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Tagesblog - 5. September 2014

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16:22 Uhr: Vorhin habe ich mir - ebenfalls auch aus Versehen - als vermutlich allerletzter Mensch auf Erden das neue Video von Nicki Minaj angeschaut. "Anaconda". Danach sah ich ungefähr so aus: 



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16:00 Uhr: 
Oh, ich würde so gerne etwas geistreiches sagen, aber jetzt habe ich aus Versehen noch Griesbrei gegessen und jetzt ist mir ganz blümerant. Ich glaube, ich muss bald an die nächste Tagesblog-Generation abgeben....
Aber wenigstens ein Bild habe ich noch:



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15:10 Uhr:
Aufgemerkt, es gibt Neues von Charlottes Opa. Es geht diesmal um ziemlich ernste Themen. Aber auch um NACKTFOTOS!!!!

15:05 Uhr:
Hihihihihi, voll der witzige Musiker-Witz: ein sehr begabter junger Mann hat mal das Oeuvre von Mumford & Sons untersucht und dabei gewisse Ähnlichkeiten festgestellt:
http://www.youtube.com/watch?v=lJNYxpEAh68

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14:22 Uhr:
Irgendetwas wollte ich gerade sagen. Aber was? Egal. Eule.
[plugin imagelink link="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-09/4/12/enhanced/webdr07/anigif_enhanced-buzz-24437-1409848501-21.gif" imagesrc="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-09/4/12/enhanced/webdr07/anigif_enhanced-buzz-24437-1409848501-21.gif"]

13:54 Uhr:
Keine Ahnung warum, aber irgendwie hab ich gerade ends das Mittagstief. Mein Über-Es (oder wie heißt das Dings, das macht, dass man alles nicht macht, was man machen wollte?) ist gerade voll so drauf, wie das blaue Wesen hier. [plugin imagelink link="http://38.media.tumblr.com/9a0b6ac22179015d172eb54c2c03bb42/tumblr_mklqhhNDr91qchy9ro1_500.png" imagesrc="http://38.media.tumblr.com/9a0b6ac22179015d172eb54c2c03bb42/tumblr_mklqhhNDr91qchy9ro1_500.png"]

13:30 Uhr:
Wer gerade Mittagspause und Zeit zum Lesen hat: Die New York Times widmet sich in einem langen Essay diesen drei Pünktchen und der darausfolgenden "Texting Anxiety":  [plugin imagelink link="http://static01.nyt.com/images/2014/08/31/fashion/31CULTURALSTUDIES/31CULTURALSTUDIES-tmagSF-v2.jpg" imagesrc="http://static01.nyt.com/images/2014/08/31/fashion/31CULTURALSTUDIES/31CULTURALSTUDIES-tmagSF-v2.jpg"]

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13:25 Uhr:
Das Mittagessen ist vorüber, es gab Maultaschen mit Kartoffelsalat für die einen, Nudeln mit Schwammerl für die anderen. Ich sag's euch, das ist der Journalismus von morgen: live gebloggt aus der Kantine....

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12:05 Uhr:
Wir haben übrigens einen neuen Text auf der Seite: Ein Interview mit einer Dame, die Kopfhörer nur für Frauen designt hat. Normalerweise kriege ich bei gegenderten Alltagsgegenständen ja sofort die Krätze und muss furchtbar rum schimpfen. Aber ehrlich gesagt schauen die Kopfhörer schon ganz schön schick aus..... Hmmmmm. WWBD (What Would Beyonce Do)?




12:01 Uhr:
Wer hier mag Ralph Wiggum gerne? [plugin imagelink link="http://33.media.tumblr.com/f1e80755d123ebf22758e6ee1b1abd1b/tumblr_mkqfrkssIn1r6ibubo4_250.gif" imagesrc="http://33.media.tumblr.com/f1e80755d123ebf22758e6ee1b1abd1b/tumblr_mkqfrkssIn1r6ibubo4_250.gif"]

10:50 Uhr:
Noch mehr Quatsch: Der subreddit /r/michaelbaygifs verschönert gifs mit total unnötigen Mega-Explosionen. Vielleicht die unnötigste Beschäftigung aller Zeiten, aber halt doch schon ziemlich lustig:
[plugin imagelink link="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/09/K5ip6XT.gif" imagesrc="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/09/K5ip6XT.gif"]

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10:42 Uhr:
Ich präsentiere allen schulpflichtigen Kinder das perfekte "Schlampermäppchen". [plugin imagelink link="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/09/978827-1.jpg" imagesrc="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/09/978827-1.jpg"]

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10:31 Uhr:
Oh, oh! Kennt das schon jeder? (Eine Frage, die ich eigentlich bei jedem Youtube-Video stellen muss): Das hier ist das älteste Musikstück der Welt, 3 400 Jahre alt!Und klingt in meinen Ohren ganz schön fetzig. Oder? Ein Erklärstück dazu findest du: hier
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Brvy4BbK2ZQ 

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9:23 Uhr:
Und jetzt noch das Neueste aus der Süddeutsche.de-Konferenz:

- Wichtigstes Thema auch heute: Die Ukraine, die Ukraine-Krise, der NATO-Gipfel zur Ukraine-Krise und die große Frage: Kommt ein Waffenstillstand?
- Außerdem beschäftigt sich die Redaktion mit unserem Verkehrsminister und seinen Maut-Plänen und der Frage: stolpert Herr Dobrindt über die Maut?
- auch interessant: Am Sonntag fliegt ein Asteroid so nahe an der Erde vorbei, wie der, der letztes Jahr über Russland verglüht ist.
- Und dann gibt es noch eine Studie, die vermutlich an der "No Shit, Sherlock"-University durchgeführt wurde: Wer spannende Filme schaut, isst mehr und fettigeres Essen und wird deshalb dick und stirbt mit 55 während des wöchentlichen Beischlafes mit der desinteressierten Gattin. Woraufhin die feststellt, dass die Bankkonten leergeräumt sind, weil der Mann vor fünf Jahren eine kostspielige Affäre mit einer anspruchsvollen jüngeren Dame hatte, woraufhin die Frau sich einen Job suchen muss und auch findet. Und dort, in der Amststube einer mittelgroßen Stadt findet sie ausgerechnet im Archiv die Liebe ihres Lebens, den Amtsarchivar Balthasar Hubschmid. Und "Cut". 

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9:10 Uhr:
Bestimmt kennt hier jeder schon die großartige Textreihe "Sommertest" von ein_oxymoron, oder?! Jedenfalls: Der aktuelle Text macht mich mal wieder sprachlos, glücklich und ein klein wenig neidisch. Unbedingt, unbedingt lesen! (Ich hasse das Wort "Lesebefehl", aber hier böte es sich an, wenn es nicht so saudumm wäre)[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ei/ein_oxymoron/text/regular/1025170.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ei/ein_oxymoron/text/regular/1025170.jpg"]

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8:58 Uhr:
So, schnell weiter: Der Ticker. Total toll von unserem Power-Praktikanten alexander-gutsfeld aufgeschrieben: Was hast du schon einmal überlebt, was auch anders hätte ausgehen können? Bei mir: ich habe mich mal im Winter in den Alpen verirrt. Am Abend auf der Suche nach unserer Hütte. Da war ich 14 und meine Mutter ist vor lauter Sorge ins Tal gefahren, hat die Bergwacht benachrichtigt und ist dann im Schneepflug mitgefahren auf der Suche nach meiner Freundin und mir. Es tut mir heute noch leid, welche Angst ich ihr damals eigenjagt haben muss.

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8:38 Uhr:
Guten Morgen, ihr Typen und Typinnen! Alles gut? In zwei Minuten ist Konferenz, deshalb kurz:
TGIF, bitches!

Es geht auch anders

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Etwa 3,5 Milliarden Suchanfragen beantwortet Google jeden Tag weltweit. 140 Millionen sind es allein in Deutschland. Damit laufen hierzulande mehr als 90 Prozent aller Suchen über den amerikanischen Internetkonzern, Tendenz steigend. Nur Yahoo und Bing kommen international auf Marktanteile von mehr als einem Prozent.

Aber „googeln“ kann man auch woanders – und zwar ohne dem Marktführer noch mehr Informationen in seine Datenbanken und Geld in seine Kassen zu spülen. Kleine Anbieter abseits der großen drei sind in Nischen erfolgreich. Vor allem Plattformen, die eine anonyme Suche anbieten, werden spätestens seit den Enthüllungen des früheren amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden immer beliebter. Andere spenden einen Teil ihrer Einkünfte, verzichten auf personalisierte Werbung oder spezialisieren sich auf ein Fachgebiet, beispielsweise Musik oder Social Media.



Die Meisten, die etwas im Internet suchen, nutzen die Suchmaschine Google.

„Die Suchmaschine, die Sie nicht verfolgt“ – mit diesem Slogan wirbt DuckDuckGo. Die amerikanische Firma, die seit September 2008 online ist, speichert keine Daten der User, weder IP-Adressen noch Suchanfragen. Auch auf personalisierte Werbung verzichtet das Unternehmen. Ähnliche Konzepte verfolgen auch andere Anbieter, so Ixquick und Qwant. Und das mit Erfolg. Seit dem Fall Snowden wächst ihre Reichweite ständig. Bei DuckDuckGo verdreifachten sich die Suchanfragen sogar.

In Zahlen bedeutet das für DuckDuckGo durchschnittlich fünf Millionen Suchanfragen pro Tag und mehr als eine Milliarde Anfragen im vergangenen Jahr. Die Suchergebnisse bezieht das Unternehmen nicht aus einer Quelle, es greift vielmehr auf über 100 Dienste zurück, darunter Wikipedia, Yahoo, Bing, aber auch auf das firmeneigene Programm DuckDuckBot. Zudem ist es möglich, Seiten mit kommerziellen Absichten weitgehend aus den Suchergebnissen auszufiltern.

Allerdings befürchten manche europäischen Nutzer, dass sich auch DuckDuckGo dem Zugriff der US-Geheimdienste nicht entziehen kann. Diese Ängste will das Unternehmen den Menschen nehmen. „Wir speichern keine Informationen von Nutzern. Deshalb gibt es bei uns auch keine persönlichen Daten zu holen“, sagt Firmengründer Gabriel Weinberg.

Alternativen für Leute, die dennoch eine anonyme Suche über Server in Europa bevorzugen, sind beispielsweise der französische Anbieter Qwant und Ixquick aus den Niederlanden. Ixquick, das nach eigenen Angaben knapp fünf Millionen Suchanfragen pro Tag beantwortet, bietet seinen Nutzern noch einen zusätzlichen Schutz: Ein Proxy-Service ermöglicht es auf Wunsch, auch Seiten, die über Ixquick als Suchergebnisse angezeigt werden, anonym zu besuchen. Die Seitenanbieter sehen dann nicht die IP-Adresse des Nutzers, sondern nur die von Ixquick.

Qwant setzt nicht nur auf Anonymität, sondern auch auf ein Design, das sich von anderen Anbietern abhebt. Die Suchergebnisse, die aus einer eigenen Suchtechnologie stammen, erscheinen als Tabelle, sortiert nach Gebieten wie beispielsweise Netz, Nachrichten, Soziale Netzwerke und Einkaufen.
DuckDuckGo und Ixquick finanzieren sich wie die meisten anderen Suchmaschinenanbieter durch Werbeanzeigen. Doch im Gegensatz zu Google stimmen sie die Anzeigen nicht auf den Internetnutzer und die durch Datenspeicherung bekannt gewordenen Interessen ab, sondern auf den Suchbegriff, den der Nutzer ins Suchfeld eingibt. Qwant will auch mit dem Verkauf seiner Suchtechnologie Geld verdienen.

Grüne Wälder und neu gepflanzte Bäume sind auf der Startseite von Ecosia zu sehen. Sie symbolisieren das Ziel der Suchmaschine: den Kampf gegen die Abholzung des Regenwalds. Das Unternehmen Ecosia mit Sitz in Wittenberg bei Berlin wurde im Jahr 2009 von Christian Kroll gegründet, der die Idee von einer Reise durch Südamerika mitgebracht hatte. Dort war er auf die Bedeutung des Regenwaldes für den Klimawandel aufmerksam geworden.

Ecosia spendet nach eigenen Angaben 80 Prozent seiner Einnahmen an die Naturschutzorganisation The Nature Conservancy. Diese hat sich mit dem Projekt „Plant abillion trees“ – pflanze eine Milliarde Bäume – zur Aufgabe gemacht, die Fläche des brasilianischen Regenwaldes zu vergrößern. Das Geld, das an The Nature Conservancy fließe, werde wiederum zu 80 Prozent ausgegeben, um Bäume zu pflanzen, erklärt Ecosia-Sprecherin Shannon Smith. Die übrigen 20 Prozent entfielen auf Verwaltungskosten.

Insgesamt hat Ecosia nach eigenen Angaben in den vergangenen zwölf Monaten 503 761 Euro gespendet. Seit August 2013 seien davon 556 841 Bäume gepflanzt worden. Die Spendenquittungen veröffentlicht Ecosia monatlich auf seiner Internetseite.Bis August 2013 arbeitete Ecosia mit dem World Wide Fund for Nature (WWF) zusammen. Bis dahin wurden von dem gespendeten Geld keine Bäume gepflanzt, sondern bestehender Regenwald geschützt. Als andere WWF-Projekte in die Kritik gerieten, wechselte Ecosia den Partner. „Viele unserer Nutzer haben sich eine andere Organisation gewünscht“, sagt Ecosia-Sprecherin Smith. Das Geld, das Ecosia einnimmt, stammt aus dem Erlös von Werbeanzeigen. Diese werden dem Unternehmen von Yahoo zur Verfügung gestellt, der Gewinn wird zwischen Yahoo und Ecosia geteilt. Die Suchergebnisse stammen ebenfalls von Yahoo, was bedeutet, dass auch die Daten der User am Ende bei der US-Suchmaschine landen.

Mittlerweile verzeichnet Ecosia monatlich mehr als zwei Millionen Nutzer, die insgesamt etwa 20 Millionen Suchanfragen stellen. Pro Tag sind es durchschnittlich 630 000 Anfragen. „Zwei Drittel der Anfragen kommen aus Deutschland, aber auch in Frankreich, Österreich und der Schweiz nutzen Leute unsere Suchmaschine“, erklärt Smith. Ein Baum kostet ihren Angaben nach etwa einen US-Dollar. Die Ansage auf der Internetseite „Du hast dabei geholfen, einen Baum zu pflanzen“ ist daher wörtlich zu nehmen: Pro Suchanfrage spendet Ecosia durchschnittlich 0,4 Cent.

Etwa um den gleichen Betrag geht es auch bei der Suchmaschine Benefind. Nur dass das Geld hier nicht in die Rettung des Regenwaldes fließt, sondern die Nutzer sich selbst aussuchen können, für welchen guten Zweck sie einen halben Cent pro Suche spenden. Zur Auswahl stehen 1236 wohltätige Organisationen aus ganz Deutschland, darunter die Welthungerhilfe, die Tafeln und das Deutsche Rote Kreuz, aber auch kleine Vereine und Einrichtungen.

„Wir haben uns die Frage gestellt, wie man einen kleinen Teil des riesigen Such-Traffics im Internet für die gute Sache nutzen kann“, beschreibt Geschäftsführer Christian Zalesky die Idee hinter Benefind. Seit die Suchmaschine im Juli 2009 online gegangen ist, sei sie stetig gewachsen. Insgesamt fließen nach Zaleskys Angaben 70 Prozent der Werbeeinnahmen an die registrierten Organisationen. Hinzu kommen noch 70 Prozent der Einnahmen aus Provisionen, die Benefind erhält, wenn über die Suche in einem Onlineshop eingekauft wird. Etwa 100000 Euro hat Benefind nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr gespendet.
Als Organisation kann sich jede wohltätige Organisation registrieren lassen, die steuerlich als gemeinnützig anerkannt ist. Die aktuellen Spendensummen für die einzelnen Organisationen lassen sich auf der Internetseite einsehen. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen veröffentlicht Benefind jedoch keine Spendenquittungen.Die Suchergebnisse und Werbeanzeigen erhält Benefind ebenfalls kostenlos von Yahoo. Yahoo erhält im Gegenzug einen Teil der Werbeeinnahmen. Bei der Shop-Suche kooperiert das Unternehmen mit Adgoal und Twenga.

Bisher ist die Suchmaschine nur in deutscher Sprache verfügbar. Sie folgt aber dem Beispiel der amerikanischen Suchmaschine goodsearch.com. Dort können Nutzer für wohltätige Organisationen und Projekte in den USA spenden.

Engelserscheinung

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Manchmal ist man froh, wenn jemand das Raum-Zeit-Kontinuum durchbricht. Wenn jemand erklären kann, was sich ergeben hätte, wenn vor gut sieben Wochen alles anders gekommen wäre. Am späten Mittwochabend in Düsseldorf beispielsweise war die brenzlige Frage aufgekommen, ob Deutschland heute auch Weltmeister wäre, wenn am 13.Juli im WM-Endspiel von Rio de Janeiro beim Gegner Argentinien ein gewisser Ángel di María mitgespielt hätte? Ob heute auch der vierte Stern auf den deutschen Trikots prangen würde, wenn dieser 26 Jahre alte 75-Millionen-Euro-Mann an jenem Sonntag im Maracanã-Stadion nicht wegen einer Oberschenkelblessur hätte zuschauen müssen? Jener Mann, der am Mittwoch in Düsseldorf bei der 4:2-Revanche der Argentinier drei Treffer vorbereitet und ein Tor selbst geschossen hat.
Reine Spekulation so etwas? Nicht, wenn man ein Medium kennt. Der Bundestrainer Joachim Löw teilte am späten Mittwochabend mit: „Wir hätten die Argentinier an diesem 13. Juli auch mit Ángel di María geschlagen – an diesem Tag hätte er gegen uns nichts ausrichten können.“




Ángel di María war der überragende Mann gegen Deutschland.

Dann lächelte Löw. Man musste ihm einfach glauben.

Es ist schön, dass einen solche Gedanken nicht mehr quälen. Deutschland ist also laut Joachim Löw über jeden Zweifel erhaben und verdienter Weltmeister, auch wenn das am Mittwoch nicht so richtig zu erkennen war. Dem stark veränderten deutschen Team mit nur noch fünf Final-Teilnehmern in der Startelf war in der Arena am Rhein ein Ángel erschienen, ein Engel, der sie binnen 50 Minuten nach allen Regeln der Fußballkunst entzauberte. Sein Kosename ist fideo, Nudel.

Vor dem 1:0 schlenzte er Sergio Agüero (20.) den Ball mit dem Außenrist auf den Fuß, das 2:0 flankte er Erik Lamela auf den Spann zu dessen spektakulärem Volleyschuss unter die Latte (40.), das 3:0 legte die Nudel dem Verteidiger Federico Fernández per Freistoß auf den Kopf vor (47.). Und das 4:0 erzielte er selbst, indem er in den Strafraum sprintete und den Ball über den Torwart Roman Weidenfeller hinweg ins Netz lupfte (50.).

Danach gewährten die Argentinier den Deutschen 40 Minuten Gnade, die André Schürrle (52.) und Mario Götze (78.) zur Ergebnisverbesserung nutzen. Die argentinische Zeitung La Nación hat den Verdacht, dass di Marías Auswechslung Alemania enorm erleichterte, weil er den Champion sonst möglicherweise noch weiter lächerlich gemacht hätte.

Der Sieg sei nicht so wichtig gewesen, berichtete nachher der Held des Abends, kein Freund der großen Worte: „Wir wollten einen guten Eindruck hinterlassen und das tun, was der Trainer will.“ Trainer Gerardo Martino ist ja neu im Amt. Sein Vorgänger Alejandro Sabella hatte di María im Finale von Rio nicht aufgestellt, offiziell wegen dessen Verletzung aus dem Viertelfinale gegen Belgien. Zuletzt hieß es aber immer wieder, der begnadete Außenstürmer sei eigentlich schon wieder erholt gewesen und habe unbedingt spielen wollen. Gerüchteweise war Sabella dagegen oder auch di Marías damaliger Verein Real Madrid, der den Profi nach der WM möglichst unversehrt und teuer verkaufen wollte.

Geld ist ja die Antwort auf mehrere Fragen zu di Marías Wechsel vom Champions-League-Sieger aus Spanien zum britischen Krisenklub Manchester United. Warum gibt Real diesen Mann her? Warum geht er ausgerechnet zu ManUnited, das in dieser Saison nicht mal im Europapokal mitspielen darf? Und warum nennt di María als Motivationsgrund jenen neuen Manchester-Trainer Louis van Gaal, unter dem die Mannschaft keines ihrer bisherigen drei Saisonspiele gewonnen hat und im Liga-Cup beim Drittligisten MK Dons als B-Elf 0:4 untergegangen ist?

Freiwillig verschwand Ángel di María nicht aus Madrid, wie er nach seinem Abschied kürzlich in einem offenen Brief bekannt gab: „Bedauerlicherweise muss ich heute gehen“, schrieb er, „aber ich möchte klarstellen, dass das nie mein Wunsch war. Nach dem Gewinn der Décima (dem zehnten Europacup- bzw. Champions-League-Titel, Anm.) fuhr ich in der Hoffnung zur WM, eine Geste der Führung zu bekommen, aber die kam nie. Leider bin ich nicht nach dem fußballerischen Geschmack mancher Leute.“ Genauer: nicht nach dem Geschmack des Präsidenten Florentino Pérez, der lieber mit Schönlingen wie James Rodríguez, Gareth Bale und Javier Hernández alias Chicharito Trikots verkauft.

Manchester United überwies jedenfalls 59,7 Millionen Pfund, etwa 75 Millionen Euro, ein tolles Geschäft. „Und das haben sie nicht umsonst getan“, sagte am Mittwoch Argentiniens Coach Martino ohne einen Anflug von Ironie: „Für mich gehört di María zu den zehn besten Fußballern der Welt.“ Wobei, er zählte noch mal nach und erkannte, dass er zu den besten drei gehöre. „Da ist Leo“, sagte der Trainer und meinte den absenten Lionel Messi, „der ist von einem anderen Planeten, danach kommen di María und Cristiano Ronaldo“, der in Manchester ebenfalls mal die Nummer 7 trug. Auch Martino stellt sich nun die Frage, die sich 41 Millionen Argentinier stellen: „Man fängt an zu bedauern, dass er nicht im Finale dabei war.“

Rap gegen Ebola

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Es gibt eine Diskussion, die bei Popkonferenzen in befriedeten westlichen Wohlstandsnationen selten fehlt: die Diskussion um die Frage, wie es denn um die politische Relevanz von Popmusik bestellt sei? Und so gut wie immer ist fast alles bizarr unscharf daran oder einfach falsch: also die Vorstellung einer heroischen politischen Vergangenheit der Popmusik, das Verständnis von Politik und gesellschaftlicher Veränderung, der Begriff von Sinn und Unsinn von Pop – und das ignorante Desinteresse an den Teilen der Welt, in denen Popmusik auch im Jahr 2014 tatsächlich noch eine ziemlich unmittelbare soziale und gesellschaftspolitische Kraft ist.



Eine leergefegte Straßen in Monrovia, Liberia.

In Liberia zum Beispiel, wo das Ebola-Virus mittlerweile mehr als 1500 Menschen getötet hat, gilt die alte Behauptung des Rappers Chuck D, dass die Rapmusik das CNN der Schwarzen sei, derzeit direkter, als es einem Staat zu wünschen ist. Die tödliche Seuche hat dort ein eigenes Pop-Genre hervorgebracht: den Ebola-Rap, dessen Hits „State Of Emergency“ heißen, „Ebola In Town“ oder „Ebola Is Real“. In einem Land, in dem knapp die Hälfte der Bewohner unter 18 Jahre alt und etwa 50 Prozent der Erwachsenen Analphabeten sind, hat sich so die HipCo genannte populäre liberianische Variante des Hip-Hop mittlerweile als eines der effektivsten Mittel herausgestellt, um dafür zu sorgen, dass die Krankheit ernst genommen wird. Nicht wenige Liberianer glauben, dass die Regierung die Ebola-Epidemie erfunden habe, um vom Westen Hilfsgelder zu erpressen.

Die Botschaft in den Ebola-Rap-Hits ist entsprechend unmissverständlich: Es gibt die Seuche wirklich, und jeder muss sich schützen. In „Ebola Is Real“ von den HipCo-Stars DenG, Soul Fresh und F.A., dem in Liberia im Moment meistgespielten Song, lautet der mantrahaft eindringliche Refrain etwa: „It’s real / It’s time to protect yourself / Ebola is real / Protect your family / Ebola is real / Protect your community / Ebola is real / ’Cause Ebola is real“ – Es ist Zeit, dich selbst zu schützen und deine Familie und die Nachbarschaft! Und in den gerappten Versen folgen Verhaltensregeln, die die Verbreitung der Seuche verhindern sollen: „When your monkey want play / Don’t play with him“ – Wenn dein Affe spielen will, spiel nicht mit ihm. Oder: „If you’re sweating too much / Please avoid it“ – Versuche, nicht zu stark zu schwitzen. Oder, fast handbuchhaft: „The only way you can get Ebola / Is to get in direct contact with the blood, saliva, urine, stool, sweat, semen / Of an infected person or infected animal“ – Die einzige Art, sich mit Ebola anzustecken ist, in direkten Kontakt zu geraten mit dem Blut, Speichel, Urin, Stuhl, Schweiß oder Samen eines infizierten Menschen oder kranken Tieres.

Ultraislamistisch

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Kalif Ibrahim tut, was der Name seiner Terrorgruppe verspricht – er baut einen islamischen Staat. Das „Kalifat“ im Nordirak und im Nordosten Syriens nimmt feste Form an als ebenso archaisches wie modernes Staatswesen: Öffentliche Steinigungen und Enthauptungen gehören im Reich der Islamistenmiliz Islamischer Staat (IS) ebenso dazu wie Sozialfürsorge. Offenbar hat Abu Bakr al-Bagdadi, Kalif und IS-Führer, aber noch weit genauere Vorstellungen. Er scheint eine Elite beinharter Dschihadisten heranzüchten zu wollen für seinen Gottesstaat.

Da sind die Frauen: Der Islamische Staat fordert nicht nur Frauen in den arabischen Staaten und in Europa auf, ins Kalifat zu kommen und den Kämpfern als Bräute des Dschihad Kinder zu schenken. Bei den Attacken auf Dörfer von Schiiten oder religiösen Minderheiten wie den Jesiden wurden gefangene Männer meist getötet, die jüngeren Frauen und die Mädchen aber verschleppt.



Der IS und sein Anführer Abu Bakr al-Bagdadi wollten eine islamistische Elite aufbauen.

Die Prediger der Islamisten sprechen von „Beute“; sie rechtfertigen theologisch, dass die Frauen zu „Sexsklavinnen“ gemacht werden. Jeder Muslim dürfe neben vier Ehefrauen eine unbegrenzte Zahl an Dienerinnen haben. Bisher ist wenig über das Schicksal Hunderter gefangener Jesidinnen bekannt geworden. Angeblich aber wurden sie nach Syrien gebracht oder in irakischen Städten wie Tal Afar auf „Sklavenmärkten“ angeboten, wie Angehörige berichteten.

Hinter der Versklavung dürfte mehr stecken als billiger Sex für die Kämpfer. Die IS-Strategen wissen, dass sie die eroberten Gebiete nur halten können, wenn sie ihre aus aller Welt kommenden Gefolgsleute zum Bleiben animieren. Der Kalif will eine ultraislamistische gesellschaftliche Elite aufbauen. Wohl auch aus diesem Grund werden regelrechte Zeremonien veranstaltet, bei denen ausländische Kämpfer ihre Pässe öffentlich zerreißen und sich zum Kalifat ohne Grenzen bekennen. Ohne Papiere führt für Europäer, Amerikaner, Tschetschenen oder Bürger arabischer Staaten kaum ein Weg zurück in die Heimat. Und wenn doch, werden sie von den Behörden als das erkannt, was sie sind: Drop-outs und Militante.

Ein weiterer Anreiz zum Bleiben ist Familie. Wenn ein Muslim mit einer Sklavin Kinder zeugt, sind sowohl der Sohn als auch die Tochter freie Muslime. Schließlich war einer der Gefährten des Propheten ein Sklave. Zumindest die Söhne der Sklavinnen können in der vom IS zusammenphantasierten Vorbildgesellschaft eine vollwertige Rolle einnehmen.

Überhaupt sind Kinder eine wichtige Zielgruppe: Der ideale Mann wird als erbarmungsloser Kämpfer und von Zweifeln befreiter Fundamentalist geboren, nimmt die absurde Auslegung seiner Religion als gegeben an. Der IS verbreitet Videos, in denen kleine Jungen mit Handgranaten spielen, mit Sturmgewehren schießen, abgeschnittene Köpfe in den Händen halten. Die islamistische Kadererziehung funktioniert wie bei den Nazis die „Aktion Lebensborn“: Geschaffen werden soll der neue Mensch. Und der ist im Kalifat ein radikaler sunnitischer Muslim. „Der IS sieht sich nicht als Terrorgruppe, sondern als souveräner Staat, der seine Bürger erzieht“, so das Institute for the Study of War. „Das Ziel ist die Erziehung der kommenden IS-Generation.“

Der Islamische Staat setzt bei den Jüngsten an: Es gibt „Spaßtage“ mit Karussells, Hüpfburgen und Eiscreme. In den Schulen und Universitäten von Rakka und Mossul sollen Chemie, Philosophie, Musik, Kunst und Sozialwissenschaften gestrichen worden sein. Gelehrt wird ein plumper, militanter Salafisten-Islam: Die Jungen werden Gotteskrieger, die Mädchen folgsame Frauen. Der US-Sender CNN konnte in der Türkei einen 13-Jährigen interviewen. „Meine Freunde und ich wurden in der Moschee unterrichtet. Sie lehrten uns, dass wir uns dem Dschihad anschließen sollten.“ Auf dem Lehrplan stand nach Angaben des Jungen neben Koransuren das Training mit der Kalaschnikow. Die Jungen sahen Enthauptungen und andere Strafen: „Ein junger Mann hatte im Ramadan nicht gefastet. Sie haben ihn drei Tage ans Kreuz gefesselt. Eine Frau wurde wegen Unzucht gesteinigt.“ Der Vater schaffte es, seinen Sohn in die Türkei zu bringen: „Er ist ein Kind. Sie werden ihm einreden, Selbstmordbomber zu werden und ihm irgend etwas vom Paradies erzählen.“

Neben der Erziehung einer neuen Generation widmet sich die IS-Führung den Institutionen. Rund um das nordostsyrische Rakka, das die Militanten „die Braut der Revolution“ nennen, regieren die Radikalen seit weit mehr als einem Jahr. Sie sorgen dafür, dass Strom, Gas und Wasser fließen. Die „Beamten“ des Kalifen garantieren, dass Bäckereien Brot backen, Banken Bargeld haben, Tankstellen Sprit anbieten. Behörden, Gerichte und Schulen funktionieren nach Maßgabe der Kalifats-Ideologie. Ein „Haus der Finanzen“ kümmert sich ums Budget. Es sorgt dafür, dass die Ärmsten der Armen überleben, Witwen und Waise Hilfe bekommen. Die enteigneten Häuser der Christen bekommen verdiente Kämpfer. Selbst eine Kundenschutzbehörde soll es geben, sie geht gegen Preistreiber vor.

„Seien wir ehrlich, sie betreiben eine enorme Aufbauarbeit in den Institutionen“, sagte ein syrischer Aktivist aus Rakka der Nachrichtenagentur Reuters. „Das ist beeindruckend.“ Der Aktivist lebt inzwischen in der Türkei: Für kritische Stimmen ist kein Platz im Kalifat. Zahlreiche Journalisten und Aktivisten wurden ermordet oder verjagt. Ebenso ergeht es Rebellen und Assad-Gegnern, die das radikale Islamverständnis nicht teilen: Wer widerspricht, muss um sein Leben fürchten. Schon das Rauchen einer Zigarette kann zu harten Strafen führen, ebenso das Auslassen eines der fünf täglichen Gebete. Und wer überlaufen will, muss Zeugnis ablegen: Das „Bereuen“ findet beim Freitagsgebet statt.

Der IS ist blutrünstig, aber auch pragmatisch. Früh hat die Miliz Fachleute aufgefordert überzusiedeln. Ein Muslim, der nicht kämpfen könne, solle als Ingenieur oder Arzt am Gottesstaat mitbauen. Ein Tunesier mit Doktortitel ist nun für die Telekommunikation in Rakka verantwortlich. Auch der alten Garde des Assad-Regimes gegenüber zeigt sich das Kalifat offen: Ein Ex-Assad-Mann verwaltet die Mühlen in der Stadt, verantwortet die Mehlproduktion. Die Mannschaft des Mossul-Damms arbeitet ebenfalls weiter: Wer im Assad-Staat die Turbinen und Schleusen bedienen konnte, steuert die Hydroanlagen nun eben fürs Kalifat.

Asyl mit vier Sternen

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Es war nicht leicht, ins gelobte Land zu kommen. Damals, in den Achtziger- und Neunzigerjahren, standen die Leute bis auf die Bonner Straße in Köln, weil sie dabei sein wollten, wenn gefeiert wurde in den besseren Kreisen der Stadt. Christoph Daum schaute vorbei, er wohnte sogar 16 Monate im Bonotel, nachdem seine Frau ihn rausgeworfen hatte. Larry Hagman, Bud Spencer, Diego Maradona und Herbert Grönemeyer, sie alle sollen da gewesen sein im Bonotel und seiner Bar. Als es 1982 eröffnete, war das Vier-Sterne-Haus eines der besten am Platz, wie man sagt. Heute ist es eine Art zeitgeschichtliche Übernachtungsmöglichkeit, mit viel Gold und Marmor. Mit Glitzerhimmel über dem Whirlpool. Die Geschäfte könnten besser laufen, aber sie liefen immerhin gut genug, dass 32 Mitarbeiter angestellt wurden und die Kasse der Stadt Köln eine fast sechsstellige Summe an Gewerbesteuer bekam.

Jetzt ist das Hotel wieder ein Gesprächsthema in Köln, wenn auch anders, als ihm lieb ist. Vor einiger Zeit verschickte die Stadtverwaltung eine Mitteilung, in der sie mitteilte, das „ehemalige Marienburger Bonotel“ erworben zu haben und daraus eine Flüchtlingsunterkunft machen zu wollen. Im „ehemaligen“ Hotel erfuhren die Mitarbeiter aus der Presse, dass ihr Haus Ende des Jahres schließen muss. „Es ist wie eine feindliche Übernahme“, sagt Geschäftsführer und Pächter Andreas Degen, 38. Fast sechs Millionen Euro zahlt die Stadt für das Haus mit 93 Zimmern, Sauna und Fitnesscenter, die auch den Flüchtlingen zu Verfügung stehen sollen.



Die Stadt Köln möchte Flüchtlinge komfortabler unterbringen.

Es wird wohl eine der besseren Unterkünfte für Menschen, die nach Deutschland flüchten: Sie werden oft am Rande des Gesellschaft untergebracht, in Containerdörfern, in Zeltstädten. Seit der Zustrom angestiegen ist, seit in Syrien der Krieg tobt, werden zwar in vielen Städten auch Hotels gemietet, um die Menschen unterzubringen – ein ganzes Hotel gekauft aber hat bisher noch keine Stadt. Vor allem keines, das gut im Geschäft war, das eigentlich ein Hotel bleiben wollte.

Dass die Stadt in ihrer Pressemitteilung den Namen des Hotels nannte, habe die Kunden verunsichert, sagt Geschäftsführer Degen. Aber weitergegangen wäre es trotzdem, mit einem Investor, der zwei Millionen Euro für die Renovierung ausgeben wollte: „Wir hatten einen Pachtvertrag bis 2019 und eine Option auf Verlängerung.“

Degen hat vor 17 Jahren hier als Auszubildender angefangen, ihm gefiel die familiäre Atmosphäre. Er arbeitete sich hoch und überstand viele Krisen: die nach dem 11. September und die Finanzkrise ein paar Jahre später. Auch den Wirbel um Christoph Daum ließ man irgendwann hinter sich, der hatte im Bonotel gekokst und ordentliche Sausen gefeiert.

Ende des Jahres wird das Hotel wohl schließen, wogegen sich Degen juristisch wehren wird. Sein Anwalt Ralf Friedhofen will Oberbürgermeister Jürgen Roters vorladen, der den Kauf und die Kündigungen rechtfertigen soll. Rechtsradikale Parteien in Köln haben sich schon der Sache angenommen, mit Slogans wie „Flüchtlinge im Whirlpool!“. Es ist eine Diskussion, die letztlich zu Lasten der Flüchtlinge geht.

„Wir brauchen das Hotel“, sagt Henriette Reker, die Sozialdezernentin. Wohnungen gebe es in Köln kaum noch bezahlbare. Nach ihrer Darstellung sei die Verwaltung durch Investoren auf das Bonotel aufmerksam geworden. Mittlerweile sei um die Unterbringung von Flüchtlingen eine regelrechte Industrie entstanden. Weil die beiden Liegenschaftseigentümer des Hotels kurzfristig hintereinander verstarben, stand das Haus zur Versteigerung. Immobilienhaie hätten bereits Angebote vorgelegt. „Da haben wir gedacht, warum machen wir es nicht selbst, anstatt denen etwas zusätzlich zu zahlen? Wir müssen ja auch vernünftig mit Steuergeldern umgehen“, sagt Reker. Es habe keinen Bieter gegeben, der das Hotel weiterführen wollte, behaupten Reker und auch die Sprecherin der Stadt. Beide sprechen offen davon, dass das Hotel ja ohnehin „total runtergekommen“ sei, keine Zukunft gehabt habe.

Die Stadt als alleiniger Retter eines maroden Hotels zum Wohle der Flüchtlinge: Das ist nun die eine Version dieser Sache.

„Ich habe fast bis zum Schluss mitgeboten“, sagt dagegen Rainer Wiese, der Geschäftsführer des Kölner Mauritius-Hotels. Die Stadt sei aber immer höher gegangen, bis der Preis unrealistisch wurde. „Ich wollte das Haus komplett renovieren und zwei Millionen Euro investieren, alle Arbeitsplätze erhalten. Alles war mit der Bank besprochen, dann schnappt mir die Stadt das weg und entlässt alle Leute, eine Unverschämtheit“, sagt Wiese.

Sozialdezernentin Reker sagt, auch in den Flüchtlingsheimen würden neue Jobs entstehen, als Reinigungskraft, Betreuer oder im Sicherheitsdienst. Die Hotelmitarbeiter dürften sich gerne bewerben.

"Nacktbilder? Kam ich zum Glück nie in die Verlegenheit!"

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Opa: Ach, du bist zurück aus Kiew, wie schön! Wie war’s?
Charlotte: Sehr spannend, aber auch bedrückend. Man hat das Gefühl, das Land hängt bei allem dazwischen und niemand fühlt sich richtig zuständig.

Ja, manchmal drohen wir zu vergessen, dass Freiheit auch immer Risiko bedeutet. Das fängt im Kleinen an: Wenn du zum Beispiel der SZ-Chefredaktion auf die Füße trittst, kann das Ärger bedeuten. Wenn Russland sich auf die Füße getreten fühlt, bedeutet das noch sehr viel mehr Ärger. Mich stört mit dem Alter immer mehr, dass die Menschen denken, Freiheit sei gratis zu haben und den Krieg dabei vergessen. Dass wir zugucken, wie in anderen Ländern Unrecht geschieht und höchstens Mal Geld dafür hergeben, aber nichts tun, wenn es wirklich gefährlich wird. Wir hauen nur drauf, wenn es für uns ungefährlich ist.  

Das sind ja ganz neue Töne von dir? Ich dachte, du seiest Pazifist?

Ich habe verstanden, dass das auf Dauer nicht geht. Deshalb bin ich momentan vielleicht auch schrecklich enttäuscht – weil ich einsehen musste, dass die Welt nicht so weit ist, wie ich gehofft habe. Auch bei den Vorfällen mit IS denke ich immer mehr darüber nach, ob man Menschen, die laut um Hilfe rufen, nicht auch helfen sollte. Ist es dann richtig nichts zu tun, aus Angst, dass es auch schiefgehen könnte? Ich habe schon häufiger gesagt, dass die aktuelle Lage mich stark an die zwei Weltkriege erinnert. Viele werden ins Unglück gerissen und sehen es nicht. Und Putin, auf den viele doch so große Stücke gehalten haben, wahrt auch nur den Schein. Sagt, es sei ein Versehen, dass man da jetzt über die ukrainische Grenze gefahren sei. Und urplötzlich ist dann Krieg. 
 
Bei dem Enthauptungsvideo des amerikanischen Journalisten James Foley wurde ja viel diskutiert, ob man das überhaupt angucken soll. Hast du?

Nein, ich muss die Einzelheiten davon nicht sehen um zu wissen, worum es geht. In den Nachrichten gab es ein Standbild dazu, aber bevor ich das genauer identifizieren konnte, war es auch schon wieder weg. Das finde ich auch richtig so. Aber die Ukraine und IS überlagern momentan wirklich alles. Da gehen in Deutschland sicher auch viele Dinge unter. Es ist schrecklich.  


Charlotte lebt in München, ihr Opa Gottfried in Norddeutschland. Das Internet ist ihre Verbindung.

Gibt es denn auch Positives aus deinem Leben zu vermelden?
Da muss ich jetzt lange nachdenken (fängt schließlich an zu lachen). Du hast schon Recht, man sollte nicht immer nur jammern. Dass unsere Enkel uns besuchen ist schön, dass du und ich so regelmäßig sprechen, auch. Und das Wetter war hier auch ganz gut die letzten Tage. Oh, und dass in Diskussionen im Fernsehen mittlerweile mehr Frauen zu Wort kommen, das finde ich auch gut! Die Frauen sagen oft bessere Sachen als die Männer, sind häufig sehr nachdenklich. Es ist wichtig, dass sich das ändert, denn bisher haben ja im wesentlichen immer nur die Männer geredet.  

Wirst du mit dem Alter etwa noch zum Freund einer Frauenquote?
Mir wäre es schon lieber, wenn es ohne Quote ginge. Aber da es momentan nicht anders zu gehen scheint, bin ich für eine Quote, jawohl!  

Vergangene Woche gab es im SZ-Magazin eine große Geschichte zu Bettina Wulff  - wie fandest du das, als alter Christian-Wulff-Fan?
Eigentlich positiv! Auch Frau Wulff wurde Unrecht getan und es ist richtig, das zu benennen und zu korrigieren. Ein bisschen wird dieses Bild allerdings eingetrübt dadurch, dass sie so schnell von einer Beziehung in die nächste geschlüpft ist. Aber es ist wohl unzeitgemäß, dort noch Ansprüche zu stellen. Allerdings finde ich es wirklich schlimm, dass es für sie so schwierig ist, die Gerüchte aus dem Internet über sie löschen zu lassen. Das muss zukünftig besser geregelt werden.  

Gerade gab es ja auch einen anderen Vorfall, den man nicht mehr so schnell vergessen machen kann: Von vielen Prominenten wurden die Computer gehackt und Nacktfotos ins Internet gestellt. Was denkst du darüber?

Mich stört es ja nicht, wenn von mir Fotos im Internet landen würden. Und Nacktfotos sollte man generell vielleicht einfach nicht machen. Ich persönlich kam glücklicherweise nie in diese Verlegenheit.  

Naja, das war ja früher vermutlich auch anders. Da wurden solche Bilder ja noch entwickelt oder ausgedruckt. Heute kann sie jeder mit seinem Handy machen.

Aber auch da musste man ja sichergehen, dass der Fotograf damit keinen Unfug macht. Und auch sie in einem Geschäft entwickeln zu lassen, wäre ein Risiko. Nein, nein, mein Mitleid hält sich da in Grenzen. Wobei es natürlich für die Geschädigten trotzdem gut wäre, wenn diese Dinge wieder aus dem Internet gelöscht würden.  

Die Bilder kursierten dann auch bei Twitter, es wurde öffentlich dazu aufgerufen, sie nicht anzuklicken. Heute nun wird Twitter boykottiert, weil es sich in der Darstellung der Tweets nicht mehr nach der Zeit sondern nach den Vorlieben des Nutzers richten will. Bist du dort überhaupt noch unterwegs?

Ich muss dort immer zu lange suchen, bevor ich eine halbwegs intelligente Meinung finde. Für dich ist Twitter vielleicht toll, weil du gezielt bestimmte Informationen suchst. Aber für mich ist das einfach zu zeitraubend.        

Sag mir, was ich will

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Die große Ahnungslosigkeit vor dem Studium. Viele Abiturienten wissen zwar, dass sie studieren wollen, aber was, das wissen sie nicht. Selbsttests im Internet sollen einem dabei helfen, das richtige Fach zu finden. Tun sie aber gar nicht. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft. Ist das wirklich so?

Ich bin zwar kein 18-jähriger Abiturient mehr, sondern ein ehemaliger 24-jähriger Student mit einem Bachelorabschluss in Politik und Geschichte. Das Studium war okay, es war interessant und ich bereue es nicht. Dennoch begleitete mich meine gesamte Studienzeit über die Angst, vielleicht doch das Falsche zu studieren. Einen Selbsttest habe ich nie gemacht. Die Studie des Stifterverbandes für deutsche Wissenschaft hat mich neugierig gemacht. Jetzt im Nachhinein müsste ich eigentlich ganz gut beurteilen können, ob die Vorschläge, die sie mir machen, für mich passen. Ich will das Ergebnis der Studie an mir selbst überprüfen. Werden sie mir Politik und Geschichte vorschlagen? Habe ich – wie mein Gefühl mir ja eigentlich schon sagt – alles richtig gemacht? Oder wird mir vielleicht etwas vorgeschlagen, das ich nie in Erwägung gezogen habe, das aber super passen könnte und das mich jetzt traurig macht? Oder wird, wie die Studie behauptet, totaler Unsinn dabei herauskommen?





Test 1: Was studiere ich?
Die Suche nach dem perfekten Studiengang beginnt auf was-studiere-ich.de. Ich soll zum Beispiel beantworten, ob ich gerne Konstruktionspläne entwerfen oder kranken Menschen helfen würde. Beides eher nicht so. Als Ergebnis kommt dann auch raus, dass ich besser nicht Architektur oder Medizin studieren sollte. Wirklich aufschlussreich ist das Ergebnis nicht. Denn dafür ist die Liste der empfohlenen Studiengänge viel zu lang. Aufschlussreich ist dagegen der Berufsvorschlag, den ich bekomme: Auslandskorrespondent oder Dozent für ein geisteswissenschaftliches Fach. Könnte passen. In welchem geisteswissenschaftlichen Fach wird leider nicht genannt.

Test 2: Das Borakel
Ganz andere Fragen bekomme ich bei dem Test der Uni Bochum gestellt. Welchen Aufwand wären Sie bereit in ihr Studium zu investieren? Welche Schulnote hatten Sie in Kunst? Nie besser als eine Drei. Trotzdem rät man mir zum Studium von Kunstgeschichte. Kommt mir unpassend vor. Die weiteren Vorschläge: Medienwissenschaft, Sozialwissenschaft, Russische Kultur und Slawische Philologie. Mit Russland hatte ich zwar nie wirklich was am Hut und ich wurde in dem Test auch nie nach meinem Interesse für das Land gefragt, aber vielleicht ist das ja der Geheimtipp, den ich gesucht habe? Naja gut, eher nicht.

Test 3: Study-Finder
Den nächsten Versuch unternehme ich auf der Seite der Uni Saarland. Beim „Study-Finder“ muss ich wieder meine Interessen einstufen. Das Ergebnis hilft mir wieder nicht viel weiter. Diesmal werden mir nicht mal mehr Studiengänge angezeigt, die mich interessieren könnten. Sondern lediglich die Bereiche: Platz eins belegt bei mir einen Studiengang mit sozialer und künstlerischer Ausrichtung. Welches Fach diese Kriterien erfüllt, verrät mir das Studienorakel leider nicht.

Test 4: Hochschulkompass
Der Hochschulkompass fragt wieder nach meinen Interessen. Ich horche also tief in mich hinein und klicke mich durch die unzähligen Fragen. Nach zehn Minuten bin ich fertig und warte gespannt auf das Ergebnis. Und tatsächlich gibt ein Fach, dessen Anforderungsprofil zu hundert Prozent mit meinen Interessen übereinstimmt: Arboristik. Die Frage nach dem perfekten Studiengang scheint beantwortet zu sein. Blöd nur, dass ich nicht mal weiß, was Arboristik bedeutet, geschweige denn, was man dort lernt. Ich suche aufgeregt im Internet und erfahre, dass sich der Studiengang mit dem Schutz und der Pflege von urbanem Grün befasst. Mit einem Schwerpunkt auf Gehölzen und Bäumen. Aha. In der Schule habe ich Bio immer gehasst. Und auch in dem Test, habe ich meine naturwissenschaftlichen Interessen als gering angegeben. Nach reiflichem Überlegen, komme ich zu dem Schluss, dass es sich bei dem Resultat um einen Fehler im System handeln muss. Anders kann ich mir die 100 Prozent Übereinstimmung nicht erklären. Schade eigentlich. Für einen kurzen Moment dachte ich wirklich, ich wäre fündig geworden, bei meiner Suche nach dem idealen Fach.

Ergebnis: Der Selbsttest-Test hat mich nur eine Sache gelehrt: Dass die Studie Recht hatte. Die Internet-Orakel sind wirklich nicht sehr hilfreich. Entweder werden einem viel zu viele Fächer vorgeschlagen, oder aber Fächer, die von Vornherein nicht in Frage kommen, wie bei mir Kunstgeschichte oder Slawische Philologie. Es war wohl doch eine gute Entscheidung, nach dem Abi meinem Bauchgefühl zu vertrauen.

Wir haben verstanden: KW 36

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Hat sonst zwar noch keiner verstanden, aber: Bauchnabelpiercings sind wieder cool. Also: werden wieder cool!

In der Münchner Indie-Szene haben Tuba und Gitarre einander viel zu erzählen – und alle leihen sich gegenseitig den Amp. 

Biometrische Passbilder vor 7.30 Uhr machen wollen: riskant. Wenn’s trotzdem sein muss: Auf keinen Fall am Vorabend saufen! Wirklich!

Frauen bekommen auf AirBnB leichter Wohnungen – zumindest in Paris.

Gekühlte Kartoffel-Chips: befremdlich. Süchtig machen sie trotzdem auch.

Der Satz der Woche kommt von Christina Waechter: “Irgendetwas wollte ich gerade sagen. Aber was? Egal. Eule.”





Juhu, endlich: Wie man richtig sein virtuelles Treiben verschlüsselt!

Nicht verstanden: Dieses Video.

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Wnsdc7cTPuU

Auch etwas auf den ersten Blick so Egales und Unattraktives wie ein Abfalleimer ist ein Einrichtungsgegenstand, der massiven Einfluss auf die Wirkung eines Raumes haben kann.

Ohne ausreichend Schlaf geht nix, ging noch nie was und wird niemals was gehen.

Fahrzeuge haben Gesichter. Die schwarze Lok, die eben am SZ-Hochhaus vorbeigerast ist, war zum Beispiel sehr, sehr böse. Na gut, nicht nur Fahrzeuge. Eigentlich haben ja alle Dinge Gesichter.

Bisher nur auf Facebook Realität, aber wer weiß, vielleicht auch bald schon auf dem Personalausweis: Die Vielfalt der Geschlechter.


Jungs, wer sind eure Vorbilder für die Kindererziehung?

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Die Mädchenfrage:




Wer heute zwischen zwanzig oder dreißig ist, ist oft mit Eltern aufgewachsen, die klassische Rollenbilder erfüllen: die Mutter als Kümmerin und Erzieherin und Ansprechpartnerin, der Vater als Versorger im Sinne von Geldverdiener und hin und wieder als Bespaßer. Ich kenne das von Zuhause auch. Wenn mein Vater Zeit mit uns verbrachte, hat er tolle Sachen mit uns gemacht, so romantisches Budenbauen-Ausflügemachen-Zeug. Aber er war eben auch oft nicht da, weil er immer Vollzeit gearbeitet hat. Er konnte sehr streng sein, aber er hatte selten die Gelegenheit dazu, weil die Haupterziehungsarbeit meine Mutter geleistet hat, die aus dem Job ausgestiegen ist und von morgens bis abends für uns da war. Wenn wir etwas anstellten, hat sie das mit uns geklärt und dafür gesorgt, dass unser Vater es nicht mitbekam. „Der regt sich sonst nur auf“, war die Ansage. Wenn wir Sorgen hatten, war auch eher sie die Ansprechpartnerin. Es gab da so eine Familienoberhaupt-und-Rest-der-Familie-Verteilung.  

Klar, es gibt auch in unserer Elterngeneration Paare (und Alleinerziehende!), bei denen das alles ganz anders abgelaufen ist. Aber ich weiß von Freunden und Freundinnen, dass ich längst nicht die einzige bin, in deren Familie es diese Rollenverteilung gab. In Sachen Vorbilder fürs Selbst-mal-Mutter-sein ist das für uns Mädchen jetzt nicht allzu problematisch. Wir orientieren uns gerne an unseren Müttern. Sie waren ja immer da, wir haben viel von ihnen mitbekommen. Wir können mit ihnen über Erziehungsfragen sprechen, denn wir wissen ja, dass sie sich jahrelang damit beschäftigt haben und darum gut damit auskennen. Wir heißen nicht alles gut, was sie gemacht haben, aber sie haben so viel gemacht, dass man sich da einfach das Gute rauspicken und das Schlechte hoffentlich vermeiden kann. 

Aber, fragen wir uns, wie geht es euch eigentlich, wenn ihr in traditionellen Familien groß geworden seid? Mit Vätern, die wenig da waren? Die nie erfahren durften, dass ihr bekifft wart, als ihr den Unfall mit dem Roller hattet, damit sie sich nicht aufregen? Die also mit der Erziehung, vor allem mit den anstrengenden, schlechten Seiten davon, wenig Berührung hatten, weil die Mütter das voll und ganz übernommen haben? Wen nehmt ihr euch dann zum Vorbild für die Vaterrolle? Guckt ihr euch draußen um? Wollt ihr sein wir eure Mütter? Habt ihr manchmal Angst, dass ihr reproduzieren könntet, was euch vorgelebt wurde, und mal total traditionelle Familienoberhäupter werdet? Oder findet ihr das sogar gut? Jungs, sagt mal fix, wer sind eure Vorbilder für die Kindererziehung?

Auf der nächsten Seite liest Du die Jungsantwort von christian-helten:
[seitenumbruch]
Die Jungsantwort von christian-helten:




Eine Vaterfrage, puh, das ist immer schwierig. Denn mit uns und unseren Vätern war es das ja auch immer: schwierig. Nicht in dem Sinne, dass es immer Ärger gab oder wir uns ständig mit ihnen gestritten hätten. Das ist es ja gerade: Unsere Väter und wir Söhne, wir hatten immer Probleme damit, miteinander zu reden.  
Die Generation der Versorgerväter, von der du in der Frage sprichst, kam abends aus dem Büro und hat mit uns kurz ein paar Bälle gegen das Garagentor gekickt, bevor wir ins Bett mussten. Am Wochenende brachten die Versorgerväter uns das Fahrradfahren bei, fuhren uns zu Fußballspielen und erklärten uns dabei, wie man Jürgen Klinsmann wird. Sie waren auch da, wenn der Familienhund begraben werden musste oder wir Rat beim Kauf eines Rollers brauchten. Überhaupt, Ratschläge, das war ihr Ding, vor allem später, wenn wir ausgezogen waren. Sie hatten uns viel zu sagen über Versicherungen, Karriere, Rente. Aber so richtiges Reden, so ein richtig tiefes Gespräch, das gab es nicht. Oder erst sehr, sehr spät.  

Dieses Verhältnis zu unseren Vätern muss man im Hinterkopf haben, wenn man sich auf die Suche nach Vorbildern für unser eigenes zukünftiges Vatersein begibt.  

Denn einerseits checken wir irgendwann, dass all das Gerede über Versicherungen und Finanzen, das uns immer so genervt hat, natürlich nur Ausdruck echter Fürsorge ist. Unsere Väter wollen, dass es uns gut geht. In ihrer Generation bedeutete das zu allererst finanzielle Sicherheit. Das war ihr Part, alles andere war Sahnehäubchen. Als kleiner Junge hält man finanzielle Sicherheit für selbstverständlich. Manche von uns begreifen sogar erst gegen Ende des Studiums, dass es ein Knochenjob ist, eine Familie zu ernähren und dass unsere Väter deshalb ihr Leben in einem Büroturm oder in einer Fabrik verbrachten. Aber wenn wir das begriffen haben und darüber nachdenken, was für ein Vater wir mal sein wollen, dann macht das schon noch einen ziemlichen Eindruck auf uns. Dann wollen wir das auch: unseren Kindern Sicherheit geben. Dann machen wir unseren Versorgervätern keine Vorwürfe wegen ihrer vielen Fehltage. Dann sind sie drin in unser Vorbild-Schublade. Einerseits.  

Andererseits ist der Vater ein Wesen, das in den vergangenen Jahren ein ganz anderes geworden ist. Zumindest liest und hört man das sehr oft von solchen Vätern und manchmal auch von Unternehmensberatungen, die nichts anderes tun, als großen Firmen zu erklären, wie sie es ihren männlichen Mitarbeitern leichter machen, ein guter Vater und ein Karrieremann zu sein. Und wir sehen sie ja auch, diese jungen Väter, die nicht mehr so sehr Versorger-Väter sind, sondern Umsorge-Väter. Sie laufen durch unser Viertel. Sie sind unsere älteren Cousins, sie sind unsere Uni-Dozenten und älteren Kollegen. Dieses Vaterleben gefällt uns erst mal ganz gut und wir stellen es uns erfüllend vor und erstrebenswert und finden uns dabei ganz schön aufgeschlossen und modern. Das Ding ist nur: Wir haben eigentlich keine Ahnung, ob dieser Vatertyp als Vorbild taugt. Weil wir von ihm nur das mitbekommen, was gut aussieht und sich gut anhört. Wir wissen gar nicht genau, ob das nicht nur eine Phase ist, in der diese Väter sich mal aufgeschlossen und modern finden wollen. Und ob sie nicht später auch den ersten Liebeskummer ihres Teenagersohnes verpassen. Kurz: Wir trauen dem neuen Vater nicht über den Weg.  

Deshalb haben wir – wie du ja vermutet hast – auch ein bisschen Angst, dass am Ende der Versorgervater doch den meisten Platz in unserer Vorbilder-Schublade einnehmen wird. Und deshalb glaube ich, dass unsere größte Inspiration für die eigene zukünftige Vaterrolle letzten Endes jemand anders sein wird: unsere Kumpels, unsere besten Freunde. Die ticken wie wir, die kennen wir gut genug, um in Gesprächen mit ihnen unsere Rollen ehrlich zu hinterfragen. Bei denen können wir miterleben, wie es wirklich ist, Vater zu sein. Die sind gute Vorbilder. Allerdings hat diese Theorie natürlich einen kleinen Haken: Man darf dann nicht der erste ist im engsten Freundeskreis sein, der Papa wird.

Mit Schlagstock und Limodose

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Kürzlich sind in Hamburg die „Besetzer-Tage“ zu Ende gegangen, eine Art Protestkongress mit Besuchern aus ganz Europa. Standesgemäß wurde die Veranstaltung von Krawallen begleitet, 13 Polizisten wurden dabei verletzt. Dieses Detail freilich wird in einem Bericht auf der Homepage der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Hamburg erst im fünften Absatz erwähnt – die ersten vier braucht die Gewerkschaft, um ihren „Kooperationspartner“ zu preisen, den österreichischen Brausehersteller Red Bull.

Die Beamten seien in „bewährter Form“ mit Kaltgetränken versorgt worden, heißt es dort. Auch eine neue Geschmacksrichtung hätten die Einsatzkräfte „positiv und dankbar“ angenommen. Auf einem Foto halten drei Polizisten beglückt blau-silber glänzende Limodosen in der Hand. Unter dem Bild steht: „Bevor die Einsatzlage sich bekanntermaßen verschärfte und es ,zur Sache ging’, konnten alle eingesetzten Kräfte komplett erreicht und versorgt werden.“



Die Hamburger Polizei wird von Red Bull gesponsert.

Befremdlich? „Keineswegs“, findet Joachim Lenders, der Hamburger Landesvorsitzende der DPoLG. Die Gewerkschaft beteilige sich seit zehn Jahren an der Versorgung der Beamten bei Großeinsätzen. „Es gibt viele Firmen, die mit ihrem Sponsoring ihre Freundlichkeit gegenüber der Polizei ausdrücken wollen.“ Der Vorstand überprüfe die Angebote und genehmige alles Mögliche: vergünstigte Musicaltickets, Freikarten für Handballspiele oder eben Gratis-Energiegetränke aus Österreich.

Rein rechtlich ist daran auch nichts auszusetzen. Die Gewerkschaft der Polizei ist ein eingetragener Verein. Sie darf Spenden annehmen und an ihre Mitglieder weitergeben. Doch dass die Beamten im Gegenzug das Zuckerwasser so ungehemmt preisen, stößt im Netz auf Kritik. „Red Bull verteilt Prügel“, schreibt da jemand – und dass eine Kooperation zwischen dem Limonadenfabrikanten und der Polizei „wohl ein schlechter Scherz sei“. Polizeigewerkschafter Lenders sieht das natürlich anders: Man bekomme etwas umsonst von der Firma, sagt er, dann könne man das doch auch mal nett aufschreiben.

Andere dagegen würden die Sache einfach Werbung nennen, Jörg Radek zum Beispiel. Radek ist Vize-Bundeschef der anderen großen Polizeigewerkschaft, der GdP. Er würde seinen Mitgliedern ganz klar davon abraten, während eines Einsatzes mit einer Getränkedose zu posieren. Red Bull habe in Deutschland ein angekratztes Image – dass sich das Unternehmen etwa in Leipzig einen Fußball-Profi-Klub hält, kommt bei vielen Fans nicht gut an. Nun wollten die Österreicher ihren Ruf durch die Nähe zur Polizei ein wenig aufpolieren, glaubt Radek. Wer das Foto der Hamburger Kollegen sehe, denke womöglich: „Wenn sogar die Polizei das trinkt, kann es nicht schlecht sein.“

Die GdP ist seit einem Fall im Jahr 2006 vorsichtig geworden. Bei der WM im eigenen Land verteilte McDonalds Kaffee-Gutscheine an Polizisten. Ein Becher am Tag, Wert: 99 Cent. Doch selbst das, ergab eine Prüfung, widersprach den Korruptionsrichtlinien der Bundesregierung. Jetzt, so Radek, stimme die GdP nur noch ganz wenigen Sponsorenangeboten zu: „Das ist einfach eine haarige Geschichte und die Polizei erscheint da schnell im falschen Licht.“

Radeks Hamburger GdP-Kollegen würden ohnehin auf die Brause aus Österreich verzichten: Sie enthalte schließlich „Zusatzstoffe, die nicht unumstritten sind und eine stark aufputschende Wirkung haben“.

DPolG-Vorstand Lenders ficht das alles nicht an. Ein Kaffeesponsor, sagt er, wäre ihm aktuell herzlich willkommen.


Wochenvorschau: So wird die KW 37

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Wichtigster Tag der Woche: Der Sonntag. Weil es dann nur noch zwei Tage sind, bis Netflix seinen neuen Deutschlandauftritt vorstellt. Für viele ist die Seite das Mekka der Serien- und Filmfans, auch wenn der hiesige Ableger leider etwas abgespeckt an den Start gehen wird. Dafür will Netflix auch eigene deutsche Formate produzieren. Ich kann es jedenfalls kaum mehr erwarten.

Kulturelles Highlight: Am Freitag steigt in der Innenstadt die „8. Kult(ur)-Nacht“, in der Kaufhäuser und Geschäfte ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm und Livemusik bieten. Außerdem schließen die Läden und Biergärten erst um 24 Uhr. Das Motto ist übrigens „Viva Bavaria“, für Heimatverbundene ist also auf jeden Fall etwas dabei. Auf dem offiziellen Münchener Stadtportal heißt es: „Neben musikalischen Highlights von Jazz und Klassik bis hin zu Pop und Rock gibt es Literatur, Theater, Mode, Artistik und Kleinkunst.“ Dort findet man auch mehr Informationen sowie das vollständige Programm.

Politisch interessiert mich ...immer noch, wie es nach dem Tod des schwarzen Jugendlichen Michael Brown vor einem Monat in Ferguson weitergeht. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Polizisten, der Brown getötet hat, laufen noch. Eine sogenannte Grand Jury muss nun darüber entscheiden, ob Anklage erhoben wird. Interessant finde ich in der Debatte um mögliche rassistische Motive des Todesschützen, dass neun der 12 Leute in der Jury weiß sind. Davon abgesehen hat das US-Justizministerium auch Ermittlungen gegen die gesamte Polizeiabteilung in Ferguson aufgenommen, um zu klären, ob sie systematisch Bürgerrechte verletzt hat.

Soundtrack:
Seit dem berühmten „Price Tag“ von 2011 habe ich ehrlich gesagt nicht mehr viel von Jessie J gehört, ihre Alben sind irgendwie an mir vorbeigegangen. Vor ein paar Tagen habe ich nun dieses „wilde“ Lied aus dem letzten Jahr entdeckt und höre es jetzt rauf und runter. „Today I woke up feeling like the mayor/I spend about an hour looking in the mirror.“ Die Woche kann nur gut werden!  

http://vimeo.com/67114403

Wochenlektüre:  Seit einigen Jahren schon liegen eine ganze Menge Bücher bei mir zu Hause herum und warten darauf, gelesen zu werden. Deshalb habe ich mir bis auf Weiteres einen Kaufstopp für neue Bücher auferlegt, dessen Durchsetzunh mir als Buchhandlungs-Stammgast viel abverlangt. Den Gutschein, den ich vor einiger Zeit zum Geburtstag bekommen habe, musste ich aber natürlich einlösen. Meine Wahl fiel auf "To Rise Again At A Decent Hour", ein Buch über den griesgrämigen New Yorker Zahnarzt Paul O’Rourke, der im Alltagstrott seiner Praxis keinen Spaß am Leben findet. Dann erschafft jemand in seinem Namen eine Online-Identität, die bald zu der Befürchtung führt, dass der falsche Paul sympathischer sein könnte als der echte... Zahnarztstuhl trifft Soziale Netzwerke: Herrlich. Der Pressetext stellt treffend fest: „There's nothing like a dental chair to remind a man that he's alone in the world.“

Kinogang?
Ins Kino gehen steht bei mir momentan nicht auf dem Programm. Ich muss Geld sparen, aber das ist nicht schlimm. Dafür geht es nächstes Jahr in die USA! Gutes Stichwort, denn ich bin ein großer Fan US-amerikanischer Fernsehserien und Shows. Einer meiner Lieblinge: The Daily Show, eine bissige Nachrichtensatire. Die läuft immer montags bis donnerstags. Ich schaue sie wegen der Zeitverschiebung stets einen Tag später und finde immer etwas zum Lachen.

http://www.youtube.com/watch?v=aqzzWr32srk

Geht gut diese Woche:
Texte schreiben im Praktikum. Hoffentlich viele, hoffentlich gute! Ein tolles Gefühl, seinen Namen unter etwas Veröffentlichtem zu lesen. Zumindest, wenn die Qualität halbwegs stimmt.  

Geht gar nicht:
Zu viel Süßes essen. Ich muss meinen Zuckerkonsum reduzieren, das geht sonst böse aus.

Der Sonntag mit...Chakuza

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Name: Chakuza
Alter: fuckin' 33
Geburtsort: Linz / Oberösterreich
Wohnort: Berlin
So erkläre ich meinen Job meiner Oma: Ich mache das Gleiche wie Opa, nur in cool.
Mein liebster Wochentag: Samstag
Aktuelles Projekt: Exit und unendlich viel mehr

7.00 - aufwachen, aber noch kurz liegen bleiben und warten bis das frühstück fertig ist.





8.00 - nach dem frühstück rauf in den dachboden zum training.





9.00 - mit dem Hund raus zum spielen.





10.00 - noch die sonne genießen, musik hören, oder schreiben.





11.00 - um diese zeit gerne mal die erste zigarette.





12.00 - und ein „sonntag-mittags-bier“.





13.00 - nicht immer , aber oft am klavier üben.





15.00 - nachmittags chillout.





16.00 - wenn er denn zeit hat, dann auch tätowieren.





17.00 - mails checken, oder unsinnige online games zocken.





18.00 - kochen und dann zu abend essen.





19.00 - dessert, am liebsten gummibären.





20.00 - lesen , am liebsten charles bukowski.





23.00 - filme gucken, lieblingsfilm - sin city.





00.30 - ab in's bett.

Dürfen Bands politisch sein?

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Billy Bragg ist der Größte für mich. Wenn jemand zum ersten Mal in meine Wohnung kommt, ziehe ich ihn schon bald zu den Plattenregalen, um ihm die Ecke mit Braggs Alben zu zeigen. Ich habe sie alle, und ich bin stolz darauf. Für Braggs Konzerte fahre ich quer durch Deutschland. Ich habe meine Magisterarbeit über ihn geschrieben. Der Brite mit der großen Nase ist mein Star. Er kann nicht besonders toll singen, konnte er noch nie. Aber für mich sang und singt er ganz wundervoll. Über Mädchen, über Liebe, über Leiden. Über England. Über Politik.

In den 80er Jahren war Bragg ein echter Pop-Held auf der Insel, nicht nur, weil er so gute Lieder hatte, sondern vor allem, weil er es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Margaret Thatcher zu stürzen. Er verachtete die damalige britische Premierministerin der Conservative Party. Er war so sehr gegen sie, dass er sich dazu hinreißen ließ, die Labour Party zu unterstützen, Events für sie zu organisieren, für sie zu singen, sogar den wegen Thatchers Politik streikenden Bergarbeitern ein Soli-Ständchen zu singen. Der Polit-Prozess in Braggs Musik hielt an. So lange, bis Thatcher 1990 zurück trat. Wenn ich Braggs Songs heute höre, verliere ich mich noch immer darin. Aber ich denke auch nach. Ich denke: Sollte ein Musiker auch politisch sein? Sollte er die Bühne, auf der er wegen seiner Lieder steht, ausnutzen, um Politik zu machen? Ich frage mich: Darf der das? Und: Was bedeutet das für mich als Fan? Sollte ich die politischen Lieder meines Lieblings einfach nicht hören? Oder verschließe ich mich damit vor dem Gesamtkunstwerk?





Auch deshalb mache ich mir jetzt wieder Gedanken darüber, weil in diesen Wochen eine andere Lieblingsband politisch wird: Franz Ferdinand. Die tritt am 14. September zusammen mit Mogwai, Frightened Rabbit und Eddie Reader bei der „A Night For Scotland“ in Edinburgh auf. Der Slogan auf Plakaten zur Veranstaltung: „Join us in the final push for an new Scotland.“ Die Schotten dürfen am 18. September über ihre Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abstimmen. Ein Referendum, das Franz Ferdinand als schottische Band mit ihrer Edinburgh-Show beeinflussen wollen. Sie unterstützen die Unabhängigkeits-Kampagne. Auf eine Interviewanfrage kam von der Plattenfirma Franz Ferdinands nur die Rückmeldung, die Gruppe zeige sich nicht bereit, ein Statement bezüglich ihres Engagements abzugeben. Macht letztlich nichts: Ihr Konzert ist Statement genug und Franz Ferdinand eine weitere Gruppe, die ihre Berühmtheit für politische Zwecke nutzt. Übrigens gibt es in dieser Sache auch prominente Gegenstimmen. Unter anderem ruft Alt-Beatle Paul McCartney zum Verbleib Schottlands im vereinigten Königreich auf.

Also noch mal: Sollten Musiker sowas machen? Sollten sie auch ein Stückweit politisch sein, wenn sich die Chance dazu bietet? Und wenn ja: Sind sie überhaupt glaubwürdig? Kurz: Musiker und Politik – ergibt das irgendwie Sinn?

Tagesblog - 8. September 2014

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(Illustration: Daniela Rudolf)

12:55 Uhr:
Bevor ich mich jetzt gleich in der Kantine interviewen lasse, noch schnell super Lesestoff von Nadja Schlüter. In der neuen Ausgabe unserer Hass-Kolumne geht es nämlich um das "Spießerpapier" Raufasertapete. Die Lektüre macht deine Mittagspause noch besser, versprochen!

+++

12:29 Uhr: Ohhhh, ich muss das Dossier erweitern. Einfach, weil alles besser ist, wenn Alf dabei ist! Und obwohl der Witz schon ziemlich alt ist. An dieser Stelle sei an unseren Bildervergleich erinnert.





+++

12:19 Uhr: Es folgt: ein kleines Dossier zum Thema Eilmeldungen.

[plugin imagelink link="http://31.media.tumblr.com/76fe8f06b44a2354f1ef2cd4384ce98e/tumblr_n7hk2dThvH1tf3ylmo1_500.jpg" imagesrc="http://31.media.tumblr.com/76fe8f06b44a2354f1ef2cd4384ce98e/tumblr_n7hk2dThvH1tf3ylmo1_500.jpg"] (Quelle: http://dasistkeineeilmeldung.tumblr.com)

Denn erstens gibt es dazu den teilweise ziemlich lustigen Tumblr "Das ist keine Eilmeldung".

Und zweitens habe ich dafür gleich noch ein Beispiel, das für den Smalltalk in der Kantine oder in der U-Bahn heute sicher UNVERZICHTBAR ist:



(Quelle)

Und drittens erinnere ich mich immer gern an eine Meldung (ich sage nicht, von welchem Medium!):

"*** EIL: Kein neuer Papst gewählt! ***"


Wie geht es dir mit dem Schwall an Push-Meldungen, die dir aufs Smartphone geladen werden?

+++



(Foto: Juri Gottschall)

11:45 Uhr:
Was ist eigentlich aus dem guten alten Trampen geworden?, fragte sich Mercedes. Und hat es einfach mal ausprobiert und ist mit fremden Menschen durch Deutschland gefahren. Ihren Text empfehle ich dir jetzt wärmstens für die - hoffentlich schon bald nahende - Mittagspause!

+++

11:13 Uhr: So, jetzt, endlich ein paar Nachrichten - und Spekulationen! - zum Mitreden an diesem Montag:  
* Die Queen ist vermutlich nervös: Erstmals sagte in einer Umfrage die Mehrheit "ja" zur Unabhängigkeit Schottlands. In welchem Land gibt es wohl als nächstes Unabhängigkeitsforderungen?  

* In der SZ-Debatte des Tages geht es heute unter anderem um die Maut.  Der SZ-Redakteur Mike Szymanski berichtet live (auf Twitter) für die SZ vom Gillamoos im niederbayerischen Abensberg, wo unter anderem Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt spricht. Natürlich über die Maut.  

* Die Fußball-EM auf RTL gestern Abend wurde in der SZ.de-Konferenz recht kritisch gesehen. Die Quoten waren aber okay. 

* Ein Drittel der Chefärzte räumt überflüssige OPs ein. Ich muss da ja gleich an dieses Video mit der fabelhaften Caro Korneli denken:  
http://www.youtube.com/watch?v=keOzt6u4hVg  

* Und dann war da noch was mit einer „Scharia-Polizei“ in Wuppertal. Ich muss gestehen, da muss ich mich erst einlesen. In Südtirol, wo ich bis zum Wochenende für eine Recherche unterwegs war, hab ich davon nämlich nichts mitbekommen...

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11:03 Uhr: Vor den News noch ein zweiter Frühstücks-Nachschlag:

http://www.youtube.com/watch?v=VT4aUa076H4

Kann das erste mal jemand ausprobieren, bitte? Ich kann leider keine Eier kochen in der Teeküche...

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10:48 Uhr:
Oje, so lange nichts gepostet... Ich kann nichts dafür, ich schwöre! Gleich geht's weiter mit den News!

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[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/me/mercedes-lauenstein/text/regular/1025222.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/me/mercedes-lauenstein/text/regular/1025222.jpg"]

09:15 Uhr:
Die Band Franz Ferdinand unterstützt mit einem Konzert die Unabhängigkeits-Kampagne Schottlands: Dort wird am 18. September über ihre Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abgestimmt. Deshalb fragen wir heute im Ticker: Ist es okay, wenn Bands politisch sind? Hier geht's lang zur Diskussion.

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[plugin imagelink link="http://www.marieclaire.com/cm/marieclaire/images/B5/nrm_1409951605-7.jpg" imagesrc="http://www.marieclaire.com/cm/marieclaire/images/B5/nrm_1409951605-7.jpg"] (Quelle)

08:25 Uhr: Guten Morgen, liebes jetzt.de! Ich beginne den Montag mit einer der wichtigsten Fragen, die man sich so beim Frühstück stellen kann: Was kommt zuerst in die Müslischale? Ich bin ja für Milch. Ob das eine gute Idee ist, wurde endlich geklärt und steht hier. Noch mehr "Frühstücks-Hacks" auch. Ich mach' mir so lange Kaffee.

Bundesrat ringt um Asyl-Kompromiss

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Hinter den Kulissen des Bundesrats findet ein Ringen um die Zukunft des Flüchtlingsrechts in Deutschland statt. Die Grünen versuchen dort, der großen Koalition Verbesserungen abzutrotzen. Die Möglichkeit dafür bietet ausgerechnet ein Gesetz, mit dem das Asylrecht verschärft werden soll: Am 19. September soll in der Länderkammer über ein Gesetz abgestimmt werden, mit dem drei Länder des Westbalkans zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden; Asyl für Menschen aus diesen Staaten gibt es dann praktisch nicht mehr.

Dieses Gesetz kann nur in Kraft treten, wenn mindestens eines der sieben Bundesländer dafür stimmt, in denen die Grünen mitregieren. Die Grünen lehnen es bisher als fundamentale Verletzung des Asylrechts ab. Schon vor der Sommerpause haben auf Initiative von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) Verhandlungen begonnen, die ausloten sollen, ob es einen „Deal“ geben kann – Erleichterungen auf anderen Gebieten des Flüchtlingsrechts, wenn die Grünen dem Gesetz über die „sicheren Herkunftsstaaten“ zustimmen.



Der Bundesrat entscheidet über die Zukunft des Flüchtlingsrechts.

Denkbar ist die Abschaffung der Residenzpflicht, also der behördlichen Auflage an Flüchtlinge, sich nur in einem bestimmten Gebiet aufzuhalten. Denkbar ist auch, die Aufnahme von Arbeit zu erleichtern. Bisher darf ein Asylbewerber nur dann beschäftigt werden, wenn kein Deutscher oder EU-Angehöriger die Arbeit machen will. Die weitestgehende Änderung wäre es, das Asylbewerberleistungsgesetz teilweise oder völlig abzuschaffen. Auch nachdem das Bundesverfassungsgericht dessen Leistungen angepasst hat, enthält es noch viele Schärfen. Entfällt es, würden die Flüchtlinge in die normale Sozialhilfe eingegliedert. Für die Kommunen würde das eine große Ersparnis bedeuten, einen Teil der Leistungen müsste dann der Bund übernehmen. Kanzleramtsminister Altmaier schätzt die Kosten auf 760 Millionen Euro und hält diese für nicht finanzierbar.

Es könnten zumindest die Menschen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz herausgenommen werden, die einen Aufenthaltstitel haben – und den Flüchtlingen, die weiter mit diesem Gesetz leben müssen, könnte ein besserer Gesundheitsschutz gegeben werden. Derzeit können Flüchtlinge nur eine medizinische Minimalversorgung in Anspruch nehmen.

Die Verhandlungen werden durch weitere Vorhaben der Regierung erschwert. Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums „zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbestimmung“ verschärft die EU-Aufenthaltsrichtlinie. Bei „Fluchtgefahr“ soll künftig jeder Ausländer eingesperrt werden können. Die Grünen erwarten dagegen ein „ganz massives Entgegenkommen“ der Bundesregierung, wenn sie zustimmen sollen. Kanzleramtsminister Altmaier gibt sich kompromissbereit: Wenn es mittels des Gesetzes gelinge, die Asylbewerberzahlen deutlich zu senken, gebe es „Spielraum in vielen anderen Bereichen“, in denen man großzügig sein könne – zum Beispiel bei einer Bleiberegelung für Altfälle.

Polizist mit Migrationshintergrund gesucht

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Als die Morde des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) begannen, ermittelte die Polizei zunächst im Umfeld der Opfer. Ein fremdenfeindliches Tatmotiv schloss sie lange Zeit aus. Wie man heute weiß, war diese Einschätzung falsch. Ob die Ermittler schneller auf einen rechtsextremistischen Hintergrund geschlossen hätten, wenn unter ihnen mehr Polizisten aus Einwandererfamilien gewesen wären, darüber lässt sich nur spekulieren. In seinen Empfehlungen regte der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages jedoch an, die Bemühungen zu verstärken, „ junge Menschen mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst zu gewinnen“.

Irene Mihalic, Bundestagsabgeordnete der Grünen, fordert daher, dass die Polizei „ein Spiegelbild der Gesellschaft“ sein müsse. „Es gibt nicht nur wenige Migranten in den Reihen der Polizei, sondern inzwischen auch weniger Personen aus ärmeren Milieus“, sagt sie. Dies könne gerade bei Einsätzen in sozialen Brennpunkten zu Problemen führen, wenn den Polizisten das Verständnis für die dortige Situation fehle. Mihalic war selbst 20 Jahre Polizistin in Nordrhein-Westfalen, bevor sie 2013 in den Bundestag einzog. Ihre Eltern kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien.



Bisher gibt es nur sehr wenige Polizisten mit Migrationshintergrund.

Derzeit gibt es in Deutschland rund 250000 Polizeibeamte. Genaue Zahlen darüber, wie viele von ihnen Migrationshintergrund haben, gibt es nicht. Denn in Deutschland wird die ethnische Zugehörigkeit nicht erfasst. Laut Recherchen des Mediendienstes Integration verfügen lediglich drei Bundesländer über Analysen zum Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im Polizeidienst. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 0,4 Prozent, in Rheinland-Pfalz 2,5 Prozent und in Niedersachsen 3,2 Prozent. Betrachtet man etwa Niedersachsen, dann stammen von den rund 24000 Polizeibeschäftigten nur 770 aus Einwandererfamilien. In Niedersachsen mit 7,8 Millionen Einwohnern leben rund 1,4 Millionen Migranten, was fast 18 Prozent entspricht. In manchen Ländern, zum Beispiel in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, gebe sich die Polizei aber „sehr viel Mühe“, auch Menschen mit Migrationshintergrund anzuwerben, sagt die Grünen-Abgeordnete Mihalic.

Das zeigen auch die Zahlen des Mediendienstes Integration. So haben sich die Bewerberzahlen in Niedersachsen fast verdoppelt, sie liegen heute bei rund 17 Prozent – was fast dem Bevölkerungsdurchschnitt entspricht. Auch hat sich in Niedersachsen die Anzahl der Migranten, die in den Polizeidienst neu eingestellt wurden, in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt; sie stieg im Vergleich zu 2008 um sieben Prozentpunkte auf 11,3Prozent.

Mit Werbemaßnahmen sprechen viele Bundesländer heute gezielt Menschen mit Migrationshintergrund an. Speziell für diese Zielgruppe gibt es Informationstage und mehrsprachige Internetauftritte. Dass relativ einfache Maßnahmen schon dazu führen, mehr Migranten für den Polizeidienst zu begeistern, zeigt Berlin: 2008 waren es 1056 Bewerber, fünf Jahre später 3562. Hier kooperiert die Polizei mit dem Beruflichen Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten und dem Bildungswerk Kreuzberg. Dort werben Beamte mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst. Zudem wird der Eignungstest für den Polizeidienst in mehreren Sprachen angeboten – darunter in Türkisch, Arabisch und Russisch.

Insgesamt ist das Bild im bundesdeutschen Vergleich jedoch sehr unterschiedlich. Neben Niedersachsen und Berlin, die sich intensiv um Bewerber mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst bemühen, gibt es auch Länder wie Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, die auf entsprechende Öffentlichkeitsarbeit verzichten.

Bildung mit Dachschaden

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Von Luxus spricht niemand, hat auch in der Vergangenheit nie jemand gesprochen. Von jeher ist die Studentenbude ein Sinnbild für Einfachheit, man denkt an wild durcheinander möblierte Kemenaten – halb Ikea, halb Sperrmüll –, an schmutzige Kaffeebecher, ungesaugte Teppichböden, Wände mit Postern über dem Gelbstich, vielleicht an knarrende Böden, zugige Fenster. An Enge ohnehin. Der Schriftsteller Georg Hermann schilderte vor gut hundert Jahren eine der „unsagbaren Studentenbuden, die nach Kohl und Kindern roch, eingekeilt zwischen den Behausungen zweier Skalen übender Musikhochschülerinnen lag und nach einem Hof herausschaute, auf dem von morgens um sieben bis abends um neun Teppiche geklopft wurden“. Natürlich wohnt ein jeder anders, natürlich gibt es auch einen gehobenen Markt für zahlungskräftigere Studenten, nicht selten von Beruf Sohn und Tochter. Der Grundsatz aber gilt bis heute: Schlichtheit reicht meistens. Nur: In vielen Hochschulstädten gibt es überhaupt kein richtiges Mietangebot mehr.

In diesen Wochen gehen die Zulassungsbescheide für das Wintersemester raus, die Studienanfänger strömen in die Städte und suchen Unterkünfte, verzweifelt und mitunter vergeblich. Die Vorbereitungen für Matratzenlager in Turnhallen zum Semesterstart laufen an, sie werden allmählich Routine. Bürgermeister flehen ihre Bürger an, leer stehende Kammern, Dachböden und ungenutzte Ferienwohnungen auf den Mietmarkt zu werfen. Zählte man 1993 nur 279000 Studienanfänger, waren es 2003 schon 370000, seit 2011 sind es nun jährlich gut eine halbe Million. Ein ähnlich hohes Niveau hält laut Prognosen noch bis 2020 oder 2025 an. In einer Allensbach-Umfrage berichten 72 Prozent der Studenten von Problemen bei der Suche. In einer anderen Studie zeigte sich: Jeder dritte Studienanfänger sucht einen Monat oder länger, jeder zehnte länger als ein Vierteljahr.



Es gibt immer mehr Studierende, aber die Wohnungsnot bleibt.

Das Wohnungsproblem eskaliert jedes Jahr wieder – weil die Politik es zu lange ignoriert hat. Es geht nicht nur um die Existenz von Wohnraum. Sondern es geht um bezahlbaren Wohnraum. Die jüngste Sozialerhebung, vom Bundesbildungsministerium herausgegeben, veranschlagt für einen durchschnittlichen Studenten 298 Euro Mietkosten im Monat, am höchsten waren die Werte in Köln und München mit je 360 Euro. Hier fließen aber auch preisgünstige Wohnheime in den Durchschnitt ein.

Gerade die Preise für WG-Zimmer sind laut einer Analyse von Wohnungsanzeigen dagegen vielerorts rasant gestiegen. Eine Auswertung, die der Online-Anbieter Immobilienscout24 auf Basis von 200000 Annoncen veröffentlich hat, zeigt: In München müssen Studenten aktuell im Schnitt 501 Euro Warmmiete für ein Zimmer zahlen, in Frankfurt am Main 428 Euro. Mit sehr hohen Preisen müssen Studenten demnach auch in Stuttgart (396 Euro), Konstanz (388 Euro), Heidelberg (383 Euro) und Düsseldorf (371 Euro) rechnen. Günstiger ist es teils in den neuen Bundesländern, mit Ausnahme Berlins. Doch auch aus Leipzig, Jena, Erfurt, Greifswald oder Dresden häufen sich die Beschwerden wohnungssuchender Studenten.

Nun lässt sich argumentieren: Die Mietmärkte in Städten sind nun mal angespannt – nicht nur für Studenten. So wird auf politischer Ebene darüber debattiert, Mieter will die große Koalition mit einer Mietpreisbremse schützen. Doch für Hochschüler müsste es separate Bemühungen geben: Denn die hohe Zahl der Studenten kommt ja nicht aus dem Nichts. Über Jahre hat die Politik in Bund und Ländern den Ausbau der Studienplatzkapazitäten forciert, um bei den Akademikerquoten nicht mehr international hinterherzuhinken, man hat die jungen Leute systematisch in die Hochschulstädte getrieben.

In den Hochschulpakt für zusätzliche Studienplätze, den Bund und Länder gemeinsam tragen, sind seit 2007 schon viele Milliarden Euro geflossen und noch viele Milliarden Euro für die kommenden Jahre sind verplant. Die Hochschulen haben sich auf die Abiturientenströme eingestellt, vielerorts wurde und wird gebaut – neue Hörsäle, Seminarräume, Bibliotheken. Dass zum Studium nicht nur ein Dach während der Vorlesung gehört, sondern auch eines außerhalb des Hörsaals – das wurde vergessen. Seltsam ist das freilich nicht. Vielmehr passt es dazu, wie akademische Bildung mittlerweile aufgefasst wird.

Hochschulen werden immer mehr zu reinen Wissen-und-Zertifikate-Verteilungseinrichtungen. Der regelmäßig beschworene „Rohstoff Bildung“ soll in die Köpfe der Studenten hinein, schnell und effizient. Die Bologna-Reform, die mit den Abschlüssen Bachelor und Master das Studium an den Arbeitsmarkt angepasst und es über Leistungspunkte exakt messbar gemacht hat, kommt hinzu. Es geht hier nicht um eine Romantisierung vergangener Zeiten, nicht um einen Aufruf zum Bummelantentum. Die Bologna-Reform bringt auch Vorteile: mehr Verbindlichkeit, eine frühzeitige Rückmeldung, wenn man das falsche Fach gewählt hat. Dass aber ein Studium mehr ist, als einen jungen Menschen zum Arbeitnehmer oder Arbeitgeber heranzuzüchten, rückt in der Logik der Politik und auch der Gesellschaft zunehmend an den Rand. Und deswegen hat man die Bildungsexpansion nur halbherzig geplant – mit viel Elan, wenn es um die Studienkapazitäten geht. Ohne sonderlichen Eifer mit Blick auf die soziale Infrastruktur.

Vor anderthalb Jahren hat sich der damalige Bundesbauminister Peter Ramsauer öffentlichkeitswirksam der Sache angenommen – der CSU-Politiker lud zu einem runden Tisch in Berlin. Ergebnis: keines. Ohnehin, so hieß es, sei das ja alles Ländersache. In gut der Hälfte der Länder ist mittlerweile etwas geschehen, Wohnheimbau durch gemeinnützige Träger wird bezuschusst oder über Darlehen gefördert, zu nennen ist vor allem Bayern. Ob das reicht? 81 Prozent der Studenten in der Allensbach-Umfrage sagten, dass es in ihrer Stadt zu wenig Wohnheime gibt.

Die Datensätze des Deutschen Studentenwerks zeigen, wie unterschiedlich stark der Bau vorangetrieben wurde. Frankfurt an der Oder zum Beispiel hat bei der Versorgung der örtlichen Studenten mit Wohnheimplätzen eine Quote von fast 20 Prozent; in Frankfurt am Main sind es weniger als drei Prozent. Aus dem Bundesbauministerium sind auch aktuell keine Signale zu vernehmen, dass sich der Bund in der Sache zentral engagieren will.

Dabei wäre genau das nötig: eine strategische Aktion von Bund und Ländern. Verfassungsrechtliche Zweifel gelten nicht. Wenn man will, geht auch was. Siehe Hochschulpakt zum Ausbau der Studienplätze. Ein sozialer Hochschulpakt hätte gleichermaßen Berechtigung gehabt, hat sie immer noch. Denn womöglich hält der Andrang an den Hochschulen noch länger an als bis Mitte der 2020er-Jahre – wenn die Abiturquoten weiter ansteigen, wenn der Zugang zum Studium ohne Hochschulreife ausgebaut wird. Beides wird stets als Ziel der Bildungspolitik genannt, mit Verweis auf den Wohlstand der ganzen Republik. Es wird Zeit zu begreifen, dass Studenten nicht nur lernen, sondern auch leben müssen. Und es darf dabei nicht noch mehr Zeit verloren gehen.

Zum Mitnehmen

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Bei dem Begriff „Trampen“ ziehen alte, gelbstichige Farbfotos am inneren Auge vorbei: Alles sieht aus wie kurz vor Woodstock. Käfer, Enten und Bullys tuckern über die Straßen und an deren Rändern stehen die eigenen Eltern mit den Gesichtern von John Lennon und Uschi Obermaier. Heute gibt es die Mitfahrzentrale, Fernbustickets ab zehn Euro und Restplatz-Tickets der Bahn ab 19 Euro. Hat überhaupt noch jemand einen Grund zum Trampen? Stehen an Deutschlands Straßenrändern tatsächlich noch Menschen herum, die den Daumen raushalten? Und wenn ja, wer sind sie? Um das herauszufinden, fahren wir einfach mal los, von München nach Hamburg über Berlin zurück in den Süden, mitten in den Sommerferien, und suchen in ganz Deutschland an den Autobahnraststätten nach Trampern. Die einzige Regel lautet: Finden wir jemanden, nehmen wir ihn so lange mit, bis wir jemand neuen finden.

Die Reise beginnt in München, A99 Richtung Norden, Rasthof Vaterstetten. Es schlurfen die Reisenden in Trainingshosen um die Ecken, die Beine-Vertreter und Aufs-Klo-Geher, die sich vom Sanifair-Gutschein noch eine Cola oder eine runzlige Wurst im Brot mitnehmen. Auf den Stühlen vor dem Burger King sitzen zwei Jungs, rauchen und gucken auf ihren Straßenatlas. Die ersten Tramper? Sieht so aus. Der eine rote Haare, der andre dunkelbraune, sie haben große Rucksäcke und einen Collegeblock in der Hand und einen großen, blauen Filzer. Regensburg, sagt der Rothaarige, habe er grade schreiben wollen. Wir bieten ihnen an, sie nach Fürholzen zu fahren, die letzte Raststätte, bevor die Autobahn nach Regensburg Richtung Osten abzweigt.


[plugin bildergalerielight Bild1="Jonas und Patrick, auf dem Weg nach Prag" Bild2="Jonathan, auf dem Weg an die Ostsee" Bild3="Vera und Stefan, auf dem Weg nach Freiburg" Bild4="Julian, auf dem Weg in die Schluchten Sloweniens"]

Jonas hat gerade sein Abi gemacht. Patrick hat seine Ausbildung als Schreiner absolviert. Sie sind 20 Jahre alt und kommen ursprünglich aus Trier. Vor einer Woche sind sie von dort aus Richtung Chiemsee Reggae Festival gestartet. Danach haben sie sich noch für eine Nacht in einer Pension in Österreich eingemietet, um sich zu erholen und zu duschen. Jetzt wollen sie nach Prag, vielleicht für eine Woche, mal sehen, und danach wieder nach Hause. Es ist ihre erste große Tramp-Tour. Sie wollten bewusst nicht mit der Bahn oder dem Bus fahren, sie wollten ein echtes Abenteuer erleben. „Ist ja für uns beide jetzt ein Lebensabschnitt, der da vorbei ist nach der Schule und der Ausbildung“, sagt Jonas. Deshalb hätten sie beschlossen, sich jetzt mal etwas zu gönnen. „Hat ja auch lang genug gedauert.“ Sie sind schon mit einem Forscher mitgefahren, der die meiste Zeit des Jahres in der Antarktis verbringt. Er hat den beiden den Klimawandel erklärt. Bei einer jungen Bautechnikerin saßen sie auch schon im Auto, „die hat schon fertig studiert und konnte uns viel über das Studium erzählen, voll praktisch zu wissen für die Zukunft“, sagt Patrick. Sie erzählen auch, dass sie sich vor der Reise ein bisschen schlau gemacht haben, wie Trampen am besten funktioniert. „Wir ziehen immer Hemden an, das ist seriöser.“ Rauchen sollte man auch nicht gerade während des Wartens. Trinken erst recht nicht. Eine Straßenkarte macht sich gut und ein schönes Schild. Was lernt man noch beim Trampen? Jonas sagt: „Meine Lektion ist: Was einem im Leben weiterbringt, ist die richtige Mischung aus Freundlichkeit und Dreistigkeit.“ Und dann sind wir schon in Fürholzen. Die beiden steigen aus.

Irgendwo hinter Hannover hockt einer und lässt seinen Kopf über einer Dose Radeberger hängen


Wir fahren weiter auf die A9. Weißer Himmel über uns, manchmal ein kurzes grelles Loch darin. Bäume, Wiesen, Leitplanken rasen vorbei. Kurz hinter Würzburg auf der Raststätte Haidt dann endlich Jonathan. Er steht direkt dort, wo die Autos wieder auf die Autobahn rausfahren, ganz am Ende, auf sein Pappschild hat er geschrieben: A7, Richtung Hamburg, Lübeck. Ein Freund hat ihn zum Autobahnzubringer Nürnberg gebracht, ab da ist er mit einem tschechischen LKW-Fahrer bis hier gekommen. Wir erklären, dass er raus muss, so bald wir jemand neuen finden. „Besser als nichts“, sagt er, „kein Problem“. Was sonst sollte ein Trampermotto sein, wenn nicht dieses?
 
Jonathan ist 23 und macht in Nürnberg eine Ausbildung zum Zimmermann. Er ist auf dem Weg in den Urlaub an die Ostsee. Freunde von ihm arbeiten dort in einem Hotel, mit ihnen wird er jetzt eine Woche lang am Strand zelten, Drachen steigen lassen und den Sommer genießen. Seine Freundin wird er dort auch treffen, sie kommt direkt aus ihrem Spanienurlaub in den Norden gereist. Sie wollen dann noch ein paar Tage nach Berlin fahren, sie wohnt dort, die beiden führen eine Fernbeziehung. Über die A9 wird er dann zurück trampen nach Nürnberg. Die A9 sei gut, sagt seine Freundin immer. Die hat ihn überhaupt erst aufs Trampen gebracht, sie reist fast überhaupt nicht mehr anders. Weil es kostenlos ist und weil man nichts planen muss. Jonathan selbst kennt viele Trampergeschichten von Freunden. Und wir haben viel Zeit zum Reden, denn obwohl Jonathan jederzeit fürchten muss, rauszufliegen, finden wir doch keinen einzigen Tramper. Also fährt er immer weiter mit und erzählt. Geschichten wie diese: Freunde von ihm bleiben auf dem Weg von Georgien nach Istanbul nachts an einer Tanke im Nirgendwo hängen. Ein Polizeibus hält schließlich an, darin drei Typen mit Maschinengewehren. Einsteigen, bedeuten sie ihnen und fahren drei Stunden mit ihnen durch die Nacht. Irgendwann hält der Bus an, ein Polizist steigt aus, quatscht einen LKW-Fahrer an und holt dann die Jungs: Raus, raus, hier rüber, der hier fährt euch nach Istanbul. Ein anderes Mal, auch in der Türkei: Ein Freund von Jonathan ist allein unterwegs, steigt in einem LKW ein, irgendwann sagt der Fahrer zu ihm: So, jetzt fahr du mal, ich bin müde, ich will schlafen.
 
Trampen, das ist vielleicht immer auch mit der Hoffnung auf Geschichten verknüpft, die man sich nicht besser hätte ausdenken können.
 
Wir fahren und fahren und fahren, in der Mitte Deutschlands besteht das Land aus lauter Hügeln, dazwischen Städtchen mit spitzen Dächern. Es wird Mittag, Nachmittag, später Nachmittag. Irgendwo hinter Hannover hockt einer vor der Tankstelle und lässt seinen Kopf über einer Dose Radeberger hängen, er döst und macht keine Anstalten, sich um eine Mitfahrt zu bewerben. Jonas und Patrick, denken wir, hatten schon Recht. Nüchterner Blick und sauberes Hemd machen sich eindeutig besser, wenn man weiter will. Aber wer weiß, ob dieser Typ überhaupt weiter will.
 
Wieder rauf auf die Autobahn. Draußen wird es windiger und sonniger, alle 50 Kilometer weiter liegt mehr Norden in der Luft. Irgendwann beginnt rechts und links von der Fahrbahn lilafarben die Heide zu blühen, die Sonne steht jetzt tiefer und blitzt ab und zu orangefarben ins Auto. Kurz vor Hamburg lassen wir Jonathan raus, von hier aus braucht er jemanden, der ihn mit nach Lübeck nimmt.
 
Am nächsten Tag von Hamburg nach Berlin. Es gibt Foren im Internet, da tauschen Anhalter sich über die besten Orte und Verhaltensstrategien zum Trampen aus, sie heißen hitchwiki.org, anhalterfreunde.de oder hitchbase.com. Am Horner Kreisel in Wandsbek, so steht es dort oft, soll man gut stehen können. Hier bringt einen direkt ein HVV-Bus hin, hier geht es gleich auf die Autobahn. Doch: niemand. Das blonde Mädchen mit der vermeintlichen Reisetasche ist aus der Nähe betrachtet doch nur ein blondes Mädchen mit einem Hund. Auf der Fahrt durch Mecklenburg-Vorpommern Leere. Von den berühmten Seenplatten nichts zu sehen, nur flaches Land, man erwartet, dass gleich irgendwo ein Baum umfällt und wieder eine Holzlatte mehr von einer leer stehenden Hütte kracht. Die Raststätten liegen verloren in die Landschaft gestreut, auf den Parkplätzen dazwischen stehen statt Toilettenhäuschen nur je zwei Dixi-Klos. Nirgends ein Daumen, nirgends ein Pappschild. Ist Trampen heute doch die Ausnahme?
 
In Berlin-Michendorf und in Berlin-Grunewald, da sollen sie angeblich Schlange stehen, die Tramper, das hat uns Jonathan geraten. Wir versuchen es an der Raststätte Grunewald. Und tatsächlich: überall Tramper. Der ganze Rasthof ist von herbstlichem Sonnenlicht angestrahlt, unter einigen Bäumen tanzen die Schatten und stehen die jungen, vorrangig langhaarigen Menschen mit Backpackerrucksäcken zusammen und reden, als würden sie sich schon lange kennen. Wir geraten mit Vera und Stefan ins Gespräch, sie Typ Katie Holmes, gelbe Gummistiefel, große Mütze, er Typ Into-the-wild-Hauptdarsteller. Sie müssen nach Freiburg. Während wir Fotos von ihnen machen, tauchen immer mehr Tramper auf. Berlin, das Tramper-Mekka.
 

Trampen, das heißt, sich der Unberechenbarkeit des Lebens hinzugeben


Unser alter Deal gilt immer noch: Vera und Stefan dürfen nur so lange mit, bis wir die nächsten finden. Klar, sagen sie. Und weiter als Nürnberg geht auch gar nicht für sie, sie müssen ja Richtung Freiburg. Vor zwei Uhr nachts sind sie heute sicher nicht zu Hause, schätzen sie. Jetzt ist es halb vier am Nachmittag. Stefan ist 26 und Sportfotograf, Vera 21 und Studentin der Visuellen Medien in Karlsruhe. Sie kommen gerade vom 3000-Grad-Festival in Mecklenburg-Vorpommern. „Hätte man sich aber sparen können“, sagt Stefan, „das war eher ein Oktoberfest für Hipster, es gab sogar Lebkuchenherzen zu kaufen“. Stefan trampt schon lange. Mit 20 das erste Mal. Mit Freunden nach Spanien, drei Monate lang. Und danach durch ganz Europa. Vera trampt erst, seit sie Stefan kennt. Allein würde sie es auch nicht machen als Frau, sagt sie. Vor Kurzem waren sie wandern in den Schweizer Alpen, und als sie abends von Basel aus nach Freiburg zurück wollten, hat sie ein Mann, der leider selbst nur nach Basel musste, zum nächsten Bahnhof gefahren und ihnen das ICE-Ticket nach Freiburg plus jeweils zehn Euro für einen Kaffee auf der Fahrt ausgegeben. Einfach so. Er bestand drauf. Die beiden taten ihm einfach leid, wie sie so völlig erschöpft am späten Abend an einer Tankstelle warteten und niemanden fanden, der sie mitnehmen wollte. „Er hätte ja auch das Regionalbahnticket zahlen können“, sagt Stefan. Aber Stefan hat auch schon schlechtere Erfahrungen gemacht. In Spanien ist er mit zwei Leuten mitgefahren, da fing der Beifahrer während der Fahrt an, Heroin zu rauchen. Und weil sie vergessen hatten, zu tanken, blieben sie auch noch stehen und mussten abgeschleppt werden.
 
Verändert sich eigentlich etwas Wesentliches in einem durch das Trampen? Lernt man Gelassenheit? „Naja“ sagt Vera, „wenn einen mal längere Zeit keiner mitnimmt, fängt man schon schnell an zu fluchen, aber. . .“, sagt Vera. „Du bist schon so viel geduldiger geworden“, fällt ihr Stefan ins Wort. „Und seit du dabei bist, werden wir sowieso viel schneller mitgenommen.“ Im Rückspiegel ist Veras Grinsen zu sehen. In einigen Tagen werden die beiden sich von Freiburg aus wieder aufmachen, wieder per Anhalter. Diesmal nach Bordeaux. Stefan muss arbeiten, Fotos von Surfern machen, Vera will einen Freund besuchen.
 
Wenn Mecklenburg-Vorpommern die nichtssagendste Autobahnlandschaft Deutschlands hat, dann folgt Sachsen dicht auf Rang zwei. Wieder totes Gestrüpp und flache Felder. Irgendwann fahren wir zwischen einer riesenhaften Armee von Windrädern hindurch. Die Sonne ist längst hinter uns, sie ist in Berlin geblieben, es ist erst kurz vor sechs am Abend, aber es wird immer dunkler am Himmel. Bald fängt es an zu regnen. In Strömen. An der nächsten Raststätte sagt Stefan zu Vera: „Na komm, raus jetzt, oder?“ Sie müssen sich langsam Richtung Westen orientieren. „Hm“ sagt Vera. Die Raststätte ist wie leergefegt, niemand will im Regen stehen. „Na gut.“ Schnell die Rucksäcke hinten raus, dann eilen sie beide in den Verkaufsraum der Tankstelle, im Rückspiegel sehen wir noch einmal kurz Veras gelbe Gummistiefel aufleuchten, dann sind sie verschwunden und wir beschleunigen.
 
Heute finden wir keinen einzigen Tramper mehr. Am nächsten Tag versuchen wir es noch einmal von München aus Richtung Süden. In Vaterstetten sitzen wir lange an der Raststätte rum. Zwei riesige schwarze Beat the street-Tourbusse rollen auf den Parkplatz. Die Fahrer tragen Robbie-Williams-Tourshirts und das WLAN heißt irgendwas mit ROW.
 
Dann taucht auf einmal Julian auf, ein großer, blonder Junge mit Rucksack, an dem ein grüner Schutzhelm baumelt. Klar, passt, wenn wir ihn nur zwei, drei Raststätten weiter mitnehmen. Er ist 25, kommt aus Stuttgart. Heute lief es gut, er hat nie länger als 30 Minuten warten müssen, wir sind die vierten, die ihn heute mitnehmen. Vorhin ist er mit einem „sehr lustigen Notarzt in seinem aufgepimpten Audi mit Lachgas-Zusatzantrieb“ mitgefahren. Julian hat Sicherheitsingenieurwesen studiert, will aber als Schluchtenführer arbeiten und macht gerade die Ausbildung. Er ist auf dem Weg nach Slowenien, wo er im Soča-Tal eine Tour mitführt, als sogenannter „tour assistant“. In Salzburg möchte er vorher noch eine Freundin besuchen und in Kroatien seinen Bruder. Das Trampen hat Julian mit 15 angefangen. Er wollte damals in einem Sommer nach Italien und hatte kein Geld, also hat er vier Freunde überredet . Und dann hat er damit einfach nicht mehr aufgehört. Egal, wo er sich gerade aufhielt, ob in den USA, Kanada, Äthiopien, Marokko, Afrika, im ehemaligen Ostblock oder in Italien, das Trampen war sein präferiertes Transportmittel. Weil man mit den Menschen ganz anders in Kontakt kommt als im Zug. Weil es unkompliziert und spontan ist und kostenlos. Und weil es, das scheint überhaupt bei allen die Hauptmotivation zu sein: abenteuerlich ist. Niemand, der trampt, weiß vorher, wie lange er unterwegs sein wird. Niemand weiß, zu wem er ins Auto steigt und ob er am Schluss auch dort landet, wo er hinwollte. Man kann sagen: Man begibt sich beim Trampen bewusst in Gefahr. Man kann aber auch sagen: Man gibt sich der Unberechenbarkeit des Lebens hin. Man fordert sie heraus. Man übt sich im Loslassen und im Vertrauen. Im Glauben daran, dass schon alles gut gehen wird. Immer mit der kleinen Hoffnung im Hinterkopf, etwas zu finden, das man nie gesucht hatte.
 
Als wir Julian in Holzkirchen rauslassen, liegt das frühherbstliche Abendlicht tief über der bayerischen Autobahnlandschaft. Man sieht braune Kühe, alte Trecker, pittoreske Bauernhäuschen und ganz hinten den Alpensaum. Wir wechseln auf die andere Spur, zurück in die Stadt. Als wir an der Raststätte vorbeifahren, an der wir Julian gerade abgesetzt haben, suchen wir sie mit den Augen nach ihm ab. Er ist nicht mehr da.

Woher der Hass? Raufasertapete

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Wenn man – was nicht oft vorkommt – „Raufaser“ und „Witz“ googelt, findet man unter anderem dies: „Stellt euch mal vor, ich habe doch glatt heute Nacht geträumt, ich würde bei Claudia Schiffer die Wohnung mit Raufaser bekleben. Und als ich aufgewacht bin, hatte ich den Kleister noch zwischen den Fingern!“

Der Witz hat alles, was muffig-kleinbürgerlichen Schenkelklopfer-Humor ausmacht. Unter anderem eben die Raufasertapete, das Gegenteil von Sexyness, die aus feuchten Träumen klebrige Kleisterträume macht. Eine blödere Pointe findet man höchstens, wenn man „Käseigel“ und „Witz“ googelt (keine Gewähr).

Interessant ist auch die Paarung: Claudia Schiffer – seit Ende der Neunziger vorbei. Die Raufasertapete – immer noch da! Hat man sie in der einen Wohnung mühevoll von der Wand gekratzt, taucht sie beim nächsten Umzug wieder auf, drei Mal überstrichen und noch grobkörniger strukturiert als beim letzten Mal. Man will sie mit Schwung von den Wänden reißen, aber ach, es geht ja nicht, ohne stundenlanges Einweichen und Spachteln!

Das Problem ist, dass Raufaser praktisch und umständlich zugleich ist. Auch wenn man sich daran satt gesehen hat, findet man sich oft mit ihr ab, weil sie pflegeleicht ist, es aber auch so schwer ist, sie loszuwerden. Ein Leben mit Raufaser gleicht einer Ehe, in der die Partner nur noch zusammen bleiben, weil alles andere viel umständlicher wäre. Man kann sich ja zwischendurch mal einen neuen Anstrich geben. Aber wenn aus Liebe Pragmatismus wird, ist der Weg bis zur Genervtheit und von dort bis zum Hass nicht mehr weit. Das ist der Raufaser auch passiert.

Denn Raufaser war mal Avantgarde. In den Sechzigern war Tapete spießig und Raufaser ihr puristisch-modernes Gegenstück. Als die 68er älter wurden, ließen sie sie in den Stadtwohnungen kleben und tapezierten sie neu in ihren vorstädtischen Einfamilien- und Reihenhäusern. „Your house was very small, with woodchip on the wall“, sangen Pulp in den Neunzigern und beschrieben damit ein kleinbürgerliches Familienleben. Heute ist Raufaser dadurch überall, aber auch endgültig verspießert. Man will jetzt den neuen Purismus, man will den rohen Putz. Und, ganz wichtig: Der Purismus darf nicht raufasermäßig praktisch, sondern muss mühevoll erarbeitet sein. Am Ende soll alles leicht und luftig aussehen, aber es muss auch klar sein, dass diese Leichtigkeit schwere Arbeit und ein gutes Auge erfordert. Raufaser geht nicht mehr zusammen mit dem, was Wohnen heute bedeutet. Mit der ewigen Ausstellung des eigenen, minutiös ausgearbeiteten Wohnraums bei Pinterest, Instagram und „Freunde von Freunden“. In der alles verachtet wird, was nur ansatzweise nach Lieblosigkeit riecht. Und etwas lieblos, das ist die Raufaser ja schon, mit ihrer „Streich’ halt drüber“-Eigenschaft.

Auch in der Tapetenindustrie kennt man übrigens den Raufaser-Hass. Nach deren Definition ist die Raufaser Papier, und darf erst Tapete genannt werden, wenn sie an der Wand klebt und gestrichen wurde. Das macht sie zu einem sogenannten „Halbprodukt“. Wer will bitte schon von vier Wänden voll Halbprodukt umgeben sein? Wenn man – was selten vorkommt – „Raufaser“ und „ganzheitlich wohnen“ googelt, bekommt man darum auch null Ergebnisse.

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