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Die Geldvernichter

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Nichts ist so uninteressant wie die Blase von gestern. „Diesmal ist alles anders“, lautete lange Zeit die Standardantwort auf die Frage, ob sich die Tech-Branche im Silicon Valley gerade wieder überhitzt. Es ist ein verführerischer Satz, den auch Betrunkene gelassen aussprechen, bevor sie zum zweiten Mal mit einem Laternenpfahl zusammenstoßen.

Doch nun, im absehbaren Investment-Rekordjahr 2014, zieht ehrliche Nachdenklichkeit ein: Das Silicon Valley diskutiert über die Schattenseite des Booms.

Auslöser sind die Worte des renommierten Investors Bill Gurley in einem Gespräch mit dem Wall Street Journal. „Ich glaube, dass das Silicon Valley als Ganzes, die Risikokapital- oder Start-up-Community, gerade viel zu viel Risiko eingeht“, erklärte er. Und um seine Warnung noch deutlicher zu machen, verglich er die Situation mit der Zeit der großen New-Economy-Blase: „Das hat es seit 1999 nicht mehr gegeben“, so Gurley.



Google gehört zu den bekanntesten Firmen aus dem Silicon Valley


Er spielt in seiner Argumentation auf die so genannte „Burn Rate“ an, also auf die monatlichen Verluste von Start-ups. „2001 oder 2009 hättest du niemals einen Job bei einer Firma angenommen, die vier Millionen Dollar im Monat verliert. Heute macht das jeder, ohne nachzudenken“, sagte Gurley, dessen Unternehmen Benchmark einst früh in Start-ups wie Ebay und Facebook einstieg.

Zahlreiche Investoren stimmten Gurley zu. „Wir haben viele Unternehmen in unserem Portfolio, die viele Millionen Dollar pro Monat verbrennen“, schrieb beispielsweise Fred Wilson von Union Square Ventures. „Gott sei Dank ist das nicht unser gesamtes Portfolio, aber es sind mehr Unternehmen als ich möchte, und womit ich mich wohlfühle.“

Bislang drehte sich die Blasen-Debatte vor allem um die hohen Bewertungen, die unprofitable Firmen in den multimillionenschweren Investitionsrunden erhalten. Nun aber rücken jene Probleme in den Fokus, die durch den Boom selbst und die speziellen Rahmenbedingungen im Silicon Valley ausgelöst wurden.
Zum Beispiel: „Die Mieten für Server sind so niedrig, dass Start-ups heute mit viel geringeren Kosten loslegen können“, schwärmte vor einiger Zeit ein Investor. Einer seiner Kollegen sah die Sache nicht ganz so optimistisch: „Die Kosten hier sind vielleicht günstiger als im Jahr 2000, aber sicherlich teurer als 2009.“

Verschiedene Faktoren bereiten den jungen Unternehmen zunehmend Probleme. Da sind zunächst die hohen Personalkosten: Entwickler verdienen in Industrienationen derzeit überall gut, aber nirgendwo ist die Nachfrage so hoch wie rund um die Bay Area. Sechsstellige Einstiegsgehälter sind üblich, rasant wachsende Start-ups wie Uber, aber auch Tech-Giganten wie Google werben um die klügsten Köpfe. Dazu kommt, dass gerade Firmen mit Expansionsdrang häufig Vertriebsspezialisten und Experten für die Geschäftsentwicklung zu brauchen glauben, um schnell einen Markt zu besetzen. Etablierte Unternehmen haben genug Einnahmen für so viel Personal, ein Start-up muss das Geld bei Investoren einsammeln. Wehe, wenn die nächste Runde kleiner ausfällt.

Nächstes Problem sind die hohen Mietkosten: Ob San Francisco oder südlich davon im Silicon Valley, der Region geht bezahlbarer Büroraum aus, gerade für Startups, die ihre erste Phase hinter sich haben. Weil der Immobilienmarkt völlig überhitzt ist, können Vermieter hohe Mieten aufrufen und auf langfristige Verträge bestehen. Einige Gründer berichten auch von einjährigen Miet-Vorauszahlungen. Das Horror-Szenario: Schlechte Finanzierungsrunde, Entlassungen und ein halb leeres Büro, das einen Großteil des Budgets auffrisst.

Hinzu kommt die heftige Konkurrenz: „Wenn Du heute eine gute Idee hast, dauert es vielleicht zwei Wochen, dann sind die Kopierer da“, berichtete vor kurzem ein Investor. Ob Ridesharing-Dienste, Parkplatz-Such-Apps oder ultraschnelle Lieferservices: Alleine auf dem Markt ist niemand. Und weil es sich dabei meist um einen „Der-Sieger-kriegt-alles“-Markt handelt, kommt es zu absurden Preiskämpfen, wie gerade im Dreikampf der Taxi-Alternativen Uber, Lyft und Sidecar zu beobachten ist. Der Kunde freut sich, die Start-ups verbrennen Geld.

Eine Besonderheit der US-Westküste verschärft die Situation: Viele Risikokapitalgeber im und rund ums Silicon Valley pflegen ein eher laxes Verhältnis zu den Ausgaben von Start-ups, wenn sie von einer Idee und einem Team überzeugt sind. Auf die Frage angesprochen, warum Investoren aus New York im Vergleich zu ihren kalifornischen Kollegen so gute Bilanzen haben, sagte ein Branchenkenner, der beide Küsten bestens kennt: „Die Firmen dort kommen aus dem Finanzbusiness und gucken auf die Zahlen. Sie werfen nicht irgendeiner Idee einfach Geld hinterher.“

Dass das Geld noch in Strömen fließt, liegt – neben definitiv vorhandenen Innovationen – auch an niedrigen Zinsen und fehlenden Alternativen für Investitionen mit ähnlichen Rendite-Chancen. Auch haben diverse Exits und Börsengänge weitere Millionen in die Kassen gespült. Und wer Teil des Ökosystems Silicon Valley ist, hortet seine Gewinne nicht, sondern investiert sie in Teilen wieder in neue Ideen.

Ein wirtschaftlicher Einbruch, steigende Zinsen, das endgültige Ende der monetären Lockerung der US-Zentralbank: Faktoren für ein Ende des Booms gibt es viele. Die Aussage „diesmal ist alles anders“ stimmt allerdings insofern, als gerade die etablierten Unternehmen überhaupt nicht mehr mit den Dotcom-Sternchen vergleichbar sind. Kevin Hartz, Gründer-CEO der Ticketplattform Eventbrite und ein früher Investor in PayPal und Pinterest, rät Jungunternehmern dennoch, sich zu wappnen: „Wenn der Kapitalismus ein Pendel ist, schlägt er derzeit ziemlich in die Richtung von ,das sind die guten alten Zeiten’ aus“, sagte er. „Aber das Pendel schwingt immer zurück und trifft Firmen hart, die mit ihrem Geld nicht gut umgegangen sind“, so Hartz. Ein Einbruch nach den Erfahrungen aus Dotcom- und Finanzkrise sei unvermeidbar. „Die Frage ist nur: Haben wir noch zehn Monate guter Zeiten vor uns oder sind es noch zehn Jahre?“

Plötzlich will die ganze Welt helfen

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Ein klares Bekenntnis des UN-Sicherheitsrates, ein unmissverständliches Kommuniqué der G-7-Staaten und dazu zahlreiche Einzelzusagen wichtiger UN-Mitglieder – das Versprechen, das die Weltgemeinschaft am Donnerstag im Kampf gegen Ebola abgegeben hat, dürfte in der Geschichte seinesgleichen suchen. Angetrieben von der Einsicht, viel zu lange zugesehen zu haben, angeführt von US-Präsident Barack Obama, der vor einer dramatischen Ausbreitung von Ebola warnte und erklärte, „wir machen nicht genug“, sagten zahlreiche Staaten zu, den betroffenen Ländern Westafrikas zu helfen. Die Weltbank kündigte am Donnerstag an, die Summe der Hilfsgelder von 230 auf 400 Millionen Dollar zu erhöhen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat zudem bereits Ende vergangener Woche die Mission Unmeer gegen Ebola ins Leben gerufen.

Eine solche Mission, die sich dem Kampf gegen die Ausbreitung eines hoch-gefährlichen Virus widmet, hat es bei den UN noch nicht gegeben. Dem vorausgegangen war die bisher ebenfalls einzigartige Entscheidung des UN-Sicherheitsrats, die Krankheit zur Gefahr für den Weltfrieden zu erklären, mitgetragen von 130 Staaten. Obama bezeichnete die Ebola-Epidemie in Westafrika als „wachsende Gefahr für die regionale und globale Sicherheit. Wenn es je einen Gesundheitsnotfall gegeben hat, der eine starke und koordinierte internationale Antwort verlangt hat, dann ist es dieser“, sagte Obama.



Die aktuelle Ebola-Epidemie war ein wichtiges Thema bei den UN in New York.

Mit der Entscheidung des Sicherheitsrats – so bewerten es deutsche und andere Delegationen bei der UN-Vollversammlung – ist ein Versprechen formuliert worden, das die Weltgemeinschaft einhalten muss. Nötig waren zuvor dramatische Hilferufe der betroffenen Länder gewesen – und die Entscheidung des US-Präsidenten, 3000 amerikanische Soldaten in den Kampf gegen die Krankheit zu schicken. „Obamas Schritt hat jedem erst die ganze Tragweite der Gefahr bewusst gemacht“, heißt es aus der deutschen Delegation, „offensichtlich hat es diesen Pusch gebraucht, damit alle aufwachen.“

Das gilt auch für die Deutschen. Um ihren Willen zu belegen, hat am Donnerstag Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier das Thema zur Priorität für das Treffen mit den anderen G-7-Staaten erhoben. Deutschland führt seit Juni den Vorsitz der G7. In der Erklärung der G7 heißt es, man sei fest entschlossen, „alle Maßnahmen zu unterstützen, die nötig sind, um das Virus zu stoppen“. Vorausgegangen war am Wochenende eine Reise des neuen Afrika-Beauftragten des Auswärtigen Amtes, Georg Schmidt, in die Krisenregion. Schmidt sollte Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf einen Brief von Bundeskanzlerin Angela Merkel überbringen und sich zugleich ein Bild von der Lage in den Ebola-Gebieten machen. In einem flammenden Appell hatte Sirleaf die Kanzlerin um Hilfe gebeten. Nun hat Merkel ebendiese versprochen.
Dabei geht es nicht nur um Geld; bislang hat die Bundesregierung gut 17 Millionen Euro zugesagt. Mindestens ebenso wichtig sind laut Auswärtigem Amt Vorkehrungen, die den Freiwilligen vor Ort mehr Sicherheit geben sollen. ,,Die Ärzte und Soldaten wollen wissen, was passiert, wenn was passiert‘‘, sagen Diplomaten, „deshalb sind Luftbrücken und sichere Heimflüge im Fall einer Erkrankung von entscheidender Bedeutung.“

Außerdem kam Schmidt mit der Botschaft zurück, dass Präsidentin Sirleaf eindringlich darum gebeten habe, ihr Land nicht allein zu lassen. Seither gilt: „Isoliert die Krankheit, aber isoliert nicht die betroffenen Länder.“ Derzeit fliegen nur noch zwei Fluglinien Liberia an. Auch das, so wird berichtet, schrecke viele potenzielle Helfer ab, sich zu melden; sie werten es als Beleg für die extreme Gefahr, die dort drohe. Gleichzeitig seien Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen am Ende ihrer Möglichkeiten, weil auch sie ihren Freiwilligen den Einsatz nicht ohne längere Pausen zu Hause zumuten möchten. Geholfen werden soll also nicht nur den Kranken vor Ort, sondern auch deren Helfern. Lange war die Organisation Ärzte ohne Grenzen stolz, dass sich keiner ihrer Leute angesteckt hatte. Ende voriger Woche aber wurde nun der erste Fall bekannt. Auch deshalb ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, ,,die Voraussetzungen für eine funktionsfähige Rettungskette zu schaffen‘‘.

Sicher ist nach dem kollektiven Versprechen vom Donnerstag wohl auch, dass die deutsche Hilfe nicht bei 17 Millionen Euro stehen bleiben wird. Angetrieben von zum Teil scharfer Kritik wegen zu zögerlicher Reaktion hat die Regierung nun auch veranlasst, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit technischer Ausrüstung helfen wird. Das Technische Hilfswerk wird sich an Transport und Lagerung von Hilfsgütern beteiligen, außerdem werden das Robert-Koch- und das Bernhard-Nocht-Institut medizinisches Personal in den betroffenen Ländern ausbilden.

Damit versucht die Bundesregierung, Versäumtes wiedergutzumachen. Zumal sie bereits begonnen hat, auch über mittelfristige und nichtmedizinische Hilfe nachzudenken. Denn die Seuche hat nicht nur die Tausenden Erkrankten erwischt. Mittelbar werden noch viel mehr Menschen in Mitleidenschaft gezogen, weil in allen drei Ländern die eigentlich jetzt fällige Ernte ausfallen dürfte. ,,Niemand traut sich derzeit raus, alle fürchten eine Ansteckung‘‘, berichtete Schmidt nach seiner Rückkehr.

In der Frage, warum Berlin und andere so lange zögerlich agiert hätten, verweist das Auswärtige Amt darauf, dass im Juni noch nicht absehbar gewesen sei, wie schnell sich das Virus ausbreiten würde. Trotzdem wird in Berlin eingestanden, dass Obama den entscheidenden Impuls gesetzt habe. Die US-Hilfe addiert sich inzwischen auf mehr als 700 Millionen US-Dollar. Damit wollen die Amerikaner unter anderem knapp 20 Feldlazarette mit je 100 Betten errichten und wöchentlich bis zu 500 einheimische Helfer ausbilden. Es hat sich bereits eine gewisse Arbeitsteilung entwickelt. So werden die USA vor allem Liberia helfen. Großbritannien widmet sich Sierra Leone; Frankreich wird seine Hilfe auf Guinea konzentrieren – und Deutschland will je nach Bedarf überall mithelfen.

Wie es aus dem Auswärtigen Amt heißt, gibt es bei allen Horrorzahlen und Sorgen auch positive Zeichen. Das wichtigste: Zu Beginn starben so gut wie alle Infizierte, die in den betroffenen Ländern in Lazarette gebracht wurden. Inzwischen scheint sich das zu ändern: Immer wieder wird nun von Menschen berichtet, die die Seuche überlebt und die Krankenhäuser verlassen haben. Das, so wird erzählt, gebe den Menschen in den betroffenen Regionen die Hoffnung, dass sie ihre Angehörigen nicht zum Sterben bringen, wenn sie sie in den örtlichen Lazaretten einliefern.

Die jetzt.de-Kettengeschichte, Teil 23

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Was bisher geschah: Anna jobbt an der Tankstelle und haut mitten in der Nachtschicht ab - zum Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier, bei dem ihr Schwarm Gerwin Gewinner antritt. Doch dort sperren Gerwin und die alte Liesel Maier Anna auf einem Dachboden voller berühmter Kunstwerke ein. Annas Chef Paul taucht auf, um Anna zu retten. Er kennt die Entführer schon aus seiner Zeit als illegaler Kunsthändler - die drei haben gemeinsam Kunstwerke gestohlen, die magische Kräfte haben. 
In einer Parallelrealität hat Anna inzwischen den Roman "Nachtschicht" gelesen und wurde in die Geschichte hineingesogen. Ihre Freundin Rana gerät in die Fänge der Entführer, Ranas Freundin Bernhard wird ermordet. Anna und Paul flüchten vor dem Chaos in die Tankstelle. Paul ahnt, dass etwas Schreckliches passieren wird, denn auf dem Dachboden hat er ein ägyptisches Totengott-Amulett entdeckt, mit dem Liesel und Gerwin viel Unheil anrichten können. Und tatsächlich: Auf einmal nähert sich eine Zombie-Armee der Tankstelle. Doch da bemerkt Anna, dass sie die Geschichte mit der Kraft ihrer Wünsche beeinflussen kann - und darum werden sie und Paul von einem fliegenden Einhorn gerettet...

Alle vorigen Teile der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 23 von jetzt-User lennix.



Das Einhorn trägt sie höher und höher, bis die Tankstelle nur noch ein winziger Punkt ist.  

Der Wind zerzaust Annas Haare, und treibt ihr Tränen in die Augen als sie sich wider nach vorne dreht. Sie steigen nun nicht mehr so stark und am Horizont ist bereits der rötliche Schimmer des Sonnenaufgangs zu sehen. Paul klammert sich an ihr fest und sieht über ihre Schulter nach vorne. Während sie so die Nase in den Wind streckt, fühlt sie sich fast wie eine Actionheldin, eine ziemlich müde Actionheldin wie sie gerade merkt. Der Adrenalinschub flaut ab und die Müdigkeit kommt zum Vorschein. Auf einmal kann sie kaum noch den Kopf gerade halten. „Es wäre jetzt wirklich toll wenn…“ Sie hat den Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, als „PUFF“, links und rechts am Einhorn befestigt zwei Liegen mit flauschigen Decken erscheinen.  Anna blickt kurz nach vorne, doch das Einhorn fliegt unbeirrt weiter. Paul hat sich schon seitlich in seine Liege gleiten lassen und auch Anna wendet sich nun ihrer zu. Sie lässt sich vom Pferd rutschen, was ein wenig Überwindung kostet, zieht ihre Schuhe aus, stellt sie ans Fußende und mummelt sich in ihre Decke ein. Sie denkt noch kurz darüber nach, woher die Liegen jetzt eigentlich gekommen sind, schläft jedoch zu schnell ein, um den Gedanken zu vertiefen.  

Als sie aufwacht stehen ihre und Pauls Liege auf einer saftig grünen Wiese, die sich so weit das Auge reicht erstreckt. Links von ihnen stehen einige Birken und ein alt aussehendes Bauernhaus. Irgendwo hinter ihr plätschert ein Bach vor sich hin. Sie schwingt die Beine über die Liegenkante und fährt sich durch die verstrubbelten Haare. Sie sieht auf die Uhr, doch die ist stehengeblieben, wahrscheinlich hat ihr der Einhornritt nicht gut getan. Stattdessen versucht sie, an der Sonne die Zeit abzulesen, nach der es wohl ungefähr zwei Uhr ist. Anna tastet nach ihren Schuhen, doch sie findet nur einen. Sie schüttelt die Decke aus, sieht unter der Liege nach und sucht das Gras im Umkreis von fünf Metern ab, der Schuh könnte ja bei der Landung (wenn man das mit einem Einhorn so nennen kann) von der Liege gefallen sein. Sie sieht sogar unter Pauls Liege nach, doch sie findet nichts.  

Also muss sie wohl mit einem Schuh losgehen, zuerst zum Bauernhaus, beschließt sie. Einen Moment lang zieht sie in Erwägung, Paul zu wecken und mitzunehmen, doch er sieht so friedlich aus, wie er da schläft, dass sie es bleiben lässt. Mit einem Schuh fühlt es sich komisch an, findet sie. Um sich daran zu gewöhnen rennt sie ein bisschen. Bis zu dem Bauernhaus sind es an die einhundert Meter und Anna ist schnell da. Sie geht um das Haus herum, bis zur Eingangstür. Da sie keine Klingel findet klopft sie möglichst laut an. Nichts. Sie klopft noch einmal. Immer noch nichts. Drinnen ist alles totenstill. Nach dem dritten Klopfen drückt sie die Klinke herunter und die Tür schwingt erstaunlich leicht auf. Drinnen findet sich Anna in einem erstaunlich modern eingerichtetem Flur wieder. Die Haken und Schuhständer sind alle mit kleinen Schildchen beschriftet, auf denen seltsame Dinge stehen, wie Siebenmeilenstiefel, Tarnumhänge und andere Dinge, von denen Anna noch nie etwas gehört hat. Die Schuhständer sind jedoch mit ganz normalen Stöckelschuhen und die Haken mit ganz normalen Mänteln und Jacken bestückt. „Seltsam“, denkt Anna, als sie durch die nächste Tür in eine Art Wohnzimmer tritt, „wahrscheinlich nur ein Gag“.   

Das scheinbare Wohnzimmer ist noch seltsamer, an den Wänden hängen unbekannte Geräte, einige blinken modern, andere laufen noch über Zahnräder und rattern vor sich hin. Am anderen Ende des Raumes führt eine Treppe nach oben, über der ein Schild mit einem Pfeil nach oben hängt auf dem steht: „ZUM TELEPORT“. Neugierig geht Anna durch den Raum, wobei sie darauf achten muss, nicht auf am Boden verlaufende Kabel zu treten, was aber im Angesicht der Vielzahl der Stromleitungen nicht ganz einfach ist. Sie steigt die ausgetretene Holztreppe hinauf, und entdeckt am anderen Ende eines Ganges eine blinkende Tafel auf der „TELEPORT“ steht. Sie geht darauf zu. „Ich hätte gedacht, dass du länger schläfst“, ertönt eine Frauenstimme hinter ihr. Erschrocken wirbelt Anna herum. Sie erkennt die Frau an der Treppe mit ihrem cremefarbenen Haar und ihrem faltigen Gesicht sofort. Vor ihr steht Wendy Wendepunkt. 

Du willst wissen, wie es weitergeht? Teil 23 der Kettengeschichte erscheint am 02. Oktober.

"Es geht immer nur um dieses öde Regime"

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Viktor Martinovitsch ist 36 Jahre alt und gehört zu den bekanntesten Schriftstellern Weißrusslands, das seit 1994 von dem autokratischen Präsidenten Aleksandr Lukaschenko regiert wird. Drei Romane hat er bereits veröffentlicht, außerdem ist er stellvertretender Chefredakteur der Zeitung BelGazeta und schreibt Beiträge für Blogs über kulturelle Themen. Sein Debütroman "Paranoia", der 2009 in Belarus erschien, wurde von der New York Times hoch gelobt. Nun wird die Geschichte um eine junge Liebe in einer Geheimdienstdiktatur auf Deutsch veröffentlicht.  




jetzt.de: Endlich erscheint dein Roman "Paranoia" auf Deutsch. Paranoia ist ja auch etwas, was viele in Deiner Heimat erleben, die seit 1994 von Präsident Lukaschenko regiert wird. 
Viktor Martinovitsch: Moment. In dem Buch geht es nicht um Lukaschenko und sein Regime, sondern um eine Liebesgeschichte in einer fiktionalen Welt.  

Aber die Welt im Buch ist der von Weißrussland sehr ähnlich. Es gibt die Geheimpolizei, den Diktator. Auch Minsk, die Hauptstadt, lässt sich identifizieren. Zudem wurde das Buch bei Erscheinen aus den staatlichen Buchläden entfernt.
 
Ja. Dennoch ist es Fiktion. Für die deutsche Übersetzung habe ich den Text nochmals überarbeit, damit keine Missverständnisse entstehen können. Wenn man die Geschichte nur als eine Art politischen Thriller liest, der in einer osteuropäischen Diktatur spielt, ist das dumm und man vernachlässigt die wichtigen Dinge, die ich mit dem Buch sagen wollte.  

Und die wären? 
Es geht um die Rahmenbedingungen, in denen einen junge Frau, die die Geliebte des Diktators im Buch ist, und ein junger Schriftsteller ihre Liebe erleben. Es ist eine unmögliche Liebe, in der beide getestet werden. Stellen Sie sich eine Romeo-und-Julia-Geschichte vor, die in der Hölle einer postsowjetischen KGB-Welt spielt. Ich wollte zeigen, was aus Menschen unter solchen Lebensbedingungen wird, wie sie agieren und reagieren - und ob so eine Liebe unter solchen Bedingungen funktionieren kann.

Aber was du beschreibst, existiert doch auch in ähnlicher Form in Weißrussland. In der Vergangenheit hast du viele Interviews gegeben, in denen du die Mechanismen der Paranoia in Weißrussland erklärt hast.
 
Fiktion kann uns in einer viel komplexeren Art und Weise etwas erklären, weil man mit Fiktion Allgemeingültiges beschreiben kann. Vor ein paar Jahren war ich noch naiv genug, um meinen Stoff als Literat mit meinen Erkenntnissen über Weißrussland zu vermischen. Damit habe ich eine Verbindung zwischen Text und Realität hergestellt, die nicht funktioniert. Es nervt mich einfach, dass wir von Medien aus dem Westen immer als ein Schwarz-Weiß-Ereignis gesehen werden, das zwischen einem Aufstand in Zimbabwe und dem Krieg in Libyen verortet ist. Das verhindert, dass man sich wirklich für die Kunst und Literatur, die bei uns gemacht wird, interessiert. Es geht immer nur um dieses öde Regime.  

Das immerhin den Alltag der Weißrussen kontrolliert...
 
Vielleicht verkompliziere ich das Ganze auch. Aber es nervt mich wirklich. Mich interessiert es einen Scheiß, was die Leute über Lukaschenko denken und warum sie Angst vor ihm haben. Angst entsteht ohnehin nur in unserem Gehirn, im Unterbewusstsein – als Angst vor Krankheiten, vor dem Alter, vor dem Tod. In meiner Geschichte bringt die Paranoia den jungen Schriftsteller dazu, sich selbst davon zu überzeugen, einen Mord verübt zu haben, den er gar nicht begangen hat. Und das kann in Weißrussland passieren. Aber eben auch in anderen autokratischen Systemen.  

In den vergangenen Jahren haben viele Cafés und Bars in Minsk aufgemacht, die von jungen Hipstern bevölkert werden. Wenn man mit denen über Politik reden möchte, bekommt man oft die Antwort, dass Politik "nicht modisch" sei. Auch eine Folge der Lukaschenkoschen Erziehung, mit der er den Leuten beibringt, sich von der Politik fernzuhalten?
 
Das stimmt. Politik und der Lebensstil von Hipstern passen in Weißrussland nicht wirklich zusammen. Anders als in Russland, wo die Proteste vor zwei Jahren von Hipstern organisiert wurden. In Russland wurde es modisch, politisch aktiv zu sein. Bis zu dem Punkt, als der Aktivist Navalny verhaftet wurde. Bei uns hat sich das anders entwickelt. Wir hatten 2006 unsere Zeit, als wir auf dem Oktoberplatz in Minsk gegen das Regime demonstrierten. Da waren wir zu allem bereit. Aber unsere damalige oppositionelle Führung hat uns verraten. Seitdem befinden wir uns in einer Art Hangover. Viele investieren ihre Energie lieber in andere Projekte, andere sind ins Ausland gegangen.  

Klingt sehr frustrierend.
 
So ist es halt. Stell Dir ein Land vor, in dem der Herrscher seit 20 Jahren ein und derselbe ist. Alles scheint festgefahren zu sein. Alle Versuche, die Bevölkerung aufzurütteln, führen zu keiner Reaktion in der Gesellschaft. Gleichzeitig werden alle Versuche des Widerstands hart bestraft. Hättest du Lust, dich in so einer Situation zu engagieren? Man kann die Situation im heutigen Weißrussland mit der späten Sowjetunion vergleichen, als die Leute auch derart passiv waren. Außerdem ist das Leben zu schön, um ständig mit Kampf beschäftigt zu sein.  

Wie reagieren die Weißrussen denn auf die Krise in der Ukraine?
 
Ein Teil der Bevölkerung unterstützt Kiew, ein anderer Teil ist für Russland. Unsere Intellektuellen vergleichen unsere Identität gern mit der der Leute auf der Krim, die ja von Russland annektiert wurde. Die Leute dort sprechen vor allem Russisch, sie erinnern sich gern an die sowjetischen Heldentaten im Zweiten Weltkrieg und sind stolz auf die Sowjet-Mythologie. Bei uns ist das auch so. Deswegen: Wenn Putin will, dann wird Weißrussland morgen ein Teil Russlands sein. Man schaue sich an, was mit der Ukraine passiert. Seien wir ehrlich: Das interessiert doch kein Schwein. Für mich ist das ein Verrat an den europäischen Werten. Der europäische Traum wird von Ignoranz und Gleichgültigkeit zerstört.  




Viktor Martinovitsch: Paranoia, 400 Seiten, Voland & Quist, 24,90. Aus dem Russischen von Thomas Weiler.

Rikscha-Tagebuch: Alle anders

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Als Rikschafahrer hat man das Ziel, so viele Leute wie möglich zu fahren. Da man aber nicht jeden anquatschen kann, filtert man seine potenziellen Gäste irgendwann automatisch. Nach einer gewissen Zeit habe ich ein gutes Auge dafür bekommen, wen es anzusprechen lohnt. Ein wichtiges Kriterium meiner Vorauswahl ist die Nationalität der Wiesn-Besucher. Klar nimmt man sich vor, jeden gleich zu behandeln. Da „Racial Profiling“ beim Rikschafahren aber so effektiv ist, mache ich es trotzdem die ganze Zeit.





Ich spreche zum Beispiel gezielt Russen an – in der Hoffnung auf einen spendierfreudigen Oligarchen zu treffen. Schweizer fahren auch immer gerne mit. Weil sie die teuren Franken gewohnt sind, ist die Wiesn für sie beinahe ein Schnäppchen-Paradies. Besucher aus anglo-amerikanischen Ländern sind meistens sehr freundlich und geben auch gerne Trinkgeld. Nur bei besoffenen Engländern muss man aufpassen – die ziehen sich gerne mal aus. Am beliebtesten bei Rikschafahrern sind aber die Araber aus den Golfstaaten. Die haben meistens viel Kohle und mögen es, durch die Gegend kutschiert zu werden. Leider trinken sie normalerweise keinen Alkohol – auf der Wiesn sucht man sie also vergeblich.  

Japaner dagegen gehen gerne auf die Wiesn und trinken auch mal ein Bier zu viel. Mitfahren wollen sie trotzdem nie bei mir. Als ich mit dem Rikschafahren anfing, habe ich monatelang den Grund dafür gesucht. Sind sie zu sparsam? Laufen sie lieber zu Fuß? Auf der letzten Wiesn hat mich dann ein Rikschakollege aufgeklärt. Der hat mal Japanologie studiert. Seine These: Japaner sind zu höflich, um bei mir einzusteigen. Sie könnten es mir nicht zumuten, für sie zu strampeln, während sie es sich hinten gemütlich machen. Besonders nicht als Gäste in einem fremden Land.  

Obwohl ich so viele ausländische Touristen fahre, kommt der Großteil meiner Gäste aus Deutschland. Die meisten von ihnen sind angenehme Gäste. Eine Ausnahme bilden leider die Münchner. Die denken oft, dass sie sich besonders gut auskennen und feilschen um jeden Euro. Eine Methode, solchen Leuten aus dem Weg zu gehen, habe ich leider noch nicht gefunden.

Folge verpasst? Das komplette Rikscha-Tagebuch kannst du hier nachlesen.  

Wir haben verstanden: KW 39

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  • Schlimm: Rechnungen im Briefkasten. Schlimmer: Post aus dem Krankenhaus. Am schlimmsten: Waffenprospekte.

  • Wenn sich Idioten kollektiv an geklauten, privaten Nacktfotos von Promis aufgeilen, nennen sie das “Fappening”.

  • Es kostet unendlich viel Überwindung, morgens um 6 Uhr in der Dunkelheit aufs Fahrrad zu steigen.

  • Wenn man betrunken ist, sollte man auch mal an die Menschen denken, die ständig beruflich mit Betrunkenen zu tun haben.

  • Für viele Münchner ist es in diesen Wochen das Mantra: “Eigentlich wäre ich jetzt auf der Wiesn”

  • Rikscha fahren während der Wiesn: Ergiebigster Nebenjob ever. Zumindest, was die Geschichten angeht, die man danach erzählen kann.

  • Auflegen ist so leicht wie nie. Und deshalb ist es so schwer wie nie, damit etwas zu erreichen.

  • Es gibt auf der Welt viele schlimme Spielplätze.
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  • Polnische Süßigkeiten sind krass.

  • Wenn das Restaurant im Erdgeschoss des eigenen Hauses schließen muss, sollte man nicht hoffen, dass als nächstes ein richtig guter Laden dort einzieht. Passiert nämlich eh nicht.

  • Man muss Kettcar und Marcus Wiebusch nicht mögen, aber die Message des neuen Songs "Der Tag wird kommen" ist wichtig.
    https://www.youtube.com/watch?v=-qOg8E4Tzto

  • Je größer die Gruppe, mit der man aufs Oktoberfest geht, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man am nächsten Tag die Ereignisse der letzten zwei Stunden lückenlos zusammengepuzzelt bekommt.

  • Als Mädchen abhängen ist mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert.

  • Es sollte wie bei den Pfadfindern auch im Job Ehrenabzeichen geben für besondere Fähigkeiten. Zum Beispiel dafür, dass man sich mehr als zwei Logins merken kann.

  • Überhaupt müsste viel, viel mehr gelobt werden.

  • Junge Eltern sind nicht per se langweilig. Sie sind nur so abgrundtief müde, dass sie keinerlei Begeisterung für nichts mehr aufbringen können, was nichts mit Kissen, Bett und Durchschlafen zu tun hat.

  • Alle Erstschwangeren müssen diese Phase durchmachen, in der sie alle anderen Schwangeren und Mütter scheiße finden.

  • Was einen ja auch immer wieder flasht, welche Internet-Halbpromis sich untereinander kennen.

Mädchen, sammelt ihr Nackt-Selfies?

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Die Jungsfrage:



Diese Woche passierte zum zweiten Mal innerhalb eines Monats etwas sehr Abscheuliches: Hacker veröffentlichten wieder Nacktfotos von Berühmtheiten, vor allem von weiblichen Hollywood-Stars wie Jennifer Lawrence und Scarlett Johansson. Die Hacker hatten sich illegal Zugang zu den Privatfotos verschafft, jetzt geistern sie durchs Internet und alle Welt ist sehr aufgeregt deshalb.  

Wir Jungs waren natürlich auch aufgeregt. Aus den offensichtlichen Gründen, aber auch, weil das eine Frage aufgeworfen hat: die nach eurem Umgang mit Nacktbildern. Denn es hat uns ein bisschen erstaunt, wie viel explizite Nacktheit sich offenbar in den iCloud-Speichern von euch Mädchen versammelt. Allein von Jennifer Lawrence seien, so liest man, während der ersten Welle etwa 60 Fotos gestohlen und veröffentlicht worden. Schon klar, die meisten von euch sind nicht Jennifer Lawrence, und deshalb ist es vielleicht Quatsch, da Parallelen zu vermuten. Aber Jennifer Lawrence ist halt auch nur ein Mädchen, und auch die lange Liste der bestohlenen Damen deutet darauf hin, dass sie kein Einzelfall is. Drum dachten wir, wir fragen einfach mal.

Also: Habt ihr ebenfalls eine Nacktgalerie auf euren Handys? Fotografiert ihr euch in sexy Posen? Und wenn ja, warum denn genau? Sind solche Fotos ausschließlich Zuckerl für den Geliebten, wie zum Beispiel Schauspielerin Meagan Good sagt? Oder macht es euch manchmal Spaß, euch in verruchte Männermagazin-Posen zu begeben wie all die Johanssons und Albas? Oder sind die Hollywood-Frauen einfach doch ganz anders drauf als ihr? Mädchen, wie ist es denn mit den Nackt-Selfies?

Auf der nächsten Seite liest du die Antwort von merle-kolber
[seitenumbruch]Die Mädchenantwort von Merle Kolber:



Wann immer über die Promimädchen-Nacktfotos geschrieben wurde (angeguckt hat sie sich ja natürlich nieeemand), standen zwei Silben, ganz automatisch, dabei: Pri-vat! Das bedeutet die geleakten Bilder sind Dinge, für deren Entstehung und Inhalte sich niemand rechtfertigen muss. Weil einfach nie vorgesehen war, dass sie irgendjemand anders außer dem Verfasser und dem eingeweihtem Empfänger sieht.

Eigentlich müsste ich damit meine Antwort auch schon beenden: Warum man Nacktbilder von sich macht, sei es oben ohne, in der Badewanne oder masturbierend auf einem Sofa, ist Privatsache. Dafür sollte sich niemand erklären müssen, genauso wenig, wie man öffentlich rechtfertigen muss, ob man schwul ist, einen SM-Fetisch hat oder in einer offenen Beziehung lebt.

Nun nervt mich an dieser Debatte allerdings eine Sache ganz extrem, weshalb ich hier jetzt doch ein paar Begründungen geben möchte: Es wird die ganze Zeit so getan, als hättet ihr, die unschuldige männliche Schafherde, überhaupt nichts damit zu tun. Als wären diese prominenten Frauen böse Wölfe, die, um euch zu verführen, ihre Brüste in eine Handykamera gehalten haben und dann auch noch so dumm waren, das in der Cloud zu speichern. Das ist einfach nicht wahr.

Die meisten Nacktbilder entstehen meines Wissens innerhalb von Beziehungen. Und an diesen sind sehr häufig Männer und Frauen beteiligt (in homosexuellen Beziehungen werden, soweit ich da Einblick habe, übrigens auch oft Nacktfotos verschickt). Solche privaten Bilder sollen meistens ein Zeichen von Nähe sein. Entweder, weil man sich länger nicht sieht und den anderen daran erinnern will, wie schön es in so einem intimen Moment wäre, zu zweit zu sein. Oder weil man den anderen heiß machen will, was ja auch in routinierten Beziehungen oft ein Thema ist. Denn so ein Nacktbild sagt zum einen: Schau her, darauf kannst du dich freuen. Es sagt aber auch: Ich vertraue dir und weiß, dass du damit umgehen kannst. Dass du meine Bilder nicht auf 4chan hochlädst, sondern dich privat darüber freust.

Einen viel geringeren Anteil machen dann noch die Nacktselfies aus, die ausschließlich für uns selbst bestimmt sind. Solche Fälle sind mir sehr viel seltener bekannt, aber ich vermute, dabei geht es hauptsächlich um eine objektive Betrachtung des eigenen Körpers: So wie Jungs nach dem Pumpen gerne ihren Oberkörper fotografieren und vergleichen, ob sich etwas verbessert hat (und das oft auch auf sozialen Netzwerken hochladen), wollen auch wir manchmal wissen, wie wir von außen betrachtet aussehen. Da es allerdings nicht so einfach ist, die Mutter mal eben zu bitten, einen nackt zu fotografieren, machen wir das selbst. Gucken kurz drauf, denken "wah" oder "geil!". Und dann löschen wir das Bild meistens - was sollen wir noch damit? Außer uns in dreißig Jahren unseren körperlichen Verfall vor Augen führen.

Diese Bilder waren es wohl also kaum, die aus den Clouds von Prominenten gehackt wurden. Stattdessen waren es Selfies, die mal als verkappter Liebesbeweis entstanden sind. Die vielleicht sogar zeigen, was sie zeigen, weil jemand darum gebeten hat, so ein Foto zu bekommen (ungefragt schicken wir nämlich eigentlich nie unsere Geschlechtsteile jemandem zu, das ist eher von Männern bekannt).

Erst dadurch, dass ihr euch über sie auf #TheFappening lustig macht, werden sie zum Pornobildchen.

Googelst du deine Krankheiten?

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Hypochonder gibt es viele und nicht erst seit gestern: Leute, die bereits bei geringen Schmerzen denken, sie hätten eine schlimme Krankheit. Bauch- oder Kopfweh können schließlich auf die verschiedensten Krankheiten hindeuten. Ersteres kann eine Magenverstimmung sein. Oder Darmkrebs. Dies ist eher selten der Fall, hält manchen Hypochonder jedoch nicht davon ab, sich Sorgen zu machen.

Seitdem es das Internet und Smartphones gibt, hat das übersteigerte Krankheitsgefühl eine potenziell neue Dimension erreicht. Jeder kann zu einem beliebigen Zeitpunkt ins Netz gehen und nach seinen Symptomen schauen. Das Problem: Die dortige Fülle an Informationen und Halbwissen kann Laien schnell überfordern.


Googlest du auch deine Krankheiten? Und hasst dich dein Arzt dafür?

Es gibt Schätzungen, denen zufolge um die zehn Prozent der Menschen in Deutschland „krankhafte Angst vor Krankheiten“ haben. So eine Veranlagung kann dann dazu führen, was manche Experten „Cyberchondrie“ nenne: dem Symptome-Googeln im Internet. Wer sich nicht auskennt, wird aber oft Schwierigkeiten haben, die ganzen Meinungen auf Gesundheitsportalen richtig einzuordnen.

Dabei haben solche Seiten auch etwas Positives: Sie können beispielsweise dabei helfen kann, vom Arzt benutzte Fachbegriffe nachzuschlagen. Eine Diagnose durch einen ausgebildeten Mediziner können sie allerdings nicht ersetzen.  

Bist du manchmal in Gesundheitsforen unterwegs? Googelst du deine Symptome? Oder hälst du dich vom Internet fern, wenn es um Krankheiten geht?   


Wochenvorschau: So wird die KW 40

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Wichtigster Tag der Woche?  
Freitag! Da ist Feiertag und außerdem ein Doppelgeburtstag: Die deutsche Einheit wird 24 und mein Freund Eddie dreißig. Das ist ja der erste runde Geburtstag, den man wirklich "runden Geburtstag" nennen darf – deshalb feiern er (und ich und viele andere) ganz doll rein. In der Pigalle in München, einem ohnehin empfehlenswerten Etablissement im Schlachthofviertel, mit Gogo-Stange.  

Kulturelles Highlight?  
Sonntag. Da geh ich aufs Konzert von Mehmet Scholls Lieblingsband: Die Hidden Cameras spielen im Atomic. Was mich größenmäßig kurz überrascht hat, weil: Das letzte Mal spielten die noch in der Allianz Arena. Aber da hatte Mehmet Scholl sie für sein Abschiedsspiel beim FC Bayern eingeflogen.




Soundtrack?  





"Legao", die neue Platte von Erlend Oye, dessen Nachname eigentlich mit einem durchgestrichenen "O" beginnt, was meine Tastatur aber nicht hinkriegt. Der Typ bringt am Freitag sein zweites Soloalbum raus (auch wenn die Kollegen vom Musikexpress behaupten, es sei sein erstes - das ist Unfug, hört ihr?).

Die erste Single hieß "Garota", was bekanntermaßen "Mädchen" auf Brasilianisch bedeutet. Und dann, ha!, macht auch der Albumtitel Sinn: "Legao", so spricht man nämlich das brasilianische Wort "legal" aus, was wiederum auf Deutsch so viel bedeutet wie: Saugeil! (Ich war kürzlich in Brasilien und höre nun aber auch wirklich auf mit der Klugscheißerei, ’zeihung.)

Hier noch ein gutes Lied vom neuen Album:
http://www.youtube.com/watch?v=LaJW4firDss
 

Wochenlektüre?
 



Keine Neuerscheinung, sondern ein Buch, das seit Weihnachten 2013 auf meinem Regalbrett wartet: "Mittelreich" von Josef Bierbichler. Klingt nach Hobbit-Saga, ist aber die Geschichte eines Gasthofs am See und den Intrigen in der Familie, die ihn betreibt. Ein offenbar recht böses Buch, das angeblich nur sehr sporadisch von der echten Bierbichler-Biografie abweicht. (Für Preußen: Dessen Familie betreibt seit Generationen ein mythenumranktes Gasthaus in Ambach am Starnberger See.)

Kinogang? 
Es läuft diese Woche einiger Mist an. Zum Beispiel der Film "Männerhort" mit Elyas Dingsbums, zu dem die PR-Agentur ohne Scheiß solche Mails verschickt:    





Saulustig, oder? Aber: Es kommt eben auch der neue Film von David Fincher in die Kinos. Titel: Gone Girl. Plot: Frau verschwindet spurlos, Mann wird des Mordes verdächtigt. Trailer: hier.

http://www.youtube.com/watch?v=Ym3LB0lOJ0o

Geht gut diese Woche:
 
Freitags im Bett bleiben.  

Keine Chance hat diese Woche:  
Die verfluchte Katze auf der Salamipizza. Kschhhhh, runter da!

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Wer hat's erfunden?

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Tagesblog - 29. September 2014

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16:56 Uhr: Ich verabschiede mich für heute aus dem Tagesblog. Morgen ist Nadja für euch da. 
Und heute Abend nicht vergessen:





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16:41 Uhr:
Montag ist Kosmoshörertag! Und der kommt heute von und mit Serfafahm.





Lenjia: "weiß irgendwie nicht, wie ich zu dem leuchte-penis als accessoire im allgemeinen stehe. aber tobi rockt das voll."

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15:57 Uhr:
Liebe kann so verdammt grausam sein.

http://www.youtube.com/watch?v=-NF0L6RzCZw#t=98

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15:36 Uhr:
Anlässlich der neuen Walking Dead-Staffel gibt es ein Pop-Up-Restaurant, in dem die Burger angeblich nach Menschenfleisch schmecken.

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15:24 Uhr:
In meinen Augen ist er einer der tapfersten Männer in diesen Zeiten: Unser Praktikant Alexander Gutsfeld, der sich jeden Tag als Rikschafahrer mit den betrunkenen Irren auf der Wiesn rumschlägt - ja und ne Menge Geld damit verdient - sich aber trotzdem zurecht manchmal ein Bierverbot wünscht. 





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14:56 Uhr:
Und eine wichtige Nachricht, die heute alle Blogs und Nachrichtenseiten zu beschäftigen scheint: Es ist raus, wer bei den Simpsons stirbt. 
Achtung Spoiler. Hier nur klicken, wen es eigentlich nicht interessiert. 

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14:53 Uhr:
Nur für den Fall, dass es unter euch auch so nostalgische Libertines-Fans gibt wie mich: Carl Barat hat eine neue Band. The Jackals. Und den ersten Song von ihnen "Glory Days" könnt ihr hier hören. 

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14:43 Uhr:
Du brauchst bei Prüfungen auch immer jemanden, der dich ein bisschen anfeuert? Wie wäre es mit diesen Robo-Cheerleadern? Die kannst du vor der Klausur auf deinem Tisch performen lassen und dann schreibt sich der Test wie von allein. 

http://www.youtube.com/watch?v=4SNLwzsyCR0#t=54

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14:30 Uhr:
Seid ihr eigentlich auch schon zu cool für Facebook und mittlerweile bei Ello, dem Netzwerk für Facebook-Flüchtlinge angemeldet?

Ich bin darauf ja noch etwas ratlos unterwegs. Was allerdings lustig ist, weil man sich vor Jahren auf Facebook am Anfang genauso gefühlt hat: Man wusste noch nicht, wie man es so ganz richtig bedient. 

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14:15 Uhr:
In der Welt ist heute auch was los: 

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13:44 Uhr: 

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13:34 Uhr:
Ja, ich gebe es zu: Ich habe letzt schon eine Packung Gewürzspekulatius gekauft. Für alle, die jetzt losschimpfen wollen, ist dieser Text: Hass auf frühe Nikoläuse





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12:02 Uhr:
Frauen können im Beruf schlechter mit Kritik umgehen - so das Klischee. Deswegen sieht man in Filmen immer nur Frauen auf der Damentoilette weinen, weil jemand fies zu ihnen war, aber nie lässt ein Mann mal ein paar Tränchen in ein Pissoir tropfen. 
In Wirklichkeit müssen Frauen im Berufsalltag aber eine viel dickere Haut haben als Männer. Einer Studie zufolge bekommen sie viel häufiger negative Kritik ab und diese Kritik findet dann auch noch häufiger auf persönlicher Ebene statt. Wenn ihr mal drüber nachdenkt, könnt ihr das bestätigen?

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11:50 Uhr:
Wichtig: 

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via Kotzendes Einhorn

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11:24 Uhr:
Es gibt Leute, die sagen, sie mögen keine E-Books, weil ihnen "das Haptische" fehle. Auch die Menschen, die sagen, Bücher riechen so gut, werden mit der elektronischen Version nie so glücklich werden. Forscher haben nun herausgefunden warum Bücher - und in dem Fall alte Bücher - so einen besonderen Geruch abgeben und was er uns über das Buch verraten kann

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11:15 Uhr:
Früher haben kleine Mädchen den ganzen Tag ihre Disney-VHS-Kassetten geschaut. Heute schauen sie Verena Schizophrenia auf YouTube. Das ist natürlich frustrierend für die Prinzessinnen und ihren Frust darüber lassen die da schon mal aneinander aus - zum Beispiel in einem Rap-Battle.

http://www.youtube.com/watch?v=gcrQvoCzs80

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10:41 Uhr:
Auf YouTube ist sie ein Star - und dabei macht sie eigentlich nichts anderes, als das, was wir auch jeden Tag machen. "Verena Schizophrenia" heißt das Phänomen und Charlotte hat sie getoffen





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09:32 Uhr:
Am liebsten würde ich heute einfach den Freitagstagesblog von Christina copy&pasten, weil ich ihn so wahnsinnig lustig fand. Das wäre aber ein bisschen zu einfach. Aber falls ihr am Freitag nicht hier wart, unbedingt noch reinschauen. Ich suche solange neuen weltbewegenden Katzencontent, bahnbrechende YouTube-Weisheiten und was man sonst eben Lebensbereicherndes für einen Tagesblog braucht.

++++

09:29 Uhr:
Zwei Mitglieder der Redaktion haben wohl zu viel gegoogelt und denken nun, sie seien krank. Geseungswünsche an dieser Stelle! Dafür ist der wunderbare Jakob wieder aus dem Urlaub zurück und sieht blendend aus. Das hat Kathrin sogar an seinen Umrissen erkannt (mehr sieht sie heute leider mangels Brille nicht). 

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08:33 Uhr:
Während ich in die Konferenz gehe, könnt ihr wie gewohnt in den Tag starten und erst mal eure Krankheiten googeln. Wo ziept es denn heute? Oder seid ihr gar keine Cyberchondriker? Die Ferndiagnose gibt es heute im Ticker.

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08:25 Uhr:
Guten Morgen! Na, hattet ihr auch einen Cragel zum Frühstück? Oder eher ein Crötchen, ein Breissant, oder eine Nussschnezn?




via @ckoever

Gefragt, aber belächelt

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Die richtig heikle Frage wollten die Autoren der Studie gar nicht umschiffen, sie verwenden sie sogar als Überschrift eines Kapitels: „Der Bachelor: Abschluss ohne Wert?“ Darunter folgt, was repräsentativ ausgewählte Hochschüler aus ganz Deutschland dem Demoskopie-Institut Allensbach sagten: 61 Prozent der Bachelor-Studenten planen, im Anschluss noch den Master dranzuhängen. Nur jeweils ein Fünftel hat das nicht vor oder ist unsicher. Die Gründe, warum der Sechs-Semester-Abschluss, der mit der Bologna-Reform eigentlich der reguläre akademische Grad werden sollte, solche Zweifel auslöst: schlechte Karriere- und Verdienstmöglichkeiten, zu wenig Zeit, um das Wissen im Fach zu vertiefen oder sich zu spezialisieren. Nur 23 Prozent der Studenten sagten in der Studie, die kürzlich im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerk veröffentlicht wurde: Der Bachelor-Abschluss reicht als Berufsqualifikation aus. Man traut sich also kaum auf den Arbeitsmarkt damit.

15 Jahre nach dem Start der Bologna-Reform mit ihren neuen Abschlüssen Bachelor und Master hat sich das System mittlerweile etabliert, doch die Skepsis ist nicht verflogen. Und zwar nicht nur bei der Frage, ob die Nachwuchsakademiker in dem eher verschulten System noch umfassende Bildung gewinnen, ob Zeit bleibt für den Blick in andere Fächer, in abseitige Fragen oder für den Aufenthalt im Ausland. Sondern selbst da, wo die Reform besonders punkten wollte: Was ist der neue Abschluss wert? Im Studium, bei den Unternehmen und für eine spätere Karriere?



Was kommt nach dem Bachelor?

Im Oktober beginnt das Wintersemester an den Universitäten, an Fachhochschulen werden bereits wieder Vorlesungen gehalten. Gut eine halbe Million Studienanfänger im Jahr 2014 werden – wie schon in den vergangenen Jahren – bald von den Statistikern vermeldet werden. Sie beginnen fast alle ein Bachelorstudium. 85 Prozent der Angebote sind auf Bologna umgestellt, fast alle außer in der Regel Staatsexamensfächer wie Medizin, Jura; teils Lehramt sowie Studiengänge in einigen Widerstandsburgen. Und die Bilanz?

Eines der Ziele von Bologna war, den Anteil der Studienabbrecher zu senken. Die Chancen dazu standen nicht schlecht: Wer früher nach dem Vordiplom oder der Zwischenprüfung, also nach etwa vier Semestern, aufgab, galt als Abbrecher, mit all den unfairen Assoziationen akademischer Unfähigkeit oder fehlenden Durchhaltevermögens. Mit dem Bachelor hat man bereits nach sechs Semestern einen Abschluss in der Tasche. Wer danach schon aufhört, ist trotzdem Akademiker. Ein Übriges sollten die üppigeren Vorgaben erledigen, die die Studenten enger durchs Studium führen, ihnen mehr vorschreiben. Doch gefruchtet hat dies nicht: Mehr als jeder vierte Bachelor-Student, 28 Prozent, bricht laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ab, in den Naturwissenschaften mehr als ein Drittel und in Mathematik an den Universitäten sogar fast jeder zweite Student.

Wer die Hochschule erfolgreich hinter sich hat, wird den Wert des Abschlusses bei der Stellensuche schätzen lernen. Statistisch gesehen findet praktisch jeder Absolvent einen Job, die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 2,5 Prozent. Das gilt als Vollbeschäftigung. Die Frage ist nur, welchen Job man bekommt. Und hier zeigen sich die Schwächen des Bachelor. Einer Studie des Stifterverbands zufolge hängt fast jeder fünfte FH-Bachelor ein Jahr nach dem Abschluss auf einer Stelle, für die er eigentlich überqualifiziert ist, beim Uni-Bachelor ist es sogar mehr als jeder vierte, der zum Beispiel als Honorarkraft oder Aushilfe über die Runden kommt. Die Unternehmen nehmen die Uni-Bachelor zwar. Aber sie nehmen sie oft nicht ernst.

Das schlägt sich auch im Einkommen nieder. Laut Studien verdienen Berufseinsteiger ein Jahr nach dem Uni-Bachelor-Abschluss 27700 Euro im Jahr, Bachelor von der FH bekommen dagegen deutlich mehr, nämlich fast 34000 Euro. Erst mit einem Masterabschluss schafft man es auf die Höhe der klassischen Universitätsabschlüsse wie Diplom oder Magister, die im Schnitt mehr als 37000 Euro auf dem Gehaltskonto erwarten können. Auch hier ist also der Wert des Uni-Bachelors auffällig gering – auch wenn man ziemlich sicher einen Job bekommt. Der Wert des Bachelors hängt von der Branche ab, wohl auch von der Persönlichkeit oder vom Profil des einzelnen Studiengangs. Doch wahre Begeisterung löst Bologna eher selten aus. In Befragungen von Personalchefs hört man oft auch gar nicht Klagen übers Fachliche – sondern darüber, dass die Akademiker Anfang 20 einfach noch zu unreif sind.

Der studentische Dachverband fzs will einen Rechtsanspruch für alle Bachelorabsolventen auf den Masterplatz: „Die Hochschulen haben aufgrund der schlechten Umsetzung der Bachelorstudiengänge versäumt, den Bachelor als vollwertigen Abschluss zu etablieren. Jetzt müssen sie den Studierenden den Weg in den Master ebnen.“ Laut dem Bologna-Bericht der Bundesregierung steht „für jeden interessierten Bachelorabsolventen heute ein Masterstudienplatz zur Verfügung“ – unterm Strich wohlgemerkt, gegebenenfalls ist die Uni zu wechseln. Zugangshürden zum Master – durch die Bachelor-Note oder spezielle Tests – sind daher keine Seltenheit. Hochschulen nehmen nicht jeden blind in den Master auf, weil sie wenig Kapazitäten und mit der Versorgung der Erstsemester schon genug zu tun haben. Andererseits wollen viele Rektoren ungern das Prinzip der Reform konterkarieren – der Bachelor als Regelabschluss, der Master als Spezialisierung oder nur für die Besten. Die Hochschulen stecken in der Bachelor-Falle.

Auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ist uneins. 2012 hatte HRK-Präsident Horst Hippler im SZ-Interview gesagt: Ein Bachelor in Ingenieurwesen sei „nie im Leben ein Ingenieur“. Eine Universität müsse „mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung. Das tut sie mit dem Bachelor nicht“. Das Echo darauf war enorm, vor allem FH-Chefs pochten darauf, dass der Bachelor bei ihnen funktioniere; auch manche Uni-Rektoren sahen den Abschluss zu pauschal beurteilt. In der Folge werkelte eine HRK-Arbeitsgruppe an Verbesserungen – am Studienbetrieb, Anwesenheitspflichten oder Zeitfenster für Auslandsaufenthalte. Die Frage, wie man den Bachelor aufwertet, fehlte weitgehend.

In jüngster Zeit findet aber eine Idee zunehmend Sympathisanten, unter Bologna-Freunden wie Kritikern der Reform: die Ausdehnung der Bachelor-Studienzeit auf acht Semester. Der HRK-Vize und Hamburger Uni-Chef Dieter Lenzen, der jüngst mit einem Buch ein scharfes Bologna-Tribunal abhielt, sagt: Das Problem sei, „dass nach sechs Semestern eine Berufsfähigkeit im Sinne eines Hochschulabschlusses, wie er früher war, nicht gegeben ist“. Die Länder stellten jedoch das Geld für einen Acht-Semester-Bachelor nicht bereit – wenn eine Hochschule dies anbiete, müsse sie teils von vier Semestern Master zwei streichen.

Flexiblere Studienzeiten? Die nehmen sich freilich immer mehr Leute schon in Eigenregie. Dem Statistischen Bundesamt zufolge halten nur 40 Prozent aller Studenten die Regelstudienzeit ihres Fachs ein.

Kaum noch Hilfe für Flüchtlinge im Mittelmeer

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Die Organisation „Pro Asyl“ hat einen dringenden Aufruf an die EU gerichtet, die bisherige italienische Rettungsaktion für Flüchtlinge im Mittelmeer vollständig zu übernehmen. Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte der SZ, man appelliere an „Herz und Gewissen Europas“ und den „Geist der Menschlichkeit“. Italien will die Hilfsaktion „Mare Nostrum“, die in einem Jahr hunderttausend Flüchtlinge gerettet hat, in Kürze aus finanziellen Gründen einstellen. Die EU hat zwar angekündigt, dass sich ihre Grenzschutzorganisation Frontex unter dem Namen „Frontex plus“ künftig auch um Flüchtlingsrettung kümmern soll. In einem EU-Konzept, das der SZ vorliegt, ergibt sich aber, dass Frontex dazu bestenfalls teilweise und nur in kleinem Umfang in der Lage ist.



Ein Flüchtlingsboot nahe der italienischen Insel Lampedusa

Für Rettungsaktionen nach dem Vorbild von Mare Nostrum, so erklärt Frontex in diesem Papier selbst, reichten weder ihr Mandat noch ihre organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten: Mare Nostrum liege weit jenseits der Möglichkeiten von Frontex. Man könne allenfalls im Küstenbereich der EU Rettungsaktionen durchführen. Frontex hat dazu ein Konzept namens „Triton“ entwickelt, benannt nach dem Meeresgott der griechischen Mythologie, der den Oberkörper eines Menschen und den Unterleib eines Delfins hat.

Am 3. Oktober jährt sich die Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa, bei der vor einem Jahr eine Meile vor der italienischen Küste 366 Menschen ertrunken waren. Daraufhin startete die italienische Regierung die Aktion Mare Nostrum, die 9,3 Millionen Euro im Monat kostet– also insgesamt knapp 112 Millionen Euro im Jahr.

Frontex analysiert in seinem Konzept (es datiert vom 28. August und ist bislang nicht publik) verschiedene Möglichkeiten, um die Flüchtlingsrettung in die bisherigen Grenzschutz-Operationen einzugliedern. Man spricht von einem „Upgrade“ der bisherigen Überwachungseinsätze. Der weitestgehende, aber hinter Mare Nostrum weit zurückbleibende Vorschlag heißt Triton. Auch dieser Plan würde sich aber auf die Überwachung der küstennahen Gewässer der EU und die Rettung von Flüchtlingen dort beschränken; der Plan sieht keine Aktionen auf hoher See vor. Das Einsatzgebiet von Mare Nostrum der italienischen Marine (mit zwei Hubschraubern, fünf Schiffen und einem Aufklärungsflugzeug) reicht dagegen bis zur libyschen Küste. Flüchtlingsboote wurden geortet, von italienischen Schiffen an Bord genommen und dann ans italienische Festland gebracht. Eine gesamteuropäische Verteilung der Lasten hat Italien bisher vergeblich gefordert.

Die Kosten für das Rettungskonzept Triton beziffert Frontex selbst auf knapp drei Millionen Euro pro Monat; das wäre etwa ein Drittel der Kosten, die Italien bisher für Mare Nostrum aufgewendet hat. Frontex weist darauf hin, dass selbst diese Kosten nicht aus dem laufenden Frontex-Budget gedeckt werden können. „Pro Asyl“ forderte nun das Europa-Parlament auf, die Mittel für eine gemeinsame Europäische Seenot-Rettung zu organisieren.

Das Gras, es wächst

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Es stimmt, es waren alle da bei diesem Tourauftakt des größten deutschen Popstars dieser Tage in einem ausverkauften Gewerbegebiet-Betonkarton namens Sachsenarena in Riesa. Donnerstagabend, Punkt 20 Uhr. Also fast alle, 6000 genau genommen, davon aber sehr viele verschiedene: Sehr rührend bestens gelaunte vollschlanke rosa Tüllwolken. Diverse Helene-Teams: fröhliche Damengruppen mit einheitlichen Fan-T-Shirts, sogar eine Gruppe johlender junger Männer in Lederhosen und T-Shirts mit dem Aufdruck „Bayern des sam mir zur Helene gangad mir“. Kugelrunde ernste Männer in Jack-Daniels-Kapuzenpulloverjacken. Zehnjährige Mädchen, ihre Eltern, deren Eltern. Helene-Fischer-Doppelgängerinnen, Abi-Ball-Prinzessinnen, ehemalige Abi-Ball-Prinzessinnen. Gestandene Männer, die aussehen wie Stars der volkstümlichen Musik (Sakko, Jeans, leicht schüttere Stoppelfrisur, randlose Brille). Kraftsportler mit Kopftuch und altem Tour-Shirt („Helene Fischer Tour 2011“). Und – als Begleiter der rosa Tüllwolken: Schnurrbärte. Sehr viele stolze Schurrbärte.

Nicht da waren nur: alle Arten von Hipstern und Hipster-Bärten. Allerdings auch nicht die notorischen Hipster-Hasser. Mit anderen Worten: jegliche schlechte Laune war vollständig abwesend. Anwesend dafür: eine vollkommen tiefenentspannte, absolut unneurotische Fielmann-Crowd. Deutschland im Jahr 2014. Optimale Bedingungen für den großen Show-Triumph.



Was ist echt an Helene Fischer?

Und den bekommt Helene Fischer von der ersten Sekunde: „Unser Tag“! Und als bald gekonnt Justin Timberlakes R’n’B-Schubser „Sexy Back“ angespielt und dann auch noch „Get Lucky“ von Daft Punk von einer großen Band samt Musical Director wirklich tight dahinmusiziert wird und die – wie sich später herausstellt – ausnahmslos amerikanischen Showtänzer die Sache genau so im Vollspann vorturnen, wie das heute eben gemacht wird, wenn man es wirklich ernst nimmt und nicht nur mit halbem Budget nachtanzen will – als man all dies so erlebt hat, da schluckt man dann aber schon, wenn einem plötzlich wieder so Zeilen ins Ohr wehen wie „Nur wer den Wahnsinn liebt, kann mit dir leben“, weil Helene Fischer ja wirklich was kann und von den 6000 Hingerissenen ja auch alle bestimmt irgendwas können, aber dass auch nur ein Einziger den Wahnsinn ertragen könnte, dass – Verzeihung – ist doch wirklich Unfug.

Obwohl, es kommt natürlich – verdammter Werterelativismus – auf den Wahnsinn an. Wenn man sich zum Beispiel das Bühnenbild genauer ansieht, dass aus einem riesigen, begehbaren Pappmasché-Ast besteht und so ein Mittelerde-Harry-Potter-Swarovski-Paradies antäuscht, dann ist das natürlich schon verrückt. Oder wie sie dann einmal auf diesem Ast in einem großen weißen Kapuzenumhang so als Zauberschlumpf umherschreitet – darauf muss man erst mal kommen. Oder diese Ansagen: „Ich danke euch, das Feuerwerk der Gefühle geht weiter, seid ihr bereit?“

Ja, ja, wir sind bereit, logo. Weil wir wissen ja alle, hach: „In zerrissenen Jeans um die Häuser zieh’n, das kann ich mit keinem anderen.“ Einerseits. Andererseits missglückt ihr nicht mal „Purple Rain“. Und dann ist sie als Moderatorin ihrer selbst wieder ein Totalausfall. Sogar als sie am Ende auf einem riesigen, bei Drachenstich in Furth im Wald geborgten goldenen Metallvogel durch die Halle schwebt und ganz ergriffen ist von der ganzen Zuneigung. Sie wirkt dabei nie so, als habe sie sich bislang auch nur eine Sekunde überlegt, wie man das wirklich formvollendet machen könnte, so als Star. Sie singt lieber noch eine Runde formvollendet „My Heart Will Go On“ von Celine Dion.

Abgesehen von ihrem Talent als Musical-Darstellerin und Sängerin ist alles wirklich verblüffend klitzeklein an dieser Frau, die auch noch kaum 1,60 Meter groß ist, aber so dünn und makellos proportioniert, dass das gar nicht auffällt. Eine Scheinriesin. Noch dazu mit einer irritierenden Alterslosigkeit. Sie sah zu Beginn ihrer Karriere vor knapp zehn Jahren im Grunde schon so aus wie jetzt und sie wird im Normalfall in zwanzig Jahren auch noch exakt so aussehen wie jetzt. Ganz neues Alter: „zwischen 19 und 49“.

Wenn es ihr zu eng wird, erzählt sie gern, gehe sie in die Berge, in die Natur, in den Wald. Ein unnahbarer Star sei sie nicht, wolle sie auch nicht sein. Sie möchte so perfekt wie möglich sein, aber kein Kunstobjekt, sondern ein Mensch. Sie wolle ihr Publikum immer wieder überraschen, wenn andere bei Konzerten aber einfach nur eins zu eins ihre Platten abspielten, sei das auch eine Möglichkeit. Sicher, sie habe auch ihre Macken. Und natürlich hat sie auch schon mal Tränen in den Augen, wenn sie ein Gefühl überrumpelt. All der Luxus, der sie umgebe, sei sehr schön, aber Glück sei für sie, wenn sie etwas Schönes sehe, zum Beispiel einen Schmetterling. Beim Traumschiff spielte sie eine Reiseleiterin.

Aber jetzt kommt’s. Das ist in seiner ganzen läppischen Streberhaftigkeit zwar leicht absurd. Wirkt aber, wie die ganze Show, gar nicht aufgesetzt, sondern einfach nur: echt. Und allen Weisen, die uns die Erkenntnis eingebrannt haben, dass es kein richtiges Leben im falschen gebe, muss man leider antworten: Doch, das falsche! Also im falschen Leben ist das falsche Leben das vollkommen richtige! Und zwar mit erstaunlich unpeinlichen, eher zugeknöpften Glitzerkostümen und ausgebildeter Musical-Stimme.

Und es tut schon ein bisschen weh. Denn es könnte in die Nähe des Grundes führen, warum sich alle kritischen Beobachter, die in den vergangenen Monaten in großen Artikeln versucht haben, das Phänomen Helene Fischer zu durchleuchten, das Falsche, Kalkulierte, Abgezockte, tatsächlich Echte an dieser Frau zu enthüllen – warum sie sich, wie wir hier auch gerade, alle die Zähne daran ausgebissen haben.
Es scheint, als hieße Helene Fischer ihr Helene-Fischer-Sein vorzuwerfen dasselbe, wie Poliermittel vorzuwerfen, dass es poliert. Oder Gras, dass es wächst. Und das ist natürlich das Ende aller Kritik. „Teflon Lene“, denkt man – und verwirft die Idee gleich wieder, weil einem gar nichts einfällt, was an ihr abrutschen könnte. Damit ist die Frau der kapitalistische Glücksfall schlechthin. Natural born perfect. Aber das kann hier jetzt eben nicht mehr kritisch gemeint sein, es ist bloß eine Beschreibung. Man kann dem Preis an sich ja auch nicht vorwerfen, dass er Dinge mit einem Wert belegt. Er tut das, weil er sonst ja kein Preis wäre. Anders gesagt: Die Frau ist lebender Beweis, dass der Mainstream-Entertainment-Code geknackt wurde. Wobei sie nicht einfach eine Version des Codes ist, sondern selbst der Code. Wenigstens der deutsche. Was eine sehr rätselhafte mittlere Monströsität hat.

Und so ist auch die Show am Ende wirklich das bislang kaum Vorstellbare: die Inszenierung der normalsten Normalität als ganz große Unterhaltung. Sogar das ZDF hat sich das bei „Wetten, dass..?“ nie so konsequent getraut. Eine Helene-Fischer-Show muss man sich also vielleicht vorstellen wie „Wetten, dass..?“ ohne die irren Wetten und ohne Cindy aus Marzahn. Oder wie das Oktoberfest voller Besucher, die zwar reichlich Bier nachbestellen, aber niemals betrunken werden. Wäre Helene Fischer ein Auto, wäre sie ein Audi A1 oder so eine Golf-Sonderedition mit kleinen bunten Glitzerpünktchen hinten auf dem Heck.

Ein Wassertaxi namens „Amore“

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Diese Hochzeit trägt ein Logo. Es ziert die kleinen dreieckigen Wimpel, die an den vielleicht dreißig Wassertaxis flattern, die für die Hochzeit von Amal Alamuddin und George Clooney in Venedig gemietet wurden. Es prangt auf der großen weißen Hutschachtel, die Amal Alamuddin bei ihrer Ankunft in Venedig trug, über der Zeile „Venezia 2014“. Es dürfte der Hochzeitsgesellschaft bei jeder Gelegenheit gegenwärtig sein: das zart geschwungene, ornamental ausholende „A“, das sich an ein großes, rundes und sehr sachliches „G“ schmiegt. Das Logo gehört in die Welt der Markenartikel. Dass eine Hochzeit unter einem solchen Zeichen arrangiert wird, wie ein Corporate Event, ist etwas Neues. Aber es passt zu dieser Hochzeit, die beinahe so öffentlich inszeniert wird, als handele es sich dabei um die Eheschließung eines königlichen Paares.



George Clooney und Amal Alamuddin

Das war so von dem Augenblick an, als das Brautpaar am vergangenen Freitag in Venedig einzog und den prominentesten Weg nahm, auf dem man in die Stadt hineinkommen kann: mit einem Wassertaxi durch den Canal Grande. Oben, auf der Rialtobrücke und dem Ponte dell’Accademia standen die Touristen in dichten Trauben und riefen begeistert „George, George“, unten zog die kleine Flotte mit einer winkenden Hochzeitgesellschaft vorbei, umkreist von vielleicht zwanzig kleineren Booten, auf denen frenetisch fotografierende Journalisten standen. Das war so am Freitagabend, als George Clooney sich mit seinen engsten Freunden in ein kleines Restaurant gegenüber dem Opernhaus „La Fenice“ zurückzog. Was sie aßen? Es ist bekannt: Heuschreckenkrebse, Kürbisblüten, Taschenkrebse, Feigen, Garnelen, Risotto mit Pilzen, Pasta mit Trüffeln – eine Knolle von 450 Gramm Gewicht sei gründlich beschnuppert worden, berichtete der Wirt der Lokalpresse. Ferner ging dahin: eine Magnumflasche Sassicaia, einer der teuersten italienischen Weine. Niemand aus der Hochzeitsgesellschaft, und schon gar kein Kellner, Wirt, Bootsführer oder Kofferträger durfte fotografieren. Aber Kameras waren selbstverständlich dabei, gehalten von den Angestellten von Clooneys eigener Produktionsgesellschaft. Die Bilder sind angeblich an die amerikanische Vogue verkauft, der Erlös wird gespendet.

In Venedig ist Spätsommer. Es wird nicht mehr heiß, aber man kann abends noch knapp im Freien sitzen. Die Sonne scheint, aber ihr Licht ist milchig. Venedig ist eine öffentliche Stadt, denn alle bequemen Wege führen über das Wasser. Und so konnte man einziehen sehen: die Freunde, von Rande Gerber und Cindy Crawford bis Matt Damon und Luciana Barroso, von Bill Murray bis Ellen Barkin, von Bono bis Anna Wintour, die Chefredakteurin der amerikanischen Ausgabe der Zeitschrift Vogue. Nur Angelina Jolie und Brad Pitt wurden nicht gesichtet. Die Gäste stehen, meist paarweise, in Wassertaxis, sehen auch als ältere Menschen beeindruckend gut aus und sind sehr, sehr teuer gekleidet, mit Ausnahme von Steve Lukather, dem Gitarristen der amerikanischen Rockband Toto, der herbeischlurft, als wäre er ein vergessenes Kapitel aus dem Hinterhof des Rock ’n’ Roll. Überhaupt scheinen in der Musik die größten Unsicherheiten zu herrschen: Lana del Rey mag ja noch angehen. Aber Bono? Und Andrea Bocelli?

Amal Alamuddin hat natürlich die schönsten Kleider, mit schwarz-weißen Streifen oder ganz in Rot. Am Ende sind es, mit den jeweiligen Eltern und Verwandten, vielleicht 120 oder 140 Menschen. Zusammen bilden sie, das erkennt man an ihrem Selbstbewusstsein, eine Großmacht: In dieser Gruppe befinden sich nicht nur die beliebtesten, sondern die auch am meisten bewunderten Menschen der Welt. Es hat schon etwas Befremdliches, dass es diese Menschen überhaupt gibt, und noch mehr, dass sie lachen und, wie vor allem George Clooney, lustig sein können.

Was die Venezianer dazu sagen? Wenig, denn es gibt nicht mehr viele von ihnen. Einer bemerkt, man habe jenes Restaurant gegenüber von „La Fenice“ ganz vergessen. Früher sei es einmal ein Lokal für amerikanische Touristen gewesen. Ein anderer sagt, es hätte etwas mehr Sorgfalt bei der Auswahl des Wassertaxis für das Brautpaar walten können. Dieses heiße zwar „Amore“, lasse aber das Tonnenheck vermissen, das die wirklich guten Boote auszeichne. Ein dritter meint bitter, es sei ja eigentlich ein Affront für Venedig, dass ausgerechnet Walter Veltroni, der ehemalige Bürgermeister von Rom, die Eheschließung abnehme. Aber Venedig hat gegenwärtig keinen Bürgermeister, nachdem Giorgio Orsoni im Sommer nach einer Korruptionsaffäre zurücktreten musste. Dann gehen die letzten Venezianer leise grummelnd davon, während sich Venedig, eine sehr alte italienische Stadt, in eine Außenstelle von Hollywood verwandelt, mit europäisch gesonnenen Amerikanern, vielleicht sogar mit eigenen Vorbehalten gegen die Vereinigten Staaten – Amal Amaluddin ist als Anwältin Expertin für Verletzungen des Menschenrechts und hat für Julian Assange gearbeitet. Aber doch als Repräsentanz eines gelobten Landes, das eigentlich aus einem universalen Traum besteht. „Wie sieht das aus?“, wird die Frage sein, die innerhalb der Hochzeitsgesellschaft am häufigsten gestellt wurde.

Tatsächlich geheiratet wurde dann auch, am Samstagabend um kurz nach acht Uhr, in einer privaten Zeremonie im Palazzo Papadopoli am Canal Grande. Zum Einzug spielte ein italienisches Trio „Io che amo solo te“, einen herzerweichenden Schlager aus den Sechzigerjahren. Die Eheschließung wurde unter einem Kranz von Tausenden weißer Rosen besiegelt. Nach dem „Ja“ soll der ganze Saal in dröhnendes Gebrüll ausgebrochen sein.

Das Ereignis war etwas überraschend gekommen, denn eigentlich hatte man, einiger Absperrungen am Rathaus wegen, mit der Zeremonie erst für Montag gerechnet. Doch das war eine kleine Finte, und am Montag werden dort nur die Urkunden unterschrieben. Vor ein paar Jahren wurde der Palazzo Papadopoli, ein Bau aus dem sechzehnten Jahrhundert, restauriert. Seitdem residiert das Hotel Aman darin, das mit deutlichem Abstand beste Hotel der Stadt. Dort schliefen Amal Alamuddin und George Clooney die erste Nacht als Eheleute, unter einem Deckenfresko, das Giambattista Tiepolo um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts malte. Wer wissen will, wie es dort aussieht, findet nicht nur Hotel und Zimmer leicht im Internet, sondern auch den Preis: Es kostet gegenwärtig 3650 Euro für eine Nacht. So öffentlich ist diese Hochzeit.

Mehr Reformen wagen

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Nun geht alles ganz schnell in Hongkong. Nach der Festnahme dreier Studentenführer hat die Bürgerbewegung „Occupy Central with Love and Peace“ am Sonntagmorgen die Bürger zu zivilem Ungehorsam aufgerufen. Sie legten Hauptstraßen und den Finanzbezirk lahm. Die Bewegung fordert demokratische Reformen. Zehntausende folgten dem Aufruf. Die Polizei schoss mit Tränengas.

Der Universitätsprofessor und „Occupy Central“-Gründer Benny Tai erklärte in den Morgenstunden des Sonntags den überraschenden Beginn der Aktion, die eigentlich erst am Mittwoch starten sollte: „Ich habe eine lang erwartete Nachricht“, rief er um 1 Uhr 45 Tausenden Demonstranten in der Nähe des Regierungshauptquartiers zu: „Occupy Central beginnt jetzt.“ Vorangegangen war der Versuch der Polizei, am Freitag und Samstag Studenten- und Schülerproteste aufzulösen.



In Hongkong demonstrieren Tausende für mehr Demokratie

Nach einer Woche friedlichen Unterrichtsboykotts und kleinerer Demonstrationen waren die Beamten am Wochenende gegen protestierende Jugendliche vorgegangen. Die Studenten hatten sich vor dem Hauptquartier der Regierung in Tamar versammelt, einige versuchten, in das Gebäude einzudringen. 74 wurden festgenommen, die meisten wieder freigelassen. Nur drei prominente Anführer, darunter der 17-jährige Joshua Wong, der als Gründer und Leiter der Schülergruppe „Scholarism“ zum Gesicht der Proteste wurde, befanden sich am Sonntagabend noch in Polizeigewahrsam.

Seit einigen Monaten steigen in Hongkong die Spannungen: Auf der einen Seite stehen die Regierung und die Kommunistische Partei in Peking, auf der anderen Seite das demokratische Lager und zivilgesellschaftliche Organisationen. Konkret fordern die Demonstranten die freie Direktwahl des nächsten Regierungschefs 2017.

Hongkong war bis 1997 britische Kronkolonie, bei der Rückkehr ins chinesische Vaterland 1997 versprach die Pekinger Regierung der Stadt Autonomie und eben jene freie Wahl des Regierungschefs. Bislang wird er jedoch durch eine Kommission von 1200 handverlesenen Wahlmännern bestimmt. Im August entschied der Nationale Volkskongress in Peking, Chinas Scheinparlament, 2017 sollten tatsächlich erstmals alle Bürger Hongkongs zur Wahl gehen dürfen. Allerdings dürfen sie dem Plan zufolge nur zwischen zwei oder drei Kandidaten wählen – diese aber müssen „Patrioten“ sein und werden von einem Wahlmännergremium bestimmt. Die KP stellt damit sicher, dass auch der nächste Regierungschef ein ihr genehmer Kandidat ist. „Eine Farce“, nennt Anson Chan, die ehemalige Verwaltungschefin der Stadt, eine solche Wahl.

„Occupy Central“ verlangte in einer Stellungnahme zwei Dinge: Der Nationale Volkskongress in Peking müsse den Plan zurücknehmen; und die Hongkonger Regierung müsse politische Reformen einleiten und mit den Bürgern reden. Im Juni hatten sich 800000 Hongkonger bei einem inoffiziellen Referendum für Reformen ausgesprochen.

Die Stadt war auch unter britischer Herrschaft nie demokratisch, allerdings galten rechtsstaatliche Grundsätze. Bis heute genießen die Hongkonger Freiheiten, die anderswo in China unvorstellbar sind. Allerdings beklagen sie in den letzten Jahren eine schleichende Erosion dieser Freiheiten und die wachsende Einmischung Pekings. Die Zensur in der Presse wächst, die kritische Webseite House News musste schließen, weil ihre Gründer bedroht worden waren. Zudem fühlen sich viele Bürger schlecht regiert. Die soziale Ungleichheit steigt, Wohnungen werden für die Mittelschicht unbezahlbar, der Zustrom von Festland-Chinesen strapaziert die Ressourcen.

Einst war Hongkong in Asien Musterbeispiel einer sauber und effizient geführten Metropole. Nun herrschen Vetternwirtschaft und Korruption auf höchster Ebene. Letzte Woche machte ein Prozess gegen den ehemaligen Verwaltungschef Rafael Hui, einst die Nummer zwei der Stadt, Schlagzeilen: In einer spektakulären Enthüllung gestand Rafael Hui, heimlich elf Millionen Hongkong-Dollar (etwas mehr als eine Million Euro) angenommen zu haben – er berichtete zudem, die Millionen seien direkt aus Peking geflossen. Solche Vorfälle treiben die Demonstranten an: „Es ist deprimierend. Die Leute, die uns regieren, sind nur Peking verpflichtet“, sagte eine Demonstrantin. „Wenn wir keine echten Wahlen bekommen, wird es bergab gehen mit Hongkong. Wir werden wie alle anderen chinesischen Städte werden.“

Hongkongs amtierender Regierungschef Leung Chun-ying rief die Bürger am Sonntag auf, sich nicht an „illegalen“ Protesten zu beteiligen. Prominente Persönlichkeiten wie der katholische Kardinal Joseph Zen und Martin Lee, Gründer der Demokratischen Partei, riefen die Bürger hingegen auf, die Studenten zu unterstützen.

Nur eine Frage

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Im Konflikt um das geplante katalanische Unabhängigkeitsreferendum ist die konservative Regionalregierung in Barcelona auf vollen Konfrontationskurs zur konservativen Zentralregierung in Madrid gegangen. Der katalanische Regionalpräsident Artur Mas unterzeichnete am Samstag den Erlass über die Durchführung einer für den 9. November angesetzten „Befragung“ der Wähler. Die Behörden präsentierten in Barcelona bereits die ersten Wahlurnen. In Madrid wiederholte die stellvertretende spanische Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría: „Ein solches Referendum wird nicht stattfinden, denn es ist illegal.“

Vertreter der in Madrid mit absoluter Mehrheit regierenden Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy stellten allerdings klar, dass nicht erwogen werde, das Militär in die Industrie- und Touristikregion in der Nordostecke des Landes zu schicken. Für diesen Montag ist eine Sitzung des Verfassungsgerichtes anberaumt, das bereits im März eine Resolution des Parlaments in Barcelona über die Unabhängigkeit für illegal erklärt hatte.



Die spanische Region Katalonien will unabhängig werden

Mas erklärte bei der Zeremonie im Regierungspalast von Barcelona in Gegenwart der Anführer der vier größten Parlamentsfraktionen: „Katalonien will seine Meinung kundtun, es will gehört werden.“ Er spielte damit auf das Referendum in Schottland an, das vor knapp zwei Wochen mit einer Niederlage der Unabhängigkeitsbefürworter endete. Nach jüngsten Umfragen befürworten rund 80 Prozent der Wahlberechtigten in der 7,5 Millionen Einwohner zählenden Region das Recht auf Abstimmung, auch viele Gegner einer Abspaltung von Madrid.

Die Zentralregierung aber verweist immer wieder darauf, dass die Verfassung ein regionales Referendum nicht vorsehe. Das Verfassungsgericht hat bereits bei mehreren Gelegenheiten festgestellt, dass über eine Loslösung einer Region aus Spanien nur der „Souverän, das spanische Volk“ befinden könne. Somit müsste auch in den anderen Regionen darüber abgestimmt werden. Wohl hielt sich Mas bei der Zeremonie am Samstag eine Hintertür offen: Er erklärte, seine Regierung werde jede Entscheidung des Verfassungsgerichtes in Madrid respektieren. Seine Rechtsberater vertreten die Auffassung, dass die für den 9. November angesetzte Abstimmung durchaus verfassungskonform sei. Es handle sich nämlich nur um eine „behördlich organisierte Meinungsumfrage“.

In der Tat soll in der Abstimmung, offiziell „Consulta“ (Frage oder Beratung) genannt, nur danach gefragt werden, ob der Weg zur Unabhängigkeit fortgesetzt werden solle. Mas betonte am Wochenende, das Ergebnis der Consulta werde rechtlich nicht bindend sein. In einer kurzen Rede, die er in den drei Sprachen Katalanisch, Spanisch und Englisch hielt, betonte er seine Bereitschaft zum Dialog. Allerdings steht der Regionalpräsident in Katalonien unter wachsendem Druck: Sein Mitte-rechts-Minderheitskabinett wird von den Linksrepublikanern (ERC) toleriert, doch forderte ERC-Chef Oriol Junqueras, dass Barcelona ein allgemein erwartetes Verbot des Referendums durch das spanische Verfassungsgericht ignorieren solle.

Auch Ministerpräsident Rajoy, Mas’ politischer Gegenspieler in dem Konflikt, vertritt in den eigenen Reihen eher gemäßigte Positionen. Der nationalkonservative Flügel der PP fordert ein hartes Durchgreifen gegen die „Separatisten“ in Katalonien, bis hin zur Besetzung von Rathäusern und Regionalbehörden durch die Guardia Civil, eine staatliche Polizeitruppe, und der Verhaftung des gesamten Kabinetts Mas. Auch wurde ins Spiel gebracht, die Überweisungen aus Madrid nach Barcelona einzustellen. Dazu erklärten allerdings katalanische Abgeordnete, dass in diesem Falle auch die in ihrer Region erhobenen Steuern nicht mehr an das Finanzministerium in Madrid überwiesen würden. Barcelona würde dadurch sogar gewinnen, da der Finanzausgleich unter den Regionen Katalonien stark benachteilige.

Allerdings hat Rajoy bislang kaum Schritte unternommen, die Spannungen zwischen Madrid und Barcelona abzubauen. Er hat keinerlei Argumente angeführt, die den Katalanen den Verzicht auf ihr Streben nach staatlicher Unabhängigkeit schmackhaft machen könnten. Vielmehr musste Madrid es hinnehmen, dass vor zwei Wochen bei der größten Kundgebung in der Geschichte Barcelonas mehr als eine Millionen Demonstranten die Unabhängigkeit forderten. Mas hat überdies einen weiteren Trumpf in der Hinterhand: Sollte er aufgrund des Einspruchs des Verfassungsgerichts das Referendum absagen, um seine Absetzung durch Madrid zu vermeiden, dürfte er sofort vorgezogene Neuwahlen ausschreiben. Für diesen Fall wird erwartet, dass fast alle Parteien die Unabhängigkeit ganz oben in ihren Programmen anführen werden. Sollten deren Befürworter gemeinsam mehr als 60 Prozent bekommen, so wird in Barcelona kalkuliert, werden auch die EU-Institutionen in Brüssel nicht länger den „Willen des katalanischen Volkes“ ignorieren können.

Die Experten in Barcelona weisen die Drohszenarien aus Madrid zurück, wonach Katalonien im Falle einer Abspaltung automatisch aus der EU ausgeschlossen würde und somit auch aus der Euro-Zone ausschiede.

Das blaue Wunder

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Die Hände des Mädchens zittern, während sie mit dem Zeigefinger auf ihrem Smartphone hin und her wischt. „Verena Schizophrenia, ich fasse es nicht!“ Sie betrachtet ein Selfie, das sie gerade aufgenommen hat: links Verena, 1,55 Meter groß, überall tätowiert, blaue Haare und das Gesicht voller Piercings, rechts das kleine blonde Mädchen mit Dirndl. „Ist doch ganz hübsch geworden“, sagt Verena. Das Mädchen kichert, Verena umarmt sie, dann gehen sie getrennter Wege weiter übers Straubinger Gäubodenfest: der Promi und sein Fan.

Verena Geiß, Künstlername „Schizophrenia“, gelernte Kinderpflegerin, ist 22 Jahre alt und ein Star. Keiner, den man aus dem Fernsehen kennt – Verena kann weder besonders gut singen noch schauspielern. Trotzdem bewundern sie Zehntausende. Wenn sie ein Foto postet, schreiben 13-jährige Mädchen darunter: „Du bist so abartig schön! Kannst du nicht mal ein Fantreffen organisieren?“ Und Jungs schreiben: „Du bist noch schöner als meine Freundin.“ Verenas Facebook-Seite hatte eine halbe Million Fans– bis sie sie im Frühjahr deaktivieren musste. Damals musste Verena lernen, dass Fans zum Problem werden können.

Verena ist also berühmt, und „modeln“ ist vielleicht noch die passendste Bezeichnung für das, was sie tut, um diesen Ruhm zu erklären. Der Begriff „Scene Model“ beschreibt junge Frauen, die ein Nischen-Schönheitsideal vertreten. Sie fallen auf mit Piercings und Tattoos, haben keine klassischen Modelmaße. Verenas Laufstege sind die sozialen Netzwerke, Youtube und Instagram. Sie befüllt sie von ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung aus, in Straubing, einer niederbayerischen Kleinstadt. Zwischen rosa Wänden und Fotocollagen fotografiert und filmt Verena sich täglich selbst. 2009 hat sie sich auf Youtube angemeldet – „aus Spaß“ sagt Verena, während sie durch ihre Wohnung führt. Auch heute filmt eine Freundin jeden ihrer Schritte. Dass eine Reporterin und eine Fotografin zu Besuch waren, kann sie vielleicht später in einem Video verwerten. Verenas Künstlername „Schizophrenia“ stammt aus einem Song einer Band namens Brokencyde, die sie damals gut fand. Heute würde sie den nicht mehr so wählen. Aber ihn jetzt zu wechseln wäre Wahnsinn. „Verena Schizophrenia“, das ist ihr Leben – und mitterweile auch ihre Marke. Die kann man nicht einfach ändern.

[plugin bildergalerielight Bild2="Verena in ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung in Straubing" Bild3="Hier spielt sich ein Großteil ihrer Videos ab" Bild4="Verena mit ihrer Freundin Carmen" Bild5="Verena vor ihrem begehbaren Kleiderschrank. Sie schläft im Wohnzimmer auf der Couch" Bild6="Mit ihren Tattoos fällt Verena auf" Bild7="Auf dem Gäubodenfest wird sie immer wieder von Fans erkannt" Bild8="Viele wollen ein Selfie" Bild9="Eine Collage in Verenas Wohnung"]
Die Fotografin hat einen guten Ort für ein Bild gefunden. Die Kamera geht an und mit ihr Verenas Posing-Modus. Sie stemmt die Hände in die Hüften, hebt das Kinn leicht an und schürzt die Lippen. Sie sagt, sie brauche kein Photoshop für ihre Bilder. Ab und zu ein Instagram-Filter – das war’s. Ihren Fans sind solche Details wichtig.

Ihre Karriere zum Star beginnt mit Videos, die nichts Spektakuläres zeigen: Sie und eine Freundin wackeln gelangweilt zum Tick-Tack einer Uhr. Sie verziert Möbel mit Regenbögen. Der Alltag eines Teenagers in Niederbayern. Irgendwann nimmt Verena ein „Make-up-Tutorial“ auf – sie filmt, wie sie sich schminkt. 300 000 Mal wird dieses Video angeschaut. Viele Sieger von „Deutschland sucht den Superstar“ erreichen mit ihren professionellen Videoclips weniger Klicks. „Keine Ahnung, warum die Leute sich das damals angeguckt haben“, sagt Verena heute. Sie spricht ruhig, wirkt selbstbewusst, aber nicht wie eine Entertainerin. Unter Verenas Schminkvideo fragen Mädchen damals in den Kommentaren: Wie sie ihre Haare so blau bekomme? Welches Make-up sie benutze? Sie wollen aber auch wissen, wer genau Verena ist. Und sie antwortet, macht neue Videos und Fotos. Bei Facebook gründen sich erste Fanseiten mit bis zu 15 000 Fans. In Foren schreiben Mädchen: „Wie kann ich ein Site-Model werden wie Verena Schizophrenia?“ 2011 gibt sie den Wünschen ihrer Fans nach und übernimmt eine Fanseite als ihre eigene.

Nach der Trennung von ihrem Freund beschimpfen manche Verena als "Schlampe". Dabei haben sie sie noch nie getroffen.


Ein Mädchen vom Rand des Bayerischen Walds, das sich gut schminken kann, wird auf einmal berühmt. Ihre Fans leben in ganz Deutschland, auch im Ausland schaut man ihre Videos. Die meisten Fans sind Mädchen in der Pubertät. Mit dem Erfolg werden Verenas Videos professioneller – und persönlicher. Auf Youtube kann man sie mittlerweile beim Feiern im bayerischen Wald beobachten („Follow me around – Party in Zwiesel“), mit ihr ins Piercingstudio gehen („Septum-Piercing! <3“) oder ihren Bruder kennenlernen („Lady Gaga-Playback Medley! <3“). Ihr größter Erfolg sind aber „Hauls“ – Videos, in denen Verena ihre Einkäufe bewertet. Sie spricht mit großem Ernst über Materialien von Pullovern oder sagt: „Dieses Deo ist von Balea, das ist eine Marke, die ich wirklich liebe. Das hier ist neu und riecht nach Himbeere und Zitronengras.“ Die Videos werden zehntausendfach geklickt. Die Fans wollen auch nach Himbeere und Zitronengras riechen und so an Verenas Leben teilhaben. Als sie eines Tages postet, dass sie und ihr Freund sich getrennt haben, bricht für viele eine Welt zusammen: „Ihr seid doch ein so schönes Paar gewesen“, oder: „Wie kannst du Schlampe das tun?“

In ihrer Wohnung macht sich Verena bereit für das Gäubodenfest. Sie schreibt auf Instagram, wohin sie gleich geht. Es ist ihre tägliche Routine.
Mit der Gier der Fans nach Informationen aus ihrem Privatleben hat Verena lange gespielt. Irgendwann wurden sie sauer, wenn Verena ihre Fragen nicht beantwortete. Sie beschimpften sie als „stinkfaul“, wenn sie drei Tage auf einen Post warten mussten. Dass Verena zur gleichen Zeit als Kinderpflegerin arbeiten und ihr Abitur nachholen musste, behielt sie für sich. Inzwischen weicht sie auch bei Nachfragen zu ihrer Familie oder ihrem Freund aus. Sie hat dazugelernt.

„Vielleicht habe ich indirekt auch selbst Schuld, dass manche Leute fiese Sachen schreiben, wenn ich ihnen mein Privatleben so ausliefere“, sagt Verena. „Das macht es ihnen leicht, an mir Fehler zu finden. Dabei sind die doch menschlich.“ Weil ihr Youtube-Kanal so beliebt ist, bekommt sie manchmal Klamotten oder Kosmetik geschickt. Ihr Schlafzimmer ist deshalb mittlerweile ein begehbarer Kleiderschrank, Verena schläft im Wohnzimmer auf der Couch. „Für die Produkte bin ich sehr dankbar, Extensions sind teuer. Ich sage dann aber natürlich trotzdem in den Videos ganz ehrlich, wenn ich ein Produkt schlecht finde“, sagt sie. Manche behaupten, dass sie für die Hauls von den Herstellern bezahlt würde. Verena streitet das ab. Tatsächlich wirkt sie nicht wohlhabend – bei Telefonaten bittet sie um Rückruf, weil ihr Guthaben nicht ausreicht, an der Wand hängen sauber aufgepinnte Einkaufsbelege.

Trotzdem glaubten immer mehr Fans, Verena würde mit ihrem Ruhm viel Geld machen. Dazu las sie in den Kommentaren immer öfter eine neue Art der Abwertung: den Vorwurf, sie sei ein schlechtes Vorbild. Weil Verena gerne feiern geht und auch mal einen Pullover trägt, auf dem „Dope“ steht. Ein Vorwurf, der auch jungen Stars wie Miley Cyrus immer wieder gemacht wird – allerdings mit dem Unterschied, dass Miley Cyrus Talente hat, die für Mädchen nachahmenswert sein könnten: Sie schauspielert und singt und tanzt. Verena teilt einfach nur ihren Alltag.

Im Frühjahr 2014 machen Verenas Kritiker ihre Karriere kaputt. Damals geht ein anonymer Blog online, der angebliche Vergehen von Verena sammelt. Bilder, auf denen sie sich dünner retuschiert haben soll. Screenshots, die beweisen sollen, wie sie in Facebook-Kommentaren Fans anmotzt. Der Blog animiert dazu, weiteres Material gegen Verena zu sammeln. Die Begründung: Man wolle ihr doch nur zeigen, dass sie sich für ihren pummeligen Körper nicht schämen müsse.

Die Seite hat schnell mehr als 30 000 Fans, Hasskommentare überfluten Verenas Facebook-Seite. Fans verlangen „Beweise“, dass sie sich nicht dünner macht. Manche schreiben, sie seien enttäuscht, dass Verena so ein schlechtes Vorbild sei. Eine Zeit lang kämpft Verena dagegen an. Sie beantwortet Fragen und löscht die schlimmsten Kommentare. Sie erstattet Anzeige gegen die unbekannten Blogbetreiber. Sie weint viel, sagt sie. Aber irgendwann wird sie müde. Sie geht den letzten Schritt und deaktiviert ihre Facebook-Seite. Mit einer halben Million Fans. Das sind deutlich mehr als das ZDF auf Facebook hat.

Wer will schon Rihanna auf ihrer Yacht sehen, wenn er sich auch mit normalen Leuten vergleichen kann?


Verena versteht den Ärger ihrer Fans auch heute nicht: „Das in den Videos, das bin doch nur ich“, sagt sie. „Ich freue mich, wenn die Leute meine Videos mögen, aber ich verlange dafür keine Extrabehandlung.“ Vielleicht ist das aber auch das Problem: Wäre Verena Schizophrenia eine reine Kunstfigur, könnten die Kommentare an ihr abperlen. Aber eine Kunstfigur macht keine Videos aus dem eigenen Schlafzimmer und stellt niemandem ihren Bruder vor. So trifft der Hass die echte Verena.

Zurück auf dem Gäubodenfest, Straubing. Die meisten Menschen tragen Dirndl und Lederhosen. Sie drehen sich um nach der blauhaarigen Frau. Mädchen tippen einander in die Seite, wenn sie Verena sehen. Manche fragen nach einem Foto. Verena kennt das: „Ich freue mich, meine Zuschauer zu treffen“, sagt sie.

Warum also hat ausgerechnet sie so einen Erfolg? Für die Antwort überlegt Verena lange. „Vielleicht“, sagt sie, „weil die Leute merken, dass ich genau so ein Leben habe wie sie.“ Vermutlich hat sie Recht. Youtube-Kanäle von Normalo-Prominenten, etwa Pärchen, die zusammen in den Supermarkt gehen oder streiten, sind zur Zeit erfolgreich. Weil durchschnittlichen Menschen der Vergleich mit anderen Durchschnittsmenschen manchmal lieber ist als der mit echten Promis: Wer will schon Rihanna täglich auf einer anderen Yacht sehen, wenn er auch am Leben eines Menschen teilhaben kann, der sich nur in der Haarfarbe von ihm selbst unterscheidet?

Bald beginnt Verena eine Ausbildung, dann bleibt zwangsweise weniger Zeit für Videos und Fotos. Ihre Facebook-Seite hat sie vor kurzem allerdings wieder aktiviert. „Ich hab alles Private gelöscht und nur noch professionelle Fotos und Videos stehen lassen“, sagt sie. Die ersten Kommentare sind nett, manche schreiben, sie würden über ihre Rückkehr gerade vor Freude weinen. Bei Youtube war Verena nie offline. In einem ihrer letzten Videos sammelte sie Vorschläge der Fans für ein Spiel, das sie im nächsten Video spielen will. Es heißt „Wahrheit oder Pflicht“. Die Fans wollen unter anderem, dass sie Nutella mit Senf isst und sich ein rohes Ei auf den Kopf schlägt. Verena hat mitgemacht.

kathrin-hollmers Kochwoche

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Montag:
Kein guter Tag. Mir ist schwindlig und irgendwie gar nicht gut, außerdem ist keine Zeit für eine Mittagspause. Ich gehe früher nach Hause beziehungsweise zum Arzt. Nach knapp drei Stunden im Wartezimmer und fünf Minuten mit der Ärztin falle ich ich mein Bett und wache erst wieder um halb neun auf. Mit knurrendem Magen. Und großer Lust auf Käsespätzle. Mit selbstgemachten Spätzle und Bergkäse, der lange Fäden zieht. Und Zwiebeln. Obwohl es schon so spät ist, rühre ich Spätzleteig an. Danach geht es mir besser, dem Liebsten auch. Mir aber nur etwa eine halbe Stunde lang. Ich lege mich vorsichtshalber wieder hin. Leider habe ich nur ein Handyfoto, aber das Wesentliche - der Käse! - ist zu erkennen!  





Dienstag:

Ich verbringe den Abend mit drei wunderbaren Menschen, die ihr übrigens auch kennt: Doro und ich sind bei Lotti und Katharina eingeladen. Es gibt sehr tollen Zwiebelkuchen und sehr tollen Rosé (entschuldigung für das zu dunkel gewordene Foto!). Federweißer war aus. War aber gar nicht schlimm, ich mag Rosé eh lieber. Ein sehr schöner Abend war das!  





Mittwoch:
Als aufmerksame jetzt.de-Leser wisst ihr: Heute ist Redaktionsausflug zum Oktoberfest. Ich hab Lust auf Saueres und bestelle Schweizer Wurstsalat. Ein Riesenfehler. Zu wenig Zwiebeln. Der Käse, ein Bergkäse sogar, schmeckt ganz gut. Der Rest gar nicht. Drum esse ich am Ende fast nur den Käse und das Brot. Und trinke eine Radlermaß, die auf der Wiesn immer nur unter Protest zu kriegen ist und dann zum Selbstmischen serviert wird. Ich sage das oft und immer wieder gerne: Auf dem Gäubodenvolksfest ist alles besser!  





Donnerstag:

Donnerstag ist meistens mein freier Tag, an dem ich dann auch Zeit habe um zum Beispiel Fleisch zu marinieren und diese Dinge. Heute mache ich das für dieses Rezept für “Chicken Tikka Masala”. Schmeckt ziemlich fein! Und endlich hab ich ein besseres Foto für euch. Ich hab allerdings mehr Gemüse und weniger Fleisch genommen als im Rezept steht. Und weniger Koriander. Davon mag ich nicht zu viel. Parallel habe ich Brot gebacken. Guter Tag!  





Freitag:

Ich bin zu Hause in Niederbayern und meine Schwester hat gekocht: Gulasch. Mit einer ganzen statt einer halben Flasche Rotwein in der Soße. Sehr fein!  





Samstag:

Diese Woche war ungewöhnlich fleischlastig, ich verzichte darum darauf, die Gulaschreste zu essen und überlasse die dem Rest der Familie (die Soße musste ich aber probieren, die ist am zweiten Tag ja immer noch einen Tick besser!). Ich mache Gemüselasagne. In Omas Holzofen und mit selbstgemachten Nudelplatten. Ich steche einfach die Auflaufform aus, weil man die fertigen Platten brechen kann, wie man mag, am Ende passt es doch nicht. Dazu gibt es meinen absoluten Lieblingssalat: Endiviensalat. Mit viel Zwiebeln, eh klar.  





Sonntag:  

… gibt es nachmittags Kaffee und Kuchen bei Oma. Ich habe eine Mini-Sacher-Torte gebacken. Ich will mich nicht loben, aber es haben schon mehrere Personen unabhängig voneinander gesagt, dass sie besser als bei Sacher schmeckt. Wirklich wahr! Das Rezept ist aber auch vom Sacher-Küchenchef.  





Abends bin ich wieder in München. Und weil es nachmittags Kuchen gab, schmiere ich mir nur ein Brot - das selbstgemachte, mit Walnüssen! - mit Frischkäse und Schnittlauch. Dazu trinke ich Tee. Im Bett. Und sehe dazu: nicht den Kölner Tatort, sondern Alf. Perfekt!  




[seitenumbruch]
1. Welches ist dein Lieblingskücheninstrument und warum?
Keine Frage: mein Supergemüsehobler.





Hobelt vier Scheiben auf einmal und vorwärts und rückwärts! Und hat Aufsätze für Raspeln und Julienne. Und mein Spätzlehobel. Hätte ich eine Küchenmaschine, wärs bestimmt die. Vom Rührgerät-Halten bekomme ich regelmäßig Muskelkater.     

2. Welches war dein allerschlimmstes Küchenmissgeschick?

Richtig super missglückt ist mir in meiner Küche noch nie was (ihr seht es nicht, aber ich klopfe gerade auf den Tisch!). Als ich noch zur Schule ging, wärmte ich mir mal mittags irgendwas auf, das meine Mutter gekocht hatte, drehte den Herd auf die höchste Stufe und ging aus dem Zimmer (ihr merkt den Fehler). Danach war ein Loch in der Herdplatte. Oh, ich schneide mich so etwa einmal die Woche, meistens mit dem Supergemüsehobler und meistens ziemlich tief. 

3. Dein Lieblingsgewürz:

Das ist zu schwierig! Grundsätzlich muss bei mir in jedes Essen (außer in Süßem, jaja) viel Grünzeug, also viele Kräuter. Ich liebe Schnittlauch! Und Zwiebeln, das zählt ja auch irgendwie als Gewürz. Guter Pfeffer und gutes Salz sind Pflicht! Bei vielen Sachen brauche ich auch nur die zwei.  

4. Was machst du am liebsten während dem Essen?
In Gesellschaft natürlich reden (und versuchen, dabei das Essen nicht zu vergessen). Alleine Filme und Serien gucken oder lesen - Hauptsache irgendwas!  

5. Was klebt an deinem Kühlschrank?

An meinem Kühlschrank was ganz Langweiliges, aber Praktisches (Man erkennt es nicht, aber darauf steht zum Beispiel, dass 1 EL Mehl 10 Gramm sind und so was, leider finde ich den Link zu dieser Löffelmaßbirne nicht...):



 

Aber ich habe das hier diese Woche für euch fotografiert. Das ist natürlich viel cooler!





6. Woher nimmst du dir deine Rezeptideen?
Ich habe aus Gewohnheit die "Lecker" abonniert, und seit kurzem die "Deli". Ich hab sehr viele Food-Blogs und -Webseiten gebookmarkt, die ich in unregelmäßigen Abständen ALLE durchklicken muss. Ziemlich gut finde ich: das Sonntagsessen vom Zeit Magazin, Delicious Days, Aicuisine (leider gerade nicht sehr aktuell), Sous Style, The Gouda Life, Chez Theresa, Zii kocht, Bonappetit.com, BBC Good Food, das Food-Ressort im Guardian. Und, am wichtigsten für kulinarische Tipps und Inspiration: Oma.   

7. Irgendwelche außergewöhnlichen Fressangewohnheiten? Erzähl!

Ich liebe Zwiebeln. Die kommen in jedes Essen (abgesehen von den süßen Sachen). Und ich mag sehr viele Sachen nicht. Tomaten (roh) zum Beispiel, sämtliches Meeresgetier außer Fisch, Weintrauben, Kirschen, Zwetschgen. Kapern. Oliven. Und noch mehr, das mir jetzt nicht einfällt...

8. Zeig uns mal ein Foto von deiner Küche! Und/oder von deinem Lieblingsessensplatzerl!
Das Lieblingsplatzerl habt ihr schon gesehen - auf dem Sonntagsbild von meinem Bett.  

9. Wer ist der König die Königin! im Obstsalat?

Die Erdbeere. Ich liebe Erdbeeren!  

10. Verrat uns doch deinen besten Küchentipp!

Keine Ahnung. Ich mach einfach immer so, wie ich mir denke, dass es passen könnte... Oh. Zum Backen Rama nehmen. Und selbiges nicht im Kühlschrank aufbewahren. Ist kein super Tipp, aber ein Tipp.

Und ich würd mir wünschen, dass dorothea-wagner mal kochwocht. Ich brauche dringend vegetarische Inspiration! 

Woher der Hass? Frühe Nikoläuse

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„Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“, steht als Faustregel in der Bibel. Verstößt jemand dagegen, bekommt er einen bösen Leserbrief, zum Beispiel von Herrn Karsch in der Hersfelder Zeitung: „Es ist für mich eine Frechheit und eine unglaubliche Sauerei, (…) Lebkuchen, Spekulatius, Weihnachtsmänner in allen Varianten schon Anfang September anzubieten.“ Heute werde jedem Kind das Weihnachtsgefühl genommen – „Für mich müsste so was bestraft werden.“ Nicht nur für Herrn Karsch: Jeder dritte Deutsche wünscht sich ein Verbot für Weihnachtsware, die zu früh in den Supermarkt kommt, das hat der Stern gerade vermeldet.
 
Woher kommt der Hass auf die Schoko-Nikoläuse, die zu früh in den Supermarkt-Regalen stehen? Dazu müssen wir kurz über Silvester reden. Bis vor ein paar Jahren gab es im Vergnügungspark Disney World einen Bereich namens „Pleasure Island“, in dem jeden Tag Silvester gefeiert wurde. Es gibt eine „Simpsons“-Szene, die darauf anspielt: Homer und Marge sitzen dort in einem Restaurant und Marge strahlt vor Glück. Müsse das nicht wundervoll sein, fragt sie den Kellner, immer und immer wieder das neue Jahr begrüßen zu dürfen? „Bitte bringen Sie mich um“, antwortet der Kellner.

Als Kinder waren wir noch naiv wie Marge: Wir wollten, dass immer Weihnachten ist. Als Erwachsene sind wir wie der Kellner: Wir haben gelernt, dass jeden Tag Weihnachten gar nichts bringen würde, weil dann bloß alles in einem Brei aus Langeweile versinken würde. Es ist schön, seinen Geliebten zu küssen, aber keiner, selbst die Allerverliebtesten, könnte sich für immer küssen. Spätestens nach 20 Minuten wird der Mund trocken. Man muss dann aufhören, um wieder anfangen zu können. Und so geht es immer im Leben.
 
Über diese Traurigkeit druckt aber keine Zeitung gerne Leserbriefe ab. Aus lauter Frust macht man einen existenziellen Fehlschluss: Anstatt die böse Metaphysik, die das Vergnügen nicht wiederholbar macht, hassen wir den kindlich-kapitalistischen Glauben daran, dass diese Wiederholung doch irgendwie funktioniert. Deswegen schießen wir uns auf die „Festlichen Weihnachts-Mandeln“ von Milka ein, die ja auch nichts für unser metaphysisches Unglück können, in ihrer schokoladenüberzogenen, mit Puderzucker bestreuten Unschuldigkeit. Mmmh . . .

Entschuldigung, ich muss jetzt in den Supermarkt, aber vorher noch diese traurige Meldung: Die englische Stadt Derby überlegt, die Weihnachtsbeleuchtung in der örtlichen Einkaufsstraße das ganze Jahr hängen zu lassen – das jährliche Ab- und Aufhängen koste zu viel. Es wäre wünschenswert, dass Derby den Plan umsetzt und zu einer traurigen Version von Pleasure Island wird, wo im Hochsommer unbeleuchtete Weihnachtsglocken daran erinnern, dass kein Spaß von Dauer sein kann, ohne schal zu werden. 
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