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Gibst du Gegenständen einen Namen?

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Sebastian Vettel tut es, Heidi Klum auch, und der Blues-Gitarrist B.B. King ebenso: Sie geben persönlichen Gegenständen einen Namen. Im Fall von Heidi Klum sind es Körperteile: Ihre Brüste heißen „Hans und Franz“. Vettels Rennwagen heißen zum Beispiel „Randy Mandy“ oder „Luscious Liz“. B.B. King wiederum nennt seine Gitarre „Lucille“.  





Das zeigt: Manche Menschen geben nicht nur ihren Haustieren einen Namen, sondern auch ihren Alltagsgegenständen. Namen machen diese ein wenig menschlicher und spiegeln sozusagen ein persönliches Verhältnis. Da heißt das Auto, mit dem man jeden Tag fährt, dann schon mal „Passati“, nach der Marke . Oder „Keks“, weil das Kennzeichen so ähnlich klingt.  

Zu Hause werden die Haushaltsgeräte ja auch immer intelligenter und sollen sich unseren Bedürfnissen perfekt anpassen, Stichwort "Smart Home". Ob diese Entwicklung etwas damit zu tun hat, dass Menschen ihren Gegenständen Namen geben? Es gibt zum Beispiel digitale Waagen, die einem sagen, dass sie „betriebsbereit“ sind und man jetzt wieder sein Gewicht kontrollieren kann. Denen könnte man ja gleich einen Namen geben, wenn sie schon mit einem reden. Oder dem Kühlschrank. Oder dem Staubsauger. Ob man sich dann besser fühlt, wenn man alleine zu Hause ist? Und wenn man in der WG Putzdienst hat?  

Wie ist das bei dir: Gibst du Gegenständen Namen oder kennst du Leute, die das tun? Und wenn ja, wieso tust du das? Und natürlich: Wie heißen die Gegenstände?


Grüne würden Bundeswehr-Einsatz gegen IS stützen

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Angesichts der Kämpfe um die kurdische Stadt Kobanê sind die Grünen im Bundestag bereit, einen Bundeswehreinsatz im Rahmen einer UN-Mission zu unterstützen, auch wenn dies den Einsatz von Bodentruppen bedeuten könnte. „Deutschland muss initiativ werden bei den Vereinten Nationen. Es muss ein robustes Mandat geben, Isis ist nur militärisch zu bekämpfen“, sagte die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt der Süddeutschen Zeitung.

Im Fall eines UN-Mandats müsse Deutschland „gegebenenfalls bereit sein, sich mit der Bundeswehr an einem Einsatz zu beteiligen“, fuhr sie fort. Die Völkergemeinschaft dürfe sich „nicht wegducken“. Dies gelte auch für Deutschland. „Wir brauchen eine gemeinsame Strategie. Wenn dabei herauskommt, dass am Boden agiert werden muss, würden wir das unterstützen.“



Katrin Göring-Eckardt würde einen Bundeswehr-Einsatz unterstützen

Nach heftigen Straßenkämpfen in Kobanê an der syrisch-türkischen Grenze konnte der Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Wochenende vorerst gestoppt werden. Die Extremisten kontrollierten aber weiter etwa 40 Prozent der Stadt, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit, deren Angaben jedoch kaum zu überprüfen sind. Etwa 180000 Syrer seien wegen der Kämpfe um Kobanê in den vergangenen Wochen in die Türkei geflohen, teilte die EU-Kommission mit. Die EU stelle für sie 3,9Millionen Euro Nothilfe zur Verfügung.

Nach Zusammenstößen zwischen Kurden, Nationalisten und Sicherheitskräften mit mehr als 30 Toten kündigte Präsident Recep Tayyip Erdoğan an, die Sicherheitsgesetze zu verschärfen. Die Türkei „wäre kein Staat, wenn sie nicht in der Lage wäre, ein paar Gauner dazu zu bringen, sich zu beugen“, sagte er im nordosttürkischen Bayburt. Das Parlament solle schnell neue Gesetze erlassen, „um die Straßen rasch von diesen Vandalen zu säubern“.

In Deutschland wächst der Druck auf die türkische Regierung. „Ich erwarte, dass die Regierung Erdoğan endlich deutlich macht, dass IS die größte Herausforderung ist“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich der SZ. Sinnvoll sei die Errichtung eines Korridors, durch den die Kurden mit Waffen und Kämpfern unterstützt werden könnten. Den Einsatz von Bodentruppen sehe er skeptisch. „Ich bin nicht sicher ob das hilfreich wäre, auch weil die Kurden das gar nicht wollen.“ Der CDU-Politiker Andreas Schockenhoff forderte in der Welt am Sonntag, die Nato müsse auf ihren Partner Türkei einwirken. Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen forderte mehr Druck auf Ankara. Nur auf die Türkei zu zeigen, reiche nicht, so Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt. „Dass die Türkei aus taktischen Gründen danebensteht und nichts tut, ist ein tragischer Fehler der Regierung in Ankara und kann nicht stillschweigend hingenommen werden.“ Zu glauben, Deutschland und Europa seien nicht bereits Teil dieses Konflikts, wäre ihrer Ansicht nach naiv. „Wir stehen da in gemeinsamer Verantwortung.“

Wunschlisten und eine Sondermilliarde

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Angesichts der steigenden Zahlen von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Deutschland entwickeln Politiker immer neue Ideen, wie Städten und Gemeinden geholfen werden könnte. Eine deutliche Aufstockung des Personals beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fordert etwa Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung soll innerhalb von drei Monaten über Asylanträge entschieden werden; derzeit dauere dies oft länger als ein Jahr, sagte Herrmann im Magazin Spiegel. Mittlerweile stauten sich beim BAMF 120000 Anträge. Obwohl der Zustrom neuer Asylbewerber nicht abreiße, sei die Onlineplattform zu deren Registrierung beim Bundesamt am Wochenende nicht erreichbar. „Das BAMF muss auch an den Wochenenden Personal bereithalten“, fordert Herrmann. Die Behörde hat ihren Sitz in Nürnberg.



Entwicklungsminister Müller fordert von der EU-Kommission mehr Engagement

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) hält sogenannte Aufenthaltsbefugnisse anstelle von Asyl für sinnvoll. Als Innenminister habe er in den 1990er-Jahren auf diese Weise versucht, vor allem die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jugoslawien schnell und unbürokratisch unterzubringen, sagte Beckstein am Wochenende in der Evangelischen Akademie Tutzing. Flüchtlinge aus den jugoslawischen Bürgerkriegsstaaten hätten damals statt Asyl eine Aufenthaltsbefugnis für drei Jahre bekommen, erläuterte Beckstein. Die Flüchtlinge hätten sich damit beispielsweise selbständig eine Wohnung und Arbeit suchen können. Besondere Asylleistungen, wie etwa Deutschkurse, seien dann allerdings entfallen. Mit der Maßnahme habe man eine angespannte Unterbringungssituation – wie sie heute der Fall ist – vermeiden wollen. Von einer Flüchtlingssituation wie während des Jugoslawien-Krieges sei man heute noch deutlich entfernt, sagte Beckstein. Damals seien in einem Jahr 67000 Flüchtlinge nach Bayern gekommen. Bis Ende dieses Jahres werden im Freistaat 35000 erwartet. Die Behörden seien aber längst überfordert. Abhilfe könnten daher Aufenthaltsbefugnisse schaffen, denn die Flüchtlingszahlen würden weiter steigen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will derweil ein dauerhaftes Bleiberecht für abgelehnte Asylbewerber schaffen. „Wir haben einige Zehntausend abgelehnte Asylbewerber, die wir nicht abschieben können, oder Menschen, die aus anderen humanitären Gründen hier sind“, sagte de Maizière dem Magazin Focus. Per Gesetz soll für diese seit Jahren in Deutschland lebenden Menschen ein Bleiberecht geschaffen werden, sofern sie nicht straffällig geworden sind und ihren Lebensunterhalt weitgehend selbst verdienen.

Entwicklungsminister Gerd Müller fordert von der EU-Kommission ein stärkeres Engagement für Flüchtlinge. „Ich bin mehr als enttäuscht. Seit März bewegt sich offenbar nichts in Brüssel“, sagte Müller im Deutschlandfunk. Es gehe um eine Herausforderung, „wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben“. Europa müsse daher reagieren. In Erbil im Nordirak wehten die UN-Flaggen, die Europäische Union sei aber nicht präsent. Müller verlangte die Bereitstellung „einer Sondermilliarde“, um Winterquartiere zu bauen und Not und Elend zu mildern. „Die EU hat Geld, es sind Töpfe vorhanden, die sind voll“, sagte er. Zugleich sprach sich Müller für einen EU-Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen aus. In der neuen Kommission gebe es vier verschiedene Kommissare zu diesem Thema, wodurch die Abstimmungsprozesse extrem kompliziert seien.

Noch ein Leck

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Die Indizien verdichten sich, dass es nach Edward Snowden mindestens einen weiteren Whistleblower bei den US-Geheimdiensten gibt. Im August berichtete der US-Sender CNN über die Spekulationen amerikanischer Regierungsbeamter, es könnte eine neue undichte Stelle im Sicherheitsapparat geben.

In diesen Tagen gibt es für diese These zwei weitere Anhaltspunkte: Die vor mehr als einem Jahr vor allem von Wikileaks-Aktivisten gegründete „Courage Foundation“, die Whistleblowern vor allem finanziell helfen will, bat Ende September um Unterstützung. Eine Quelle, die wichtige Informationen über das amerikanische Geheimdienstprogramm an US-Medien weitergeleitet habe, brauche jetzt Beistand.



Snowden: nicht der einzige Whistleblower bei den US-Geheimdiensten

Am Ende des Dokumentarfilms „Citizenfour“, der am Freitagabend in New York Premiere hatte und sich mit den Enthüllungen Edward Snowdens beschäftigt, ist der Journalist Glenn Greenwald zu sehen, der Snowden in Moskau etwas kryptisch über eine zweite Quelle bei der NSA berichtet. Nach Informationen dieser Quelle würden von der US-Regierung 1,2 Millionen Menschen als potenzielle Bedrohung oder Verdächtige auf einer Überwachungsliste geführt. Diese Quelle, so Greenwald, sei im Rang höher, als Snowden es war.

Nun spielt der Rang in der Hierarchie eines Dienstes nicht immer eine Rolle, wenn es um den Wert von Dokumenten geht. Ein einfacher Beamter in der Registratur – das zeigt der jüngste Spionagefall beim BND – kann möglicherweise mehr liefern als ein Abteilungsleiter. Snowden jedenfalls, der keinen echten Rang hatte, nahm Millionen Dokumente mit, die mit „top secret“ gestempelt waren. Die Vorstellung, es gebe da noch mehr undichte Stellen, ist offenkundig für die Macher des US-Sicherheitsapparates eine Schreckensvorstellung und lässt die kritische Öffentlichkeit hoffen, noch mehr über das Innenleben der Dienste zu erfahren. Es gab in der Vergangenheit einige Enthüllungen, die darauf hindeuten, dass da außer Snowden noch mindestens einer ist. Das Portal The Intercept, das vor allem von Greenwald beliefert wird und jüngst über NSA-Agenten berichtete, die auch in Deutschland aktiv seien und auf das Manipulieren von Netzwerken und Geräten vor Ort spezialisiert seien, veröffentlichte im Sommer Geheimdokumente, die erst im August 2013 entstanden sind. Zu diesem Zeitpunkt lebte Snowden schon in seinem Exil in Moskau.

Eine vor knapp einem Jahr veröffentlichte Geschichte über eine NSA-Abteilung mit Namen „Access Network Technology“, die geheime Hintertüren in Computer-Hardware einbaue, soll ebenso wenig von Snowden stammen wie Dokumente über den geheimen Quellcode des Spähprogramms X-Keystone, mit dem Deutsche ausgespäht wurden. „Es scheint klar zu sein, dass es einen zweiten NSA-Informanten gibt“, twitterte Greenwald, nachdem WDR und NDR über den Fall im Juli berichtet hatten. Und: Auch der Bericht des Spiegel über das Abhören des Handys von Kanzlerin Angela Merkel soll nicht – oder zumindest nicht nur – auf Material basieren, das von Snowden stammt.

Wer immer da was wann abgegriffen hat: Es ist damit zu rechnen, dass bald neues Material auftauchen wird. Der Journalist George Packer vom New Yorker konnte eine Art Rohfassung des Films „Citizenfour“ sehen und beschreibt einen Dialog der Filmemacherin Laura Poitras mit ihrer Kollegin Mathilde Bonnefoy: Da sei noch eine Stelle, die müsse raus. Packer solle bitte mal wegschauen. Denn wenn das erscheine, könnte die Quelle möglicherweise identifiziert werden. Manches ist da auch großes Kino.

Gesprächsbereite Geheimniskrämer

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Wer bin ich? So heißt ein Spiel. Für Nachrichtendienstler ist es mit dem Sein und mit dem Bewusstsein noch schwieriger als für die übrige Menschheit. Denn zum Wesen jedes Geheimdienstes gehören Geheimnis und Geheimhaltung. Viele Mitarbeiter haben Decknamen und leben mit doppelten Identitäten. Sie pflegen ihre Anonymität. „Ama nesciri“ sagen die Lateinkenner unter den Geheimen.



Der Verfassungsschutz lebt von Geheimniskrämerei

Angesichts der in diesen Kreisen üblichen (und meist völlig überflüssigen) Geheimniskrämerei ist es also schon ziemlich erstaunlich, dass es dem Filmemacher Egmont R. Koch und dem Terrorismus-Experten Holger Schmidt gelungen ist, Nachrichtendienstler aus fünf Bundesländern vor die Kamera zu bekommen und zu ihrem Selbstverständnis sowie zum Versagen der Behörden im Fall der Terrorgruppe NSU zu befragen. Mehr als ein Dutzend Geheimdienstler treten in dem Film auf, das hat es noch nicht gegeben.

Handwerklich gingen die beiden Journalisten, die sich im Film mit Kommentaren zurückhalten, nach der alten Sammelmethode vor: Wenn man einen hat, kommen andere nach. Den Durchbruch ermöglichte die Leiterin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes, Beate Bube, die es den Fernsehleuten nach etlichen Vorgesprächen erlaubte, in der Behörde Quartier zu beziehen, damit sie Verfassungsschützer befragen konnten. Jeder, der sich meldete, kam vor die Kamera. Koch und Schmidt hatten eine Maskenbildnerin, Perücken, Brillen, Bärte mitgebracht, damit zumindest die operativen Mitarbeiter nicht erkannt werden können.

Nachdem Stuttgart derart mitmachte, war der Durchbruch geschafft. Auch das Landesamt in Sachsen agierte sehr offen. Den roten Faden spinnt der Diplom-Politologe Winfried Ridder. Der Pensionär war früher Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz. Er ist in der Szene umstritten. Manche Journalisten und Politiker schätzen ihn, sie nutzen seinen beruflichen Hintergrund und finden es gut, dass dieser Ex-Geheime auch sehr provokant sein kann. Für manche Hierarchen in den Behörden ist er der Gegner. So machte das Bundesamt für Verfassungsschutz offenkundig seinetwegen nicht mit. Der Inlands-Nachrichtendienst sei „in einer desolaten Verfassung“, lautet Ridders erster Befund. „Wenn es nicht einen radikalen Umbau gibt, dann wird er keine Perspektive haben.“ Und er wird nicht versöhnlicher.

Im Fall NSU haben alle eingeschalteten Behörden versagt, der Verfassungsschutz im Osten besonders: „Dass man solche Stockfehler gemacht hat, das ist schon erstaunlich, wirklich erstaunlich“ sagt eine Leiterin der Beschaffung. „Das Nichtentdecken des NSU-Komplexes als solches würde ich nicht als Versagen des Verfassungsschutzes bezeichnen“ widerspricht ein Hierarch aus Stuttgart. Einer vom Geheimschutz erklärt, das Thema habe in seinem „privaten Bekanntenkreis wie auch beruflich nie eine Rolle gespielt“. Er hat offenbar ein besonderes Rollen-Problem.

Ein leitender Mitarbeiter des Brandenburger Dienstes berichtet, „im Kollegenkreis sei die Idee geboren“ worden, sich bei den Familien der Opfer für die „Nichtaufdeckung der Terrorzelle zu entschuldigen“. Diese Initiative sei dann von einem Vorgesetzten abgeblockt worden. „Die Geste“ mit der Entschuldigung, „die finde ich wundervoll“, meint eine niedersächsische Beamtin. „Nein, ich würde mich nur entschuldigen, wenn ich mir einen Fehler vorzuwerfen“ hätte, widerspricht ein Kollege Geheimdienstler.

Dann geht es in dem Film um V-Leute, an sich, um das Führen von manchmal sehr dubiosen Quellen, und Ridder deutet auf den wunden Punkt: „Wer führt hier eigentlich wen in diesen engsten, fast symbiotischen Verbindungen, die sich zwischen V-Mann einerseits und V-Mann-Führung“ bei einer langjährigen Zusammenarbeit ergeben? Er will ein neues V-Mann-System.

Nächste Frage: Ist Edward Snowden ein Verräter? Zweimal ja, zweimal nein. Dann geht es um die Feinheiten und Grobheiten des Berufs, und der Zuschauer lernt, dass auch manche Nachrichtendienstler ihre Arbeit gern tun. „Wir werden zum Teil maßlos über- und zum Teil maßlos unterschätzt“ sagt Gordian Meyer-Plath, Chef des Verfassungsschutzes Sachsen.

Die einfachste und schönste Aussage im Film stammt von einem ehemaligen Observanten, der gefragt wird, was die Arbeit für ihn attraktiv mache: „das Beamtenverhältnis“. Das sei „doch nicht von der Hand zu weisen“. Werde, der du bist – das hat schon Nietzsche gemeint.

Sand im Getriebe der Festplatten

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Als Jaron Lanier am Sonntagvormittag in die erste Reihe der Frankfurter Paulskirche eskortiert wurde, schien alle Farbe aus seinem Gesicht zu weichen. Es lag wohl nicht nur an dem seltsam steifen, aus der Zeit gefallenen Raum, sondern auch daran, dass seine Familie mit den Deutschen bisher vor allem als Mördern zu tun hatte. Die meisten seiner Angehörigen starben in Konzentrationslagern. Umso skandalöser war es, wie sowohl die Laudatoren Heinrich Riethmüller, Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, als auch Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, sich ausgerechnet bei dieser Veranstaltung über deutsche Geschichte hinwegmogelten: Seine Familie hatte „unter der Verfolgung gegen Juden zu leiden“, schönte Schulz unbekümmert als ginge es um Diskriminierung am Arbeitsplatz, aber das natürlich im edelsten Gedenk-Bass, der für solche Anlässe obligatorisch ist. So musste dann der nach Luft schnappende Lanier in seiner so brillanten wie bewegenden Rede selbst auf das wahre Ausmaß der Familientragödie hinweisen. Dann erklärte er, warum ausgerechnet ein Internetkritiker wie er den Friedenspreis bekommen habe: Nicht nur weil die Ideologen des Silicon Valley mit ihrem Herrschaftsanspruch immer arroganter über viele zivilisatorische Leistungen der Menschheit trampeln und dafür noch gefeiert werden. Sondern auch, weil das Netz wie kein anderes Medium vor ihm das Zeug habe, eine Rudelmentalität zu befördern, deren extreme Folgen man im Dritten Reich erlebt habe. Die Polemik, die Lanier selbst und der Jury für ihre angeblich rückwärtsgewandte, zukunftsfeindliche Entscheidung entgegenschlug, sprach darüber Bände.



Digitalforscher und Erfinder der "Virtual Reality": Jaron Lanier, Preisträger des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Doch das war nur einer von vielen Punkten in Laniers Rede. In einer 40-minutigen Breitseite gelang es dem Pionier der Virtual Reality, dem Digitalforscher und bedeutendsten Kritiker der Allmachtansprüche des Silicon Valley, mehr über unsere digitale Gegenwart und Zukunft zu sagen als alle Leitartikel der letzten Jahre zusammen. Noch immer glaube er an viele Hoffnungen, die sich mit der neuen Technologie verbinden. Doch was er fürchte, sei die Tatsache, dass die digitale Revolution zu einem „fast metaphysischen Projekt“ überhöht werde – „Und das, nachdem so viele Götter versagt haben.“

Lanier ließ bei seiner atemlosen tour d’horizon kaum einen Aspekt aus: Er würdigte Edward Snowden, aber erinnerte das eifrig klatschende Publikum daran, dass wir übergriffige Staaten weniger zu fürchten hätten als Konzerne, deren Macht schneller wachse als die staatliche. Er zerlegte die Lebenslügen und Propagandamythen der „Sharing Economy“, die in Wahrheit auf Ausbeutung und auf einem Verlust an Institutionen und Regeln beruhten, für deren Existenz die Menschheit lange gekämpft hatte. „Wenn digitales Networking auf der Zerstörung von Würde beruht, seid ihr nicht gut in Eurem Fach. Ihr betrügt!“ Lanier verteidigte das gedruckte Buch und das Urheberrecht überzeugender als alle Branchenleute während der Buchmesse.

Gewidmet hatte der Preisträger seine Rede Frank Schirrmacher, der seit seinem Tod kaum je so gefehlt hatte wie bei dieser Veranstaltung. Wie gerne hätte man die Laudatio von ihm gehört statt von Martin Schulz. Dessen Forderungen nach einem „TÜV“ und „Gütesiegel“ für das Netz und einem „Ethikrat“ für technische Innovationen waren gut gemeint, wirkten aber unendlich weltfremd. Und überhaupt: Mach es doch!, wollte man ihm zurufen. Rätselhaft, warum der Börsenverein ausgerechnet einen EU-Bürokraten mit dieser Laudatio betraute.

Wie Schulz führte auch Riethmüller unfreiwillig vor, dass hinter der Wahl von Lanier Missverständnisse standen – und eine beunruhigende Gegenwartsferne. Günter Eich in Ehren, aber den Dichter, wie Riethmüller es tat, nach etlichen Zwecken nun auch noch gegen Auswüchse der Digitalkultur zu bemühen („Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt!“), das wird nicht helfen. So leicht kann es sich die deutsche Kulturelite nicht machen.

Auch Lanier ist dem Pathos keineswegs abgeneigt. Er fordert nicht weniger als einen „neuen Humanismus“ für das Digitalzeitalter. Als er seine Rede, den Tränen nahe, mit dem Appell beendete „Lasst uns das Erschaffen lieben!“ – gemeint war übrigens nicht die „Schöpfung“, wie es in der gedruckten Übersetzung hieß – dann nahm man es ihm ab. Was er meinte, führte er selbst vor: Auf einer laotischen Khaen-Flöte pfiff er einige brüchige, fremde Melodien, Töne, wie man sie nie gehört hatte: ein kleines Beispiel für die Sorte menschlicher Kreativität, die immer mehr sein wird als ein Satz Daten.

Gefühlssache

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Zunächst konnte Elisabeth Pertl gar nicht glauben, was sie da im Internet las. Damals, im Januar dieses Jahres, war TTIP den meisten Menschen unbekannt. Und Pertl fragte sich, warum. Noch am gleichen Abend stellte sie auf der Internetseite des Bundestags die Petition 48994 ein. Darin heißt es: „Der Deutsche Bundestag möge die Bundesregierung auffordern, sich gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA auszusprechen.“



Vergangenen Samstags protestierten Gegner deutschlandweit gegen das TTIP

Knapp neun Monate später ist die 21-Jährige auf dem Weg nach Berlin, denn an diesem Montag diskutiert der zuständige Ausschuss über ihre Petition. Die dazu nötige Zahl von 50 000 Unterschriften wurde weit übertroffen.

Ihre Biografie ist typisch für viele TTIP-Kritiker: Sie war noch nie auf einer Demo, gehört keiner Partei an. Aber das Freihandelsabkommen mit Amerika, das lässt ihr keine Ruhe. Aufgewachsen ist Pertl dort, wo Bayern aussieht wie im Werbeprospekt: im Chiemgau, in einem Dorf mit 500 Einwohnern. Ihre Eltern hätten einen Naturlandhof, die Alm liege im Naturschutzgebiet, erzählt sie. „Von TTIP würden vor allem die großen Firmen profitieren, und der Druck auf die kleinen Bauern ist schon groß genug. Viel Saatgut ist heute schon hochgezüchtet“, sagt sie.

Abkommen wie TTIP oder der Ceta-Vertrag mit Kanada beschleunigten den Trend zu mehr Profitgier und noch mehr Globalisierung. Die Zulassung von Genmais in der EU sei doch auch beschlossen worden, obwohl die große Mehrheit der Bürger dies ablehnt. „Wozu brauchen wir all das? Uns geht es doch gut genug.“

Pertl sitzt neben einer Voliere, in der sich drei schwarze Schreitvögel mit krummen roten Schnäbeln befinden. Mit diesen und weiteren Waldrappen hat Elisabeth Pertl ihren Sommer verbracht. Drei Monate lang hilft sie, die Zugvögel in Europa anzusiedeln. Sie übernachtet in einem Campingwagen, duscht sich mit dem Gartenschlauch – und ist glücklich. Sie weiß, dass ein Bürojob nichts für sie ist.

„Ich habe von meinen Eltern mitbekommen, dass man sich informieren soll und es okay ist, sich aufzuregen, wenn einem was nicht passt“, sagt sie. Ihr zum Beispiel passt nicht, dass Unternehmen künftig das Recht haben sollen, vor Schiedsgerichten zu klagen, wenn sie sich um Gewinne betrogen fühlen. Wobei Pertl – und auch das ist typisch für viele TTIP-Kritiker – den komplexen Mechanismus nicht genau erklären kann und den genauen Stand der Verhandlungen über diesen Punkt des Abkommens nicht kennt. Es geht weniger um Fakten als um das Gefühl, dass hier etwas in die falsche Richtung läuft.

Sie steht zu ihrer Naivität ebenso wie zu ihrem Engagement. Die Regularien einer Petition sehen vor, dass derjenige, der sie eingereicht hat, 30 Minuten vor dem Ausschuss seine Bedenken vorträgt und danach mit den Bundestagsabgeordneten diskutiert. Als ihr ein Bekannter das erklärt hat, sei sie erschrocken. „Ich will der Sache gerecht werden und habe selbst nicht die Zeit, mich in alle Details einzuarbeiten.“ Pertl ist selbstbewusst, aufmerksam und schlagfertig, doch sie fühlt: „Das ist eine Nummer zu groß.“

Wochenlang ringt sie mit sich, berät mit Freunden und Familie. Gerade erst hat sie ihr Studium begonnen, sie will sich auf Naturschutz und Umweltplanung spezialisieren. „Die Uni ist mir gerade am wichtigsten, darauf will ich mich konzentrieren“, sagt sie. Und so wird Elisabeth Pertl nun mit vielen Freunden bei der Anhörung von Petition 48994 dabei sein, aber nicht ans Rednerpult treten. Die Angst, sich zu verhaspeln oder etwas Falsches zu sagen, ist zu groß. Sie wird einen Bekannten für sich sprechen lassen. Für sich und die vielen Unterzeichner.

Tagesblog - 13. Oktober 2014

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10:00 Uhr: Vor der Konferenz noch fix:Der Studentenatlas für Berlin ist ab heute online. Da ich da auch mitgewirkt habe, dürft ihr mich auch beschimpfen, wenn was nicht stimmt!




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09:35 Uhr: Mein neues Haustier sagt euch auch guten Morgen:




++++

09:20 Uhr:
Guten Morgen! Die Doppelmoderation Haunhorst & Biazza (ich für die Emotionen, er für die Gags, oder umgekehrt?) hat sich ja stets bewährt deshalb meldet sich ersteinmal Haunhorst zum Dienst! Okan tickert heute für euch über Gegenstände, denen man Namen gibt - zum Beispiel Gitarren, Brüste und Autos. Letztere verstehe ich gut, mein Auto hatte auch immer einen Namen, der stand allerdings auch auf dem Kennzeichen...


Aber hier leben: wovon nur?

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Dieses Interview ist Teil vom Studentenatlas "Berlin" von jetzt.de und sueddeutsche.de. Infos über den Atlas und weitere Studentenstädte bekommst du hier.



Jürgen Morgenstern ist Pressesprecher beim Studentenwerk Berlin. Seit zwölf Jahren arbeitet er bereits für das Studentenwerk und hat zuvor selbst in Ostberlin studiert. Die Stadt hat sich aus seiner Sicht seitdem massiv verändert.


Herr Morgenstern, Berlin boomt. Jährlich ziehen 50.000 Menschen hinzu, davon sind 5000 Studenten. Welche negativen Folgen hat dieser Hype?

Jürgen Morgenstern: Im vergangenen Wintersemester gab es etwa 160.000 Studierende in Berlin, diese Zahl wächst stetig. Wohnheimplätze sind deshalb so gefragt, wie noch nie. Im Augenblick stehen 2200 Studierende auf der Warteliste, denn unsere 9400 Wohnheimsplätze sind einfach alle belegt. Dass diese Studierenden zum kommenden Wintersemester noch ein Zimmer bekommen, ist quasi ausgeschlossen.  

In München muss man teilweise mehrere Jahre auf einen Wohnheimsplatz warten. Erreicht Berlin langsam Münchner Verhältnisse?

Die Wohnanlagen in angesagten Wohngegenden wie Kreuzberg, Friedrichshain und Mitte oder in der Nähe der Universitäten sind natürlich gefragter als die am Stadtrand. Im Stadtzentrum muss man teilweise zwei Jahre auf einen Platz warten. Bei unserem Wohnheim am Kreuzberger Wassertorplatz, das ist ein richtig schicker Altbau aus der Gründerzeit, hat man fast keine Chance reinzukommen.  

Was unternimmt die Stadt dagegen?

Uns ist Anfang 2013  von der Politik versprochen worden, 5000 neue Wohnheimsplätze für Studierende zu schaffen. Nun sind eineinhalb Jahre vergangen und es gibt keinen einzigen neuen Platz. Allerdings gibt es Pläne für ein neues Wohnheim, in dem 200 Studierende wohnen könnten. Wenn in diesem Tempo die 5000 neuen Wohnheimsplätze geschaffen werden, profitieren vielleicht die Enkel unserer Kinder davon.  




Jürgen Morgenstern

Dabei galt Berlin doch lange als Wohnungsparadies. Was hat sich verändert?
Berlin hat lange von den Folgen der deutschen Teilung profitiert. In der ehemaligen DDR wurden alle Studierenden mit Wohnraum versorgt, die Mieten waren niedrig. Viele haben sich deshalb sogar zwei Wohnungen geleistet. Nach der Wende sind viele Menschen zusammengezogen, auf einmal war massig Wohnraum vorhanden. Deshalb war es in Berlin bis Mitte der Nuller-Jahre auch kein Problem, als Student eine Wohnung zu finden. Doch mittlerweile wollen alle nach Berlin. Der Wohnraum wird immer knapper und teurer, die Gentrifizierung nimmt zu. Studenten konkurrieren in früheren Studentenvierteln mit Berufstätigen auf dem Wohnungsmarkt, das macht es schwerer. Deshalb ziehen sie um in neue Viertel, zum Beispiel den Wedding oder Neukölln. Wer das nötige Kleingeld hat, findet natürlich trotzdem etwas.  

Berlin ist in vielen Bereichen ja auch eine tolle Stadt. Es gibt viel Kultur, Ausgehmöglichkeiten, internationale Kontakte... Was allerdings fehlt, sind Jobs. Schreckt das nicht ab?

Darum geht es ja erstmal nicht. Die Leute interessieren sich erst einmal nur für ihr Studium. Das mit den Jobs wird dann allerdings zum Problem: Unseren Erhebungen zufolge finanzieren sich 60 Prozent der Berliner Studierenden mit Nebenjobs. Die werden allerdings seit ein paar Jahren immer seltener. Unsere studentische Arbeitsvermittlung „Heinzelmännchen“ hat vergangenes Jahr 5000 Jobs weniger anbieten können als noch vor zwei Jahren. Etwas zu finden, das mit den engen Zeitvorgaben im Bachelor- und Masterstudium zusammenpasst, ist dementsprechend eine ziemliche Herausforderung.  

Gerade weil alle nach Berlin wollen, haben viele Fächer einen extrem hohen NC. Ist die Stadt voller Streber? Oder eher voller Gammler, die sich ihre Zeit mit Feiern vertreiben, bis sie einen Studienplatz bekommen?

Beides. Manche haben Probleme, eine Balance zwischen Studieren und Feiern zu finden. Durch die hohe NC-Quote haben wir aber auch viele Studierende mit sehr guten Schulabschlüssen, die extrem leistungsorientiert sind. Die Studienabbruchquote ist deshalb in Berlin sehr niedrig. Berlin ist also nicht, wie man vielleicht meinen könnte, die Stadt der Gammelstudenten.  

Was sind Berlin-typische Probleme, mit denen Studierende zu Ihnen in die psychologische Beratung kommen?

Die Anonymität der Großstadt ist ein großes Problem. In Berlin kann jeder sein Privatleben so gestalten, wie er möchte. Da beobachtet einen kein Nachbar durch die Gardine. Da ist die Stadt toll, liberal und großzügig. Für Menschen, die Halt und Orientierung brauchen, ist das aber auch schwer. Manche fühlen sich alleine, wissen nicht, wo sie andere Leute kennenlernen können. Hinzu kommt das Problem, sich in einer derart großen Flächenstadt wie Berlin zurechtzufinden. Man kann in Berlin häufig nicht fix zur Hochschule laufen, sondern sitzt lange in öffentlichen Verkehrsmitteln.  

Wie kann ich denn rausfinden, ob Berlin als Uni-Stadt für mich geeignet ist?

Man muss sich vorher einfach einmal sorgfältig mit der Stadt auseinandersetzen. Sich bewusst machen, dass Berlin natürlich toll, hip und sexy ist. Aber gleichzeitig auch schnodderig, arm und anonym. Damit kommt nicht jeder zurecht.

Kosmoshörer (Folge 36)

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Montag:
Montags früh aufstehen ist immer schwierig. Seitdem ich ein Badradio habe, geht es deutlich leichter. Auf Bayern 3 läuft beim Duschen "Brother" von den Mighty Oaks.

https://www.youtube.com/watch?v=wqzlJb7hTsc

Gut zum Wachwerden und gut gelaunt in den Tag starten.

Dienstag:
Ich war seit gestern Abend bei meiner Schwester in der bayrischen Provinz, um auf ihre Kinder aufzupassen. Heute fahre ich früh wieder zurück in die Stadt und höre in der S-Bahn (so wie fast immer) ein Hörbuch. Zurzeit ist es das „Rosie-Projekt“ von Graem Simsion.

Das ist für mich ungewöhnlich, weil ich sonst eher deutsche und skandinavische Thriller lese und höre. Da aber der großartige Robert Stadlober liest, musste ich einfach reinhören. Es ist, als würde man Sheldon Cooper dabei zuhören, wie er eine Frau sucht. Ab und zu muss ich aufpassen, dass ich nicht in der Bahn laut lache.

https://www.youtube.com/watch?v=7mlnylLXHTY

Abends komme ich total kaputt von der Uni nach Hause. Beim Duschen läuft:

https://www.youtube.com/watch?v=9Ee09FTKQGo

Das erinnert mich an letzten Dienstag, als ich etwa um dieselbe Zeit das Lied mit meiner Schwester im Bierzelt gegrölt habe.

Mittwoch:
Ich habe wenig Zeit, weil: viel zu tun an der Uni. Die neuen Erstsemester kommen und wollen bespaßt werden. In einer kurzen Mittagspause komme ich aber doch dazu, endlich in meine Crowdfunding-Belohnung reinzuhören.





Nachdem ich Anfang September schon beim Filmpremierenkonzert von "Der Tag wird kommen" in Hamburg war, kam am Wochenende nun auch die Live-CD von Marcus Wiebusch. Da es mein liebstes Lied "Springen" nicht in akzeptabler Qualität im Netz zu finden gibt, müsst ihr jetzt das zweitliebste hören:

https://www.youtube.com/watch?v=KSzWbQaMbhM

Donnerstag:
Nach viel zu wenig Schlaf in den letzten Tagen vegetiere ich heute unnütz vor mich hin, schlafe mittags und bin trotzdem müde. Ich habe keine Lust auf meine gewohnte Playlist und schalte das Radio ein. Dort läuft als erstes Lied irgendwas von Nickelback. Nicht so meins.

Dann kommt schon wieder Werbung und dann Nachrichten. Läuft ja super. Frustriert wechsle ich zu Antenne Bayern. Auch Werbung. Ganz toll. Dann eben ein Lied für euch, das ich neulich im Radio gehört habe:

https://www.youtube.com/watch?v=U4b9xutZyws

Freitag:
Feiertag. Ich liege mit Kopfweh auf dem Sofa und bin zu nichts fähig. Eigentlich hatte ich ja überlegt, heut nochmal auf die Wiesn zu gehen, dann hättet ihr jetzt Wiesnhits ertragen müssen. (Anm. d. Red.: Aber wir waren auf der Wiesn – dementsprechend hat der Text eine Woche Oktoberfest-Verspätung. Wir bitten um Entschuldigung.) So habe ich tatsächlich keine Musik gehört. Bitte verzeiht.

Samstag:
Am Samstag bin ich immer noch Kopfschmerz geplagt. Trotzdem, der Haushalt ruft. Zum Wäscheaufhängen läuft:

https://www.youtube.com/watch?v=41GD4O7RJKU

Abends schaue ich "Wetten, dass..?" und verpasse wegen zu viel Fremdschämen den Auftritt von Tokio Hotel. Nicht, dass ich ein Fan wäre. Ich lebe da eher nach dem Motto: Kenne deinen Feind. Deswegen höre ich noch schnell in das neue Lied rein:

https://www.youtube.com/watch?v=8HEvF8QLoYY

Nicht so meins.

Sonntag:
Auch den Sonntag verbringe ich größtenteils ohne Musik. Allerdings ist der Abend mit 3 Stunden musikalischer Unterhaltung gefüllt. Ich habe den Lieblingsmenschen gezwungen, mit mir ins Musical zu gehen:

https://www.youtube.com/watch?v=jnL1ND0lC9o

Auf der nächsten Seite findest du den ausgefüllten Musikfragebogen von jbo007.[seitenumbruch]Gute Musik – was ist das für dich?
Gute Musik muss Spaß machen. In meinen Ohren melodisch sein. Gern auch mit-sing-bar.Meist bleibe ich bei Sängern mit interessanten Singstimmen hängen.

Wie hörst du Musik: Klassisch im CD-Spieler, auf dem Handy, über Streaming-Portale?
Früher hatte ich einen iPod. Seitdem ich ein cooles Smartphone-Kind bin, ist ein kleiner Teil meiner Mediathek auf dem Handy. Von einigen Musikern kauf ich aber dennoch die CDs, auch wenn ich sie sofort auf den PC ziehe.

Wo hörst du Musik? Vor allem unterwegs, nur daheim, zum Einschlafen?
Wie oben schon erwähnt, höre ich zurzeit meist Hörbücher, vorrangig in der U-Bahn. Aber auch, wenn ich abends nicht einschlafen kann. Zu Hause oder im Büro läuft keine Musik.

Hast du eine Lieblingsband oder Musiker, von denen du alles hörst?
Es gibt einige Musiker bzw. Bands, von denen ich alle oder zumindest viele Alben habe. So hatte ich z.B. eine Jack Johnson-Phase; jetzt mag ich ihn zwar immer noch, höre ihn aber selten. Zurzeit läuft eher deutsche Musik, wie der schon erwähnte Marcus Wiebusch, aber auch Thees Uhlmann und der Rest vom Grand Hotel van Cleef.

Ansonsten finden sich auf dem Handy noch: Udo Lindenberg, Postal Service, Vampire Weekend, The Killers und Sunrise Avenue. Wen ich ja auch super finde, sind die Jungs von BossHoss. Von denen hab ich auch alle Alben. Wie ihr merkt, bin ich eben mehr so'n Charts-Kind.

Welche Musik magst du gar nicht und warum?
Techno. Geht gar nicht. Find ich unmelodisch. Ist eben einfach nicht meins.

Was war deine erste eigene Platte – und wohin ging dein Musikgeschmack von da aus?
Puh. Vermutlich NSYNC oder sowas. Ich war und bin eben schon immer so ein Top 100 Hörer.

Gehst du gern auf Konzerte, und auf welche zuletzt?
Konzerte? Ich? Ich mag doch keine Menschen. Erst recht nicht in meiner unmittelbaren Nähe. Ich war in meinem Leben auf 3 Konzerten:

1. Herbert Grönemeyer in der Wuhlheide Berlin. Das war gut, weil wenig Menschen direkt um mich herum. (Die Karten waren geschenkt. Bezahlt hätte ich dafür nichts.)
2. Das jetzt.de-Parkbankkonzert mit Tex und Lasse. Das war gut, weil wenig Menschen und viel Platz im Englischen Garten.
3. Das Filmpremierenkonzert von Marcus Wiebusch. Das war gut, weil ich in netter Begleitung war, die immer aufgepasst hat, dass ich mich nicht von Menschen bedrängt fühlte.

Wie entdeckst du neue Musik und was ist deine neueste Entdeckung?
Meist übers Radio. Meine neueste Entdeckung abseits vom Radio sind Young Rebel Set:

https://www.youtube.com/watch?v=Un1ClCxmSuU

Verrate uns einen guten Song zum...
Aufwachen:
Ich wache morgens immer damit auf:

https://www.youtube.com/watch?v=MU-mjwNA8WA

Tanzen:
Tanzen? Ich?

Traurig sein:

https://www.youtube.com/watch?v=byVA-YfNxds

Sport treiben:
Sport? Ich?

Als nächsten Kosmoshörer wünsche ich mir:
lemongreen, weil alle anderen ja schon dran waren.

Alle Kosmoshörer findet ihr wie immer gesammelt hier:
Kosmoshörer

Möchtest du auch Kosmoshörer werden und deine Musik-Gewohnheiten dokumentieren? Dann schreib eine jetzt-Botschaft an simon-hurtz oder eine Mail an simon.hurtz@sueddeutsche.de

Verbandelt

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Till geht Felix „öfter mal auf den Sack“. Das sagt er selbst. Früher, da habe Felix sich vom Großvater Basketballspiele aufzeichnen lassen „fünftausend Stunden lang, und dann saßen wir auf dem Sofa und ich habe Felix so lange genervt, bis wir uns geprügelt haben – das war mir lieber als diesens langweilige Basketball anzugucken!“ Das Problem war, dass beide etwas machen mussten, was nur einer machen wollte. Heute wollen beide Musik machen. Felix und Till Brummer, 23 und 25 Jahre alt, sind Brüder aus Chemnitz, die sich früher vor Opas Fernseher gestritten haben. Und sie sind Frontmann und Bassist der Indierock-Band Kraftklub, deren neues Album vor drei Wochen auf Platz eins der deutschen Albumcharts eingestiegen ist.

Bands, in denen Geschwister gemeinsam spielen, gibt es oft, quer durch die Popgeschichte: Bee Gees, Jackson 5, AC/DC, Dire Straits, Bangles, New Kids on the Block, Radiohead, Oasis, Kings of Leon, Arcade Fire. Und das sind nur einige der bekanntesten. Es gibt sogar eine Band, die so getan hat, als bestünde sie aus Geschwistern: die White Stripes. Bis US-Medien aufdeckten, dass Jack und Meg White tatsächlich mal eine Familie waren – allerdings als Ehepartner. Vielleicht haben sie die Geschichte erfunden, weil sie sich ähnlich sehen und den gleichen Nachnamen haben. Vielleicht aber auch, weil es eine besondere Aura hat, wenn Geschwister zusammen arbeiten. Eine emotionale, rührende Ebene.

Geschwister sind unsere ersten Freunde und unsere ersten Feinde. Mit ihnen üben wir streiten und verzeihen, sich verbünden und sich trennen. Sie prägen uns und wir prägen sie. Sind das die perfekten Partner, um Kunst zu machen? Die besten Bandkollegen, weil man weiß, was man aneinander hat? Oder eigentlich die schlechtesten, weil die natürliche Konkurrenz so groß und die emotionale Verbindung so vorbelastet ist?


Till (links) und Felix (Mitte) sind Brüder und spielen beide in der Band Kraftklub. Jeder macht dort sein eigenes Ding.

Till und Felix sind zufällig in einer Band gelandet. Till spielt Gitarre, seit er neun ist. Bevor Kraftklub 2010 gegründet wurde, war er bereits in einer Indierock-Band. Felix fand erst mit 16 zur Musik, aber zu anderer: er rappte. Bei einer Hip-Hop-Veranstaltung in Chemnitz arbeiteten beide das erste Mal zusammen. Das war der Grundstein für Kraftklub, Felix stieß zu Tills bereits vorhandener Band dazu.

Musik verträgt Emotionalität besser als ein Familienunternehmen, das Kaufhäuser führt


„Es ist relativ selten, dass Geschwister sich zusammentun“, sagt Hartmut Kasten, Professor für Psychologie an der LMU München und Experte für Geschwisterbeziehungen, „es ist eher die Regel, dass sie sich voneinander abgrenzen, weil sonst Neid aufkommen kann. Vor allem, wenn sie das gleiche Geschlecht und einen geringen Altersunterschied haben.“ Gleiches Geschlecht und geringer Altersunterschied bedeuten nämlich oft auch: große Ähnlichkeit. Und weil der Mensch Kasten zufolge dazu neigt, sich vor allem mit denen zu vergleichen, die ihm ähneln, messen sich Geschwister umso mehr aneinander, je ähnlicher sie sich sind.

Umso erstaunlicher, dass viele Geschwister in Bands das gleiche Geschlecht haben und etwa gleich alt sind. So wie Felix und Till. Manche Wissenschaftler denken allerdings, dass das Vergleichen ein biologischer Impuls und der Motor des Fortschritts ist. Eine Geschwisterbeziehung mit Konkurrenz kann also eine gute Grundlage für eine Band sein – auch, wenn es dann schnell emotional wird. Musik verträgt Emotionalität besser als ein Familienunternehmen, das Kaufhäuser führt. Es kann aber auch enden wie bei den Gallagher-Brüder von Oasis: im Riesenstreit. Vielleicht waren sie sich zu ähnlich. Wenn man sie anschaut, müsste man sagen: ja.

Till und Felix sehen sich nicht besonders ähnlich. Entscheidend ist aber am Ende sowieso nicht die genetische, sondern die subjektiv empfundene Ähnlichkeit, sagt Professor Kasten: „Auch, wenn sich zwei Geschwister äußerlich extrem gleichen – wenn sie sich nicht als ähnlich erleben, haben sie wenig Grund, sich zu streiten.“ Die Grundlage dafür legen die Eltern. So wie sie die Beziehung der Kinder moderieren, so sehen diese sich auch selbst. Das ist entscheidend für späteren Lebensweg. Weil Till und Felix lange unterschiedliche Musik machten, blieb die Konkurrenz im Rahmen. Und auch jetzt macht jeder das, was ihm liegt: Felix hat keine Lust, eine Bassgitarre zu spielen, Till hat keine Lust, Frontmann zu sein. Felix singt seine eigenen Texte, Till spielt auf dem Bass, was er sich ausgedacht hat. Bei den Gallagher-Brüdern war das anders: Noel schrieb die Songs für Liam. Für die Brummer-Brüder unvorstellbar: „Wenn Till mich jeden Abend vorne rumhampeln sehen würde, mit Songs, die er sich aus dem Herz gewrungen hat, und ich krieg dafür die BHs zugeworfen – ich kann mir vorstellen, dass das ans Ego geht“, sagt Felix. Obwohl jeder dem anderen seinen Bereich lässt, sind die beiden im Umgang miteinander nicht auffallend sensibel. Der Ton ist eher rau. Sie wissen ja, wie weit sie dabei gehen können. „Vielleicht ist es ein Jungs-Ding, dass man nicht immer gleich in Tränen ausbricht, wenn man mal angefurzt wird“, sagt Felix, „mit unseren zwei Schwestern können wir nicht so reden.“



Beim Hamburger Elektropop-Duo Hundreds sind die Rollen klar: Philipp ist Evas große Bruder.

Zwischen Till und Felix gibt es auch kein Autoritätsgefälle, kein „kleiner-Bruder-großer-Bruder.“ Beim Elektropop-Duo Hundreds aus Hamburg istdas anders: Hundreds besteht aus Bruder und Schwester, Philipp und Eva Milner. Er ist 38, sie 33. Philipp macht schon lange Musik. Vor etwa zwölf Jahren hat er Eva gefragt, ob sie in seiner Band singen möchte. Sie sagte nein. Philipp war enttäuscht. Aber er hat immer wieder nachgefragt, weil er sie für die bestmögliche Besetzung hielt. 2010 hat sie sich getraut. „Ich war am Anfang immer super aufgeregt, aber Philipp hat mir sehr geholfen“, sagt Eva.

Philipp war immer der große Bruder, auch wenn das mit den Jahren weniger geworden ist. Sie haben schon als Kinder kaum gestritten, es war ja immer klar, wer der Stärkere ist. Er hat eher auf Eva aufgepasst, als dass er mit ihr gespielt und in Konkurrenz getreten wäre. Und als sie 13 war, hat er ihr das erste Album von Björk in die Hand gedrückt und so ihren Musikgeschmack geprägt.

Zwischen zwanzigstem und dem vierzigstem Lebensjahr haben Geschwister statistisch gesehen am wenigsten miteinander zu tun



Ein solches Wegweisen durch den Älteren kann die familiäre Beziehung auf eine andere Ebene heben. „Wenn man in die Pubertät eintritt, beginnt die Zeit der Peer-Kontakte“, sagt Professor Kasten, „wenn das ältere Geschwister das jüngere in die Peer-Group einführt, ihm beim Erwachsenwerden hilft und sie dann noch eine Leidenschaft wie die Musik teilen, kann es einen harmonischen Übergang von der Geschwisterschaft in eine gemeinsame Peer-Group geben.“ Die gemeinsame Peer-Group ist vielleicht auch der Grund dafür, dass die Beziehungskurve bei Geschwistern in Bands anders verläuft als in den meisten anderen Familien.

Zwischen dem zwanzigsten und dem vierzigsten Lebensjahr haben Geschwister statistisch gesehen am wenigsten miteinander zu tun, weil jeder mit sich selbst, dem Berufsstart, der Partnerfindung und der Familienplanung beschäftigt ist. Das Verhältnis ist in dieser Zeit weniger eng als in der Kindheit und Jugend – und entspannter als später, wenn die Eltern gebrechlich werden oder es ums Erbe geht. Das Alter zwischen zwanzig und vierzig ist aber meist auch die Zeit, in der Menschen Bands gründen und sie zum Erfolg führen. Also eine Zeit der intensiven Zusammenarbeit. Und des engen Zusammenlebens. Tage im Studio. Nächte im Tourbus oder im Hotel. Und natürlich: Abende auf der Bühne. So viel Nähe, vor allem in einer Zeit, in der man sich eigentlich von der Familie abnabelt, birgt natürlich Konfliktpotenzial. Damit muss man umgehen lernen. „Weil wir uns so gut kennen, wissen wir, was der empfindliche Punkt beim anderen ist“, sagt Eva von Hundreds, „das kann man natürlich für sich nutzen.“ Wenn man ein künstlerisches Projekt vorantreiben will, kann es aber auch Vorteile haben, zusammen aufgewachsen und erzogen worden zu sein. „Viele Konflikte entstehen gar nicht erst, weil wir gemeinsam sozialisiert wurden“, sagt Eva, „wir haben einen ähnlichen Blick auf die Welt und die gleichen Werte.“
 
Vielleicht ist es so: Bandmitglieder sind sowieso immer ein bisschen wie Geschwister. Sie verbringen viel Zeit miteinander, oft auf engem Raum. Sie entwickeln sich zusammen. Jeder muss seinen Platz finden in einem Gefüge sich ähnlicher Menschen. Er muss Konflikte meistern, sich arrangieren. All das haben Geschwister trainiert. Wenn dazu ein Verhältnis ohne großes Konkurrenzempfinden und ein gemeinsames Interesse kommt, ist die Geschwisterbeziehung vielleicht die beste Basis für eine Band. Man muss ja eigentlich nur so weitermachen wie damals, als man in einem Haus wohnte, sich morgens das Bad geteilt und am Nachmittag zusammen gespielt hat. Die Band als Familie.

Aber scheitert, wenn die Band scheitert, auch die Familie? „Wenn alles den Bach runtergeht, sind wir immer noch zwei Brüder“, sagt Felix. „Wenn eine Band kaputtgeht, ist das eine Katastrophe“, sagt Philipp, „aber Angst, dass es danach zwischen uns schlechter laufen könnte, habe ich nicht.“ Bandkollege bleibt man nicht unbedingt für immer. Bruder oder Schwester schon.

Bandgeschwister spielen übrigens auch in einem Lied von Kraftklub eine Rolle. „Wenn du mich küsst“, singt Felix über eine Frau und Till spielt Bass dazu, „schreibt Noel wieder Songs für Liam!“ Oasis war so nämlich besser. Aber jede Familie ist anders.

Schämst du dich?

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Viele Menschen machen solche Meldungen betroffen. So wurde etwa bei SZ.de gestern Abend kein Text häufiger gelesen als dieser hier: „Wie Sie Flüchtlingen helfen können

Wie geht es dir, wenn du solche Meldungen liest? Lässt dich das kalt? Bist du wütend? Schämst du dich? Muss Deutschland, müssen wir diesen verzweifelten Menschen helfen? Oder hast du Verständnis für die harte Linie der australischen Regierung, die 23 Millionen Australische Dollar (ca. 16 Millionen Euro) in Kampagnen investiert, um Flüchtlinge fernzuhalten?


Viertelkunde: Berlin

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(Dieser Text erscheint im "Studentenatlas", ein Projekt von jetzt.de und SZ.de. Welche Studentenstädte dort bereits behandelt wurden, siehst du hier.Eine interaktive Berlin-Karte für Studenten findest du hier.)

Mitte


Das bekommst du hier: Designerklamotten, einen Sprachkurs beim Goethe-Institut, hippe Restaurants und Bars, Promis, Ost- und Westcharme, Bootstouren, Museumsinsel, eine lebendige Theaterszene, Blick vom Fernsehturm, Abhängen im Monbijoupark, Touristen, die lustige DDR-Souvenirs kaufen wollen
Das bekommst du hier nicht:
Ein Stadtschloss (dauert noch), Berliner Spelunken, fertige Radwege und U-Bahnstationen, den Pergamonaltar (die nächsten Jahre geschlossen), Schnäppchen im Second-Hand-Laden

Durchschnittsmiete:
10,70 Euro

Friedrichshain-Kreuzberg


Das bekommst du hier: Berlins einzige Verschmelzung von Ost und West zu einem Bezirk, Alarmsirenen, spontane Straßensperren, Gitarrenmusik, Drogen, günstiges Essen mit viel Auswahl, Demonstrationen, Anonymität, Laufnähe zum Berghain, Flüchtlingsdramen, Touristen, die Streetart fotografieren wollen, Gasleitungen über der Erde, Kanalfahrten, Fremdsprachenkenntnisse
Das bekommst du hier nicht
: Ruhe, Barfußlaufen im Park, eine gute Verkehrsanbindung an die Universitäten, einen Parkplatz für den BMW deiner Eltern, schnelles Umsteigen an der Warschauer-Straße, standardmäßig eine verständliche Speisekarte

Durchschnittsmiete:
9,10 Euro/qm (Kreuzberg) bzw. 9,30 Euro/qm (Friedrichshain)

Neukölln


Das bekommst du hier: Sehr gutes, günstiges Essen, eine Stammkneipe, umfangreiche Fremdsprachenkenntnisse, einen Laufsteg für deine Jogginghose, Nähe zum Tempelhofer-Feld, eine alternative Kunstszene
Das bekommst du hier nicht:
Alte Offizierswohnungen mit Flügeltüren, High Fashion, Kinderwagenparkplätze, Gelegenheit, dein schickstes Outfit auszuführen, gepflegte Parkanlagen

Durchschnittsmiete: 8,30 Euro/qm

Tempelhof-Schöneberg


Das bekommst du hier: Deutschlands bekannteste Brachfläche in einer Großstadt, Übung im Drachenlenken, Blick auf das Gasometer, Instagram-Bilder im Gegenlicht, Kürbisfeste, top-renovierte Altbauten neben 60er-Jahre-Architektur, den Park am Gleisdreieck, eine gute Portion der Berliner Homosexuellen-Szene (Motzstraße und Nollendorfplatz), einen Trümmerberg (Insulaner) zum Rodeln im Winter und zum Planetarium-Gucken, Konzerthallen, echte Berliner
Das bekommst du hier nicht:
hippe Clubs, das Gefühl, mittendrin zu leben, Verständnis für den Satz “Totale Verschwendung, das Tempelhofer Feld unbebaut zu lassen. Wieviel Wohnraum man da schaffen könnte!”
Durchschnittsmiete:
9,00 Euro/qm (Schöneberg) bzw. 7,40 Euro/qm (Tempelhof)

Charlottenburg


Das bekommst du hier: Spreewasser, Joggingstrecken, Hochkultur, gute Verkehrsanbindung an die großen Unis, ein Schloss, beruhigte Eltern, das alte Westberlin, Shoppen auf dem Ku’damm, Tierbabys im Zoo, Touristen, Professoren auf der Straße treffen
Das bekommst du hier nicht:
wildes Nachtleben, Ost-Charme, Clubnächte, das Leben, das Christiane F.  in “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” beschrieb (da musst du dich schon sehr bemühen)

Durchschnittsmiete:
9,40 Euro/qm


Prenzlauer Berg


Das bekommst du hier: laktosefreie Milch, Sojamilch, Hafermilch, Pärchen mit Mitgliedschaft im Biomarkt, renovierte Altbauwohnungen, Galerien, Latte-Macchiato-Muttis und ihre Kinder, kleine Boutiquen, Grünanlagen, hervorragende Eisdielen
Das bekommst du hier nicht:
Grölen auf der Straße, drinnen Rauchen, günstige Studentenbude, schnell eine Kugel Eis (Kinder haben immer Vorrang)

Durchschnittsmiete:
9,80 Euro/qm


Moabit-Tiergarten


Das bekommst du hier: Berlins bekanntesten Straßenstrich in der Kurfürstenstraße, den Bundestag, viel Grün und Wasser, die Berlinale, das Haus der Kulturen der Welt (a.k.a. "Schwangere Auster"), Blick auf die wechselnden Bundespräsidenten, gute Anbindung an die Unis, Berlins berühmtesten Knast, schicke Altbauten mit angehängten Casinos und 1-Euro-Shops, Fast Food aus aller Welt in der Turmstraße, Studenten, die erzählen: „Moabit kommt". Das sagen sie allerdings seit 15 Jahren.
Das bekommst du hier nicht:
homogene Bewohner, eine hohe Dichte an netten Bars und Cafés, Begleitung auf dem nächtlichen Weg nach Hause - wer seine Freizeit hauptsächlich in Neukölln und Kreuzberg verbringt, ist häufig alleine unterwegs, wenn es nach Moabit in Richtung Bett geht
Durchschnittsmiete: 8,70 Euro/qm

Wedding


Das bekommst du hier: den Satz “Das Viertel ist gerade im Kommen”, graue Mietshäuser, günstige Mieten, eine wachsende Kunstszene, den Mythos vom Arbeiterviertel, schöne Parkanlagen und den Plötzensee, Berliner Geschichte, Flughafennähe
Das bekommst du hier nicht:
Ruhe vor dem Satz “Ist es da nicht gefährlich?”
Durchschnittsmiete:
7,20 Euro/qm

(Alle Mieten Nettokaltmiete über: immobilienscout24.de, basierend auf dem Mietspiegel der Stadt Berlin, Stand Mai 2013)

Flüchtlingsdrama bringt Seehofer in Not

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Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat der bayerischen Regierung unter Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vorgeworfen, die dramatische Situation vieler Flüchtlinge nicht in den Griff zu bekommen. „Die Staatsregierung hat absolut versagt“, sagte Reiter am Montag. In den vergangenen Tagen mussten in München viele Asylbewerber im Freien schlafen, viele erhielten keine oder nur sehr dünne Decken. Schon seit Wochen nächtigen Hunderte Flüchtlinge in alten Militärgaragen auf Feldbetten, andere in einem Altenheim oder einem Zeltlager. Die Münchner Erstaufnahmezentrale in der Bayernkaserne ist seit Monaten völlig überbelegt. Wie viele Menschen sich dort aufhalten, wissen selbst die Behörden nicht.

Reiter sprach von einer „Notstandssituation“. Die Stadt wird nun selbst die Regie über die Erstaufnahme in München übernehmen. Für die erste Versorgung und Unterbringung der Asylbewerber ist eigentlich der Freistaat zuständig. Die Untätigkeit von Seehofers Regierung „führt zu menschenunwürdigen Bedingungen“, sagte Reiter. „Das kann und werde ich in meiner Stadt nicht akzeptieren.“ Unter anderem will Reiter nun durch den Katastrophenschutz große Zelte für viele Hundert Flüchtlinge aufstellen lassen. Reiter richtete einen Krisenstab ein und verfügte, dass in der Bayernkaserne, die in Besitz der Stadt ist, fortan keine Flüchtlinge mehr aufgenommen werden dürften, um die Lage dort zu entspannen.



Seehofer: Kritik vom Münchener Oberbürgermeister

Der Münchner OB kritisierte, dass sich trotz diverser Versprechungen der Staatsregierung nichts verbessert habe. Noch immer fehle das nötige Geld und Personal, um die täglich mehreren Hundert neu ankommenden Flüchtlinge menschenwürdig zu versorgen. Die meisten Flüchtlinge reisen derzeit über Italien oder Griechenland nach Deutschland und werden dann in Bayern erstmals aufgegriffen. Bayern muss sie zunächst unterbringen, ehe sie auf weitere Bundesländer verteilt werden.

Ministerpräsident Seehofer bekräftigte seine Forderung nach Hilfe aus Berlin: „Wir alleine können diese Situation nicht bewältigen.“ Der CSU-Chef verlangt vom Bund, den Ländern und Kommunen finanziell unter die Arme zu greifen. Auch ein reiches Land wie Bayern stoße an seine Grenzen. Die Forderungen für die nächsten beiden Jahre beliefen sich mittlerweile auf mehr als 1,3 Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe. „Es geht auch um die finanzielle Beteiligung des Bundes“, sagte Seehofer. Auch der Deutsche Städtetag, das Rote Kreuz und die Diakonie mahnten schnelle Gespräche zwischen Bund, Ländern und Kommunen an. Die Diakonie plädierte für ein „Umdenken“ bei der Flüchtlings-Unterbringung und für ein „neues Konzept“.

Seehofer sagte, Bayern werde bei der anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz seinen Vorschlag einbringen, Mittel aus dem Fluthilfefonds für die Flüchtlingshilfe zu nutzen. Er sei zuversichtlich, dass Berlin seinen Widerstand gegen eine Lastenteilung aufgeben werde. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte dies Ende September noch abgelehnt. Den Vorwurf von Oberbürgermeister Reiter wies Seehofer zurück. „Manche Dinge sind so nicht zutreffend.“ Frühestens an diesem Dienstag wolle er persönlich mit Reiter reden.

Wohnzimmer statt Wissenschaft

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Ihre Rede im Bundestag strotzte vor Superlativen, und Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte auch allen Grund dazu. Neun Milliarden Euro will die große Koalition bis 2018 zusätzlich in Bildung und Forschung investieren – drei Milliarden durch ein eigenes Paket, sechs Milliarden über die Entlastung der Länder, indem der Bund unter anderem das Bafög allein finanziert. Eine glückliche Ministerin konnte im Juni verkünden, man sei in „Forschung und Entwicklung eine Spitzennation geworden. Unsere Stellung als Spitzennation ist jetzt auch zukünftig gesichert“. Flankiert mit dem Hinweis: „Es geht nicht immer darum, wie viel Geld man zur Verfügung hat, sondern es geht auch darum, was man mit dem Geld macht.“ Was genau man damit macht, löst nun aber Erstaunen aus.



Bildungsministerin Wanka: 100 Millionen für das Betreuungsgeld

Der Einzelplan für den Haushalt – er liegt der Süddeutschen Zeitung vor – zeigt: Von knapp 135 Millionen Euro aus dem Drei-Milliarden-Paket, die der Bund schon 2015 ausgeben will, werden fast 100 Millionen für das Betreuungsgeld verbucht. Ausgerechnet für eines der umstrittensten Projekte der Regierung – und nicht für Wissenschaft. Andere Posten aus dem Einzelplan 2015 wirken da winzig: zum Beispiel zwei Millionen Euro für Forschung an den Fachhochschulen. Verbucht wird der Zuschuss für das Betreuungsgeld als Ressortumlage. Ein gängiges Etat-Instrument, das man durchaus auch so definieren kann: Es wird an allen Ecken Geld zusammengekratzt. Andere Ministerien zahlen ebenso mit.

Doch im Bildungsetat bekommt die Causa eine heikle Note. Seit gut einem Jahr gibt es das Geld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen und nicht in eine Kita geben – mittlerweile 150 Euro im Monat. Vor allem auf Druck der CSU wurde das eingeführt. Kritiker sagen, dass gerade weniger gebildete Eltern, deren Kinder von früher Förderung profitieren würden, Kitas nun meiden. Eine Art Anti-Bildungsprojekt. Abgeordnete, auch aus einer Regierungsfraktion, äußerten auf Anfrage Unmut. Der SPD-Bildungsexperte Swen Schulz sagte: „Statt Forschung wird das Betreuungsgeld finanziert – das ist haarsträubend. Diese Altlast der schwarz-gelben Koalition müsste aus dem Gesamthaushalt und nicht mit Forschungsmitteln finanziert werden.“ Die grüne Haushaltsexpertin Ekin Deligöz sagte: „Die Einschnitte durch die Ressortumlage sind überall sehr schmerzhaft. Im Bildungsministerium sind sie ungewöhnlich hoch.“ Zu befürchten seien Kürzungen andernorts: „Hier werden jungen Menschen Chancen genommen – und zwar zugunsten eines Projekts, das jungen Menschen von vornherein die Chancen nimmt.“ Eine Stellungnahme des Ministeriums war am Montag zunächst nicht zu erhalten.

Zwar ist das Neun-Milliarden-Paket weiterhin beeindruckend. Das in den Ländern frei werdende Geld soll in Kitas, Schulen und Unis fließen. Direkt will der Bund zudem Studienplätze und den Krippenausbau fördern. Dass 2015 ein so großer Posten nicht für Bildung ausgegeben wird, sondern für eine familienpolitische Leistung, sei aber „bemerkenswert“, hieß es in Koalitionskreisen. Erst am Montag hat der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, in der Rheinischen Post die Abschaffung der Leistung gefordert: „Wir können nicht einerseits den Kita-Ausbau forcieren und andererseits Eltern dafür bezahlen, dass sie ihre Kinder nicht in die Kitas geben.“

Reiche Tante, armer Onkel

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Es gibt in Familien nur eines, was noch unangenehmer ist, als eine Erbtante zu sein: für eine gehalten zu werden, es aber nicht zu sein. In beiden Fällen kommen gierige Verwandte vorbei und erwarten Gefälligkeiten. Die arme Tante aber steht im Ruf, aus Geiz und Starrsinn auf ihrem Gelde zu sitzen, ohne der Schar der Kinder, Enkel, Nichten, Neffen auch nur den kleinsten Heller abzugeben. Dies ist ungefähr ist die Lage vieler deutscher Kommunen laut Gemeindefinanzbericht 2014, den der Deutsche Städtetag am Montag vorstellte. Und jene, die glauben, dort sei gutes Geld zu holen, sind Bund und Länder. Wie sagte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder von der SPD 2001 bei einer Rede vor dem Deutschen Städtetag: Er sei hier „bei reichen Verwandten“. Damals freilich hatte eine massive Finanzkrise Städte und Gemeinden bereits so gebeutelt, dass diese anschließend den Aufstand probten und Veränderungen in der Steuergesetzgebung erreichten.

Nun, 13 Jahre später, fehlt wieder viel Geld. Die Gesamteinnahmen sind gerade noch mit 1,4 Milliarden Euro auf der Habenseite, 2013 waren es noch 1,7 Milliarden. Die Verschuldung durch Kassenkredite ist jedoch auf stolze 50 Milliarden Euro angestiegen, vor zehn Jahren waren es erst 20Milliarden, was damals bereits als besorgniserregend galt. Alarmiert ist der Verband, in dem alle großen Städte Deutschlands zusammengeschlossen sind, über die Spaltung in arme und reiche Städte, je nach Region, Wirtschaftskraft und Bevölkerungsentwicklung.

Dazu sagte Städtetagspräsident Ulrich Maly (SPD), der Oberbürgermeister von Nürnberg: „Die Unterschiede zwischen finanzschwachen und finanzstarken Kommunen werden immer gravierender. Viele Städte ächzen unter hohen Schulden und können ihre Haushalte weiter nicht ausgleichen.“ Was das bedeute, sei „am Zustand zahlreicher Schulen, Straßen und Sporthallen abzulesen“. 60 Prozent der öffentlichen Investitionen werden von den Kommunen getragen. Allein in ihrem Zuständigkeitsbereich wird der Investitionsstau auf fast drei Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.



Städtetagspräsident Maly (SPD): Probleme immer gravierender

Dabei sieht die Einnahmeseite gar nicht übel aus: 2014 erhalten die Kämmerer voraussichtlich 203,8 Milliarden Euro, 2015 sogar 208,5 Milliarden Euro insgesamt, also mit Umlagen durch Bund und Länder. Für 2014 wird eine Steigerung der kommunalen Steuereinnahmen um 3,7Prozent auf 79,6 Milliarden Euro erwartet, 2015 soll die Zahl auf 83,5 Milliarden Euro steigen. Diese Einnahmen sind auch eine Folge der vor einigen Jahren geretteten und erweiterten Gewerbesteuer, die von der örtlichen Wirtschaft an die Gemeinde gezahlt wird und deren wichtigste Einnahmequelle darstellt. Wieso also schlägt der Städtetag dennoch Alarm?

Das liegt nicht daran, dass der Ruf nach mehr Geld eine Lieblingsbeschäftigung der Kommunalverbände wäre (obwohl sie in dieser Übung wohl erprobt sind). Ihr Problem ist die Ausgabenseite. 2014 wird sie schätzungsweise bei 202,4 Milliarden Euro liegen, 2015 bei 206,5 Milliarden Euro. Ein enormer und stark ansteigender Kostenfaktor sind für die Gemeinden die Sozialausgaben. Für 2015, so hat der Städtetag errechnet, werden sie auf mehr als 50Milliarden Euro klettern, die Investitionen dagegen voraussichtlich nur bei 22 Milliarden Euro liegen. Bis 2017 wird ein Anstieg der Sozialausgaben auf mehr als 54Milliarden Euro erwartet. An diesen Kosten wie Unterstützungszahlungen aller Art können die Kämmerer nicht viel ändern, weil sie gesetzlich vorgegeben sind.

Das Vertrackte ist nun: Mit Sparen kommen die meisten Gemeinden nicht mehr weit – jedenfalls nicht weit genug. Seit der großen Finanzkrise vor einem Jahrzehnt haben fast alle Verwaltungen oft schmerzhafte Einschnitte und Sparrunden hinter sich gebracht; viel Luft nach oben ist hier nicht mehr. Selbst wenn verschuldete Städte keinen einzigen Cent mehr für Dinge ausgeben würden, zu denen sie nicht verpflichtet sind, hätten sie keine Chance, aus den roten Zahlen zu kommen.

Der Städtetag forderte erneut eine stärkere finanzielle Entlastung der Kommunen – zum Beispiel beim akuten Problem der vielen Flüchtlinge. Die Länder sollten den Städten und Gemeinden ihre Kosten für die Betreuung von Asylbewerbern großzügig erstatten, sagte Maly. Gemeinden in Bayern erhalten ihm zufolge 80 Prozent der Auslagen erstattet, in Nordrhein-Westfalen dagegen sind es lediglich 20 Prozent.

Für Städtetags-Hauptgeschäftsführer Stephan Articus ist das Finanzproblem so groß, dass der 2019 auslaufenden Hilfe für den Aufbau Ost eine Förderung der schwachen Kommunen folgen sollte: „Hilfen sollten dann für strukturschwache Regionen unabhängig davon bereitgestellt werden, ob sie im Osten oder im Westen Deutschlands liegen.“

Ob da viel zu holen sein wird? Schon warnt der Bundesrechnungshof vor einer finanziellen Überforderung des Bundes. Dessen Möglichkeiten zur Entlastung von Ländern und Kommunen seien „ausgereizt“, heißt es in einem der Nachrichtenagentur Reuters am Montag vorliegenden Bericht des Rechnungshofs für den Bundestags-Haushaltsausschuss. Stattdessen sollte die Bundesregierung daran festhalten, die nationalen und europäischen Stabilitätsvorgaben zu erfüllen.

Bei all dem würde der Städtetag gern etwas mehr mitzureden haben. Bei der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen erwarteten die Städte, so Maly, „von Bund und Ländern, dass sie an den Beratungen der Reform beteiligt und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.“

Endlich erwachsen

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Die unfassbar große Schönheit der Frauen hat die Männer (und auch die Frauen selbst) schon immer verwirrt. Also haben sie sich viel Mühe gegeben, um weibliche Attraktivität zu klassifizieren, zu bewerten und zu vergleichen. Der griechische Dichter Alkiphron, der im zweiten Jahrhundert nach Christus lebte, berichtete seinerzeit in ziemlich atemloser Diktion vom vermutlich ersten Beauty-Contest der Geschichte, er schrieb: „Zwischen Thryallis und Myrrhine brach ein richtiger Streit aus, wer den schöneren und verlockenderen Po zur Schau stellen könnte. Zuerst löste Myrrhine den Gürtel. Dabei schaute sie hinter sich auf die Bewegungen ihrer Rundungen und seufzte verstohlen, als sei sie bei der Liebesarbeit. Bei Aphrodite, da musste ich wirklich staunen.“



Sexiest Woman Alive: Penelope Cruz

Der moderne Mensch hat indes einen ganzheitlichen Ansatz und nimmt den gesamten weiblichen Körper in den prüfenden Blick. Seit den Fünfzigerjahren des 20.Jahrhunderts gibt es diverse Wahlen zur Miss World, Miss Universe, Miss International oder gleich zur Miss Universum. Zusätzlich wählen Männermagazine die attraktivste Frau des Jahres. FHM ermittelt die „Sexiest Women in the World“. Maxim lässt seine Leser über die „Hot 100“ abstimmen. Nun hat der amerikanische Esquire die spanische Schauspielerin Penélope Cruz zur „Sexiest Woman Alive“ gekürt.

Die ewige Frage, wer das schönste Mädchen des ganzen Schulhofs sei, ist damit allerdings immer noch nicht endgültig geklärt. Der Esquire-Titel wird seit zehn Jahren vergeben. Die Vorgängerinnen von Cruz sind allesamt noch am Leben und in guter Form. Zu ihnen zählen beispielsweise Angelina Jolie, die im Jahr 2004 gewann, Halle Berry, die 2008 triumphierte, und Scarlett Johansson, die gleich zwei Mal siegte, 2008 und 2013.

Die diesjährige Entscheidung ist aus einem anderen Grund interessant: Sie dient als eine Art offizielles Zertifikat dafür, dass auch nicht mehr ganz so junge Frauen zum Zähneknirschen schön sein können: Penélope Cruz hat dieses Jahr ihren 40. Geburtstag gefeiert.

Es lässt sich auch für die Zukunft kaum vermeiden, dass Männer und Frauen darüber diskutieren, wer die Schönste in der Kantine, am Kneipentresen oder in der Fußgängerzone ist. Man wird bei diesen Gesprächen von nun an nicht mehr im Vornherein alle Frauen ausschließen können, die Lachfalten haben oder andere typische Anzeichen von Erwachsenheit aufweisen, wie etwa Intelligenz, Humor, Stil oder Lässigkeit. Rein zufällig sind das übrigens alles Eigenschaften, die Penélope Cruz nachgesagt werden.

Der ewige Schönheitswahn des Menschen mag anstrengend sein, für die Frauen, aber auch für die Männer, er ist aber nicht ganz so verrückt wie der Jugendwahn.

Auf Kur mit Lady Gaga

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Nur 30 Minuten hat es gedauert, dann ist Sandra Jozipovic an diesem Montagmorgen geschminkt: Schwarze Corsage, riesige Haarschleife und schwarze Leggings in Lederoptik, dazu ein Zacken-Design über dem rechten Auge. Schaut, nun ja, gewagt aus. Und würde sie hier in Baden-Baden, im Ort des Fernsehstudios, damit herumlaufen, käme wohl die Polizei, um nach dem Rechten zu sehen. Aber es geht ja gerade nicht ums Leben normaler Menschen, sondern um das von Lady Gaga: Jozipovic dreht eine Sendung über die Sängerin – in deren Look. Schnell ist die Moderation eingesprochen („Lady Gaga sagt: Ich bin lieber fett als oberflächlich! Ein sehr geiles Statement!“). Nächste Szene, ein Kronleuchter wird dazugeschoben. Fertig. Das Ganze ist zu sehen in der Sendung Beatzz auf dem eher unbekannten Spartensender EinsPlus, der vom SWR verantwortet wird. Aber bald, so hoffen die Macher, wird das Format richtig Strahlkraft bekommen: Beatzz ist eines der Programme, das ARD und ZDF hinüberheben möchten in ihr neues, bundesweites Jugendangebot, das im digitalen TV und im Internet zu finden sein soll.



Fernsehen für junge Leute: Die Talkshow Roche & Böhmermann.

So es denn kommt. Das entscheidet sich an diesem Freitag möglicherweise. Dann diskutieren die 16 Ministerpräsidenten voraussichtlich, ob sie den Auftrag erteilen und Geld bereitstellen. Oder ob das Problem der öffentlich-rechtlichen Sender mit der Jugend anders gelöst werden muss und Lady Gaga in der Nische bleibt. Noch ist die Lage unübersichtlich. Aber sollte es so kommen, wird der SWR, quasi der ARD-Jugendbeauftragte im beschaulichen Baden-Baden, eine zentrale Rolle spielen.

Fest steht für wirklich alle, für Redakteure, für Intendanten, für die Politiker, für die Jugend selbst: Ein Problem mit der Ansprache von jungen Leuten gibt es definitiv. „Generationenabriss“ heißt das beim Ersten, dem Zweiten und bei den Dritten. Junge Leute schauen diese Sender kaum noch, weil es kaum etwas Überraschendes gibt. Ein paar experimentelle Programmfenster vielleicht, Beatzz etwa oder das Neo Magazin mit Jan Böhmermann. Aber insgesamt ist die Konkurrenz unterhaltsamer: ProSieben, RTL Nitro, Joiz oder Leute wie LeFloid, die auf Youtube jede Woche hunderttausende Zuschauer haben.

Seit mehr als zwei Jahren planen die Öffentlich-Rechtlichen daher unter Führung von SWR-Intendant Peter Boudgoust, all ihre jungen Nischenangebote zu bündeln – in einem medienübergreifenden Angebot, das sich von der Zielgruppe her zwischen KiKa und Neo positionieren soll.

Doch es hakt. Die Bedenkenträger sind Bayern, Sachsen – und die eigenen Leute: Junge Leute würden doch kaum mehr normales TV nutzen, sagt etwa Johannes Beermann, Staatskanzleichef in Dresden. Überhaupt liege bis heute kein überzeugendes Konzept vor. Auch die Finanzierung sei nicht abschließend geklärt.

Tatsächlich steht gemessen am Milliardenbudget von ARD und ZDF wenig Geld bereit: 45Millionen Euro pro Jahr, zwei Drittel von der ARD, ein Drittel vom ZDF, in Mainz dürfte wohl auch die Chefredaktion sitzen. Absurd sei dieser Ort für ein junges Programm, sagen erfahrene Fernsehmacher; und mit dem bisschen Geld lasse sich nichts anfangen. „Da hab’ ich keinen Bock drauf!“, schimpft einer von ihnen, der aber nicht in der Zeitung stehen will, die Sender sind schließlich auch Arbeitgeber. Schöne Serien ließen sich dafür nicht kaufen und auch gute Eigenproduktionen nicht stemmen oder höchstens zu prekären Arbeitsbedingungen. So ein neuer Sender sei nicht machbar in Zeiten von Personalkürzungen, klagt auch der Personalrat des ZDF. Dessen Intendant Thomas Bellut wird in Potsdam gemeinsam mit dem ARD-Vorsitzenden Lutz Marmor werben. Beide hoffen wohl, dass die Befürworter in der Zwischenzeit noch Überzeugungsarbeit leisten.

In München dürfte viel an Ulrich Wilhelm hängen, dem Intendanten des Bayerischen Rundfunks. „Es gibt in einigen Ländern Zweifel, ob die vereinbarten 45 Millionen Euro ausreichen“, sagt er. Aber man werde damit auskommen. Und zwar durch neue Produktionsformen, die mit neuer Bildsprache und ohne aufwendige Großgerätschaften arbeiten. Wie seine Jugendwelle Puls das macht. Oder eben Beatzz entsteht. Dort filmen und schneiden Mediengestalter digital; das Material ist ohne weiteren Aufwand für Radio und Internet verwendbar; zwei Drittel des Teams spart das. Ob so etwas Tolles rauskommt, daran scheint aber auch Wilhelm seine Zweifel zu haben: „Die Vorgabe der Länder lautet nicht: Macht das Bestmögliche zu einem beliebigen Preis. Sondern macht etwas Gutes im Rahmen des möglichen Budgets.“

In Baden-Baden kennt man all die Bedenken. Als letztes Mittel haben sie für den Freitag einen 15-Minuten-Trailer vorbereitet. Im schnellen Schnitt: Konzert-Interviews, viel Musik und ein bisschen Reportage. Ein Stakkato an Argumenten halten die Planer und Macher bereit, wenn man mit ihnen im „E-Lab“ vor dem Beatzz-Studio auf den Sofas aus Holzpaletten sitzt: Die Jugend müsste doch endlich etwas bekommen für ihren Rundfunkbeitrag. Wobei: Jugend, nein, dieser Begriff sei schwierig. Würde man das noch namenlose Angebot so betiteln, dann wäre das bereits das vorweggenommene Todesurteil. Und, nein, man werde nicht allein vom Kurort aus etwas produzieren. Schon klar, hier ist nicht der Nabel der Welt. Die Truppe spielt einen Trailer ab, Wolfgang Gushorst, Programmchef der SWR-Jugendwelle DasDing, zeigt auf die neun Logos der Radio-Jugendwellen: „Wir vernetzen das Know-how und die Inhalte dieser jungen Redaktionen an den verschiedensten Standorten.“ Das spare Kosten und daraus entstehe Gutes. Und ja, auch Nachdenkliches sei geplant, Walulis sieht fern etwa, wo Philipp Walulis TV-Peinlichkeiten dechiffriert. Der junge Produzent und Moderator befürwortet den Jugendkanal: Es bringe nichts, wenn junge Inhalte in den behäbigen Hauptprogrammen „zwischen Volksmusik und Eisenbahnsendungen“ versteckt werden.

Und dann wirbt da auf dem Holzpaletten-Sofa ausgerechnet noch Alexander von Harling für die Jugend. Harling verantwortet EinsPlus. Und sagt: Sein Sender könne mit dem vorgegebenen Programmmix kein attraktiver Anlaufpunkt für junge Leute sein. Da fehle ein eindeutiges Profil. EinsPlus, Eins Festival und ZDF Kultur würden deswegen eingestampft, wenn das junge Angebot käme: „Ich kann mir nicht vorstellen, mit welcher Begründung die Politik das ablehnen sollte.“

Das versteht auch Silke Krebs nicht, die Medienministerin in Baden-Württemberg, deren 20-jährige Tochter übrigens keinen Fernseher hat. Das Budget sei klein, aber lieber so als gar nichts, sagt Krebs. Wenn der Kontakt zu den Jungen gänzlich abrisse, „dann ist das gefährlich für unser Land, weil womöglich keine ausgewogenen Informationen mehr an die jungen Leute kommen.“

Reichen die Argumente? Die Ministerin zögert. „Ich hoffe auf Zustimmung am Freitag“, sagt sie dann. Denn einen weiteren Anlauf wird es wohl nicht geben.

Tagesblog - 14. Oktober 2014

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11:00 Uhr: Ding-Dong, Geographiestunde! Seit letzter Woche gibt es hier auf jetzt.de einen sog. Studentenatlas. Weil das Semester angefangen hat. Und wenn man in eine neue Stadt zieht, muss man ja nicht alle Fragen nochmal neu stellen.

Diese Woche: B-B-B-Berlin! Hier geht's lang zum Viertel-Check und hier spricht ein Mann vom Studentenwerk über die Wohnungsnot der Boom-Stadt.

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9:55 Uhr:
Schnell noch der Nachrichtenüberblick am Vormittag:


Wir springen nun rüber in die Themenkonferenz.

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9:25 Uhr:
Der Ticker dreht sich heute um das Thema, über das (zum Glück) gerade wieder mehr Menschen denn je sprechen: den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland.

Diskutiert doch mit und erzählt uns: Schämt ihr euch dafür, wie unser Land mit Asylbewerbern umgeht?


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9:15 Uhr:
Guten MORGEN, jetzt.de!

Besondere Vorkommnisse heute Nacht:

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Wartet's ab, gleich startet hier die Content-Kanone.

Schule der Schnösel

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Bevor der Wahnsinn losgeht, wird noch schnell ein Foto gemacht. Da stehen dann zehn junge Oxfordstudenten in altertümlichen Uniformen herum – dunkelblauer Frack mit Satinrevers, Weste, Messingknöpfe, Fliege – und schauen forsch in die Kamera. So lachhaft arrogant schieben sie das Kinn vor, so albern sind sie kostümiert, dass man fragen möchte: Was bitte sind das denn für Clowns?

Es sind aber keine Clowns, sondern künftige Machtmenschen, und als solche sind sie bitterernst zu nehmen. Das ist die zentrale Idee von Lone Scherfigs „The Riot Club“. Es geht um die privilegiertesten Sprösslinge der britischen Upper Class: Söhne aus adligen oder auch nur steinreichen Familien, die große Teile Englands besitzen, mit jetzt schon gesicherten Topkarrieren im Bankwesen, in den großen Anwaltskanzleien, in den Parteien. „Viele von uns werden bald hinter sehr großen Schreibtischen sitzen“, sagt einer aus der Runde. „Auf dem College können wir uns das letzte Mal unbeobachtet austoben.“



Oxford-Studenten bei einer Abschlussfeier.

Oh, really? Zunächst mal schüttelt man ungläubig den Kopf. Dann aber muss man sich von den Fakten belehren lassen, und die sind hier ausnahmsweise klar: Die britische Gesellschaft funktioniert tatsächlich so – noch immer. Es gibt zum Beispiel ein Foto des amtierenden Premierministers David Cameron, inmitten exakt so einer Jungmännertruppe, mit exakt so einem Frack und exakt diesem albernen Was-kostet-die-Welt-Blick. Links von ihm steht der aktuelle Chairman von Credit Suisse UK, rechts der Chef eines bedeutenden Investmentfonds, daneben Boris Johnson, der Bürgermeister von London, und so fort. All die Superschnösel auf diesem Bild, mit ihren unglaublichen Eighties-Popperfrisuren, sitzen heute tatsächlich hinter den größten Schreibtischen Englands.

Es handelt sich um ein Foto des sogenannten Bullingdon Club, auch „The Buller“ genannt, aus dem Jahr 1987. Der Club ist mehr als 200 Jahre alt, nimmt immer nur die reichsten und blaublütigsten Oxfordstudenten in seine Reihen auf, bildet unzerstörbare Seilschaften auf dem Weg zur Macht und ist vor allem für seine exzessiven Saufgelage bekannt, bei denen regelmäßig ein komplettes Restaurant zerlegt wird – so will es die Tradition. Vor der Parlamentswahl 2010 prophezeiten Beobachter sogar, dass genau dieses Foto die Konservativen und Cameron den Sieg kosten könnte – die antielitären Hassgefühle, die das Stichwort Bullingdon Club in England auslöst, sind enorm.

Wenn die Filmemacher nun behaupten, ihr Werk sei rein fiktional, dient das nur der rechtlichen Absicherung. Denn der „Riot Club“ ist der Bullingdon Club – bis hin zu der Figur des mächtigen konservativen Politikers, der auch im Film im Hintergrund die Fäden zieht. So war das schon in „Posh“, dem Bühnenstück der Dramatikerin Laura Wade aus Sheffield, das Lone Scherfig hier verfilmt. Die dänische Regisseurin aus der Dogma-Bewegung hat sich schon sehr früh britischen Stoffen zugewandt („An Education“, „One Day“).

Für den Anfang verfolgt sie den Plan, die Fronten ein bisschen aufzuweichen – man soll nicht gleich erkennen, in welche Welt man da hineingezogen wird. Dafür hat sie die heißesten britischen Jungstars besetzt – jeder Mädchenschwarm mit Wuschelhaaren und scharf gezeichneten Backenknochen, der mutig genug war, ein Arschloch zu spielen, wurde angeheuert. Sam Claflin aus „Tribute von Panem“ ist dabei, Max Irons, der Sohn des großen Jeremy, Douglas Booth aus „Noah“, und so fort. Zumindest was das Äußere betrifft, scheint der britische Adel hier wirklich über allerbeste Gene zu verfügen.

Dann aber wird das Foto gemacht und das fatale Dinner geht los, im „Bull’s Head“ im tiefsten Oxfordshire – in allen Restaurants, die näher lägen, hat die Truppe längst Hausverbot. Fressen, Saufen und Exzess stehen auf dem Programm, aber besonders der letzte Punkt macht erst einmal Schwierigkeiten: Eine Kellnerin lässt sich nicht erniedrigen, eine Prostituierte flüchtet zeternd, als zehn Blowjobs in Reihe von ihr verlangt werden – und das Angebot an eine weniger reiche Mitstudentin, sich auf diese Weise die kompletten Studiengebühren zu verdienen, wird nur mit Verachtung gestraft. Geld und Herkunft kaufen hier eben doch nicht alles. Das aber macht die Truppe nur wütend – und wie brutal sich diese Wut im Laufe des Abends noch entladen wird, dass hält man dann doch kaum für möglich.

Schon lange vorher gibt der Film allerdings den Anspruch auf, eine wirklich präzise Studie sozialer Strukturen zu sein. Immer wieder stockt einem der Atem, wenn der nächste in der Runde seine abgrundtiefe Bosheit oder Feigheit offenbart, rettende Ambivalenzen gibt es nicht – und weil im Leben kein reiches Arschloch je ausreichend bestraft wird, kommen die Schweine auch hier mit einem blauen Auge davon. Anders gesagt – dies ist ein lupenreiner, altertümlicher und ziemlich effektiver Propagandafilm: wir da unten, die da oben. Gut und böse, schwarz und weiß.

Nur eines sollte man nicht vergessen, wenn man schließlich in vorrevolutionärer Stimmung aus dem Kino kommt: Diese jungen Schnöselfressen, die uns da präsentiert werden, in hochsymbolischer Verachtungswürdigkeit, dienen am Ende doch vor allem der Balance im Gefühlshaushalt des krisengeplagten Normalbürgers: proletarian relief. Was die echten Mitglieder des Bullingdon Club natürlich wissen. Nicht den Hass müssen sie fürchten, sondern im Gegenteil den Plan, ihr Machtnetzwerk beinahe liebevoll zu studieren – bis hin zu dem Tag, an dem man es kalt lächelnd zerschlagen kann.

The Riot Club, GB 2014 – Regie: Lone Scherfig. Buch: Laura Wade. Kamera: Sebastian Blenkov. Mit Sam Claflin, Max Irons, Douglas Booth, Sam Reid, Ben Schnetzer. Verleih: Prokino, 107 Minuten.
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