Quantcast
Channel: Alle Meldungen - jetzt.de
Viewing all 6207 articles
Browse latest View live

Klüger als damals

$
0
0
Der 24. Oktober 1929 begann an der New York Stock Exchange schlecht, aber nicht außergewöhnlich schlecht. Schon in den Tagen zuvor waren die Kurse gebröckelt, jetzt ging es im gleichen Tempo weiter nach unten. Dann, gegen elf Uhr, brach plötzlich eine Panik aus. Alle Kurse stürzten in den Keller, binnen kurzer Zeit lösten sich elf MilliardenDollar in Luft auf, was damals 1,5 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts entsprach. An diesem Punkt beschlossen die Mächtigen der Wall Street zu handeln. Führende Banker beauftragten den Vizechef der Börse, Richard Whitney, in den Markt einzugreifen. Unter anderem kaufte er demonstrativ große Mengen der Aktie von U.S. Steel. So gelang es, die Panik zu beenden. Der Dow ging mit einem Minus von 2,1 Prozent aus dem Handel – ein Kursrutsch, aber sicher kein katastrophaler.

Das war der Tag, der als Schwarzer Donnerstag in die Geschichte eingehen sollte (in Europa wegen der Zeitverschiebung meist Schwarzer Freitag genannt). Für Wirtschaftshistoriker ist es der Katastrophentag schlechthin, der Beginn der Weltwirtschaftskrise. Die Ereignisse haben sich tief ins kollektive Gedächtnis der beteiligten Nationen eingegraben. Während der heißen Phase der Finanzkrise 2008 und 2009 wurden die Handelnden – vor allem US-Notenbankchef Ben Bernanke und Präsident Barack Obama – und deren Berater immer wieder von der Furcht getrieben: Würde sich 1929 wiederholen? Einiges schien dafür zu sprechen: Die kreditfinanzierte Euphorie vor der Krise – im einen Falle auf den Aktien-, im anderen auf den Immobilienmärkten, dazu die Ansteckungsgefahr auf den international verflochtenen Finanzmärkten. Durch diese Parallelen wurde die Geschichte höchst lebendig – und nur zu gern wurden die gleichen Bilder bedient: Banker, die um Job und Wohlstand fürchten, Menschen, die anstehen müssen, um eine warme Mahlzeit pro Tag zu bekommen.

Doch vieles, was später über den Schwarzen Donnerstag berichtet worden ist, gehört ins Reich der Märchen. Es war eben nicht der schlimmste Börsenkrach der Geschichte. Es stimmt auch nicht, dass am 24. Oktober und danach Börsianer reihenweise aus dem Fenster sprangen. Bei vielen Opfern der Krise war hier eher der Wunsch der Vater des Gerüchts.



US-Notenbank: aus der Geschichte gelernt?

Denn tatsächlich kam das Schlimme erst später. Es wurde durch vermeidbare Fehler der Politik auf beiden Seiten des Atlantiks verursacht. Zunächst einmal zeigte sich mit einer gewissen Verzögerung, dass die Börsenkurse auch nach dem Krach immer noch viel zu hoch waren. Am 28. und 29. Oktober brach der Dow erneut ein, diesmal um 12,82 und 11,73 Prozent. Viele Investoren, die Aktien auf Kredit gekauft hatten, waren nun zahlungsunfähig. Der Kursverfall ging mit großen Sprüngen weiter bis zum 8. Juli 1932. An dem Tag erreichte der Dow 41,22 Punkte, was fast 90 Prozent unter seinem Höchststand von 1929 lag.

Das Land, das neben den Vereinigten Staaten am schwersten von der Krise be-troffen wurde, war Deutschland. Nach 1924 hatte die Weimarer Republik ein paar gute Jahre erlebt, der Aufschwung war jedoch vor allem mit amerikanischem Kapital finanziert worden. Nach dem Börsenkrach drehten sich die Kapitalströme um, die Geldgeber brauchten Reserven in New York, Deutschland stürzte in die Rezession. Der Reichsregierung unter dem SPD-Kanzler Hermann Müller ging das Geld aus: Die Steuereinnahmen sanken, Sozialausgaben stiegen. Politische Grundsatzfragen wurden immer öfter über Arbeitsmarktdebatten ausgehandelt. Weil sich seine eigene Partei einem Kompromiss zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung mit der nationalliberalen Deutschen Volkspartei verweigerte, reichte Müller am 27.März 1930 seinen Rücktritt ein. Damit war die letzte demokratisch gewählte Regierung der Weimarer Republik am Ende – wegen einer Lappalie.

Müllers Nachfolger Heinrich Brüning setzte mit Notverordnungen eine radikale Sparpolitik durch, welche die Krise verschärfte. Eine lockere Geldpolitik kam nicht in Frage, die Erinnerungen der Inflation von 1923 waren noch zu frisch. Zudem wollte Brüning vermutlich beweisen, dass Deutschland selbst unter härtesten Sparanstrengungen seinen Reparationen aus dem Ersten Weltkrieg nicht nachkommen konnte. Er hoffte, sie so loszuwerden. Löhne und Sozialleistungen wurden deshalb kontinuierlich gekürzt – was nicht nur die Kaufkraft schwächte, sondern Brüning den Titel „Hungerkanzler“ anheftete.

Die nächste Dummheit wurde in Washington begangen. Gegen den Protest von 1028 namhaften Ökonomen beschloss der Kongress den berüchtigten Smoot Hawley Tariff Act. Das Gesetz erhöhte die Zölle für über 900 Produkte zum Teil auf Rekordniveau. Es war nicht die einzige Ursache für den Zusammenbruch des Welthandels in der Großen Depression, trug aber wesentlich dazu bei. Aus diesem Beispiel hat die Welt gelernt: 80 Jahre später trat niemand in die Falle des Protektionismus.

Am schlimmsten war nach 1929 das Versagen der Notenbanken. Die Federal Reserve in Washington war damals noch eine sehr junge Institution. 1913 gegründet, hatte sie kaum Zeit, ein institutionelles Selbstverständnis zu entwickeln. Sie hätte eigentlich noch üben müssen, hatte dafür aber keine Zeit. Als es 1930 zu einer Welle von Bankpleiten kam, weigerten sie und andere Notenbanken sich, gegenzusteuern. In Europa besonders folgenreich war der Zusammenbruch der Wiener Creditanstalt am 11. Mai 1931 und der zweitgrößten deutschen Bank, der Darmstädter und Nationalbank, am 13. Juli. Fortan konnte man von einer „Weltwirtschaftskrise“ sprechen.

Die zeitigte schreckliche Folgen. Zwischen 1929 und 1932 schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 16 Prozent. Anfang 1932 waren in Deutschland erstmals mehr als sechs Millionen Menschen erwerbslos, nur ein Drittel erhielt staatliche Unterstützung – das trieb den Kommunisten und Nationalsozialisten die Wähler zu. Mit Deutschland stürzten große Teile Europas und Amerika in eine verheerende Deflation. Von 1930 bis 1933 gingen die Verbraucherpreise in den USA um 27,9 Prozent zurück. Dass die Fed gleichzeitig versuchte, durch Zinserhöhungen den Abfluss von Geld aus den USA zu verhindern, machte alles nur schlimmer.

Der Nobelpreisträger Milton Friedman (1912-2006) gab aus diesem Grund der Fed die Hauptschuld an der Krise. Friedmans Kritik ist ein Schlüssel zum Verständnis der Politik der Fed während der jüngsten Finanzkrise. Deren damaliger Chef Ben Bernanke ist ein ausgewiesener Experte für die Geschichte der Weltwirtschaftskrise. Und er setzte alles daran, die Fehler der Dreißigerjahre vermeiden. Er erhöhte die Geldmenge nach 2007 um fast jeden Preis, unter seiner Regie senkte die Fed die Zinsen bis auf fast null Prozent und weitete ihre Bilanz von unter 900 Milliarden auf 4,4Billionen Dollar aus.

Die Politik bleibt umstritten: Damals wie heute wurden an vielen Stellen Symptome anstatt grundlegender Strukturmängel bekämpft. Damals wie heute gibt es Länder, die extreme Sparkurse fahren, und gerade dort gewinnen Extremisten der politischen Landschaft Publikum. Dennoch erreichte die moderne Notenbankpolitik wenigstens ein Ziel: eine zweite Weltwirtschaftskrise hat es nicht gegeben.

Die dunkle Blüte

$
0
0
Dieses Buch beginnt mit einem Ende. Der Mann der vielen Namen, der Schwert des Königs heißt, junger Falke, Dunkelklinge, zumeist und für sich selbst aber Vaelin Al Sorna, ist in die Hände seiner Feinde gefallen. Für sie ist er, da er ihren Kronprinzen in der Schlacht niedergehauen hat, der „Hoffnungstöter“; seit vielen Jahren sitzt er schon in Haft. Dort tritt ihm der Geschichtsschreiber des Feindesreichs gegenüber, ein kultivierter, taktvoller Mann, und bittet ihn, seine Geschichte aufschreiben zu dürfen.

Das erweist sich als ein langwieriger, widerspruchsvoller Vorgang, denn sein Gegenüber wappnet sein Herz und wahrt seine Geheimnisse. Nur so viel ist klar, dass der Statthalter der Provinz, die der Hoffnungstöter erobert hatte, dessen beschlagnahmtes Schwert sorgsam aufbewahrt und mit dem besten Waffenöl gepflegt hat, um es ihm nun mit scheuem Dank für seine strenge Rechtlichkeit zurückzugeben. Was ist das für ein Mann, der so viel Hass und Ehrfurcht auf sich zieht?

Willkommen in der Welt von „Blood Song“. Es ist ein Fantasy-Roman von fast 800 Seiten Umfang – Fantasy-Fans sind bekanntlich wölfische Leser. Die Handlung spielt, wie gewohnt, in einem diffusen Mittelalter. Die politischen Verhältnisse gestalten sich feudal, das heißt, im Zentrum stehen die persönlichen Beziehungen, mit aller Pietät und Rachsucht, die dazugehören. Und wie viele andere Werke des Genres hat sich auch das von Anthony Ryan von den zwei großen elitären Sozialverbänden des Mittelalters inspirieren lassen, den Mönchs- und den Ritterorden.



Shakespeare: Ideengeber für eine neue Art von Fantasy?

Und doch ist in diesem Buch etwas Neues verkörpert. Verabschiedet wird das klassische Grundmuster der „Quest“, das für die Fantasy-Literatur so typisch war, die Suche nach dem einen großen Schatz oder der Vorsatz zur entscheidenden Schlacht am Ende der Reise. Auf dem Weg dorthin wurde gern weidlich getrödelt, die Ereignisfolge verharrte im Episodisch-Beliebigen. Die Hauptfiguren entwickelten sich wenig; vor allem blieben sie nahezu anfechtungsfrei immer die Guten, während ihre Gegner so sehr damit beschäftigt waren, böse zu sein, dass sie wenig Gelegenheit zur Nuance hatten. So naht sich Stephen Kings Roland dem Dunklen Turm, so Harry Potter dem Endkampf mit Lord Voldemort; hier steckt auch die relative Schwäche des „Herrn der Ringe“. An die Stelle der kaleidoskopischen Abenteuerreihe setzt Ryan etwas anderes, das sich vielleicht als echte Geschichte bezeichnen ließe.

Beispiellos ist das nicht mehr. Das ganze Genre hat einen Aufschwung zur Komplexität genommen, seit die Fernsehserie „Game of Thrones“ des amerikanischen Senders HBO ihre Triumphe feiert. Zu verstehen ist diese Entwicklung nur vor dem Hintergrund der sich unablässig verändernden Wechselbeziehung der Medien Buch, Kino, Fernsehen (und als vierten Mitwirkenden muss man wohl die Computerspiele zählen). Sie bedrängen, aber sie verdrängen einander nicht.

Das hängt damit zusammen, wie diese verschiedenen Medien jeweils zu erzählen vermögen, genauer: wie sie Erzählung und Serialität miteinander verbinden. Dass das Kino den großen, abendfüllenden Solitär lieferte, bescherte ihm erst seinen Glanz und dann seine Krise. Es kam an einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr an gegen die Mühelosigkeit, mit der das Fernsehen seine Formate füllte: jeden Sonntag der gleiche Krimi. Mochten Mörder und Opfer wechseln – die Ermittler taten es nicht.

Dann ließ sich das Kino etwas entscheidend Neues einfallen: die Serie von mittlerer Länge und enger Zusammengehörigkeit der einzelnen Folgen, die nicht, wie das Fernsehen es machte, immer wieder bei null begannen, und zwar zu fester Sendezeit und mit vertrautem Personal, ihre Geschichten doch voraussetzungslos erzählten. Doch nun kam „Star Wars“, ein abendübergreifendes Gesamtwerk, das ähnlich wie die Werke Homers oder das Nibelungenlied strukturiert war, in einer endlichen Zahl von Kapiteln oder Gesängen, die nur verstand, wer sich das Vorangegangene gemerkt hatte.

Damit war ein neuer langer Spannungsbogen geboren, der packender wirkte als die Kurzatmigkeit des Fernsehens. Erst als dieses das Muster nachzuahmen begann und seinem Zuschauer zumutete, dass er nicht vergessen haben durfte, wenn er begreifen wollte, überwand es seine bleierne Zeit. Wegbereiter wurden in den Neunzigerjahren die „Sopranos“, die Saga eines Mafia-Clans. Umso dringender brauchte das Fernsehen die neue Kohärenz seiner Serien, als im Zeitalter von Internet und DVD nunmehr jeder selbst entscheiden konnte, wann und wie er diese Filme anschauen wollte.

Als für diesen Zweck besonders geeignetes Genre hat sich die Fantasy erwiesen, zumindest ein gewisser Zweig. Sie hatte ihre Heimstatt ursprünglich in dickleibigen Büchern, welche sich gern als Tri-, Tetra- und selbst Heptalogien darboten. Aber solange sie ihre Buchdeckel nicht verließ, beschränkte sich ihre Wirkung auf die verschworene Fangemeinde. Die Fantasy, ließe sich sagen, wollte vom neuen Fernsehen erst gefunden werden.

Und sie wurde gefunden. Hinter der immens erfolgreichen Serie „Game of Thrones“ steckt ein Buchprojekt, das schon rund fünfzehn Jahre lief, ehe es mit seiner Verfilmung den großen Durchbruch schaffte: die Reihe „The Song of Ice and Fire“ des amerikanischen Autors George R. R. Martin. Wer sich in diesem verwickelten Kosmos zurechtfinden will, tut gut daran, sich einem freundlichen Pfadfinder anzuvertrauen, der vorab mit Erklärungen hilft.

Die erste Folge dient insgesamt der Exponierung des Personals, sie ist ziemlich anstrengend. Doch dann geschieht etwas Erstaunliches: In der zweiten Folge bereits hat man sich weit genug von den Zumutungen des Merkensollens, dieser wahren Gedächtnis-Migräne erholt, um sich ohne Mühsal den Figuren und ihren Verwicklungen zuwenden zu können. Man bangt für sie an den zahlreichen Wendepunkten, erlebt Menschen, die loyal sein wollen und sich doch zum Verrat gezwungen sehen, fühlt mit, wenn die Jungen verbittern und die Alten müde und sarkastisch werden.

Der Name der neuen Reihe, „Blood Song“, weckt zunächst den Verdacht des Plagiats. Aber im Reich der intelligenten Fantasy ist viel Platz für konkurrierende Entwürfe. Die Blütezeit aller großen Genres war an die Gleichartigkeit der gesellschaftlichen und künstlerischen Grundbedingungen geknüpft; so viel parallele Fruchtbarkeit kann es nur geben, wenn nicht jeder Autor bei Adam und Eva anfangen muss. Man denke an das altgriechische oder das elisabethanische Theater, an die Commedia dell’Arte oder das Wiener Volksstück im 19. Jahrhundert. Ja, am meisten gilt es von den dramatischen Gattungen. Eine solche stellt jedenfalls auch die neue Fantasy dar, die sich von ihren epischen Wurzeln gelöst hat und anstelle der sich bloß addierenden Episoden ein Geflecht der Notwendigkeiten setzt.

Durch zwei Merkmale vor allem zeichnet sich diese neue Fantasy aus: die Ambivalenz der Charaktere; und die Folgenschwere der Handlung. Diese mag immer noch voller Brüche und Neuanfänge stecken, aber die Ereignisse hinterlassen nunmehr ihre Widerhaken in der Seele der Protagonisten. Geschichte ist kontingent, nach wie vor, ja mehr als das, sie erscheint als schlechthin unsinnig; aber da ihr Unsinn sich als etwas darbietet, das nie wieder gutgemacht werden kann, gräbt sich die Kategorie der Erinnerung und damit des Schmerzes ein.

Mit der Verstrickung wächst die emotionale Kraft. Vaelin, Hauptfigur im „Lied des Blutes“, noch Novize seines Ordens, begegnet dem Ketzerjäger Makril, der ihm betrunken erzählt, wie er einmal auf Befehl seines Vorgesetzten Frauen und Kinder der „Leugner“ in eine Scheune trieb und lebendig verbrannte. „Ich hätte nicht gedacht, dass Kinder so laut schreien können“, lallt er. Vaelin, erfüllt von Abscheu, will den Massenmörder mit raschem Entschluss erdolchen, da sieht er, dass im grauen Bart des Mannes Tränen glänzen: „Die Tränen bedeuteten, dass Makril ein Mann war, der seine Arbeit hasste. Außerdem war er ein Ordensbruder. Es erschien Vaelin falsch, jemanden zu töten, dessen Schicksal er in naher Zukunft womöglich teilen würde. Ein plötzlicher Entschluss reifte in ihm heran: ‚Ich werde kämpfen, aber nicht morden. Ich werde Männer töten, die mir im Kampf gegenübertreten, aber ich werde mein Schwert nicht gegen Unschuldige erheben. Ich werde keine Kinder umbringen.‘“

Es ist ein Entschluss, der sich im konkreten Fall schwer mit der gebotenen Trennschärfe umsetzen lässt. Die Gründe, weshalb Vaelin den Betrunkenen dann doch am Leben lässt, schillern in einer Mischung aus Eigennutz, Erbarmen und ethischem Prinzip. Am Ende des Buchs gibt er einem Kameraden, der ihm die Ehre einwendet, den Bescheid: „,Ehre? . . . Ehre ist nur ein Wort. Man kann es weder essen noch trinken, und doch redet alle Welt, wohin ich auch komme, unablässig davon, und für jeden bedeutet sie etwas anderes.‘“

Dass man Ehre nicht essen könne, ist ein Shakespeare-Zitat, ein Ausspruch des komisch-pragmatischen Ritters Falstaff. Die neue Fantasy hat sich ein ganz schönes Stück an Shakespeare herangearbeitet, vor allem was die Auffassung des Verhältnisses von Geschichte und Gewalt betrifft. „So sollt ihr hören, / Von Taten, fleischlich, blutig, unnatürlich, / Zufälligen Gerichten, blindem Mord, / Von Toden, durch Gewalt und List bewirkt, / Und Planen, die, verfehlt, zurückgefallen, / Auf der Erfinder Haupt . . .“ So fasst Horatio den Gehalt des „Hamlet“ zusammen; und ein ähnliches Fazit ließe sich auch beim „Lied des Blutes“ ziehen, selbst wenn es sich sprachlich nicht ganz auf derselben Höhe bewegt.

Der Hinweis auf Shakespeare könnte auch erklären helfen, warum die Leser, die sich von Fantasy angesprochen fühlen, sich nicht stattdessen lieber gleich an die Geschichte selbst, an die verbürgte Historie halten. Böte nicht eine gut geschriebene historische Monografie (kein historischer Roman! der kann das nicht) ähnlich niederschmetternde und erbauliche Erzählungen? Es hätte den erheblichen Vorzug, dass man die ungeheure Gedächtnisleistung, die diese Fülle von Namen und Vorgängen in jedem Fall abverlangt, sozusagen als Bildungsinvestition buchen dürfte – statt dass sie wie hier als illusionärer Gewinn eines bloßen Spiels verraucht.

Aber vielleicht hat gerade das, die Scheinbarkeit des vollen Ernstes, für die Leser seinen Reiz. Shakespeare verfährt bei der Verarbeitung seiner mittelalterlichen Stoffe ja ganz ähnlich. Möglicherweise erweist sich das dramatische Wesen der neuen Fantasy am deutlichsten darin, dass sie vom Drama die alte Aufgabe übernimmt, im Gemüt des Publikums die Reinigung von Furcht und Mitleid zu vollbringen (was immer man darunter genau verstehen will).

Ryan jedenfalls, dessen Werk im Deutschen den Untertitel „Rabenschatten 1“ trägt, scheint entschlossen zu sein, auf diesem Weg fortzufahren. An seinem Buch sind deutlich jene Stellen abzulesen, wo offenbar die nächste Staffel andocken soll.

„Extrem kräftezehrend“

$
0
0
Die Schutzanzüge, die Ärzte und Helfer bei der Behandlung hochinfektiöser Ebola-Patienten tragen, sind inzwischen fast täglich in den Medien zu sehen. Der Berliner Arzt Thomas Kratz, 38, weiß genau, wie es ist, in einem solchen Anzug Patienten zu behandeln. Sechs Wochen lang hat er im Sommer in Sierra Leone verbracht und versucht, die Kranken bestmöglich zu versorgen – so oft es ging, auch ohne den Anzug. Der SZ hat er von seinem schwierigen Verhältnis zu der Kunststoffhülle erzählt, die ihn zwar schützt, ihm aber zugleich ein empathisches ärztliches Handeln, wie er es sich wünschen würde, nahezu unmöglich macht.

„Insgesamt habe ich nun schon an 50 Tagen in so einem Ebola-Schutzanzug gearbeitet. Vor zwei Jahren im Kongo und in diesem Sommer in Sierra Leone. In dem Anzug zu arbeiten, ist eigentlich furchtbar. Ich weiß bis heute nicht, ob ich ihn hassen oder lieben soll. Vielleicht habe ich deshalb kein emotionales Verhältnis zu ihm entwickelt, sondern eher ein rationales. Ich weiß, dass es wichtig ist, ihn zu tragen. Dass es sonst gar nicht möglich wäre, die Patienten zu behandeln. Dass mich der Anzug davor bewahrt, selbst krank zu werden – unter der Bedingung, dass ich mich genau an die Regeln halte. Der Anzug schützt nur, wenn man ihn extrem korrekt benutzt.

Allein das richtige Anziehen dauert schon fünf Minuten. Mindestens. Wenn man ungeübt ist, auch schon mal 15 Minuten. Und das Ausziehen dauert noch viel länger. Das ist die eigentlich risikoreiche Prozedur. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Man muss Anzug und Handschuhe wirklich sehr sorgfältig abstreifen, auch wenn man das oft virenverseuchte Zeug am liebsten ganz schnell loswürde. Dabei muss man höllisch aufpassen, dass man immer nur die Innenseite des Anzugs berührt. Besonders schwierig wird es, wenn Körperflüssigkeiten von Patienten auf der Außenhülle sind. Blut sieht man noch gut, aber Speichel und Schweiß eben nicht. Die Tropfen können herunterlaufen, davor kann man sich besonders schlecht schützen. Auch die Handschuhe sind sehr gefährlich, mit denen hat man ja die Patienten angefasst. Man darf sie deshalb auf keinen Fall ins Gesicht bekommen, weil die Schleimhäute von Augen, Nase und Mund anfällig für Viren sind.



Ausbildung für freiwillige Ebola-Helfer der Bundeswehr in Hamburg

Wenn ich meine Ausrüstung abgestreift habe, wird der Großteil weggeschmissen. Sobald Anzug, Schutzhaube und Handschuhe desinfiziert sind, werden sie entsorgt. Zusammen kosten die ungefähr 20 Euro, allein der Anzug kostet 15 Euro pro Stück. Mehrmals verwendet werden dagegen Gummistiefel, Gummischürze und Schutzbrille. Die sieht so aus wie eine Skibrille. Vielleicht ist es sogar eine. Vor der Wiederverwendung werden diese Sachen mit konzentrierter Chlorlösung desinfiziert, das überleben die Viren nicht.

Wir benutzen bei „Ärzte ohne Grenzen“ fast immer diesen gelben Anzug von der Firma Tychem. Der gehört auch zu den angenehmsten, die ich bisher angehabt habe. Er schließt besonders gut ab. Darunter trage ich noch grüne Baumwollkleidung, wie man sie aus OP-Sälen kennt. Die wird einfach gewaschen und in der Sonne aufgehängt, bevor man sie wieder anzieht. An ihr sollten ja eigentlich keine Viren sein. Außerdem tötet Sonnenlicht die Erreger ab. Und Ebola-Viren sind außerhalb des Körpers ohnehin nicht sehr überlebensfähig. Außerdem trage ich meine eigene Unterwäsche. Die lasse ich an und wasche sie auch selber. Ansonsten sollte man natürlich noch darauf achten, die ganz normale Körperhygiene einzuhalten. Aber nach dieser Arbeit ist man sowieso für jede Dusche dankbar.

Eine halbe Stunde, maximal eine: Länger hält man es in dem Anzug nicht aus, schon gar nicht in Sierra Leone. Dort ist es so heiß wie in Berlin nur im Hochsommer. Und in dem Anzug wird es mit der Zeit unglaublich warm. Ständig spürt man die eigene Atmung. Man hat ja diese Maske auf, die auch bei der Behandlung von Tuberkulose-Patienten verwendet wird. Dadurch wird es noch wärmer. Und der feuchte Atem schlägt ständig zurück. Unangenehm ist auch der PVC-mäßige Geruch. Es riecht so ein bisschen nach Regenmantel. Nach kurzer Zeit merkt man das allerdings nicht mehr.

Diese ganze Situation ist extrem kräftezehrend. Das Leid der Menschen, aber auch das Arbeiten in dem Anzug. Ich habe im Juni und Juli sechs Wochen unbezahlten Jahresurlaub genommen, um den Menschen in Westafrika zu helfen. Aber danach brauchte ich noch meinen ganz normalen Jahresurlaub, um mich zu Hause davon zu erholen.

Bevor ich den Anzug anziehe, kontrolliere ich immer, dass keine Löcher, Risse oder irgendwelche Fehler drin sind. Drei Größen gibt es, ich nehme M oder L – was gerade da ist. Gut sitzen muss so ein Ding ja wirklich nicht. Bisher war jeder Anzug bei mir komplett in Ordnung. Aber man kann immer noch beim Anziehen Fehler machen. Deshalb kontrollieren wir Ärzte uns gegenseitig – im Buddy-System, ähnlich wie beim Sporttauchen. Dabei achten wir genau drauf, dass alles richtig anliegt. Dass beim Übergang zwischen Anzug und Handschuhen kein Spalt frei bleibt. Wir gehen auch immer zu zweit auf die Krankenstation.

Unter den großen Gummihandschuhen tragen wir noch dünne Vinylhandschuhe, wie in Deutschland in der Notaufnahme. Die zieht man sehr vorsichtig an, damit ja kein Loch reinkommt. Es ist natürlich nicht so angenehm, mit zwei Paar Handschuhen Blut abzunehmen und den Kranken den Puls zu fühlen. Aber mit ein bisschen Übung geht es.

Wenn man die Handschuhe einmal anhat, wechselt man sie innerhalb der Hochrisikozone nicht mehr. Dort muss der ganze Körper immer bedeckt sein. Bevor ich zum nächsten Patienten gehe, wasche ich mir die behandschuhten Hände aber mit Chlorlösung, um sie zu desinfizieren.

Auf der Station kommt der Eigenschutz absolut an erster Stelle. So hart das jetzt klingt, aber wenn ich als Arzt wegen der Hitze nicht mehr klarkomme, verlasse ich sofort die Station. Selbstverständlich kontrolliert und diskret. Die Sicherheit muss gewahrt bleiben, und die Patienten sollen bloß nicht denken, man renne vor ihnen weg. Und natürlich muss der Kollege informiert werden, er muss dann ja ebenfalls gehen.

Bei allem Sicherheitsbedürfnis: Der Anzug verschafft natürlich eine enorme Distanz zu den Patienten. Deshalb versuche ich, wann immer es möglich ist, ihn nicht zu tragen. Dann bin ich wenigstens noch ein Mensch und nicht irgendein Marsmensch. Wenn ein Patient sich noch in einem so guten Zustand befindet, dass er draußen vor der Station sitzen kann, führe ich das Gespräch dort ohne Anzug. Dabei halte ich einen Sicherheitsabstand von zwei Metern ein. Aber so habe ich wenigstens Blickkontakt zu meinem Patienten, und er kann mich auch besser verstehen. Mit der Maske redet man schon sehr undeutlich, als hätte man ständig eine Hand vor dem Mund.

Jemanden in dem Anzug als Mensch wahrzunehmen, fällt wirklich schwer. Auch als Kollegen erkennen wir uns oft gegenseitig nicht, wenn wir den Anzug tragen. Das kann sich sehr unangenehm anfühlen, in einer Gruppe von nicht identifizierbaren, unförmigen Wesen herumzustapfen. Deshalb bilden wir immer nur kleine Teams. Wir schreiben auch manchmal unsere Namen mit einem Edding auf die Gummischürzen, um diese gruselige Anonymität aufzuheben.

Ich erinnere mich noch genau, wie ich das erste Mal so einen Anzug trug. 2012 im Kongo. Im ersten Moment war ich neugierig, aber dann stieg schnell ein mulmiges Gefühl in mir auf. Als ich die anderen in der Schutzkleidung sah, war das beängstigend, ich wollte gleich wieder weg. Mein erstes Gefühl im Anzug war dann: Oh, es wird warm. Ich gehe ein bisschen ungelenk. Und ständig die Sorge: Sitzt das jetzt alles noch richtig?

Dabei ist die Gefahr durch verrutschende Handschuhe, Ärmel oder Masken gar nicht so groß. Wenn mal eine Hautstelle zu sehen ist, ist das nicht gleich lebensgefährlich. Ebola-Viren sind ja nicht ansteckend, wenn sie durch die Luft schwirren, wie das bei Grippeviren der Fall ist, sondern erst wenn sie mit Körperflüssigkeiten auf die Haut gelangen. Die zweitgrößte Gefahr nach dem Ausziehen ist es deshalb, wenn man sich mit einer Spritzennadel sticht oder den Anzug mit einem Metall verletzt.

Die Gummistiefel sind übrigens einigermaßen rutschfest. Ich bin damit jedenfalls nie ausgeglitscht. Bei uns lag zwischen den Zelten allerdings auch Schotter, kein Schlamm. In der Regenzeit muss man sicher aufpassen. Hinfallen und dabei womöglich den Anzug kaputt machen, das will man ja auf keinen Fall.

Die Angst vor den Viren ist ohnehin ständig da. Sie sorgt dafür, dass man nicht nachlässig wird. Aber manchmal wird sie plötzlich stärker. Dann kann sie gefährlich werden, dann muss man die Arbeit unterbrechen. Mir ist das mal bei einer Blutentnahme morgens passiert. Ich war sowieso schon erschöpft, meine Brille war beschlagen. Und dann kam noch die Angst dazu. Da bin ich rausgegangen, und mein Kollege zwangsläufig auch. Er hat mir das nicht übel genommen. Wir alle wissen, dass die Angst jederzeit beherrschend werden kann.“

Wohnen ums Eck

$
0
0





Bernhard, 19, Lehramt Gymnasium, LMU




„Mein Onkel wohnt in Pullach. Als er gehört hat, dass ich nach München ziehe, hat er sich nach Zimmern umgeschaut und im Internet ein neues Wohnheim gefunden. Dort waren noch drei Wohnungen frei, die der Makler aber nicht offiziell ausgeschrieben hatte. Der wollte nämlich nicht, dass ihm die Bude eingerannt wird. Meine Eltern haben eine der Wohnungen dann einfach gekauft, für mich und als Wertanlage.“
 
Valentin, 21, BWL, TU



„Ich komme aus Wien. Münchner Freunde von Freunden meiner Eltern haben für ihren Sohn eine Wohnung dort gesucht. Zeitgleich brauchte ich sehr dringend eine Wohnung hier in München. Also haben wir einen Deal gemacht: Der Sohn hat mein Zimmer bekommen und ich bin in die umgebaute Garage der Familie gezogen. In der hatte die pflegebedürftige Großmutter gewohnt, die leider nach kurzer Zeit verstorben ist.“
   
Nicola, 21, Naher und Mittlerer Osten, LMU



„Mein Papa hat ein Restaurant. Einer seiner Stammgäste kannte einen, der mehrere Wohnungen in München hat und auch öfter zum Essen bei meinem Vater ist. Der konnte mir dann etwas vermieten, und jetzt wohne ich in Schwabing.“
   
Lisa, 19, Lehramt Grundschule, LMU
„Die Mutter von meinem Freund ist schon lange in einer Wohnungsgenossenschaft. Als er und ich eine Anzeige von dieser Genossenschaft gesehen haben, sind wir zur Besichtigung. Da haben wir erwähnt, dass seine Mutter ja schon Mieterin sei. Die meinten nur: Ja, die kennen wir, die ist super! Deswegen haben wir die Wohnung bekommen.

David, 23, Wirtschaftsingenieurwesen, TU



„Eine Bekannte, die ich vom Bachelor-Studium aus Mannheim kenne, arbeitet inzwischen in München. Sie hat eine Arbeitskollegin, deren Sohn jetzt wegen seines Studiums ausgezogen ist. Und die hat mir angeboten, bei ihr in der Altstadt zu wohnen – sozusagen als Ersatz für den verlorenen Sohn.“
 
Homan, 25, Umweltingenieurwesen, TU



„Ich habe ewig gesucht, bis ich ein Zimmer gefunden habe. Das war echt extrem schmutzig und für die zwei Wochen, die ich drinnen war, musste ich auch noch eine ganze Monatsmiete zahlen. Ein Freund, der ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Altersheim gemacht hat, hat mir dann ein Zimmer dort vermittelt. Sonst wohnen da Mitarbeiter oder FSJler. Inzwischen habe ich etwas anderes gefunden, nach fünf Monaten.“

Daniel, 20, Lehramt Gymnasium, LMU



„Mein Bruder ist schon seit zwei Jahren hier und wohnt in einem internationalen Wohnheim, das selbstverwaltet ist. Dort wurde er zum „Senior“ gewählt, was heißt, dass er bestimmte Dinge mitorganisieren darf. Zum Beispiel ist er am Auswahlverfahren neuer Bewerber beteiligt und war mir dementsprechend etwas behilflich.“
 
Josef, 19, Physik, TU



„Meine Mutter hatte einen Freund, mit dem sie jetzt nicht mehr zusammen ist. Sie ist aber noch sehr gut mit dessen Mutter befreundet, bei der ich jetzt wohnen darf. Und das sogar kostenlos!“
 
Jessica, 22, Lehramt Sonderpädagogik, LMU
„In der ersten Uniwoche hatte die S-Bahn Verspätung. Ich bin dann kurz vor knapp im Seminar angekommen. Meine Dozentin wollte wissen, wo ich wohne, dass ich so spät da bin. Es stellte sich heraus, dass sie noch ein freies Zimmer zu vermieten hatte.“

Kévin, 21, Architektur, TU



„Ich habe in einer Facebook-Gruppe für Austauschstudenten eine Anzeige von einem anderen Franzosen gelesen: Sein Austausch war rum und er ist aus seiner WG ausgezogen. Bei dem habe ich mich gleich gemeldet, aber seine Mitbewohner wollten die Wohnung erst noch über WG-Gesucht anbieten. Sie waren aber schnell von den vielen Anrufen der Interessenten genervt. Deshalb, und vermutlich auch wegen der Empfehlung meines Vorgängers, habe ich dann das Zimmer bekommen.“
 
Simon, 20, BWL, TU



„Früher habe ich einer Schülerin in meinem Heimatort Nachhilfe gegeben. Ihre Mutter kannte jemanden, der jemanden kannte, der wiederum meinen Vormieter kannte. Ich habe mir die Wohnung angeschaut, mit dem Vermieter geredet und das war’s.“ 
 
Michael, 20, BWL, TU



„Ein Bekannter meinte, man könne als Gaststudent im Priesterseminar wohnen, auch ohne Theologie zu studieren. Das ging aber nur ein Jahr, weshalb ich mich währenddessen in die Warteliste eines privaten Wohnheims eingetragen habe. Da wohne ich inzwischen.“ 
 
Robert, 23, Wirtschaftspädagogik, LMU
„Mein Vater hat einen Bekannten, der bei einer Münchener Hausverwaltung arbeitet. Ein Freund und ich haben dem einfach unsere Unterlagen geschickt und nach der Besichtigung sofort die Wohnung bekommen.

Max, 22, BWL, TU



„Ein Freund von mir hat zwei Cousins, die Mitglied in einer katholischen Studentenverbindung sind. Die hatten gerade ein Zimmer frei. Ich bin hingefahren und war zwei Stunden und vier Bier später der neue Mitbewohner.“

Long, 25, Elektrotechnik, TU



„Wir hatten extremes Glück und zwar mehrfach: Wir haben eine Maklerin gefunden, die selbst mal von einem Makler über den Tisch gezogen wurde. Deshalb ist sie auch für einfache Studenten offen und verlangt bei denen viel weniger Provision als üblich. Das Lustige ist: Wir mussten sie bisher nicht zahlen, obwohl wir die Wohnung schon seit zwei Monaten haben.“

 
Max, 22, Maschinenbau, TU



„Ein Freund und ich haben bei der Ice Bucket Challenge drei Maklerbüros nominiert, damit die uns bei der Wohnungssuche helfen. Der Freund ist dann in den Eisbach gesprungen, statt sich Wasser über den Kopf zu schütten. Leider haben wir noch keine Wohnung gefunden.“

Meine Straße: Barer Straße

$
0
0
Das Gute, aber auch Verhängnisvolle an der Barer Straße ist, dass man sie eigentlich nie verlassen muss. Es gibt hier einfach alles, vom Obstladen über Cafés, Bars und Museen bis zum Auktionshaus.




Luca in der Barer Straße.
 
Ich habe keine Küche, deshalb halte ich mich für meine Mahlzeiten fast immer im Serrano Pizzaservice an der Ecke Adalbertstraße gleich unter meiner Wohnung auf. Dort ist die Pizza günstig und gut. Ein Helles für 1,50 Euro gibt es auch und der Laden hat bis 23 Uhr geöffnet. Gut für ein Bier zum Mitnehmen ist auch der alte Toni, eine Mischung aus Kiosk und MiniBoazn, an der Ecke Neureutherstraße.
 
Im Gegenüber, das gehört zum Café Barer 61 und ist, wie der Name schon sagt, dort auch gleich gegenüber, gibt es seit einiger Zeit ebenfalls tolle Pizza. Mittags kostet die nur fünf Euro. Mit dem Pizzabäcker kann man immer nett quatschen und abends sieht man ihn dann manchmal im Barer 47 wieder. Die Bar gehört auch den Brüdern, die die anderen zwei Läden betreiben. In die 47 gehe ich abends gerne mit Freunden was trinken. Unter der Woche ist es auch nicht so voll wie am Wochenende. Die Musik ist zwar manchmal gewöhnungsbedürftig, aber ich habe dort schon viele gute Abende gehabt. Am besten ist es im Sommer, wenn man an den Tischen vor der Tür sitzen kann.
 
Im Waschsalon neben dem Gegenüber wasche ich immer meine Wäsche. Neulich hat mir ein Mädchen erzählt, dass man dort immer tolle Leute kennenlernt. Leider ist mir das bisher noch nicht passiert.
 
Für Barer-Straßen-Verhältnisse relativ neu sind das Waldmeister– das alle unter „Waldmeisterei“ kennen, das sich aber umbenennen musste – und das Restaurant Picnic. Das war vorher in der Türkenstraße, ist immer sehr voll und deshalb bestimmt gut. Beim Waldmeister bin ich immer unsicher, ob das jetzt eigentlich ein kleines Lokal sein soll oder ein Feinkostgeschäft. Schon lang da ist das Fresh Bagels & Muffins. Da kann man sonntags „Tatort“ schauen, manchmal gibt es Live-Musik und vor der Tür sitzen immer ziemlich interessante Typen rum.
 
Super ist auch der Schellingsalon an der Ecke Schellingstraße, eine der ältesten Gastwirtschaften der Stadt, die auch immer noch so funktioniert wie vor vielen Jahren: Es wird einfache Hausmannskost serviert, man kann Billard, Karambolage und Tischtennis spielen und an der Theke kriegt man alles mögliche zum Mitnehmen: eine Flasche Cola, Butter oder einen Becher Sahne. Ein kleines Kekssortiment haben sie auch. Wer spät noch Tabak kaufen muss, findet den im Internetcafé neben dem Muffinladen.
 
In die Pinakotheken gehe ich meistens ganz spontan. Durch mein Kunststudium darf ich da nämlich jederzeit kostenlos rein. Das ist toll. Und gleich gegenüber von der neuen Pinakothek gibt es einen der schönsten Läden der ganzen Stadt: den Farben Kremer. Dort gibt es Farbpigmente zu kaufen – und immer tolle Schaufenster zu bewundern.

Die Instagram-Kastanie

$
0
0
Auf Instagram ist der Herbst schön. Immer. Im echten Leben ist er das natürlich auch. Manchmal. Wenn er nicht grau, dauerverregnet, windig und scheißkalt ist. Auf Instagram ist der Herbst vielleicht sogar die schönste Jahreszeit. Unter dem Hashtag #autumn gibt es mehr als 13 Millionen herbstsonnengolden angehauchte Fotos: Körbe voller Steinpilze und Pfifferlinge. Kürbisse, Kürbissuppen und Pumpkin-Latte-Becher von Starbucks. Weinberge und Apfelplantagen. Chucks (und andere Schuhe) auf buntem Herbstlaub. Und in diesem Herbst vor allem: Kastanien.

Mehr als 300.000 Fotos findet man unter dem Hashtag #chestnut auf Instagram. Dort tauchen zwischen Kastanien auch viele Pferde auf. „Chestnut“ ist nämlich ein beliebter Pferdename. Die Kastanie ist auf Instagram zum Symbol für den Herbst geworden. Das war wohl überfällig.

[plugin imagelink link="http://photos-g.ak.instagram.com/hphotos-ak-xaf1/10731607_743767978992422_68709034_n.jpg" imagesrc="http://photos-g.ak.instagram.com/hphotos-ak-xaf1/10731607_743767978992422_68709034_n.jpg"]  (Quelle)

Denn die Jahreszeiten werden auf Instagram besonders gefeiert. Der Sommer mit nackten Oberschenkeln vor dem Meereshorizont oder dem Boot, mit dem man gleich auf den See hinaus rudert. Der Winter mit Schneeengeln, Skipisten und eingeschneiten Hüttendächern. Es sind Fotos, die sagen: Ich erlebe was. Ich mache was aus meiner Freizeit! Im Herbst ist das nicht anders. Vielleicht sogar besonders wichtig.

Der warme – und ja, der schönste – Teil des Jahres ist schließlich vorbei, Weihnachten noch weit weg. Im Herbst ist es deshalb besonders wichtig, sich über die Nebenwirkungen der aktuellen Jahreszeit hinwegzutrösten. Indem man sich auf die schönen Dinge konzentriert. Die Farben noch ein wenig konserviert, nachdem sie bald, wenigstens aus der Natur, für eine Weile verschwinden.  

[plugin imagelink link="http://photos-b.ak.instagram.com/hphotos-ak-xfa1/10723856_793306907377337_1223173521_n.jpg" imagesrc="http://photos-b.ak.instagram.com/hphotos-ak-xfa1/10723856_793306907377337_1223173521_n.jpg"](Quelle)

Kastanien sind die optimalen Requisiten dafür. Sie glänzen sehr schön. Sie sind robuster als Herbstlaub und nicht so schwer wie Kürbisse. Sie sind leichter zugänglich als Pilze und Berggipfel in der Herbstsonne. Nicht einmal der besessenste Freizeitoptimierer kann jedes Wochenende auf einen anderen Berg steigen oder Pilze sammeln. Und Kastanien sind flexibel: Mit Kastanien lassen sich Herzen und Schriftzüge legen. Man kann sie mit und ohne Stachelschale fotografieren. Neben Kaffeetassen legen. Und auch auf dem obligatorischen Sneakers-auf-Herbstlaub-Stillleben machen sich die Kugeln gut. Man kann sie in einer Schale drapieren und als Deko aufstellen. Instagram-Fotos sind ja immer auch ein Wettbewerb.

[plugin imagelink link="http://photos-a.ak.instagram.com/hphotos-ak-xaf1/10723827_1549541245281472_337269824_n.jpg" imagesrc="http://photos-a.ak.instagram.com/hphotos-ak-xaf1/10723827_1549541245281472_337269824_n.jpg"](Quelle)

Kastanien, wie auch Pilze und Kürbisse, passen zur naturverbundenen marmelade-kochenden und eigenes-Brot-backenden Instagram-Community. Und vielleicht steckt sogar noch mehr hinter diesem Trend. Sammeln ist in einer Zeit, in der man immer mehr teilen kann und immer weniger besitzen muss, so herrlich aus der Mode. Teilen tut man ja trotzdem irgendwie, wenigstens das Foto auf Instagram oder Facebook. 

Die jetzt.de-Kettengeschichte, Teil 27

$
0
0

Was bisher geschah: Anna jobbt an der Tankstelle und haut mitten in der Nachtschicht ab - zum Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier, bei dem ihr Schwarm Gerwin Gewinner antritt. Dort sperren Gerwin und die alte Liesel Maier Anna auf einem Dachboden ein. Annas Chef Paul, der sie retten will, kennt die Entführer schon aus seiner Zeit als illegaler Kunsthändler. Die drei haben Kunstwerke gestohlen, die magische Kräfte haben. 

In einer Parallelrealität hat Anna inzwischen einen Roman namens "Nachtschicht" gelesen und wurde in die Geschichte hineingesogen. Ihre Freundin Rana gerät in die Fänge der Entführer, Ranas Freundin Bernhard wird ermordet. Anna und Paul flüchten in die Tankstelle, werden von einer Zombie-Armee bedroht und von einem fliegenden Einhorn gerettet...


...und Anna erwacht in einer Redaktion als Autorin einer Kolumne namens "Nachtschicht", wird aber wegen Schlafens während der Arbeitszeit gefeuert. Als sie traurig vor dem Redaktionsgebäuse sitzt, taucht ein geheimnisvoller Fremder im grauen Sakko auf, der sie zur Flucht auffordert. Der Grund: Ein Raumschiff taucht auf und feuert auf die Erde...

Alle vorigen Teile der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 26 von jetzt-Userin cenit.





"Keine Panik", ruft der Mann im grauen Sakko. Er wirft sich über Anna, fischt ein Handtuch aus einer  Tasche des Jacketts und zieht es über ihre Köpfe. Sofort hört der infernalische Lärm auf und die momentane Dunkelheit weicht einem gleißenden Licht. Eine Stimme, die Anna merkwürdig bekannt vorkommt, dringt entnervt durch das dichte Baumwollfrottiergewebe.


"Da sind Sie ja endlich."


Anna kneift geblendet die Augen zusammen, als sie das Handtuch vom Kopf zieht. Der Sakko-Mann klopft sich den Straßenstaub vom Anzug.


"Ich fürchte, wir sind gesehen worden", sagt er.


"Ich fürchte, wir sind gesehen worden", äfft die andere Stimme ihn nach.


"Natürlich sind wir gesehen worden", blafft sie weiter. "Dank ihrer unverantwortlichen und unprofessionellen Vorgehensweise."


"Jetzt werfen Sie bitteschön nicht mir vor, dass das Raum-Zeit-Kontinuum einen Defekt hat. Ich hatte Sie gewarnt, Gerwin!"


Anna schrickt zusammen. Tatsächlich: Ihnen gegenüber sitzt Gerwin Gewinner in einer Kulisse, die entfernt an die Kommandozentrale von Star Trek erinnert. Er trägt das gleiche Sakko wie der Fremde neben ihr. Auch die anderen Figuren, die sich seltsam monoton gestikulierend zwischen blinkenden Armaturen und frei im Raum schwebenden Monitoren bewegen, tragen ein graues Jackett.


Anna bleibt kaum genug Zeit, zu registrieren, dass das wohl so eine Art Uniform darstellen soll.


"Sie hätten das Schiff niemals verlassen dürfen", fährt Gerwin ihren Begleiter an.


"Wir brauchen Anna, das wissen Sie so gut wie ich", entgegnet der scharf.


"An Bord der SS Nightshift ist kein Platz für ...." - Gerwin macht eine Handbewegung in Richtung Anna - "sowas."


Jetzt reicht es ihr. Wer immer diese lächerliche Kulisse zusammengezimmert hat und seine Darsteller in die denkbar dämlichste Uniform steckte, die das Universum je gesehen hat, gehörte entlassen oder entmündigt - oder am besten beides.


So langsam scheint alles einen Sinn zu ergeben. Da ist doch dieses geheimnisvolle Projekt, das ihr Prof an der Filmhochschule ins Leben gerufen hat. Sie hatte sich beworben, war aber abgelehnt worden. "Zugang erst ab viertem Semester", hatte es geheißen. Gerwin ist dabei, das weiß sie, aber er hatte nie erzählt, worum es geht. "Streng geheim", hatte er gesagt. "Wer redet, fliegt raus. Das kann ich auf keinen Fall riskieren."


Anna fängt an zu lachen und lässt das Handtuch fallen.


Sofort ändert sich alles - Gerwin bewegt die Lippen, aber sie hört nur Unverständliches. Und plötzlich bemerkt sie, dass von seiner Nase dicke, fleischige Organe nach rechts und links zu seinen Ohren hin reichen. Das Sakko erscheint ihr plötzlich fellartig und übersät mit dicken, rosafarbenen Warzen. Auch der Mann neben ihr sieht jetzt eher aus wie ein von Warzen bedecktes Trüffelschwein auf zwei Beinen. Er grunzt Gerwin an, der von seinem Sitz aufspringt, auf den Namenlosen zu.


Anna schnappt nach Luft. Ihr wird schwarz vor Augen.


Dies ist eindeutig ein schlechter Film.


Anna geht ohnmächtig zu Boden, mit dem Gesicht aufs Frottiertuch. Das letzte, das sie wahrnimmt, ist ein leichter Hauch Lavendelduft.


Du willst wissen, wie es weitergeht? Teil 27 der Kettengeschichte erscheint am 30. Oktober.

Welchen Benutzernamen wirst du nicht los?

$
0
0
Man mag es sich kaum vorstellen, aber es gab eine Zeit, da waren Mailadressen noch ein begrenztes Gut. Alle waren bei maximal fünf Anbietern und wenn man Lisa Müller hieß, dann hatte mal einfach Pech gehabt. Lisa.Müller@gmx war nämlich vermutlich schon weg. In dieser Zeit, so rede ich es mir zumindest schön, kamen viele von uns auf die Idee, sich also anstatt langweilger vorname.nachname-Kombinationen, ein neues Genre der Benutzernamen auszudenken: Die Fantasienamen. Sweetybabsi@hotmail entstand in so einer Zeit. Oder Nathalie.schmid2906@gmx (weil am 29. Juni das Kaninchen Geburtstag hatte, oder sowas).



Dumm war in meinem Fall, dass ich das Genre der Fantasienamen auch auf sämtliche andere Internetseiten ausweitete, auf denen mal sich anmelden konnte. Charlotte Haunhorst ist schließlich kein Name, der superfancy klingt. Also wählte ich, als ich mich das erste Mal bei Skype anmeldete, ein superwitziges Wortspiel als Benutzername. Lottifant. Haha. Verstanden? Wegen "Ottifant", von Otto, dieser Ostfriese, der in den Neunzigern... naja... egal.

Das blöde ist, dass man sich bei Skype nicht umbenennen kann. Man kann ein anderes Profilbild hochladen, die Mailadresse ändern, aber der fucking Benutzername bleibt. Somit heiße ich auch heute, 12 Jahre nach "Lottifant" immer noch so bei Skype. Freunde haben sich daran gewöhnt, erst bei Arbeitskollegen wird dieser Zustand unangenehm. Ich hoffe dann immer, dass sie insgeheim auch irgendwo einen Mailaccount unter JoeBangBang@gmx.de laufen haben. Den Skype-Account löschen möchte ich allerdings auch nicht, schließlich wäre es mühsam, die ganzen Kontakte neu einzusammeln.

Hast du, damit ich mich besser fühle, auch Geschichten von bescheuerten Nutzernamen zu erzählen?

Am Puls der geteilten Stadt

$
0
0
Der Abend hat sich schon herabgesenkt über Jerusalem, die Menschen drängt es nach Hause. Sie kommen vom Arbeiten, vom Einkaufen und nicht wenige natürlich auch vom Beten. An der Straßenbahnhaltestelle „Ammunition Hill“, ganz nah an der unsichtbaren Schnittstelle zwischen dem jüdischen West- und dem arabischen Ostteil der Stadt, steht eine Menschentraube und wartet auf die Einfahrt des Zuges. So zeigen es die Bilder einer Überwachungskamera, die am Morgen danach veröffentlicht werden. Sie zeigen die wartenden Fahrgäste, die Gleise, den dichten Verkehr auf der Straße daneben. Und sie zeigen ein Auto, das plötzlich ruckartig von der Straße abbiegt und mitten hineinrast in die Menge.

Auf dem Bahnsteig steht an diesem warmen, schrecklichen Mittwochabend auch eine junge Familie mit Kinderwagen. Sie werden als Erste getroffen. Zehn, zwanzig Meter weit fliegt das Baby durch die Luft. Im Krankenhaus gibt es keine Rettung mehr. Drei Monate nur wurde die kleine Haya alt. Acht weitere Menschen werden verletzt – und in einer Stadt wie Jerusalem ist schnell klar, dass dies kein Unfall sein kann. Es ist ein Anschlag. Der Fahrer des Amok-Autos rammt am Ende noch einen Pfeiler, zu Fuß versucht er zu fliehen und wird von der Polizei erschossen. 20 Jahre war er alt, ein Palästinenser aus dem Stadtteil Silwan, erst im Februar war er aus dem Gefängnis freigekommen. Jerusalem steht unter Schock.



Erhöhtes Sicherheitsaufgebot nach dem Auto-Anschlag

Es ist ein Terror ohne Bomben, ein Kampf ohne schwere Waffen – und niemand kann sich dagegen schützen. Doch es kann auch keiner sagen, dass diese Tat aus dem Nichts heraus geschehen ist. Seit dem Sommer schon kommt Jerusalem, wo 550000 jüdische Israelis und knapp 300000 Araber leben, nicht mehr zur Ruhe. Täglich fliegen Steine, Molotowcocktails, Feuerwerkskörper. Es ist ein schleichender Aufstand der arabischen Jugendlichen, der durch diesen Anschlag ins grelle Licht gerückt wird. „Jerusalem-Intifida“ wird er nun schon genannt, manchmal auch „Kinder-Intifada“ – oder auch „Straßenbahn-Intifada“, weil die Straßenbahn tatsächlich im Zentrum dieses Kampfes steht. Ausgerechnet die Straßenbahn.

Als sie vor drei Jahren ihren Betrieb aufnahm, sollte sie zum Symbol werden für das Zusammenwachsen der Stadt – eine Linie für beide Seiten, Juden wie Palästinenser. Die Panorama-Fenster bieten spektakuläre Ausblicke: auf die Häuserfronten mit dem hellen Jerusalem-Stein, der im Sonnenlicht magisch leuchtet; auf die Mauern der Altstadt mit ihren Zinnen und Toren; auf den hochheiligen Irrsinn an allen Ecken. Doch in manchen Gegenden von Jerusalem sollte man in diesen Tagen besser nicht an den Fenstern sitzen – eben wegen der Steine, die selbst die extradicken Scheiben vieler Züge mit hässlichen Rissen überzogen haben. Mehr als 150 Waggons mussten in den vergangenen Monaten bereits aus dem Verkehr gezogen und repariert werden, Wartehäuschen sind verwüstet, Ticketautomaten zerstört worden.

Die Straßenbahn also ist kein Symbol geworden für eine neue Zeit, sondern nur ein neues Zeichen für den alten Streit, für die alte Zerrissenheit. Für viele arabische Bewohner ist sie schlicht ein Instrument des Besatzungsregimes geworden, weil die Züge den Westteil mit der jüdischen Siedlung Pisgat Ze’ev im Osten verbinden – und leicht zu treffen sind, wenn sie dabei durch die arabischen Viertel fahren.

Eine Fahrt mit der Straßenbahn quer durch Jerusalem ist also eine Fahrt durch ein Minenfeld. 23 Haltestellen, 45 Minuten Fahrtzeit: Auf den Gleisen kann man dabei den Puls der Stadt fühlen, und rechts und links liegen die Stationen ihres Leidensweges. Die „Linie 1“, die auch die einzige Linie ist, startet auf dem Herzlberg, hoch oben über dem urbanen Dickicht. Es ist dies ein Ort der komprimierten israelischen Selbstvergewisserung: Der Zionismus-Begründer Theodor Herzl liegt hier begraben, dazu die Helden der Politik und der Kriege, die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem ist auch nicht weit. Hier steigen Schulkinder in die Straßenbahn ein, einige Touristen, ältere Damen mit Einkaufswagen und zwei schwatzende Männer, deren Stimmen zu laut und deren Hemden zu weit aufgeknöpft sind.

Schon nach wenigen Stationen ist der Zug drangvoll. Ultra-Orthodoxe mit mächtigen Hüten und Bärten füllen die Gänge, junge Soldatinnen sind sitzend mit ihren Smartphones beschäftigt, es wird viel geredet und noch mehr telefoniert. Es ist ein buntes Treiben, das so bunt dann wiederum auch nicht ist, weil allein der jüdische Teil der Jerusalemer Bevölkerung die Straßenbahn bevölkert – zumindest bis zur Haltestelle „City Hall“, die ziemlich exakt an jener Grünen Linie liegt, die bis zum Sechstagekrieg von 1967 die Stadt in zwei Teile geteilt hatte.

Unweit dieser Haltestelle kann man auch das Büro von Daniel Seidemann finden. Der 63-Jährige ist Anwalt, Major der Reserve in der israelischen Armee, und vor allem ist er einer der besten Kenner Jerusalems, das er den „vulkanischen Kern des Nahost-Konflikts“ nennt. Als Brückenbauer war er an allen Friedensgesprächen der vergangenen 20 Jahre beteiligt, wenn es um Lösungen für die Stadt ging, die Israelis wie Palästinenser als ihre Hauptstadt beanspruchen. Doch langsam gehen selbst ihm die Lösungen aus. „Es herrscht hier heute auf beiden Seiten ein Hass, wie ich ihn noch nie erlebt habe“, sagt er.

Getragen wird der Aufruhr in den arabischen Vierteln von Jugendlichen und Kindern. Von den rund 800 Krawallmachern, die in den vergangenen hundert Tagen festgenommen wurden, seien wohl 600 noch nicht einmal volljährig, schätzt Seidenmann. „Die Eltern schicken sie nicht, es gibt auch keine politische Führung“, meint er, „aber die Kinder haben hervorragende Sensoren und wissen, dass sie keine Zukunft haben.“ Die Wut, die mal diffus ist und mal konkret, treibt sie auf die Straße, und dass die Straßenbahn dabei zum Angriffsziel Nummer eins wird, verwundert ihn nicht. „Sie zerstören damit die PR-Phantasiewelt von der gelungenen Koexistenz in Jerusalem“, erklärt er.

Was dies für Folgen hat, ist deutlich zu sehen, wenn man an der Haltestelle „City Hall“ wieder in die Straßenbahn einsteigt und Richtung Damaskustor und zu den arabischen Vierteln fährt. Die Waggons sind nur noch spärlich gefüllt, nachts verkehrt die Tram als Geisterzug. Die Haltestelle „Ammunition Hill“ ist nach dem Anschlag auf ewig als Ort des Schreckens gezeichnet. Und ein paar Stationen weiter ist ohnehin Tag für Tag zu sehen, in welchen Abgrund der Hass diese Stadt zu treiben droht: Schuafat ist das Epizentrum dieses Aufruhrs, und wer hier aus der Tram steigt, steht mitten in einem Trümmerfeld. Die Wartehäuschen sind komplett zerstört, die Metallstreben zeigen noch Brandspuren, und von den Fahrkartenautomaten sind nur Betonstümpfe geblieben. Seit vielen Wochen schon toben hier die Kämpfe, und den Grund dafür zeigt ein riesiges Banner, das gegenüber der Haltestelle an der Moschee prangt. Zu sehen ist darauf Mohammed Khdeir, der 16 Jahre alt war, als er am 2. Juli genau hier in ein Auto gezerrt wurde. Drei jüdische Extremisten entführten ihn, es war ihre Rache für den Tod dreier zuvor von Hamas-Männern entführter Siedlerkinder. Sie schlugen auf ihn ein und verbrannten ihn bei lebendigem Leib. Kurz darauf brach in Gaza der Krieg aus und in Schuafat die Intifada.

„Ich bin keine dieser Frauen aus der Propaganda, die singen, wenn sie ihren Sohn verloren haben“, sagt Suha Khdeir, die Mutter Mohammeds, „aber ich will wenigstens wissen, dass sein Blut nicht ohne Sinn vergossen wurde.“ In der Hand hält sie ein Taschentuch, von Zeit zu Zeit wischt sie sich über die Augen. Sie ist gerade aus Mekka zurückgekommen, auch das zählt zur Trauerbewältigung. Der Sohn ist jetzt ein Märtyrer, sein Bild hängt in Schuafat an vielen Ecken, und sein Vermächtnis sind die Steine. „Wenigstens wissen die Israelis jetzt, dass sie nicht einfach so ein Kind töten können“, sagt Suha Khdeir. „Ich hoffe, dass die Unruhen weitergehen, bis wir Palästina befreit haben.“

Immer geht es ganz schnell ums große Ganze in dieser Stadt, bei einer trauernden Mutter genauso wie bei den Politikern. Premierminister Benjamin Netanjahu hat als Reaktion auf die Unruhen und den Anschlag den Palästinensern nun mit einer „eisernen Faust“ gedroht, Präsident Reuven Rivlin hat auf der Beerdigung für das getötete Baby verkündet, „die Mörder sollen wissen, dass uns keine Macht der Welt aus Jerusalem vertreiben kann“. So setzt auch die leere Straßenbahn unbeirrt ihre Fahrt fort von Schuafat zu den Siedlern nach Pisgat Ze’ev. Wie schon der Startpunkt am Herzlberg liegt auch die Endhaltestelle hoch über dem Dickicht der Stadt. Sie trägt den Namen Heil Ha-Avir, zu deutsch: Luftwaffe.

„Phantasien sind immer noch ein Tabu“

$
0
0
Eine streng gläubige Katholikin steht auf den Priester ihrer Gemeinde, eine Buchhändlerin träumt von Sex mit Fremden, und ein Architekt würde seine Freundin gerne mit einem anderen Mann teilen – Beispiele aus dem Buch „Sex im Kopf“ des Autors Gerhard Haase-Hindenberg, der Annoncen in Magazinen, Zeitungen und sozialen Netzwerken geschaltet hat, um möglichst viele Deutsche zu ihren sexuellen Phantasien zu befragen. 1445 Menschen meldeten sich, 40 Prozent Frauen, 60 Prozent Männer. Das Buch, das an diesem Freitag erscheint, will Einblick geben in die Wunschwelt der Deutschen.

SZ: Herr Haase-Hindenberg, Sie haben Bücher über Ägypten und afrikanischen Geisterglauben geschrieben, in dem Film „Operation Walküre“ spielten Sie Reichsmarschall Göring. Wie kamen Sie nun auf die erotischen Phantasien der Deutschen?
Haase-Hindenberg: Ich hatte mal wieder das Buch von Nancy Friday in den Händen, die vor 40 Jahren die so überhaupt nicht prüden Phantasien amerikanischer Frauen beschrieben hat. Was mich dabei fasziniert hat, war der Widerspruch zwischen innerem Erleben und äußerem Verhalten.

In Ihrem Buch bezeichnen Sie Deutschland als „schwarz-rot-geile Republik“. Ist das nicht ein wenig übertourt?
Wir leben auf jeden Fall in einer sehr sexualisierten Gesellschaft. Die Klickzahlen für Internet-Pornografie sind irrsinnig hoch. Und es gibt mittlerweile ziemlich viele Möglichkeiten, sexuelle Phantasien auszuleben: im Swinger-Club etwa, oder auf Sadomaso-Treffen. Und jeden Tag gehen 1,2 Millionen Männer ins Bordell.

Sie haben anonym die erotischen Phantasien von 1445 Menschen gesammelt. Was wünschen die sich denn insgeheim?
Es gibt einen sehr starken Trend zu verruchtem Sex und sadomasochistischen Praktiken. Neben physischen Äußerungen wie Schlagen und Beißen sind das vor allem dominante Rollenspiele, bei denen einfach nur klare Ansagen gemacht werden. Es gibt aber auch ganz andere Rollenspiele, zum Beispiel Ehepaare, die sich in einer Bar anonym verabreden und so tun, als ob sie sich nicht kennen.

Wie unterscheiden sich denn die Geschlechter in Ihrer Umfrage?
Viele Frauen sehnen sich wohl auch nach sexueller Zärtlichkeit, aber von denen haben nicht viele an der Befragung teilgenommen. Unter den Teilnehmerinnen dominiert ein Hang zu devoten Phantasien. Die dominante Seite ist hingegen relativ unterrepräsentiert bis fast nicht vorhanden.



Erotik-Messe 'Venus': Worauf stehen die Deutschen?


Sexuell bleibt die Frau also in alten Rollenmustern hängen?
Eine devote Haltung ist ja keineswegs ein Zeichen der Schwäche. In dem Moment, in dem sie sich lebhaft devote Praktiken vorstellt, ist sie ja eine Frau, die ganz selbstbestimmt ihre Sexualität lebt. Das ist das Gegenteil von mangelnder Emanzipation.

Und was wollen Männer insgeheim?
Sie haben eher dominante Phantasien. Außerdem ist die Menage-à-trois sehr beliebt – manchmal handelt es sich um einen Mann mit zwei Frauen, häufiger aber um zwei Männer und eine Frau. 127 der befragten Männer gaben an, diese Phantasie zu hegen, nur vier Frauen hatten ähnliche Wünsche. Frauen wollen laut meiner Umfrage entweder einen Mann oder gleich mehrere – aber nicht zwei.

Welche Rolle schreiben Sie dem Netz bei der Entwicklung intimer Wünsche zu?
Das Internet hat ganz viel in Gang gesetzt, bei beiden Geschlechtern. Ständig verfügbare Pornofilme geben Menschen offenbar die Möglichkeit, Vorlieben zu entdecken, von denen sie zuvor nichts ahnten. Manchmal braucht es neue Eindrücke, um eine Neigung aus der Latenz zu befreien – oder einen Partner, der einen ganz bestimmten Wunsch in einem auslöst.

Pornos sollen der Selbstfindung dienen?
Nicht zwingend, aber das Netz hat die zwischenmenschliche Erotik im Ganzen befreit. Heute gibt es spezielle Portale, auf denen sich Menschen austauschen – und sich zum Beispiel auf dem Parkplatz zum Sex verabreden.

Sie haben mit Bauarbeitern, Anwälten, Beratern und Putzfrauen gesprochen. Was gibt es da für Unterschiede?
Die erotischen Phantasien unterscheiden sich nicht sehr stark. Erstaunlicherweise sind zum Beispiel sadomasochistische Phantasien in allen sozialen Gruppen präsent. Wenn es um Rollenspiele und Dirty Talk geht, sind die Unterschiede größer. Für Bürgerliche und Intellektuelle, die sehr auf eine respektvolle Sprache achten, sind schmutzige Wörter eine ganz andere Hürde als für jemanden, der jeden Tag Schimpfworte benutzt.

Wie viele setzen ihre Phantasien überhaupt jemals in die Tat um?
Nach allem, was ich im Netz und in einigen sexualwissenschaftlichen Studien gelesen habe, leben derzeit zwei Drittel der Deutschen ihre Phantasien nicht aus. Tendenz steigend.

Sind Phantasien nicht gerade deswegen spannend, weil man sie eben nicht auslebt?
Natürlich gibt es Phantasien, die die Menschen eigentlich gar nicht ausleben wollen – oder welche, die in der Realität gar nicht funktionieren können.

Zum Beispiel?
Eine Frau, die eine Vergewaltigungsphantasie hat, möchte natürlich nicht in der Realität vergewaltigt werden. In ihrer Vorstellung bestimmt sie alles, vom Setting bis zum Mann. Sie ist und bleibt die Beherrscherin der Situation.

Die anonymen Protokolle, aus denen Sie zitieren, sind ja sehr drastisch. Teilweise klingen die Protokolle wie schlechte Pornodrehbücher – oder sehr ernstzunehmende Psychogramme.
Ich bin Chronist und werte nicht. Und ich bin nicht sicher, ob alle Menschen, die das Buch lesen, zu Ihrem Schluss kommen.

Gleich das erste Protokoll schildert das Begehren eines Busfahrers nach jungen Mädchen. Es verwundert, dass solche Neigungen bei Ihnen unkommentiert bleiben.
Wie gesagt: Ich sage meinen Lesern nicht, was sie zu denken haben, das war schon immer mein Prinzip beim Schreiben.

Der Buchrücken wirbt mit dem Spruch „Bekenntnisse einer Nation“. Aber eine repräsentative Umfrage liegt Ihrem Buch ja nicht wirklich zugrunde.
Es wird zu diesem Thema nie eine repräsentative Umfrage geben, das war auch nicht mein Anspruch. Sexuelle Phantasien sind immer noch ein Tabu; es ist quasi unmöglich, einen breiten Bevölkerungsanteil zu diesem Thema zu befragen.

Ein paar Geheimnisse braucht der Mensch halt doch noch.
Man muss seine Wünsche ja auch nicht unbedingt öffentlich ausbreiten. Aber so zu tun, als gäbe es sie überhaupt nicht, halte ich für sträflich in unserer sexualisierten Zeit. Phantasien sind Teil unserer Persönlichkeit.

Tagesblog - 24. Oktober

$
0
0
17:00 Uhr Ich sag Tschüss im Tagesboss-Style!










16:54 Uhr
Und da ist es auch schon wieder bald Fünf! Zeit für einen kleinen Drink aus der Schreibtischschublade (der Butler bringt auch gleich Eiswürfel vorbei) und die Frage: Mädchen, habt ihr eigentlich auch manchmal das Berlusconi-Gefühl, also dieses "der/die ist ja eigentlich zu jung für mich, aber trotzdem ganz schön puuuuhhhhhhh! HOT!"?

16:20 Uhr
Heute ist mal wieder so ein Tag, an dem ich mir sage: Mercedes, du brauchst viel mehr von dieser Haltung in deinem Leben:





15:46 Uhr






Hab ich schon wieder von  Dschoseffine geklaut. Hat sie hier geklaut.

15:26 Uhr
Wieder einmal muss ich es mir eingestehen: Cola Zero schmeckt scheiße. Genauso scheiße wie Cola light. Alles, aber auch alles mit Süßstoff schmeckt scheiße. Wer was anderes sagt, lügt.

15:13 Uhr
Zweimal Gutes zum großen Lebensthema "Was werden":

1. Wie es ist, wenn man Pokerspieler ist. Hauptberuflich.





2. Wieso man jedem, der einen fragt, wo man sich karrieremäßig in drei Jahren sieht, sagen muss: Dumme Frage, nächste Frage!, erklärt dieser Mann.

http://www.youtube.com/watch?v=NyBvbot3emM

14:10 Uhr
Mann, heut knallts hier aber. Weiter gehts. Musik. Show! Bang! Shia LaBeouf! Und liebe "Dschoseffine Killlgannon": du bist 'n Checker. Genau meine Kragenweite!

http://www.youtube.com/watch?v=o0u4M6vppCI

14:02 Uhr
Ziemlich cool: Coffee&Cigarettes in einem Objekt. Schade, dass ich finanziell eher so in der unteren Liga spiele, sonst würd ich es glatt ersteigern. Hier.






13:53 Uhr
Darauf ein fucking guter Song. Rübergeschickt von Christina. Weil heute Tag der Musik ist. In meinem Herzen.

https://www.youtube.com/watch?v=8I5kET7oVVk#t=20


13:43 Uhr
Der gute Peter Wagner und die freshe Joanna Mühlbauer haben die neue Ausgabe ihres "Buch als Magazin" fertig. Kostet weniger als ein richtig gutes Buch und bereichert dabei so toll wie mindestens drei gute Bücher.





Gleiches gilt für die zweite Ausgabe von Theresia Enzensbergers BLOCK-Magazin.





Hoch leben die, die's einfach machen.

13:20 Uhr Oh man, jetzt hab ich Hamburg-Heimweh. Ich will durch den alten Elbtunnel gehen und dann da drüben auf der Mauer sitzen und die Containerschiffe angucken. Und das Gefühl dabei wäre dann wie in diesem All-time-favourite-Trailer.

http://www.youtube.com/watch?v=CTY0WHdjA5c

13:09 Uhr
Auch Klartext, und zwar über Hamburg, gibts in unserer Was-du-über-Hamburg-wissen-musst-Verstandenliste.





13:01 Uhr
Kennt jemand eigentlich noch NICHT reportagen.fm? Die Reportageleute sagen, was sich im Wust des Netzes wirklich zu lesen lohnt und meistens haben sie damit auch Recht. Da können Facebook, Twitter und Co mal nach Hause gehen. Alles Hirnvermüllung gegen den Klartext dieser Website.

12:17 Uhr Halt, stimmt nicht, ich find gar nicht, dass zuviel geredet und geschrieben wird. Also nur ein bisschen. Hier find ich es zum Beispiel gut. Weil ich auch gerne mit einer alten Schildkröte befreundet wäre.

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=aB7WhgQS1DM

(Danke, @JosephineKilgannon)

12:10 Uhr
Ich find: Es wird viel zu viel geredet und geschrieben in der Welt. Schade, dass ich so unmusikalisch bin und deshalb auch zuviel rede und schreibe. Was bleibt mir übrig? Musik von anderen vorspielen.

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=FEhpmuXHmRQ

11:10 Uhr
Es gibt ein neues Medium im deutschsprachigen Internet. Und ab heute kann man endlich fundiert untersuchen, ob es einem gefällt. Leider hat dieses Medium sich in seiner Namenswahl ungefähr so geschickt angestellt, wie einst die Piratenpartei. Ob das was werden kann? Aber vielleicht muss man das jetzt erstmal vergessen und sich die Inhalte ansehen.

09:53 Uhr
Ich verzichte jetzt mal auf den täglichen Nachrichtenservice. Was wichtig ist, kann man doch eh auf sz.de lesen. Stattdessen gibts jetzt Musik. DJ Koze hat Tocotronic geremixt. Ich sag schon mal: Joah. Guter Anfang. Dann bisschen anstrengend. Aber auch ganz schön. Na gut: Ich weiß es noch nicht. Erstmal bisschen weiterhören.

https://soundcloud.com/pamparecords/tocotronic-kapitulation-dj-koze-aka-adolf-noise-unreleased-remix

09:46 Uhr
Warum nur kommt mir da irgendwas so bekannt vor, wenn ich dieses Bild ansehe? War heute morgen im Münchner Merkur. Wer drauf kommt, möge mir weiterhelfen...





(Auflösung: Hier!)

09:18 Uhr
Morgen. Überlege gerade, welche peinlichen Nicknames von '99 ich nicht loswerde. Fällt mir aber keiner ein. Ahhhaaaaaaaa, doch! Mein ebay-Name. Oh Gott oh Gott oh Gott. Den sag ich nicht. Aber unterhaltet euch ruhig ohne mich - hier im Ticker.


Es ist angerichtet

$
0
0
Die Zukunft erschien düster, damals im Sommer 2013, als der Skandal um die National Security Agency brodelte. Die Empörung über das große Spähen des amerikanischen Geheimdienstes wurde in Europa von Tag zu Tag größer. Internetfirmen aus den USA würden Millionen, wenn nicht gar Milliarden verlieren, warnten Experten. „Wenn europäische Cloud-Kunden der US-Regierung nicht mehr trauen, dann trauen sie vielleicht auch den Cloud-Anbietern nicht mehr“, sagte die damalige EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes. Anbieter in Europa würden von dem Vertrauensbruch profitieren, war allerorten zu hören. Fast hätte man glauben können, dass auf dem alten Kontinent aus Sorge um die Datensicherheit eine Revolution losrollt. Bald würden den US-Firmen die Kunden davonlaufen, aus Furcht vor der Überwachung durch Amerika.

Nun, mehr als ein Jahr später, ist von dieser Stimmung wenig übrig. Hoffnungsvolle europäische Aspiranten auf die Thronfolge in der IT-Industrie sucht man weiter vergeblich. Die alten Player sind obenauf. Dazu muss man in diesen Tagen nur nach Frankfurt blicken. Dorthin, wo die Datenströme aus aller Welt am Knotenpunkt DE-CIX zusammenlaufen. Dort, wo der Zugang zum weltweiten Netz am besten ist, hat der Internetkonzern Amazon am Donnerstag zwei neue Rechenzentren eröffnet. Dabei geht es nicht etwa darum, die Webseite des Unternehmens schneller zu machen. Amazon ist, das muss man wissen, längst mehr als nur ein digitales Einkaufshaus. Der Konzern bietet unter dem Namen „Amazon Web Services“ ein umfangreiches Sammelsurium digitaler Infrastruktur an.



Angst vor Überwachung? Nicht bei den deutschen Unternehmen.

Die Nachfrage nach diesen Diensten in Deutschland sei groß wie nie, teilt das Unternehmen nun mit. Deshalb habe man die Rechenzentren in Frankfurt eröffnet. Zu Details wie Größe, genauem Standort oder Speicherkapazität schweigt das Unternehmen – aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Man darf aber davon ausgehen, dass im großen Stil Kapazitäten aufgebaut werden. Dabei ist der Konzern aus Seattle nicht das einzige US-Unternehmen, das in die digitale Infrastruktur in Europa investiert. Schließlich wartet ein heiß umkämpfter Milliardenmarkt: Konkurrent Oracle hatte erst kürzlich bekannt gegeben, ebenfalls zwei Rechenzentren in Deutschland zu eröffnen. Google baut im niederländischen Eemshaven für 600 Millionen Dollar auf 440 000 Quadratmetern einen Server-Standort. Amazon hatte seine europäischen Kunden bislang aus Irland mit Rechenpower beliefert. Die reicht nun nicht mehr aus, um die Nachfrage zu decken.

Wer eine Internetseite oder sonstige IT-Dienste anbietet, kann sich in diesen Zentren einmieten. „Cloud Computing“ heißt das in der Fachsprache, weil Daten wie in einer Wolke ausgelagert werden. Cloud-Anbieter wie Amazon oder die Konkurrenz von Salesforce, Microsoft, Oracle und Google kommen nicht etwa vorbei und stellen die Server bei ihren Kunden auf, sondern die Daten sind in ihren Rechenzentren gespeichert, selbst wenn der Kunde irgendwo Hunderte Kilometer entfernt sitzt.

Obwohl man bei dieser Art der Datenspeicherung die Kontrolle über die Daten abgibt, wird sie populärer. Alle Prognosen deuten auf eine große Zukunft hin. Die Analysefirma Gartner geht für das Jahr 2015 von einem weltweiten Umsatz von 3,1 Milliarden Dollar aus. 2013 waren es noch um die 2,1 Milliarden. Auch die deutsche Wirtschaft steht der Auslagerung der Rechenkapazitäten aufgeschlossen gegenüber. Der Branchenverband Bitkom geht von jährlichen Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent bis ins Jahr 2016 aus.

Doch warum vertraut die deutsche Wirtschaft ihre Daten Anbietern an, die durch den Patriot Act zur Herausgabe von Daten gezwungen werden könnte, die im Ausland gespeichert sind? „Es gibt nur eine dumpfe Unsicherheit“, sagt Helmut Krcmar, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität München. In deutschen Unternehmen herrsche der Eindruck vor, dass NSA und andere Geheimdienste ohnehin zuschauten. Dann sei es auch egal, wo die Daten gespeichert werden. Im Zweifel seien die Daten bei einem Anbieter wie Amazon sogar besser geschützt als auf den eigenen Servern, meint Krcmar. Den Sicherheitsbedenken stehen auf der anderen Seite die Vorteile der Cloud gegenüber. Wer sich mit IT-Verantwortlichen unterhält, hört immer wieder dieselbe Erklärung: geringere Kosten, mehr Rechenpower und eine höhere Flexibilität, weil sich bei den Cloud-Anbietern unkompliziert und schnell Rechenkapazitäten hinzubuchen lassen.

Wie viele Firmenkunden auf Amazon setzen, hält das Unternehmen geheim. Die Zahl dürfte aber vielfach höher sein als die Zahl der Institutionen, die bei Amazon Rechenleistung einkaufen. Amazon zählt eigenen Angaben zufolge weltweit mehr als 800 Regierungsbehörden und mehr als 3000 Bildungseinrichtungen zu seinen Kunden. Für Schlagzeilen sorgte der Konzern mit seinem Speicherdienst zuletzt, weil er einen Großauftrag der CIA an Land gezogen hatte. Als Gegenleistung für 600 Millionen Dollar sollen Amazons Server die 17 amerikanischen Geheimdienste miteinander vernetzen. Außerdem, so erzählte der IT-Chef der CIA im Frühsommer, plane man, die Rechner des Konzerns auch zur Datenanalyse einzusetzen. Amazon, das kann man so sagen, will die CIA bei der Überwachung unterstützen.

Wenn es jedoch um die eigenen Server geht, verspricht Europa-Chef Steve Midgley ein hartes Vorgehen gegen die Geheimdienste. „Wenn wir das Gefühl haben, dass eine Anfrage auf Datenherausgabe zu umfassend ist, werden wir dagegen vorgehen“, sagte er der SZ.

Mädchen, habt ihr auch ein Berlusconi-Gefühl?

$
0
0

Die Jungsfrage:
   
[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jan-stremmel/text/regular/1027439.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jan-stremmel/text/regular/1027439.jpg"]
Jungs schauen gerne Mädchen an. Wir tun das immer, ganz gleich, ob wir uns gerade in einer Bar, in einer Bibliothek oder in der Schlange zur Käse-Theke befinden. Unsere Blicke bleiben vor allem an denen von euch haften, die uns gefallen und zumindest theoretisch als anflirtbar in Frage kommen. Das heißt auch: an denen, die in unserer Altersklasse sind.
 
Mädchen und Frauen, die deutlich älter oder jünger sind als wir, scheiden bei den meisten von uns aus. In der Käsetheken-Situation ist der Toleranzbereich tendenziell ein bisschen größer, weil hier das Flirten ja auf jeden Fall Theorie bleibt und das Gucken lediglich die Zeit bis zur Bestellung eines Stück Höhlenkäses vertreiben soll. In der Bar oder im Club, und ganz besonders natürlich, wenn wir Single sind, ist jeder Blick mit dem Ausrechnen von Chancen verbunden.
 
Irgendwann zwischen 25 und 30 gibt es in diesem Verhalten einen entscheidenden Bruch: den Moment, in dem wir zum ersten Mal denken: „Nee, die ist echt zu jung.“ Die meiste Zeit unseres Lebens haben wir nur ältere Frauen aus unserem Guck-und-Flirt-Verhalten ausgeschlossen, nach unten hin war – im legalen Bereich – immer alles denk- und vorstellbar. Und jetzt plötzlich haben wir das Gefühl, dass das jetzt nicht mehr so ist. Dass es Mädchen gibt, die zu jung für uns sind. Die sich wahrscheinlich wundern würden, wenn wir sie an der Bar ansprächen, oder das sogar unpassend bis eklig fänden. Und selbst wenn nicht: Wir lassen das Ansprechen lieber sein, denn wir kämen uns dabei viel zu Berlusconi-mäßig widerlich  vor.
 
Ich habe das Gefühl, dass diese gefühlte Altersgrenze bei euch anders aussieht. Dass ihr nicht so verkrampft seid bei der Vorstellung, mit einem wesentlich Jüngeren etwas anzufangen, und euch weniger Sorgen macht, dabei wie ein sabberndes, nach Frischfleisch gierendes Tier zu wirken. Dass eure Grenze eher ein Grenzmarkierungspfosten ist, an dem ihr auch locker vorbeischlendern könnt, während uns meterhoher Nato-Stacheldraht den Weg versperrt.
 
Sehe ich das richtig? Seid ihr entspannter in Sachen jüngere Jungs? Denkt ihr darüber nach, was noch geht und was nicht? Und wie geht es euch dabei?

Auf der nächsten Seite: die Mädchenantwort von friederike-vonhelden
[seitenumbruch]Die Mädchenantwort

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jan-stremmel/text/regular/1027440.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jan-stremmel/text/regular/1027440.jpg"]

Ah, die Vito Schnabel-Frage! Würde ich es einer Heidi Klum gleich tun und mir mit 41 einen 14 Jahre jüngeren ziemlich coolen Typen schnappen und mit ihm um die Häuser ziehen? Oder wäre mir das zu peinlich?  

Ich stehe nicht auf jüngere Typen. Tat ich noch nie und werde ich aller Voraussicht nach auch nicht. Nicht, dass ich nicht sehen würde, was für heiße Typen durch die Gegend laufen, unterhalb meiner Altersklasse; all die Jungs, die auf ihren Longboards durch die Stadt rollen und dabei extrem lässig aussehen mit ihren Undercuts und kreativen Gesichtsbehaarungen, auf die sie vermutlich sehr viel mehr Gedanken verschwendet haben, als man sich vorstellen möchte.  
Und in der Fantasie könnte ich mir durchaus vorstellen, so ein Exemplar von seinem Board zu holen und ihm zu zeigen, „wo der Bartl den Most her holt“, „ein bisschen Bettenboogie veranstalten“, „das alte Rein-raus-Spiel spielen“, etc.pp.... (entschuldige, mit mir ging gerade der Thesaurus durch)  

Nur: diese Fantasie in die Wirklichkeit umsetzen, das würde ich niemals tun. Denn die Vorstellung, im Anschluss an den Sex dann noch auf seinem ja doch eher beknackten Longboard in irgendeinen Club fahren und mich dann für irgendeinen unhörbaren Elektro-Scheiß interessieren und bis um drei Uhr morgens saufen zu müssen, weil man das halt so macht – also echt: Das könnte ich im Kopf nicht aushalten! Und im Körper gleich dreimal nicht.  

Und so verblasst mein mentaler „Ladie-Boner“ sofort wieder und ich denke mir: Ach, nett und hübsch und sehr angenehm anzusehen. „Aber..“, um diese eine Band aus dem letzten Jahrtausend zu paraphrasieren: „..hier leben? Nein danke!“    

P.S.: Aber eine Beobachtung von dir stimmt auf jeden Fall: wir kommen uns bei dieser Vorstellung nicht übermäßig creepy vor. Und dafür gibt es meines Erachtens eine ganz schlichte Erklärung: Weil von uns keine potentielle Gefahr für diese jüngeren Männer ausgeht, wird das weibliche Begehren nie als potentiell bedrohlich betrachtet, sondern eher als schmeichelhaft.

Wir haben verstanden: KW 43

$
0
0
[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ch/christian-helten/text/regular/1027843.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ch/christian-helten/text/regular/1027843.jpg"]

Wer Respekt haben will - egal jetzt, ob von Freunden, Kollegen oder sonst wem: Bei Stress nicht immer gleich zu Mutti rennen.

Auf Medienveranstaltungen halten mittlerweile alle einem ihr iPhone vors Gesicht - nicht, um ein Foto zu machen. Sondern um ein Statement aufzuzeichnen.

Auch Filme von und mit Zach Braff können langatmig sein.

... wie man in München an eine Wohnung kommt? So:

"Ich komme aus Wien. Münchner Freunde von Freunden meiner Eltern haben für ihren Sohn eine Wohnung dort gesucht. Zeitgleich brtauchte ich sehr dringend eine Wohnung hier in München. Also haben wir einen Deal gemacht: Der SOhn hat mein Zimmer bekommen und ich bin in die umgebaute Garage der Familie gezogen, In der hatte die pflegebedürfte Großmutter gewohnt, die leider nach kurzer Zeit verstorben ist."

"Sons of Anarchy" ist noch ein bisschen geiler, wenn man sich vorstellt, es sei eine Kettcar-Gang!

Alte Benutzernamen und Mailadressen sind das neue Arschgeweih.

Es gibt unglaublich viele Szenarien für einen Weltuntergang.

Die Menschen in Hamburg tragen halt doch mehr Streifen als die im Rest der Republik.

Bester Nachtisch der Welt: Zwei Kekse und Eis dazwischen schmieren.

Alles mit Süßstoff schmeckt scheiße und wer was anderes sagt, lügt.

Eine Terminplaner-App auf dem Handy zu haben heißt leider nicht, sie auch zu benutzen (habe mir deshalb jetzt einen gedruckten Timer gekauft, obwohl ich Papier sparen wollte)

Sogar die Queen kann twittern.

Manche Mail-Adressen behält man auch nur noch, um zu schauen, welche neuen Spam-Tricks sich die Spam-Trottel jetzt wieder ausgedacht haben.

Es gibt für alles eine Telefonhotline.

Das beste Internet-Gefühl: wenn man etwas wieder entdeckt, was man sonst einfach für immer vergessen hätte. 

Mit dem Hass auf Laubbläser ist man nie ganz alleine.

Vderrückte gehören ins Verrücktenhaus!

Es ist doch einfach Mist, dass sich Leute, die zwei Abschlüsse haben, trotzdem manchmal wie Versager fühlen. 

Wir müssen jetzt keine Angst mehr haben vor goldenen Hochzeiten, Geburtstagen, Taufen und anderen feierlichen Anlässen.

Auch wenn man überhaupt keine Überschneidung beim Musikgeschmack im Kosmoshörer hat, lohnt sich die Lektüre, wenn er so charmant aufgeschrieben wurde, wie der aktuelle von jetzt-User lemongreen 

Auch in China gibt es Hippies.

Halb verstanden: Kann es wirklich wahr sein, dass es Leute gibt, die vermutlich gar nicht so wenig GEld verdienen mit sowas?
http://www.youtube.com/watch?v=gvhYj-tVTN4

Wie lebt es sich in ... Hamburg?

$
0
0
Dieser Text ist Teil des Studentenatlas' von jetzt.de und sueddeutsche.de. Eine Übersicht der bisherigen Themen findest du hier.




Ursprünglich bin ich nach Hamburg gekommen, um ein Praktikum zu machen. Mittlerweile lebe ich hier seit zwei Jahren.

Am besten gefällt mir an Hamburg das Wasser. Mitten in der Stadt streckt sich die Alster wie ein stiller See aus, an dessen Ufer man mit einem oder zwei Alsterwassern entspannen, grillen oder spazieren kann. Wer es wilder mag, der schaut am Elbstrand in der Strandperle den Containerschiffen und dem unaufhoerlichen Tidenhub zu.
Immer noch nicht gewöhnt habe ich mich an die unglaublich schlechten Fahrradwege, wenn es sie denn gibt und nicht von Fussgängern, parkenden Autos oder stark wurzelnden Bäumen überdeckt sind. Im Sommer ist es am schönsten im Wohlwillpark, ein verwunschener und verwinkelter Park zwischen Altona und St. Pauli. Oder: immer in Richtung Wasser (siehe oben). Im Winter sollte man besser die Bahn nehmen. Bei Regen gehe ich am liebsten in die Deichtorhallen, Kunst gucken.
Bestes Viertel der Stadt: St. Pauli. Aber bitte nicht die Reeperbahn. Einige Querstrassen weiter findet man ab vom Touristenstrom kleine Kneipen (Kaffee Stark), Cafés mit vegetarischem und veganem Angebot wie das Kraweel oder Pauline.
Zum Frühstücken gehe ich am liebstenins Panther in der Marktstrasse im Karoviertel. Das Café ist mit alten, mit Leder bezogenen Holzturnbänken ausgestatten (sehr vintage!). Unschlagbar ist das wechelnde Angebot an selbstgemachten Kuchen: der vegane Carrot Cake oder das Banana Bread sind top.

Bestes Café der Stadt: Die Qualität der Kaffees, Cappucchinos oder Sojalattes kann ich als nicht-Kaffeetrinkerin nicht beurteilen, aber das Gnosa an der Langen Reihe hat eine hauseigene Bäckerei im Keller, die exzellente Kuchen und Torten produziert. Guten Kaffee gibt es laut Bekannten- und Freundenaussagen einstimmig im Black Delight in Eimsbüttel.
Mit Freunden gehe ich am liebsten dort essen: Beim Falafelstern direkt an der S-Bahn Sternschanze. Beste Falafel der Stadt.

Mit meinen Eltern gehe ich hingegen eher ins MEHL in Altona. Die Pizzen dort sind etwas preisintensiver (15€), dafür kommen die von Herzen: die Teigmaschine am Eingang verweist auf den selbstgemachten Teig in verschiedenen Farben und Sorten und die Überraschung ist immer inklusive. Denn wer Standard-Salami sucht, ist hier falsch. Der Fokus liegt auf regionalen und saisonalen Pizzen und: auf Pizzen, die man selbst zusammenstellen kann.
Mein Lieblingskino: 3001 im Schanzenviertel. Das Kino hat zwar nur knapp 100 Plätze, dafür aber eine fantastische Auswahl nationaler und internationaler Filme mit Untertiteln, Herz und Seele, weit ab vom Mainstream. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermässigt 5,50 Euro.
Tipp für Kenner: Ein Spaziergang auf dem Deich auf der Veddel.

jetzt-Mitarbeiterin katharina-elsner
[seitenumbruch]


Ursprünglich bin ich nach Hamburg gekommen, um meine 500-km-Fernbeziehung zu einer Nahbeziehung zu machen, also mit meinem Liebsten zusammenzuziehen, und einen neuen, tollen (aber auch recht anstrengenden) Job anzutreten. Mittlerweile lebe ich hier seit genau einem Jahr.

Am besten gefällt mir an Hamburg natürlich all das Wasser (mein Arbeitsweg führt per Fahrrad erst am Kanal und dann an der Alster entlang), das Möwengeschrei in der Luft, die Möglichkeit, Franzbrötchen zu kaufen, und die Klinkeratmosphäre, die mich an mein Austauschjahr in England erinnert.

Immer noch nicht gewöhnt habe ich mich an den Umstand, dass das reiche Hamburg weder geteerte Geh- und Radwege noch Altpapiertonnen für notwendig hält. Schlamm und am Straßenrand wartende nasse Kartons tun es doch auch! Außerdem ist die Stadtverwaltung nicht besonders einladend – während man in Frankfurt als Neubürgerin mit einem Willkommenspaket begrüßt wird, muss man hier erst mal Ummeldegebühr zahlen. Und grüne Sauce gibt’s auch nicht.

Im Sommer ist es dort in Hamburg am schönsten: An der Außenalster oder noch besser, auf der Außenalster, denn dort kann man den am Ufer allgegenwärtigen Grillgestank vermeiden. (Hamburger gehen schon ab 15 Grad zum Grillen aus dem Haus.) Jeder zweite Hamburger segelt oder rudert im Verein und nimmt einen gern mal mit aufs Boot. Alternative: unser wunderbarer Sonnenbalkon mit Blick in diverse Baumwipfel (der Besitzerstolz hält noch an). Und das Open Air Kino auf dem Rathausmarkt (nur eine Woche im August) ist wirklich sehr zu empfehlen.

Im Winter sollte man besser direkt tanzen gehen, zum Beispiel ins Nachtasyl, eine schöne kleine Bar unter dem Dach des (auch sehr empfehlenswerten) Thalia-Theaters, die einmal im Monat eine französische Party mit dem tollen Titel "Je danse, donc je suis" veranstaltet.
Bei Regen gehe ich am liebsten
theoretisch ins Museum (Deichtorhalle Photographie oder Kunsthalle), praktisch aber dann meistens doch nicht raus, denn mit Katzen und Buch auf dem Sofa finde ich es meistens auch ganz gut. Ansonsten gilt in Hamburg: Bei Regen verhält man sich nicht anders als ohne Regen, auch Schirme werden wirklich nur rausgeholt, wenn es richtig gießt.

Bestes Viertel der Stadt: Schwierig. Ich wohne in Wandsbek, da gefällt es mir an sich sehr gut, wenn man davon absieht, dass es dort kaum Kneipen gibt (allerdings einige sehr gute Restaurants!) und dass man durch die halbe Stadt fahren muss, um Freunde zu treffen, denn die wohnen natürlich alle im coolen Westen. Eimsbüttel oder Altona sehen aus der Ferne betrachtet nett aus, aber das kann ich nicht so richtig beurteilen. Wandsbek hat jedenfalls den Vorteil, entspannt bodenständig und (noch) ungentrifiziert, aber trotzdem sehr grün und zentral zugleich zu sein.
Zum Frühstücken gehe ich am liebsten: Hm. Ehrlich gesagt, finde ich Frühstücken gehen doof, weil man dafür mit leerem Magen aus dem Haus muss. Aber wenn, dann mag ich das Café Westwind in St. Georg ganz gern.
Bestes Café der Stadt: Sehr gemütlich, mit dem weltbesten Kuchen und vielen Büchern im Regal ausgestattet ist das Café Leonar (ohne d) im Grindelviertel. Da kann man auch ganz beiläufig am Nebentisch ein paar Überbleibsel der jüdischen Kultur in Hamburg aufschnappen.

Mit Freunden gehe ich am liebsten dort essen, wo ich auch mit meinen Eltern essen gehen würde (diese Aufteilung finde ich eher unnötig): beispielsweise in Hamburgs angeblich bestes chinesisches Restaurant Ni Hao oder das kürzlich entdeckte persische Padideh, beides ganz nah an unserer Wohnung in Wandsbek bzw. in Hamm. Wenn es eher günstig sein soll: das Kino Abaton hat eine richtig gute Kneipe, und das koreanische So Na Mu auf der Grindelallee ist der leckerste Imbiss, den ich bisher gefunden habe. Mein Lieblingskino: Von der Lage und den Filmen her ist das Abaton schon sehr toll, aber das Metropolis finde ich dann doch noch etwas cooler, weil es sich offensichtlich mit seinen Klassikerfilmreihen und Konzepten so gar nicht ums Finanzielle schert. Da kann man die abseitigsten Dinge sehen, z.B. alte Filme aus der DDR, alles zum Thema "Grün" oder das Neuste aus Korea, es reiht sich ein Filmfestival ans nächste. Tipp für Kenner: Tja, wenn ich bloß schon einer wäre... nicht besonders geheim, aber auf jeden Fall schön ist die Flohschanze, ein wöchentlicher Flohmarkt mit ziemlich wenig Schrott, dafür aber vielen alten Möbeln, Lampen, Büchern und allem, was das Leben schöner macht.

jetzt-Userin chrinamu
[seitenumbruch]



Ursprünglich bin ich nach Hamburg gekommen, weil mir Berlin zum Studieren zu groß und doof war und alles andere zu weit im Süden. Mittlerweile lebe ich hier seit kurzem nicht mehr. Die Karriere hat mich ans andere Ende Deutschlands verbannt. Ich weine immer noch (fast) jeden Abend.

Am besten gef
ällt mir an Hamburg das Wasser. Und das Wasser. Und das viele Wasser. Alster, Elbe, Kanäle - Lebensqualität bemisst sich für eine Norddeutsche an der prozentualen liquiden Fläche. Hamburg hat verdammt viel davon.
Immer noch nicht gewöhnt habe ich mich an den Anblick alter, abgewetzter Sofas in mittlerweile fast jeder Bar. Diese Berliner-Hipsterfizierung passt so überhaupt nicht zu den stilvollen Hamburgern.

Im Sommer ist es dort in Hamburg am sch
önsten: In einer Hängematte mit Bier oder Cocktail in der Hand, Füßen im Sand und Blick auf sonnenuntergangsleuchtende Hafenkräne im Strandpauli. Die Strandbar öffnet jeden Sommer auf einem Parkhaus-Dach neben dem alten Elbtunnel. Klingt kitschig? Es gibt dort nicht nur Hängematten. Man kann die Kräne auch aus Liegestühlen sehen.

Im Winter sollte man besser warten, bis die Alster komplett zugefroren ist. Ein Spaziergang vom Glühweinstand am Ufer in Uhlenhorst zwischen Schlitten- und Schlittschuhfahrern hindurch über den großen Teich bis nach Rotherbaum. Es gibt keine bessere Art, Winternachmittage zu verbringen.
Bei Regen gehe ich am liebsten
nicht raus. Regen in Hamburg ist immer nasser, windiger und ungemütlicher als im Rest Deutschlands. Gruseliger ist nur das Hamburg Dungeon– da könnte man so einen Tag zur Not noch verbringen. 

Bestes Viertel der Stadt:
Eilbek. Völlig unterschätztes Wohnviertel. Nah an der Innenstadt, trotzdem günstig und man ist zum abendlichen Feiern genauso fix in der Schanze wie auf der Reeperbahn.
Zum Frühstücken gehe ich am liebsten: ins Café May. Acht Filialen in der Stadt, morgens gibt’s hier ein gutes und bezahlbares Frühstück, abends fördern die Cafés die analoge Spielekultur mit Gesellschaftsspielen zum An-der-Theke-ausleihen. Kult!

Bestes Caf
é der Stadt:Herr Max im Schanzenviertel. Hat den Flair einer französischen Patisserie, backt Torten, die schmecken, wie sie heißen: „Granatengeiler kanadischer Käsekuchen“.
Mit Freunden gehe ich am liebsten dort essen:
beim Kumpir König im Uni- oder Schanzenviertel. Klingt nach Döner, ist aber Kult-Kartoffel. Backkartoffeln in einer Größe, die Genmanipulation nahelegt, werden mit „Toppings“ aus Fleisch, Salat und Gemüse zur vollwertigen Mahlzeit. Macht satt, ist bei Bedarf vegetarisch, vegan, glutenfrei und saulecker!
Mit meinen Eltern gehe ich hingegen eher ins
Mongo’s in Eppendorf. Schon mal Gnu probiert? Oder Krokodilfleisch? Das Gericht stellt man sich selbst zusammen, der Koch brät es dann im Livecooking. Ein wenig Exotik in der Hansestadt.
Mein Lieblingskino:
Wer auf Arthouse statt Blockbuster steht, wird im Abaton neben der Uni glücklich. Den Absacker danach am besten in der „Mathilde“ um die Ecke trinken.

Tipp f
ür Kenner: Ausflug mit dem abgefahrensten öffentlichen Nahverkehrsmittel Deutschlands: der Linie 62. Sie fährt von den Landungsbrücken bis nach Finkenwerder – quer über die Elbe. Die Hafenfähren sind im HVV eingebunden, für zwei Euro gibt’s so eine halbe Hafenrundfahrt. An der Brücke 3 der Landungsbrücken einsteigen, Platz ganz vorn auf dem offenen Deck sichern, Nase in den Wind halten und in Oevelgönne runter vom Schiff. Hier warten je nach Laune der Elbstrand, die Szenebar oder schnieke alte Kutter im Museumshafen zum Bestaunen.

jetzt-Leserin Lina Timm

Klassische Brustgymnastik

$
0
0
"Komm nach Hause, gibt Essen!"
Dass Beziehungen sich mit der Zeit verändern - okay. Irgendwann hört man dann vielleicht doch auf, jeden Tag Blumen zu kaufen und dem anderen zu sagen, dass er die schönsten Augen der Welt hat. Wenn man das Thema aber so analytisch wie die Bloggerin Alice Zhao aufarbeitet, wird's doch ein bisschen deprimierend. Zhao hat alle Nachrichten, die ihr Freund und späterer Mann einander geschrieben haben, inhaltlich ausgewertet. Fazit: Vor der Hochzeit kamen das Wort "Liebe" und der Name des Partners viel häufiger vor als danach. Seit der Ring am Finger steckt, dominieren hingegen zwei Worte: "Abendessen" und "ok".
[plugin imagelink link="http://images.huffingtonpost.com/2014-10-21-content_final2-thumb.png" imagesrc="http://images.huffingtonpost.com/2014-10-21-content_final2-thumb.png"] via Huffington Post

Das erinnert mich an was...
Dinge, die wie Gesichter aussehen, kennt man ja (vor allem Steckdosen!). Dinge, die wie Vaginas aussehen, werden einen von nun allerdings auf alle Ewigkeiten verfolgen.
[plugin imagelink link="http://www.drlima.net/wp-content/uploads/2014/10/tumblr_ndjeglu0MJ1rn7bzro1_1280-600x494.png" imagesrc="http://www.drlima.net/wp-content/uploads/2014/10/tumblr_ndjeglu0MJ1rn7bzro1_1280-600x494.png"] via dressed like machines
[plugin imagelink link="http://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/s--qES81XAt--/c_fit,fl_progressive,q_80,w_636/rb24edubtzejet84pcsm.jpg" imagesrc="http://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/s--qES81XAt--/c_fit,fl_progressive,q_80,w_636/rb24edubtzejet84pcsm.jpg"] via jezebel

Eine ganze Liste mit Vaginaähnlichen Gegenständen gibt's auch bei Buzzfeed.
[plugin imagelink link="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-06/9/15/enhanced/webdr04/edit-31208-1402343508-25.jpg" imagesrc="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-06/9/15/enhanced/webdr04/edit-31208-1402343508-25.jpg"]
[plugin imagelink link="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-06/9/12/enhanced/webdr03/enhanced-buzz-31661-1402330751-25.jpg" imagesrc="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-06/9/12/enhanced/webdr03/enhanced-buzz-31661-1402330751-25.jpg"]
Klassik war auch mal seriöser
Trotzdem ist es, zugegebenermaßen, wirklich beeindruckend, wie die Bloggerin Sara X ihre Brüste zu Mozarts "Kleiner Nachtmusik" im Takt wippen lässt. Bevor alle Durchschnittsfrauen jetzt denken, sie müssten das auch können: Auf Jezebel hat Sara, die sich selbst als "a semi-well-known-in-certain-circles freelance tattooed model, former stripper, and freelance writer of SEO and clickbait pieces for the types of websites that don't allow you to talk about who you work for" beschreibt, ihr rhythmisches Brustgewippe erklärt. Sie hat keine übernatürlichen Brustmuskeln, sondern ihre Wackelfähigkeiten erst zufällig nach einer Brustvergrößerung hinzugewonnen. Puh.
https://www.youtube.com/watch?v=UDXUDehUgIQ#t=13

Wochenvorschau - So wird die KW 44

$
0
0
Wichtigster Tag der Woche?  
Drängt sich gerade keiner auf, wenn ich in den Kalender schaue. Deshalb sage ich: Samstag – und hoffe, dass ich es dann auch wirklich schaffe, mit meinem Faltkajak (ja ja, könnt ihr euch gehackt legen, ich find’s geil!) auf einen See rauszuwedeln. Vermutlich Ammersee. Dann kann ich auf dem Weg auch gleich noch die Eltern besuchen.




Scubi, ich und der Lac de Sainte-Croix. Schön, gell!

Kulturelles Highlight?
 
Ist eine glückliche Kombination aus Lokal- und Lokalst-Patriotismus: Kofelgschroa aus Oberammergau (und mittlerweile auch München) spielen im Münchner Ampere, das ganz schön nah an meiner Wohnung liegt und außerdem – wie das ganze Muffatwerk – sauschön ist. Ich habe die Band vor ein paar Monaten für unsere Münchenseite interviewt. Die sind tatsächlich so verschroben, wie man meint – und genau deshalb ja so toll.  

Ach so: Die Regisseurin Barbara Weber hat einen Film über die Musiker gedreht, der vielleicht auch noch irgendwo läuft. Ziemlich langsam, wahrscheinlich.

Soundtrack?  
Pathetisches Weltretter-Lamento („Protect the land from the greed of men“, „ Damn the dams, save the rivers/Starve the takers and feed the givers“, „End fracking now, let’s save the world“) über einen Streicher-Pomp, zu dem Frodo Beutlin durchs Auenland hopsen könnte: Klingt fruchtbar, gell? Könnt ihr euch aber genauso gehackt legen wie beim Faltkajak. Neil Young darf das. Und wenn spiegel.de zum eigenen exklusiven Pre-Listening-Streamüberlegt, ob’s auf dem Doppelalbum (dieselben Songs einmal mit Orchester-Oppulenz, einmal mit Akustikgitarre) zu sentimental zugeht, dann kann ich mich doch schon wieder drüber freuen, oder? Kommt am Freitag.     

http://www.youtube.com/watch?v=eZyL-FZ4lOU

Und wem das jetzt wirklich zu viel ist, der freut sich eben mit mir auf das neue Damien-Rice-Album „ My favourite faded fantasy“ (auch am Freitag). Und ärgert sich dann bestimmt auch, wenn bei – Achtung – 1:15 Minuten die Streicher in die poröse Klangwelt fluten wie das Sonnenlicht in eine knarzige Berghütte.  


http://www.youtube.com/watch?v=xGIIfNxfUAE 

Wochenlektüre?
 

Ich habe die Neigung zur Lektüre von zwei Büchern gleichzeitig inzwischen ausgebaut – auf etwa fünf Stück. Und ich halte das für den richtigen Weg! Ich missioniere also etwas, wenn ich euch ermuntere, wie ich zwischen Nachtkästchen, Couch, Arbeit und allen Ausflugszielen eine wechselnde Auswahl aus diesen Titeln hin und her zu tragen:  

  • 1) Nic Pizzolatto: „Galvestone“

  • 2) Michel Houellebecq: „Karte und Gebiet“  

  • 3) Die aktuelle Ausgabe des Magazins „Reportage“ 

  • 4) Markus Zusak: „Die Bücherdiebin“. 

  • 5) Navid Kermani: „Das Buch der von Neil Young Getöteten“  


Zu 1): Ist ein Krimi Noir vom „True Detective“-Drehbuchautoren und damit halb Persiflage halb Abfeiern des Genres. Im Ton so hart, wie man es sich von einer richtig geilen Reportage wünscht. Und spannend auch noch.
Zu 2): Ist nicht aktuell. Lese ich zum zweiten Mal, verstehe den Kulturbetrieb (es geht um einen Maler und Fotografen, der zu einem der bestbezahlten Künstler Frankreichs wird) aber mit jeder Zeile wieder ein bisschen besser. Und werde ich so lange immer wieder lesen, bis ich den Namen dieses vermaledeiten Franzosen einmal auf Anhieb richtig schreibe.
Zu 3): Tolles Magazin. Kaum Bilder. Lesen!
Zu 4) Empfiehlt mir die Frau, die mich gut kennt, schon seit Jahren.
Zu 5): Rahmenhandlung zum Soundtrack.

Kinogang? 
Schaffe ich nicht. Muss „Sons Of Anarchy“ schauen, die Motorrad-Gang-Serie von den „The Shield“-Machern. Die ist weder sehr neu noch sehr klug, aber sehr spannend. Und außerdem kann ich mich dieser seltsamen Gang-Romantik auf befremdende Art hingeben. Außerdem spielt Maggie Siff mit.
 
Geht gut diese Woche:
 
Was mit Hack drinnen.

Keine Chance hat diese Woche:
  
Stress – wollte ich schreiben. Aber das stimmt ja nicht.

Was ist dein Lieblings-Weltuntergangsszenario?

$
0
0
Schaltet man momentan die Nachrichten ein, könnte man bisweilen denken, die Welt stünde kurz vor ihrem Untergang: IS, Ebola, der Krieg in der Ukraine - an allen Ecken dieses Planeten scheint es zu brennen. Und jeder einzelne Krisenherd sieht bisweilen aus wie der Anfang vom Ende unserer Welt. Könnte es passieren, dass die Ebola-Pandemie unser Untergang ist? Könnte es passieren, dass die Dschihadisten vom IS ihren Siegeszug fortsetzen und die gesamte westliche Welt dem Boden gleich machen?


Von der ernsten Nachrichtenlage abgesehen gibt es noch andere Weltuntergangsszenarien, über die man reden könnte: zum Beispiel eine Zombie-Apokalypse! Die Serie „The Walking Dead“, deren vierte Staffel heute in Deutschland startet, spielt in so einer Welt. Ein paar Überlebende irren umher, um eine sichere Unterkunft zu finden. Die beißenden Zombies wollen es natürlich nicht so weit kommen lassen.
 


Gefahr droht allerdings nicht nur von Untoten: es gibt ja noch Roboter. Manche behaupten,  dass von  Menschen programmierte Maschinen uns irgendwann versklaven und vernichten werden. Selbst der berühmte Physiker Stephen Hawking sagte vor einiger Zeit, dass sogenannte künstliche Intelligenz in nicht allzu ferner Zukunft eine reale Gefahr für uns darstellen könnte.

Auch ohne Robocop und Terminator könnte sich der Mensch problemlos selbst erledigen. Wenn es irgendwann einmal zu einem Atomkrieg kommen sollte, dann reicht ein Knopfdruck, um die Erde zu zerstören. Eins jedenfalls ist Wissenschaftlern zufolge klar: Die Menschheit wird selbst verantwortlich sein für ihr Ende.

Gibt es ein Weltuntergangsszenario, das du klammheimlich für realistisch hältst? Killerroboter oder doch eher ein Supervirus? Hast du manchmal reale Angst vor einem Ende der Welt? Oder bleibst du locker und lässt alles auf dich zukommen?

Tagesblog - 27. Oktober

$
0
0
17:46 Uhr: Hooray, Charlotte hat endlich die Autorisierung von Franz Streng bekommen, dem Erlanger Strafrechtsprofessor, von dem ich euch heute Vormittag erzählt habe. Er hat herausgefunden, dass ein Drittel seiner Jura-Studenten die Todesstrafe befürworten. Charlotte hat ihn gefragt, wie er sich das erklärt.

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/589586/Straeflich-vernachlaessigt" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ch/charlotte-haunhorst/text/regular/1028397.jpg"]

Nicht das klassische Feierabend-Thema, aber definitiv ein interessantes Interview - mit dem ich euch jetzt alleine lasse. Ich bin nach neun Stunden im Büro hundemüde und "freue" mich auf anderthalb stickige Stunden in Münchner S-Bahnen.

Mein Fazit für heute: Tagesbloggen macht definitiv Spaß - mir zumindest. Ich hoffe, dass ihr hier gerne mitgelesen und -kommentiert habt und auch beim nächsten Mal wieder so nett mit mir umgeht. Bis bald! 

++++

17:22 Uhr:
Lange Funkstille hier, ich bitte um Entschuldigung. Als kurzes Lebenszeichen mal ein Text, der mich am Wochenende lange beschäftigt hat. Die New York Times hat die letzten Monate im Leben von James Foley und anderen Geiseln des IS rekonstruiert. Brutal und schockierend, aber auch beeindruckend gut recherchiert und aufgeschrieben. Ist allerdings nichts für einen entspannten Feierabend, am besten nur mit viel Zeit und guten Nerven lesen.

Kürzer, aber nicht minder schockierend ist das, was Friederike Haupt in der FAZ über den IS schreibt. Die Terroristen inszenieren Hinrichtungen als Unterhaltungs-Shows - und erreichen damit Millionen Zuschauer. Ein Text, der mich sehr nachdenklich zurückgelassen hat.

++++

16:03 Uhr:
Vorsicht, das folgende Bild ist die Mutter aller Meta-Ebenen:





Nadja, deren Daumen von vorne ins Bild zeigt, fotografiert Charlotte und mich, wie wir uns von Sandra (nicht im Bild, rechts von uns) fotografieren lassen. Wer errät, für welchen Text wir gerade ein Symbolbild produzieren? (Tipp: Der Artikel war heute schon mal Thema im Tagesblog)

++++

15:37 Uhr:
Juchu! Endlich mal ein vollkommen niveauloser Link. Dafür aber ein sehr lustiger. Der Guardian hat ein paar Verpackungen und Logos gesammelt, bei denen die Designer so richtig übel daneben gelangt haben. Auf der Facebook-Seite des Guardian ist das folgende Bild mit dem treffenden Kommentar "May contain nuts" verlinkt. Very british, I like.

[plugin imagelink link="http://www.theguardian.com/business/2014/oct/27/tescos-penis-themed-buttermilk-and-other-design-fails" imagesrc="http://i.guim.co.uk/static/w-620/h--/q-95/sys-images/Guardian/Pix/pictures/2014/10/27/1414413499325/533b867e-c7e1-4576-8025-8dfcc3688a71-620x372.jpeg"]

Kennt ihr ähnliche Design Fails?

++++

15:09 Uhr:
Dieser Tagesblog entwickelt sich mehr und mehr zur Linkschleuder. Aber wenn hier auch ständig so viele gute Texte erscheinen, dann bleibt mir einfach nichts anderes übrig, als lauter Lese-Empfehlungen auszusprechen.

Jan war in Berlin und hat dort junge Spanier begleitet, die in Deutschland als Pflegekräfte arbeiten; die Arbeitsbedingungen sind mies, die Arbeitsverträge sittenwidrig, das Gehalt kümmerlich. Macht nicht unbedingt gute Laune, lohnt sich aber!

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/589582/Zu-Gast-bei-Ausbeutern" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ch/charlotte-haunhorst/text/regular/1028381.jpg"]

++++

14:37 Uhr:
An dieser Stelle mal ein Dankeschön an Digital_Data, der mich in den Kommentaren über den Ebola-Virus aufklärt - und außerdem von einer interessante Erfahrung eines Bekannten erzählt, der bei "German Doctors" arbeitet. Ich bin mal so frei und zitiere:

In vielen Ländern in denen die aktiv sind, sind eigentlich genug Ärzte. Aber diese Ärzte dort (er nannte z.B. Indien) sind nicht bereit kostenlos oder gegen geringe Aufwandsentschädigung arme Leute zu behandeln. Die meinen, die "German Doctors" seien so schlecht in ihrem Beruf, dass die in Deutschland nichts verdienen würden und deshalb dort ins Ausland gehen. Selbst wenn die denen dann aber erzählen, dass sie zu Hause gutes Geld verdienen, dann verstehen die immer noch nicht, warum die dort arme Kranke behandeln und ändern auch die eigene Einstellung nicht. Das war mir so überhaupt nicht bewusst und wäre eigentlich auch eine interessante Geschichte.

Ich selbst habe während meines FSJs in Ruanda nichts davon mitbekommen und auch noch nie Vergleichbares aus anderen Ländern gehört. Das muss aber überhaupt nichts heißen. Wisst ihr zufällig mehr?

++++

13:52 Uhr:
Charlotte hat gerade mit Franz Streng gesprochen. Er ist Strafrechtsprofessor an der Uni Erlangen und stellt seit 1989 seinen Erst- und Zweitsemestern dieselben Fragen. Er möchte wissen, was zukünftige Juristen von Todestrafe und Folter halten. Das erschreckende Ergebnis: Ein Drittel will die Todesstrafe zurückhaben; und sogar die Hälfte hält Folter unter bestimmten Bedingungen für angemessen.

Zeit Online hat das heute morgen mit drastischen Worten kommentiert und "die neue Generation der Richter Gnadenlos" als "Verfassungsfeinde" bezeichnet - ein Text, der seitdem viel geteilt wird und nicht nur uns zum Nachdenken gebracht hat.

Charlotte hat Professor Streng gefragt, wie er sich die Ergebnisse erklärt und ob er sie für genauso bedenklich hält wie wir. Jetzt tippt sie gerade seine Antworten ab, das Interview erscheint heute Nachmittag. Ich glaube, das wird ziemlich interessant.

++++

13:21 Uhr: 
Der Rest der Rasselbande ist vom Essen zurück (es gab Spaghetti Bolognese - und sie war gut!), und prompt tut sich was auf der Startseite. Da steht jetzt nämlich der wunderbare Text von Kathrin über Studentenkochbücher. Oder besser gesagt: über Studentenelternkochbücher - denn: "Nur Eltern kaufen Studentenkochbücher. Eltern, die sich sorgen, dass ihre Kinder nicht mehr ordentlich essen, sobald sie ausgezogen sind."




++++


12:52 Uhr:
Meine Kolleginnen und Kollegen haben sich zum Essen verabschiedet (man munkelt, es gebe Spaghetti Bolognese, was insbesondere Charlotte sehr freut) und mich alleine in der Redaktion zurück gelassen. Jetzt bewache ich den Tagesblog, euch darf man ja nicht aus den Augen lassen (und führe noch ein paar private Telefonate, was zugegebenermaßen der eigentliche Grund für mein einsames Mittagsessen im Büro ist).

++++

12:21 Uhr:
Das Problem an Superlativen? Wenn man allzu viele verwendet, nutzen sie sich ab. Wenn ich auf Twitter oder Facebook einen Text empfehle, der mir sehr am Herzen liegt, dann spreche ich gerne mal vom "Besten", "Bewegendsten" oder "Wichtigsten", das ich seit langem gelesen habe. Bitte ignoriert das jetzt mal - der folgende Superlativ ist definitiv gerechtfertigt: Hakan hat über die Beziehung zu seinem Vater geschrieben - eine Beziehung, die in die Brüche geht, weil sein Vater depressiv ist. Und der Text ist definitiv einer der besten, bewegendsten und wichtigsten, die ich seit langem gelesen habe.

++++

11:23 Uhr:
Auf der Konferenz haben wir uns unter anderem über die grassierende Ebola-Panik unterhalten. Eigentlich wollten wir daraus ein Ticker-Thema machen, haben die Idee dann aber wieder verworfen. Eine Infografik geht mir allerdings nicht aus dem Kopf:

[plugin imagelink link="http://www.reddit.com/r/dataisbeautiful/comments/2jluid/ebola_may_be_gruesome_but_its_not_the_biggest/" imagesrc="http://i.imgur.com/JhajSXX.png"]
Natürlich darf man Ebola nicht verharmlosen. Die Krankheit ist gerade erst ausgebrochen, breitet sich rasend schnell aus und ist extrem ansteckend. Aber die Tatsache, dass im vergangenen halben Jahr fast eine Million Menschen in Afrika an HIV und Malaria gestorben sind, hat mich schockiert.

++++

10:57 Uhr:
Viel zu besprechen auf der Montagmorgenskonferenz! Ihr könnt euch heute auf ein paar schöne Texte freuen, das kann ich schon mal versprechen. Zumindest sind es Texte, die ich sehr gerne gelesen habe. Den Anfang macht die 21. Folge "Woher der Hass?". Lars Weisbrod sinniert über randlose Brillen und fragt sich, warum Cate Blanchett ihm plötzlich eine Berufsunfähigkeitsversicherung verkaufen will?




++++

09:23 Uhr:
Ein etwas verspätestes Montagmorgen-Moin in die Runde! Für euch ist das alltäglich - für mich ganz und gar nicht, immerhin ist das mein erster Tagesblog überhaupt. Dementsprechend bin ich ein bisschen aufgeregt und hoffe, dass ihr einigermaßen gnädig mit mir seid.

Manche kennen mich schon, andere lesen meinen Namen vermutlich zum ersten Mal. Ich habe hier vor ziemlich genau vier Jahren mal ein Praktikum gemacht und bin jetzt, nach Journalistenschule und Studium, wieder hier gelandet. (Was ich im Übrigen ziemlich prima finde.) Wenn ihr mehr wissen wollt: einfach drauflos fragen. (Ach so: Alle Hape-Kerkeling-Witze habt ihr bereits unter meinem ersten Praktikums-Ticker gemacht. Wirklich alle. Aber ihr dürft sie auch gerne nochmal machen.)

Ein Wert an sich

$
0
0
Als um kurz nach 15 Uhr alles vorbei ist, schleppen sich traurige Gestalten durch das Frankfurter Bankenviertel. Sie sind ausgepumpt, manche können kaum mehr gehen – dabei sollten sie doch laufen. Es ist ein symbolträchtiger Zufall, dass gerade an dem Tag, an dem die Ergebnisse des europäischen Banken-Stresstests verkündet werden, in Frankfurt ein Marathonlauf stattfindet. Die Innenstadt ist komplett abgesperrt, es ist schwer, die Europäische Zentralbank und die Bundesbank zu erreichen, wo jeweils Pressekonferenzen stattfinden.



Die Finanzkrise hat dazu geführt, dass Banken mehr unter die Lupe genommen werden.

Um kurz nach 15 Uhr sind die Marathonläufer bereits mehr als fünf Stunden unterwegs. Die Europäische Zentralbank und die deutschen Finanzaufseher von der Bundesbank sowie der Bafin waren neun Monate unterwegs, um den Stresstest zu bewältigen. Viele sehen darin die wichtigste Übung, die seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 an den Finanzmärkten zu absolvieren war. Schließlich weiß jeder, dass das europäische Bankensystem schwer krankt, dass es ihm an Kapital fehlt. Ein Stresstest ist die Voraussetzung dafür, um die Kapitallücken zu identifizieren, anschließend zu stopfen und damit endlich für Ruhe zu sorgen an den Finanzmärkten. Zugleich ist der Stresstest ein Risiko. Denn wenn zu große Kapitallücken identifiziert werden, löst das neue Unruhe aus.

Wie also haben die Banken abgeschnitten bei ihrem Marathonlauf? Bafin-Chefin Ulrike König und Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sitzen in einem Bundesbanksaal und bedienen sich reichlich bei Metaphern aus dem Sport. König nennt den Stresstest „einen Marathonlauf, der gleichzeitig ein Hürdenlauf war“. Erleichtert stellt sie fest, dass fast alle deutschen Institute die Ziellinie erreicht hätten, „ohne Hürden zu reißen“.

Mit „fast“ spricht sie die Münchener Hypothekenbank an, das einzige der 25 geprüften deutschen Institute, das formal durch den Test gefallen ist. Seine Kapitaldecke war zum Stichtag Ende 2013 zu dünn. Da die Bank inzwischen aber Kapital aufgenommen hat, besteht kein Bedarf mehr nachzubessern. Das heißt: Faktisch sind alle deutschen Banken durch den Stresstest gekommen; auch die HSH Nordbank, die als Wackelkandidat gegolten hatte; auch die Commerzbank, deren Name seit fünf Jahren kaum ohne den Zusatz „Krise“ fällt. „Die deutschen Institute stehen solide da“, stellt König fest. Und aus Berlin meldet sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu Wort: „Die Ergebnisse bestätigen meinen Eindruck, dass die deutschen Banken gut vorgesorgt haben.“

Aber wie sieht es im Rest Europas aus? Darüber redet im Hochhaus der Europäischen Zentralbank deren Vizepräsident Vítor Constâncio. Auch er macht gute Stimmung. „Diese bislang nicht da gewesene tief gehende Prüfung der Bilanzen der Großbanken wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Bankensektor stärken“, sagt er. Doch er muss gleichzeitig verkünden, dass der Stresstest für eine größere Anzahl von Instituten eben doch nicht so glimpflich ausgegangen ist. 13 Geldhäuser im Euro-Raum sind durchgefallen, sie müssen zusammen noch zehn Milliarden Euro Kapital auftreiben (Grafik). Allein vier der Durchfaller kommen aus Italien. Überhaupt hat es vor allem Institute aus südlichen Krisenländern getroffen.

Doch allzu schlimm ist das nicht. „Wie erwartet, gibt es keine dramatischen Enthüllungen“, sagt Clemens Fuest, Chef des Mannheimer ZEW-Wirtschaftsforschungsinstituts. Die wesentliche Wirkung des Tests sei es gewesen, dass die Banken sich vorher darauf eingestellt hätten. Marcel Fratzscher wiederum, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, erwartet, dass die betroffenen Banken den Kapitalbedarf selbst stemmen; im Notfall würden Regierungen und private Gläubiger einspringen. Mehr Sorgen bereitet ihm der hohe Gesamtbetrag fauler Kredite, den der Test offenbarte – er ist um 136 Milliarden höher, als vorher bekannt war und beläuft sich insgesamt auf 879 Milliarden Euro. Unternehmen und Menschen hätten Probleme, ihre Kredite zurückzuzahlen. Das zeige, wie tief die Wirtschaftskrise in Europa ist.

In London gibt es an diesem Tag zwar keinen Marathon, dafür aber auch Stresstest-Ergebnisse. Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) präsentiert sie für Institute außerhalb der Euro-Zone, also für Länder wie Großbritannien, Schweden oder Polen. EBA-Chef Piers Haben lobt die Härte des Tests. Das nun getestete Krisen-Szenario belastet das Kapital der Banken bis 2016 um 261 Milliarden Euro. Frühere Tests galten als zu lasch. Und Haben widerspricht der Kritik, die Anlage des Tests bevorzuge große Institute aus großen Ländern. Als Beispiel führt er die Deutsche Bank an: Bei ihr führe das Krisenszenario zu einem überdurchschnittlich hohen Abschmelzen der Kapitalquote. Wie gut, dass die Frankfurter ein vergleichsweise dickes Polster haben.

Viele in der Finanzszene hatten den Tag der Entscheidung mit Bangen erwartet. Daran gemessen lief alles sehr ruhig ab. Die Politiker sind erleichtert, die Notenbanker hoffen, dass die Banken nun, da der Stress vorbei ist, die Unternehmen mit mehr Krediten versorgen und die Wirtschaft wieder anspringt. Und die Aufseher können sich nach dem Stress wieder ihrer eigentlichen Arbeit widmen: die Banken zu kontrollieren.

Alles gut also? Nicht ganz. „Die deutschen Banken dürfen sich jetzt nicht auf den Lorbeeren ausruhen“, sagt Bafin-Chefin König. Bundesbank-Vorstand Dombret spricht davon, dass den Banken der eigentliche Marathonlauf jetzt erst bevorstehe. Sie stünden im internationalen Wettbewerb nicht gut da, die Erträge seien zu gering, die Kosten zu hoch. Dabei bringt der Bundesbanker auch Fusionen ins Spiel: „Wenn zu viele Läufer auf der Strecke sind, behindern sie sich gegenseitig“, sagt er. Gerade in der deutschen Bankenbranche könnten Zusammenschlüsse daher vorteilhaft sein. Die Banken haben beim Stresstest die Ziellinie überschritten, aber, um im Bild zu bleiben: Nach dem Marathonlauf ist vor dem Marathonlauf.
Viewing all 6207 articles
Browse latest View live




Latest Images