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Kurskorrektur für das Flaggschiff

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Der Mann von der Europäischen Kommission hat klare Worte mit nach Heidelberg gebracht. Die Struktur des Human Brain Projects (HBP) müsse sich ändern, ruft Thierry van der Pyl den Zuhörern im vollbesetzten Hörsaal des Kirchhoff-Instituts für Physik entgegen. Außerdem müsse man transparenter werden und klarer kommunizieren, worum es geht in dem Forschungsprojekt – sowohl gegenüber anderen Wissenschaftlern als auch dem Steuerzahler. „Wir müssen Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit ablegen“, erinnert van der Pyl die knapp 400 Zuhörer.

Schließlich zahlt die europäische Öffentlichkeit mehr als eine Milliarde Euro für das umstrittene Flaggschiffprojekt, das diese Woche seine Jahrestagung in Heidelberg abhielt. Vor knapp zwei Jahren ist das Human Brain Project als Sieger aus einer der größten Ausschreibungen der europäischen Forschungsgeschichte hervorgegangen. Das Team um den Südafrikaner Henry Markram von der École Polytechnique Fédérale in Lausanne hatte in Aussicht gestellt, innerhalb von zehn Jahren ein Menschenhirn im Computer zu simulieren. Darüber geriet in Vergessenheit, dass es bei dem Projekt auf breiter Front darum geht, Technologien zu entwickeln, die bei der Entschlüsselung des Gehirns helfen sollen: Neue Datenbanken für Forschungsergebnisse und Patientendaten, oder Mikrochips, die der Funktionsweise des Gehirns nachempfunden sind.



Henry Markram koordiniert das Human Brain Project

In Heidelberg wurde darum auch über die falschen Erwartungen gesprochen, die mancher mit dem Human Brain Project verknüpft hatte, auch Fachleute. Im Juli hatten Neurowissenschaftler einen offenen Brief ins Internet gestellt, der die Ausrichtung des HBP kritisiert und mit einem Boykott des Milliardenprojekts droht. Viele der Unterzeichner dürften sich damals enttäuscht gefühlt haben, weil sie angenommen hatten, dass sie an dem Milliardenprojekt teilnehmen könnten oder dass es zumindest keine Forschungsgelder aus den Fördertöpfen der einzelnen EU-Staaten bindet. Beides stellte das im Juni veröffentlichte „Framework Partnership Agreement“ infrage.

Das von der HBP-Führung verfasste Dokument beschrieb eine Neustrukturierung des Projekts: Von 2016 an sollten fast nur noch Technologieprojekte Geld von der EU erhalten. Die kognitiven Neurowissenschaften, die in Laborversuchen die Gehirne von Menschen und Tieren untersuchen, sollten hingegen Mittel aus den Fördertöpfen der Mitgliedsstaaten eintreiben. Das würde zusätzliches Forschungsgeld binden, das sonst für unabhängige Neuroforschung bereitstünde, und eine Monopolisierung der Hirnforschung begünstigen, fürchten Kritiker. Fast 900 von ihnen haben den Protestbrief unterzeichnet.

In Heidelberg wurde deutlich, dass diese Rebellion wohl Folgen haben wird. Das zeigte die Rede van der Pyls, dessen Abteilung innerhalb der Europäischen Regierung für das HBP verantwortlich ist. Und das zeigt die Berufung eines „Mediators“, der die Wogen glätten soll. Seit Kurzem hat der Deutsche Wolfgang Marquardt diese Funktion inne, lange Zeit Leiter des Wissenschaftsrats und seit Juli Chef des Forschungszentrums Jülich. Bis Ende des Jahres wolle er mit einem Team aus Kritikern und HBP-Forschern Änderungsvorschläge erarbeiten, sagte Marquardt am Rande der Konferenz. „Wir werden tun, was nötig ist, um das Projekt auf einen guten Weg zu bringen.“ Es sei durchaus denkbar, dass sein Team die Empfehlung ausspreche, die Kognitionsforscher weiterhin stark in das Milliardenprojekt einzubinden.

Umsetzen muss solche Vorschläge dann aber letztlich die Leitung des HBP. Dass das nicht unbedingt einfach werden könnte, zeigte eine Szene auf der Pressekonferenz in Heidelberg. Wieso man denn die Kognitionswissenschaften aus dem Kern des Projekts genommen habe, fragte eine französische Journalistin. Co-Direktor Richard Frackowiak wollte diese Frage offenbar nicht beantworten. Jedenfalls fuhr er die Journalistin an, aus welcher Zeitung sie denn diese Information habe. Der Plan für die kommenden Jahre sei noch gar nicht endgültig. Dem Mediator Marquardt schien diese Haarspalterei nicht zu gefallen. Er schüttelte während Frackowiaks Antwort ungläubig den Kopf. Vermutlich hat er erkannt, dass sein Job schwierig werden könnte.

Irischer Köder

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Für viele Smartphone-Fans ist die Firma unverändert Kult, manch europäischem Steuerzahler dagegen erscheint der Telefon- und Computerbauer aus dem kalifornischen Cupertino immer mehr als moderner Raubritter: Weltweit soll sich Apple mit erstaunlichem Geschick davor drücken, einen angemessenen Teil seiner Gewinne an den Fiskus abzutreten. Geschadet aber hat das Raubritter-Image der Kult-Marke bisher kaum – und das obwohl der Smartphone-Fan und der Steuerzahler in der Regel ein und dieselbe Person sind.

In den nächsten Tagen allerdings könnte die Zahl der Skeptiker ein wenig zulegen, denn die Europäische Kommission hat am Dienstag einen Bericht vorgelegt, der den Verdacht gegen Apple weiter erhärtet. Demnach soll sich der Konzern durch Absprachen mit den irischen Finanzbehörden massive Steuervorteile erschlichen haben. Leidtragende sind die übrigen EU-Staaten, denen mutmaßlich Einnahmen in Milliardenhöhe verloren gingen.



Hat Apple in Irland zu wenig Steuern gezahlt?

Apple steuert sein gesamtes Europa-Geschäft über Tochterfirmen in Irland. Der Grund: Die Regierung verlangt nicht nur den EU-weit niedrigsten Körperschaftsteuersatz, sondern ist überdies zu individuellen Absprachen mit Großunternehmen bereit. Wer etwa in Deutschland ein iPhone kauft, steigert den Gewinn einer irischen Konzern-Tochter. Durch entsprechende Verschiebereien soll Apple seine Steuerlast außerhalb der USA im vergangenen Jahr auf 3,7 Prozent gedrückt haben.

Die EU-Kommission zitiert in ihrem Bericht aus den Protokollen der Verhandlungen zwischen dem irischen Fiskus und Apple. Darin legen die Parteien fest, dass nur ein Teil des Geschäfts der irischen Firmentöchter steuerlich berücksichtigt werden soll. 2012 hat Apple demnach 460 bis 520 Millionen Euro mit zwei irischen Gesellschaften umgesetzt. Dass die Kommission statt einer konkreten Zahl eine Spanne nennt, soll das Geschäftsgeheimnis von Apple wahren. Wegen des Deals mit dem Finanzamt musste der Konzern nur 50 bis 70 Millionen Euro als „besteuerbares Einkommen“ deklarieren. Die tatsächliche Steuerschuld belief sich am Ende auf lediglich rund zwei Millionen Euro.

Der irische Staat muss der Kommission nun weitere Unterlagen zuschicken, auch Apple darf auf die Vorwürfe antworten. Bisher haben beide Beteiligten jedwede Vorwürfe zurückgewiesen. Entscheiden wird erst die neue Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker. Im Extremfall könnte die irische Regierung gezwungen werden, Beihilfen in Milliardenhöhe von Apple zurückzuverlangen. Ähnliche Verfahren laufen gegen Junckers Heimatland Luxemburg und gegen die Niederlande. Betroffen ist in Luxemburg eine Finanztochter des Autobauers Fiat, in den Niederladen die Kaffeehauskette Starbucks.

In dem Zwischenbericht der EU-Kommission wird an mehreren Stellen deutlich, dass die Behörde den Steuer-Deal als illegal ansieht – auch wenn die endgültige Entscheidung noch aussteht. Die Vereinbarung sei nicht durch tatsächliche Werke oder durch Ausgaben für einen Maschinenpark gedeckt, heißt es in dem Papier.

Auch die Bundesregierung sieht das Gebaren kritisch, hat sich aber bisher nicht getraut, den Druck auf Dublin zu erhöhen – selbst als die Iren 2010 wegen der Schieflage ihrer Banken ein milliardenschweres Hilfspaket von den EU-Partnern und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) erbitten mussten. Mittlerweile gibt man sich in Berlin ein wenig forscher: So will man etwa dem irischen Ersuchen um eine vorzeitige Rückzahlung eines Teils der Hilfskredite nur zustimmen, wenn sich Irland endlich aktiv am Kampf gegen die Steuertricksereien großer Konzerne beteiligt.

Die irische Regierung ist sich jedoch angeblich keiner Schuld bewusst. Das Finanzministerium bezeichnet die Brüsseler Vorwürfe als Ergebnis von „Missverständnissen“. Die „betroffene Firma“, also Apple, habe keinerlei Vorzugsbehandlung genossen und sei „in kompletter Übereinstimmung mit den Gesetzen“ besteuert worden, heißt es in einer Mitteilung. Die Prüfung von Seiten der EU werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen, doch sei die Regierung überzeugt, dass am Ende kein Verstoß gegen Beihilferegeln festgestellt werde. Im Übrigen drehe sich die Untersuchung um eine „technische Frage“ – keinesfalls gehe es um das irische Steuersystem an sich.

Kein Wunder, dass der letzte Punkt der Regierung so wichtig ist: Denn der Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent ist aus Sicht Dublins ein wichtiger Köder, um Investoren anzulocken. Tatsächlich waren es die Milliarden-Investitionen ausländischer Konzerne, die in den Neunzigerjahren aus dem einstigen Armenhaus Europas den Keltischen Tiger machten. Vor allem Banken, Pharma-, Medizintechnik- und IT-Konzerne wurden von der Kombination aus niedrigen Steuern und gut ausgebildeten, jungen englischsprachigen Arbeitnehmern angelockt. Doch die Finanzkrise und das Platzen der Immobilienblase trafen Irland hart. Die Regierung musste die siechen Banken übernehmen und für deren Kredite geradestehen, die Staatsverschuldung schoss durch die Decke. Mittlerweile wächst die Wirtschaft jedoch wieder rasant – vor allem dank ausländischer Investitionen und hoher Exporte.

In Sachen Steuerdumping und Steuergestaltung aber läuft die Uhr eindeutig gegen Dublin: Schon im November wollen die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Volkswirtschaften (G20) bei ihrem Treffen im australischen Brisbane die Daumenschrauben weiter kräftig anziehen.

Verkehrte Welt

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Er war gekommen, um ihnen ins Gesicht zu spucken: „Geschäfte sind Mittelalter. Sie wurden nur gebaut, weil es kein Internet gab“, schmetterte Oliver Samwer dem Publikum auf einem Kongress entgegen. Dort saßen gestandene Manager von Carrefour, Metro und Walmart. Menschen, die in der Logik des Internetunternehmers einfach nicht kapieren, dass man keine Supermärkte und keine Kaufhäuser mehr braucht, wenn man im Handel das große Geld machen will. „Sie verstehen das nicht, weil Sie zu alt sind und zu alte Kunden befragen“, stänkerte Samwer.

Es ist einfach, andere als Ewiggestrige abzutun, so lange man selbst noch nicht beweisen musste, dass man die Zukunft verstanden hat. In dieser Woche wird Samwer einen ersten Beweis erbringen müssen, wenn auch nicht den ultimativen.



Der Internet-Unternehmer Oliver Samwer

Am Mittwoch geht der Internethändler Zalando, den Samwer mit seinem Geld groß gemacht hat, an die Börse; am Donnerstag folgt die Start-up-Schmiede Rocket Internet, an deren Spitze Samwer steht und deren Umsatz zu zwei Dritteln aus dem Internethandel stammt. Schon zum Börsenstart ist Zalando 5,35 Milliarden Euro und Rocket Internet bis zu 6,7 Milliarden Euro wert. Verkehrte Welt: Der Handelskonzern Metro, der mit mehr als 350 Supermärkten in Deutschland und fast 1000 Filialen seiner Media-Saturn-Elektronikfachmärkte einer der größten Handelskonzerne der Welt ist, bringt es dagegen nur auf einen leicht höheren Börsenwert von 8,5 Milliarden Euro.

Steckt hinter den Beleidigungen, die Samwer der versammelten Handelsbranche auf ihrem wichtigsten Kongress im Juni entgegen schleuderte, also wirklich mehr als die Arroganz des Neulings?

Dass die Deutschen immer öfter online statt in der Einkaufsstraße shoppen, ist unbestritten: In diesem Jahr werden sie nach Berechnungen des Instituts für Handelsforschung 42,8 Milliarden Euro bei Einkäufen im Netz lassen. Das ist etwa ein Zehntel dessen, was sie insgesamt ausgeben – ob sie nun Shampoo, schicke Schuhe oder einen Fernseher kaufen. Aber, betont Jörg Funder, der an der Hochschule Worms über Handelsmanagement forscht, auch in den nächsten fünf Jahren wird der Löwenanteil des Umsatzes im Laden und nicht im Netz gemacht.

Immerhin, Mode gehört zu den Dingen, die die Deutschen besonders gern im Netz kaufen. Mit einer Mischung aus analytischem Blick für die Bedürfnisse der Kunden, mit Hartnäckigkeit und Disziplin, aber auch mit enormen Investitionen hat Zalando es in sechs Jahren weit gebracht. Erstmals konnte das Unternehmen kürzlich Gewinn melden: 29 Millionen Euro im zweiten Quartal. Und das, so das Versprechen, sei erst der Anfang: „Unsere 13,7 Millionen Kunden stellen nur etwa drei Prozent der Gesamtbevölkerung der 15 Länder dar, in denen wir derzeit tätig sind“, heißt es im Börsenprospekt. Mit anderen Worten: Da ist noch einiges zu holen.

Das Problem ist. dass Zalando nicht der einzige Händler ist, der an das Portemonnaie der Europäer will – und dieses auch nicht gerade größer wird. Denn das Geld, was einst im Kaufhaus ausgegeben wurde, landet nun eben im Netz. Start-ups wie Zalando setzen darauf, dass sie die Kunden dort besser bedienen als die etablierten Händler. Funder ist skeptisch: „Wenn der stationäre Handel erst einmal aus seiner Schockstarre erwacht, hat er mit seinem Filialnetz einige strategische Vorteile.“ So könnte der klassische Händler durch seine Verankerung im Viertel, durch persönliche Beratung ein Vertrauen zum Kunden herstellen, das im Netz viel schwerer zu gewinnen sei. Zudem ist er, bislang noch, schneller: Im Laden um die Ecke kann man sofort mitnehmen, was man braucht, bei der Bestellung im Netz muss man ein paar Tage warten. Diese Vorteile, so Funder, spielten bislang die wenigsten Handelsunternehmen aus. Weil sie sie nicht erkennen – oder ihnen die finanziellen Mittel dazu fehlen. „Die glauben den Quatsch, dass der stationäre Handel tot sei, was Samwer ihnen einredet.“

Die meisten der etwa 70 Start-ups unter dem Dach der von Samwer geführten Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet geben sich mit den Europäern gar nicht erst ab. Sie suchen gleich dort ihr Glück, wo in Zukunft das große Geld locken könnte: in den aufstrebenden Schwellenländern Asiens, Lateinamerikas und Afrikas. Dort steigt die Zahl der Smartphones und damit auch die Zahl derer, die mit dem Ding zu jeder Zeit an jedem Ort auf virtuelle Shoppingtour gehen, viel rasanter als in der westlichen Welt. Dort sind die Menschen jünger, die Rivalen schwächer. Das sind die Chancen, die Rocket Internet in seinem Börsenprospekt auflistet, um daraus abzuleiten: Deshalb wird dort in Zukunft klappen, was in den USA oder in China viel zu mühsam, viel zu langwierig wäre. Der Haken an solchen Wachstumsträumen in der Zukunft ist nur: Sie blenden die weniger rosige Gegenwart aus. „Die dortige Mittelschicht entsteht gerade erst. Um mit ihr Geld zu verdienen, braucht man einen langen Atem“, sagt Funder. Hinzu komme, dass die Händler dort auch erst die nötige Infrastruktur schaffen müssen, um die bestellten Waren zu liefern. „Wir vergessen oft, wie groß und wie dünn besiedelt Argentinien oder Russland sind. Dort fehlt es schlichtweg an den Postwegen, um ein Paket auch in die letzte Ecke des Landes zu bringen. Deshalb bauen die Händler diese allein auf – und das kostet.“ Dass in vielen der von Samwer anvisierten Märkten Korruption, politische Umstürze und Terrorgefahr drohen, machen solche Investitionen nicht gerade leichter.

Wie groß der Unterschied zwischen Deutschland und den Schwellenländer ist, zeigen auch die Börsenprospekte der beiden Unternehmen: Zalando rechnet stolz vor, dass etwa zwei Drittel der europäischen Bevölkerung in einem Radius von einer neunstündigen Lkw-Fahrt rund um eines der bestehenden Logistikzentren leben, dass der Internethändler damit über Kapazitäten verfüge, mit der sich Bestellung im doppelten Wert der derzeitigen Erlöse liefern lassen, ohne neue Anlagen zu bauen. Rocket Internet hingegen räumt in der Auflistung der Risiken ein, dass die Start-ups unter dem Dach der Holding zwar nur eine kurze Historie vorweisen können, dafür aber schon bedeutende Verluste. Sie „erfordern einen hohen Kapitaleinsatz und werden möglicherweise nie gewinnbringend sein.“

Die Filmretter

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jetzt.de: Gratulation, euretwegen kommt der Film „Under the Skin“ deutschlandweit ins Kino. Wie habt ihr das geschafft?
Marvin: Es hat damit begonnen, dass Senator, der Filmverleih, verkündet hat, den Film in Deutschland nur auf DVD rauszubringen. In 20 anderen Ländern läuft er hingegen im Kino. Der Kinokritiker Sebastian Selig hat dann eine Facebook-Initiative gestartet. Das hat Wellen geschlagen.

Warum?
Weil es nicht das erste Mal war, dass ein Fantasy-Film in Deutschland auf DVD verramscht wird. Diesen Frust teilen wir vom Zebra Kino. Jemand von uns hat dann bei Senator angerufen und gefragt, ob wir den Film nicht trotzdem spielen können. Wir dachten, das sei sicher ein Riesenproblem – aber wir waren einfach die ersten, die gefragt haben. (Lacht)

Und?
Senator hat direkt zugesagt. Das hat uns selbst überrascht. Wir haben unsere Erfahrung dann an die Facebook-Initiative weitergeleitet und mittlerweile spielen 22 weitere Kinos den Film.



Das Zebra-Team: Marvin ist der fünfte von links.

Was unterscheidet das Zebra Kino von anderen Kinos?

Vor ziemlich genau 30 Jahren haben Studenten es gegründet. Wir sind bis heute kein kommerzielles Kino, arbeiten ehrenamtlich. Zum Teil werden wir dabei aber auch von der Stadt Konstanz und vom Land Baden-Württemberg gefördert.  

Wie entscheidet ihr, welcher Film läuft?
Bei uns ist alles sehr basisdemokratisch organisiert, da merkt man die studentischen Wurzeln. Wir treffen uns jede Woche und stimmen über das Programm ab. Jeder kann Filme vorschlagen, muss aber auch begründen, warum dieser Film ins Zebra gehört. Manchmal wird’s dabei ein bisschen zickiger und lauter, manchmal gibt es aber auch ein Vorschlag, bei dem alle aufspringen und sagen „Ja, das machen wir!“

http://www.youtube.com/watch?v=NoSWbyvdhHw

Ich dachte immer, Kinostarts wären unantastbar. Hat sich da etwas verändert?
Dadurch, dass die Kinofilme digitalisiert wurden, sind die Karten neu gemischt. Vor fünf Jahren war der Aufwand für einen Kinostart viel größer. Damals hätten noch 35 Millimeter-Filmrollen extra produziert werden müssen. Allein eine Kopie hätte mehrere tausend Euro gekostet. Heute kann der Verleih einfach eine Festplatte an uns schicken, die kostet nicht viel und ist auch einfacher zu vervielfältigen.

Das hat auch Nachteile, oder?
Natürlich verschwimmen dadurch auch Grenzen. In den USA gibt es zum Beispiel immer häufiger das Konzept „Day and Date“, dort erscheint ein Film zeitgleich im Kino, auf DVD und auf iTunes. Über kurz oder lang wird das vermutlich auch in Deutschland so kommen.  

Ist diese Entwicklung für euch gut?
Wir glauben schon. Seit 1998 haben wir stetig an Zuschauern verloren und in den letzten zwei Jahren auf einmal wieder so stark gewonnen, dass wir wieder auf dem Niveau von damals sind. Natürlich hören auch wir oft das Klischee, das gerade junges Publikum nicht mehr ins Kino geht sondern lieber streamt. Aber wir haben den Eindruck, dass durch die Verfügbarkeit im Internet das Bedürfnis nach handgemachtem Kino größer wird.

Bei Arthaus-Kino, wie ihr es pflegt, denkt man eher an ältere Intellektuelle. Woran liegt das?

Das Genre hat sich zur Zeit stark auf eine Zielgruppe eingeschossen: das ältere Publikum. In vielen Städten werden deshalb mittlerweile sogenannte „Premium-Kinos“ geschaffen – mit weniger Plätzen, aber Bedienung am Platz und höheren Preisen. Zu sehen gibt es dann Wohlfühlfilme, oft aus Frankreich. Junges Publikum und junges Kino spielen in der Branche eine untergeordnete Rolle. Wir tun was dagegen, indem wir zum Beispiel in unserer Reihe „Junger deutscher Film“ Erstlingswerke zeigen und Regisseure einladen.

Aber kommen dann auch wirklich junge Leute? Oder alte, die sich die Jungen mal angucken wollen?
Natürlich kommen auch ältere Leute. Das Publikum ist im Schnitt aber sehr jung und das nicht nur bei aktuellen Filmen. Im Juli haben wir Stanley-Kubrick-Filme gezeigt, zeitgleich zur WM. Da hatten wir vier Mal einen vollen Saal, der Altersdurchschnitt lag gefühlt bei 20, 21 Jahren.  

Was muss Arthaus-Kino bieten, damit mehr junge Leute kommen?
Mehr Mut zum Risiko und mehr Experimente. In meinem Umfeld halten alle amerikanische Fernsehserien für mutiger und innovativer als das Kinoprogramm. Aus meiner Sicht liegt das an der Routine, die es ja im Arthaus- genauso wie im Mainstream-Kino gibt. Deutschland ist als Filmland bei vielen sowieso abgeschrieben, die Leute denken dann direkt an Til Schweiger.

Welchen deutschen Film würdest du uns denn empfehlen?

Da fallen mir spontan zwei ein, die wir dieses Jahr gezeigt haben. Beide sind Eigenproduktionen, weil sie Sendern zu heikel waren. Zum einen „Der Samurai“ von Till Kleinert– ein queerer Coming-out-Märchen-Thriller. Das klingt, als würde es nicht funktionieren, funktioniert aber erstaunlich gut. „Love Steaks“ von Jakob Lass ist der andere Film. Sehr kompromisslos. Der sollte zeitgleich im Kino starten und auf DVD erscheinen, aber da gab es heftige Proteste. Dabei sieht man daran wunderbar, wie gut ein bisschen Mut dem deutschen Film tut.

"Under the Skin" läuft am 2. Oktober in ausgewählten Kinos an.

Rikscha-Tagebuch: Der Käfig

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Lieber nicht im Käfig: Rikscha-Reporter Ali.

Auf der Wiesn darf man nicht überall Kunden jagen. Es gibt Bereiche, in denen keine Rikschas fahren dürfen. Dafür gibt es extra Stellplätze. Der größte ist an der St. Pauls Kirche. Wir nennen ihn den "Affenkäfig", oder einfach „Käfig“ – weil es hier einen klar eingegrenzten, viereckigen Bereich gibt, in dem wir stehen dürfen. Hier steht man in zwei langen Reihen und wartet auf Gäste.

Im Käfig sieht man alle möglichen Typen von Rikschafahrern. Die alten Hasen, die schon ewig dabei sind und gerne von der guten, alten Zeit erzählen, als unter Rikschafahrern noch Goldgräberstimmung herrschte. Damals habe es nämlich noch keine Abgrenzungen und keinen Käfig gegeben, man konnte überall hinfahren und den Wiesn-Besuchern dabei zusehen, wie sie sich um eine Fahrt prügelten. Damals sei man als Rikschafahrer noch ein Rockstar gewesen und habe reihenweise Models zu sich nach Hause kutschiert.

Zurück zum Käfig. Es gibt da die Berliner Rikschafahrer, die dem Ruf des großen Geldes folgen und ihr Gefährt extra nach München bringen. Die Wiesn ist das Mekka der Rikschafahrer deutschlandweit. Ein paar Frauen stehen auch immer da, abgehärtet durch den täglichen Kampf mit lüsternen Männergruppen und Grabschern. Mit ihnen würde ich nicht gerne tauschen – auch wenn sie vielleicht mehr Fahrten bekommen. Man sieht hypermoderne Rikschas, die neonfarben leuchten und E-Bikes, denen ich immer neidisch hinterhergucke, wenn sie an mir vorbeirasen. Manche der Fahrer haben eigene Rikschas, andere haben sie, wie ich, gemietet.

Es gibt nur eine Regel: Hinten anstellen.


Das Gute am Käfig: Es hat sich rumgesprochen, dass hier so viele von uns stehen. Leute kommen extra hierher, um Rikscha zu fahren. Weil hier so viele stehen, ist der Konkurrenzkampf aber auch riesig. Wenn hier wenig los ist, schnauzen sich die Fahrer schon mal untereinander an, es wird um jeden Kunden gebuhlt. Je länger die Wiesn dauert, desto größer ist die Eskalationsgefahr.

Eigentlich gibt es eine Regel im Käfig: Man stellt sich der Reihe nach an und wartet, bis man vorne ist. Weil manche aber nicht die Geduld haben, stellen sie ihre Rikschas hinten an, gehen dann zu Fuß vor und werben dort um Gäste. Haben sie einen gefunden, nehmen sie ihn an der Hand und führen ihn zurück zu ihrer Rikscha. Letztes Jahr hat diese Art der Kundensuche für so viel böses Blut gesorgt, dass am Ende Reifen zerstochen wurden.

Auf dieser Wiesn habe ich nur am Rande solche Streitigkeiten mitbekommen. Ich stehe kaum noch im Käfig. Der ist mir einfach zu stressig. Nur wenn mir langweilig ist und ich die Gemeinschaft von anderen Fahrern suche, schaue ich mal vorbei. Ich denke, das ist auch der Hauptgrund, warum hier so viele stehen. Der Käfig ist vor allem ein Treffpunkt von Rikschafahrern, die nicht alleine in der Kälte stehen wollen.

Folge verpasst? Das komplette Rikscha-Tagebuch kannst du hier nachlesen.

Schaufensterkritik: Rundes Rätsel

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Wollte man die Schaufenster, die einem jeden Tag in der Stadt begegnen, in Kategorien einteilen, wäre „dubios“ sicherlich eine der häufigsten. Als Archetyp dafür könnte dieses Exemplar in der Leopoldstraße dienen. Saubere Lamellen, dezente Beleuchtung, kein Namensschild oder überhaupt irgendein Hinweis auf den Zweck des Geschäfts. Stattdessen gibt es: chromglänzende Kugeln, feinsäuberlich aufgereiht, in verschiedenen Größen und auf einem Samttuch platziert. Was soll uns das sagen? Ist da jemand schon von großer Vorfreude auf die glitzernde Weihnachtszeit übermannt worden? Handelt es sich um einen geheimnisvollen Bowling- oder Kegelclub? Das Rätseln darf beginnen!

Wann gibst du zu viel von dir preis?

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Bei Freund D. war es ein Geschäftstermin und zwar einer aus der Hölle. Noch gar nicht so lange her: Der Verantwortliche aus seiner Firma verspätete sich bei einem Abendessen. Deutlich, was genauer meint: eine knappe Stunde. Freund D. war auf den Abend vorbereitet, allerdings nur inhaltlich. Darauf, knapp sechzig qualvoll dahinsiechende Minuten mit einem völlig Fremden – und zwar nur mit einem völlig Fremden – rumzukriegen, war er nicht vorbereitet. Niemand wäre das schließlich. Wie auch?!  




Der Klassiker: verplappern bei Bier.

Freund D. ist, das sage ich mit viel Liebe und großer Hochachtung, ein abgewichster Profi in Small- und Bigtalk. Ich kenne niemanden, der derart ansatzlos und trotzdem ungezwungen Themen lostreten, weitertreiben oder wechseln kann. Aber auch die besten stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Also wurden die Gesprächspausen erst zahlreicher. Dann länger. Dann noch länger und schließlich beinahe körperlich schmerzvoll.

Also schöpfte D. die letzten Reserven aus und erzählte seinem gegenüber – blinder Verzweiflung schon näher als rationalem Agieren –, dass er in ein paar Monaten Vater werde. Mit allem, was man daran so an Freude, Ängsten, Sorgen und Erwartungen verknüpfen kann, füllte er weitere 20 Minuten. 20 Minuten, die er anschließend gerne gelöscht hätte. Denn zu diesem Zeitpunkt wussten selbst ein paar engere Bekannte noch nichts von den Vatervorfreuden.  

Das ist nun freilich ein Extremfall. Aber sicher auch einer von vielen. Ich selbst verspüre beispielsweise schnell den Drang, etwas Intimes preiszugeben, wenn mein Gegenüber das zuerst getan hat. Weil ich dann das Gefühl bekomme, etwas schuldig zu bleiben, wenn ich es nicht tue. Den anderen in der Luft verhungern zu lassen. Dazu natürlich der Klassiker des Um-Kopf-und-Kragen-Redens: Bierselige Vertrautheit gepaart mit milder Euphorie und lahmem Hirn. Und dann Sätze wie: „Was ich dir schon immer mal sagen wollte ...“ oder „Ich muss das jetzt endlich mal irgendwem erzählen ...“.  

Wie sind deine Erfahrungen mit ungewollter Offenheit? Wann neigst du dazu, mehr zu erzählen als du solltest? Und in welchen Situationen haben dir Menschen schon Dinge berichtet, die sie (oder ihr beide) später gerne wieder zurückgenommen hätten? Erzähl doch mal!

Tagesblog - 2. Oktober 2014

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14.34 Uhr:
Juhuuuuu! Ein neuer Text auf der Seite - und was für einer. Alexander war bei der Jugendorganisation der Bayernpartei. Und hat dort viele bayrische Eigenheiten erlebt - unter anderem eine Weißwurst-Zuzel-Quote von 100 Prozent. Aber lest selbst...

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13:13 Uhr:
Das Essen war gut, aber jetzt ist mein Computer total im Eimer, weshalb alles NOCH langsamer läuft, als eh schon. ABER! Ich wollte auf die reiche Ernte von sinaasapple verweisen. Die hat Zwetschgenmus eingekocht und netterweise das Rezept verlinkt. Falls ihr noch eine Beschäftigung fürs Wochenende braucht.

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12:10 Uhr:
Gerade ist ja hier nicht soooo viel los. Und bevor ich noch eine weitere Stunde mit mir selbst plaudere, geh ich schnell zum Essen. Es gibt Kindheitsessen: Spinat, Kartoffeln und Spiegelei. Juhu, ich werde allen alles wegessen!!!

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11:47 Uhr:
Ungefähr genauso langweilig wie die Nacherzählung von Träumen ist es ja, sich über Computerprobleme zu beklagen. Aber wenn nicht bald was passiert, dann RASTE ICH AUS!!!!" ICH KANN SO NICHT ARBEITEN!!!!! Okay, jetzt geht es mir schon besser. Was ich eigentlich sagen wollte: Wenn ihr schon immer mal wissen wolltet, wie es unter dem Teppich im SZ-Hochhaus aussieht, ist heute euer Glückstag. [plugin imagelink link="https://scontent-a-fra.xx.fbcdn.net/hphotos-xpf1/v/t1.0-9/10378202_10205036734862598_1380105455738963439_n.jpg?oh=5a745ac1d951be435e23fee9dce24df3&oe=54C21249" imagesrc="https://scontent-a-fra.xx.fbcdn.net/hphotos-xpf1/v/t1.0-9/10378202_10205036734862598_1380105455738963439_n.jpg?oh=5a745ac1d951be435e23fee9dce24df3&oe=54C21249"]
Mich beunruigt dieser Anblick ehrlich gesagt ziemlich. Wer braucht denn bitte wozu so viele Kabel?


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10:33 Uhr:
Juhu! Eine neue Folge der Kettengeschichte. Wir sind mittlerweile bei Teil 24 angelangt. Und wieder - ihr werdet es nicht für möglich halten - gibt es eine völlig neue Wendung in der Geschichte! Diese Folge wurde übrigens verfasst von jetzt-Userin sabs0411.

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10:15 Uhr:
Ich musste so laut lachen: 
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9:58 Uhr:
Das hier ist "my jam", wie der Mensch von heute zu sagen pflegt: Eine old-timey-Bluegrass-Version von Nicki Minajs Song "Anaconda":
http://www.youtube.com/watch?v=Ez-apj-Od1I#t=19

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9:48 Uhr:
Kein Tier, aber ein gif: Endlich weiß ich, was ich meinen Schwiegereltern zu Weihnachten schenken kann: Eine Pistole, die Geld regnen lässt - die sollte in keinem Haushalt fehlen:
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9:23 Uhr:
So, jetzt fang ich gleich mal mit dem Ernst des Lebens an, damit wir danach gleich spielen können. Hier sind die Themen des Tages:
- Unser Ministerpräsident und Lachsack in Personalunion Horst Seehofer hat mal wieder eine neue Idee zum Thema Energiewende: Jetzt stellt er die neue Stromtrasse in Frage.
- Die Chefin des Secret Service ist wegen des Eindringlings im Weißen Haus zurückgetreten.
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In Hongkong gehen die Demonstrationen weiter. Heute Mittag unserer Zeit läuft auch das Ultimatum der Studentenführer aus. Sollte bis dahin nicht der Regierungschef von Hongkong zurückgetreten sein, wollen sie die Proteste ausdehnen.
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Nach München, St. Moritz, Krakau, Stockholm und Barcelone hat jetzt auch Oslo seine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 zurückgezogen. Bleiben nur noch zwei Kandidaten übrig: Almaty, Kasachstan und Peking, China. Ein ausführlicher Kommentar folgt im Laufe des Tages.
- Das Simon-Wiesenthal-Center hat der deutschen Bundesregierung eine Liste mit 80 Namen ehemaliger, vermutlich noch lebender SS-Mitglieder übergeben, 76 Männer und vier Frauen, die bei den sogenannten Einsatzgruppen tätig waren, die während des Holocausts über eine Million sowjetische Juden erschossen haben sollen.

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9:16 Uhr:
Guten Morgen, liebe alle! Heute bin ich zuständig für alles mögliche. Ich freu mich schon! Bis gleich....

Die jetzt.de-Kettengeschichte, Teil 24

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Was bisher geschah: Anna jobbt an der Tankstelle und haut mitten in der Nachtschicht ab - zum Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier, bei dem ihr Schwarm Gerwin Gewinner antritt. Doch dort sperren Gerwin und die alte Liesel Maier Anna auf einem Dachboden voller berühmter Kunstwerke ein. Annas Chef Paul taucht auf, um Anna zu retten. Er kennt die Entführer schon aus seiner Zeit als illegaler Kunsthändler - die drei haben gemeinsam Kunstwerke gestohlen, die magische Kräfte haben, unter anderem ein ägyptisches Totengott-Amulett. 
In einer Parallelrealität hat Anna inzwischen den Roman "Nachtschicht" gelesen und wurde in die Geschichte hineingesogen. Ihre Freundin Rana gerät in die Fänge der Entführer, Ranas Freundin Bernhard wird ermordet. Anna und Paul flüchten vor dem Chaos in die Tankstelle. Doch mit dem Totengott-Amulett haben Gerwin und Liesel eine Zombie-Armee heraufbeschworen. Zum Glück kann Anna die Geschichte mit der Kraft ihrer Wünsche beeinflussen und Paul und sie werden von einem fliegenden Einhorn gerettet, das sie schließlich in der Nähe eines verlassenen Bauernhauses absetzt, in dem es einen Teleport gibt. Anna will diesen gerade aufsuchen, als auf einmal Wendy Wendepunkt auftaucht, die zuvor schon einmal für eine Wendung in der Geschichte gesorgt hat...

Alle vorigen Teile der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 24 von jetzt-Userin sabs0411.



...völlig losgelöst...von der erde...
 

„Wendy?“, flüstert Anna fragend.  

...schwebt das raumschiff...völlig schwerelos...
 

„Wendy Wendepunkt?“  

Statt einer sinnvollen Antwort wird Anna eine Erklärung in ihrer ganzen unglaublichen Heftigkeit schlagartig bewusst gemacht. „AAAUUUAAAHHH!“, brüllt Anna, die schmerzende Nasenwurzel reibend und starrt ungläubig auf Wendy, die ungerührt die linke Faust massiert.  

„Klarer Fall von persistierender Wahrnehmungsstörung“, konstatiert Anna bemüht nüchtern.  

„Persilierendes WAS?!“, meint Wendy noch und sinkt mit einem leisen Seufzer sanft zu Boden, die cremefarbene Haarpracht gleich einem schützenden Nest um ihr faltiges Antlitz drapiert.  

„Na Flashback halt!“, mault Anna entnervt und kümmert sich eingehend um ihr anschwellendes Riechorgan.  

„Lila Einhörner hoch droben, rosa Herzchen am Fell, Lavendel in der Nase und launige Weisheiten im Ohr! So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein!“, wendet die wendehalsige Wendy postwendend die Wendung der Geschichte ein. Dies alles in einem würgenden Singsang. Dabei setzt sie mit unschuldiger Miene einen Schwall Mageninhalt gen Anna frei.  

„So eine Sauerei!“, moniert diese und beginnt widerwilligst, die Hinterlassenschaft Richtung Siebenmeilenstiefel zu bewegen, um mit Hilfe der Tarnumhänge das Gröbste von ihrer Bluse zu entfernen.  

„Welche Größe hast du denn?“, meint Anna und fischt sich ohne eine Antwort abzuwarten ein Paar High Heels des immer noch nicht abgesagten Manolo, eigentlich Manuel Blahnik, einen very britishen Prorsum Trenchcoat des legendären Thomas Burberry und etwas angestaubte Hosen im Camouflage-Chic der Max Mara Fashion Show von vor zwei Winter aus dem Schrank.  

„Wie lautet der Auftrag?“, fragt Wendy jetzt langsam wieder zu sich findend.  

„Hast du eigentlich gewusst, dass Michelangelo Merisi eigentlich das Hauptziel war?“  

„Michelangelo Merisi?“  

„Na Caravaggio, Dummerchen! Zwar nicht sein Name, nur der Geburtsort, aber den sollten wir holen. Wunderkräfte hin oder her. Das ist doch alles nur Bullshit! Die anderen Nasen haben sich dann irgendwas einreden lassen. Die waren nicht mehr zu stoppen. Rien ne va plus! Nix geht mehr! Und wie dann die Bernhard abgenippelt ist. Ausnahmezustand Hilfsausdruck.“

„Der Auftrag? Wie lautet der Auftrag?“  

Anna entfährt ein wahnsinniges Wiehern. Gruß vom Einhorn. „Willst du das jetzt durchziehen? Mein Name ist Hase – ich weiß von nichts!“

Wendys Gesichtsfarbe ist inzwischen wieder unmerklich ins Grünliche gekippt, trotzdem ist sie um Haltung bemüht. „Bitte!“, fängt sie leise an zu wimmern. Das Weiß in ihren Augen nimmt ein ungesund aussehendes Ausmaß an. Und noch einmal, diesmal flehender: „BITTE!“ 

Anna ist diese Gefühlsduselei unangenehm, weshalb sie sich gezwungen sieht, eine Machete aus ihrem Military-Outfit zu ziehen und weitere Ausbrüche dieser Art zu unterbinden. „So eine Sauerei!“, entfährt es Anna once again und sie setzt ihre Säuberungsaktion diesmal auf der Haute-Couture-Klamotte fort. „Wem soll ich jetzt die Hintergründe der Aktion TELEPORT erzählen? Wer soll erfahren, was Picasso mit der ganzen Geschichte zu tun hat? Wie erkläre ich den Leuten, dass Bernhard wieder auftauchen wird? Und was wird Mutti sagen, wenn sie meine ungeplante Schwangerschaft entdeckt?“, grübelt Anna und nestelt an den etwas zu eng anliegenden Designerfetzen rum. Plötzlich hört sie hinter sich die erstaunlich leicht aufschwingende Bauernhaustür.  

„So eine Sauerei!!!“, brüllt diesmal Paul, der offensichtlich aus seinem friedlichen Schlummer erwacht und zurück in die harte Realität katapultiert worden ist. „Und was soll dieses t65ztzrzz...“ Ein derangiert wirkender Vorgesetzter steht vor Anna, die über dem Computer eingeschlafen war. Die Kolumne „Nachtschicht“ hatte sämtliche Lebensgeister dazu gebracht, das Zeitliche zu segnen, und Anna in ein bibliophiles Nirwana geschickt. Dabei war unglücklicherweise eine nicht unbeträchtliche Menge Sabber in den eigentlich als Arbeitsgerät gedachten Rechner geflossen, sodass die schiere Unmenge an t65ztzrzz...

Du willst wissen, wie es weitergeht? Teil 25 der Kettengeschichte erscheint am 09. Oktober.

Und nachts suchte der "SS-Trupp" Streit

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Als Innenminister Ralf Jäger noch einfacher Landtagsabgeordneter war, kümmerte er sich genau um jenen Bereich, den er nun als Minister vertritt. Vielleicht gibt es Momente in Jägers Leben, in denen der Minister sich nicht mehr so ganz wiedererkennt in jenem Abgeordneten, der er auch mal war. Damals war alles einfach: wir gegen sie, klare Kante. Ralf Jäger forderte in regelmäßigen Abständen, die Rücktritte verschiedener CDU-Minister. Er kreiste tief über der Regierung und suchte nach deren Fehlern, so sehr, dass man ihn bald „Jäger 90“ nannte, wie das Kampfflugzeug. Über die Justizministerin sagte er: „an Peinlichkeit nicht zu überbieten“. Als es in einer Haftanstalt einen Toten gab, brüllte er Richtung Regierungsbank, er verstehe nicht, „wie eine solch grausige Tat in einem nordrhein-westfälischen Gefängnis unbemerkt geschehen“ könne. Das war nicht falsch, aber schnell gesagt.

Innenminister Jägers Antworten sind nicht überzeugend

In diesen Tagen muss Jäger selbst erklären, wie eine solch grausame Tat in Nordrhein-Westfalen geschehen konnte, wie private Sicherheitsdienste Flüchtlinge in mindestens drei Einrichtungen quälen konnten, ohne dass es das Land bemerkte. Jägers Antworten sind nicht eben überzeugend. Gegen die große kriminelle Energie Einzelner könne man nichts ausrichten, sagte Jäger. Er verordnete das Standardrezept: Wachleute müssen sich jetzt durch den Verfassungsschutz und die Polizei überprüfen lassen. Dabei hätte man auch ohne Schlapphüte und Führungszeugnisse erkennen können, wer sich da so herumtreibt in den Flüchtlingsheimen. Einer der Beschuldigten hatte ein „Hass“-Tattoo am Hals, ein anderer sich „Ruhm und Ehre“ unter die Haut stechen lassen. Sie sollen nachts durch die Flure des Heimes gelaufen sein, auf der Suche nach Streit, „SS-Trupp“ wurden sie genannt.





Eines der großen Versprechen, die Minister Jäger im Landtagswahlkampf 2010 gegeben hatte, war, die „Privat vor Staat“-Politik von CDU und FDP zurückzudrehen. Das hat er auch eingehalten, zumindest, was den Teil der Landespolitik von Rot-Grün betrifft, die den moderaten Stellenabbau der Regierung von Jürgen Rüttgers gestoppt hat. Jäger hat einerseits darauf Wert gelegt, dass der Staat alle möglichen hoheitlichen Aufgaben behält, vom Verteilen der Parkknöllchen bis zum Eichamt. Ausgerechnet im sensiblen Bereich der Flüchtlingsbetreuung aber hat Jäger die Privatisierung unterstützt, sie zumindest geschehen lassen. Er hat dabei zugesehen, wie Subunternehmer andere Subunternehmer beauftragten, wie Sicherheitsfirmen Wachleute anheuerten, die oft beide Seiten des Lebens kennengelernt haben: Sie hatten oft genug schon selber gegen die Ordnung verstoßen, nun aber sollten sie für einen Hungerlohn für diese Ordnung sorgen. Einige Beschuldigte von Burbach waren wegen Körperverletzung vorbestraft. Flüchtlinge, in ihren Heimatländern vom Staat misshandelt, wurden in Deutschland von Schlägern empfangen, die der Staat bezahlte – von Türstehern, die nicht vor der Disco standen, sondern an der Schwelle zur Freiheit.

Es wurde verständnisvoll genickt, passiert ist nichts

Christoph Ewers, der Bürgermeister von Burbach, hat sich schon im Sommer einen Termin geben lassen im Innenministerium. Er habe, so sagt er, dem dortigen Staatssekretär berichtet, dass der Sicherheitsdienst in der Unterkunft „nicht seriös“ sei. Es könne dort nicht so weitergehen, es herrsche totale Überbelegung. Der Staatssekretär habe verständnisvoll genickt, passiert sei nichts. Das könnte auch daran liegen, dass der Bürgermeister der CDU angehört, und die mag Jäger noch genauso so wenig wie zu Oppositionszeiten. Eine Sprecherin des Innenministeriums sagt nun, in dem Gespräch sei die Rolle des Sicherheitsdienstes gar nicht angesprochen worden; es sei nur um die Überbelegung des Heimes und das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gegangen.

„Wir werden nichts unter den Teppich kehren“, sagt Jäger. Er hat die vier Jahre im Amt bisher souverän gemeistert. Er neigt aber auch dazu, die eigenen Leute zu sehr in Schutz zu nehmen, bevor die Faktenlage überhaupt bekannt ist. Nach dem Unglück auf der Loveparade stellte er sich bedingungslos hinter die Polizei, die keinen Fehler gemacht habe. Nun steht er hinter seinen Beamten – die hätten doch nur „Obdachlosigkeit verhindern“ wollen. Sie stünden vor der fast unlösbaren Aufgabe, ständig neue Unterkünfte aus dem Hut zaubern zu müssen, für die vielen Flüchtlinge.

An diesem Donnerstag wird Jäger dem Parlament Auskunft über die Erkenntnislage geben. Man wird sehen, wie gut der Besen kehrt. Aufgeflogen ist die Affäre ohnehin nur durch Zufall. Weil ein Subunternehmer dem anderen kündigte, sollen ein paar Sicherheitsleute ein Handyvideo an einen Journalisten geschickt haben.

Lasst Gras wachsen

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Wäre da nicht dieser grüne Stern, diskret platziert im Eingangsbereich eines Wohnhauses an der Carrer de Miquel Angel von Barcelona, man würde nichts ahnen. Doch dieses saftige Grün passt schon ganz gut zur süßlichen Schwade, die einem gleich entgegenwehen wird. Eine Gegensprechanlage mit Videokamera filtert die Gäste. „Ja, was willst du?“ Dann öffnet sich die Tür zu einem hübschen Vorraum mit Pflanzen, wie man ihn von Wellness-Centern kennt, dann noch eine Tür zu einem Gang mit Buddha-Statuen und spärlich bestückten Bücherregalen, dann gleich noch eine Tür. Als wären es Schleusen zum Glück. Man kann nicht behaupten, La Maca sei ein extrovertierter Ort. Man muss den Laden kennen, muss da rein wollen, rein in den Rausch. Und das wollen viele, jeden Tag.




La Maca ist einer der ältesten Cannabis Clubs Barcelonas, 700 aktive Mitglieder. Und alt ist hier immer noch sehr jung: Gegründet wurde der Club 2007, zu einer Zeit, als es in Katalonien erst ein halbes Dutzend legale und private Vereine gab, die das Marihuana selber produzieren und ihren Mitgliedern zum Konsum in ihren Lokalen anbieten. Ganz so, wie es ein altes spanisches Gesetz erlaubt. Nun gibt es allein in der Gegend rund um Barcelona plötzlich 400 Clubs mit 165 000 Mitgliedern. Aus dem Boden geschossen, über Nacht gewissermaßen. Große Clubs mit ausgewachsenen Kulturprogrammen, solche mit Liveübertragungen von Fußballspielen, andere mit schönen Designer-Lounges, Restaurants und Chill-Räumen im Bali-Style, solche mit einer medizinisch therapeutischen Abteilung. Jede Nische ist bedient. High Barcelona! Es soll auch einen kleinen Cannabis-Club geben, der von fünf Frauen über 80 geführt wird.

„Das neue Amsterdam“ wird Barcelona inzwischen genannt oder „Amsterdam mit Sonne“ und „Amsterdam am Mittelmeer“. Der Vergleich mit den Coffeeshops hinkt zwar, zumal juristisch. Doch die Breite des Phänomens ist ähnlich massiv. Es schuf Tausende Jobs, linderte so manche Not in der großen spanischen Wirtschaftskrise.

Alles ist in Slow Motion

Es ist 18 Uhr, ein Montag. La Maca ist gut besucht, man ist mit sich und mit dem Gesetz im Reinen. Im Raucherraum, einem Lokal mit abgewetzten Ledersofas und einer Playstation auf Großbildschirm, hängen zwei Dutzend junge Männer aus allen Schichten. Sie lachen, dösen, drehen Joints, gamen. „Ken“ misst sich gerade mit „Riu“ in einem Kung-Fu-Spiel. Man kennt sich gut, wie in einer großen WG. „Hola, qué tal?“ Hallo, wie geht’s. Manche tragen Sonnenbrillen, obwohl hier kein Sonnenstrahl die Rauchwolke bricht, und sinken immer tiefer in die Sofas. Alles in Slowmotion, das Reden, der Lidschlag der Herrschaften ohne Sonnenbrille. Schon mit Passivrauchen ist man da schnell ein bisschen berauscht, obschon sich La Maca etwas einbildet auf diese großen Ventilationsrohre aus Aluminium an der Decke, die den Rauch ganz abführen sollen.

„Riechst du etwa was?“, fragt Andrés, ein mexikanischer Mitarbeiter des Clubs, „ist doch wie in einer Bar – familiär, gesellig, normal, nicht wahr? Es könnte etwas mehr Mädchen vertragen – pero bueno.“ Andrés sitzt an einer Theke im Bürobereich, dem Herz des Vereins. Maximal zwei Gramm pro Tag und Mitglied gibt er heraus. Von jedem weiß er, was er mag, wie viel er konsumiert. Er preist auch schon mal eine neue Varietät an, von der er glaubt, sie könnte gefallen. Auf einem Bildschirm bei der Theke steht das aktuelle Angebot: „Kali Mist“ soll besonders beliebt sein. Und „Green Poison – Relax, Noche“, das grüne Gift eignet sich offenbar für eine sanfte Nachtruhe. Auch „Big Foot“ hört sich irgendwie kurios bewusstseinsverändernd an. La Maca beschäftigt sechs Anbauer in Katalonien, denen der Verein ein fixes Salär auszahlt, damit sie ihre Arbeit nicht am Preis des Cannabis orientieren, am Business. Denn das dürfen sie nicht.

Rauchen im Freien ist untersagt

Andrés weist jetzt einen jungen Mann ab, der sich etwas kaufen will. Er kam zwar mit einem anderen jungen Mann, der schon Mitglied ist, wie das die Regeln vorschreiben. Er beteuerte auch, dass er schon geraucht habe, noch so eine Regel, um der Initiierung vorzubeugen. Doch einen Ausweis hat er nicht dabei. Wahrscheinlich ist er noch keine 18. Dann kommt ein Paar mit langen Rastalocken. Er zahlt, sie öffnet den obersten Knopf ihrer viel zu kurzen Hose, packt das kleine Bündel in die Unterwäsche, knöpft die Hose wieder zu, dann verlassen sie den Club. „Wenn sie draußen in eine Kontrolle geraten, geht uns das nichts mehr an“, sagt Andrés. Draußen, am Straßeneck. Eben noch standen da vier Polizisten. Vielleicht machten sie nur Verkehrskontrollen.

Wer mit mehr als 30 Gramm erwischt wird, dem droht eine Buße – 300, 500, 700 Euro. Auch das ist das Gesetz: Die Spanier dürfen zwar für den Eigenbedarf Hanf anbauen, zu Hause im Garten oder in Minitreibhäusern, dürfen ihn von Vereinen für sich produzieren lassen und in Clubs konsumieren. Doch Gras bei sich zu tragen, das geht nicht, damit handeln sowieso nicht. Auch Rauchen im Freien ist untersagt, obschon das natürlich alle tun – unten am Meer, im Stadion, in den Pärken.

In der rechtlichen Grauzone vermischt sich alles

Da vermischt sich Legales, Geduldetes und Illegales in einem großen Durcheinander, in einer gesetzlichen Grauzone. Während der spanischen Rezession war jede Aktivität mit etwas Erfolgschancen willkommen. Da wuchs die Branche so schnell und unkontrolliert, dass sich die katalanischen Politiker nun vor ihrer eigenen, sprichwörtlichen Toleranz fürchten. Die Grauzone hat eben auch schwarze Schafe angezogen. Clubs, die dealen, die Touristen anlocken. Im Sommer wurden 45 Vereine geschlossen, auch einer der größten: Airam, 16000 Mitglieder. „Die Schuld trägt die Politik“, sagt Jaume Xaus, der Vorsitzende des Verbands der katalanischen Cannabisvereine, dem 40 Clubs angehören, „sie hat es versäumt, die Branche rechtzeitig zu regulieren.“ Nun gebe es einfach alles, auch Unschönes. Xaus sorgt sich ums Image: „Diese Vergleiche mit Amsterdam schaden uns. Wir haben unser eigenes Modell, unsere Kultur, sie ist über viele Jahre gereift.“

Barcelona war oft schon gesellschaftspolitische Avantgarde im Land. Die Katalanen distanzieren sich nun mal gerne von Madrid, von der Strenge der katholischen Kirche, von der konservativen Politik des Partido Popular, vom lähmenden Zentralismus. Jede progressive Geste nährt die gewünschte Antithese. Im jungen, weltoffenen Barcelona ist selbst die bürgerliche Rechte aufgeschlossener und moderner als die Linke in Madrid. Auch wenn es ums Kiffen geht. Seit 17 Jahren liegt hier an den Zeitungsständen eine Monatszeitschrift auf, die sich allen Aspekten der Cannabis-Kultur widmet: Cañamo, so heißt das Heft, verkaufte Auflage: 20000 Exemplare. In Barcelona gibt es auch ein „Hash, Marihuana & Hemp Museum“, ein Ort der stolzen Selbstspiegelung mitten in der Altstadt, das bei jeder Gelegenheit Konferenzen zum Thema organisiert.

Die Social Clubs leben von den Touristen

Und es gibt nun eben einige Hundert Clubs. Viele von ihnen leben von den Touristen, obwohl das nicht dem Geist der Geschichte entspricht. Manche ködern Gäste beim Flanieren auf der Rambla, weisen ihnen den Weg zu ihren Lokalen ohne Neonschilder, zum Dragon Cannabis Club oder zum Barcelona Coffee Shop, stellen ihnen schnell und für wenig Geld einen Mitgliederpass aus, damit die rechtlichen Kriterien erfüllt sind. Natürlich ist bereits das Anwerben Geschäft. Manche Clubs ignorieren alle Regeln, verkaufen auch Ware, die sie nicht selber anbauen. „Das drängt die Politik dazu, repressiver zu denken, als sie das eigentlich vorhatte, regressiver auch“, sagt Xaus, der zuweilen als Mittler in den politischen Kommissionen mitarbeitet, „Colorado rückt in die Ferne.“ Colorado ist das Ziel. In dem US-Bundesstaat sind der Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis inzwischen weitgehend freigegeben.

Barcelonas Stadtverwaltung hat nun ein Moratorium erlassen: Für ein Jahr dürfen keine neuen Clubs eröffnet werden. Bislang hatte dafür eine einfache Anmeldung gereicht. Ein umfassendes Regelwerk soll bald alle Missbräuche unterbinden. Kein Club wird mehr in der Nähe einer Schule stehen dürfen, jeder muss Abluftröhren montieren, wie sie La Maca hat, damit die Nachbarschaft nicht vernebelt wird. Die Konten sollen sauber geführt, der Transport des Stoffs von den Plantagen zu den Clubs nach genauen Vorgaben verrichtet werden, immer von denselben Fahrern. Vor allem aber soll es künftig so sein, dass nur noch Mitglied eines Cannabis-Clubs werden darf, wer fest in Katalonien lebt. Theoretisch wenigstens.

Amsterdam light? Auf spezialisierten Websites im Internet gibt es Foren und Führer durch Barcelonas Szene, die besten Adressen, die wichtigsten Informationen zum Gesetz und ständig aktualisierte Tricks zur Düpierung der Polizei: „Wenn du Bullen vor den Clubs patrouillieren siehst“, schreibt einer dieser Führer auf Englisch im Netz, „geh einfach weiter und kehr später zurück.“ Ein gewisser „b.stoner103“ hilft via Mail gerne dabei, auf die Schnelle einen Einheimischen zu finden, der schon Mitglied eines Vereins ist und einen mitnimmt. Er grüßt so: „Welcome to Barcelona, the new Smoking Capital of the World.“ Welthauptstadt also, über Nacht.

Das Versprechen

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In der stuckverzierten Lobby der Cadogan Hall – die ehemalige Kirche am Sloane Square ist seit einigen Jahren Heimat des Royal Philharmonic Orchestra - erinnert heute wenig an das übliche Londoner Premierenpublikum. Die Sekt- und Weinflaschen an der Bar bleiben zu, die Kleiderordnung spiegelt vor allem die Vielfalt muslimischer Lebensweisen in England. Einige Frauen tragen bunt gemusterte Hijabs, andere zeigen Frisuren und Goldschmuck, aber selbst die paar hochhackig dahertrippelnden Schönheiten wahren eine gewisse Langärmeligkeit. Dazwischen bärtige Männer in dunklen Anzügen. Das „British Muslim TV“ und die Partnerbörse „Muslim & Single“ haben Werbestände aufgebaut. Das türkische Fernsehen berichtet live. Und nur ein paar Jungs in Trainingsanzug, Camouflage-Jacke und Hip-Hop-Kappen lassen den Schluss zu, auf einem Popkonzert gelandet zu sein.




Genauer gesagt: Der Albumpräsentation des größten Popstars der islamischen Welt. An der Kasse liegt seine neue CD: „The Centre“. Das Cover schmückt das Konterfei eines etwas unrasiert wirkenden, ernsten jungen Mannes. Hierzulande würde ihn wohl niemand erkennen. Doch die vielen Selfie-Knipser vor dem Konzertplakat lassen erahnen, was der Name Sami Yusuf bedeutet: 31 Millionen verkaufte CDs weltweit (plus ein Mehrfaches an illegalen Kopien). Menschenaufläufe, wenn er sich zwischen Karachi und Kairo auf der Straße zeigt. Und ausverkaufte Arenen, zuletzt ein Konzert vor 250 000 Fans auf dem Istanbuler Taksimplatz.

Der größte Popstar der islamischen Welt

Dass der in Teheran geborene und in London aufgewachsene Popstar in einer kleinen Halle wie dem Cadogan auftritt, ist also vor allem der Symbolwirkung geschuldet: Seht her, wir bekennen uns zu Großbritannien! Und wir sind – wie die Londoner Philharmoniker – Teil der britischen Kultur. Sobald der 34-jährige Musiker die Bühne betritt, leuchten Hunderte Smartphones auf. Stürmischer Applaus, doch niemand, der auf die stoffbezogenen Sitzbänke springt. Das wäre Yusuf auch nicht recht: Denn der Mann in Anzughose und bescheidenem Pulli vermeidet alles, womit Popstars sonst punkten. Keine übertriebenen Gesten, kein Bühnengezappel, null Show. Der Hocker am Flügel reicht ihm. Zwei Musiker begleiten ihn, einer spielt Gitarre, der andere hat eine Tar genannte persische Langhals-Laute auf dem Schoß. Das ganze Drama liegt in dem von einer riesigen Video-Leinwand übertragenen Gesicht Sami Yusufs, während er die „Mitte aller Dinge im Hier und Jetzt“ beschwört, sein „Allahu akbar“ in leidenschaftlichen Arabesken moduliert. Zu Melodien und Männerstimmen-Harmonien, deren Pop-Appeal an die besten Momente von Simon & Garfunkel erinnern: „Singt ruhig mit. Nehmt das Booklet aus euren CDs, da stehen die Texte drin.“ Freundliches Zwinkern aus großen Augen.

„Ich wollte nie ein Popstar sein“, wird Yusuf anderntags in einem Café in Chelsea erklären. „Meine Fans lieben mich doch gerade, weil ich sie wie Brüder und Schwestern behandle.“ Demonstrative Bescheidenheit. Ist das der Grund, warum der größte Musikexport Englands der vergangenen Jahre in westlichen Medien kaum wahrgenommen wird?

"Kein einziger deutscher Journalist wollte mich sprechen"

„Auf meiner Deutschlandtour“, sagt Yusuf „habe ich die Grugahalle in Essen, die Köln-Arena und die Max-Schmeling-Halle in Berlin ausverkauft. Aber kein einziger deutscher Journalist wollte mich sprechen.“ Und das, obwohl Yusuf – seine Frau ist Münchnerin – Deutschland als eine Art zweite Heimat betrachtet. Offensichtlich gebe es viele Mainstreams auf dieser Welt: Einen arabischen, ägyptischen, türkischen oder indischen, in denen er als Star gehandelt werde, und einen westlichen, für den er unsichtbar bleibe. Es ist unbestreitbar, dass Yusuf ein hervorragender Musiker, Songwriter und Arrangeur ist, mit einem sehr guten Händchen für Hooklines. Aber eben auch allzu brav. Ein Rock-’n’-Roll-Spielverderber. Eine Rolle spielt der britische Muslim vor allem als „Beispiel eines gut integrierten Migranten“. Oder als Verteidiger des Mainstream-Islam. So auch in einem BBC-Interview am Tag vor seinem Konzert, in dem es weniger um Musik ging als um die Enthauptung eines Briten durch britische IS-Kämpfer in Syrien: „Natürlich ist es dämonisch, was die IS-Jünger anrichten. Aber was haben diese sexuell frustrierten, politisch verwirrten Menschen mit dem traditionellen Islam gemein? Warum wird von uns Muslimen erwartet, dass wir uns für sie entschuldigen? Genauso gut könnte ich von Ihnen eine Entschuldigung für die Verbrechen fundamentalistischer Christen in Amerika erwarten!“

Die Islam-Unkenntnis des Westens bringt den sanften Musiker in Rage: „Drei Millionen Muslime leben in England, vier Millionen in Frankreich, fünf Millionen in Deutschland. Und sie wissen nichts über uns.“ Er hält die aktuelle Daily Mail, eine englische Boulevardzeitung, in die Höhe. „Taxifahrer von Dschihadisten bedroht“. Sei das wirklich eine fette Titelzeile wert? Und dann dieser Generalverdacht gegen Muslime! Gerade seine Musik setze die intellektuelle und spirituelle Tiefe islamischer Tradition gegen die „Wahnsinnigen“. Diejenigen also, die sich daran stören, dass Yusuf Zehntausende Kopftuchmädchen zujubeln oder dass er angeblich „unislamische“ Blas- und Saiteninstrumente spiele. „Alles Schwätzer“, schimpft der Musiker, „sie haben doch gar keine traditionelle Legitimation.“

Spitzen gegen islamische Kalifatsphantasien

Während des Konzerts weist er immer wieder auf die Quellen seiner Songtexte hin: Viele entstammen – egal ob er sie auf Englisch, Farsi, Türkisch, Arabisch oder gar Hindi singt – den mystischen Sufi-Überlieferungen Irans und Afghanistans. Einmal verweist er gar auf die Inspiration durch einen buddhistischen Chant.

Warum auch nicht? Der traditionelle Islam teile den Kern der Schönheit und Wahrheit mit allen Religionen: „Ich möchte diesen Teil des islamischen Erbes predigen“, verkündet er, „statt mich auf den Müll zu konzentrieren, den die Medien über uns verbreiten“. Es folgt sein Song „Corazon Send Me Home“: Wer die Schätze draußen in der Welt suche, müsse scheitern, denn sie seien nur inwendig zu finden. Spontaner Applaus. Das Publikum versteht Yusufs Spitze gegen islamische Kalifatsphantasien.

Unter dem Eindruck täglicher Dschihad-Schlagzeilen ähnelt auch das Bühneninterview nach dem Konzert einer PR-Maßnahme: Dafür, dass Muslime eben ganz normal seien. Gute Mitbürger, oft für das Wohl der Allgemeinheit engagiert. Kristiane Backer, eine zum Islam konvertierte ehemalige MTV-Moderatorin aus Hamburg, sitzt, das blonde Haar offen, der Tonfall freundschaftlich-vertraulich, dem Superstar auf einem Hocker gegenüber: „Sami, wie bist du zu einem Vorbild für junge Muslime geworden?“ – „Oh, ich bin viel kleiner, als du mich aussehen lässt.“ Verschämtes Lachen. „Immerhin hast du mehrere 100 Millionen Alben verkauft, ohne dich zu verbiegen oder deine Tradition zu verraten.“ – „Alles was ich kann, habe ich von meinem Vater und bei uns zu Hause spielenden Meistermusikern wie Ravi Shankar gelernt. Ich hatte Hunderte Ausreden parat, die Schule abzubrechen, aber dann habe ich, inschallah, dem Gruppendruck widerstanden. Ich musste nicht cool sein. Ich stand dazu, Bachs H-Moll-Messe lieber zu hören als aktuelle Popmusik. Mich hat es immer zu traditionellen Dingen gezogen – weil sie mich spirituell anzogen. Das ist es, was ich euch sagen will: Bewahrt euch eure Identität. Seid ihr selbst!“ Ja, es sei besser, als „weirdo“ zu gelten, als die Wahrheit zu verraten.

Die Popkarriere als göttliche Fügung

Er erzählt von seiner Popkarriere wie einer göttlichen Fügung: Nach einem Konservatoriumsstudium wollte er als 23-Jähriger eigentlich nur dieses eine Album mit religiösen Preisgesängen aufnehmen. Er spielte alle Instrumente selbst ein. Produzierte daheim. Stellte die CD ohne große Marketingkampagne ins Netz. Das war 2003. Am Ende beschäftigten sich selbst Kairoer Think-Tanks mit der Frage, warum sich Yusufs Album aus dem Stand millionenfach verkaufte, welches Versprechen er der muslimischen Pophörerschaft bot, das die Billigkopien westlicher Hits nicht leisten konnten.

Ob der Musiker etwas dagegen habe, etwa mit Robbie Williams – Yusuf hat längst viel mehr Facebook-Likes als Williams – die Bühne zu teilen? Mmmh. Irritiertes Lächeln. Es sind Fragen, die den belesenen, Nietzsche bis Rumi zitierenden Star ein wenig aus der Fassung bringen. Nun gut, eine MTV-Einladung würde er nicht ausschlagen. Schon weil es ihm eine Plattform böte, noch mehr Spenden als bisher für die Welthungerhilfe der UNO zu sammeln. Andererseits: laute Partys, Ausschweifungen, das öffentliche Zelebrieren von Sex? Nein, das sei, inschallah, noch nie seine Welt gewesen. „Mich interessiert die Zuneigung von Groupies nicht. Ihr Gekreische ist mir peinlich. Für mich ist jedes Liebeslied eine Reflexion der göttlichen Liebe.“

Westlicher Hedonismus und Islamisten bedienen beide Allmachtsphantasien

Der Mann hegt tiefes Misstrauen gegenüber Äußerlichkeiten. Von den Exzessen des westlichen Hedonismus sei es – so sieht es Yusuf – nur ein kurzer Weg zur Ideologie der Islamisten. Weil beide gleichermaßen Allmachtsphantasien bedienten. Primitive Belohnungen versprächen. Und eine Kultur predigten, der die spirituelle Dimension und damit jede menschliche Würde abhanden gekommen sei.

Yusuf glaubt, dass tief im Islam verwurzelte Menschen kaum Propaganda folgen: „Sie fangen Menschen, die sich nicht gesehen und nicht geachtet fühlen. Und die meisten Menschen in der arabischen Welt suchen verzweifelt nach einer Bedeutung in ihrem Leben.“

Yusufs Musik scheint da wie ein Schlüssel zu Toleranz und spiritueller Größe. Als einziger westlicher Popstar habe er ein Konzert in Saudi-Arabien geben dürfen. An der Kultur dieses Landes lässt er kein gutes Haar. Die prägen die Wahabiten, die Anhänger einer puritanisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islams.

Yusuf will niemanden missionieren

Die Freude an der Schönheit aber lasse sich nur künstlich unterdrücken. Bei Sami Yusufs Konzert in Saudi-Arabien jedenfalls sei das Publikum allen Vorschriften zum Trotz in Wallung geraten. Zuerst die Männer vor der Bühne. Dann auch die Frauen, die seinen Auftritt in einem gesonderten Saal per Video-Leinwand verfolgen mussten, sich ihrer Kopftücher und Schuhe entledigten und auf den Stühlen tanzten. Yusuf will niemanden missionieren. Seine Musik aber vermag wohl zumindest das Allahu akbar zu transzendieren – jenseits bloßer Gesetzeshüterei.

Auch in Großbritannien sei das nötig, besonders bei den Konvertiten. Der Musiker erzählt von seinen Begegnungen mit dem anderen großen britischen Islam-Barden, Yusuf Islam, der als Cat Stevens berühmt wurde. Stevens habe sich über das Koran-Studium dem Islam zugewandt. Leider aber hätten ihn, ahnungslos wie er war, anfangs Salafisten beraten. „Wir haben dann viel miteinander geredet: Warum sollte er als Engländer deren Kleider tragen? Warum sich seiner Musik genieren?“ Inschallah habe der Musikerkollege inzwischen zur wahren, normativen, orthodoxen Tradition des Islam gefunden. Die Jugendlichen aber, die mit einem „Islam for Dummies“-Handbuch im Gepäck ins IS-Kalifat reisen, könne er nicht umstimmen. Sie seien aus einem spirituellen Vakuum erwachsene Monster: „Ihr Deutschen müsstest es doch wissen: Warum so viele von euch einst allzu gern einem Mordregime dienten. Das Problem ist nicht die Religion, sondern deren Verlust.“

Große, böse Stadt

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Man weiß nicht, was die Menschen am Biertisch mehr genießen: den Applaus oder die Bezeichnung, die ihr Parteivorsitzender ihnen gerade verpasst hat. Als er sie mit seinem „besonderen Gruß“ bedacht hat. Einem besonderen Gruß an seine „jungen, dynamischen Revoluzzer“.
 
Es ist „Politischer Gillamoos“ auf dem Volksfest in Abensberg, 30 Kilometer vor Regensburg, bei dem die Parteien ihre politischen Reden halten. Die Bayernpartei trifft sich in der Wirtschaft „Kuchlbauer“, ins Festzelt durften wieder nur die anderen Parteien. Trotzdem herrscht Bierzeltstimmung im Saal. Es ist brechend voll, und wenn nicht geredet wird, spielt eine Blaskapelle. Die Leute sitzen eng an den langen Bänken zusammen. Fast alle tragen Tracht, trinken Weißbier und essen Weißwürste. Die Zuzel-Quote liegt bei knapp 100 Prozent.

Eine Zuzel-Quote von 100 Prozent
 
Und in der Mitte des Raums sitzen die jungen Revoluzzer: die Jungbayern, etwa 20 sind heute gekommen, alle zwischen 20 und 30 Jahre alt. Sie sind der Nachwuchs einer sehr konservativen Partei, deren Ziel es ist, die bayerische Kultur und Sprache zu fördern. Mehr noch: Die Jungbayern sind überzeugte Separatisten. Sie wollen die Abspaltung Bayerns von Deutschland.



 
Während die Redner in den kommenden zwei Stunden Schimpftiraden auf den Länderfinanzausgleich und die CSU abfeuern und vor einer „Überfremdung“ im Land warnen, herrscht bei den Jungbayern ausgelassene Stimmung. Je kerniger die Aussagen, desto größer der Jubel. Das gilt für den gesamten Saal. Am lautesten wird aber fast immer am Tisch der Jungbayern gejubelt.
 
Wohl auch, weil es zumindest Kleines zu feiern gibt. Die Bayernpartei ist in den vergangenen Jahren wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Bei den Landtagswahlen 2013 lag sie mit 2,1 Prozent immerhin gleichauf mit der Linken. Im Vergleich zu 2008 konnte sie ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. Am Freitag ist Parteitag in Regensburg. Tag der Deutschen Einheit. Und kurz vorher ist die Stimmung bestens. Weil Abspaltung das Thema der Stunde zu sein scheint: In Katalonien gehen gerade wieder Separatisten auf die Straße, in Schottland ist das Referendum für die Unabhängigkeit vom Vereinten Königreich nur knapp gescheitert und in der Ost-Ukraine sorgen Autonomiebestrebungen gerade für einen globalen Krisenherd. Es ist offenbar eine gute Zeit für junge Revoluzzer. 
 



Nadine Holzner ist die einzige Frau am Tisch. Sie ist 30 Jahre alt und trägt Dirndl. Sie stammt aus Niederbayern, wohnt aber jetzt im Landkreis Ebersberg. Dort ist sie stellvertretende Kreisvorsitzende, Mitglied in einer Dirndlschaft, in einem Trachtenverein und im Verein bayerischer Sprache und Dialekte. Letzteres sieht sie gefährdet, Schuld seien vor allem die „Preißn“: „Wenn man zu denen ,pfiad di‘ sagt, kommt immer die dicke Watschn und du kriegst wieder ein ,Tschüss‘ ins Gesicht geschmettert.“ Nadine gestikuliert energisch mit ihren feingliedrigen Händen, wenn sie so etwas sagt. Manchmal rutscht ihr dann eine blonde Strähne aus dem streng zurückgebundenen Dutt.
 
Heimat ist für Nadine Bayern, nicht Deutschland

In die Bayernpartei fand sie über einen Umweg: Berlin. Sie habe angefangen, Hochdeutsch zu sprechen – und sich selbst nicht mehr wiedererkannt. „Ich war mir selber fremd und wahnsinnig unsympathisch. Als ich dort gewohnt habe, habe ich eigentlich erst so richtig gemerkt, dass ich ein komplett anderer Mensch bin.“ Ihr fiel zum ersten Mal auf, wie stark sie in ihrer Heimat verwurzelt ist. Und mit Heimat meint sie Bayern, nicht Deutschland. „Deutschland als Ganzes existiert für mich einfach nicht. Wir sind hier eben anders“, sagt sie.
 
Nadine ist überzeugte Separatistin. Ihre Antwort auf Globalisierung und Multi-Kulti ist stärkerer Regionalismus. Sie will zurück zu den Wurzeln und das Bayerische fördern. Doch was ist das überhaupt, „das Bayerische“? Darauf hat sie zwar klare Antworten: Das Bayerische, das seien Traditionen wie das Schuhplattln, die Blasmusik und Bräuche wie das Maibaum-Stehlen. Das Bier, die Weißwürste. Und natürlich die Sprache. Nur – und auch das merkt man bald am Jungbayern-Tisch beim politischen Gillamoos – ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn da ist ja noch München. Und das ist in vielerlei Hinsicht ja Berlin näher als Niederbayern.
 
München, die große, böse Stadt

Für Nadine ist München „die große, böse Stadt.“ Mit Jugendlichen in der S-Bahn, die nur „irgendein Türkendeutsch sprechen und tausend Wörter auslassen“. Die Stadt steht für die jungen Parteimitglieder oft für alles, was in Bayern gerade schiefläuft: die zunehmende Gentrifizierung, der sprachliche und kulturelle Mischmasch. Wohl fühlt sich Nadine dort nicht: „Man hält sich doch gerne fern.“ Manchmal, so scheint es, wenn man Nadine zuhört, werden Probleme erst aus der Ferne betrachtet groß.
 
Andreas Niedermaier, 31, kommt aus München. Als einziger am Jungbayern-Tisch. Er sitzt ein wenig abseits von der ländlichen Fraktion. Wenn Andreas sich in ein Gespräch einklinkt, merkt man, dass ihm das Bayerische nicht so leicht von den Lippen geht wie den anderen. Er trägt zwar einen Janker, spricht aber keinen reinen Dialekt. Er weiß das selbst, er nennt das „Münchner Kauderwelsch“ und meint einen Mix aus hochdeutschen und bayerischen Wörtern. Andreas ist in Giesing geboren und heute Kreisvorsitzender in München-Ost. Als Kind habe er noch Bayerisch gesprochen, sagt er. Das sei ihm allerdings von seinen Lehrern ausgetrieben worden, und tja, dann komme halt so etwas wie er raus: ein „Isarpreuße“. Trotz seiner Wurzeln teilt er die Abneigung gegen München, die seine ländlichen Kollegen so offen aussprechen: „Die Stadt gefällt mir von Jahr zu Jahr weniger.“

80 Prozent des Privatlebens gehören der Bayernpartei
 
Ortswechsel in die große, böse Stadt: Ein Treffen der Jungbayern in der Münchner Parteizentrale. Berg am Laim. Da, wo sich München gar nicht schick anfühlt. Die Jungbayern trinken diesmal Spezi statt Bier, sie sitzen im Besprechungsraum um einen großen, weißen Tisch. Die Räume sind spartanisch eingerichtet. Alte Wahlplakate kleben an den Wänden. Auf eine Korktafel ist ein Nummernschild gepinnt: „M – BP 1946“. Das Gründungsjahr. Sogar in dieser kleinen Runde in München sind die Kräfteverhältnisse zwischen der ländlichen und der Münchner Fraktion eindeutig verteilt. Von den zehn Anwesenden sind nur drei in München aufgewachsen, der Rest kommt aus dem Umland. Die Partei tut sich schwer, Münchner Mitglieder zu rekrutieren.



 
Andreas verbringt hier viel Zeit. Er ist ein leidenschaftliches Parteimitglied: „Mein Privatleben besteht zu 80 Prozent aus Bayernpartei. Bei der Landtagswahl habe ich Plakate aufgehängt wie ein Wahnsinniger, knapp 3000 Stangen“. Das lag auch daran, dass es in München so wenig aktive Mitglieder gibt. Die Münchner Bayernpartei hat nur eine Handvoll junger Leute, die wirklich aktiv Parteiarbeit betreibt. Genauso viele wie im Landkreis Ebersberg, in dem Nadine aktiv ist.
 
Auch bei den Münchner Wählern hat es die Bayernpartei schwer. Zwar erzielte sie bei letzten Landtagswahlen in München mit 1,7 Prozent ihr bestes Ergebnis seit langem, in Niederbayern waren es mit 3,2 Prozent trotzdem fast doppelt so viele. Es mag wie ein Klischee klingen, dass auf dem Land konservativer gewählt wird. Zumindest die Bayernpartei scheint auf dem Land mehr Menschen zu finden, die wieder mehr Lederhosen als Laptop wollen.
 
Das Bayrische in sich finden kann mühsam sein

Das strahlende Vorbild bei den Parteitreffen ist jedenfalls immer das ländliche Bayern. Markus, 25, ist in Neuperlach aufgewachsen. „Dort hatte man nicht so richtig das Gefühl, man ist jetzt in Bayern“, sagt er. Auch Michael, 18, ist in München bisher wenig mit bayerischem Brauchtum in Berührung gekommen. Wenn die ländlichen Mitglieder begeistert von ihren Burschen- und Trachtenvereinen erzählen, kann er genau wie Markus nur neugierig zuhören. Beide haben das Gefühl, das Bayerische in sich mühsam wiederfinden zu müssen. Auch deshalb wünschen sie sich ein München mit mehr Schuhplattlern und Goaßlschnalzern. Brauchtum, sagen sie, das sei gerade, wenn überhaupt, nur noch als Touristenattraktion vorhanden.
 
Nach zwei Stunden Diskussion löst sich die Runde langsam auf. Michael und Markus gehen als erste. Bald bleibt nur noch ein harter Kern, der vom Spezi doch noch zum Bier wechselt. Auch Andreas ist noch dabei. Er ist wieder der einzige Münchner. Der Rest ist aus dem Umland gekommen. In die große, böse Stadt.

Rikscha-Tagebuch: Böses Blut

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Das Ende ist in Sicht. Am Sonntag ist Schluss, ich muss also noch vier Tage fahren – dann habe ich endlich Urlaub.  Es wird auch wirklich Zeit. Gestern war es besonders anstrengend. Innerhalb eines Tages wurde ich mit allen natürlichen Feinden eines Rikschafahrers konfrontiert.

Da wären zunächst mal die Taxifahrer.
Auf der Wiesn gibt es sehr viele von ihnen und die meisten scheinen uns bis aufs Blut zu hassen. Sie denken, dass wir ihnen das Geschäft kaputt machen. Wir Rikschafahrer sind da natürlich anderer Meinung. Wir fahren schließlich nur kurze Strecken, wie zum Hauptbahnhof oder Marienplatz. Fahrten, die Taxis nur ungern annehmen. Oft weigern sie sich sogar, die Leute dorthin zu fahren. Ihre Abneigung machen viele Taxifahrer im Straßenverkehr deutlich. Kaum fahre ich mit meiner Rikscha vor einem Taxi, wird extra laut gehupt. Manchmal überholen sie mich auch betont aggressiv oder kurbeln die Fensterscheibe runter und schreien mir Beschimpfungen hinterher. Viele Rikschafahrer provozieren die Wut der Taxifahre allerdings auch. Sie fahren betont langsam, wenn sie merken, dass hinter ihnen ein Taxi fährt. Die Stimmung zwischen den Parteien ist vergiftet.

Unser zweiter Feind ist die Polizei.
Die ist vor allem genervt von uns. Weil wir uns nicht immer an die Abgrenzungen halten, die für uns errichtet wurden. Es bringt einfach viel mehr, auf die Leute zuzufahren und sie aus nächster Nähe zu einer Fahrt zu überreden. Dagegen haben aber die anwesenden Polizisten etwas. Seit ein paar Tagen werden die immer strenger und penibler. Stehen wir nur ein paar Sekunden lang außerhalb der Abgrenzungen, werden wir sofort aufgefordert weiterzufahren. Selbst wenn wir von Passanten angesprochen werden. Das ist nicht nur schlecht fürs Geschäft – sondern nervt auch unheimlich. Die ersten Fahrer mussten auch schon Bußgelder zahlen.

Dann gibt es natürlich noch die Besoffenen.
Über die habe ich mich in den letzten Tagen ja schon oft genug ausgeheult. Gestern haben sie sich dafür gerächt und zwar in Person von zwei blauen Australiern. Die Fahrt lief noch normal, außer dass einer von ihnen einschlief. Als wir ankamen, versuchte ich ihn wieder aufzuwecken. Irgendwann öffnete er seine Augen und sah mich verwirrt an. Dann gab er mir zu verstehen, dass er nicht aufstehen könne. Ich nahm in an seinen Armen, um ihm aus der Rikscha zu helfen. Er wehrte sich und blieb halb auf meiner Rikscha stehen. Dann fing er an, sich zu übergeben. Halb auf meine Rikscha, halb auf meine Schuhe. Er hörte gar nicht mehr auf. Als er endlich fertig war, wollte ich mein Geld. Keiner von ihnen hatte etwas dabei. Entnervt ließt ich die Beiden stehen und fuhr nach Hause. Hoffentlich lerne ich den nächsten Tagen wieder die schönen Seiten meines Berufs kennen.

Folge verpasst? Das komplette Rikscha-Tagebuch kannst du hier nachlesen.  

Der Sonntag mit... Maxim

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http://www.youtube.com/watch?v=oqSsrVscmyw&list=PLd8ST6t3FkGhSmTpNQY9VXacDXSjn3alk

Name:
Maxim
Alter: 32
Geburtsort: Siegburg
Wohnort: Köln
So erkläre ich meinen Job meiner Oma: Ich schreibe Songs, so wie Schlager, nur viel deprimierender.
Mein Liebster Wochentag: alle außer Montag.
Aktuelles Projekt: Mein Livealbum "Staub Live".





Letztes Jahr wurde ich an einem gewöhnlichen Sonntag entweder im Nightliner oder in einem Hotelzimmer wach. Diesen Sonntag ist es das Hotelzimmer. Muss ich nicht fotografieren, sehen alle gleich aus. Taxi nach Tegel, Flugzeug, beten. Ja, kurz vor Start werde ich immer ein Mann Gottes. Das liegt daran, dass ich denke, ich würde abstürzen, wenn ich mich nicht mit der Möglichkeit eines grausamen klaustrophobischen Todes in einem fliegenden Rohr auseinandersetze. Ob ich mich bei Gott bedanke, wenn wir heil gelandet sind? Nur bei langen Flügen.





Taxi nach Hause, vierter Stock Altbau, Müll runter, wieder hoch... Ich muss mehr Sport machen.





Mein Kühlschrank kennt die Wahrheit.  





Ich habe einen Deal mit meiner Vermieterin. Ich helfe beim Gießen, dafür darf ich auf ihrer Dachterrasse rumhängen - guter Deal!  





Kurz chillen unter der Kölner Flagge!  





Eine Frage, die mich sonntagmorgens fertigmacht: Welches ist das beste Asterix-Heft?





Am zweiten Tag erschuf Gott „Boardwalk“ Empire und Toasties... Aber nur eine Folge, ich schwöre!





Ab der zweiten Folge spuckt mir mein schlechtes Gewissen Bilder wie dieses vor mein inneres Auge. Ich sollte Laufen. Danach fühlt man sich immer besser.





Außerdem sollte ich Zähne putzen.





Gewissen spuckt.





Songs schreiben. Der letzte Gute ist sehr lange her. Wirklich entspannen kann ich mich eigentlich nur in einer Zeitspanne von etwa 4 bis 12 Stunden, nachdem ich einen Song geschrieben habe. Ich sollte also einfach aufstehen, meinen Arsch in das Zimmer nebenan bewegen und schreiben. Genau das und nichts anderes MUSS ich tun und werde ich auch tun... aber vorher gucke ich noch eine allerletzte Folge, ich schwöre!





Dabei fällt mir ein: Ich könnte mal wieder Reisnudeln machen.





Insgesamt fünf Folgen später: Man wird ja wohl auch mal einen Tag chillen dürfen! Das ist bloß ein dämlicher Sonntag. Hätte ich mich gestern besoffen, wie alle anderen auch, dürfte ich besten Gewissens hier liegen und glotzen, bis ich Depressionen kriege. Dann hätte ich es mir verdient durch Saufen und hätte ja auch was zu tun, nämlich Kater. Nur weil ich stocknüchtern bin, muss ich jetzt Malochen oder was? Du Scheißgewissen. Saufe ich eben jetzt. Was machste dann?





DVD-Menü-Dauerschleife, dunkel, Uhr sagt 23:12. Das heißt DVD-Menü-Dauerschleife seit fünf Stunden. Wenn man Schlaf irgendwo kaufen könnte, wären die letzten fünf Stunden aus einem fiesen 1,- Euro Laden am Bahnhof. Sonntag, du Arschi - versprichst immer die Welt und hältst nix davon.





Ich kippe das Glas Rum, von dem ich drei Schluck hatte, weg und schwinge mich an die Tasten. Wird eben doch geschrieben!                         


"Zwei von dreißig Studenten schaffen es"

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Luke, es heißt, du hättest als Teenager irgendwann mal Damien Rice gehört und sofort anfangen wollen, selber Musik zu machen. Gab’s dafür noch andere Gründe?
 Damien Rice war für mich schon so was wie ein Türöffner. Durch ihn habe ich die Welt der Singer/Songwriter- und Akustik-Musik generell kennen gelernt. Ein unheimlich reizvolles Genre für mich, schon damals. Aber ich habe auch mit dem Gitarrespielen angefangen, weil ich etwas zusammen mit meinen Freunden machen wollte, die zu der Zeit – wir waren 14, 15 Jahre alt – alle irgendein Instrument spielten und teilweise schon in Bands waren. Ich wollte einfach dabei sein, wenn sie sich trafen, und dafür musste ich eben auch was können. Musik war für mich also vor allem so ein Socialising-Ding. Ich hatte noch keine bestimmten Ziele vor Augen, wo ich damit hin wollte.  

Keine Träume von einer Popstar-Karriere?
 
Nein, überhaupt nicht. Was wohl auch daran lag, dass ich nicht wirklich viel Selbstbewusstsein hatte. Ich bin grundsätzlich pessimistisch veranlagt, war schon immer eher der Das-Glas-ist-halb-leer-Typ. Am Anfang hätte ich nie gedacht, dass ich es irgendwann schaffen könnte, mir mit Musik etwas aufzubauen.  

Es sind doch sicher bald Leute auf dich zugekommen und haben dir gesagt, dass du gut bist in dem, was du da machst. Hat dich das nicht sicherer gemacht?

 Es waren tatsächlich immer Leute da, die mich gelobt und mir Komplimente gemacht haben. Nur wollte ich denen irgendwie nie so richtig glauben. Ich dachte, die machen Witze.  

Spätestens als der Guardian schrieb, du wärst „mehr als nur der nächste Junge mit einer Gitarre“ – und das war noch bevor du einen Plattenvertrag hattest – musst du dir deiner Sache sehr sicher gewesen sein.
 Auf jeden Fall habe ich den Kritikern geglaubt, dass sie es ehrlich meinten. Für mich war es dann allerdings so, dass mich die vielen netten Worte auch unter Druck gesetzt haben. Man fing an, viel von mir zu erwarten.  

Du hast dich dann entschieden, erstmal eine musikalische Ausbildung zu machen und bist für drei Jahre ans Brighton Institute Of Modern Music gegangen. Hast du dich und deine Einstellung dort verändert?
 Als ich nach Brighton kam, war ich schon an dem Punkt angelangt, an dem ich sehr fokussiert auf Musik war. Und dort stieß ich auf viele andere junge Künstler, die genauso drauf waren. Viele von ihnen waren im Gegensatz zu mir auch schon sehr überzeugt, dass sie es mit ihrer Musik schaffen würden. Einige waren auch wirklich gut. Aber nicht alle hatten so viel drauf, wie sie dachten.  

Haben euch die Dozenten früh erklärt, wie schwierig es werden würde, eine Musikkarriere zu starten?
 Ja, schon in den ersten Unterrichtsstunden. Noch bevor sie uns richtig kannten und wussten, was wir konnten, haben sie uns gesagt, dass es statistisch gesehen nur zwei aus dem Jahrgang schaffen würden, also zwei von dreißig Studenten. Und auch wenn ich in Brighton langsam selbstbewusster wurde, hätte ich nicht gedacht, dass ich einer davon sein würde.  

Wie viele haben es letztlich von euch ins Musikgeschäft geschafft?

 Ehrlich gesagt, weiß ich von vielen gar nicht, was aus ihnen geworden ist. Einige finde ich noch online wieder, aber niemand aus meinem Jahrgang hat es am Ende wie ich in die Musikindustrie geschafft.  

Hat man euch im Unterricht auf die Musikindustrie und ihre Vor- und Nachteile vorbereitet?
 Ja, speziell was die geschäftliche Seite angeht, haben wir schon das ein oder andere gelernt. Zum Beispiel wie ein typischer Majorlabel-Plattenvertrag aussieht und welche Rechte wir als Künstler immer haben sollten. Auch über den Umgang mit Geld haben wir einiges gelernt. Und man hat uns erklärt, was einen guten Manager ausmacht. Diese Unterrichtsstunden, in denen es hauptsächlich ums Business ging, waren sehr hilfreich und natürlich viel schneller verständlich als die, in denen es darum ging, wann ein Song ein guter Song ist.  

Hat dich die Majorlabel-Theorie abgeschreckt?
 Schon ein bisschen, denn die Verträge, die man uns präsentiert hat, waren nicht gerade sehr ansprechend. Hinzu kam eine bestimmte Einstellung, die unter uns Studenten sehr verbreitet war. Wir fanden: Wenn man jung ist und noch ganz am Anfang der Karriere steht, ist es irgendwie cooler, möglichst unabhängig zu sein, also eher bei einem Indie-Label zu unterschreiben und sich nicht an irgendwen zu verkaufen.  

Du hast trotzdem bei einem Major unterschrieben.

 Weil ich persönlich immer offen für alles war. Und realistisch. Ich meine, ich muss ja auch von irgendwas meine Miete bezahlen. Und es ist auch etwas anderes, wenn man theoretisch über Majorlabels spricht, als wenn man tatsächlich mit den Menschen, die dort arbeiten, zu tun hat.  

Glaubst du, du hättest deine Karriere auch anders anschieben können? Ohne Major im Rücken?
 Heute ist es nicht mehr besonders schwierig, ein Album aufzunehmen. Letztendlich kann jeder in seinem Schlafzimmer eine Platte machen. Ich hatte bei einem großen Label aber die Möglichkeit und die Mittel, es sehr professionell anzugehen. Das hat mir auf jeden Fall geholfen. Ich denke zwar immer noch nicht, dass ich irgendwie toll bin oder so, auch nicht, dass ich mit meiner Musik den Planeten verändern kann. Aber ich genieße das alles gerade sehr und hoffe, dass einige meine Musik mögen.  




„The Fire Inside“ von Luke Sital-Singh ist im September erschienen.

Jungs, warum denkt ihr immer, dass wir so sauber sind?

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Die Mädchenfrage:



Neulich war ich zu Besuch in einer WG. Dort wohnten zwei Jungs und ein Mädchen. Es war gemütlich dort, bewohnt sah es aus, nicht klinisch sauber, aber auch nicht total versifft. Einer der Jungs erzählte, vorher habe in dieser Wohnung eine Dreier-Frauen-WG gelebt. Statt gelebt sagte er „gehaust“. „Das sah aus hier, die haben die Wohnung zugerichtet wie sonst was!“ Und dann sagte er noch etwas, das mich ein wenig erstaunte: „Und das mit drei Frauen. Da denkt man doch immer, dass die irgendwie ordentlicher und sauberer sind.“

Es stimmt vermutlich: Das denkt man. Oder besser gesagt: Das denkt ihr. Ich kenne Jungs, die darauf schwören, dass in WGs immer mindestens ein Mädchen wohnen sollte – dann sei es einfach sauberer. Oder die so eine ganz verklärte Vorstellung von Frauen-WGs haben, in denen es gut riecht, das Geschirr immer abgewaschen wird und der Abfluss nie verstopft ist. 

Ich kenne allerdings auch die Wahrheit. Und die sieht manchmal so aus: rein weibliche Wohngemeinschaften mit den unordentlichsten Zimmern, die ich je gesehen habe, in denen haufenweise Klamotten auf dem Boden liegen, trotz all der Staubmäuse. Mit Badezimmern, aus denen man unter den nackten Füßen büschelweise Haare herausschleppt. Mit Küchen, in denen der Mülleimer stinkt und im Waschbecken im Spülwasser vom Vortag eine fettige Pfanne schwimmt. Mit Fluren voller Leergut. Klar, manchmal ist die Wahrheit auch, dass jeden Tag durchgesaugt, alles immer sofort abgespült und ein Ramduftspray verwendet wird. Aber eben nicht immer. Manche von uns sind sauber und ordentlich, manche nicht. Gilt für euch ja genauso.

Darum frage ich mich: Wieso habt ihr immer noch dieses verklärte Bild von uns und unserer angeblichen Sauberkeit und Häuslichkeit, obwohl wir zum Beispiel viel öfter lange Haare haben als ihr, die man in Wohnungen verteilen kann? Ist das, weil eure Mütter früher geputzt haben, während die Väter auf dem Klo die Zeitung lasen und es danach im Bad unangenehm roch? Und wieso erhofft ihr euch von unserer Gegenwart mehr Sauberkeit? Glaubt ihr, wir wischen euch hinterher? Oder räumt ihr mehr auf, wenn wir da sind, weil ihr denkt, wir wollen das – und dann sind am Ende gar nicht wir die Sauberen, sondern ihr? Los, wischt euch mal durchs Hirn und sagt uns dann, was da an Erklärungen am Lappen hängengeblieben ist!

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von lucas-grunewald

[seitenumbruch]

Die Jungsantwort:




Während ich diese Antwort schreibe, blicke ich auf ein gebrauchtes Schneidebrett und einen milchigen Schneebesen in der Spüle, unter meinen Socken knirschen Baguettekrümel. Meine Mitbewohnerin hätte diese Woche putzen sollen. Hat sie aber nicht.

Ich kenne die Wahrheit also auch: Ihr Mädchen vergesst genauso oft wie wir, wer mit Putzen dran war. Meist sogar absichtlich. Ihr hinterlasst vielleicht kein schwarzes Bartmehl auf den Silikonfugen neben dem Waschbecken – dafür finden wir, wenn ihr das Becken nur lange genug mitbenutzt, irgendwann spaghettilange schleimige Haarbüschel auf der Unterseite des Stöpsels.

Vielleicht ist Teil eins der Erklärung also, dass typischer Mädchenschmutz (abseits aller genderneutralen Pfannen und Knoblauchpressen) auf den ersten Blick etwas weniger grafisch ist als typischer Jungsschmutz. Was ist ein Make-up-Klecks am Seifenhalter schon gegen zwei ordentlich vermatschte Schienbeinschoner im Flur?

Der eigentliche Grund dafür, dass wir von euch oft mehr Stubenreinheit erwarten und dann arg verstört sind, wenn wir mal drei „hausende“ Mädels vortreffen, ist aber ein anderer. Das ist erstens euer Äußeres. Von dem schließt man ja immer auch ein bisschen auf das Innere. Sogar auf das Wohnungsinnere. Und die ganze Mühe, die ihr so durchschnittlich in eure Körperpflege steckt, mit Cremes und Conditioner und Abwedel- und Auftoupierwerkzeug, legt uns irgendwie den Gedanken in den Kopf, dass es in eurer Wohnung ebenfalls cremig und abgewedelt aussehen müsste.

Aber es geht bei diesem Phänomen oft auch gar nicht um Reinlichkeit im eigentlichen Sinne.
Das, was eine Wohnung schön und gemütlich macht, ist ja nicht die Sauberkeit. Es sind Dinge wie ein Knarzestuhl am Esstisch. Eine überraschende Wandfarbe hinter dem Bücherregal. Eine schlichte Lampe über einer antiken Getränkekiste, in der jetzt Zeitschriften lagern. Dinge also, die viel Geschmack und Willen zur Schönheit und Samstagvormittage auf Flohmärkten erfordern. Und für die wir Jungs im Schnitt eher kein gutes Auge haben.

Und diesen letzten Touch, der eine Wohnung vom Stand einer sauberen Wohnung in den einer schönen Wohnung hebt – den spüren wir eben häufig dort, wo eine von euch wohnt. Und dann gucken wir auf die Wandfarbe hinter dem Bücherregal und den genial abgeschliffenen Esstisch, wissen gar nicht genau, warum uns das alles so gut gefällt, aber denken: Mensch, so ein Mädchen in unserer WG – das wär’s doch.

Auf dem Küchentisch neben mir steht übrigens eine alte Glasflasche mit Bügelverschluss. Mein Mitbewohner hat darin mal Olivenöl aus Italien mitgebracht. Als sie leer war, wollte er sie wegwerfen. Aber meine Mitbewohnerin spülte sie aus und jetzt steckt da eine langstielige gelbe Blume drin und macht die ganze Küche schöner. Wen stören da schon die paar Baguettekrümel?

lucas-grunewald


JokoundKlaas, ärgere Dich nicht!

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Ein Büro in Berlin. Joko und Klaas zögern kurz, bevor sie einander herzlich umarmen – als müssten sie erst schauen, ob der andere sich verändert hat. Es stimmt wohl: Die Moderatoren von „Circus HalliGalli“ und „Das Duell um die Welt“ (wieder am 25. Oktober) haben privat wenig miteinander zu tun. Beruflich schon: Das Spiel wird immer wieder durch lange, feixende Dialoge zwischen den beiden gebremst. Wir brechen nach einer guten Stunde ab. Klaas hat da als Einziger wenigstens eine Figur heimgebracht. Heißt: „Ihr habt beide verloren.“ Na dann:

Was war für euch beruflich bislang der schwerste Rückschlag?
Klaas: Ich wollte mal ein Buch schreiben und habe etwa bei der Hälfte gemerkt, dass es scheiße ist. Das war echt hart. Weil es ein ambitioniertes, großes Projekt von mir war, für das ich mir alle Möglichkeiten erarbeitet hatte. Ich hätte das sofort veröffentlichen können, musste mir aber eingestehen: Damit möchte ich nicht zur Leipziger Buchmesse fahren.

Joko Du hast mir doch im Auto mal was draus vorgelesen. Ich fand’s gar nicht so schlimm.

Bei dir, Joko?
Joko
: Hm, ich würde wirklich viel dafür geben, wenn wir dieses blöde Gotye-Covervideo mit der Gitarre nie imitiert hätten. Ich dachte bis zu diesem Tag, einigermaßen singen zu können. Und dann haben mich auf einmal alle ausgelacht.
Klaas Moment: Das dachtest du wirklich?! Du bist jetzt Mitte 30, richtig?
Joko lacht hier zum ersten Mal das kehlige Lachen, bei dem man mittlerweile mehr an die „Switch reloaded“-Kopie denken muss als an ihn.


Wie geht ihr mit solchen Rückschlägen um?
Klaas
: Du musst das Scheitern als Fernsehmacher so wegpacken können, dass es dich wenigstens privat nicht komplett aus den Socken haut. Sonst bist du falsch in dem Job. Selbst die Ideallinie ist beim Fernsehen immer wieder von Rückschlägen gesäumt.
Das Spiel schleppt sich, tröpfelt. Beide antworten so konzentriert, dass sie dauernd das Würfeln vergessen.


Habt ihr Instanzen im Team, die euch sagen, wenn etwas schlecht ist?
Joko:
Und wie. Bei uns hat niemand einen Karrierevorteil, wenn er Ideen nur beklatscht. Eher, wenn man mal sagt: „Das ist ’ne Kackidee!“
Das Kompetitive sitzt bei den beiden offenbar wirklich tief. Als Klaas Joko schlägt, erntet er dafür Ärger, der kaum gespielt sein dürfte. Dafür trommelt Joko vor Freude wild auf den Tisch, als wir nacheinander je eine Figur von Klaas erwischen.


Man muss für die unangenehme Frage etwas ausholen.
Klaas: Kein Ding. Mach ganz langsam, bring mich in die Stimmung.

Eure gemeinsame Karriere ist bislang ja eher eine Evolution. Nicht einmal beim Senderwechsel gab es Brüche …
Klaas
: ... sondern nur dieselbe Sendung mit anderem Namen, meinst du?

Genau. Und ihr sagt selbst, dass ihr das, was ihr tut – die Duelle, den Talk –, nicht mehr größer, schneller, härter machen könnt. Was soll also noch anderes kommen als ein Bruch?
Klaas: Ich verstehe, was du meinst, sehe es aber anders. Dadurch, dass wir keine allzu starren Konzepte haben, dadurch, dass die Sendungen so stark an uns als Charakteren aufgehängt sind, können sie sich auch ganz organisch mit uns mitentwickeln. Die können in zehn Jahren immer noch gleich heißen und inhaltlich völlig anders sein.
Joko:
Ich darf Klaas auch noch eine Frage stellen, weil ich ihn geschlagen habe, oder?

Unbedingt.

Joko:
Was sind deine Hobbys?

Klaas
: Ich habe nicht ein einziges.

Joko:
Ist wirklich so, gell?

Heißt das, wenn du eine Band wie Gloria gründest, hat das sofort einen professionellen Anspruch?

Klaas:
Das war vielleicht ein Hobby, stimmt. Wir haben es dann aber professionalisiert, um uns den Spaß zu bewahren. Weil du doch mit nichts immer auf der Stelle treten kannst. Für mich ist ein Hobby sonst eher so etwas wie eine Dampfeisenbahn haben. Oder einen Lötkolben. Ach so: Das ist übrigens auch das, was ich bewerben kann: Man kann das „Gloria“-Album nach wie vor kaufen.

Hast du Hobbys, Joko?

Klaas:
Joko interessiert sich für die schönen Dinge. „Luxus Winterscheidt“ wird er auch genannt. Obwohl er eigentlich ein Sparfuchs ist.
Das „Bitte?!“, das jetzt folgt, schießt mit ehrlicher Entrüstung aus Joko hervor.


Joko
Also, ich lasse mir ja vieles vorwerfen, aber nicht, dass ich kniepig bin. Egal, wo wir hingehen, ich muss dir immer Kohle leihen. Die ich nie wiederkriege. Ich hab dir sogar mal einen Flug gebucht! Da musste ich deinem Manager Monate später eine Mail schreiben, damit ich das Geld bekomme – du Luftikus! Ich nutze den Ausbruch, um eine Figur von Klaas zu schlagen.

Habt ihr nicht Angst, mit diesen Nickligkeiten irgendwann zum eigenen Klischee zu werden?
Klaas: Es ist auf jeden Fall ein Thema, bei dem man im Fernsehen vorsichtig sein muss. Weil man so schnell in einen Modus gerät, in dem man nur das Bild von sich bedient.

Was ist eurer Meinung nach diese Authentizität, die man so an euch lobt?

Klaas: Ich glaube, dass wir am Ende des Tages doch sehr ernst meinen, was wir tun. Dass wir wissen, was wir wollen und wie. Und es dann vor allem auch so machen. Ansonsten ist das natürlich ein sehr schwieriges Wort für etwas, das im Fernsehen passiert. Da geht ein großes Tor auf, es gibt viele Lampen, irgendwo kommt Musik her, und eine Oma steht im Kassenhäuschen. Klar ist das eine künstliche Situation. Aber wenn man in die möglichst viel von seinem gestalterischen Willen einfließen lässt, wird das als authentisch wahrgenommen.

Seht ihr selbst euch eigentlich als Tabubrecher?
Klaas
: Überhaupt nicht.

Man liest es aber oft.

Klaas
: Ich habe manchmal das Gefühl, dass es irgendwer sein muss. Und dann sind’s eben gerade wir.

Gibt es im Fernsehen überhaupt noch Tabus?

Klaas:
Nein. Aber man kann wie bei einem Film einen Spannungsbogen erzeugen, indem man erst selbst ein Tabu aufbaut, um es dann zu brechen. Deshalb hält man manchmal immer noch Sachen für krass, obwohl eigentlich schon alles da war. 

Wochenvorschau: So wird die KW 41

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Wichtigster Tag der Woche? 
Die ganze Woche ist wichtig! Warum? Weil in den kommenden Tagen die diesjährigen Gewinner des Nobelpreises bekanntgegeben werden. Am Donnerstag erfahren wir beispielsweise, ob Philip Roth endlich mal den Literaturnobelpreis bekommt. Der Schriftsteller wird schon seit Jahren als Kandidat gehandelt.  

Kulturelles Highlight?  
Ich freue mich, dass ein anderes kulturelles "Highlight" endet. Heute ist der erste Tag ohne Oktoberfest! Das heißt, die S- und U-Bahnen sind nicht mehr so voll. Und ich muss nicht mehr täglich Schlagzeilen oder Videos von der „Kotzwiese“ oder dem nächsten Opfer einer Alkoholvergiftung lesen.  

Politisch interessiert mich...
Ich frage mich, ob ein jetzt verabschiedetes Gesetz im US-Bundesstaat Kalifornien Signalwirkung für andere Orte und Länder haben wird. Dort ist es Lebensmittelgeschäften und Drogeriemärkten ab Juli 2015 verboten, Einweg-Plastiktüten auszugeben. Ab 2016 gilt das dann auch für kleinere Läden. Gute Idee, finde ich!



Soundtrack
Die französische Elektropop-Sängerin Yelle mag ich schon lange, „Je veux“ ist manchen vielleicht ein Begriff. Jetzt bringt sie endlich ein neues Album heraus und die erste Single hat meine Erwartungen schon hochgeschraubt: „Complètement fou“ heißt soviel wie „total gestört“. Ich habe aber auch schon die noch weniger nette Übersetzung „hirnverbrannt“ dafür gesehen.  

Wochenlektüre
Seit meiner letzten „Wochenvorschau“ habe ich kein neues Buch mehr angefangen, aber ich werde langsam zu einem Freund von Blogs. Manche Freunde von mir haben in letzter Zeit sogar selbst welche gestartet, und sei es nur für Berichte vom Auslandssemester. Eine Freundin macht jetzt ein Studienjahr in China und berichtet in einem Blog für die Neue Zürcher Zeitung von Geschichten aus dem Land. Ich bin gespannt, was es dort alles zu lesen geben wird.  

Kinogang?
Ins Kino gehen steht bei mir momentan aus Spargründen immer noch nicht auf dem Programm. Dafür schaue ich nach sehr langer Zeit wieder „The Big Bang Theory“. Da muss ich noch einiges aufholen. Vor kurzem hat außerdem die achte Staffel begonnen, bei Netflix kann ich mir beispielsweise die sechste anschauen.  

Geht gut diese Woche:
Sich Zeit für die Familie nehmen. Meine Mutter kommt am Wochenende zu Besuch und freut sich schon sehr. Ich möchte ihr ein wenig die Stadt zeigen, sie war bisher noch nicht wirklich in München. Mal sehen, wie viel Kommentare es zum Zustand meines Zimmers geben wird. Habt ihr Ideen, was ich ihr neben den üblichen Sehenswürdigkeiten zeigen sollte?

Geht gar nicht:
Den ganzen Tag im Büro sitzen. Ich muss mir mehr Ideen für Artikel überlegen, bei denen ich draußen recherchieren kann. Und dabei hoffen, dass das Wetter sich nicht allzu sehr verschlechtert.

"Ich vermiete auch an Jurastudenten"

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jetzt.de: Viele Studenten haben nach den Wucher-Mietpreis-Meldungen der vergangenen Jahre regelrecht Angst, fürs Studium nach München zu gehen.
Eva Miller: Ich vermiete auch an Studenten (lacht). Nein, im Ernst: Grundsätzlich kann ein Student durchaus eine Wohnung in München kriegen, und mir sind in den vergangenen Jahren nicht mehr verzweifelte Studenten aufgefallen als vorher. Studenten sind heute teilweise besser gestellt als früher, das Bafög ist in den vergangenen Jahren angehoben worden, das macht sich bemerkbar. Viele haben Werkstudentenjobs.

Aber der Mietspiegel stieg in den vergangenen Jahren schon deutlich an.
München ist nicht billig, das ist klar. Aber ich wehre mich gegen den Stempel „nicht mehr bezahlbar“. In Heidelberg sind die Wohnungen für Studenten teilweise teurer als in München. Das Problem liegt ganz woanders.

Nämlich wo?
Die Studienplätze werden zu kurzfristig verteilt, obwohl die Anmeldung zum Studium schon im Frühjahr erfolgt. Und das ist nicht nur so bei den Studenten. Ich habe erlebt, dass Lehrer in der ersten Septemberwoche Bescheid bekamen, dass sie Mitte September in München unterrichten sollen.

Gibt es Dinge, mit denen ein potenzieller Mieter gleich bei Ihnen durchfällt?
Wenn jemand mit der Schnaps- oder Bierflasche in der Hand zum Besichtigungstermin kommt und vielleicht noch die Zigarette aus dem Mund hängen hat, wird er es schwerer haben, eine Wohnung zu finden.

Haben Sie das schon erlebt?
Das sind wirklich Einzelfälle. Aber einmal setzte sich einer in die Ecke der Wohnung, die wir besichtigt haben, holte eine Flasche Schnaps aus seinem Rucksack und nahm einen Schluck. Und blieb sitzen. Er beklagte sich, wie viele Wohnungen er schon angeschaut habe, dass er keine finde und es hier unmöglich sei mit den Mietpreisen. Ich glaube, da muss man zuerst an sich selbst arbeiten.

Also unbedingt schick gemacht zum Besichtigungstermin gehen?
Man sollte ganz normal ordentlich gekleidet kommen. Wenn einer mit dreckigen Händen ankommt, ist das schon schwierig. Einmal hatte ein Interessent einen Döner bei der Wohnungsbesichtigung dabei, schmierte mit der Soße herum und biss auch noch rein. Da weiß ich, das ist jemand, der nicht so viel auf Ordnung hält. Als Makler bin ich verpflichtet, dem Eigentümer das weiterzugeben. Selten kommt es vor, dass mir jemand Geld bietet, wenn er die Wohnung kriegt. Der ist für mich durchgefallen. Ich würde ihn dem Eigentümer nicht empfehlen, weil ich weiß, dass er nicht korrekt handelt.

Haben Sie einen Tipp, wie man bei einer Massenbesichtigung gut ankommt?
Ich mache so was grundsätzlich nicht. Mein Tipp ist: nicht hingehen! In jeder Branche gibt es schwarze Schafe, unter den Maklern erkennt man die an den Massenbesichtigungen. Wenn die Menschen das boykottieren, dann gibt es das irgendwann nicht mehr. Das ist wie im Supermarkt: Kaufen die Leute etwas nicht mehr, wird es aus dem Markt genommen.

Studenten gründen ja oft WGs.
… wollen oft WGs gründen! Ich muss sagen, das wird immer schwieriger. Viele Eigentümer haben sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Das ist traurig für diejenigen, die ordentlich und anständig sind, aber es gibt wirklich Studenten-WGs – und auch andere WGs –, bei denen das Objekt wirklich herunterkommt, und wo es Probleme im Haus gibt. Das darf man nicht übersehen: Es geht nicht nur um die Wohnung, es geht auch um die Mitbewohner im Haus. Manche tricksen dann ja und sagen, sie seien ein Paar. Die sind dann ja nur zu zweit.

Das ist kein Problem?
Je kleiner die WG, desto eher klappt das. Eine Vierer-WG muss erst mal in ein Haus passen. Ich kann so was unmöglich in einem Haus vermitteln, wo lauter alte Leute drin wohnen, für die ist das eine Belastung, wenn von den vieren jeder seine Kommilitonen und Freunde zum Feiern mitbringt. Wenn Familien mit Kindern dort wohnen, geht es eher, aber am Abend muss Ruhe sein. Größere WGs sind oft nur ein Wunschdenken.

Wie meinen Sie das?
Viele, die in einer WG waren, kommen zu mir und sagen: „Ich will jetzt bitte allein sein, ich halte das nicht mehr aus.“ Wenn sich keiner an den Putzplan hält, zwei feiern wollen und zwei lernen, gibt das Ärger. Ich habe schon erlebt, dass drei Freundinnen zusammenzogen, die jahrelang befreundet waren. Nach drei Monaten waren sie zerstritten. Das ist ein Grund, warum sich viele Vermieter fragen: „Warum soll ich mir das antun?“ Nach ein paar Monaten zieht der Erste aus, dann kommt ein Neuer und wieder ein Neuer. Am Ende weiß er nicht mehr, wer in seiner Wohnung lebt.

Sagen wir, ich will eine WG gründen. Sollen alle Bewohner mit zum Besichtigungstermin?
Jeder, der einzieht, muss die Wohnung gesehen haben. Ich hatte gerade eine Besichtigung, da waren die Partner zum Teil nicht da, weil sie arbeiten mussten oder im Ausland waren. Da warte ich mit meiner Weitergabe der Daten, bis alle Beteiligten die Wohnung bei einem weiteren Besichtigungstermin gesehen haben.

Wenn ich zur Besichtigung meine gut verdienenden Eltern mitbringe, habe ich gute Chancen auf die Wohnung, oder?
Ich finde, wenn einer studiert, dann ist er erwachsen und fähig, für sich alleine eine Wohnung zu suchen. Wenn er das gerne mit den Eltern macht oder sie gerade in München sind, weil sie weiter weg wohnen und zusammen hergekommen sind, dann macht es Sinn, dass er seine Eltern mitnimmt. Aber es ist nicht ausschlaggebend dafür, dass ein Studenten die Wohnung bekommt. Meine Vermieter legen mehr Wert darauf, dass der Student oder die Studentin in die Wohnung passt.

Mit einer Ärztin und einem Unternehmer als Eltern vermitteln Sie mir aber sicher lieber eine Wohnung.
Wenn ein Student eine Wohnung mieten will, muss er natürlich erwähnen, wie die Mietzahlung erfolgen kann. Meistens sind es die Eltern, die dafür geradestehen – ob Arzt oder nicht. Wenn die Eltern selbst Probleme haben, ihre Miete zu zahlen, können sie schlecht für jemanden bürgen. Aber in diesem Fall bekommen die Studenten Bafög oder eine andere Art der Unterstützung, die sie vorlegen können.

Es heißt ja immer, bestimmte Studienfächer stünden bei Maklern auf einer Art schwarzen Liste.
Sie spielen auf die Jurastudenten an. Teilweise haben Vermieter Bedenken. Für mich kommt es auf den Menschen an. Ich vermiete auch an Jurastudenten, genauso wie an andere Studenten oder Azubis.
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