz am Westende der Straße ist hier in der Gegend fast schon legendär. Der Betreiber ist ein supersympathischer Bodybuilder, über den es auch einen Kinofilm gibt: „Pumping Ercan“. Die Sauna kann man auch ohne Mitgliedschaft nutzen.
 
An diesem Ende kommt auch das Schlacht- und Viehhofareal. Der Schlachthof wird noch als solcher genutzt – morgens um neun hört man an bestimmten Tagen die Kühe muhen. Abends nicht mehr. Der Viehhof dagegen ist eher eine Stadtoase, in die man vor allem im Sommer einfach abtauchen kann wie in eine andere Welt. Mit Open-Air-Kino, Nachtbiergarten und vielen guten Veranstaltungen. Die Schlachthofakademie, gegründet von benachbarte Freunde, ist übrigens auch einen Tipp wert. Die organisieren im Weinladen F.X. Muschelkalk ganz unterschiedliche Themenabende: einen Wettbewerb um den Witz des Jahres zum Beispiel, einen Tagebuchabend, Filmabende oder Interviews und Diskussionen, bei denen es um Themen wie Flüchtlingspolitik oder Eurokrise geht. Die Organisation läuft ausschließlich über Facebook und es findet immer in recht kleinem Rahmen statt – maximal 30 Leute pro Veranstaltung.
 
Und zwischen alldem findet man tatsächlich auch noch Betriebe wie unseren Schreiner Christoph im Hinterhaus, der wunderschöne Möbel baut, mit seinem Sägen den sympathischen Klang von echtem Handwerk versprüht und das manchmal etwas überhandnehmende Kindergeschrei übertönt.
 
Eine schleichende Verspießerung ist aber leider auch nicht zu leugnen. Man sieht tatsächlich manchmal Menschen, die morgens mit Kamera losziehen und Falschparker fotografieren, um diese dann von der Polizei abschleppen zu lassen. Neuerdings gibt es einen mysteriösen schwarzen Paintball-Fleck an einer Hauswand, der aber natürlich auch längst fotografisch erfasst und dokumentiert ist.

Schaufensterkritik: Kamm-Shot

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„Kamm Weninger“ ist ein echtes Fachgeschäft und hat eines der wenigen Schaufenster ohne Würste und Schnitzel an der fantastischen Adresse Viktualienmarkt. Was hier verkauft wird, ist unschwer zu erkennen, nämlich: Kämme. Große, kleine, dunkle, helle und natürlich auch Bürsten, Pinsel, Schwämme und noch einiges mehr. Was? Einfach genau hinschauen. Offenbar gibt man sich größte Mühe, möglichst das gesamte Sortiment in einem sehr kleinen Schaufenster zu präsentieren.

Plötzlich ein Star

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Für alle, die seit Montag nicht im Internet waren: Ein Junge mit langen Wimpern und guter Frisur ist berühmt. Er heißt Alex. Er arbeitet bei einem amerikanischen Discounter namens Target an der Kasse und trägt dabei ein rotes Shirt und Khakihosen.

Alex hat in den letzten zwei Tagen 591.000 Fans auf Twitter dazugewonnen (Stand: Mittwoch, 16 Uhr), praktisch jeder Fernsehsender in den USA und jedes Internetportal der Welt hat über ihn berichtet.

Warum? Weil sehr viele Menschen bei Fernsehsendern und Internetportalen sich seit Montag am Kopf kratzen: Warum wird ein Junge berühmt, der nicht singt, nicht tanzt, nicht mal Selfies postet? Der überhaupt nichts getan hat, außer Einkäufe in eine Tüte zu packen und dabei fotografiert wurde?

Die kurze Antwort: Weil ein paar tausend Mädchen ihn süß finden. Und weil ein paar tausend Mädchen heute reichen, um aus einem Jungen in Khakihosen einen Star zu machen. Am Sonntag Abend twitterte eine Engländerin mit 14.000 Followern das Foto, als eine der ersten. Sie schrieb dazu: "YOOOOOOOOOO".

[plugin imagelink link="http://blog.sfgate.com/hottopics/files/2014/11/Alex-from-Target.png" imagesrc="http://blog.sfgate.com/hottopics/files/2014/11/Alex-from-Target.png"]

Sechs Stunden später war der Junge berühmt. Das Foto hatte sich zigtausendfach verbreitet, wurde mit Mem-Bildunterschriften versehen und in Videos mit lustiger Musik untermalt. Am Montag war der Hashtag #AlexfromTarget der weltweit meistverwendete.

Die lange Antwort auf die Frage "Warum?" führt in eine Welt, die den meisten erwachsenen Internetnutzern bis dato unbekannt war: die Welt der "Fangirls". Fangirls, also Teenager-Mädchen, vereint in ihrer Leidenschaft für einen Künstler oder eine Band, sind aktuell "die mächtigste und unterschätzteste Kraft" im Internet. So hat das die Washington Post am Dienstag als erste diagnostiziert.

Alex hat seinen Ruhm dieser Gruppe zu verdanken. Sein Foto wurde in den ersten Stunden über bekannte Fangirl-Accounts verbreitet. Vor allem die Fans der zwei populärsten Teenie-Bands der Gegenwart, One Direction und Five Seconds of Summer, machten Alex berühmt.

Vermutlich, weil sich Alex mit seiner Justin-Bieber-Frisur und den weichen Gesichtszügen optisch nahtlos in jede der beiden Bands einfügen würde. Sein Aussehen ist ein Code, den die Fangirls intuitiv verstehen. Deshalb brauchte das Foto auch keine Erklärung außer "YOOOOOOOOOO".



Weibliche Teenager waren schon immer die dankbarste Zielgruppe für popkulturelle Trends. Aber heute bestimmen sie selbst, wer berühmt werden darf.


Man kann sich die "Fangirls" wie eine millionenstarke Armee vorstellen, die den Großteil des Traffics auf sozialen Medien ausmacht – ohne dass der Rest der Welt mehr als ein leises Hintergrundbrummen davon mitbekäme. Ansatzweise ablesen lässt sich das an den "Twitter-Trends": die Themen, die die Menschen im Netz beschäftigen. Von denen hatte im letzten Monat allein jeder fünfte etwas mit One Direction zu tun (Anlässe: das neue Video, der Starttermin des neuen Videos, der Jahrestag des letzten Albums).

Wenn es um ihre Lieblingsband geht, haben die "Fangirls" unbändigen Ehrgeiz. Sie klicken ein Video Dutzendfach an, um dessen Views in die Höhe zu treiben (übrigens angespornt von den Bands selbst, die mittlerweile genaue Viral-Anleitungen zu ihren Songs mitliefern). Die Fangirls haben die Mechanismen der Aufmerksamkeit im sozialen Netz verstanden. Sie hieven die Schlagwörter zu ihren Idolen bewusst in die Trend-Listen und feiern es als Sieg, wenn sie die Fans der rivalisierenden Band übertreffen.

Vor ein paar Wochen brachen die Fangirls einen Rekord: Mit vereinten Kräften klickten sie 800 Millionen Mal auf die erotische Fan-Fiction-Erzählung eines unbekannten One-Direction-Fans. Die Autorin bekam postwendend einen sechsstellig dotierten Buchvertrag, Paramount kaufte die Filmrechte.

Natürlich behauptete jemand, alles sei seine Idee gewesen. Wäre ja auch zu schön.



Die Fangirls machen so was dauernd. Nur nimmt sie kaum jemand wahr. Weil es sich aus Sicht der Erwachsenen bei den meisten "trendenden" Themen bloß wieder um ein Videoclip mit singenden Milchgesichtern handelt. Der Kassierer Alex hat es nur deshalb zu Aufmerksamkeit in den Medien gebracht, weil sich mit ihm die unheimliche Macht der Fangirls zur Abwechslung mal an einem völlig Unbekannten zeigt. Das brachte sogar Ellen Degeneres zum Stutzen, die Alex sofort in ihre Talkshow einlud.





Am Dienstag behauptete eine bis dato unbekannte Startup-Firma, die Sache mit Alex sei ihre Idee gewesen. Ein Hoax als Beweis, wie leicht man heute Themen setzen könne. Wäre ja auch zu schön: Das Geschäftsmodell der Firma ist es, für Künstler Fans zu generieren. Die Behauptung war offenbareineLüge, sozusagen ein Doppel-Hoax. Aber was der Firmengründer in einem Interview sagte, ist interessant: "Du setzt einen gutaussehenden Typen vor ein paar Fangirls, und sie nehmen ihn und rennen damit weg."

Was wir vom Supermarktkassierer Alex lernen können? Vielleicht eine neue Definition von Ruhm. Die Mechanismen, nach denen weibliche Teenager ihre Leidenschaft verteilen, haben sich geändert. Teenie-Mädchen sind seit den Beatles die dankbarste Zielgruppe für popkulturelle Trends. Bloß steuerten bisher Plattenfirmen oder Magazine, auf wen oder was sich ihre Leidenschaft richtete. Heute bestimmen die Fangirls selbst, wer berühmt wird. Und wenn er Khakihosen trägt.

Update: Das Interview mit Ellen Degeneres ist jetzt online.

Was ist deine Geschmacks-Kombi des Grauens?

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Die Geschmacksknospen auf der Zunge sind schon seltsame Erfindungen. Einzeln stimuliert, machen sie mit die tollsten special Effects, zu denen unser Körper fähig ist. Aber in Reihe geschaltet können sie völlig durchdrehen.

Dann schmeckt Mineralwasser, nachdem wir eine Lakritzschnecke gegessen haben, plötzlich wie dunkelgraues Brackwasser aus einer Werkstattpfütze oder Weißwein im Anschluss an cremiges Vanilleeis wie vergorener Essigreiniger.

Auch ein Klassiker: O-Saft nach dem Zähneputzen. Wobei man die Zahnpasta freilich nicht isst, aber uns geht es um alle diese merkwürdigen Ekel-Kombinationen: Welche davon kennst du, welche hast du selbst entdeckt, bei welchen angeblichen Bäh-Kombos verstehst du die Aufregung gar nicht? Tell us im Ticker!

Le Tweet-Clash

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Die beiden Franzosen fechten ihr Duell mit Wut und Wonne aus, und das unter englischem Namen: „Le Tweet-Clash“ nennen französische Medien den Showdown, den sich zwei 17-jährige Sprösslinge sehr prominenter Eltern seit Wochen öffentlich auf Twitter liefern. Zur Rechten kämpft Louis, auf Twitter genannt „Sarko_Junior“, der drittgeborene Sohn von Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy. Ihm gegenüber zur Linken steht Léonard alias „trierweiler3“, drittgeborenes Kind von Valérie Trierweiler, der früheren Première Dame und Ex des sozialistischen Präsidenten François Hollande.



Auf Twitter liefern sich Louis Sarkozy, Sprößling der Sarkozy-Familie und Léonard Trierweilder, Sohn der Ex-Première Dame Valerie Trierweiler, momentan ein Duell.

Sie streiten über Sport, am liebsten jedoch über Politik. Alles, was ihre Altvorderen betrifft, nehmen beide Jünglinge sehr persönlich. Ende Oktober kolportierte eine rechtsextreme Zeitschrift das – ganz offenbar falsche – Gerücht, Léonard Trierweiler lebe noch immer in den Gemächern des Élysées, anders als seine vor neun Monaten aus dem Palast verstoßene Mutter. Genüsslich griff Louis Sarkozy die Geschichte auf: „Nice“ stand nur in dem Tweet, mit er den Artikel verbreitete.

Léonard Trierweiler ätzte zurück, den jungen Sarkozy treibe offenbar dasselbe Motiv wie dessen Vater, der im September als Retter von Frankreichs rechter Oppositionspartei UMP auf die politische Bühne zurückgekehrt war: „Beide wollen wieder-kommen“, also heim in den Élysée.

„Sarko_Junior“ dementierte zwar. Aber dem jungen Mann, der seit geraumer Zeit in einem vom US-Militär geführten Internat in Pennsylvania lebt, unterliefen dabei Tippfehler. Also trat „trierweiler3“ nach. Ob Sarko Jr. selbst diese Tweets verfasse, die „so arrogant“ seien und von der Sprache her „kein Französisch“. Worauf „Sarko-Junior“ erwiderte, von Arroganz und schlechtem Französisch verstehe Mutter Trierweiler allemal mehr. Was eine Anspielung auf das journalistische Werk der früheren Première Dame war, der Kritiker vorhalten, in ihrem jüngsten Skandalbuch über ihre Leidenszeit an der Seite von François Hollande fänden sich allerlei Tipp- und Grammatikfehler. Da setzte Trierweiler Jr. einen letzten Treffer: Offenbar könne „Sarko_Junior“ nicht nur kein anständiges Französisch, „auch Respekt vor Müttern hast du nicht gelernt.“

So geht es hin und her. Angefangen hatte der Disput während der Fußballweltmeisterschaft, als der junge Sarkozy den deutschen 7:1-Kantersieg im Halbfinale arg verunglückt als „brasilianischen Genozid“ kommentiert hatte. Kurz drauf geißelte Trierweiler Jr., Vater Sarkozy habe die französische Nation unter einem Schuldenberg von 600 Milliarden Euro begraben.

Längst ergötzen sich Tausende Franzosen an dem virtuellen Showdown. Geschürt wird das Interesse offenbar auch, weil politische Beobachter das Twitter-Duell als Vorkampf deuten. Bei den Präsidentschaftswahlen 2017 könnte es eine Wiederholung von 2012 geben: Nicolas Sarkozy gegen François Hollande.

Die aktuellen Umfragen für Amtsinhaber Hollande fallen zwar miserabel aus. Aber immerhin, dessen Ziehsohn Léonard schlägt sich tapfer. Nach dem Urteil der Zuschauer liegt Trierweiler Jr., weil schlagfertiger und filigraner, in „Le Tweet-Clash“ nach Punkten bislang klar vorn.

Auf der Suche nach der Wahrheit

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Sieglinde Hofmann, lila Bluse, dunkler Blazer, fasste sich kurz. Sie hätte den Richtern des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart damals, im März 2011, so viel sagen können über ihre Geschichte und über die der Roten Armee Fraktion. Aber sie sagte nur: 66 Jahre alt, Rentnerin, „und das reicht“. Rolf Heißler zitterte merklich, als er vor das Gericht trat, auch er wollte nicht mehr beitragen: 65, ohne Beruf, Hartz-IV-Empfänger. Von Waltraud Liewalds Vernehmung ist überliefert, dass junge Aktivisten ein Solidaritätstransparent entrollten; zur Sache sagte sie kein Wort. Nun droht den Schweigenden womöglich ein Verfahren, in dem sie nicht Zeugen sind, sondern Beschuldigte: Die Bundesanwaltschaft hat erneut Ermittlungen gegen ehemalige Terroristen aufgenommen – wegen des Verdachts, am Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinen beiden Begleitern im April 1977 beteiligt gewesen zu sein. Nach Zeitungsberichten soll es sich um Hofmann, Heißler und Liewald handeln, sowie um Adelheid Schulz und Angelika Speitel. Und um jemanden, der das Schweigen schon früh gebrochen hatte: um Peter-Jürgen Boock. Auch der Name Rolf Clemens Wagner wurde zunächst genannt, doch der ist bereits im Februar gestorben.



In der Mehrzweickhalle in Stuttgart-Stammheim finden wichtige Prozesse des Oberlandesgerichts. Am Mittwoch hat hier ein Prozess gegen drei mutmaßliche RAF-Unterstützer begonnen.

Ein neues Ermittlungsverfahren, 37 Jahre nach dem Anschlag von Karlsruhe? Gegen ehemalige RAF-Mitglieder, die bereits einen großen Teil ihres Lebens hinter Gittern verbracht haben? Hofmann wurde 1999 nach 19 Jahren Haft entlassen, Heißler kam 2001 nach 22 Jahren frei und Adelheid Schulz wurde 1998 nach 16 Jahren Haft wegen einer schweren Krankheit begnadigt. Auch Angelika Speitel, 1979 wegen einer tödlichen Schießerei bei ihrer Festnahme zu lebenslang verurteilt, kam 1990 durch einen Gnadenerlass frei. Sie habe sich „nachhaltig vom Terrorismus abgewandt ... und ihre Tat aufrichtig bereut“, attestierte ihr der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Auch Boock, der ewige Kronzeuge, hat 18 Jahre verbüßt. Was könnte ein neues Urteil dem hinzufügen?

Die neuerlichen Ermittlungen sind letztlich eine Konsequenz des Stuttgarter Urteils gegen Verena Becker vom 6. Juli 2012. Im Sommer 1976, so hat das OLG festgestellt, hatte sich die RAF in Jemen unter Leitung von Siegfried Haag neu formiert; schon damals war von einem Anschlag auf Buback die Rede. Im Herbst wollte man die Sache bei einem Treffen im Harz in der Nähe von Goslar vorantreiben – doch kurz darauf wurde Haag, der Kopf der Bande, verhaftet. Der Plan musste neu diskutiert werden. Um den Neujahrstag 1977 fand man sich zum entscheidenden Vorbereitungstreffen im holländischen Katwijk zusammen, um die Mordpläne zu konkretisieren.

Verena Becker war in jeder Phase dabei, in Jemen, im Harz, in Holland. Vor allem beim letzten Treffen hat sie laut OLG zu jenen gehört, welche die Forderung der Stammheimer Häftlinge („Der General muss weg“) mit Nachdruck vertreten haben. Freilich war sie damals nicht die Einzige, die die Hand für Bubacks Ermordung gehoben hat. Als Peter-Jürgen Boock, der redselige RAF-Logistiker, damals gefragt wurde, ob Becker den Anschlagsplan „mit Vehemenz“ vertreten habe, antwortete er offenherzig: „So wie ich auch.“

Und wie die anderen, die dabei waren: Sieglinde Hofmann, Adelheid Schulz, Angelika Speitel, Rolf Heißler – sie alle waren in Katwijk, hat das OLG festgestellt. Nach der Logik des Becker-Urteils würde dies Beihilfe zum Mord bedeuten. Nur bei Boocks Ex-Frau Waltraud Liewald, die im Harz, nicht aber in Holland dabei war, wird man hier einige Abstriche machen müssen, sie saß Ende 1976 bereits im Gefängnis, festgenommen nach einem Banküberfall in Wien. Gegen sie wäre allenfalls der Vorwurf einer „Verabredung“ zum Mord denkbar.

Wenn man die Sache mit der Brille des Formaljuristen betrachtet, wäre gegen die Ermittlungen also wenig einzuwenden – Mord verjährt nicht. Freilich hatte sich die Bundesanwaltschaft schon vor Jahrzehnten von solchen formalen Kategorien gelöst. Unter Generalbundesanwalt Kurt Rebmann galt die Regel: Kein neues Verfahren gegen RAF-Terroristen, gegen die bereits eine lebenslange Haftstrafe verhängt worden ist – es sei denn, jemand war eigenhändig und unmittelbar an dem Verbrechen beteiligt. Dass eine späte Anklage wegen Beihilfe den früheren Urteilen wenig hinzufügen kann, hat sich auch im Becker-Prozess gezeigt. Ins Gefängnis musste sie nicht mehr, denn ihre vierjährige Haftstrafe wurde teilweise mit früheren Verurteilungen verrechnet und im Übrigen zur Bewährung ausgesetzt. Der von Siegfried Bubacks Sohn Michael erhobene Vorwurf, sie sei die Todesschützin gewesen, hatte sich in Stuttgart nicht nachweisen lassen.

Ob die Ermittlungen je in eine Anklage münden, wird man daher mit einem großen Fragezeichen versehen müssen. Dass etwa Adelheid Schulz – sie war nahe an der Karlsruher Gruppe dran, die für den Anschlag auf Buback verantwortlich war – noch einmal vor Gericht muss, dürfte äußerst unwahrscheinlich sein. Sie sitzt schwer krank im Rollstuhl.

Hinzu kommt: Jedes neue Strafverfahren dürfte das eiserne Schweigen, das bis heute in den Reihen der Ex-Terroristen herrscht, eher noch undurchdringlicher machen. Ihr Auftritt im Stuttgarter Prozess war in dieser Hinsicht eine eindrucksvolle Demonstration, dass die Parole auch heute noch gilt, die 1973 in einem Brief an die RAF-Gefangenen vertreten worden war: „Keiner spricht mit den Bullen. Kein Wort!“ Eine Parole, die 37 Jahre später, in einem Zeitungsartikel ehemaliger RAF-Mitglieder ihren Widerhall fand: „Wir machen keine Aussagen, weil wir keine Staatszeugen sind, damals nicht, heute nicht.“

Der ehemalige RAF-Ermittler Klaus Pflieger, bis vor Kurzem Stuttgarter Generalstaatsanwalt, wirbt daher seit geraumer Zeit dafür, den einstigen Terroristen den Weg zu einer Aussage zu ebnen: „Je länger eine Straftat zurückliegt, umso mehr erlangt das Interesse an der geschichtlichen Wahrheit gegenüber dem Interesse an der Strafverfolgung Gewicht“, schrieb er kürzlich. Deshalb müsse man es den ehemaligen RAF-Mitgliedern ermöglichen, sich zu offenbaren, „ohne sich selbst oder andere Gruppenangehörige einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen“. Das, so Pflieger, wäre ein Dienst vor allem an den Hinterbliebenen der Opfer. Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, hatte im Becker-Verfahren zuvorderst interessiert, wer damals den Finger am Abzug hatte – eine Frage, die bis heute nicht mit Gewissheit beantwortet ist. Boock hatte zwar Stefan Wisniewski als möglichen Schützen genannt, doch konnte auch er keine zuverlässige Aussage machen.

Und der Mord an Buback gehört noch zu den Verbrechen, über die man vergleichsweise viel weiß. Die meisten RAF-Morde aus den 80er-Jahren sind noch nicht aufgeklärt.

Bier, Blues und Bratwurst für die muslimischen Nachbarn

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Eine Hüpfburg zwischen dreigeschossigen Backsteinhäusern, auf der Verkehrsfläche ein paar Bierbänke, ein Grill, ein Kastenwagen mit einer Bluesrockband drauf – ist das die Zukunft des deutschen Stadttheaters? „Welcome’s Höft“ hieß diese Minimalausstattung für ein Nachbarschaftsfest, mit dem das Deutsche Schauspielhaus Hamburg kürzlich sein dreiwöchiges Festival „New Hamburg“ im Stadtteil Veddel eröffnete. Ortsfremde Besucher, die den handgemalten Schildern vom S-Bahnhof durch vollgesprühte Unterführungen folgten, um hinter dem Bahndamm auf die kleine Nachkriegssiedlung zu stoßen, reagierten irritiert. Hilflos das Besondere suchend streiften sie um die schäbigen Wohnblöcke, fanden aber außer einem Pappschild, das eine „Hip-Hop Academy“ ankündigte, nur triste Unterkünfte und freundliche Würstchenesser aus aller Welt.



Veranstalter des Festivals "New Hamburg": Das Schauspielhaus Hamburg. 

Das sollte das groß angekündigte Festivalprojekt sein, mit dem Deutschlands größte Schauspielbühne sich der Stadt öffnen wollte? Ist dem Kunstbetrieb ein Sozial-Experiment wirklich nicht mehr wert als Bier, Blues und Bratwurst?   Wenn Theater in so genannte Problemviertel ziehen, dann gewinnt das normalerweise den Anschein von prächtiger Kultur-Mission. Die Veddel im Hafen liefert eigentlich die klassischen Voraussetzungen für Konzept-Kuratoren, die an die Völker verbindende Segnung von teurer Kunst glauben. Anfang des letzten Jahrhunderts ein Auswandererviertel, von dem aus die Europamüden nach New York aufbrachen, ist die Veddel heute ein primäres Einwandererquartier. Eingeschnürt von Autobahn, ICE-Strecke, Industrie und versandeten Hafenbecken, bewohnen knapp 5000 Menschen aus rund 45 Nationen die Enklave.

Auch Björn Bicker hat hier die letzten zwei Jahre verbracht. Er ist der vielleicht erfahrendste Kultur-Diakon des deutschen Theaters, der unter anderem an den Münchner Kammerspielen die viel besprochenen Stadtteilprojekte „Bunnyhill 1+2“ konzipierte. Und wie man das als seriöser Dramaturg eben so macht, hat Bicker auch auf der Veddel zunächst versucht, Interviews mit den Bewohnern zu führen. Leider hat hier einmal Mounir al-Motassadeq gelebt, der Komplize des 9/11-Attentäters Mohammed Atta. Danach rollte ein paar Jahre lang die Internationale Bauausstellung (IBA) über die Wilhelmsburger Flussinsel, auf der auch die Veddel liegt. Und als Resultat dieser beiden Ereignisse haben die Bewohner die Nase gestrichen voll von Leuten, die freundlich Fragen stellen und dann doch nur wieder Artikel schreiben, in denen die Veddel erscheint wie die Bronx an der Elbe.

Doch das konnte Bicker nicht erschüttern. Er nistete sich in den typisch roten Hamburger Backsteinblöcken ein und trank literweise Tee mit den Leuten, bis sich die Unterhaltungen mit ihm nicht mehr wie Interviews anfühlten. So erfuhr Bicker auch, dass die Siedlung hinter dem Bahndamm eine Flüchtlingsunterkunft ist, die von den restlichen Veddlern komplett ignoriert wird. Als die Flüchtlinge ihre Nachbarn einmal zu einem Kennenlernfest einluden, kam genau: niemand.

Erfahrungen wie diese mögen dem Theater-Missionar Bicker bewusst gemacht haben, dass die Invasion eines Stadttheaters bei Menschen, die noch nie etwas von Kleist und Jelinek gehört haben, nur funktioniert, wenn diese selbst bestimmen, was gemacht wird. Das Ergebnis dieses Prozesses hat allerdings wenig mit Inszenierungen zu tun, die der gewöhnliche Theaterbesucher für große Kunst hält.

Da konnte man sich auf einem motorisierten Wassertank einmal um die Insel tuckern lassen, begleitet von knurrigen älteren Herren aus dem Veddler Erzähl-Café, die Bilder von ganz früher zeigten. Als Lehrer verkleidete Kinder genossen es in der „School of Normal“, Erwachsene mal so richtig nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen, was durchaus Züge von Terror annahm. Und das von Bicker aus seinen Gesprächen verdichtete Stück „Die Insel“, das mit Veddel-Bewohnern und Schauspielern aufgeführt wurde, war im Wesentlichen gut gemeinte Verständigungsprosa, die auf Zuschauer zielt, denen große deutsche Bühnenkultur eher Angst macht.

Tatsächlich bedeutet das dreiwöchige Vorhaben von „New Hamburg“, das vom Schauspielhaus finanziert wurde, einen ziemlichen Kulturbruch zu den gewohnten „Interventionen“ mit Festivalcharakter. Ein ausgesprochen anspruchsloses Programm traf auf ausgesprochen euphorisierte Beteiligte und Besucher. Normalerweise ist das genau umgekehrt. Auch auf der Elbinsel, wo im Rahmen der IBA zahlreiche kreative Kulturralleys durchgeführt wurden, die bei der Bevölkerung resonanzlos verpufften. Diesmal herrschte beim klassischen Kulturkonsumenten anlässlich des Gebotenen große Ratlosigkeit, im Stadtteil selbst aber wuchs tatsächlich Interesse für die Kultur-Exoten, es wurde mitgemacht und zugeschaut.

Bickers Low-Level-Ansatz operiert fern von Irritiationsspektakeln à la Christoph Schlingensief, von Privatwohnungstouren, Stadtraumprojekten oder Kulturschnitzeljagden, wie sie von den europäischen Festivals ständig veranstaltet werden, aber auch von kulturellen Besserungsprogrammen, die sozialdemokratische Stadtregierungen immer mal wieder aushecken. Herzlich naiv, freundlich und einladend wirkte das Programm mit Konzerten, Gottesdiensten, Kirchenhofkino und Wunschmaschine-Basteln. Die Botschaft der rund 70 Veranstaltungen lautete stets: „Allgemeine Teilhabe“.

Dazu bot die Stadtteilkirche als Zentrum ein stimmiges Symbol. Denn grassierende Identitätskrisen, aus denen man neue Wirklichkeiten gewinnen muss, sind genau das Thema der Kirche – als evangelisches Gotteshaus braucht die Immanuelkirche nämlich niemand mehr. Das gibt selbst der von „New Hamburg“ begeisterte Pfarrer Ulfert Sterz zu, der das Backstein-Ensemble jetzt verlassen muss, weil es keine Protestanten auf der Veddel mehr gibt.

Bereits in der Vergangenheit war Sterz dazu übergegangen, „Gottesdienste“ ohne Christen mit Besinnung, Yoga und Tischtennis zu veranstalten, weil er keine Lust mehr auf Predigten für „drei Leute mit schlechter Laune“ hatte. Als Björn Bicker ihm vorschlug, das Zentrum von „New Hamburg“ in seiner Kirche aufzuschlagen, da sah Sterz zu Recht die ganz unkonfessionelle Chance, die meist leer stehende Immobilie mit Hilfe des Schauspielhauses in ein Quartierszentrum zu verwandeln.

Ergün Yagbasan, ein stadtbekannter Gastronom und türkischer Buddhist mit Wurzeln auf der Veddel, installierte im Gemeindesaal ein Café, um den vielen National-Treffs der Insel, die meist nur für Männer sind, einen Schnittmengen-Ort hinzuzufügen, der vorher nur beim Geldversender „Western Union“ zu finden war. Die Frauen und Mädchen der Veddel ergriffen nach anfänglichem Zögern die Gelegenheit beim Schopf. Obwohl sich auch hier die Tische mit den rot-weiß-karierten Tischdecken zunächst nach Nation und Religion sortierten, erkannte Yagbasan jeden Tag stärker das „Aufblühen einer Gemeinschaft“. Dafür genügten Formate wie „gemeinsam einen Cappuccino kochen“.

Aber kann diese Form kultureller Sozialarbeit von Dauer sein, wenn die Initiatoren die Insel wieder verlassen? Bicker und sein Team ziehen weiter zum nächsten Projekt, der offenherzige Pastor kommt nur noch zu Besuch, nur Ergün Yagbasan will bleiben und etwas aufbauen. Er hat seinen alten Laden verkauft, um auf der Veddel vorsichtig neuen Geist zu stiften. Das bisher so schwierige Nebeneinander in diesem multireligiösen Vielvölker-Dorf, wo jeder nur seine eigenen Feste feiert, hält er für kein Hindernis. „Religion“, sagt er, „ist nur so etwas wie Musikgeschmack.“ Aber Bier, Blues und Bratwurst als Festival-Angebot für Muslime? Da dürften die Konflikte schon geschürt sein.

Bei gewöhnlichen Theaterfestivals werden solche Konflikte nur dargestellt. Das Besondere am Modell „New Hamburg“ ist, dass die Konflikte ausgetragen werden müssen. Um am Ende vielleicht neue Nachbarschaften zu stiften. Und das ist auch eine Kunst. Seit Joseph Beuys nennt man sie „soziale Plastik“.

Tagesblog - 6. November 2014

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11:09 Uhr: Der Mützenträger hat gestern geschlampt. Es ist deshalb für euch keine große Überraschung mehr, dass es eine neue Schaufensterkritik gibt, weil sie schon seit gestern online ist. Jetzt auch auf der Startseite.




Schaufenster

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9:52 Uhr:
Mehr Korrelationen, von denen man besser wissen sollte. Jugendliche, die wegen Drogengeschichten festgenommen wurden, und die Anzahl von Jugendlichen, die von ihren Eltern umgebracht wurden:

[plugin imagelink link="http://tylervigen.com/correlation_project/correlation_images/juvenile-drug-arrests-us_number-of-kids-killed-by-their-parent.png" imagesrc="http://tylervigen.com/correlation_project/correlation_images/juvenile-drug-arrests-us_number-of-kids-killed-by-their-parent.png"]

Quelle

Mit Dank an Sallabra. Wobei man sagen muss, dass das natürlich Blödsinn ist. Während das mit AC/DC ja stimmt.

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9:40 Uhr:
Mögliches Untergangsszenario zur Album-Veröffentlichung:





Charlottes Dino schlüpft. Und dann ...

http://www.youtube.com/watch?v=AzqiPvGrkTo

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9:26 Uhr:
Das wäre auch deshalb problematisch, weil es in der Pop-Geschichte keinen verlässlicheren Indikator für Wirtschaftskrisen gab als die Australier.

Kein Witz! Hier der Beweis aus dem Guardian:

1973:


AC/DC form in Sydney, Australia.
Economy: Start of the oil crisis, which saw the price quadruple

1980:


AC/DC release breakthrough album "Back In Black"
Economy: Inflation in UK reaches 20% and unemployment nears 2 million

1990:


AC/DC score comeback with "The Razor's Edge"
Economy: Recession in UK imminent

2008:


AC/DC top UK album charts
Economy: Biggest world recession in decades looms

Fürchte dich Welt! Am 28. November erscheint ein neues AC/DC-Album ...

http://www.youtube.com/watch?v=g1u_lyJWGeM

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9:16 Uhr:
Wenn das so weiter geht, ist's bald aus mit AC/DC.

++++

9:05 Uhr:
Morgen. Nennt mich nachrichtenverdrossen. Gebt mir einen eurer verkackten Generation-XY-Namen. Aber hier ist eine Reihe von Informationen, die mich ähnlich bewegen wie der Bahnstreik:

  • In München regnet es.

  • In Sapporo auch. Dort hat es aber immerhin 14 Grad.

  • Noch ist Herbst. Bald Winter.

In die Leere gegangen

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Den Stadtteil Oberschöneweide kennt man in der Hauptstadt vor allem dafür, dass er gerne „Oberschweineöde“ genannt wird, nicht ganz zu Unrecht. Weit draußen im Osten liegt dieser Flecken Berlins, dahinter ist die Stadt schon zu Ende. Sonst gibt es in Oberschöneweide Durchzugsstraßen und die Ruinen der Industrie, die hier mal angesiedelt war, mit einem Wort: Hierher kommt nur, wer muss. Etwa die Leute, die an der Hochschule für Technik und Wirtschaft studieren, die sich auf einem früheren Fabrikgelände befindet.



Ballett in der Cuvry-Brache: Ein Beispiel für die Nutzung der vielen freien Flächen in Berlin.

Doch bald könnte Oberschöneweide der Teil von Berlin sein, den man mit Bryan Adams verbindet, dem Rockstar, weltweit bekannt seit seinem Hit „Summer of ’69“. Adams hat in Oberschönweide eine alte Fabrikhalle gekauft und will sie nun in ein Kulturzentrum verwandeln. Mit Ateliers für sich und andere Künstler, die Redaktion der Zeitschrift Zoo Magazine, das er mitbegründet hat, soll auch dort einziehen. „Ich möchte ein Teil der Stadt sein“, sagte Adams der Berliner Zeitung, „ein winziges Sandkorn bei der Neugestaltung.“

Sand ist ein gutes Stichwort auf dem brachliegenden Areal. Bröckelnde gelb-braune Backsteingebäude mit hohen Toren, rundherum Schutt und Unkraut. Hier wurden früher Kabel verarbeitet, was etwa so lange her ist wie Bryan Adams’ erster Erfolg mit dem Album „Reckless“, 30 Jahre also. Doch im kommenden Jahr werde hier „ein drehender Kran“ stehen, sagt Thomas Niemeyer, der als Leiter des Regionalmanagements auf der Seite des Bezirks mit dem Verkauf zu tun hatte. Auch der chinesische Künstler Ai Wei Wei hatte 2011 Interesse an vier alten Hallen gezeigt, doch dann wurde er von den chinesischen Behörden unter Hausarrest gesetzt. Oberschöneweide, so Niemeyer, sei auf dem besten Weg, ein „neuer In-Stadtteil“ zu werden. Künstler und Studenten seien hergezogen, und auf den T-Shirts, die die jungen Frauen ironisch auf den Partys von Oberschöneweide tragen, stehe „Schöne Oberweide“. Warum? „Hier gibt es noch genügend Freiräume zum Entfalten“, sagt Niemeyer.

Was anderswo Strände, Wälder oder Seen sind, sind in Berlin die Brachen. Die Orte, an denen sich die Lebensqualität einer Stadt misst: Die Brachen stehen für den Platz, den man hat. Für Partys, Projekte, für Freizeit und das Gefühl von Freiheit, und alles mitten in der Stadt, einfach so.

Doch die Brachen ziehen längst nicht nur die Berliner an, sie sind inzwischen auch über die Hauptstadt hinaus nachgefragt. Bei Rockstars, aber auch bei internationalen Investoren. Berlins Brachen, ob verfallene Fabriken, leer stehende Verwaltungsgebäude oder aufgelassene Flughäfen, sind eine begehrte Ressource.

Die berühmteste Brache ist zugleich bestes Beispiel und Mahnmal für diese Entwicklung: das Kunsthaus Tacheles in Mitte. Die Ruine eines Kaufhauses wurde nach der Wende von Künstlern entdeckt und bezogen. Mit seinen Ateliers, Kinos und den vielen bunten Graffiti wurde das Tacheles über die Jahre zur Touristenattraktion. Als einer der letzten Orte, der den Veränderungen und Verschönerungen rundherum den rauen Charme der Neunziger entgegenzuhalten schien. Dann wurde das Tacheles an ein Immobilienunternehmen verkauft, das Gebäude nach langem Rechtsstreit geräumt. Vor einem Monat ging das Areal in bester Hauptstadtlage dann für 150 Millionen an eine internationale Private Equity Firma. Sie will Hotels, Gewerbe, Wohnungen und anderes hier ansiedeln. Was mit dem Tacheles passiert, ist unklar. „How long is now“ steht auf der berühmt gewordenen bemalten Feuermauer, und das ist tatsächlich die Frage: Wie lange wird es solche Leerstellen in Berlin noch geben?

Anderen Brachen steht Ähnliches bevor. Da ist zum Beispiel die ehemalige Eisfabrik am Spreeufer in Mitte, eine dieser imposanten Berliner Industrieruinen, die unter anderen Umständen vielleicht schon ein Technoclub oder ein Kulturzentrum wären. Doch das Gebäude steht seit Jahren leer, nur Touristen pilgern hierher, um einen Eindruck vom wilden, unfertigen Berlin zu bekommen. Für das Gebäude, das einem Unternehmer gehört, gibt es die unterschiedlichsten Pläne, vom Abriss bis hin zum Kunstort.
Oder das RAW-Gelände in Friedrichshain, eine der letzten Industriebrachen in der Innenstadt. Einst war hier das „Reichsbahnausbesserungswerk“, jetzt haben sich Clubs, Restaurants, eine Skate- und eine Konzerthalle angesiedelt, ein Musiksalon und Bars, die etwa „Zum schmutzigen Hobby“ heißen. Nachts ist hier so viel los, dass der lang gezogene Ort laut Stadtmagazin Tip im Berliner Partyjargon nur „Technostrich“ genannt wird. Doch auch diese Brache ist in den Händen unterschiedlicher Investoren, die sich nicht einig sind. In Berlin fragt man sich daher immer öfter, wie man solche Orte bewahren, das Improvisierte retten kann, so wie anderswo ein Naturschutzgebiet.

Vom viel befahrenen Moritzplatz führt zwischen Kreuzberger Häusern ein schmaler Durchgang in den Prinzessinnengarten. Aber was heißt: Garten. Es ist schon fast ein Wäldchen, das sich hier auftut. Robinien biegen sich im Wind, rundherum Büsche und eine Linde. Dazwischen unzählige Kisten, die als Beete dienen, Bienenstöcke und aus Holzpaletten gezimmerte Unterstände für ein Café. Der Prinzessinnengarten ist genau das, was ein richtiges Berliner Paradies ausmachen sollte: improvisierte Idylle.

Es ist ein milder Herbsttag, die letzte Ernte ist im Gang. Die Leute, die hier angebaut haben, pflücken Mangold, koreanische Minze, Salat, Liebstöckel oder Oregano. Ein paar Anwohner sind gekommen, um hier Mittag zu essen, eine französische Touristengruppe wuselt durch. An einem aus Getränkekästen gebastelten Tresen steht Marco Clausen. Clausen, eigentlich Historiker, der gemeinsam mit einem Filmemacher den Prinzessinnengarten seit 2009 betreibt, kann sich noch gut erinnern, was hier früher war. Lagerfläche, ein Parkplatz und sehr viel Geröll. Die beiden haben dann Mitstreiter für einen „mobilen Garten“ gesucht und die Brache in eine wahrlich blühende Landschaft verwandelt. Inzwischen zählen sie hier 70000 Besucher im Jahr und beschäftigen immerhin 20 Leute.

Marco Clausen sagt, Orte wie dieser seien die „Identität Berlins“. Doch solche Liegenschaften gehörten auch zu den wenigen Dingen, die das Land Berlin versilbern kann. Lange interessierten die Brachen keinen, der Einbruch der Immobilienpreise durch die Finanzkrise tat ein Übriges. Doch seit einigen Jahren ist die Hauptstadt begehrt, und die Preise ziehen an, besonders in Kreuzberg. Auch dem Prinzessinnengarten stand schon mal der Verkauf des Grundstücks bevor. Die Betreiber haben dann zu einem Protest aufgerufen, „Wachsen lassen“, hieß die Parole. Der Bezirk gab ihnen schließlich einen Mietvertrag, er läuft bis 2018. Dann wird wohl auch hier ein Investor kommen.

Finger weg da!

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Bei Lena Dunham trudeln gerade Genesungswünsche ein. Eigentlich wollte die Autorin am vergangenen Sonntag auf der Buchmesse in Antwerpen ihr Buch „Not That Kind Of Girl – Was ich im Leben so gelernt habe“ (S. Fischer-Verlag) vorstellen und dann am Dienstagabend im Deutschen Theater in Berlin auf dem Podium sitzen, aber beide Veranstaltungen wurden wegen Krankheit abgesagt. Dabei ist Lena Dunham womöglich gar nicht krank. Sondern eher wütend.



Nachdem eine konservative Internetseite Lena Dunham des Kindesmissbrauchs beschuldigt hat, hat die Autorin Veranstaltungen in Berlin und Antwerpen wegen Krankheit abgesagt.

Auslöser für ihre Wut dürfte ein Text auf der US-amerikanischen Webseite truthrevolt.org sein, die Dunham vor Kurzem vorwarf, ihre kleine Schwester sexuell missbraucht zu haben. Den Beleg dafür findet Autor Bradford Thomas vor allem in einer Passage, in der die Autorin beschreibt, wie sie als Siebenjährige die Vagina ihrer einjährigen Schwester besah. „Eines Sommertags auf Long Island, als ich in der Einfahrt vor unserem Haus saß und mit Klötzen und Eimern spielte, packte mich die Neugier. Grace (ihre Schwester, Anm. d.Red.) saß plappernd und lächelnd da, und ich beugte mich zwischen ihre Beine und untersuchte vorsichtig ihre Vagina.“ Entsetzt habe sie dann nach der Mutter gerufen, Grace hatte sich einige Kieselsteinchen in die Vagina geschoben.

Wer Lena Dunham und vor allem ihre HBO-Fernsehserie „Girls“ kennt, der weiß, dass es dort an plakativem Realismus nicht mangelt. Die Autorin, Regisseurin, Schauspielerin und Produzentin der Serie, in der es um vier junge Frauen in ihren Zwanzigern geht, die sich in New York durch schlecht bezahlte Jobs und schlechten Sex quälen, ist Meisterin im Ausplaudern von Peinlichkeiten. So schreibt sie in ihrem Buch nicht nur über ihre vielen Ängste und Diätversuche, sondern auch, wie sie jede Nacht ins Bett der Eltern kroch (bis sie elf war) und wie sie in den Sommerferien das Masturbieren auf dem Badezimmerteppich übte. Das kann man mögen, das kann man auch nicht mögen.

Die Webseite truthrevolt.org mag die Beschreibungen von Dunham nicht. Dabei geht es den Betreibern der konservativen Seite wohl nicht so sehr um das Buch selbst, sie haben Größeres vor: die Bekämpfung linker Meinungsmacher. Ihre ideologischen Kontrahenten wollen sie nach eigenen Angaben zerstören, dabei dürfe es auch grob und persönlich werden. Eine junge Frau, die über sich und ihren Körper auspackt, das gefällt ihnen nicht.

Lena Dunham äußerte sich am Dienstag auf der Webseite des Time-Magazins offiziell zu den Missbrauchsvorwürfen: „Ich will zunächst klarstellen, dass ich Missbrauch in jeglicher Form unter keinen Umständen billige.“ Sie habe sich stets für die Opfer von Kindesmissbrauch starkgemacht, sagte sie und entschuldigte sich für Schilderungen in ihrem Buch, die Lesern Schmerz zugefügt haben könnten. Sämtliche Passagen, in denen ihre Schwester vorkomme, seien vor Erscheinen des Buchs von dieser abgesegnet worden. Zudem bedauere sie den humorvollen Gebrauch des Begriffs „sexual predator“, sinngemäß: sexgieriges Raubtier, eine Person also, die alles versuche, um ein Mädchen aus der Vorstadt rumzukriegen. Dunham hatte damit zu beschreiben versucht, wie sie die Schwester mit Süßem dazu brachte, sich von ihr fünf Sekunden auf den Mund küssen zu lassen.

Dass Kinder mit sich und ihrer Sexualität experimentieren und sich dafür beizeiten Unterstützung von Geschwistern und Kindergartenfreunden holen, dürfte nicht neu sein. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass „Doktorspiele“ in den USA meist hysterischer bewertet werden als in Deutschland. Doch gilt auch hierzulande in vielen Familien, dass kleine Jungs (und auch viele große Jungs) ungehemmt in ihrem Schritt herumzuppeln dürfen, ohne dass jemand Anstoß daran nimmt. Mädchen hingegen sollen ihre Hände „da“ wegnehmen. Dunham schreibt dazu auf Twitter: „Wenn Sie als Kind nie die Vagina eines anderen Kindes angeguckt haben: Gratulation!“

Was also wird von dieser Diskussion übrig bleiben? Ein paar traurige Leser, die die Autorin gern live erlebt hätten. Und die Frage, warum sich truthrevolt.org an dieser Anekdote abarbeitet und nicht etwa an der Erzählung Dunhams, wie sie mit 19 Jahren von einem Studienkollegen vergewaltigt wurde.

Selbst ernannter Seelenretter

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Viele sind ahnungslos, oder besser unvoreingenommen: Zweit- und Drittsemester, viele Ökonomie-Studenten, das Gros jünger als 25 Jahre. Der kleine Saal der Stadthalle in Erding ist überfüllt, etwas mehr als 200 Menschen sind gekommen, um von Florian Homm etwas über Ethik und Management zu hören.



Florian Homm: Früher skrupelloser Manager - heute Gutmensch?

Ausgerechnet Homm. Der Hedgefonds-Manager, zigarrenrauchender Erzkapitalist. Der Mann, der Unternehmen wahlweise mit Aktienleerkäufen an die Wand gedrückt und manchmal mit seinen radikalen Methoden wohl auch vor der Pleite gerettet hat. Aber auch der Mann, der jahrelang auf der Flucht war, einen Mordversuch in Caracas überlebte, untertauchte, Ende 2012 ganz plötzlich wieder medial auftrat, mit einem Buch über sein Leben mit Aktien, Koks und Prostituierten und sich plötzlich als geläuterter Katholik, ja als Erzchrist verkaufte. „Ich habe 2007 meinen Job aufgegeben und habe ihn keinen Tag vermisst. Ich war seelenlos, jetzt tue ich Gutes“, erklärt er heute. Seine Seele solle sich rentieren, nicht mehr sein Depot.

Aha. Homm soll amerikanische Anleger bei seinen oft aggressiven Wertpapiergeschäften betrogen haben und steht daher auf der Liste der meistgesuchten Menschen des FBI. Die US-Detektive hatten ihn im März 2013 in Italien verhaften lassen bei einem Museumsbesuch in Florenz. Nach 15 Monaten Auslieferungshaft war er unter teils miserablen Bedingungen im Juni dieses Jahres freigelassen worden. Die Frist für diese Haft war abgelaufen. Zudem leidet Homm an multipler Sklerose und es ging ihm gesundheitlich sehr schlecht im Gefängnis. Jetzt lebt der mittlerweile 55-Jährige „in der Gegend von Frankfurt, unterm Radar“, wie er hofft.

In Deutschland liegt nichts gegen ihn vor und die Bundesrepublik liefert Bundesbürger dann nicht aus. Aber was macht so ein berühmt-berüchtigter Mann ausgerechnet in Erding an der Hochschule für angewandtes Management? Sie hatte ihn zu einer Gastvorlesung eingeladen. Und Homm ist da, pünktlich, aufgeräumt. Getönte Brille, schütteres Haar, ganz gute Gesichtsfarbe. Und einen Rosenkranz in der Hand. Er betet, sagt er, öfters. „Florian war früher ein ganz normaler Katholik. Wenn Sie ihn im Gefängnis in Italien gesehen hätten, könnten Sie nachvollziehen, warum er zu so starkem Glauben gefunden hat“, erklärt Michael Uhlemann, der sich als „ganz alter Freund Homms“ ausgibt und ihn auf seiner Tour nach Erding begleitet.
Ethik und Wirtschaft also. „Es geht nicht um mich“, fängt er mit der Vorlesung an, „es geht um euch“. Routiniert betätigt er per Fernsteuerung den Beamer und zeigt eine Zeichnung von sich in der Pose von früher mit Zigarre, die Gesichtszüge fast teuflisch. Daneben das Cover eines kleinen Büchleins mit Gebeten einer christlichen Stiftung, für die er jetzt arbeite. „Dieses Büchlein hat mir das Leben gerettet“, sagt er später im Gespräch, wohl wissend, dass sich viele Menschen schwertun, seine Läuterung in der Extremität zu glauben.

Wer die bewegte Vorgeschichte von Homm nicht kennt, könnte meinen, der Mann hat eine, sagen wir, etwas tiefere Midlife-Crisis. Einige Studenten stehen auch dazu, wenig zu wissen. „Ich habe erst gerade ein bisschen über ihn erfahren. Und das ist auch gut so, ich will mir selbst ein Bild machen“, sagte eine junge Frau. Ein unvoreingenommenes Publikum, besser hätte es Homm nicht treffen können. Er sei gekommen, „weil hier Querdenken erlaubt und erwünscht ist“. Seine Botschaften sind klar: „Wenn ihr weltlichen Erfolg haben wollt, müsst ihr 10000 Stunden an einer Sache arbeiten, euch eine Nische suchen. Ich selbst habe mit 15 Bilanzen studiert, als andere Bravo lasen. Nach zehn Jahren in diesem Job konnte ich in zwei Minuten jede Schwachstelle in den Zahlen erkennen.“

Er prahlt noch immer.Früher nutzte er die Schwächen und wurde reich damit. Auf etwa 300 Millionen Euro wurde sein Vermögen in seinen besten Jahren nach der Jahrtausendwende geschätzt. „Ich hatte Macht, Geld und Adrenalinstöße. Aber das ist nicht die Erfüllung.“ Was ist sie dann? „Seelen retten“, sagt Homm und beamt eine Vortragsseite an die Wand mit dem Titel ,,der Gutmensch“. Darauf skizziert sind seine Engagements in diversen Stiftungen für benachteiligte Kinder in Liberia, für Impfstoffe und für eine Firma, die Medikamente gegen Hautkrankheiten entwickelt und auf den Markt bringt. Ob er mit der auch viel Geld verdient habe, möchte ein Student wissen. „Klar, das ist nichts Schlechtes. Aber ich habe auch gebetet, dass diese Firma und ihr Medikament zugelassen werden.“

Der Glaube und das Gute zu tun liegen bei Homm dicht beieinander. Vom Erzkapitalist zum Erzchrist. Es ist schwer nachzuvollziehen, aber ganz unglaubwürdig ist es nicht. Homm hat materiell sehr viel gewonnen in seinem Leben. Und wohl bis auf eingefrorene Gelder in der Schweiz das meiste verloren. Seine Ehe ist ruiniert, seine Gesundheit sowieso. Und er muss einige Anwälte beschäftigen, die schlechten Seiten seines Lebens als skrupelloser Investor aufzuräumen. Dass ihn das FBI irgendwann entführen lässt, ist auch nicht ausgeschlossen. So lange will er aber seine neue Sicht der Dinge verbreiten, wenn sie jemand hören will. „Ihr müsst nicht auf Reichtum verzichten, aber ihr sollt das Gute, Wichtige nicht aus den Augen verlieren“, sagt er. So ein Satz könnte auch in der Bibel stehen.


Münster verstehen

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Münster ist kontrastreich. Es gibt sie alle: segelbeschuhte Steppjacken- und barfüßige Dreadlocks-Träger, Beamte und Hipster, Kirchturmglocken und Szene-Clubs.

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Münster ist die Fahrradstadt in Deutschland. Als Radler sollte man sich ganz besonders am Ludgerikreisel an die Regeln halten (überall sonst natürlich auch). Der zweispurige Kreisverkehr ist ein Verkehrsknotenpunkt in Münster: Hier treffen Autofahrer auf Radler, gegenseitige Rücksichtnahme ist oft Fehlanzeige.

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Münster hat keine Campus-Uni, die 218 Hochschulgebäude sind über die ganze Stadt verteilt. Die Studenten damit auch – fast jedes Viertel ist Studentenviertel.

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Die Altstadt ist schön. Also, so richtig.

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Münsteraner feiern traditionell mittwochs. Das Amt für Wohnungswesen geht von rund 30% Pendler-Studenten aus dem Umland aus, von denen viele am Wochenende nach Hause fahren. Dafür ist mittwochs in der Kreuzstraße die Hölle los.

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Im Aasee schwimmt man nicht.

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Im Kanal eigentlich auch nicht. Eigentlich.

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Die besten Bagels der Stadt gibt es im Teilchen & Beschleuniger.

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Am Prinzipalmarkt bei Nacht kann man sich nie so ganz sattsehen.

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Preußen Münster hat trotz dritter Liga eine äußerst engagierte Fankultur. Allerdings artet die Fußballliebe bei manchem Fan in Gewalttätigkeit aus.

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Nicht nur im Ruhrgebiet und im Sauerland, auch in Münster kann man gutes Bier trinken. Pinkus Müller ist die letzte von ehemals 150 Altbierbrauereien in der Stadt und die erst 2013 gegründete Gruthausbrauerei macht Bier aus Pumpernickel und bietet regelmäßig Brau-Workshops an.

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In Münster kann man fast alle Lithografien Pablo Picassos bewundern.

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Zu Unrecht gehypt wird der Weihnachtsmarkt. Ja, er ist schön, aber eben nur auf die Art, wie irgendwie alle Weihnachtsmärkte schön sind. Das hindert Touristen aus ganz Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden nicht daran, jeden Dezember nach Münster zu pilgern. Seit 2004 kann sich die Stadt mit dem Gütesiegel „Lebenswerteste Stadt der Welt“ des LivCom-Awards schmücken. Das ist schön, aber der Stempel ist langsam wirklich abgenutzt. Einige halten auch den Tatort für überschätzt, aber da scheiden sich die Geister.

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Münster hat Deutschlands schönsten Friedhofen.

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Masematte kann man auch lernen.



Dieser Text erscheint im "Studentenatlas", ein Projekt von jetzt.de und SZ.de. Mehr Infos dazu findest du hier. Eine interaktive Münster-Karte für Studenten findest du hier

Eine Runde Mitleid

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Die reichen Stars und die schönen Sternchen stehen auf dem roten Teppich. Fotografen brüllen ihren Namen. Überall Blitzlichtgewitter. Sie sehen blendend aus und wo sie hinkommen, werden sie beneidet und verhätschelt. Doch sie haben alle schreckliche Erfahrungen hinter sich. Wurden als Kind gehänselt, zu Außenseitern degradiert. Weil sie dick waren. Oder hässlich. Woher man das weiß?

Sie erzählen es. Freiwillig. Es scheint fast, als liebten sie es, sich an ihre Zeit als hässliches oder schwaches Entlein zu erinnern. Models, die pummelig und schüchtern waren. Auftrainierte Schauspieler, denen man in der Schulpause Milchgeld und Würde gestohlen hat. Was das soll?



Erzählt gern, dass früher nicht alles besser war: Jessica Alba.

"Hey", soll es wohl zunächst mal heißen, "uns ist das alles nicht in den Schoß gefallen." Die Karriere, das Geld, das blendende Aussehen - alles die Früchte harter Arbeit. "Und du", soll es wohl auch sagen, "kannst das ebenfalls schaffen!" Solche Worte machen menschlich. Und bieten trotzdem weiterhin eine Projektionsfläche für Sehnsüchte und Bewunderung. Das übermenschlich Große der Stars, es wird noch übermenschlicher, und noch größer, wenn man von ganz unten kommt. Beinahe eine Zauberformel. Und etwas alternativlos natürlich auch: Was sollten sie auch sonst auf Reporterfragen sagen? "Doch, ja, ich sah schon immer so blendend aus wie heute. Kommt drauf klar, Leute."

Warum das für uns trotzdem komisch wirkt? Nun, manchmal übertreiben sie es mit der Fallhöhe vielleicht doch. Eine Zauberformel wirkt eben nur, wenn man sie peinlich genau aufsagt:

Sharon Stone:


„Ich war ein Mauerblümchen, eine Brillenschlange, ein Bücherwurm. [...] Zu Beginn meiner Schauspiellaufbahn bekam ich ständig zu hören, ich sei für erotische Hauptrollen nicht sexy genug.“ (Der Tagesspiegel, Feb. 2014)  

Jessica Alba:


„Ich fand meine Wangen zum Beispiel immer etwas zu mopsig und fühlte mich nicht hundertprozentig wohl in meinem Körper.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Sept. 2014)  

Gemma Arterton:


„Als Teenie war ich dicklich und verschroben, die Jungs schwirrten immer um andere Mädchen herum. Auch heute bin ich eher diejenige, die nervös wird, sobald sie einen Mann attraktiv findet“  

Ashton Kutcher:


„Schon in der Schule war ich ein zu kleiner, schüchterner Knabe.“ (Frankfurter Rundschau, Mai 2008) 

Justin Timberlake:


„Ich bin in Tennessee aufgewachsen und wenn du kein Football spielst, bist du dort ein Weichei. Ich wurde gehänselt, weil ich auf Musik und Kunst stand. Ich war ein Außenseiter. Aber all die Dinge, für die man dich hänselt, werden dich als Erwachsener umso begehrenswerter machen.“ (Youtube)  

Nelly Furtado:


„Als Kind war ich pummelig, bis ich mich mit 15 bemühte, etwas abzunehmen“ (Zeit Magazin, Dez. 2012)  

Taylor Swift:


„Als Kind war ich Außenseiterin, weil ich den ganzen Tag vor mich hingesungen und dann auch noch meine Tagebücher vertont habe.“ (Die Welt, Okt. 2010)

Megan Fox:


„Als ich in der sechsten Klasse war, sind wir nach Florida gezogen, wo ich auf eine neue Schule gekommen bin. Dort gab es etwa 2000 Schüler, aber Freunde gefunden habe ich dort nicht. Ich habe allerdings immer Aufmerksamkeit generiert, wenn auch nicht immer positive. Das muss wohl mit meinem Karma zu tun gehabt haben.“ (jetzt.de, Okt. 2014)  

Robert Pattinson:


„Nachdem ich anfing zu schauspielern, habe ich Gefallen daran gefunden, mich auch wie ein Schauspieler zu benehmen.Das muss manche Leute dazu animiert haben, mich zu schlagen." (Metro, Mär. 2010)

Eva Mendes:


„Ich war ein schlacksiges, dürres Mädchen mit riesigen Zähnen, was mich zu einem leichten Opfer machte.“ (mailonline, Jan. 2011)

Barack Obama:


"Ich muss sagen, dass ich mit meinen großen Ohren und meinem Namen von Hänseleien nicht verschont geblieben bin“ (cbs, März 2011)

Christina Aguilera:


„Viele haben mir in der Schulzeit die kalte Schulter gezeigt, weil sie nicht verstehen konnten, was meine Leidenschaft war. Es ist nicht wirklich normal für ein Kind, vor der Kamera und auf der Bühne stehen zu wollen. Es war schwer für mich, mit anderen Kindern Freundschaften zu schließen, weil wir nicht die gleichen Interessen hatten.“ (dailymail, Nov. 2012)

Ben Becker:


„In der Schule wurde ich als Feuermelder oder Albino gehänselt. Ich war dann bei den Mädchen in der Clique, die waren verspielter, weniger grob.“ (nwzinside, Apr. 2013)

Joseph Gordon-Levitt:


„Es war nicht einfach, als ich zur Schule ging. Die großen, starken Kinder machten sich über die anderen, die lieber lesen wollten als Sport zu machen, lustig." (Gala, Sept. 2012)

Mila Kunis:


„Ich hatte ein sehr lustiges Gesicht als ich klein war. Ich hatte riesige Augen, riesige Lippen, riesige Ohren. Dafür wurde ich ständig gehänselt. Ich kam weinend nach Hause: ‚Warum habe ich so große Augen?’ Meine Eltern haben sich gefragt, ob ich verrückt bin.“ (lovleyish, Feb. 2011)

Katie Perry:


„Die Leute haben mich immer wegen meine großen Brüste geärgert. Jetzt finden sie mich heiß.“ (MTV, Mai 2011)

Rollladen

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Etwas für alle Intoleranten. Das war die Idee von Isabella Hener. Intoleranz ist schließlich ein Problem, das sich quer durch die Gesellschaft zieht. Sie selbst leidet darunter: Laktose. Isabella verträgt keinen Milchzucker. Das ist kein großes Problem, wenn man Zeit hat, selbst zu kochen. Und sehr schwierig, wenn man im Alltag irgendwo essen muss – schnell, auf die Hand. Das wollte die 27-Jährige ändern. Sie könnte damit Teil eines Essenstrends werden, der streng genommen keiner ist, weil es nicht um ein spezielles Gericht geht, sondern um die Verkaufsflächen: umgebaute Kleintransporter, Food-Trucks.




 
Mit so einem steht Isabella auf dem Streetlife-Festival in der Leopoldstraße, die dunklen Haare zu einem Zopf gebunden, und wartet auf Kundschaft. Und die kommt. Zum Beispiel Maria, 23: rote Haare, Jeansjacke, Umhängetasche aus Leder. Seit einem halben Jahr weiß sie, dass sie keine Fruktose verträgt. Im Internet ist sie auf den Blog von Isabella gestoßen und wollte mal sehen, was die so anbietet. Maria sieht: vor allem sogenannte Whoopies, eine aus den USA stammende Art Doppelkeks aus weichem Muffinteig, gefüllt mit einer süßen Creme. „Mandel-Whoopie mit fruchtiger Brombeer-Limetten-Creme“ heißt eine Geschmacksrichtung. Daneben liegt das „Grilled Veggie“, ein Sandwich mit gegrillter Zucchini, Aubergine, Basilikum und veganer Mayonnaise. Zum Winteranfang sollen Currys und Suppen dazu kommen. Die Produkte enthalten entweder kein Gluten, sind laktosefrei oder fruktosearm. Und regional und, wo es geht, mit Bio-Zertifikat eingekauft.
 
„Mir geht es um gesundes, hochwertiges Essen“, sagt Isabella. „Um etwas Neues, nicht um Currywurst oder Pommes.“ Seit Mitte August ist die Münchnerin mit ihrem Food-Truck-Angebot „Die intolerante Isi“ in der Stadt unterwegs. Früher arbeitete Isabella in einer Werbeagentur, kündigte jedoch Ende 2013, um sich ganz auf ihre Idee zu konzentrieren.
 
Offizielle Statistiken, wie viele Food-Trucks – nicht zu verwechseln mit Anhänger-Buden – durch Deutschland fahren, gibt es nicht. Aber eine Seite namens „Food Trucks in Deutschland“. Dort sind bisher 34 gelistet, die meisten in Berlin und Nürnberg. Dass sie auch hierzulande ein lukratives Geschäft sein können, zeigt etwa „Swagman“ aus Nürnberg, der als erster Food Truck im Land gilt. 2013 wurde er von einem Fachmagazin als „bester Food Truck Deutschlands“ ausgezeichnet. Peter Appel, der das Geschäft zusammen mit seiner Lebensgefährtin führt, hat zwei Trucks. Bayreuth und Nürnberg. Angeblicher Jahresumsatz: 250.000 Euro.
 
Die „intolerante Isi“ ist noch nicht auf der Food-Truck-Liste. München ist dort insgesamt unterrepräsentiert. Weil die Stadt spät dran ist. Die Zahl der Trucks ist noch im einstelligen Bereich. Bei „Napo Amo“ gibt es etwa neapolitanische Straßenküche und bei „Supperb“ Suppen. „Chivito the Sandwich King“ will die besten belegten Brote anbieten und „Pizza Innovazione“ besondere Pizzen. Vergangene Woche ging „Grillin me softly“ mit New Yorker Delikatessen an den Start, ab Mitte November soll es bei den „Isardogs“ Hotdogs geben. Fast alle Betreiber werben mit ausgewählten Zutaten, die sich vom üblichen Imbissbuden-Angebot unterscheiden.




 
„Food Trucks zeigen, wie stark sich unsere Gewohnheiten in Bezug auf Mahlzeiten verändern“, sagt Christine Brombach, Ernährungswissenschaftlerin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Es gebe zwar noch immer grobe Zeitfenster, zu denen die meisten Menschen frühstücken oder zu Mittag essen. „Aber an den Rändern wird es zerfaserter. Da finden solche mobilen Systeme womöglich ihren Platz.“ Wir wünschen uns immer mehr „Convenience-Charakter“ für unser Essen, wollen aber trotzdem etwas Hochwertiges. Fertiggerichte in gesund also. Fast-Food-Ambiente mit der Möglichkeit, Frische und Qualität zu bekommen. Der Trend mit den Wagen ist für Brombach damit „etwas Altes in neuem Gewand“. Wie erfolgreich das allerdings sein kann, konnte man in den vergangenen Jahren sehen, als Burger bio und vegetarisch-gesund wurden, oder Muffins mit Creme-Topping plötzlich Cupcakes hießen – und zum Trendessen wurden.
 
„Food-Trucks verbinden außerdem das sogenannte Eating-on-the-Go mit Erlebnisgastronomie“, sagt Brombach. „Ich muss nicht weit gehen, das Essen kommt zu mir.“ Unter Erlebnisgastronomie versteht man normalerweise Angebote, die Essen mit Unterhaltungsprogrammen – zum Beispiel mit Musik – verbinden. Bei den Trucks sei der herumfahrende Truck selbst das Erlebnis: „Der ist spannender als eine klassische Imbissbude, die eher altbacken wirkt“, so Brombach.
 
Isabella fand ihren Truck auf Sylt. Der vorherige Besitzer verkaufte dort Cupcakes. Sie nahm ein privates Darlehen auf und bekam einen Gründungszuschuss der Arbeitsagentur. Den Rest finanzierte sie über Crowdfunding. Mehr als 100 Menschen gaben Geld. Viele auch von außerhalb Münchens. Je nach Höhe des Beitrags gab es zum Dank etwa Whoopies oder Gutscheine für einen der Koch- und Backkurse, die Isabella ebenfalls anbietet. Ihr Plan war es, innerhalb von einem Monat auf 5000 Euro zu kommen. Nach gut zwei Wochen waren es schon 4000. „Der letzte Teil kam dann kurz vor Schluss.“ Nachdem sie ihre Idee auf Portalen über Lebensmittelunverträglichkeiten geteilt hatte. Der Markt ist offenbar da.
 
Mit dem Marktplatz gibt es dafür manchmal noch Probleme: In Deutschland darf man sich – anders als in den USA – nicht einfach irgendwo hinstellen, sondern braucht eine Genehmigung. Entweder eine Sondergenehmigung der Stadt – beispielsweise für Straßenfeste – oder eine private von einer Firma oder einer anderen Einrichtung. Isabella war bisher schon auf dem Isarinselfest und ist sonst dienstags bis freitags zur Mittagszeit unterwegs. Mittwochs ist sie zum Beispiel auf dem Neue-Balan-Gelände, auf dem unter anderem eine Werbeagentur und ein Ingenieurbüro sitzen. Jeden Donnerstag steht sie in einem Innenhof in der Leopoldstraße 175 – ein paar hundert Meter zum Petueltunnel. Eine Gegend, in der man ins Büro geht, nicht Shoppen. „Tendenziell kommen eher Leute zu mir, die mehr Geld haben oder besonderen Wert darauf legen, was sie essen. Altersmäßig liegt der Schnitt so um die 30“, sagt sie.
 
Und warum kommt der neue Trend jetzt erst in München an? Christine Brombach sagt, in München gebe es ein zu vielseitiges Essensangebot. „Da ist es schwer, dass sich etwas Neues etabliert.“ Zudem herrsche ein anderes Preisniveau als beispielsweise in Berlin. Jetzt, wo der Trend dort und in Nürnberg anscheinend funktioniert, werde er eben dahin gebracht, wo viel Geld ist: München. In dem Angebot an Food-Trucks sieht sie deshalb durchaus Potenzial. Ob sie sich langfristig halten werden? „Man muss abwarten.“
 
Unwahrscheinlich ist es aber nicht. Oder wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass es hier irgendwann gefühlt 100 Burgerläden mit Bio-Trüffel gibt – und keinen mit einem Sitzplatz? Nur, weil die aus etwas Altem etwas Neues gemacht haben.

Kein Entkommen

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„Ich seh doch, dass er online ist, wieso ignoriert er meine Nachrichten?“ ist ja schon seit einigen Jahren das neue „Wieso ruft er nicht an?“. Zumindest unter Menschen, die Messenger-Dienste benutzen. Bei WhatsApp funktionierte es bisher über die zwei grünen Empfangs-Häkchen und die Anzeige, dass der Adressat gerade online sei. Doch richtig sicher sein konnte man sich dabei bislang nicht sein, die beiden grünen Häkchen hießen lediglich: Übertragen.





Einen Schritt weiter ging bisher nur das Apple-Programm iMessage mit dem Angebot an seine Nutzer, dem Chatpartner durch eine kleine „Gelesen um xx:xx Uhr“-Anzeige unter der jeweiligen Nachricht wissen zu lassen, wann man sie gelesen hatte. Das kann praktisch, vor allem aber sehr neurotisch machen. Schreibt man zum Beispiel am frühen Nachmittag an die beste Freundin die Nachricht „Brauche dringend die Nummer von Xaver, außerdem geht’s mir scheiße, was geht bei dir?“, sieht, dass sie auch gleich gelesen wurde, und hat um 18 Uhr IMMERNOCH KEINE ANTWORT, kann es schon zu sehr schlimmen Verstimmungen und Unterstellungen kommen. Immerhin lässt sich die Lesebestätigung von iMessage abstellen. Wer seine Chatpartner zu Neurotikern und Kontrollfetischisten erziehen will, darf es tun. Muss aber nicht.

Geht doch auch einfacher, denkt sich jetzt WhatsApp, und klebt die Lesebestätigung einfach so und ohne zu fragen dran an jede verschickte Nachricht. In Form von zwei blauen Häkchen. Gelesen! Aber wirklich. Und nicht nur vielleicht, wie das bisher bei den beiden grünen Häkchen der Fall war. Auf dass wir alle noch süchtiger werden!

Was sagst du dazu? Bist du da ganz easy und sagst: Geht’s eigentlich noch, Leute, ist doch total wurscht, weil wen's stört, der hat selbst ein Problem und muss mal klarkommen mit seinem Leben? Oder eher: Voll der Cyborg-Überwachungs-Datenschutz-Psychoterror, sofort boykottieren und Smartphone wegschmeißen! Oder: Höhö, eigentlich ganz praktisch, weil – ist ja auch ein Statement, ... zum Beispiel so:





Original hier. 

Reden wir über das Umgehen von und das Umgehen mit den blauen Häkchen!

Maas will Frauen besser schützen

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An einem Sommerabend wünscht sich ein Ehemann von seiner Frau Analverkehr. Die lehnt das entschieden ab. Sie hat sich bereits zum Schlafen auf die Wohnzimmer-Couch gelegt. Der Mann geht ins Badezimmer, holt Fettcreme, kommt ins Wohnzimmer zurück und fragt seine Frau erneut. Die lehnt wieder ab und fügt hinzu, wenn er sich gegen ihren Willen durchsetze, sei das eine Vergewaltigung. Der Mann zieht ihr daraufhin einfach die Schlafanzughose herunter und dringt in sie ein. Er drückt sie dabei so an die Wand, dass sie sich nicht befreien kann. Die Frau weint und windet sich vor Schmerz, bis es endlich vorbei ist. Sie wehrt sich aber nicht. Die Frau hat Angst, ansonsten geschlagen zu werden. Ihr Mann war schon öfter gewalttätig. Außerdem schlafen die beiden Kinder im Nachbarzimmer.

Bei dem Fall handelt es sich eindeutig um eine Vergewaltigung – sollte man meinen. Der Bundesgerichtshof hat im März 2012 trotzdem eine Verurteilung des Mannes wegen des sexuellen Übergriffs aufgehoben. Seiner Ansicht nach hatten die Richter des Landgerichts nicht ausreichend geprüft, ob die Frau tatsächlich „der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert“ war. Genau dies schreibt Paragraf 177 des Strafgesetzbuchs nämlich vor, um den Ehemann verurteilen zu können. Das Landgericht hätte deshalb prüfen müssen, ob die Frau eine Chance zur Flucht hatte, entschied der BGH. Oder ob sie durch Schreie Hilfe etwa durch Nachbarn herbeiholen hätte können.



Jusizminister Heiko Maas mahnt zu Vorsicht bei der Starfrechtsreform: falsche Beschuldigungen dürften nicht erleichtert werden. 

Wegen solcher Entscheidungen kritisieren Frauenverbände schon seit Jahren den Paragrafen. Union und SPD hatten diese Bedenken in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. „Inakzeptable Schutzlücken“ und „Wertungswidersprüche“ im Sexualstrafrecht sollten beseitigt werden, heißt es in dem Vertrag. Wie dies genau geschehen solle, legten die Koalitionäre aber nicht fest. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat deshalb die Länder gebeten, aus der Praxis über die Probleme mit dem Vergewaltigungsparagrafen zu berichten. Diese Berichte liegen inzwischen vor. Und für Maas ist das Ergebnis eindeutig: Der Paragraf muss geändert werden.

Der Tatbestand der Vergewaltigung sei im Gesetz „so eng beschrieben, dass es Fälle gibt, in denen unser Recht Schutzlücken offenbart“, sagte Maas am Donnerstag. Es dürfe aber keine Vergewaltigung straflos bleiben. Das Sexualstrafrecht müsse deshalb „den realen Situationen, in denen die meisten Übergriffe stattfinden, gerechter werden“.

Nach Paragraf 177 kann bisher bestraft werden, „wer eine andere Person mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist“, zu sexuellen Handlungen nötigt. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist eine sexuelle Handlung – auch wenn sie gegen den Willen des Opfers geschieht – nicht als Vergewaltigung strafbar. Nach Ansicht des Justizministers gibt es wegen dieser Vorgaben drei Fallgruppen, bei denen Frauen durch Paragraf 177 nicht ausreichend geschützt sind:
- wenn der Täter dem Opfer droht, aber nicht mit „gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben“, sondern zum Beispiel mit beruflichen Nachteilen,

- wenn der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, oder

- wenn sich das Opfer trotz Möglichkeit nicht wehrt, etwa weil es Angst vor künftigen Schlägen hat - wie in dem BGH-Fall.

Nach Ansicht des Bundesjustizministeriums zeigen diese Fälle, dass „das geltende Recht nicht immer eine klare Antwort auf die Frage gibt, wie viel Widerstand eine Frau leisten muss, damit es sich um Vergewaltigung handelt“. Wie hoch die Hürden des Paragrafen 177 seien, zeige schon die Statistik: Nicht einmal zehn Prozent der Anzeigen führten am Ende zu einer Verurteilung des Mannes.
Die Konferenz der Landesjustizminister begrüßte am Donnerstag einstimmig, dass sich Maas jetzt um den Paragrafen kümmern will. Einige Länder hatten schon länger eine Reform gefordert. Das Strafrecht fällt aber in die Zuständigkeit des Bundes.

Der ominöse BGH-Beschluss vom 20.März 2012, den die Befürworter zum Beleg einer Schutzlücke heranziehen, führt mitten in einen äußerst komplexen juristischen Streit. Auch innerhalb des BGH ist es auf Kritik gestoßen, dass der 4.BGH-Strafsenat damals nicht zu einer Verurteilung des gewalttätigen Ehemanns wegen Vergewaltigung kam. Thomas Fischer, Vorsitzender des 2. Strafsenats und Kommentator des Strafgesetzbuchs, schrieb kürzlich in einem Aufsatz in der Zeit, die Kollegen hätten den Fall schlicht falsch entschieden. Der Täter, so steht es in der Entscheidung, habe die weinende und sich vor Schmerzen windende Frau an eine Wand gedrückt. Dies aber sei – weil die Frau durch Gewalt genötigt worden sei – ein klarer Fall von Vergewaltigung. Eine Fehlentscheidung also.

In dem Beschluss spiegelt sich freilich eine Entwicklung wider, die Fischer selbst vorangetrieben hatte. Sie geht zurück auf die letzte große Reform des Vergewaltigungsparagrafen im Jahr 1997 – eine Reform, mit der übrigens schon damals eine Schutzlücke geschlossen werden sollte. Danach sollte eine Vergewaltigung nicht nur strafbar sein, wenn sie unter Einsatz von Gewalt oder mithilfe einer Drohung begangen wurde, sondern auch dann, wenn der Täter die schutzlose Lage des Opfers ausgenutzt hat. Auf den ersten Blick war das ein nachvollziehbarer Schritt zum Schutz von Frauen in jenen Situationen, die sich jenseits von Gewalt oder Drohung abspielen. Problematisch daran ist folgendes: Wenn ein Täter Gewalt ausübt oder sein Opfer mit Drohungen gefügig macht, dann ist klar greifbar, was ihm vorzuwerfen ist. Er hat den Willen der Frau gebrochen, um sie sexuell gefügig zu machen – er hat sie zum Sex gezwungen. Im bloßen „Ausnutzen“ einer schutzlosen Lage ist ein solcher Zwang dagegen jedenfalls nicht immer zu finden, gibt Fischer – polemisch zugespitzt – zu bedenken: „Was muss er tun, um sie durch Ausnutzen dazu zu zwingen? Vielleicht durch Sprechen oder Zeichengeben?“

Das ist der Hintergrund, vor dem sich der BGH unter maßgeblicher Beteiligung von Thomas Fischer in den vergangenen Jahren bemüht hat, diesen Teil des Vergewaltigungsparagrafen einschränkend zu interpretieren und damit die Schwelle zur Strafbarkeit nicht zu niedrig anzusetzen. Klafft hier deshalb eine Schutzlücke? Schwer zu sagen: Einerseits hatte der BGH selbst in seinem kritisierten Beschluss darauf hingewiesen, dass der permanent gewalttätige Mann womöglich ein „Klima der Angst“ geschaffen habe – was für eine Verurteilung wegen Vergewaltigung reichen würde. Auch Fischer sagt: Wer das Messer zwar nicht in die Hand nimmt, es aber absichtsvoll neben das Bett legt, der droht mit Gewalt. Andererseits blieb der BGH-Fall ohne Folgen: Das Verfahren wurde, weil der Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt war, an das Landgericht Essen zurückverwiesen – das den Fall in diesem Punkt überraschend einstellte. Der Mann wurde lediglich wegen anderer Gewalttaten verurteilt.

Für eine Reform hat sich daher eine andere starke Stimme unter den deutschen Strafrechtlern eingesetzt: die Berliner Professorin Tatjana Hörnle, die sonst eher nicht dazu neigt, nach härteren Strafen zu rufen. Sie betrachtet den Vergewaltigungsparagrafen vor der Folie der Istanbul-Konvention, auf die man sich im Jahr 2011 geeinigt hatte. Danach sind alle nicht einverständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen: Nein muss also immer Nein bedeuten. Dem deutschen Strafrecht fehlt aus ihrer Sicht diese Entschiedenheit, vor allem deshalb, weil das Gesetz gleichsam eine optimale Reaktion des Opfers unterstelle – die couragierte Gegenwehr, den geistesgegenwärtigen Ruf nach Hilfe. Wer dagegen zwar Nein sage, sich aber – eingeschüchtert, überrumpelt oder unter Stress – zu passiv verhalte, der sei nach deutschem Recht nicht vergewaltigt worden, schrieb sie kürzlich im „Verfassungsblog“.

Also doch eine Schutzlücke? Die Kritiker einer Reform verweisen zum einen darauf, dass es ja nicht nur den Vergewaltigungsparagrafen gibt. Sexuelle Übergriffe können auch als Nötigung in einem besonders schweren Fall bestraft werden – darauf stehen immerhin bis zu fünf Jahre Haft. Hinzu kommt: Der Grundsatz „Nein heißt Nein“ führt in der Gerichtspraxis in erhebliche Beweisschwierigkeiten – üblicherweise steht in solchen Prozessen Aussage gegen Aussage. Justizminister Maas machte jedenfalls klar, dass bei der Reform darauf geachtet werden müsse, „dass wir nicht falsche Beschuldigungen erleichtern“. Denn auch ein zu Unrecht eingeleitetes Ermittlungsverfahren könne „Existenzen zerstören“.
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