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Wochenvorschau: So wird die KW 31

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Wichtigster Tag der Woche:
Für mich: der Montag, weil ich da nämlich nicht in die Arbeit gehen muss (obwohl arbeiten hier schon sehr viel Spaß macht – aber nicht arbeiten macht dann doch noch ein bisschen mehr Spaß), sondern hoffentlich gerade in den Chiemsee springe oder den Walchsee oder den Zeller See oder den Langbürgner See, ach, halt irgendeinen der vielen Seen im Chiemgau. Ich mache nächste Woche nämlich die jährliche Sommerfrische in einem Dorf direkt an der Grenze zu Österreich, wo zwei meiner Tanten ein uraltes Haus mit ohne Heizung und Warmwasser haben. Klingt idyllisch, ist es auch – bei gutem Wetter. Denkt also bitte an mich, wenn es schneit, stürmt oder schüttet. 

Kulturelles Highlight:



Im Chiemgau gibt es viel tolle Kultur, ich schaffe es aber vor lauter Badesee-Besuchen und Bergtouren und früh ins Bett gehen voraussichtlich in genau eine Ausstellung, auf die freue ich mich aber umso mehr: Das Exter-Kunsthaus in Übersee am Chiemsee. Julius Exter war einer der vielen Chiemsee-Maler, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts rund um den Chiemsee angesiedelt haben und dann dort Kunst fabriziert haben. Die von Julius Exter ist sehr schön. Unfassbar schön ist aber vor allem das Haus selbst. Exters ehemaliges Wohnhaus, ein alter Bauernhof mit einem wunderschönen Blumengarten. Das Museum wird ehrenamtlich von einer Gerichtssekretärin betrieben, deshalb hat es etwas schräge Öffnungszeiten. Aber! Während dieser Öffnungszeiten gibt es im Gartenschuppen auch immer so eine Art Trödelmarkt, wo man uralte Kleinigkeiten kaufen kann.  Und direkt daneben dann der Chiemsee.  

Politisch interessiert mich ...
 
... ich weiß nicht, ob man „interessieren“ sagen kann, aber die Weltlage im Allgemeinen und Speziellen (Ukraine, Israel, Libyen, Syrien, Afghanistan, Nigeria, ...) beschäftigt mich gerade sehr. Ich habe in den letzten Wochen öfter mit alten Hasen im Nachrichtengeschäft gesprochen und die haben alle gesagt, so schlimm wie momentan, war es eigentlich noch nie.

Soundtrack:
Am Sonntag geht’s, wie gesagt, in die Sommerfrische. Und weil Kinder nicht die idealen Mitfahrer sind, darf sich die Große wenigstens den Soundtrack aussuchen. Was zu einem recht eintönigen musikalischen Programm führen kann. Zum Glück haben wir zumindest drei Auswahlmöglichkeiten.   Wenn es nach ihr ginge, würden wir 24 Stunden am Tag die „Kinder Kaktus CD“ anhören.

Die singen eigene Songs,haben aber auch Countrysongs übersetzt, wie zum Beispiel den Klassiker von Johnny Cash „Nasty Dan“
http://www.youtube.com/watch?v=h87XbXtK8mc

Die zweitbeste Kinder-CD in unserem Besitz (wir haben drei) ist Nola Note, eine musikalische Reise um die Welt. Gar nicht sooooo schlecht, nur manchmal unfreiwillig ein wenig rassistisch. Aber das ist den Kindern ja ganz wurscht.
http://www.youtube.com/watch?v=MoZ9CbIfMaQ

Wenn wir großes Glück haben, wird auch diese CD toleriert:
http://www.youtube.com/watch?v=CGk4Zx9lA6I 

Wenn ich nicht im Auto sitze und ein bisschen Zeit habe, dann werde ich mich meinem total tollen Geburtstagsgeschenk meines Gatten widmen: Klavierunterricht von und mit Dr. John. Mit CD,DVD und Begleitbuch. Die Reihe „Homespun Tapes“ ist so ein kleines Hinterhof-Unternehmen des sehr sympathischen Menschen mit ebenso sympathischem Namen Happy Traum, den ich auch schon mal auf einem Festival sehen durfte. Wobei es schon auch ganz schön ernüchternd sein kann, wenn man sich ein Stück drauf schafft, es spielt und dann dem Meister zuhört, wie er aus GENAU DENSELBEN NOTEN etwas unfassbar Großartiges macht. Aber egal, mein Ehrgeiz ist nicht allzu groß und Hauptsache, ich kriege irgendwie 13 Jahre klassischen Klavierunterricht aus meinen Knochen raus...
http://www.youtube.com/watch?v=Gmmokq6cWmE  

Oh Mann Dr. John, kennen den hier alle? Ich neige zu ganz schrecklichem Missionierungsanfällen bei Musik. (Nicht, dass Dr. John jetzt besonders ausgefallen wäre), deshalb nur ganz kurz bevor ihr mich an einen Baum bindet, diese Worte: Hört! Euch! Das Werk dieses Mannes! An! 
http://www.youtube.com/watch?v=hs0epThTlpw    

Wochenlektüre:



Ich hoffe sehr, dass endlich, endlich meine Bestellung im Buchladen ankommt. Mein Plan, Amazon zu boykottieren ist irgendwie, ächz, ganz schön unkomfortabel. Ich versuche trotzdem weiter, meine lokalen Buchhändler zu unterstützen. Ein englischsprachiges Buch, das ich vor vier Wochen bestellt habe, hängt wohl immer noch irgendwo lätschert rum. Das Buch heißt „Poking A Dead Frog“ und es handelt sich dabei um Interviews mit „lustigen Menschen“. Klingt doof, ist aber hoffentlich sehr lustig und lehrreich. 


Kinogang?
Ahahahahahahaha! Nein.

Aber wenn, würde ich vermutlich hier rein gehen. Ich weiß, eine arge low brow-Auswahl, aber ich stehe einfach sehr auf (gute) amerikanische Comedys mit extrem hoher Gag-Dichte. Und ich habe eine Theorie: die einzige Kunstform, die sich kontinuierlich weiterentwickelt, ist die Komödie. Discuss.
http://www.youtube.com/watch?v=qP755JkDxyM
  
Geht gut diese Woche:
Baden, Bergsteigen, Blumen pflücken.

Geht gar nicht:
Schlechtes Wetter. Wehe!!!!!


Das Parkbank-Konzert mit Lasse Matthiessen

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Über die Drohne kann man freilich diskutieren. Weil: Düsterer Songwriter-Schmerz in feingewobenem Moll und ein Geräusch wie von einer Hummel in Fußballgröße – das verträgt sich natürlich nicht nur gut. Aber die Drohne hat eben schon auch ein paar gigantische Bilder gedreht. Also vergessen wir den Lärm, den sie gemacht hat, als sie durch die Bäume gebrummt kam, einigen wir uns für dieses Mal auf ein Unentschieden – und überlegen zusammen mit TV Noir fürs nächste Mal wegen einer Flüsteralternative.  

Denn dass es eine Fortsetzung in irgendeiner Form geben soll, darüber herrscht Konsens. Lasse Matthiessens Konzert auf der jetzt.de-Parkbank war schließlich ein ganz wunderbarer Abend. Gut also, dass TV Noir das alles gefilmt hat (mit und ohne Drohne). Und noch besser, dass wir das Konzert nun Stück für Stück hier präsentieren können. Konkret nun mit diesem ersten Video:

http://www.youtube.com/watch?v=c-vTGcqvOJA&index=1&list=PLyZwWRpjWnl3qtAwkwPBWFnAblwzh7m5l

Weitere werden in loser Folge nachgeliefert. Und weil das alles so schön ist, erinnern wir an dieser Stelle auch gerne nochmals dran, dass TV Noir mit Lasse erstmals als Label auftritt und versucht, sein Album mittels Crwodfunding zu finanzieren. Und bitte:

http://www.youtube.com/watch?v=NeAqbkA3jUg

Das perfekte Picknick

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Man hätte fast ein Bilderbuch aus meinem schönsten Sommertag in diesem Jahr machen können: Ich habe mich barfuss durch München und im Bikini durch den Eisbach treiben lassen. Das leckerste Eis der Stadt gegessen und Gesellschaft vom liebsten Menschen gehabt. Am Abend hockten wir dann mit Bier im Hofgarten, nebenan spielten die Philharmoniker. Die Luft war warm, ich fand eine angefangene Chipstüte in meinem Rucksack und die Moskitos ließen uns in Ruhe. „Das ist perfekt“, dachte ich. Bis ich die Picknickdecken meiner Nachbarn bemerkte, die wirklich perfekt gedeckt waren.  



Muffins, Säfte und ein paar Äpfel sind kein schlechter Anfang. Doch das perfekte Sommer-Picknick kann mehr

Warum hatten die Menschen um mich herum an alles gedacht, was man für ein richtiges Sommer-Picknick braucht? Und warum hatte ich nur dieses angewärmte Bier und alte Chips dabei? Es war so deprimierend. Ich wollte unbedingt in die Trauben-Käse-Spieße meiner Nebensitzerin beißen oder eine Laugenstange in die selbstgemachten Dips der Mädelsgruppe weiter hinten tunken. Meine Gedanken sprangen von einer Decke zur nächsten. Wie vorzüglich jetzt ein Wein in echten Kristallgläsern schmecken würde und wie viel gemütlicher es wäre im Klappstuhl des Opas mit Hemd zu sitzen statt auf einer vom Baden feuchten Decke. Mich packte der Neid.  

So ein zusammengeschustertes Bier-und-Chips-Picknick ist auch schön. Aber ich will in Zukunft besser vorbereitet sein – und nehme dafür sogar die Schnippel-Vorarbeit in der Küche gerne in Kauf. Weil ich leider sehr vergesslich und unprofessionell im Picknicken bin, habe ich mir bereits die 101 Tipps der New York Times durchgelesen.  

Noch viel schöner als Listen aus dem Internet sind persönliche Picknick-Tipps. Welche hast du zu bieten? Was darf bei einem Essen im Freien auf keinen Fall fehlen? Welche schönen Plätze gibt es dafür? Und was vergisst du jedes Mal?

Geld statt Bildung

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Das Betreuungsgeld der großen Koalition ist nicht nur umstritten, es ist noch schlechter als sein Ruf. Das geht aus einer großen Umfrage des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und der Universität Dortmund hervor, bei der weit mehr als 100000 Paare mit Kindern unter drei Jahren befragt wurden. Nach der Studie motiviert das Betreuungsgeld insbesondere sozial benachteiligte Familien, Eltern mit Hauptschulabschluss oder einer Einwanderungsgeschichte, kleine Kinder daheim zu betreuen – also auf Angebote frühkindlicher Bildung und Sprachförderung zu verzichten. „Bezogen auf Fragen der Chancengerechtigkeit“, so die Autoren, „kristallisiert sich damit das Betreuungsgeld als kontraindiziert heraus.“



In den Krippen und Kitas fehlen oftmals die Kinder der sozial Benachteiligten und Migrantenfamilien

Das Betreuungsgeld, das auf Druck der CSU eingeführt wurde, garantiert Eltern, die für ihre Kinder keinen öffentlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen, derzeit monatlich 100 Euro. Schon vor der Einführung war die Maßnahme höchst umstritten. Kritiker befürchteten, dass falsche Anreize gesetzt und ausgerechnet diejenigen um staatliche Förderung und frühe Sprachschulung gebracht würden, die diese am nötigsten hätten.

Exakt das zeichnet sich nun in der Studie des DJI und der Uni Dortmund ab, deren Ergebnisse der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Demnach ist die Neigung, Betreuungsgeld zu beantragen, umso größer, je niedriger das Bildungsniveau ist. Unter den befragten Eltern, die keine Berufsausbildung oder einen Hauptschulabschluss haben, sagten 54 Prozent, das Betreuungsgeld sei der Grund dafür, dass sie ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken. Bei Eltern mit mittlerer Reife sank der Anteil auf 14 Prozent, bei Akademikern auf acht Prozent. In jeder vierten Einwandererfamilie, die auf staatliche Betreuung für ihre Kleinkinder verzichtet, gaben die Eltern an, die Prämie sei die Ursache dafür. Bei deutschstämmigen Familien lag der Anteil nur bei 13 Prozent.

„Betreuungsgeld erweist sich für Familien besonders attraktiv, die eine geringe Erwerbsbeteiligung aufweisen, durch eine gewisse Bildungsferne gekennzeichnet sind und einen Migrationshintergrund haben“, heißt es in der Studie. Nun ist es offenbar aber nicht so, dass Eltern nicht-deutscher Herkunft die Bedeutung frühkindlicher Erziehung in Kitas nicht zu schätzen wissen. Im Westen Deutschlands, wo die große Mehrheit der Zuwanderer lebt, wünschen sich Eltern mit Migrationshintergrund häufiger einen Kita-Platz als deutschstämmige. Am Ende aber, wenn die Plätze vergeben sind, besuchen Einwandererkinder seltener eine Kita als Kinder deutscher Eltern. Ob Zuwandererkinder weniger gern genommen, also diskriminiert werden, oder ob ihre Eltern sich im Gerangel um einen Kita-Platz nicht durchsetzen können, lässt die Studie offen.

Und noch einen weiteren Aspekt beleuchtet die Untersuchung. Je geringer das Einkommen des Partners der Mutter ist, desto größer der Wunsch, Betreuungsgeld zu beantragen. Offenbar wird so die Haushaltskasse aufgebessert. Umgekehrt sinkt der Anreiz des Betreuungsgeldes, wenn die Mutter nach der Geburt eines Kindes vorhat, früh wieder in den Beruf zurückzukehren. Aber nicht nur Bildung und Einkommen, auch die Mentalität der Eltern ist entscheidend. So neigen Eltern in ländlichen Regionen eher dazu, Kleinkinder zu Hause zu erziehen, als in den Städten.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht sich in ihrer Skepsis bestätigt. Das Betreuungsgeld sei eine „Erfindung“ der schwarz-gelben Vorgängerregierung, sagte eine Sprecherin am Sonntag. Im Übrigen sei das letzte Wort noch nicht gesprochen: „Über die Zukunft des Betreuungsgeldes entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“ Die Hansestadt Hamburg klagt derzeit gegen diese Familienleistung. Mit einer Entscheidung wird im kommenden Jahr gerechnet.

In der Bundesregierung hat die Klage unterdessen Zwist ausgelöst. Als die Ressorts kürzlich zu einer Beurteilung aufgefordert wurden, empfahl Schwesigs Familienministerium Zustimmung. Aus dem Bundesinnenministerium aber soll Widerstand gekommen sein. Dort stieß offenbar eine Passage auf Kritik, wonach das Betreuungsgeld alte Geschlechterstereotype bestärke. „Da haben wir uns nicht durchsetzen können“, sagte Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Familienministerium. Er hofft nun auf Karlsruhe. „Sollte das Bundesverfassungsgericht zu der Erkenntnis kommen, dass durch das Betreuungsgeld Kinder von Bildung ferngehalten werden, derer sie bedürfen, verstößt das möglicherweise gegen Grundrechte“, sagte er.

Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) betrachtet die Ergebnisse der DJI-Studie mit Sorge: „Gerade bei der Sprachförderung zeigt sich, wie wertvoll die Betreuung und Bildung in einer Kita ist.“ Unbeeindruckt zeigte sich die Chefin der bayerischen Staatskanzlei, Christine Haderthauer (CSU): „Bei Ein- und Zweijährigen eine Besser-schlechter-Diskussion zwischen Elternzuwendung und Kita anzuzetteln, ist ein ideologischer Tiefschlag gegen alle Eltern von Kleinkindern.“

Auch Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) spricht von einer „Erfolgsgeschichte“. Die Einführung sei „goldrichtig“ gewesen. In Bayern werde das Betreuungsgeld „von allen Einkommensschichten bezogen und gleichermaßen von Eltern mit und ohne deutschen Pass“. Spitzenreiter ist das ländliche Niederbayern. Hier haben 84 Prozent aller Eltern mit Kindern im entsprechenden Alter die Prämie beantragt. Im gesamten Freistaat sind es 73 Prozent. Dass alle anderen Bundesländer weit hinten liegen, hat aber auch einen ganz praktischen Grund: In Bayern verschickt das zuständige Zentrum für Familie und Soziales die Antragsformulare an berechtigte Eltern automatisch – bereits ausgefüllt.

Vermittler scheitern im Gaza-Krieg

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Der seit drei Wochen tobende Krieg im Gazastreifen droht weiter außer Kontrolle zu geraten. Mehrere Feuerpausen, die Israel oder die Hamas am Wochenende wechselweise anboten, wurden von der jeweils anderen Seite abgelehnt. Auch eine längerfristige Lösung ist nicht in Sicht, nachdem eine von US-Außenminister John Kerry gestartete diplomatische Initiative wirkungslos verpuffte. Bei der einzigen von beiden Seiten eingehaltenen Waffenruhe am Samstag konnten sich die Bewohner des Gazastreifens wenigstens mit den nötigsten Lebensmitteln eindecken. Die Zahl der Toten ist währenddessen auf palästinensischer Seite auf mehr als tausend gestiegen. Zudem kamen 43 israelische Soldaten und drei Zivilisten um.



Nach wie vor von Gewalt geprägt: Das Leben im Gazastreifen

Das Gerangel um die Feuerpausen belegt, wie wenig Interesse beide Seiten derzeit noch an einer Lösung haben und wie sehr sie bemüht sind, der jeweils anderen die Schuld für das Scheitern aller Friedensbemühungen zuzuschieben. Zunächst hatte Israel die Waffenruhe am Samstag einseitig bis Sonntag um Mitternacht verlängert, als Reaktion auf Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen aber bereits am Sonntagmorgen wieder die Kampfhandlungen aufgenommen. Ein Hamas-Sprecher verkündete dann am Sonntagmittag eine 24-stündige Feuerpause mit Blick auf die anstehenden Festtage zum Ende des Fastenmonats Ramadan. Darauf jedoch wollte sich dann die israelische Regierung nicht mehr einlassen und verwies darauf, dass die Hamas zuvor die Waffenruhe gebrochen habe. Überdies feuerten militante Gruppen auch noch nach der Hamas-Ankündigung weiterhin auf Israel. „Wir werden alles Notwendige tun, um unser Volk zu schützen“, sagte Premier Benjamin Netanjahu in einem Interview mit CNN.

Israels Regierungschef forderte die Hamas auf, dem vorliegenden ägyptischen Plan für eine Waffenruhe zuzustimmen. Die Lösung liege in einem „miteinander verflochtenen Konzept“ der Demilitarisierung des Gazastreifens sowie einer Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der dort lebenden Menschen. Ziel der israelischen Militäraktion ist es, die Bedrohung durch Raketen und Tunnel aus dem palästinensischen Gebiet für lange Zeit zu beenden. Die Hamas kämpft für eine Aufhebung der Blockade und eine Öffnung der Grenzen nach Ägypten und Israel. Mit der Berufung auf den ursprünglichen ägyptischen Plan wischte Netanjahu endgültig auch den Vorschlag von US-Außenminister John Kerry für eine siebentägige, von Verhandlungen begleitete Feuerpause vom Tisch. Nach israelischer Lesart waren darin – anders als im ägyptischen Plan – unter dem Einfluss von Katar und der Türkei allzu einseitig die Interessen der Hamas bedient worden.

Folgenlos blieb auch der Aufruf zu einer Waffenruhe, den auf Initiative Kerrys die Außenminister aus sieben Staaten am Samstag bei einem Nahost-Krisentreffen in Paris lancierten. „Ich habe den Eindruck, dass der dritte Gaza-Konflikt noch härter geführt wird als die beiden vorherigen von 2008 und 2012“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, einer der Teilnehmer. Deshalb seien große Anstrengungen nötig.

Friedensgebet für den Nahen Osten

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Bei den Demonstrationen vom Wochenende gegen das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen sind antisemitische Parolen oder ähnliche Zwischenfälle offenbar ausgeblieben. Erneut gingen mehrere Tausend Menschen in deutschen Städten für eine andauernde Waffenruhe auf die Straße, unter anderem in München, Frankfurt, Berlin, Gießen, Hamburg und Kiel. Die Teilnehmerzahlen waren teilweise jedoch deutlich geringer als erwartet. In München distanzierten sich Redner ausdrücklich von antisemitischen Äußerungen. In Berlin nahmen etwa 2500 Menschen an zwei propalästinensischen Demonstrationen teil. Die Aufzüge verliefen laut Polizei ruhig und ohne nennenswerte Zwischenfälle. Gegen vier Personen werde wegen Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung ermittelt. In der Stadt riefen auch mehrere Organisationen von Juden, Christen und Muslimen für Sonntag zu einem gemeinsamen Friedensgebet für den Nahen Osten auf.



Spricht sich für mehr Aufklärung in Bezug auf den Holocaust aus: Wolfgang Schäuble

Angesichts der antisemitischen Ausfälle der vergangenen Woche hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterdessen gefordert, die Aufklärung über den Holocaust zum Bestandteil der Integrationspolitik zu machen. „Zur Integrationspolitik in Deutschland und Europa gehört auch, die geschichtliche Erfahrung des Holocaust zu vermitteln“, sagte Schäuble der Bild am Sonntag. „Es ist Teil der deutschen Staatsräson, dass wir unter keinen Umständen Antisemitismus dulden.“ Die gegenwärtige Entwicklung sei besorgniserregend. Natürlich dürfe man die israelische Politik kritisieren. Der Minister zeigte aber Verständnis für die Haltung der Regierung: „Was soll Israel denn tun, um sicherzustellen, dass nicht ständig Raketen auf das Land abgeschossen werden?“ Er warne daher vor allzu leichtfertigen Urteilen und Kommentaren.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann nannte die antisemitischen Parolen „absolut unerträglich“. Der Passauer Neuen Presse sagte er: „Verantwortlich dafür ist eine unheilige Allianz aus Islamisten, Rechts- und Linksextremisten. Wir dürfen nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass Antisemitismus bei uns in Deutschland entschieden bekämpft wird.“ Nach Einschätzung des Berliner Verfassungsschutzchefs Bernd Palenda sind die jüngsten Ausfälle indes kein Beleg für einen neuen Antisemitismus. Der dort zu Tage tretende Antisemitismus sei zwar erschreckend, sagte Palenda der Berliner Morgenpost: „Wir stellen ihn aber seit Langem immer wieder wellenartig fest.“

Die Muslim-Verbände in Deutschland bewerten die Situation offenbar unterschiedlich. Während der Zentralrat der Muslime in der vergangenen Woche von Antisemitismus gesprochen und sich scharf davon distanziert hatte, sieht der Koordinierungsrat der Muslime lediglich „Überreaktionen“. Der Vorsitzende des Rates, Ali Kızılkaya, sagte der Mitteldeutschen Zeitung: „Die Kritik am Vorgehen Israels ist berechtigt. Aber antisemitische Ausfälle sind es auf keinen Fall.“ Kızılkaya stellte jedoch klar: „Wir Muslime lehnen Antisemitismus ab.“

Auch die diplomatische Vertreterin Palästinas in Deutschland, Khouloud Daibes, verurteilte die antijüdischen Parolen scharf. Die Parolen kämen von vereinzelten Personen oder Gruppierungen, von denen sich sowohl die diplomatische Vertretung als auch die palästinensischen Gemeinden deutlich distanzierten.

Potzblitz!

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Wann ist ein Mann ein Mann? Uralte Frage, schon klar. 1984 von Herbert Grönemeyer in die Welt hinausgeröhrt und bis heute nicht eindeutig beantwortet, das bleibt wohl auch so. Damit kann man klarkommen – oder man liest Manual, das neue Männermagazin von Gruner + Jahr. Untertitel: „Jetzt bist du dran.“ Eine Drohung, kein Zweifel. Manual, das muss man so hart sagen, ist in seiner konzeptgewordenen Bevormundung ungefähr so männlich, wie sich von Mutti auch mit 36 noch die Anziehsachen rauslegen zu lassen.



„Statt vorgekauten Mainstream zu servieren“, schreibt Chefredakteur Joern Kengelbach im Editorial des neuen Magazins, „schauen wir über den Tellerrand der Norm hinaus“.

Wer sich gern Vorschriften machen lässt, ist bei Manual genau an der richtigen Adresse. „In der Anzugmode ist Blau das neue Schwarz“, heißt es in der ersten Ausgabe. Weil man dazu natürlich farblich passende, schmale Schuhe trägt, „darf die Hose auch schon etwas über der Absatzkante enden.“ Oder hier: „Slip-Ons sind die neuen Sneaker.“ Allerdings „dürfen sie nur vorm Wochenende mit Augenzwinkern, aber ohne Socken getragen werden.“

Apropos Augenzwinkern: Das kommt zwar im Text vor, aber nicht im Heft. Ironie und Tipps zur Vollbartpflege passen einfach nicht zusammen. „Statt vorgekauten Mainstream zu servieren“, schreibt Chefredakteur Joern Kengelbach im Editorial, „schauen wir über den Tellerrand der Norm hinaus“. Was er darunter versteht, erklärt er sogleich: „Ich zum Beispiel habe das Einstecktuch neu für mich entdeckt.“ Potzblitz, Herr Kengelbach! „Nicht zum Anzug, sondern zu Sakko und Shirt“, schreibt er weiter. Diese „einfachste Form, sein Stil-Level zu erhöhen“, stehe „nicht im Benimmführer, funktioniert trotzdem.“ Angesichts solcher Humorlosigkeit, dieses Ex-cathedra-Poser-Journalismus, wünscht man sich fast den mackerhaften, aber immerhin leidlich (selbst)ironischen Ton von Magazinen wie FHM und Maxim zurück.

Manual ist kein Heft für Hipster, sondern für Immobilienmakler, die gern Hipster wären. Es setzt keine Trends, sondern hechelt ihnen hinterher. Dazu passt hervorragend, dass das von der G+J-Sparte Corporate Editors herausgegebene Manual mit H&M kooperiert. 150000 Männer, die bei der schwedischen Klamottenkette etwa den in einer kaum als solche erkennbaren Anzeige auf Seite 82 angepriesenen „sportlichen Parka aus Baumwolle“ (39,99 Euro) kaufen, erhalten Manual derzeit gratis dazu. Bei einer Druckauflage von 160000 Exemplaren werden also nur die wenigsten den Verkaufspreis von 3,80Euro für Manual zahlen.

Weil Matt das neue Hochglanz ist, dominiert in Manual eine Manufactum-Ästhetik, die hervorragend mit dem Rasiermesser mit Rosenholzgriff und den Vintagemöbeln des Münchner Architekten Sascha Arnold harmoniert, der ordentlich Geld in seine Mietwohnung gesteckt hat. „Mit 15000 bis 20000 Euro für einen Umbau kann man viel zum Positiven ändern“, sagt er. Aus Versehen doch zur Architectural Digest gegriffen? Entbehrlich auch Tipps wie diese: „Einen Fachmann kann sich jeder suchen. Es gibt genügend Architektur- und Innenarchitekturbüros, die sich auf solche Sanierungen spezialisiert haben.“ Wie soll man das nennen? Placebo-Nutzwertjournalismus? Die Texte sind kurz (weil echte Männer nicht viele Worte machen?), Tiefe haben sie wahrlich nicht.

Die zweite Ausgabe von Manual erscheint erst im September – das kann die Redaktion ihrer Zielgruppe doch nicht antun! Am Ende muss in der Zwischenzeit doch wieder Mutti ran.

Für „charakterstarke“ und „trendbewusste“ Männer soll Manual laut Werbung sein, tatsächlich hechelt das neue Magazin auf seinen 132 Seiten für 3,80 Euro dem Trend hinterher.

„Versteh’ mich nicht falsch“

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Die Musiker aus dem West Eastern Divan Orchestra des Dirigenten Daniel Barenboim stehen für Toleranz und Aussöhnung. Sie kommen aus den Palästinensergebieten, Libanon, Syrien, Iran, Jordanien, Ägypten und Israel. Kommende Woche will das Nahost-Ensemble auf Welttournee gehen, die in Buenos Aires beginnt und am 24. August auf Berlins Waldbühne endet. Doch in den vergangenen Wochen hat sich das Klima unter den jungen Musikern verändert. Der Gaza-Krieg lässt auch sie nicht kalt. Einige von ihnen hatten sich auf Facebook derart in Rage geschrieben, dass Barenboim sich gezwungen sah, einen Versöhnungsappell zu verschicken. In einer E-Mail bat er seine Musiker, sich einer Kunst zu besinnen: „der Kunst des Zuhörens und des Verstehens“. Gerade in Kriegszeiten müsse das Orchester bleiben, „was es ist: ein Leuchtturm der Hoffnung“. Der Israeli Asaf Levy, 31, und der Libanese Georges Yammine, 35, spielen beide unter Barenboim die zweite Geige. Kurz vor ihrem Abflug nach Argentinien hat die Süddeutsche Zeitung sie in Berlin zu einem friedlichen Streitgespräch gebeten.



Das West Eastern Divan Orchestra, junge Musiker aus dem Nahen Osten, schreibt sich bei Facebook in Rage.

SZ: Daniel Barenboim hat kürzlich gesagt: „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht traurig werde wegen dieses Konfliktes.“ Was empfinden Sie, wenn Sie die Bilder des Gaza-Kriegs verfolgen?
Georges Yammine: Dass dieser Konflikt nicht mal zum Ende kommt, macht mich sehr traurig. Wenn es still ist, ist es im Grunde immer nur ein Waffenstillstand. Es kann jederzeit immer wieder explodieren, das zeigt auch jetzt der Gaza-Krieg.

Wie geht es Ihnen, Asaf Levy?
Asaf Levy: Sehr schlecht. Ich bin sehr, sehr frustriert, das ist jedesmal eine Runde mit dem Kopf gegen die Wand. Es ist wie ein Auto, das im Matsch feststeckt: Man gibt immer mehr Gas, und das Auto versinkt noch tiefer im Schlamm. Alle haben Angst vor dem anderen. Man steht in Jerusalem in der Straßenbahn und denkt über den anderen: Bringt der mich jetzt um?

Wir wollten auch den israelisch-arabischen Autor Sayed Kashua interviewen. Er ist aus Israel weggezogen und lebt jetzt in Chicago. Aber er schrieb, er könne keine Interviews mehr geben, „ich bin ausgelaugt vom Konflikt“.
Levy: Genauso empfinde ich auch. Ich bin einfach nur noch unendlich müde. Dass Kashua Israel verlässt, ist deprimierend. Er ist ein Top-Produkt aus Israel, ein israelischer Araber, der es geschafft hat, Filme macht, Bücher schreibt. Er geht, weil er keine Hoffnung mehr hat. Wie furchtbar!

Wie halten Sie sich auf dem Laufenden?
Levy: Ich telefoniere mit meiner Familie, surfe im Internet, lese Nachrichten, Facebook-Einträge. Die sozialen Medien sind voll, voll, voll mit Meinungen.
Yammine: Ich lese, was die Palästinenser schreiben, die mitten im Krieg sind. Eine Palästinenserin schreibt in einem Blog aus dem Gazastreifen über Bomben, die gerade gefallen sind, und ein paar Minuten später schreibt sie, wie viele Tote die Bombe verursacht hat. Israel will seine Bevölkerung verteidigen, aber es will auch demonstrieren: Wir sind stark! Wir beschützen euch! Aber diese Stärke wird so extrem eingesetzt, dass es die Angst vergrößert bei Israelis. Die sitzen vor ihren Fernsehern, sehen die massiven Einsätze und müssen denken: Das lässt sich nur so lösen und nicht mit politischen Verhandlungen.

Soll Israel verhandeln, während Hamas Raketen auf Israel abfeuert?
Yammine: Verhandeln kann man natürlich erst, wenn die Waffen ruhen. Aber es gibt ein großes Missverhältnis. Hamas schießt 1000 Raketen auf Israel, und die israelische Armee findet, sie müsse das jetzt mit 100000 Bomben vergelten.

Tatsächlich gibt es ein großes Ungleichgewicht bei den Opferzahlen. Über 1000 Palästinenser sind bislang getötet worden und auf israelischer Seite 43 Soldaten und zwei Zivilisten.
Yammine: Das meine ich ja mit der heftigen Reaktion. Es ist egal, ob einer getötet worden ist oder 1000, jedes Leben zählt. Es gibt kein militärisches Gleichgewicht. Man kann die Ungenauigkeit der palästinensischen Raketen nicht mit der hochtechnifizierten militärischen Ausrüstung der israelischen Armee vergleichen.
Levy: Ungenauigkeit? Es sind israelische Zivilisten durch die Raketen der Hamas verletzt und getötet und Häuser zerstört worden. Die Raketen haben sogar den Flugbetrieb in Israel fast zum Erliegen gebracht.
Yammine: Ich meine ja nur, wenn ein Israeli getötet wird, dann glaubt die israelische Armee, sie müsse 100 Palästinenser töten, das steht doch in keinem Verhältnis.
Levy: Auch wenn du das vielleicht nicht glauben willst: Israel führt keinen Krieg gegen die Palästinenser, Israel möchte keine zivilen Opfer. Die Hamas soll getroffen werden, aber man sieht die Hamas-Opfer nicht, weil die Hamas nur Bilder von zivilen Opfern erlaubt. Ich glaube auch nicht, dass sich Israel entschuldigen muss, weil bis jetzt nicht genug Israelis getötet wurden. Israel kann doch nicht sagen: Okay, heute machen wir keinen Raketenalarm und lassen alle Kinder im Kindergarten spielen, dann kriegen wir 20 tote Kinder. Das wäre vielleicht gut für die Statistik, aber es wäre auch verrückt, so zu denken. Israel hat eine Raketenabwehr, Schutzräume und Sirenen, die vor Raketen warnen. Die Hamas dagegen versteckt sich in Wohnhäusern, Blindenschulen, in UN-Einrichtungen und lagert ihre Raketen unter Krankenhäusern.
Yammine: Ich verlange doch gar nicht, dass Israel seine Kinder nicht in Schutzräume schicken soll. Aber Israel bombardiert Gaza mit einer Hemmungslosigkeit, dass an einem Tag Dutzende Menschen ums Leben kommen. Ach! Genug geredet.

Aber wir sind doch hier, um zu reden. 2005 wurde Gaza von den jüdischen Siedlern geräumt, Herr Yammine. Dennoch wird Israel von dort aus beschossen, und Zementlieferungen werden zur Verstärkung der Tunnel verwendet.
Yammine: Ein Palästinenser, der im Gaza-streifen lebt, kann darauf besser antworten als ich. Aber sie sind einfach nicht in der Lage, etwas aufzubauen, denn sie haben keine wirtschaftlichen Strukturen.

Den Zement könnte Hamas für den Bau von Schulen verwenden und nicht zur Verstärkung von Waffentunnelwänden.
Yammine: Selbst wenn einer einverstanden ist, mit Israel zu kooperieren, gibt es zehn, die dagegen sind. Sie sind sich nicht einig, jeder möchte etwas anderes. Palästinenserpräsident Machmud Abbas etwa sagt, Israel könne durch Raketen nicht besiegt werden, schon bezeichnet ihn Hamas als Verräter. Hamas wiederum müsste begreifen: So einen Konflikt zu starten mit Tausenden Raketen, das hat viele Opfer zur Folge. Die haben sich vielleicht gesagt: Israel wird nicht heftig zurückschlagen. Israel nennt das ja Verteidigung, aber Verteidigung ist ein bisschen untertrieben. Das ist Angriff, was Israel da macht.

Wie müsste sich Israel bei über 1500 Hamas-Raketen verteidigen, dass Sie nicht von einem Angriff Israels sprechen?
Yammine: Nicht mit über 1000 palästinensischen Toten in drei Wochen. Verteidigung findet an der Frontlinie statt.
Levy: Und wo verläuft die hier?
Yammine: Versteh’ mich nicht falsch, ich will jetzt nicht die Raketen der Hamas verteidigen, aber...
Levy: ... aber die Hamas sagt den Frauen und Kindern, sie sollen auf die Dächer ihrer Häuser gehen, um ihre Häuser zu schützen. Hamas missbraucht die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde.
Yammine: Ich verstehe ja auch nicht, warum Hamas das macht, die wissen doch, dass Israel zurückschlagen wird mit voller Kraft. Aber Israel könnte ein wenig weniger zurückschlagen.
Levy: Genau das hat Israel ja versucht. Am Wochenende hat Israel aufgehört zu bombardieren. Und was war? Hamas hat Israel mit Raketen bombardiert. Dann frage ich mich: Was will Hamas? Ihre Bevölkerung beschützen oder verrückt-religiös bis zum letzten Kampf als Märtyrer sterben? Es tut mir weh, es ist schrecklich, es deprimiert mich, dass es auf palästinensischer Seite über 1000 Tote gibt, aber die Palästinenser sind Geiseln der Hamas.

Was bringt Ihr Orchester eigentlich?
Yammine: Das ist ein Bild, mehr ist es nicht. Wir können die Welt mit unseren Noten nicht retten, egal wie gut wir spielen. Wir wollen ein Bild sein, für Frieden und Verständigung. Früher hatten wir eine Mission, heute sind wir die Mission. Im Orchester müssen wir manchmal rhythmisch gegeneinander spielen, aber trotzdem hören wir uns immer gegenseitig zu.
Levy: Politiker sollten Völker nicht gegeneinander aufhetzen, aber genau das tun sie, beide Seiten. Mit unserem Orchester zeigen wir, dass es anders geht. Wir Juden, Muslime, Christen aus Libanon, Syrien, Ägypten, Jordanien und Israel werden jetzt einen Monat zusammen sein und zeigen: Wir können zusammen sein.

Und über den Gaza-Krieg streiten?
Yammine: Na klar, das ist ja auch eine gute Gelegenheit. Als Libanese hat man ja eigentlich keinen Kontakt zu jüdischen Israelis. Wir streiten, aber wir sind alle gegen eine gewalttätige Lösung.
Levy: Barenboim sagt ja immer: Wir stimmen darin überein, dass wir nicht übereinstimmen.

Welchen Schluss ziehen Sie aus dem Gaza-Krieg?
Levy: Auch wenn Hamas morgen aufhört zu schießen, was haben die gewonnen? Nichts.
Yammine: Israel wird aber auch niemals der Gewinner sein.
Levy: Da gebe ich dir recht. Sind wir durch den Gaza-Krieg einem Frieden näher gekommen? Nein. Können Israel und die Palästinenser jetzt besser kommunizieren? Nein.

Digitales Durcheinander

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Das Ausfüllen eines Bafög-Antrags mit bis zu zehn einzelnen Formblättern und Anlagen zählt nicht zu den heitersten Momenten des Studentenlebens. Und es ist kompliziert: Der Student muss sein Leben, seine Einkünfte und die seiner Familie komplett offenlegen. 90Prozent der Anträge sind nicht komplett oder fehlerhaft, sagt das Deutsche Studentenwerk (DSW). Fast alle Länder lassen das Bafög von den Studentenwerken verwalten. Dass junge Leute immer wieder von Verzögerungen beim Antrag berichten, liege nicht nur am starken Andrang an den Hochschulen – oft führten „unvollständige Anträge zu einer schleppenden Bearbeitung“. Der Normenkontrollrat, das im Bundeskanzleramt angesiedelte Anti-Bürokratie-Gremium, beschied bereits vor Jahren: „Durch ein Online-Verfahren kann die Beantragung und Bearbeitung erheblich vereinfacht werden. Eine echte Win-win-Situation für Studierende und die Behörden. Hier ist vor allem ein koordiniertes Vorgehen der Länder gefordert.“ Wenn das so einfach wäre.



Es gibt schönere Zeitvertreibe als das Ausfüllen eines Bafög-Antrages.

Als Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) vergangene Woche Eckpunkte für ihre Bafög-Reform präsentierte, fanden sich darunter nicht nur eine Erhöhung des Höchstsatzes und andere Besserungen – sondern auch eine unmissverständliche Aufforderung: „Die Länder werden verpflichtet, bis zum August 2016 elektronische Antragstellungen zu ermöglichen und entsprechende Online-Formulare als Web-Anwendung bereitzustellen.“ Auch wenn der Bund im kommenden Jahr die Kosten fürs Bafög alleine übernimmt, der Vollzug der Leistung bleibt Ländersache; also auch die Überführung der Förderung ins Online-Zeitalter.

Bernhard Börsel, Referatsleiter beim DSW, sagt: „Studenten sind die wohl internaffinste Gruppe, die derzeit in Deutschland lebt. Wenn sich nicht jetzt was tut, wann dann?“ Der Vorteil liegt auf der Hand: Wie bei elektronischen Steuererklärungen kommt man in der Online-Maske nur einen Schritt weiter, wenn nichts vergessen wurde. Zudem gibt es eine Plausibilitätsprüfung – damit nicht im Antrag steht, dass der 188-jährige Vater forstwirtschaftliche Einkünfte von vier Euro hat.

Ob aber die Umstellung – die klassische Schriftform und auch persönliche Beratung sollen fortbestehen – 2016 tatsächlich gelingt, ist fraglich. Es herrscht beim Online-Bafög ein digitales Durcheinander. Derzeit gibt es drei Software-Lösungen. 2005 hatten die Länder ein Verbundprojekt gestartet, jede Regierung sollte an diesem „Bafög21“ mitwirken. Das funktionierte kaum angesichts so vieler Akteure. Berlin, Brandenburg, Hessen, Bayern und Hamburg verließen daraufhin den Online-Bafög-Klub, holten sich ein Produkt aus der Privatwirtschaft. Anders als das staatliche Projekt funktioniert der Digital-Antrag in diesen Ländern heute, wie es heißt. In den anderen zehn Ländern wird Schritt für Schritt getüftelt, Baden-Württemberg hat die Federführung, mancherorts wurde umgestellt. Nur Nordrhein-Westfalen hat eine eigene Lösung, sie soll zu den vorhandenen IT-Strukturen in der Landesverwaltung passen. In Baden-Württemberg warteten bei einer Umstellung 2013 Tausende Studenten auf ihr Geld, auch in anderen Bafög-21-Ländern gab es Klagen. Ob das an der Technik, an der Umgewöhnung oder an Überlastung lag – dazu gibt es verschiedene Interpretationen. Bundesweit werden laut DSW nun gut 30 Prozent der Anträge online gestellt.

Als im vergangenen Sommer die Debatte über eine Bafög-Erhöhung auf dem Höhepunkt war, schrieb DSW-Präsident Dieter Timmermann in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung: „Bis vor Kurzem waren in Verwaltungsvorschriften zur Ausbildungsförderung noch D-Mark-Beträge ausgewiesen. Die IT-Infrastruktur in den Bundesländern ist föderal buntscheckig. Wer hat dafür heutzutage noch Verständnis?“ Das Projekt erinnert an ein digitales Desaster, das die Hochschulen seit Jahren lähmt: ein System für die Studienplatzvergabe. Wegen technischer Pannen wurde der Start des Projekts über Jahre verschoben. Das zentrale Portal ließ sich nicht an die lokale Software der Unis andocken. Inzwischen gibt es Fortschritte. Auch hier boten aber private Software-Anbieter ein besseres Bild als die staatlichen.

Nach Ansicht des Bundes „ist es angesichts der politisch von Länderseite nie in Zweifel gezogenen Sinnhaftigkeit einer baldigen Einführung der Online-Antragstellung realistisch, dass diese bis zum Sommer 2016 flächendeckend möglich sein wird“. So heißt es in der Antwort auf eine SZ-Anfrage. Man werde „auf eine zügige Umsetzung hinwirken“. Ohne technische Missgeschicke, ohne Querelen um Zuständigkeit. Doch liest man Wankas Eckpunkte, könnte man meinen, dass ihr Haus ein bisschen Chaos einplant: Wenn die Anträge trotz allem wieder länger dauern, heißt es, sollten die Studenten einen höheren Vorschuss erhalten als bisher.

Tagesblog - 28. Juli 2014

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17:30 Uhr: Puh. Nachdem ich schwer angefangen habe, wollte ich's ja locker halten. Aber ich habe eben ein paar Texte von jetzt-Userin PfannenStil gelesen (daher auch das Loch im Tagesblog). Sie erzählt von einer Beziehung, die unter einer einer ungeplanten Schwangerschaft zerbricht. Und eigentlich wollte sie offenhalten, was aus dem Kind wurde.

Dann entschied sie sich doch anders - und erzählt hier von einer sehr, sehr großen Entscheidung.





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16:25 Uhr:
Und namensmäßig durchaus passend:

http://www.youtube.com/watch?v=N-AuIPNeAXI

Das ist nun ersten alt, zweitens schon lange aufgelöst und drittens ziemlich albern. Aber: Schlagzeug spielt da zum Beispiel Benny Greb, der, das kann man drehen und wenden wie man will, einer von Deutschlands besten Trommlern von der Welt ist.

Und singen und Gitarre spielen tut übrigens Pensen. Und der ist schon auch ziemlich gut!

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16:20 Uhr:
@naptime-Kommentar: Nimm das!

http://www.youtube.com/watch?v=epUk3T2Kfno

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15:20 Uhr:
Auf vielfachen Wunsch: MEHR HASS!!!!!!

Ich sage ja: Hauptsache Hass. Das Thema ist mir beinahe schon egal. Aber wen's interessiert: Anglizismen it is!




Hate it - bitch!

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14:24 Uhr:
Hört, hört, hört! Das beinahe unerträglich wunderbare "Das Buch als Magazin" ist bei den Lead Awards nominiert. Und: Sollte gewinnen! Sage: Ich!

Das ist nun freilich schamlose Werbung, weil da recht naher Kollegenkreis am Werk ist. Aber das ist mir Wurscht! I'm The Tagesboss! I can do anything!

[plugin imagelink link="http://www.dasbuchalsmagazin.de/images/teaser_traumnovelle.jpg" imagesrc="http://www.dasbuchalsmagazin.de/images/teaser_traumnovelle.jpg"]
Quelle: http://www.dasbuchalsmagazin.de/

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14:02 Uhr:
So, wenn hier jetzt dann gar nix mehr passiert, dann könnt ihr euch bei JosephineKilgannon bedanken.

Die hat nämlich dieses verdommichte Spiel mit dem Quadrate verschieben gepostet und damit wohl unser aller Zeitplanung über den Haufen geworfen. Na vielen Dank auch! Und bis später ...

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13:36 Uhr:
Für mich war das immer eine leere Sprachhülse: "Gerade für Krisengebiete haben soziale Netzwerke eine immense Bedeutung." Seit die Kollegen sich aber von jungen Menschen aus Gaza, Tel Aviv oder Bethlehem haben erzählen lassen, welche Bedeutung ihre Handys angesichts des Krieges haben, kapiere auch ich es.





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13:31 Uhr:
Hier hat es sogar etwas zutiefst Rationales:




Gesehen in Wien

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13:25 Uhr:
Persönlich jetzt also: Man behauptet allenthalben, ich hätte eine sehr laute Stimme. Ich kann das nicht ganz leugnen, behaupte aber, dass es Dinge gibt, bei denen es sinnvoll ist, sie mit Schmackes in die Welt zu tragen. Das hier zum Beispiel:

http://www.youtube.com/watch?v=OSRVbbbaSFE

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12.27 Uhr:
Essen jetzt. Danach wird's dann persönlich, gell, junge Freunde!

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12.22 Uhr:
Das schöne am Tagesboss sein: Die Lieblings-Charlotte schickt einem dauernd tolle Links. Auf die DJs bin ich nämlich über diesen Hier gekommen:

[plugin imagelink link="https://pbs.twimg.com/media/Bti6u9WIIAAj9tO.jpg:large" imagesrc="https://pbs.twimg.com/media/Bti6u9WIIAAj9tO.jpg:large"]
Quelle: http://www.blogrebellen.de

Das ist freilich großer Blödsinn - aber in schön!

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11:51 Uhr:
Ich habe es immer gewusst:

Sensationelle Enthüllung: Alle DJs bekommen während ihrer Sets geheime Anweisungen über die Kopfhörer
.




Auch er ist beteiligt: ein DJ - Abbildung ähnlich.

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10:58 Uhr:
Meine absolute Lieblingsstelle im Interview mit Beatsteaks-Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß (problematischer Name für Journalisten übrigens; auf wie viele Arten man den falsch schreiben kann - da wirst du deppert ...):




Beatsteaks

Frage: Welche Punkte waren für den Erfolg entscheidend?
Antwort: "Punkt eins: Wir haben irgendwann gesagt, dass wir das mit den Nebenjobs mal lassen und nur noch die Band machen. Punkt zwei: Wir haben diesen Typen namens Moses Schneider aufgesucht. Weil der geil sein sollte. Punkt drei: Wir haben mit Moses Schneider ein Album gemacht, und der Song 'Hand in Hand' wurde in der Mitte doch nicht gekürzt – das Solo ist geblieben. Punkt vier: Wir haben das Erfolgsalbum und damit uns selbst nie wiederholt. Das war’s. Seitdem ist die Spitze des Erfolgsbarometers eigentlich auch schon erreicht."

So einfach ist das also ...

++++

10:55 Uhr:
Spinnst du, war das eine lange Konferenz. Aber kreativ!

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10 Uhr:
Vor der Konferenz noch schnell auf den Ticker hinweisen - zefix hätte ich gerne ein bis zwei Arme mehr. Und ein zusätzliches Hirn, um sie zu verwalten.

Picknick-Tipps bitte. Schnell! Lecker!

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9:40 Uhr:
Vielleicht also sehr langsam leichter werden in den Themen:

Mit dem Bams-Vizechefredaktuer Nicolaus Fest sind die Pferdchen etwas durchgegangen am Wochenende. Bisschen Islam-Hetze unter dem Deckmäntelchen des Liberalismus'. Kent man ja. Neu ist aber, dass sogar Bild-Chefredakteur Kai Diekmann auf Distanz gegangen ist. Frage mich, ob die eine interne Punkteliste haben:

Shitstorm bis 250.000 Hasskommentare: 3 Punkte
Shitstorm mit mehr als 250.000 Hasskommentaren: 5 Punkte
Erster im Alltagsrassismus-Bullshit-Bingo: 8 Punkte
Kai Diekmann erschrecken: 10 Punkte

Ab 1000 Punkten empfiehlt man sich für eine leitende Position.

++++

9:35 Uhr:
Ich bekomme diese Meldung hier seit der sz.de-Konferenz nicht mehr aus dem Kopf:

Drei Männer haben in Regensburg eine Frau in ein Auto gezerrt, sind ein paar Minuten gefahren, haben sie vergewaltigt und danach nackt dort zurückgelassen, wo sie sie entführt hatten.

Keine Ahnung, was ich nach diesem Satz schreiben soll.

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9:10 Uhr:
Guten Morgen liebes jetzt.de. Weil ich mich soooooo sehr drüber freue, gleich noch mal das erste Video vom jetzt.de-Parkbank-Konzert mit Lasse Matthiessen, Tex und TV Noir. Himmelherrgott, finde ich das toll ...

http://www.youtube.com/watch?v=c-vTGcqvOJA

Dann gleich mehr. Muss hier noch einen Moment meinen Kram sortieren - im Kopf und in Echt.

"Es gibt keine größeren Beatsteaks-Fans als uns!"

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jetzt.de: Arnim, wenn man derzeit durch Berlin geht, trifft man überall auf dein Gesicht, zusammen mit dem Slogan „Gentleman of the Year“, der Name eurer neuen Single. Ihr seid quasi omnipräsent. Man könnte also sagen . . .
Arnim Teutoburg-Weiß: . . . dass die Plattenfirma ihren Job macht! (lacht)
. . . und vielleicht auch: Ziel erreicht!
Wir wollen schon, dass man unseren Kram mitbekommt, ja. Und die Plakate sehen jetzt ja auch ganz gut aus.

Wolltet ihr schon immer so groß wie möglich werden?

Hmm, so groß wie möglich . . . nein, darauf haben wir es eigentlich nie angelegt und machen es auch jetzt nicht. Dazu wollen wir viel zu sehr anders sein. Klar, wir hatten nie Angst davor, Popmusik zu spielen und generell über den Tellerrand einer Rockband zu sehen. Aber wir tun nicht alles dafür, dass 80 Millionen Deutsche die Beatsteaks kennen.

Gab es ein anderes, übergeordnetes Bandziel?
Wir wollten immer eine Band sein, die wir selber richtig geil finden. Das haben wir geschafft. Es gibt keine größeren Beatsteaks-Fans als uns!



Der Berliner Arnim Teutoburg-Weiß (Mitte) ist Gitarrist, Sänger und Fan der Beatsteaks.

Man sieht sich ja selbst nicht beim Großwerden zu, aber wenn du die vergangenen zehn Jahre überblickst: Was waren die wichtigsten Punkte, was hat zum Erfolg geführt?

Punkt eins: Wir haben irgendwann gesagt, dass wir das mit den Nebenjobs mal lassen und nur noch die Band machen. Punkt zwei: Wir haben diesen Typen namens Moses Schneider . . .
. . . den Produzenten und Studiobetreiber in Berlin . . .
. . . aufgesucht. Weil der geil sein sollte. Punkt drei: Wir haben mit Moses Schneider ein Album gemacht, und der Song „Hand in Hand“ wurde in der Mitte doch nicht gekürzt – das Solo ist geblieben. Punkt vier: Wir haben das Erfolgsalbum und damit uns selbst nie wiederholt. Das war’s. Seitdem ist die Spitze des Erfolgsbarometers eigentlich auch schon erreicht.

Was wollt ihr jetzt noch?
Dass uns unsere Musik weiterhin gefällt. Dann weiß ich, dass wir glücklich sind.
Wart ihr das nicht immer in der Vergangenheit?
Es gab schon auch Phasen, in denen wir uns wahnsinnig gemacht haben und auch der Ego-Kampf mal ausbrach. Damit sind wir aber durch. Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, den man nicht so leicht erreicht. Weil man nicht so leicht durchhält bis hierhin. Jetzt haben wir gerade 80 000 Tickets für eine Tour verkauft, die noch nicht mal plakatiert ist. Es läuft extrem gut. Wir müssen eigentlich nur noch darauf aufpassen, dass wir nicht abheben.

Der Pop hat euren Erfolg gesichert, oder?
Pop ist für mich auf jeden Fall kein Schimpfwort. Gute Popmusik muss auch nicht unbedingt eine Öffnung der breiten Masse gegenüber sein. Die Smiths haben sich darüber bestimmt keine Gedanken gemacht und sind trotzdem eine der größten Popbands aller Zeiten geworden. Auch viele andere Bands, von Nirvana bis Outkast, haben nicht unbedingt die Punk-Flagge geschwungen, sondern ihr eigenes Ding gemacht. Genau wie The Clash. Die haben feinste Popmusik gemacht und sich trotzdem nicht selbst verraten. Das sind große Vorbilder.

Punk, hatte man bisher den Eindruck, war bei euch eher eine Attitüde.
Genau. Wenn ich mir unsere erste Platte anhöre, wollten wir damals alles sein, am liebsten zehn Bands auf einmal. Im Laufe der Zeit haben wir dann unser eigenes Ding gemacht.

Sprecht ihr im Proberaum darüber, ob an bestimmten Songs noch etwas gedreht werden sollte, damit sie im Radio gespielt werden?

Nein. Wir haben gelernt, dass so was immer nach hinten losgeht. Über die Songs, die von uns im Radio liefen, haben wir nicht nachgedacht. Und die Songs, über die wir tatsächlich nachgedacht haben, haben nicht funktioniert. Deswegen nehmen wir zum Beispiel auch das Wort „Single“ nicht in den Mund, bevor ein Album fertig ist. Auch das Management und die Plattenfirma müssen uns bis dahin mit solchen Dingen in Ruhe lassen – sonst gibt’s Ärger.

Warten die Leute vom Label mit ihren Single-Fragen wirklich so lange?
Ja, bis auf ein Mal. Eben bei diesem „Hand in Hand“. Da wollte jemand das Solo rausschneiden. Das haben wir natürlich nicht mitgemacht. Ist aber alles längst verziehen.

http://www.youtube.com/watch?v=vTreZYI1a2A Das Video zu "Gentleman of the year".

Redet ihr mit erfolgreichen Kollegen wie Seeed oder Jan Delay übers Geschäft?
Nein. Wenn ich Pierre (Baigorry, Seeed-Sänger; Anm. d. Red.) treffe, reden wir darüber, was er gerade macht und was wir gerade machen. Und dann spielen wir uns die Sachen gegenseitig vor. Wir sind alle zu sehr mit unserer Musik beschäftigt, als dass wir das Geschäft zum Thema machen. Ich meine: Wir leben unseren Traum! Unsere Band ist unser Beruf geworden, und das nur, weil wir uns dafür den Arsch aufgerissen haben. Wenn man meine Frau nach den Beatsteaks fragt, sagt sie: „Der Typ ist nie da – immer ist die Band wichtiger!“ Weil wir einfach arbeiten wie blöde. Aber reflektieren? So viel Zeit habe ich gar nicht.

Gibt es etwas, das du an deinem Job nicht magst?

Ich mag nicht, dass ich nicht mitkriege, dass meine Tochter schon das ein oder andere Wort sagen kann. Und dass Freundschaften unter dem Banddruck leiden. Peter, unser Gitarrist, ist mein bester Freund, aber ich habe manchmal nichts von ihm, weil wir jeden Tag nur über Moll- und Dur-Akkorde reden. Insgesamt haben wir es jetzt aber schon besser raus, uns um unsere Familien und Freunde zu kümmern, als noch vor fünf, sechs Jahren.

Woraus habt ihr gelernt?
Der Unfall unseres Drummers Thomas hat alles gerade gerückt. Seitdem haben wir wirklich versucht, jeden Bullshit in unseren Leben irgendwie zu vermeiden.

Er ist im Sommer 2012 so schwer gestürzt, dass nicht klar war, ob er je wieder Schlagzeug spielen könnte. Du hast mal gesagt, dass du dich seither ernsthaft erwachsen fühlst.

Ja, das stimmt. Es war dieses ganze eine Jahr, das viel verändert hat. Meine Tochter wurde geboren und Thomas ist ganz schlimm aufs Maul gefallen. Das war alles so krass. Seitdem bin ich auf jeden Fall erwachsen.

Wie drückt sich das aus?
Darin, dass ich nicht mehr so viel über mich selbst nachdenke. Ich bin eher damit beschäftigt, mich um andere zu kümmern, auf andere zu achten. Und mir geht’s gut damit. Ich bin glücklich.

Hast du seit dem Unfall nicht auch mehr Ängste?
Zumindest ist mir alles irgendwie bewusster geworden. Klar, wenn man ein Kind in die Welt setzt, hat man auf jeden Fall immer Angst. Aber es ist auch voll schön. Ich habe vor allem Respekt vor unserer Zeit. Die ist kurz, und ich will sie nutzen.

Das Album „Beatsteaks“ erscheint am Freitag.

Der Alte

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Ich glaube, es war in der elften Jahrgangsstufe, als Dose zu uns in die Klasse kam. Ich hatte immer gedacht, Dose sei sein Nachname. Als die Lehrerin jetzt seinen wirklichen Nachnamen von der Klassenliste ablas und er sich meldete, erfuhr ich, dass dem nicht so war. Er erklärte mir später, Dose sei sein Spitzname, weil es eine Phase in seinem Leben gegeben habe, in der er sehr viel Dosenbier getrunken habe. Ich war sehr beeindruckt. Vom Dosenbier, und auch von seiner Formulierung – „eine Phase in meinem Leben“. Das klang sehr erwachsen. Als ich das nächste Mal mit meiner Clique an den See ging, packte ich Dosenbier ein. Die Mädchen fanden das gut.  

Schon an diesem ersten Tag habe ich also etwas von Dose gelernt. Zugegeben, es war keine der Premiumlektionen meines Lebens. Aber in der zehnten Klasse war ich über jedes Quantum Eindruck, das ich bei Mädchen machen konnte, sehr froh.   



Keine Ahnung, ob alle Klassenältesten so cool aussahen. Aber man konnte einiges von ihnen lernen.

Dose war drei oder sogar vier Jahre älter als der Rest der Klasse. Er war zwei Mal sitzengeblieben, außerdem hatte er noch ein Schuljahr verloren, weil er ein Jahr in den USA gewesen war. Dose war eine Bereicherung für unsere Klasse. Vielleicht nicht, was unsere Fähigkeiten in Kurvendiskussionen anging. Aber von Dose konnte man viel über das Leben lernen.  

Ich erzähle das, weil gerade wieder eine Diskussion beginnt, die schon oft geführt wurde und wohl noch oft geführt werden wird. Am Dienstag werden in Bayern Zeugnisse verteilt. Auf circa 30.000 dieser Zeugnisse wird Schätzungen zufolge zu lesen sein, dass der Schüler das Klassenziel nicht erreicht hat. Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrerverbands, plädierte am Wochenende dafür, das Durchfallen komplett abzuschaffen. Wenzel hat gute Argumente im Gepäck, seine Gegner auch. Wer Recht hat, soll hier nicht beurteilt werden. Fakt ist: Könnte niemand mehr durchfallen, wäre das komplizierte Theater Klassengemeinschaft um eine Rolle ärmer. Es gäbe es keine Leute wie Dose mehr: die Klassenältesten, die mehrmals ein Jahr wiederholt haben und drei Jahre älter sind.

Denn wenn man ein Teenager ist, sind drei Jahre ein ziemlich großer Unterschied. Man spricht als 15-jähriger nicht mit einem 18-Jährigen aus der Kollegstufe, es sei denn, der hat einem den Turnbeutel weggenommen und man bettelt um Rückgabe. Mit dem Klassenältesten aber ist plötzlich jeden Tag einer aus dieser fremden Gruppe der Älteren da. Er ist das Bindeglied in deren Welt, er hilft einem über unsichtbare Grenzen hinweg. Auf dem Schulfest kann man neben ihm stehen, wenn er mit dem Mädchen spricht, das zwei Klassen über einem ist – und vielleicht auch für einen Moment ihr Interesse wecken. Wenn man mit ihm am Kiosk steht, wird man nicht sofort von den breitschultrigen Jungs aus der Oberstufe weggedrängt. Der Klassenälteste weiß, wie man den Kronkorken des Paulanerspezi mit einem Textmarker bis an die Decke schießen kann. Er darf schon bei der Bundestagswahl wählen. Er fährt mit dem Auto vor der Schule vor, wenn man selbst noch auf den ersten Roller spart. Er erzählt von einem Freund, der begeistert von seinem Medizinstudium ist, wenn man selbst gerade mal damit begonnen hat, sich über die Wahl der Leistungskurse in der Oberstufe Gedanken zu machen.  

Das alles sagt natürlich nichts darüber aus, ob der Klassenälteste wirklich so ein toller Hund war. Wahrscheinlich war er nicht immer die Hilfsbereitschaft in Person und gab jeden Tag Unterricht in Coolness. Und ganz sicher gab es unter den mehrfach Durchgefallenen auch viele, die vor allem faule und eher traurige Gestalten waren. Aber selbst von denen konnte man was lernen, einfach weil sie drei Jahre älter waren. Sie wussten und durften schon so viel mehr, dass es schon reichte, sie um sich zu haben und zu beobachten. Sie zeigten einem jeden Tag, was für einen Unterschied drei Jahre machen können. Was einen in der eigenen Zukunft erwartet. An Gutem und an Schlechtem.

Der Krieg in der Hosentasche

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Walaa, 21, Englischstudentin aus Gaza
 
Heute morgen hat mich wieder eine Explosion geweckt. Ich bin aufgesprungen und habe aus meinem Fenster geschaut. Nichts zu sehen. Aber der Einschlag klang sehr nah. Ich habe auf Twitter geschaut, was passiert ist. Dort überschlugen sich die Nachrichten, wie immer in den letzten Wochen. Als ich das dritte Mal auf „aktualisieren“ klickte, stand dort plötzlich der Name einer Freundin von mir. Jemand schrieb, sie sei bei einem israelischen Angriff getötet worden. Ich habe sofort ihre Familie angerufen. Sie lebt. Zum Glück stellen sich Nachrichten manchmal als Gerücht heraus.  
Gestern hatten wir wieder nur vier Stunden Strom. Dann funktioniert der Fernseher nicht. Mein Handy ist deshalb mein wichtigster Begleiter. Ohne es wüsste ich oft nicht, was in Gaza passiert. Raus kann ich nur selten. Zu gefährlich, sagen meine Eltern. Deshalb verbringe ich meine Tage auf Twitter und Facebook. Weil ich Englisch spreche, kann ich auch internationale Nachrichten lesen. Ich schaue auch, was die israelische Armee postet. Neulich schrieb einer der Sprecher, dass Israel sich um die Verletzten in Gaza kümmere. Davon habe ich bisher nichts gesehen. Im Gegenteil. Vor ein paar Tagen habe ich ein Krankenhaus besucht. Der Anblick war schrecklich: Es gibt nicht genug Platz für die Verwundeten, die Ärzte sind überfordert. Ich habe das Gefühl, dass über soziale Medien viel Propaganda verbreitet wird. Sowohl von Hamas als auch von Israel.
Protokoll: Theresa Breuer

Screenshots von Walaas Smartphone:
[plugin bildergalerie Bild11="Auszug aus Walaas Twitter-Feed" Bild14="Auszug aus Walaas Facebook-Feed: Gaza weiterhin im Widerstand. Bis jetzt 630 Tote und 4010 Verwundete / Wir laden internationale Organisationen ein, medizinische Einrichtungen zu beschützen. Die Umgebungen von Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen werden bombardiert."]

[seitenumbruch]



Yael, 31, Architektin aus Tel Aviv
 
Eine Eilmeldung jagt die nächste: Raketenalarm in Tel Aviv. 600 Tote in Gaza. Soldat vermisst. 30.000 bei Beerdigung. Keine Minute, in der mein Handy nicht klingelt. Jedes Piepsen eine weitere Nachricht vom Krieg. Seit Wochen dreht sich jedes Gespräch darum. Mit meinen Freunden, meinen Arbeitskollegen, sogar meiner Putzfrau. In die WhatsApp-Gruppe meiner Familie schaue ich schon gar nicht mehr, weil meine Schwester ständig Videos postet, die Explosionen in Gaza zeigen und sich gegen den Armeeeinsatz wenden. Jede Nachricht deprimiert mich mehr. Gleichzeitig fühle ich mich schuldig, deprimiert zu sein. Ich weiß ja, dass es den Menschen in Gaza viel schlechter geht als mir.  

Dieser Sommer hätte so schön werden sollen. Seit Monaten arbeite ich an meinen Abschlussprojekt für mein Architekturstudium. Letzte Woche ist es endlich fertig geworden. Freuen kann ich mich kaum. Was für einen Sinn hat es, sich mit dem Aufbau von Dingen zu beschäftigen, wenn man in einem Land lebt, das nur Zerstörung kennt? Das Schlimmste ist: Es wird wieder zu nichts führen. Das ist der dritte Krieg in sechs Jahren. Selbst wenn es bald Waffenstillstand gibt, in zwei Jahren wird wahrscheinlich ein neuer losgehen. Ich habe die Hoffnung verloren, dass sich hier noch mal etwas ändert.  
Protokoll:Theresa Breuer

Screenshots von Yaels Smartphone:
[plugin bildergalerie Bild4="Whatsapp-Chat der Autorin mit Yael" Bild5="Whatsapp-Chat der Autorin mit Yael" Bild6="Whatsapp-Chat der Autorin mit Yael" Bild9="Whatsapp-Chat Yael mit ihrer Putzfrau, die einen Termin absagen möchte, aus Angst vor Ausschreitungen und Demonstrationen in Yaffa: Yael: Meine Freundin ist hier, wenn du dich dann wohler fühlst. Aber ich will keinen Druck ausüben, du entscheidest. / Liat: Ich würde lieber ein oder zwei Tage warten. Die Gegend, in der du lebst, stresst mich und ich fühle mich besser, wenn du zu Hause bist. Was soll ich tun, Yael? Diese Angstattacken machen mich fertig. Ich habe all meine Jobs abgesagt. / Yael: Es ist wirklich kein Problem. Mach dir keinen Stress. Am Freitag bin ich ja zu Hause.)"]

[seitenumbruch]



Sarah, 18, Studentin der Ingenieurswissenschaften aus Gaza 

Ich schlafe nachts nicht mehr. Der Schreck, von einer Explosion geweckt zu werden, ist kaum zu ertragen. Man sollte meinen, nach drei Kriegen würde man kein Herzrasen mehr bekommen. Aber ich gewöhne mich nicht an die Angst. Bei jeder Explosion ist sie wieder da. Deshalb schlafe ich lieber erst gar nicht.  

Nachts haben wir meistens keinen Strom. In diesen Stunden ist mein Handy meine einzige Lichtquelle. Ich lese dann Nachrichten auf Facebook und Twitter. Es ist wie eine Sucht. Jedes Mal, wenn ich den Browser öffne, fürchte ich mich vor mehr schlechten Neuigkeiten. Andererseits will ich die ganze Zeit wissen, was in Gaza passiert.  

Vor einem Monat haben Freunde und ich aus Spaß einen Kurzfilm am Strand gedreht. Wir haben ein paar Kinder gefragt, ob sie Statisten spielen wollen. Drei Wochen später sah ich Fotos von den Jungs auf Facebook. Sie sind an demselben Strand von einer israelischen Rakete getötet worden, an dem wir unseren Film gedreht haben. Als ich das sah, habe ich zum ersten Mal so richtig vor Angst und Wut und Verzweiflung geweint.  

Normalerweise würde ich jetzt meine Semesterferien genießen. Aber ich darf nicht rausgehen. Meine Eltern erlauben mir nur, das Haus zu verlassen, wenn sich Hamas und Israel für wenige Stunden auf eine Feuerpause einigen. Aber auch dann darf ich nur bis zum Supermarkt gehen, der am Ende unserer Straße liegt. Dieses Rumsitzen macht mich wahnsinnig.  
Protokoll: Theresa Breuer


Screenshots von Sarahs Smartphone:
[plugin bildergalerie Bild16="Auszug aus Sarahs Facebook-Feed" Bild17="Auszug aus Sarahs Facebook-Feed" Bild18="Auszug aus Sarahs Facebook-Feed"]

[seitenumbruch]



Hussam, 26, Zahnarzt aus Bethlehem

Sobald ich morgens aufstehe, checke ich mein Smartphone. Den ganzen Tag, bis ich wieder ins Bett gehe. Manchmal wird es mir zu viel. Videos von getöteten Kindern kann ich meist nicht zu Ende sehen. Ich schaue kaum Fernsehen, sondern lese auf Facebook, Twitter, internationale Medien wie CNN oder Regionales wie die Seite der Nachrichtenagentur Ma’an in Bethlehem.

Früher, ohne Smartphone, habe ich während Kriegen und Konflikten nicht so schnell Informationen bekommen. Jetzt bin ich live mit dabei, bekomme Eilnachrichten zum Beispiel über die App „Palästinensische Nachrichten“. Und in den sozialen Netzwerken sehe ich sofort Bilder und Videos. Außerdem habe ich sogar die Möglichkeit, auf der Seiten wie der von „Jewish Voice for Peace“ zu lesen. Das hat meine Meinung geändert, viele Juden wollen in Frieden leben und schämen sich für diesen Krieg.

Ich habe viele Freunde im Ausland, Italien, USA, Deutschland, Australien, die oft fragen, wie es mir geht. Öfter noch, als meine Freunde aus arabischen Ländern. Es macht mich stolz, so viel Unterstützung aus dem Westen zu sehen. Auf Whatsapp hat sich eine deutsche Freundin bei mir gemeldet, die in Tel Aviv studiert und die hier in Bethlehem Swingtanz unterrichtet. Sie wollte wissen, wie es mir geht. Ich habe viele Whatsapp-Gruppen, wir reden ständig über den Krieg.

Aber das machen nicht alle so. Viele haben sich mit der Situation abgefunden, erwarten keine Veränderung und wollen nur ihr Leben leben. Sie chatten über Alltagsdinge und Liebesgeschichten, nicht über Politik. Über Facebook bekommen allerdings auch diejenigen Updates, die gar keine Nachrichten lesen wollten.
Protokoll: Lissy Kaufmann


Screenshots von Hussams Smartphone:
[plugin bildergalerie Bild23="Whatsapp-Chat Hussam mit seiner deutschen Freundin, die in Tel Aviv studiert" Bild21="App Palästinensische Nachrichten: 07:25 Uhr: USA veröffentlicht eine Untersuchung über den israelischen Krieg in Gaza / 07:19 Uhr: 682 Personen in Gaza getötet / 07:18 Uhr: Hamas sagt: Die Annullierung von Flügen nach Israel ist eine Art Sieg" Bild22="Ein Foto, das die Unterstützung aus verschiedenen Ländern für Palästina und Gaza zeigt."]

[seitenumbruch]Yoav, 27, Student der Verhaltenswissenschaften aus Tel Aviv
Nachdem die Sirene in Tel Aviv ertönt, blinkt mein Smartphone. Nicht, wegen der Alarm-App – die habe ich gar nicht installiert. Mein Bruder, meine Schwester und ich schreiben uns nach jedem Alarm in Tel Aviv. „Alle cool?“ oder „Alle am Leben?“ Einmal habe ich nicht gleich geantwortet, weil ich mein Telefon nicht bei mir hatte. Fünf Minuten später hat mich meine Schwester angerufen. Sie hat dann geschrieben: „Bei Yoav ist alles cool.“ Es ist ein Weg, mit dem Alarm umzugehen, sich zu erzählen, was man in dem Moment gerade gemacht hat. In Krisenzeiten wächst der Zusammenhalt. Wir machen das nicht, weil wir wirklich Angst haben, dass etwas passiert ist.

Ich bin fast schon abhängig von meinem Smartphone. Am meisten lese ich auf Facebook, versuche aber, mich aus Diskussionen rauszuhalten. Mein ehemaliger Nachbar, mit dem ich aufgewachsen bin und mit dem ich schon seit Jahren kaum noch Kontakt habe, hat Hassparolen gepostet. Man solle alle platt machen. Er hat linksgerichtete Autoren und arabische Parlamentarier angegriffen. Ich war so schockiert, dass ich ihm geschrieben habe, dass das traurig ist. Er hat versucht, sich zu rechtfertigen und gemeint, wir sollten uns mal wieder auf ein Bier treffen.

Auf Nachrichtenseiten stört mich, dass alle Ressorts sich nur noch mit dem Krieg befassen. Auf X-Net zum Beispiel, einer lokalen Lifestyle-Seite aus Tel Aviv, ging es darum, wie Mädchen damit umgehen, wenn der Ex-Freund eingezogen wurde. Wir hören zu wenig von der anderen Seite, den Menschen in Gaza, und eigentlich kaum noch vom Rest der Welt.
Protokoll: Lissy Kaufmann


Screenshots von Yoavs Smartphone:
[plugin bildergalerie Bild24="News X-Net (rot): Nur nicht mein Ex: Auch wenn die Beziehung beendet ist, zerreißt es mich aus Angst um meinen Ex-Freund, den Offizier im Kampf" Bild25="Facebook-Nachricht (von einem ehemaligen Nachbarn, nachdem Yoav auf seine Hassparolen auf Facebook reagiert hat): Hallo lieber Bruder. Mir ist bewusst, dass die Art meines Posts nicht die respektvollste ist. Aber das ist nur, weil ich traurig und frustriert darüber bin, was in unserem Staat passiert. Eine Abgeordnete (gemeint ist die arabische Abgeordnete Hanin Soabi, die an Protesten teilgenommen hat; Anm. d. Red.) sollte den Staat Israel repräsentieren und nicht Terrorismus fördern, und, dass Israelis umgebracht werden. Sie sagt, dass die Kidnapper der Teenager keine Terroristen sind. Ich bin für Demokratie und Meinungsfreiheit, aber nicht, wenn es um Hassparolen geht und den Hass auf den jüdischen Staat und wenn damit Gewalt gefördert wird. Ich bin für Frieden und Koexistenz, aber wie du sehen kannst, gibt es (auf der anderen Seite) niemanden. Ich hasse nicht alle Araber, aber die Terroristen. Und in meinen Augen ist eine Frau, die für Terror und den Mord an Israelis ist, eine Terroristin. Ich würde mich freuen, dich mal wieder auf ein Bier zu treffen und darüber zu reden. Wir haben uns seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Ich hoffe, wir haben eine gute und ruhige Nacht!" Bild27="Whatsapp-Chat Yoav mit seinen Geschwistern: Anati: Geschwister, bei euch alles cool? / Shai: Bei mir ist alles cool. Yoav? / Anati (nachdem sie Yoav angerufen hat): Bei Yoav alles cool. / Yoav: Bei mir ist alles cool."]

[seitenumbruch]

Eliran, 30, Journalist und Fotograf aus Tel Aviv 
Abgesehen davon, dass die Situation mich sehr beunruhigt und ich zwei Mal am Tag ins Treppenhaus renne, wegen der Sirenen, ist mein Leben wie immer. Trotzdem kann ich nicht aufhören, im Internet zu lesen und Videos anzusehen - dadurch schlafe ich sehr wenig. Vor ein paar Tagen haben ein Freund und ich erreicht, dass eine Facebook-Seite einen Post gelöscht hat, den wir gefährlich fanden, obwohl viele Menschen ihn mit geliked hatten.

Ich nutze alle möglichen Informationsquellen, um ein vollständiges Bild zu bekommen: israelische Nachrichten, Facebook, um zu sehen, was meine Freunde, auch die in Gaza, über die Situation schreiben, westliche Medien, vor allem deutsche, wie Zeit und Spiegel, arabische Medien, Facebook-Seiten arabischer Agenturen, und Sachen, die nicht in den Massenmedien veröffentlich werden. 

Dies ist ein Krieg der neuen Generation. Er wird aus jedem Winkel gefilmt. Facebook ist voll von Bildern und Videos, die zeigen, was passiert. Hamas veröffentlicht Nachrichten über das Internet. Über Whatsapp und andere Text-Apps bleibt jeder schnell und einfach mit seinen Leuten verbunden. Das hilft: Jeder möchte gerne wissen, ob seine Lieben in Ordnung sind. Gleichzeitig ist es Soldaten verboten, Smartphones mit in den Kampf zu nehmen. Und auch viele Informationen, die Gerüchte sind, gelangen so unter die Leute. Dagegen können wir nichts tun.

Ich glaube, dass wir verantwortungsvoll sein müssen. Jeder sollte vorsichtig mit den Daten und Infos umgehen, die er herumschickt oder postet. Es gibt Geschichten von Familien, die Infos über tote Soldaten bekommen haben – und ein Name war der ihres Sohnes. Aber es war ein Fehler, es ging um einen anderen Soldat mit dem gleichen Namen. Das ist der Nachteil: Wir kriegen eine Menge halb bestätigter Informationen. Und wir können nervös werden, wenn wir ein paar Stunden lang nichts von jemandem hören. Aber trotzdem: Die Nachrichten sind in der Hand des Volkes. Jeder ist „die Medien“ und nicht nur Nachrichtensendungen und Zeitungen. Es ist schwer, das in dieser Region zu sagen – aber wir alle wollen ein normales und friedliches Leben führen. 
Protokoll: Nadja Schlüter

Screenshots von Elirans Smartphone:
[plugin bildergalerie Bild28="Whatsapp-Chat Eliran mit seinem Bruder, der als Soldat in Gaza eingesetzt wird: Eliran: Sei vorsichtig, nimm dich Acht vor Kreuzfeuer. Irgendwie passiert das immer. Okay, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Shalom. / Bruder: Wir gehen jetzt rein (in den Gaza-Streifen, Anm. d. Red.). Alles wird gut, mach dir keine Sorgen. / Eliran: Ich hoffe, alles wird gut. Pass auf dich auf. Passt aufeinander auf." Bild29="Spiegel-online-Eilmeldung"]

Woher der Hass? Anglizismen

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Vor einigen Jahren kam es am Bahnhof der niederbayerischen Stadt Straubing zu einem Kulturkampf. Die Bahn wies dort eine "Kiss&Ride"-Zone aus. Eine schöne Idee: Da können Autos kurz parken, damit die Angehörigen den Bahnfahrern am Gleis noch einen Abschiedskuss mit auf die Reise geben dürfen. Bloß hatte die Bahn das ganze eben auf Englisch zusammengefasst. Einem Straubinger Schulleiter im Ruhestand gefiel das gar nicht, mit den Anglizismen dauernd. Er beschwerte sich bei seinem Bundestagsabgeordneten. Der Bundestagsabgeordnete schrieb dann wiederum dem Bahnchef und der Bahnchef veranlasste, dass die "Kiss&Ride"-Zone Kurzzeitparken heißt. Außerdem, weil er gleich dabei war, dass Bahn-Flyer nur noch Handzettel und die Hotline Service-Rufnummer genannt wird.

Warum musste das schön rollende Kiss’n’ride gegen das hässliche Kurzzeitparken ersetzt werden? Die Geschichte aus Straubing ist deswegen interessant, weil sie zeigt, wie seltsam die Ablehnung von Anglizismen funktioniert. Ein Argument lautete damals tatsächlich, dass Menschen ohne große Englischkenntnisse mit der Bezeichnung ein Rotlichtviertel oder einen Sexparkplatz verbunden hätten - etwas wo man küssen kann und dann schnell wieder weg ist. Dabei hat das mit schwachen Englischkenntnissen gar nichts zu tun. Blöd war das Schild natürlich für jeden, der die Wörter "kiss" und "ride" überhaupt nicht kennt. Aber diese Leute wären ja gar nicht auf die Idee mit dem Sexparkplatz gekommen, für sie hätte da einfach ein Schild mit wirren Buchstabenkombinationen gestanden.



Es geht weniger um die Vielfalt der deutschen Sprache. Es geht um das Abrakadabra des Neoliberalismus.


Seit langem kämpfen Schulleiter im Ruhestand und ihre Gesinnungsgenossen gegen die vielen Anglizismen da draußen. Natürlich haben sie Recht: Anglizismen schließen alle aus, die kein Englisch können. Aber das kann die Ablehnung nicht ausreichend erklären. Auch die jungen Gebildeten, die vier Fremdsprachen beherrschen und durcheinander sprechen, geben sich in Partygesprächen gerne sensibel und beklagen, dass die vielen englischen Ausdrücke schöne deutsche Wörter verdrängen.

In Wirklichkeit geht es bei der Ablehnung von Anglizismen oft gar nicht um den Ausschluss von Menschen oder die zu schützende Vielfalt des Deutschen. Es geht nicht einmal wirklich um die englische Sprache. Man merkt das an den Anglizismen, über die sich die Menschen am häufigsten beschweren – das Problem liegt nämlich nicht am Straubinger Bahnhof, sondern sitzt im abfahrenden InterCity: Beratertypen, BWLer und Start-Up-Hansel, die ganz unironisch in ihr Handy "branden", "downsizen" und "traction gainen" schreien und natürlich immer wieder: committen, committen, committen. Die magischen Beschwörungsfloskeln der neoliberalen Ideologie halt, sinnentleertes Abrakadabra. Die schreienden Handy-Leute tun zwar so, als würden sie gleich wieder Hongkong und L.A. zurückrufen, aber mit Englisch hat ihr Beratersprech überhaupt nichts mehr zu tun. Für die meisten Muttersprachler ist er genauso unverständlich wie für uns. Deswegen ist das Phänomen auch global.

Der amerikanische Komiker und Musiker Weird Al Yankovic hat gerade einen sehr schönen Song mit dem Titel  "Mission Statement" veröffentlicht. "Leverage our core competencies in order to holistically administrate exceptional synergy", singt Yankovic zu einer Melodie wie von Crosby, Still and Nash. Yankovic und andere Muttersprachler haben das genau gleiche Hassobjekt wie Anglizismen-Verächter in Deutschland. Es geht nicht um Englisch gegen Deutsch, es geht um Sinn gegen Blödsinn.
Denn die deutsche Version von Corporate-Quatsch-Englisch ist ja keinesfalls besser – "Kernkompetenzen" und "Synergien".

Aber was kann die anmutige Kiss&Ride-Zone dafür, dass der Spätkapitalisms einen Apparat an seltsamen Jobs geschaffen hat, deren Inhaltsleere sich nur mit Beratersprech-Floskeln füllen lässt? Der Hass auf Anglizismen, mit der Vielfalt der deutschen Sprache hat er wenig zu tun, und jedes englische Wort, das nicht aus den Gehirnwindungen von Junior Consultants kommt, kann eine Bereicherung sein. Zum Beispiel "Bullshit". Denn das trifft besser als jedes deutsche Wort, was wirklich hinter dem Hass auf Anglizismen steckt: Hass auf Bullshit.

Kosmoshörer (Folge 25)

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Teresa Fries fragte am Mittwoch an, ob ich bei der Kolumne einspringen kann, weil ihr kurzfristig jemand abgesprungen sei. Kann ich und kann passieren, geht mir gerade genauso bei den hier initiierten Mix-Tape-Täuschen. Das ist immer dann ärgerlich, wenn die oder der Betroffene dann nichts sagt. Das ist hiermit gerügt. Ich liebe Musik ohnehin, wie hoffentlich jeder Mensch. Die Woche war bisher nicht so arbeitsintensiv und die Vorbereitungen auf ein Interview über das Prager Judentum, das sich kurzfristig verschiebt (hier ist auch gerade Urlaubssaison), treten erst einmal in den Hintergrund. Als Erstes stelle ich fest, dass Musik, seit ich am Anfang des Jahres mein Rolling-Stone-Abo gekündigt habe, nicht mehr die Priorität genießt, die sie mal hatte. Aber dazu später, spulen wir erst mal zurück.
https://www.youtube.com/watch?v=UgTxrae7IZ4

Montag:
"Montags bin ich Praktikant" wird der alternative Reiseführer heißen, den ich vielleicht noch in der mir verbleibenden Zeit hier schreiben werde. "Hier" ist das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren. Ich arbeite nebenher zwar noch für zwei weitere Adressen, aber montags eben immer hier. Was auch heißt, ich schreibe das für einen Germanistischen Literaturwissenschaftler, der sich ein Leonardo-da-Vinci-EU-Stipendium direkt nach dem Ende seines Studiums gekrallt hat. Irgendwie habe ich doch gerade ein irres Glück und das erklärt auch, warum Musik derzeit etwas weniger präsent ist. So spielt sie heute zum Beispiel gar keine Rolle: das Arbeiten geht auch ohne leicht von der Hand, da die Chefs nicht da sind, von einer Freundin habe ich gutes Material für die Autorenbiografie, die ich für den Bibliothekskatalog schreiben soll, bekommen und alle freuen sich schon auf die Lesung unserer Stipendiatin morgen. Am Abend gehe ich noch mit einer Praktikantin der deutschen Botschaft in eine Ausstellungseröffnung. Der dort herrschende, selbstreferentiellen Lärm des Publikums ist demjenigen nicht unähnlich, den ich von der hiesigen Kunstakademie schon gewohnt bin: Man kennt sich untereinander, immer dieselben Leute, wie eine gepflegt-piefige Schulhofclique – nur hier dann eben in alt. Ich lerne: Fotos zu zerschreddern und das dann wieder zu fotografieren, ist auch Kunst.

http://www.youtube.com/watch?v=s-ULvJeqDdU

Dienstag:
Der Chef goutiert mein in der Andy-Warhol-Ausstellung am Altstadtplatz eigens (!) siebgedrucktes The-Velvet Underground-Bananen-T-Shirt. Und überrascht mich damit wieder. Den Satz des Tages aber höre ich bei besagter Lesung im Literaturhaus: „… oder das maße ich mir einfach so an.“ Punkt.

Teresa Präauer spricht zuerst über die Zweifel an sexuellen Identitätszuschreibungen, auch ihrer eigenen, um im nächsten Satz zu erklären, sie könne sich sowohl in alte Männer, die Großväter sind, als auch junge Japanerinnen reindenken. Und haut damit die These meiner 102-Seiten-Philo-Magisterarbeit einfach mal über den Haufen. Die Autorin resolut, ich im Publikum sprachlos: Das kann man also auch. Spricht ja eigentlich nichts dagegen. Aber andererseits – den privilegierten Zugang zum Innenleben seiner Figuren hat ja letztlich und zunächst der Autor. Aber das ist, glaube ich, was das literarische Spiel mit der Möglichkeit interessant macht. 

Die Sterne – Aber andererseits:

Mittwoch:
Prag ist tendenziell und komischerweise eher rechts, also im vulgär-liberalistischen Sinne, Kommunist fast ein Schimpfwort und Kinderkrippen verpönt. Meine Mitbewohnerin und ich sind folglich froh, ansonsten zwischen Berlin und Leipzig leben zu können. Wo man links und Atheist sein kann und das soziale Netz schätzt, auch wenn man noch keine Kinder vorzuweisen hat. Außerdem: Je moc horký. Es ist sehr heiß und erstaunlich, wie wenig Tschechisch wir nach fast drei Monaten sprechen können. Aber man lernt ja nicht aus. Zumindest meine Englischkenntnisse profitieren stätig: Weil Kino hier günstig ist und meist im Original erklingt. Was einem aber auch nicht hilft, wenn die Affen am Anfang vom Film sich per Gebärdensprache unterhalten und das dann eben nur Tschechisch untertitelt wiedergegeben wird.
 
http://www.youtube.com/watch?v=GmIiEbVhdTA
 
Küchennebenfakt am Rande: Auch der Autor von „Das Känguru-Manifest“, das wir beim gemeinsamen Kochen auf den WG-internen Boxen hören, ist, wie Teresa Präauer übrigens auch, immer noch älter als wir. Aber es wird enger.

Donnerstag:
Das Wochenende hat nicht nur ein Zerwürfnis mit einer langjährigen Freundin mitgebracht, die ich über die Leidenschaft zur Musik kennengelernt hatte, sondern auch die Ankündigung meiner Schwester, mich morgen dann doch mal besuchen zu kommen. Putzen wäre eigentlich die Gelegenheit gewesen, nebenbei Musik zu hören. Erst da fällt mir auf, dass diese gerade eben nicht mehr so wichtig ist. Man streitet letztlich über – eigentlich indiskutablen – Nonsens wie Fußball, oder ist von den Leuten aus dem Oasis-Fan-Forum ausgerechnet noch mit den Blur-Fans in Kontakt. Oder mit einer langjährigen Freundin in Dublin, die mir die Serie „My Mad Fat Diary“ empfiehlt, die mich angenehm an eine Mischung aus „Skins“, „Freaks and Geeks“ und „In Treatment“ erinnert – in einem 1996er-Setting. Der Plot ist mitunter zwar teenagerbanal, aber die Zeitreise zusammen mit dem kongenial eingesetzten Soundtrack reißt das raus: Die benutzen noch Kassetten! „Disco 2000“ ist noch Zukunft! Musik plus irre Menschen coming of age. Kann man nie genug von haben. 

http://www.youtube.com/watch?v=yBKBl_s0NsQ 

Freitag:
Sightseeing – en famille – v Praze. Es ist immer noch sehr heiß, was die Bewegungsfreudigkeit merklich einschränkt, aber das öffentliche Verkehrssystem ist hier ein sehr gutes und meine Ortskenntnis – entgegen anderslautender Darstellungen – gar nicht mal so schlecht. Diesmal finde ich die John-Lennon-Wall auf Anhieb. Auch wenn sie derzeit nicht gerade ein postkartenmustergültiges Format aufweist: Zu viele Nichtkünstler haben eben ihr mangelndes Talent und ihre bloße Existenz an ihr bewiesen. Dafür verschollen bleibt mein Schlüssel, und zwar seit gestern Abend, an dem ich noch ein – wie ich gelernt habe – nonverbales Theaterstück (Tanz) gesehen habe mit direkt daran anschließendem Konzert der beteiligten Liedermacherin. Auf dem Schiff und über der Vltava. Können wir demnach alles in einem Abwasch abhaken. Mit Dank an Mitbewohnerin #2 von 3, die uns für lau reingeschmuggelt hat. 




„Jana Vébrová works magic with her voice, her accordion, her personality.” 

Samstag:
Der Besuch fährt am Nachmittag. Der Schlüssel bleibt vorerst verschollen. Das frisch aufgeräumte Zimmer gleicht nach dem Suchen schon wieder einem Schlachtfeld. Dafür habe ich gestern Kaffee hinterm Kühlschrank gefunden, den jemand dorthin verschüttet, aber nicht weggemacht hatte. „Ich versteh’s nicht.“, sage ich meiner Mitbewohnerin, die die Betreffende nicht denunzieren will, aber ich höre aus dem Nichtgesagten auch genug heraus und lerne aus dem zeitweiligen WG-Zusammenleben, dass ich dann doch nicht so eine große Drecksau bin, wie ich dachte.

http://www.youtube.com/watch?v=IMXGJ5g_zRM

Sonntag:
Den verschwundenen Schlüssel habe ich gefunden. Im Koffer, den ich das erste Mal seit ca. drei Monaten in der Hand hatte, um dahinter zu fegen und anschließend zu wischen. Obwohl es hier kein Ladenschlussgesetz gibt, das einen verkaufsfreien Sonntag vorschreibt, reicht mir das an Betriebsamkeit und Erfolgserleben für heute.

http://www.youtube.com/watch?v=xXZF9W6uCTo

Auf der nächsten Seite findest du den ausgefüllten Musikfragebogen von schwindlicht
[seitenumbruch]„Gute Musik“ – Was ist das für dich?
Ich zitiere den großen Jan Wigger, aus sinnigerweise einer Rezension zu Bruce Springsteen, weil der das so schön knapp zusammengefasst hat, es sich nicht treffender sagen lässt und einen zudem nicht erst in die (sprach-)philosophischen Untiefen der Bedeutung des Wortes „gut“ als solchem entführt: „Erst am Donnerstag wurde ich gefragt, was ich an der neuen LP von Ja, Panik ‚denn schon wieder so genial‘ fände. Es seien doch sicher ‚der politische und geisteswissenschaftliche Überbau‘, ‚die mehrsprachigen Texte‘ und ‚die vielen Anspielungen und Zitate‘, die mich magisch anzögen. Ich sagte, dass ich noch nie über die Texte von Ja, Panik nachgedacht hätte, dass Lieder wie ‚Radio Libertatia‘ und ‚Antananarivo‘ mir einfach nur gefielen und mich berührten, weil Wörter und Musik schön klängen und ich ahnte, dass sie etwas mit meinem Leben und Sterben zu tun haben könnten. […]“

Wie hörst du Musik: Klassisch im CD-Spieler, auf dem Handy, über Streaming-Portale?
Mit meinen Ohren. Der Rest ist eigentlich egal. In, bitte, wenn möglich, irgend passabler Qualität und von irgendeinem Datenträger. Von Streaming-Diensten bin ich nicht gern abhängig und Telefone sind zum Telefonieren da.  

Wo hörst du Musik? Vor allem unterwegs, nur daheim, zum Einschlafen?
Meist zuhause, unter den Kopfhörern, am Laptop; früher auch unterwegs, während des Pendelns vom Studien- zum Wohnort etwa. Der Ort ist da ziemlich egal. Was ich schlicht nicht mag, nicht kann und nicht will, ist nur nebenbei Musik zu hören, nur peripher zu hören. Musik, die auch da (oder gerade da) funktioniert, kann man sich schenken. Das ist Fahrstuhl- und Supermarktkost. Wenn ich lesen will, will ich nur das, und wenn ich im Straßenverkehr unterwegs bin, bin ich da unterwegs – und das braucht die Aufmerksamkeit, die man eben auch Musik schuldet, wenn man sie hört.

Hast du eine Lieblingsband oder Musiker, von denen du alles hörst? http://www.youtube.com/watch?v=jLYsIESNtUc Mein linker Oberarm sagt, dass ich ein ziemlicher Libertines-Fan bin. Und er hat immer noch Recht damit. Daneben: Pulp, Dylan und The Velvet Underground. Für die Ramones gäb es auch noch genügend Platz.

Pulp – I'm A Man

Welche Musik magst du gar nicht, und warum?
Elektronisches mag ich meist nicht. Stumpfe, sich repetierende Rhythmen. Und vor allem ohne Texte. Wobei ich auch viele deutsche Sachen nicht mag, weil die Texte haben und ich die dann nur zu gut verstehe. Ansonsten: Jazz ist meist nicht meins wie auch Klassische Musik, Opern, Operetten, Musicals und anderes, noch schlimmeres pseudovölkisches Gedöns.

http://www.youtube.com/watch?v=_mTRvJ9fugM
(Ausnahmen bestätigen jede Regel.)

Was war deine erste eigene Platte – und wohin ging dein Musikgeschmack von da aus?

Das war vermutlich eine David-Hasselhoff-Kassette in den Nachwendewirren. Dann wurde es erst mal nicht besser: Eurodance-Singles, Phil-Collins- und deutsche Sprechgesang-CDs dokumentieren das hinlänglich. Mit Ende der Schulzeit und dem Beginn des Zivildiensts änderte sich das dann, da lief "Almost Famous" von Cameron Crowe an, ich kaufte den ersten Rolling Stone, lese dort bis heute die Singles- und Vinyl-Rubrik von Wolfgang Doebeling (und die Filmkritiken) gern, ich holte Britpop etwas verspätet nach, war in Fan-Foren aktiv, besuchte die ersten Konzerte in meinem Leben und kaufte auch meine ersten, dann bis heute gültigen Platten: Die The Modern Age EP, White Blood Cells und eine von Bernard Butler eine Doppel-A-Seite als britische Antwort auf diese.

Gehst du gern auf Konzerte, und auf welche zuletzt?
Ja, ich gehe gern auf Konzerte, wobei ich eher kleine Clubs mag und größere Hallen oder Festivals eher meide. Zuletzt habe ich hier in der Stadt Bob Dylan auf der Never Ending Tour zum insgesamt dritten Mal gesehen, mit einem für meinem Geschmack sehr tollen Set und einer absurd vollen Metro nach dem Konzert. Davor ein Spontankonzert mit lokalen Bands und davor die Black Lips, nach Ja, Panik und Die Heiterkeit, die ich noch in Leipzig gesehen habe.#

http://vimeo.com/97035885

Wie entdeckst du neue Musik, und was ist deine neueste Entdeckung?
Vor allem Plattenkritiken (Rolling Stone, das taz-Popblog Monarchie und Alltag oder auch Abgehört auf SPON), Musikblogs oder was einem Youtube manchmal so vorschlägt. Gute Soundtracks, Plattenläden und Freunde und Bekannte stupsen einen ja auch ab und an auf (für einen dann) Neues. http://www.youtube.com/watch?v=-I5QWGul4Kk Hier vor Ort habe ich Sarah MacDougall "entdeckt", eine Kanadierin, die, als wir WM im The Globe Bookstore & Café gucken wollten, direkt davor ein Konzert ebenda gegeben hat. Auch hier "entdeckt", aber eher seiner Lesung im Literaturhaus geschuldet, Jaroslav Rudiš‘ und Jaromír 99s Kafka Band und deren Album "Das Schloss".

http://www.youtube.com/watch?v=fymn_pdIXW8

Verrate uns einen guten Song zum...
Aufwachen:

Pulp – Sunrise - Original Mix

oder

http://www.youtube.com/watch?v=4WqiGUnhUIk

Tanzen:
(Ich tanze nicht, aber:)

http://www.youtube.com/watch?v=9vdCfCxTjjY&feature=youtu.be&t=1h7m16s

oder

http://www.youtube.com/watch?v=YlWxvlQ8Zy4 

oder

http://www.youtube.com/watch?v=lrNSjItTfes 

traurig Sein:

http://www.youtube.com/watch?v=7aus27_c0DI

oder

http://www.youtube.com/watch?v=f4it9vK6G7o 

Sport Treiben: 
Siehe oben. Ich bin gern bei der Sache und genieße z. B. gerade die Stille beim Schwimmen. 

Als nächsten Kosmoshörer wünsche ich mir:
 
asphaltfruehling in Sommerlaune. 

Alle Kosmoshörer findet ihr wie immer gesammelt hier:

Kosmoshörer

Möchtest du auch Kosmoshörer werden und deine Musik-Gewohnheiten dokumentieren? Dann schreib eine jetzt-Botschaft an teresa-fries oder eine Mail an teresa.fries@sueddeutsche.de



Wie hältst du es mit dem Grillen im Hof?

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Ich erzähle jetzt die Geschichte eines Bekannten, weil ich selbst das so noch nicht erlebt habe. Die Geschichte geht so: Mein Bekannter war bei Freunden zu Besuch und dort wurden, wie man das im Sommer so macht, Würste und andere Dinge auf einem Rost über glühenden Kohlen zubereitet.  Dadurch entstand, vor allem beim Anfeuern zu Beginn des Abends, eine Menge Rauch, der durch den Hof und in die Wohnungen waberte, deren Fenster, wie das im Sommer so ist, natürlich alle offenstanden. Da hatte mein Bekannter schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen und irgendwann kam dann ein erboster Nachbar und machte viel schlechtes Gewissen daraus, indem er sich beschwerte – wie unverschämt das sei, hier so rumzuräuchern, wie wenig rücksichtsvoll etc. pp.  



Grillen im Hof - jo oder no?

Als Gegenstück dazu doch noch eine kleine Geschichte von mir, die so geht: War am vergangenen Samstag auf einer Grillparty in einem Hinterhof, hatte kein schlechtes Gewissen und niemand beklagte sich.  

Dass es hier um eine totales First-World-Problem geht, ist klar. Aber drüber nachdenken kann man schon mal, zumal bei diesen 25 Grad und Sonnenschein, die in den vergangenen Wochen dauernd da waren und sicher auch noch ein paar Mal vorkommen, bis wieder Herbst ist und drin gegessen wird: Ist das eigentlich okay, im Hof zu grillen und den Nachbarn den Rauch in die Küche zu leiten? Oder voll ignoranter-Sommerbürger-mäßig? Ist es andersrum okay, sich darüber zu beschweren? Oder muss man das eben aushalten, als Nachbar in Mehrparteienhäusern, dass jemand im Hof Gerüche und Gerauche produziert? Weil selbst würde man es doch auch schön finden, dazusitzen, dem Brutzeln zu lauschen und sich schon mal am Salat satt zu essen, oder?  

Wie hältst du es mit dem Grill im Gemeinschaftshof? Sagst du Ja zum Würste-Schwof oder „Nein, ist superdoof“? Misch dich ein in dieses Ticker-Sommer-Nischen-Thema und sag mal deine Meinung. Jetzt!

Der Kaviar-Automat

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Es war einer der wenigen wirklich interessanten Momente bei der Oscar-Verleihung im Februar: Da kam der Lieferjunge Edgar Martirosyan auf die Bühne und verteilte Pizza an Brad Pitt, Julia Roberts und Meryl Streep. Die griffen beherzt zu – was doch ein wenig verwunderte, verkrümeln sich die Filmstars doch während der Veranstaltung gerne an die Bar, um sich an Champagner oder den von Wolfgang Puck zubereiteten Köstlichkeiten zu laben. Diese lukullischen Erlebnisse gibt es im Hollywood & Highland Center nur an diesem Abend, die restlichen 364 Tage im Jahr ist dieses touristische Einkaufszentrum eher gastronomische Diaspora. Wer sich in diesen Tagen an Spiderman mit Bierbauch und einem recht aufdringlichen Darth Vader auf dem Hollywood Boulevard vorbeigequält hat, der entdeckt einen höchst interessanten Automaten. In dem werden keine gekühlten Getränke oder Süßigkeiten angeboten, sondern Kaviar.



Champagner nicht nur aus der Eiswürfel-Schüssel, sondern aus dem Getränkeautomat? Manche Firma macht das heute schon möglich

Beverly Hills Caviar heißt das Unternehmen, das dieses Gerät dort aufgestellt hat, es gibt noch zwei weitere in den Einkaufszentren von Century City und Topanga. Auf den Automaten ist links eine Frau in güldener Toga abgebildet, darüber kann sich der Kunde auf einem Touchscreen durch das Angebot klicken. Für fünf Dollar gibt es bereits ein kleines Döschen, erhältlich sind aber auch feinste Fischeier wie etwa Imperial River Beluga Kaviar – 200 Gramm für 1000 Dollar. Das Gerät, das vom Unternehmen nicht Automat, sondern „Caviar Boutique“ genannt wird, akzeptiert übrigens keine Kreditkarten, sondern ausschließlich Bargeld. Ein Geldautomat steht keine zehn Meter entfernt.

Natürlich sind solche Automaten mit exklusiven Angeboten keine Seltenheit mehr. In Las Vegas gibt es einen, an dem man, ähnlich wie bei den Greifarm-Geräten auf Jahrmärkten, für zwei Dollar darum zocken kann, einen lebenden Hummer aus dem Wasser zu fischen und dann von einem Restaurant zubereitet zu bekommen. In London gibt es einen Champagner-Automaten, in Japan Geräte, in denen unter künstlichem Licht Salat gezüchtet und dann verkauft wird – und in der Dubai Mall werden Goldbarren zum minütlich aktualisierten Preis feilgeboten.

Die Idee ist also nicht neu, wichtiger erscheint deshalb die Frage: Warum gibt es diese Dinger? Natürlich gibt es die offensichtlichen Gründe: Automaten benötigen weniger Platz und haben rund um die Uhr geöffnet wie der Cupcake-Automat in Downtown Los Angeles, an dem sich so mancher Sportfan nach einem Spiel der Lakers eine Süßigkeit für die Heimfahrt kurz vor Mitternacht gönnt.

Man könnte freilich eine futuristische Erklärung wählen wie Denis Koci von der Firma Box Brands. Der sagt nicht ohne Stolz, dass ihn eine Folge der Fernsehserie „Star Trek – The Next Generation“ dazu inspiriert habe, ein mexikanisches Schnellrestaurant im Telefonzellenformat zu erfinden: die Burrito Box. Die vorgefertigten Roll-Köstlichkeiten werden im Gerät auf 90 Grad erhitzt und dann jedem bereitgestellt, der dafür 3,95 Dollar bezahlt. Nach der erfolgreichen Testphase will das Unternehmen von August an Automaten in den Vereinigten Staaten ausliefern, vor allem Universitäten sind das Zielgebiet für Koci. Sollte seine Idee Erfolg haben, hat er schon einen weiteren Automaten im Sinn: ein Gerät, in dem eine Pizza bei mehr als 400 Grad frisch gebacken wird. „Unser Ziel ist es, innerhalb eines Automaten genau das zu tun, was ein Fastfood-Restaurant tut.“ In diesem Fall geht es nicht um exklusive Inhalte, sondern darum, schneller und billiger zu sein als die Filiale einer Schnellfutterkette nebenan.

Eine andere Erklärung für den neuen Boom der Automaten dagegen, deren US-Umsatz den kommenden fünf Jahren auf 7,7 Milliarden Dollar pro Jahr steigen soll, liefert Christopher Salyers. Er hat das Buch „Vending Machines: Coined Consumerism“ veröffentlicht und macht das Internet für den Wandel im Verhalten der Konsumenten verantwortlich. Die seien mittlerweile gewohnt, sich nicht mehr von Verkäufern beraten zu lassen, sondern im Netz zu informieren und dann eine Kaufentscheidung zu treffen. Sie würden dazu nicht mehr die Geduld aufbringen, in einem Geschäft so lange zu warten, bis sie dran sind – um dann mehr für einen Artikel zu bezahlen, den sie anderswo schneller und billiger bekommen. „Pay-and-click“ nennt Slayers dieses Verhalten, den Kunden seien dabei vier Eigenschaften besonders wichtig: schnell, billig, erreichbar – und dennoch hochwertig. Wer also nachts um vier Uhr unbedingt Kaviar haben möchte, der sucht im Internet nach dem nächsten Automaten und besorgt sich sogleich, was er haben möchte.
Das ist auch in den Filialen von My Fit Foods zu beobachten, einer Art Automaten-Diät: Der Kunde kann sich aus Kühlgeräten ein gesundes und kalorienarmes Menü zusammenstellen, bis zu drei Wochen im Voraus. An der Kasse selbst scannen, mit Kreditkarte bezahlen, fertig. Der durchschnittliche Teilnehmer an der sogenannten „21-Tage-Challenge“ würde zwischen drei und sieben Kilo abnehmen, heißt es auf der Firmen-Homepage. Eine ähnliche Strategie verfolgt Jamba Juice, das mit seinen Saft-Automaten Jamba Go eine Alternative zu den Softdrink-Geräten in Geschäften und an Schulen bietet – bis Jahresende soll es in den USA knapp 2500 Automaten geben.

Um die einleuchtendste Erklärung für die wundersame Automaten-Vermehrung zu erhalten, lohnt es sich, die Geschichte jenes Unternehmens zu betrachten, das nun für den Kaviar-Automaten im Hollywood & Highland Center verantwortlich ist. Firmengründerin Kelly Stern verkauft ihre erlesenen Waren gewöhnlich an Restaurants und Feinkostgeschäfte, bis 2010 betrieb sie auch einen eigenen Laden in Beverly Hills. Für sie sei es ein Albtraum gewesen, Angestellte zu überwachen, die ohne die permanente Überprüfung unzuverlässig gewesen seien. Deshalb schloss sie das Geschäft und konzentrierte sich auf Automaten – oder in ihrem Fall: „Caviar Boutiques“. „Ich würde es vorziehen, Menschen in unseren Unternehmen zu minimieren“, sagt sie: „Wer tatsächliche Angestellte hat, der hat kein Leben mehr.“

Es geht also bei den Automaten nicht nur um das veränderte Verhalten der Konsumenten oder um pfiffige Ideen, es geht vor allem darum, die Kosten zu senken und so wenige Angestellte wie möglich beschäftigen zu müssen. Frau Stern hat nun offensichtlich wieder ein Leben, dafür steht in der Halle vor dem Dolby Theatre in Hollywood nun ein Kaviar-Automat. Weitere Geräte mit exklusiven oder billigen Inhalten dürften folgen – schließlich sagte Duran Kabakyer einst über seine Erfindung, den ersten Döner-Roboter der Welt: „Der Gerät wird nie müde, der Gerät schläft nie ein, der Gerät ist immer vor dem Chef im Geschäft und schneidet das Dönerfleisch schweißfrei.“

Mit einem Lächeln

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Die zwei zusammengesetzten Striche sehen aus, als habe jemand ein geschwungenes V umgedreht. Aber Shao Lan Hsueh hat einen Kniff gefunden, wie man sich trotzdem merken kann, dass dieses Zeichen für Mensch steht: Sie hat oben einen rosafarbenen Kopf angefügt und unten zwei rosafarbene Schuhe. So sehen die beiden Striche aus wie zwei laufende Beine. Wie ein Mensch eben.



Auch Deutsche sollen dank Shao Lan Hsueh besser Chinesisch verstehen können - damit auch die Länder näher zusammenrücken

Zahlreichen chinesischen Schriftzeichen hat Shao Lan Hsueh, 43, eine passende Illustration gegeben. So erzählt sie Geschichten, die dem Westler helfen sollen, sich all die fremden Zeichen zu merken und zugleich etwas über die Kultur zu lernen. „Wenn man die Zeichen für Frau und Junge zusammensetzt, erhält man das Zeichen für gut“, erzählt Shao Lan Hsueh. „Denn im alten China war eine Frau nur dann gut, wenn sie einen Jungen zur Welt gebracht hatte.“ „Chineasy“ hat sie ihre Methode genannt. Dahinter steckt auch ein Gedanke, den Shao Lan Hsueh ihren Schülern gern mit einem zuversichtlichen Lächeln nahebringt: Was mehr als eine Milliarde Menschen gelernt haben, kann so schwer doch nicht sein.

Dass es ganz so einfach aber dann doch nicht ist, weiß die Frau aus eigener Erfahrung. Sie ist in Taiwan aufgewachsen, „umgeben von Kunst und einer tiefen Wertschätzung für die Schönheit der chinesischen Sprache“, wie sie sagt. Ihre Mutter war Kalligrafin, ihr Vater Keramikkünstler. Mit 22 Jahren hat sie eine Internetfirma gegründet, später ging sie zum Studium nach Cambridge. Dort wurden ihre Tochter und ihr Sohn geboren. Erst als Shao Lan Hsueh ihnen die chinesische Literatur nahebringen wollte, stellte sie fest, dass die Sprache, die für sie selbst so eingängig war, für ihre in England aufgewachsenen Kinder ein großes Rätsel war.

Shao Lan Hsueh hat nicht nur einen Studienabschluss in Wirtschaft, sondern auch einen in Biochemie. Sie ist es gewohnt, Probleme analytisch anzugehen. Und so hat sie es auch dieses Mal gemacht: Viele Nächte hat sie am Computer damit verbracht, für die Zeichensprache, die sich aus immer wiederkehrenden Symbolen zusammensetzt, eine eigene Bildsprache zu entwickeln. Als sie ihr Projekt, das lange nur ein Hobby war, auf einer Konferenz vorstellte, war die Resonanz so groß, dass sie sich entschlossen hat, daraus auch ein Geschäft zu machen.

Fünf feste Mitarbeiter hat sie inzwischen, dazu kommen viele freie, die auch von anderen Teilen der Welt aus bei einzelnen Projekten mit anpacken. Die Designer sprachen anfangs gar kein Chinesisch. Shao Lan Hsueh sagt ihnen, was ein Zeichen bedeutet. Und dann machen sie fünf oder sechs Entwürfe mit dazu passenden Bildern. Die werden auch den beiden Kindern der Chefin vorgelegt, inzwischen neun und elf Jahre alt. Wenn die zwei das Bild nicht erkennen, dann setzt sich die Mutter mit ihren Designern noch einmal hin und macht weitere Entwürfe.

Geld kommt bislang nur durch den Verkauf des ersten Lehrbuchs rein, das es seit einigen Wochen auch mit deutschen Erläuterungen gibt. Im Oktober soll eine App zum Pauken der chinesischen Vokabeln folgen. Und im sozialen Netzwerk Facebook hat Shao Lan Hsueh eine Seite eingerichtet, die so etwas wie ein virtueller Klassenraum geworden ist: Dort bietet sie kostenlos kleine Tests an, gibt auch mal eine Kochanleitung für chinesische Speisen. Und viele Schüler, Rentner ebenso wie Manager und Studenten, knüpfen dort auch Kontakte untereinander.

„Ich bin nur diejenige, die die Tür öffnet und hilft, die Schwelle zu überwinden“, sagt Shao Lan Hsueh. „Was dahinter liegt, sollen sie selbst entdecken, ob nun bei Reisen oder wenn sie sich mit einem chinesischen Einwanderer in ihrem Viertel verabreden.“

Zaudern und zieren

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In dem Unternehmen von Saskia Biskup arbeiten 80 Menschen. 70 Prozent davon sind Frauen. Und so fällt die Antwort, die Biskup auf die Frage, ob Innovation weiblich ist, knapp aus: „Offensichtlich“, sagt die Unternehmerin. Denn Cegat, ein Dienstleister, der Erbinformationen entschlüsselt und diese Daten medizinisch auswertet, wurde von vielen für seine Innovationskraft gerühmt, zuletzt mit dem europäischen Erfinderpreis ausgezeichnet.



Immer noch zu selten: Frauen in männerdominierten Führungsgremien

Aber Biskup schickt ihrer knappen Antwort an diesem Abend ein Lachen hinterher. Sie ist zu klug, um solche Zuspitzung ernst zu nehmen. Zu klug, um nicht abzuwägen. Und sie ist nur eine von 30 klugen Frauen, die zum ersten Ladies Dinner der Süddeutschen Zeitung gekommen sind. Um zu diskutieren, was Innovationen ausmacht – und wie Frauen sich dabei stärker einbringen können.

Biskup selbst hatte zunächst einmal ein Problem: Für ihre humangenetischen Forschungen fehlte es ihr an technischer Ausrüstung. Die Idee, ein Unternehmen zu gründen, das dieses Problem löst, hatte dann ihr Mann. Ist das schlimm? Biskup schüttelt den Kopf. Ihr Mann, studierter Betriebswirt, sorgt für die Kostendisziplin in dem vor fünf Jahren gegründeten Unternehmen. „Ich hätte das Geld in kürzester Zeit ausgegeben und den Laden an die Wand gefahren“, erzählt die Gründerin. Ihr Mann brachte auch die Zuversicht mit. „Im Nachhinein sieht das alles wie ein Selbstläufer aus. Aber ich hatte zwei Jahre lang Existenzängste mit schlaflosen Nächten“, erinnert sich Biskup. Ihre halbe Stelle als Chefärztin in Stuttgart ist das, was von der Sorge um eine mögliche Absicherung noch geblieben ist.

Auch Ann-Kristin Achleitner ist eine Frau, die es geschafft hat. Bei drei Dax-Konzernen sitzt die Ökonomin im Aufsichtsrat. Unter anderem beim Handelskonzern Metro. Und ausgerechnet an diesem Abend muss sie sich nun anhören und ansehen, wie eine andere Frau, Julia Bösch, ihren Herrenausstatter Outfittery vorführt. Das Berliner Start-up hat die Stärken des stationären Handels, nämlich die persönliche Beratung, erfolgreich ins Internetzeitalter übertragen. Das muss eine Wächterin über einen traditionellen Handelskonzern doch nervös machen.

Doch Achleitner nutzt den Abend ihrerseits, um die junge Unternehmerin Bösch zu umgarnen: Ob sie Interesse an einem Posten in einem Aufsichtsrat hätte? So entkräftet Achleitner nebenbei das Vorurteil, Frauen verstünden nichts vom Netzwerken. Und sie wirbt für eines ihrer Anliegen: „Die deutschen Konzerne beschäftigen sich viel zu wenig mit der Frage, wie die Digitalisierung die Wirtschaft verändert“, sagt Achleitner. Und dass diese Frage eine ist, mit der sich Frauen in den Aufsichtsgremien einbringen könnten. Nicht zuletzt, weil die alten Männer davon zu wenig verstehen.

„Die männliche Normalbiografie ist noch immer das Modell für Führungskräfte. Und das Wissen darüber, wann die neue Stelle frei wird, liegt ebenfalls in Männerhand“, sagt Susanne Ihsen, die an der Technischen Universität München zu Genderfragen in den Ingenieurwissenschaften forscht. Und was machen die Frauen? Wollen sich verwirklichen, wollen entdeckt werden, wollen nur keine Quotenfrau sein. Der Professorin Ihsen gefällt das gar nicht: „Die Frauen sollten sich manchmal etwas weniger zieren.“

Tagesblog - 29. Juli 2014

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