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Nichts zu lachen

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Der Clown "Tiririca" hatte noch nie gewählt, bevor er für das brasilianische Parlament kandidierte. Nun sitzt er mittendrin in einer Institution, die immer mehr Wähler verabscheuen - und langweilt sich.

Buenos Aires - Noch immer ist es ein guter Witz, wahrscheinlich der beste in der Karriere des Francisco Everardo Oliveira Silva. Als 2010 Brasiliens aktuelles Parlament gewählt wurde, da bewarb sich der Clown mit dem Künstlernamen Tiririca im bunten Kostüm mit rotem Hut um einen Sitz. "Wählen Sie Tiririca, schlimmer als jetzt kann es nicht werden", war eine seiner Parolen im Wahlkampf. Eine andere: "Weißt du, was ein Abgeordneter macht? Ich auch nicht, aber wähl" mich, dann sage ich es dir."

Tiririca wurde gewählt, mehr noch: Er bekam als Vertreter des Bundesstaates São Paulo und der Partei Partido da República 1,35 Millionen Stimmen, mehr als jeder andere brasilianische Gesetzgeber. Vor seinem Amtsantritt musste noch geklärt werden, ob der populäre Scherzbold auch lesen und schreiben kann, denn das verlangt das Gesetz von den obersten Mandatsträgern. Das Magazin Época hatte behauptet, Tiririca sei Analphabet. Der Beschuldigte räumte ein, er habe den Nachweis seiner Schulbildung mithilfe seiner Frau verfasst - das liege an seinen motorischen Schwierigkeiten, einen Stift zu halten, erläuterten Helfer. Erst nach einem mit Mühe überstandenen Test durfte Oliveira alias Tiririca seine neue Karriere beginnen, zu seinen 512 Mitstreitern im Abgeordnetenhaus gehören weitere Quereinsteiger und Systemkritiker wie der frühere Fußball-Nationalstürmer Romário. Schon das war ein Zeichen der Wähler, dass es ihnen mit der traditionellen Politriege allmählich reicht.



Politik-Zircus? In Brasilien sitzt jetzt ein Clown im Parlament.

Gleich zum Einstand staunte der Debütant, wie sich dieses Gremium eine weitere Gehaltserhöhung gönnte. Brasiliens Parlamentarier verdienen 26723,13 Reais im Monat, derzeit 8900 Euro. Inklusive bis zu 25 Mitarbeitern, Zuschlägen und Bürozuschüssen von 37000 Reais (12300 Euro) kostet jeder dieser 513 Volksvertreter monatlich etwa 40000 Euro. Das heißt, diese Versammlung verschlingt allein an Personalkosten jährlich 246 Millionen Euro.

"Wenn ich gewählt werde, dann verspreche ich allen brasilianischen Familien zu helfen, vor allem meiner eigenen", hatte Tiririca vorher standesgemäß gespottet - und benannte als Berater bald zwei befreundete Humoristen, für monatlich umgerechnet jeweils 2700 Euro Honorar. Immerhin machte er sich in den Kommissionen von Kultur und Erziehung unter anderem rechtschaffen für Zirkusartisten stark und verpasste im Gegensatz zu den meisten anderen Kongressmitgliedern keine Abstimmung. Bald wusste er, was ein Abgeordneter so treibt, er klagte es kürzlich der Financial Times: "Du machst den ganzen Tag nichts und wartest nur darauf, irgendwas zu wählen, während die Leute diskutieren und diskutieren."

Diesen Eindruck teilt er mit immer mehr Wählern, die meisten von ihnen finden diese Veranstaltung schon lange nicht mehr lustig. Brasiliens Legislative gehört zu den am meisten verabscheuten Institutionen des Landes, die Proteste auf den Straßen richten sich nicht zuletzt gegen die Männer und Frauen aus diesen Gebäuden des Architekten Oscar Niemeyer. Für viele Brasilianer sind der untertassenförmige Plenarsaal und die anliegenden Bürotürme von Brasília Selbstbedienungsläden, in deren labyrinthischen Gängen und Sälen gemauschelt und Geld verteilt wird wie auf dem Basar. Wer es hinein schafft, der hat fürs Erste ausgesorgt. Erst kürzlich erlebte das Publikum die historischen Prozesse wegen schwarzer Kassen und Stimmenkaufs durch die Arbeiterpartei PT des Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff. Mensalão nennt sich der Skandal, großer Monatslohn. Großer Monatslohn für Abgeordnete, die sich kaufen lassen.

Es traf also die seit zehn Jahren herrschende PT, aber andere Regierungen hatten in der Vergangenheit ähnlich bestochen. Wer Lateinamerikas Giganten ohne eigene Mehrheit regieren will, der braucht schließlich Unterstützung. Etliche Parteien beschäftigen sich mangels eigenem Profil hauptsächlich damit, ihren Beistand meistbietend zu verhökern. Das sind Spätfolgen einer Militärdiktatur, die demokratische Regeln bis 1985 außer Kraft gesetzt hatte. Außerdem war mit schlimmeren Folgen wegen solcher Gaunereien auf Staatskosten ja bis zuletzt kaum zu rechnen gewesen. Auch nun verurteilte Sünder wie Lulas ehemaliger Kabinettschef José Dirceu oder der frühere PT-Vorsitzende José Genoino traten ihre Haftstrafe bisher keineswegs an. Erst im Zuge der Demonstrationen setzte die Justiz ein Zeichen und verhaftete mit dreijähriger Verspätung zumindest den flüchtigen Parlaments-Kumpanen Natan Donadon der Partei PMDB. Er hatte 8,4 Millionen Reais (2,8 Millionen Euro) unterschlagen und belegt seit Ende Juni statt seines 36 Quadratmeter großen Büros eine sechs Quadratmeter kleine Zelle.

Selbst Schwerverbrecher saßen immer mal wieder in den beiden Kammern, ehe sie im Gefängnis landeten. Da war zum Beispiel der vorherige Ersatzkandidat Talvane Albuquerque aus der Region Alagoas, der 2012 für schuldig befunden wurde, 1998 den Mord an der Kollegin Ceci Cunha in Auftrag gegeben und daraufhin deren Parlamentsauftrag übernommen zu haben. Oder Hildebrando Pascoal aus Acre, besser bekannt als "Abgeordneter der Motorsäge". Er führte im Amazonasgebiet eine Truppe von Todesschwadronen und trennte einem Mann die Gliedmaßen ab, ehe er das Opfer mit Kopfschüssen ermordete. Der ehemalige Präsident Fernando Collor de Mello wiederum ist seit 2006 Senator für Alagoas, nachdem er 1992 wegen Korruption ähnliche Großkundgebungen wie die aktuellen ausgelöst hatte und zurücktreten musste. Sein Vater Arnon hatte 1963 im Senat einen anderen Senator erschossen.

Und Senatspräsident war bis vor Kurzem der einstige Staatschef José Sarney, der sich schon durch die Militärdiktatur gemogelt hatte. Auch die gesammelten Affären seiner Familie konnten dem Patron nichts anhaben. Sein Clan beherrscht den ärmlichen Bundesstaat Maranhão im Norden wie eine Privatfarm, Sarneys Tochter Roseana ist dort Gouverneurin, sein Sohn José war brasilianischer Umweltminister. In einem Aufsatz für die spanische Zeitung El País analysierte Sarney Senior kürzlich Brasiliens "glückliche Unzufriedenheit", kam aber nicht auf die Idee, dass der Volkszorn eventuell mit Funktionären wie ihm zu tun haben könnte.

Gegen das Sammelsurium aus Kleptomanen und Provinzfürsten tut sich auch die Präsidentin Rousseff schwer. Ihr Projekt einer Politreform, mit dem sie die Demonstranten zu besänftigen versuchte, scheiterte bisher am Widerstand der alten Riege. "Die Politiker wollen nicht ein Spiel verändern, dass sie selbst spielen und gewinnen", erklärte der Politologe Carlos Melo der Zeitung Folha de São Paulo. Auch während des Konföderationen-Pokals, als Widerständler auf die Barrikaden gingen, setzte sich die Party fröhlich fort: Parlamentspräsident Henrique Eduardo Alves flog samt Anhang im Luftwaffenflugzeug zum Fußballspiel nach Rio de Janeiro, Senatspräsident Renan Calheiros ließ sich ebenfalls von der Armee zur Hochzeit der Tochter eines Kumpanen an den Strand in Bahia fliegen, und Rios zunehmend verhasster Gouverneur Sérgio Cabral schwebt gerne im Hubschrauber auf Staatskosten zu seiner Finca.

Der Clown Tiririca schaut sich das alles mit großen Augen an. Vor seiner eigenen Wahl ins Parlament hatte Brasiliens Version eines Beppe Grillo nie gewählt, jetzt langweilt er sich in Brasília. Der Vater von sechs Kindern von vier Frauen schläft nachts nur drei Stunden, spielt Videospiele und geht gerne in die Sauna, erfuhr die Zeitschrift Piauí. Mittlerweile steht er zwischendurch wieder auf der Bühne und versucht sich ansonsten politisch zu vergnügen. Einmal fand er eine Besprechung seiner Partei so langweilig, dass er ging und das Licht ausknipste, die Genossen blieben im Dunkeln zurück. Was also tut ein Parlamentarier? "Ich kann dir sagen, was ein Bundesabgeordneter macht", sagt Francisco Everardo Oliveira Silva, genannt Tiririca. "Er arbeitet viel und produziert wenig."

Das Imperium schlägt zurück

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Die US-Regierung knüpft sich Banken vor, die die Finanzkrise verschuldet haben sollen

Die lang erwartete Revanche von Präsident Barack Obama hat begonnen: Er zieht gegen die Banken ins Feld, die vermutlich die US-Finanzkrise und damit die weltweite Wirtschaftskrise mit ausgelöst haben. Am Mittwoch wurde bekannt, dass die Regierung offiziell gegen Amerikas größtes Kreditinstitut JP Morgan ermittelt. Einen Tag zuvor war öffentlich geworden, dass das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC Klage gegen die Bank of America wegen Betrugs eingereicht haben.



Die Zentrale von JP Morgan in New York

In beiden Fällen geht es um das Geschäft mit Hypothekenpapieren: Die Banken haben Häuserkredite zu niedrigen Zinsen an Kunden mit teilweise geringer Bonität vergeben, sie in komplizierte Wertpapier-Konstruktionen verpackt und mit Gewinn verkauft. Als der US-Immobilienmarkt 2007 zusammenbrach, blieben die Käufer dieser Papiere auf hohen Verlusten sitzen. Die Frage ist nun, ob JP Morgan mit dem Handel der Papiere gegen die Vorschriften verstoßen hat. Der Bank of America wirft das Justizministerium vor, sie habe Kredite als sicherer eingestuft, als sie tatsächlich gewesen waren, und habe damit Anleger über den tatsächlichen Wert der Papiere "belogen". Gegen JP Morgan laufen nun sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Ermittlungen.

Barack Obama scheut sich nicht, die Häuser der Wall Street anzugehen, die zur Krise beigetragen haben: Die Arbeitsgruppe für Finanziellen Betrug im Justizministerium verfolge noch "eine Reihe von zusätzlichen Ermittlungen", sagte Eric Holder, Generalbundesanwalt der Vereinigten Staaten und einer von Obamas obersten Banken-Spürhunden. Die Gruppe werde "weiterhin einen aggressiven Ansatz verfolgen, um finanziellen Betrug zu bekämpfen und Missbrauch auf dem Markt für hypothekarisch gesicherte Wertpapiere aufzudecken", lässt sich Holder in einem Statement zitieren.

JP Morgan ging in ihrem Quartalsbericht auf die Ermittlungen ein. Sie könnten zu Verlusten von 6,8 Milliarden Dollar für die Bank führen, was ihre Reserven für Krisen überschreiten würde. Die Sache scheint ernst zu sein: Die Zivilkammer des Justizministeriums hatte bereits Vorermittlungen gegen die Bank unternommen und war im Mai zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass sie zwischen 2005 und 2007 gegen amerikanisches Wertpapierrecht verstoßen habe.

Die Immobilienkrise haben den Staat viele Milliarden Dollar gekostet. Allein die US-Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac, die Banken Kredite abgekauft haben, mussten mit 188 Milliarden Dollar gerettet werden. Obama hat nun angekündigt, den Immobilienmarkt zu reformieren und private Kreditgeber stärker in die Pflicht zu nehmen.

Wir schreiben Bundesliga-Geschichte!

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Deutscher Meister, nur der FCB? Nix da! Diese Bundesligasaison wird spannend, weil der Super-FCB ja jetzt ein ganz andere ist mit diesem Pep. Drum suchen wir heute FCB-Orakel und schreiben den Münchnern ihre Saison vor!





Morgen startet die Bundesliga in die neue Saison. Deshalb wollen wir heute ein bisschen orakeln und vorhersagen, wer im Mai 2014 deutscher Meister wird.

In der vergangenen Saison war ja alles so sonnenklar. Und deswegen ist jetzt gerade alles so neblig-wolkenverhangen, dass man gar nicht erahnen kann, wie das wird mit den Bayern!

Bayern unter Heynkes, das war perfekter Zusammenhalt, Eingespieltheit, Übermacht, Kantersiege, Rekord-Punktevorsprung. Jetzt aber ist da dieser Pep, der plötzlich noch einen Spanier und einen Dortmunder bekommt, obwohl er doch einen Schweinsteiger und einen Müller und ganz viele andere hat, die dann vielleicht auf der Bank sitzen und ne Schnute ziehen. Überhaupt will er alles umkrempeln. Und dann verlieren sie mal und dann wird der Lahm sauer und gibt der SZ ein Ärger-Interview und dann is wieder FC Hollywood – und vielleicht nichts mit Deutscher Meister, nur der FCB.  



Hängen Thiago und Javi in Zukunft lieber am Eisbach ab?

Also: Wir schreiben jetzt hier mal Bundesliga-Geschichten. Wir prophezeihen dem FC Bayern seine Saison, der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt! Vielleicht wird Alaba ja nach einem Auftritt mit Mirac Rapstar und disst dann ganz derbe seine Teamkollegen, was das mannschaftliche Gleichgewicht total durcheinander bringt und die Meisterschaft versaut. Oder Thiago, der neue Spanier-Brasilianer und wichtigster Spieler, der, wenn man sich sein Instagram-Profil so anschaut, offenbar sehr begeistert von der Isar ist, wird doch lieber Eisbachsurfer und hängt da jetzt immer mit seinem neuen besten Buddy Javi Martìnez ab, statt nach Hoffenheim und Gelsenkirchen zu fahren. Also, egal, was dir einfällt: Erzähl uns deinen Saisonverlauf!

Mit dem Smartphone aufs Klo

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Immer mehr Menschen können sich kein Leben ohne Handy vorstellen

Viele Deutsche können nicht mehr ohne ihr Smartphone. Zu diesem Ergebnis kommen Studien des Informations- und Medienunternehmens Nielsen und der Ergo Direkt-Versicherung. Immer mehr Menschen holen ihr Handy hervor, um zu spielen, ihren Alltag zu filmen, einzukaufen, im Internet nach Begriffen und Orten zu suchen und Musik zu hören. Im Vordergrund steht nicht mehr die mobile Erreichbarkeit, sondern die totale Allzwecknutzung.

Laut der Nielsen-Studie besitzen mittlerweile 94 Prozent der Deutschen ein Mobiltelefon, wobei beinahe zwei Drittel aller Handy-Besitzer ein Smartphone nutzen. Die deutlichsten Steigerungen seit der letzten Erhebung im dritten Quartal 2012 gab es beim Herunterladen von Spielen, beim Instant Messaging und beim Social Networking. Ebenfalls auf dem Vormarsch sind mobiles Shopping (zum Beispiel für Preisvergleiche) sowie Online-Spiele und Video beziehungsweise mobiles Fernsehen. Ein Viertel der Smartphone-Besitzer nutzen ihr Gerät, um Barcodes und QR-Codes zu scannen.



94 Prozent der Deutschen besitzen inzwischen ein Handy.

"Für Unternehmen und Werbungtreibende bedeutet dies, dass sie ihre Zielgruppen über immer mehr Kanäle ansprechen müssen", erklärte ein Manager von Nielsen. "Sie erreichen ihre Kunden und potenziellen Käufer auch in Lebensbereichen, in denen sie früher nicht präsent waren."

39 Prozent der Deutschen nehmen ihre Handys regelmäßig mit auf die Toilette. In Amerika sind es sogar 75 Prozent der Nutzer. Dort hat eine Marketingagentur herausgefunden, dass sich ein Viertel weigert, ohne ihr Smartphone überhaupt aufs Klo zu gehen. Selbst vor Telefonkonferenzen wird dabei nicht zurückgeschreckt. Angst haben sollte man nur davor, dass das GPS-System den momentanen Standort des Telefonierenden entlarven könnte.

Wollte man den Handynutzern ihre Geräte wegnehmen, hätte das teilweise gravierende Folgen. Das Sicherheitsunternehmen Lookout befragte dazu 2000 Amerikaner: Wie würden Sie reagieren wenn Sie ihr Smartphone verlegt hätten? Panische Zustände (bei 74 Prozent der Befragten) und Verzweiflung (bei 14 Prozent) wären die Konsequenzen.

In Deutschland leidet fast die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen am sogenannten Phantomklingeln. Die vermeintliche Vibration am Oberschenkel und der Klingelton sind dabei nur Einbildung. Ein Drittel der Benutzer sind im Durchschnitt 21 bis 24 Stunden am Tag erreichbar. E-Mails werden oft nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn gelesen, sondern schon beim Zähneputzen. 35 Prozent der Befragten werten ständige Erreichbarkeit sogar als Freiheit.

Oh my God!

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American Porno: Es sollte der Film sein, mit dem Paul Schrader und Bret Easton Ellis ihr Comeback feiern und Lindsay Lohan sich rehabilitiert - aber "The Canyons" ist in New York ein echter Kassenflop

Als die Schauspielerin Lindsay Lohan das erste mal nackt zu sehen ist, verrät ein spitzes "Oh my God!" mittig hinten im ICF Center von Manhattan, dass man zumindest nicht ganz allein im Kino sitzt.
Das ICF Center, mitten in Greenwich Village, versteht sich als Filmtheater für intellektuelle Hardcore-Cineasten. An der Kasse kann man T-Shirts mit dem Schriftzug der Band Metallica kaufen - und wenn man genau hinschaut, steht da gar nicht "Metallica", sondern "Fassbinder".

Ausgerechnet das also ist nun der Ort, wo am vergangenen Wochenende "The Canyons" von Paul Schrader nach einem Drehbuch von Bret Easton Ellis anlief, als einziges Kino weit und breit. Es passiert nicht oft, dass hier ein aufgekratztes "Oh my God" durch den Raum fliegt, und dann noch eins und noch eins. Vier oder fünf junge Frauen "oh-my-god"-en sich da mit entzückt vor den Mund geschlagenen Händen ein bisschen was zusammen. Aber das liegt nicht unbedingt daran, dass Lindsay Lohan gerade nackt zu sehen ist. Das liegt vielmehr daran, dass sich in dem Moment auch der Pornostar James Deen, bürgerlich Bryan Matthew Sevilla, die Hosen runterzieht. Und dass er dann etwas tut, was nachvollziehbar macht, warum er zu Beginn seiner Karriere auch mit dem Namen "Clint Cullingus" geliebäugelt haben soll.



Linsay Lohan wollte mit "The Canyons" eigentlich ihr Comeback starten - nur das Publikum ist von dem Film nicht so begeistert.

Ist "The Canyons" also tatsächlich der als sympathischer kleiner Arthouse-Film getarnte Softporno, zu dem er im Vorfeld so oft erklärt wurde?

Sagen wir mal so: Es macht ihn auch noch nicht unbedingt zur Komödie, dass am Ende sehr darüber gelacht wird. Als nämlich von irgendwoher ein bisschen unvermittelt der Abspann ins Bild trudelt, kommt es im Zuschauerraum zu Anfällen von geradezu hysterischer Heiterkeit: Wie bitte - DAS soll das jetzt also gewesen sein?

Der Film, an dessen Geburt die Amerikaner, ob sie wollten oder nicht, lückenloser Anteil nehmen durften als die Briten an der von Prinz George? Der Film, der für gleich drei Leute das große Comeback werden sollte? Für Schrader als Regisseur. Für Ellis als Schreiber. Und für Lohan als funktionstüchtige Person. Selten ist ja eine Schauspielerin in so jungen Jahren schon dermaßen einhellig als lebensuntüchtiges Wrack und professionelle Totalkatastrophe abgestempelt gewesen. Und selten dürfte es einen Film mit so kleinem Budget gegeben haben, über den man über Jahre hinweg so viel zu lesen bekam. Wie Schrader und Ellis die spärlichen Produktionskosten von rund 250 000 Dollar hauptsächlich durch Crowdfunding im Internet zusammenkratzen mussten. Dass sich Lohan für nur 100 Dollar Gage am Tag häufiger ausziehen musste, als ihr lieb war. Dass Paul Schrader am Ende selbst völlig entblättert über den Set sprang, um Lohan zu ermutigen, eine Sexszene mit vier Teilnehmern wie vertraglich vereinbart über die Bühne zu bringen.

Dabei war Schrader doch mal wer! Der Autor von "Taxi Driver", nur zum Beispiel, und der Regisseur von "American Gigolo" - damals, vor Ewigkeiten. Ellis hat immerhin mal "American Psycho" geschrieben, "Unter Null" und "Glamorama", aber das ist auch schon eine Weile her. Und dass es mal Zeiten gegeben haben muss, zu denen Lohan noch nicht auf dem absteigenden Ast war, ist heute kaum noch vorstellbar.

Wie soll man solchen gefallen Helden nicht von Herzen ihr Comeback wünschen? Und wie soll man aber, andererseits, nicht sie selbst, ihren jeweils eigenständig dramatischen, unabgebremsten Fall aus den Himmeln der Popkultur, als die eigentliche Tragödie konsumieren? Die Geschichte, die sie jetzt abgeliefert haben, kommt da an keiner einzigen Stelle mit.

Das geht schon damit los, dass man gleich am Anfang Lindsay Lohan als ehemalige Schauspielerin Tara in der Bar genau jenes Hotel Château Marmont in Los Angeles sitzen sieht, in welchem wiederum die Schauspielerin Lohan durch die zunehmende Ehemaligkeit ihrer eigenen Karriere zuletzt rund 46 000 Dollar Schulden für Kost und Logis angehäuft haben soll. Um das Positive herauszustellen, muss man zugeben, dass Lohan das ganz wunderbar macht: Den Ruch der eigenen Kaputtheit auf ihre Figur ausstrahlen zu lassen. Tara: Sex-Appeal eines sehr, sehr reifen Pfirsichs, bisschen zu viel Schminke, bisschen zu viel auf den Hüften, viel zu viele Drinks, Zigaretten und Desillusionierungen in der Stimme. Sie weint im Verlauf des Films recht viel. Dazu hat sie allerdings auch allen Grund: Ihr Freund heißt Christian, ist reich, kontrollsüchtig, gelangweilt, fies und sieht ungefähr zehn Jahre jünger aus als sie. Er hat gern und viel Sex, allerdings nicht immer zwingend mit ihr, oder nur mit ihr alleine. Dieser Aspekt des Films ist James Deen ja aus seinem Hauptberuf her vertraut. Ungewohnter für ihn als Pornodarsteller ist naturgemäß die Möglichkeit, große Texte zu sprechen, und davon macht er den kompletten Film über sehr freudig Gebrauch.

Der Schauspieler James Deen ist wirklich phänomenal und eine Entdeckung von Bret Easton Ellis, dem er als Darsteller "von den vielen Pornoseiten, die ich abonniert habe", bereits seit längerem vertraut gewesen sei. So Ellis selbst gegenüber dem New York Magazine. Dieser sogenannte James Deen ist, eigentlich, der absolute Inbegriff eines freundlichen, sensiblen "Jewish boy next door". Es muss Ellis fasziniert haben, dass ausgerechnet dieser Junge seit Jahren einer der meistbeschäftigten Stars in der Sexfilmbranche ist. Es muss ihn noch viel mehr fasziniert haben, diesem grundsympathischen Burschen über ein paar Lines von Werweißwas die Idee in den Kopf zu pflanzen, dass auch etwas Fieses, Kaltes, Herrisches in ihm stecken könnte. Deen geht dem als "Christian" dann auch mit Inbrunst nach. Irgendwann zieht er sich die Gummihandschuhe über, nimmt ein Messer und verschmilzt endgültig mit seinem Vorbild, dem anderen Christian von Easton Ellis: Christian Bale, dem gegelten Schlitzer aus "American Psycho". Wenn der allerdings zu seinen Mordtaten schritt, war das auf eine sehr perfide Weise auch für den Leser oder Filmzuschauer immer ein Moment der Erlösung von seinem lähmenden Gefasel über die Poptruppe Genesis, ein tiefer Schnitt durch die polierten Oberflächen.

In "The Canyons" ist es nun nicht einmal mehr das, sondern genauso egal, bedeutungslos, unzwingend, eindimensional und lustlos dahinbehauptet wie der ganze Rest der Handlung und alle Charaktere: Ein paar Twentysomethings mit entweder zu viel Geld oder zu wenig, auf jeden Fall aber ausreichend sexueller Energie, dass am Ende jeder mal was mit jedem hatte. Dann kommt noch ein bisschen Eifersucht und Normalbosheit dazu, fertig. Nothing to write home about, wie der Amerikaner sagt. Und damit eben auch nichts, was einen New Yorker hinter dem Ofen hervorlocken könnte, zu dem seine Stadt im Sommer ja nun einmal regelmäßig wird, was Kinosäle normalerweise schon wegen ihrer Klimaanlagen zu aufsuchenswerten Orten macht. "The Canyons" ist ein wirklich monumentaler Kassenflop. Vielleicht war es draußen bisher noch nicht stickig genug. Vielleicht gibt es aber in New York auch schlicht besseres zu tun, als sich anderthalb Stunden lang die abgestandensten aller Los Angeles-Klischees anzutun: gescheiterte Jungschauspieler, die mit Drogen, Sex und Langeweile rummachen.

Schrader wollte offensichtlich auch mit Minimalbudget unbedingt noch mal einen kühlen, eleganten Erotikthriller drehen - so wie früher, als allerdings auch Helmut Newton noch lebte. Und auch Ellis war es offensichtlich vor allem darum zu tun, noch einmal seine Lieblingsplatte aus den Achtzigern aufzulegen: Gottchen, sind wir machtversessen, zynisch, böse, kalt und leider geil dabei. Jetzt müssen Schauspieler, die damals gerade geboren wurden, diesen Unfug aufsagen wie unverstandene Barock-Sonette.

Wenn man ernsthaft ein Comeback vorhat, ist dürftiges Epigonentum bei sich selber nicht unbedingt die allerbeste Idee. Könnte sein, dass "The Canyons" der Schauspielkarriere von Lindsay Lohan, was wirklich, wirklich schade wäre, nicht so besonders gut tun wird. (Vielleicht ja der von James Deen, das wäre dann immerhin schon mal was.) Vor allem könnte es aber so sein, dass dieser Film der Grabstein auf den Karrieren von Schrader und Ellis ist.

Dass die New Yorker überwiegend mit gesenktem Kopf daran vorbeigehen, ist so gesehen vielleicht gar nicht mal nur Desinteresse. Es ist vielleicht einfach nur Pietät.

Girls am Rande des Zusammenbruchs

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Laut, bunt und niemals erwachsen: Nach den Erfolgen des Korea-Pop wollen nun asiatische Popbands wie Perfume den Westen erobern. Dazu gehören, neben Musik und viel Fashion, Disziplin und harte Arbeit

Fast eine halbe Stunde nach Ende des Konzerts in Köln stehen immer noch Fans vor der Bühne - in der Hoffnung, die japanische Girlband Perfume nach eineinhalb Stunden hochenergetischer, bestens gelaunter Performance aus Gesang und Roboter-Tanz zu einer letzten Zugabe motivieren zu können. Doch es hilft nichts. In den Katakomben hinter der Bühne befinden sich die drei Sängerinnen am Rande der Erschöpfung. Man kennt das Phänomen aus dem Fitnessstudio - eben ist man noch glücklich rumgehüpft, schon knicken Arme und Beine weg wie abgebrannte Streichhölzer. Jetlag, Aufregung, Übermüdung fordern ihren Preis von den Perfume-Damen, doch zum Ausruhen ist keine Zeit. Sie haben noch Interviews vor sich. Deswegen ist höchstens eine kleine Verschnaufpause drin.



Japanische Musikfans in Saitana

Popstars sind Trendmaschinen in Asien. Wer wissen will, was in der Mode gerade passiert, sollte mal einen Blick auf die Bühnen der Pop-Arenen in Tokio und Seoul werfen. In diesen Hallen sind Perfume zu Hause. Mit mehr als drei Millionen verkauften Tonträgern gehört die Band um Aa-Chan (eigentlich: Ayaka Nishiwaki), Nocchi (Ayano Omoto) und Kashiyuka (Yuka Kashino) aus Hiroshima zu den erfolgreichsten Popbands ihrer Heimat. Die Fans kommen aus allen Altersklassen und Gesellschaftsschichten Japans.

In Asien funktioniert das Fan-Sein etwas anders als hierzulande. Verglichen mit Perfume-Fans sind Justin Biebers Fans zahme Kätzchen. Die Begeisterung, mit der Popidole in Ostasien verehrt und gefeiert werden, kennt man in Europa nicht. Einfach alles wird kopiert: der Gesang, die Choreografie und natürlich der Look - bis ins kleinste Detail. Der Stil von Perfume kann als retro-futuristische Version der Schuluniform zusammengefasst werden: kurze Röcke mit großflächigen grafischen Mustern, dazu passenden engen Oberteilen und hohen Schuhen. Zuletzt waren Perfume in der japanischen Vogue in kurzen Blümchenkleidern von Dolce&Gabbana, mit aufwendigen Blümchen-Haarreifen, in schwarzen Pumps und schwarzen Söckchen zu bestaunen.

In diesem Sommer eröffnet die Band mit einer Blitztour durch Europa ihre ambitionierte internationale Karrierephase. Das ist harte Arbeit. Da wäre zunächst die Sprachbarriere: Asiatische Künstler sprechen kaum Englisch, auch die Lieder werden in japanischer Sprache gesungen. Popkultur spricht aber im hiesigen Mainstream immer noch überwiegend Englisch. Entsprechend engagiert preist die internationale Crew hinter der Band das Talent der drei an. Innerhalb kürzester Zeit hat man zehn verschiedene Visitenkarten in der Tasche - alle mit dem größenwahnsinnigen Weltkugel-Logo des Unterhaltungsriesen Universal, der Perfume im vergangenen Jahr unter seine Fittiche genommen hat. Aus der lokalen Sensation Perfume sollen jetzt echte Weltstars werden.

Die Erfolgsaussichten einer japanischen Band im europäischen Mainstream ist mit dem Aufstieg eines Herren namens Psy deutlich gestiegen. Im hellblauen Anzug, mit Vivienne-Westwood-Hemd und nietenbesetzten Slippern schoss der Rapper mit seinem Ohrwurm "Gangnam Style" im vergangenen Jahr an die Spitze der internationalen Charts.

Das frühe 21. Jahrhundert erlebt gerade eine massive Erfolgswelle koreanischer Popmusik, kurz "K-Pop". Allein in der ersten Jahreshälfte 2012 spielten K-Popbands weltweit 3,4 Milliarden Dollar ein. Bands und Solokünstler aus Südkorea dominieren die Charts im gesamten asiatischen Raum. Das Time Magazine spricht vom "größten Exportschlager Südkoreas".

All dies wäre undenkbar ohne die Raffinesse der koreanischen Popkulturbeauftragten. Korrekt, in Südkorea werden Steuergelder in Girl- und Boygroups gebuttert. Über Jahre hat die Regierung einheimische Musiker großzügig subventioniert. Die berühmtesten Bands heißen Girls Generation oder Big Bang, bestehen aus Frauen oder Männern im Alter von 17 bis 25 Jahren, die uhrwerksgenau tanzen, generische Pophits singen und dabei Klamotten anhaben, die irgendwo zwischen Eighties-Revival-Party und flamboyantem Gegenwartsdesign anzusiedeln sind. Die Jungs ziehen mit bunten Haaren, in Seidenblousons aus Hermès-Stoffen und mit Metallic-Nagellack los, während die Mädels neben Leggins, Kleidchen oder auch mal Militäruniformen vor allem auf hohen Absätzen rumhopsen. Die Auftritte sind laut, bunt, ultra-androgyn und niemals erwachsen.

Für die Modewelt ist so eine Welle populärer und modisch experimentierfreudiger Wesen natürlich ein Sechser im Lotto. Das Outfit eines Popstars ist ohnehin extravaganter und expressiver als das des Normalsterblichen. Dazu kommt die enorme Werbewirksamkeit durch eine große Bandbreite an Outfits - für die Bühne, Fernsehauftritte, Flughafenschleusen und CD-Cover - mit maximaler medialer Verbreitung. Man denke etwa an die legendären Kollaborationen zwischen Jean Paul Gaultier und Madonna in den Neunzigerjahren, Dior Homme und Franz Ferdinand zur Jahrtausendwende oder auch die gegenwärtige Zusammenarbeit von Rapper/Designer Kanye West mit sich selbst. Gemeinsam prägen Musiker und Designer, wenn"s gut läuft, den Stil einer ganzen Generation. Und die Generation K-Pop ist jetzt schon riesig.

Mithilfe der K-Pop-Ikonen öffnet sich Modemachern eine Tür zu kauflustigen Heerscharen von Fans in ganz Asien. Der amerikanische Designer Jeremy Scott stellte jüngst eine Dame namens CL, Sängerin der K-Pop Band 2NE1, als seine neue Muse vor. Die 21-jährige Seouler Vorzeigediva (bürgerlicher Name: Chae Lin Lee) hat eine Schwäche für Untragbares aus den Häusern Balmain und Alexander McQueen. Was sie anzieht, findet sofort reißenden Absatz. Und sie erfüllt ja auch alle Merkmale eines modernen K-Popstars: perfekter Körper, lange blond gefärbte Haare, Auglidfalten und spitzes Kinn. All das gehört zum K-Pop wie Synchrontanz und Mitsing-Hits. War Mutter Natur nicht großzügig genug, hilft der Schönheitschirurg eben nach.

Laut einer Studie der International Society of Aesthetic Plastic Surgery hat jede fünfte koreanische Frau bereits einen chirurgischen Eingriff machen lassen. Operationen an den Augen, der Nase und den Wangenknochen sind in Korea so alltäglich geworden, dass man sie als "Basics" bezeichnet, als optische Grundversorgung halt. Eine koreanische Schülerin sagte dem US-Magazin The Atlantic: "Ich mag die Gruppe Girls Generation. Sie haben sichtbare Augenlider, schmale Gesichter und eine runde Stirn. Das ist ein Implantat. Sie geben es nicht zu, aber ich weiß, dass es wahr ist." Wie neunzig Prozent aller koreanischen Frauen unter 25 will auch die Schülerin bald das Basisprogramm absolvieren.

Die Eingriffe werden inzwischen allerdings immer radikaler. Im Trend liegt der "V-Kiefer", eine Reduktion des Kieferknochens in V-Form für eine herzförmige Gesichtsform. Dazu wird der Unterkiefer gebrochen und an den Seiten abgefeilt. "Die Frauen kommen mit Fotos von Starlets in meine Praxis", berichtet ein Seouler Schönheitschirurg in der New York Times: "Koreanische Frauen wollen ihr Gesicht revolutionieren."

Im Gegensatz zum extravaganten Stil vieler K-Popstars bemühen sich Perfume um einen glamourösen, aber in erster Linie wiedererkennbaren und einigermaßen zugänglichen Look. In Köln kommen Nocchi, Aa-Chan und Kashiyuka eine Stunde nach dem Konzert zum Gespräch, sie tragen jetzt adrette Blusen, Shorts - und identische Hausschuhe. Die Erschöpfung ist ihnen auf den Leib geschrieben, aber ohne Interviews kein internationaler Durchbruch, so ist es nun mal. Das Leben eines asiatischen Popstars besteht schätzungsweise zu zehn Prozent aus Ruhm und zu 90 Prozent aus Disziplin. "Harte Arbeit gehört nun mal zu unserem Job", sagt Aa-Chan achselzuckend. Und: "Es macht Spaß, ans Limit zu gehen."

Die drei Perfume-Ladys wirken wie alterslose Kindfrauen, mädchenhaft, zart, zurückhaltend und angepasst. Unter dem Augen-Make-up ist schwer zu erkennen, ob ihre Lidfalten gemacht sind oder nicht. Außer Frage steht, dass die müden Blicke aus perfekt geformten Mandelaugen kommen. Wie echt ist die Schönheit von Perfume? Die drei kichern, alles sei "ganz natürlich", übersetzt die Dolmetscherin, das sei Teil des Konzepts der Band. Wie sehen sie ihre Rollen als Modeikonen in Japan? "Wir haben seit zehn Jahren die gleichen Frisuren", erzählt Sängerin Nocci und fährt mit der Hand durch ihren kindlichen Pagenkopf. Es gebe feste Regeln für die Bühne: keine gefärbten Haare, nicht zu viel Make-up, kurze Röcke, hohe Schuhe.

Ist das nicht langweilig? "Man kennt uns eben so", sagt Aa-Chan. "Eigentlich wollen wir unsere Frisuren ändern, wenn wir erwachsen und berühmt sind. Aber wer weiß, wann dieser Punkt erreicht ist?"

Die Hobbyisten kommen

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Warum nur wollen so viele Politiker im Wahlkampf mit den Bürgern kickern, grillen, gärtnern?

In ihrer letzten Pressekonferenz vor der Sommerpause wurde Angela Merkel gefragt, wie sie sich im Urlaub zu erholen gedenke. Sie sagte: "Mit der Erholung bei der Bundeskanzlerin ist es so, dass der sicherste Weg ist, sich bei der Arbeit zu erholen." Das klang nur im ersten Moment erstaunlich, tatsächlich ist diese Antwort so banal wie zwingend. Wer in seinem Beruf so umfassend beansprucht wird wie die Bundeskanzlerin, der ist gut beraten, ein paar Fasern Freizeit in das Korsett seiner Verpflichtungen einzuweben. Anders gesagt: Wann, bitte, sollte sich ein Mensch mit so viel Arbeitszeit erholen, wenn nicht während derselben?



Jürgen Trittin fiel vergangene Woche bei einer Paddeltour ins Wasser.

Mit Erholung ist hier natürlich nicht der Minutenschlaf auf der Jahreskonferenz der Landfrauenjugend gemeint oder eine schnelle Partie Sudoku während der Parlamentsdebatte. Es geht vielmehr um die Gestaltung von Freizeit, echter oder beruflicher. Für Politiker ist das nicht ungefährlich, als Beleg dafür sei exemplarisch die Krankenakte von David McAllister herangezogen. Als der noch Ministerpräsident Niedersachsens war, besuchte er die Kinderspielscheune Ottendorf, um dort mit seinem eigenen Nachwuchs zu rutschen. Die Folge: ein schwerer Bruch in seinem Lebenslauf, nämlich der des Steißbeins. In Hedemünden, ebenfalls Niedersachsen, hat es vorvergangene Woche Jürgen Trittin erwischt. Er hatte seinen Protest gegen Salzeinleitungen in die Werra mit einer Paddelbootsfahrt verbildlichen wollen - und wurde infolge eines mäßigen Anlegemanövers letztlich selbst in die Werra eingeleitet. Verletzt wurde niemand.

In Zeiten des Wahlkampfs häufen sich solche Einsätze. Glaubt man den vielen Plakaten, die jetzt wieder mit "Vorname Nachname kommt!"-Rufen für Veranstaltungen werben, ist in diesem Sommer noch mit einer besonders hohen Zahl an politischen Hobbyeinsätzen zu rechnen. Da lohnt eine Betrachtung aus zwei Perspektiven, der des Politikers wie der des Bürgers.

Hemd und Haar von Trittin sind kaum getrocknet, da muss er schon wieder zum Tischfußball antreten. "Wir kickern mit Jürgen!", kündigen die Grünen einen als Freizeit verpackten Termin im Backstage in München an. Darüber wundert sich nur, wer bei einem Einsatz Trittins als "DJ Dosenpfand" noch nicht das gemacht hat, was Claudia Roth vermutlich abhotten nennen würde. Jedenfalls soll mit dem Kicker-Termin die "Likeability" Trittins erhöht werden. Adäquat lässt sich dieser Begriff nicht übersetzen, er beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, gemocht werden zu können. Um wenig anderes geht es Politikern bei ihren Besuchen in der Hobbythek, und dagegen ist erst mal gar nichts zu sagen. Manchmal funktioniert der Transport einer politischen Idee über eine bildstarke Aktion ja ganz gut, wie zum Beispiel bei Michelle Obama, als sie im Garten des Weißen Hauses ein Gemüsebeet anlegte. Manchmal ist es aber auch so, dass Renate Künast zum Stadtgärtnern in die Zschochersche Str. 12 in Leipzig lädt.

Für den Bürger jedenfalls bieten sich da recht viele Möglichkeiten zur Teilhabe. Im Bundestagswahlkampf 2002 konnte er mit Joschka Fischer joggen gehen, in diesem August ergibt sich immerhin die Möglichkeit eines Spaziergangs mit Gabriele Weishäupl. Ob Frank-Walter Steinmeier irgendwo noch den Grill anwerfen wird? Es ist mit allem zu rechnen.

Aber die eigentliche Frage ist natürlich, ob man als Wähler an solchen Veranstaltungen überhaupt teilnehmen will. Ob es ein Ausdruck von Bürgernähe ist, wenn Politiker zu Hobbyisten in eigener Sache werden. Oder ob es ein erkennbares Heranwanzen bleibt, für das man als Kandidat zwar Aufmerksamkeit bekommt, aber sicherlich keinen Respekt. Die Antwort, wahrscheinlich: mal so, mal so.

Leichter, weil hypothetisch ist es, sich zu überlegen, mit welchen Terminen in den kommenden Wahl- und Superwahljahren noch zu rechnen sein wird. Gemeinsam abhängen mit Wolfgang Kubicki bei einem lauschigen Kriegsfilmabend? Ein schmissiger Spieleabend mit Thomas de Maizière, um beim "Mensch-ärgere-Dich-nicht" mal wieder so richtig die Sau rauszulassen? Am größten ist der Spielraum vermutlich bei den Grünen. Veganes Topfschlagen oder Wettfahrten mit dem E-Bike - da geht noch was.

Der Pirat Christopher Lauer hat einmal gesagt, das sei eben Politik: "Man muss Dinge tun." Die Aussage lässt sich problemlos auf die kleinen Zirkusnummern übertragen, die Politiker im Wahlkampf veranstalten. Wenn aber die Folklore jeden politischen Inhalt überdeckt, dann sollte man die Freizeit-Revuen wenigstens andersherum aufziehen. Alle Gewalt geht vom Volke aus, dazu zählt dann ja auch ein Vorschlagsrecht für Wahlkampftermine. Als Testkandidatin dafür bietet sich die SPD an, die bis zur Bundestagswahl an fünf Millionen Haustüren geklingelt haben will. Müll rausbringen mit Peer Steinbrück. Waschmaschine reparieren mit Sigmar Gabriel. Die Hecke verschneiden mit Andrea Nahles. Oder mal kurz auf das Baby aufpassen mit Olaf Scholz, während man Tante Ilse zum Bahnhof bringt. Versuchen kann man das ja.

Das Netz isst mit

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Ein Wirt in Berlin wehrt sich gegen das Fotografieren seiner Speisen fürs Internet

Denise aus Sossenheim tut es. 'Mmm . . .', steht unter ihrem Foto einer ockergelben Linsensuppe. David aus Berlin tut es auch. Auf seiner Facebook-Seite zeigt er eine allem Anschein nach zu Mittag gekaufte Pizza, darunter steht: 'Super Pizza' und eine Ortsangabe. Viele junge Menschen fotografieren ihre Mahlzeiten und stellen die Bilder in sozialen Netzwerken online; in den Internetdiensten Facebook und Instagram sind es so viele geworden, dass psychologische Fachzeitschriften bereits über die tieferen Ursachen des Phänomens rätseln.



Ein Foto vom Mittagessen bei Instagram posten? Ein Wirt in Berlin hat das jetzt seinen Gästen verboten.

In Berlin hat es ein Wirt nun satt. 'Bitte das Essen nicht instagrammen!' schrieb er auf einen Zettel und hängte ihn in seinem Lokal auf. Was eine Debatte ausgelöst hat, weil den Zettel wiederum jemand fotografiert und auf die Facebook-Seite 'Notes of Berlin' gestellt hat. Können Restaurants sich solche Food-Fotos verbitten? Haben sie das Recht, sich zu wehren gegen eine Veröffentlichung der Bilder im Netz? Die Meinungen der Rechtsgelehrten gehen, nachdem in einschlägigen Foren seit Tagen diskutiert worden ist, nicht mehr allzu weit auseinander, weshalb man zusammenfassend antworten darf: Ja, aber nur in Ausnahmefällen. Köche, die wahre Künstler sind, genießen den Schutz des Urheberrechts grundsätzlich genauso wie Musiker oder Maler.

Dies gilt nicht nur für den besonders originellen Geschmack ihrer kulinarischen Kreationen, sondern unter Umständen auch für das Optische, für die besondere Anrichtung eines Cocktails zum Beispiel oder für ein spektakulär arrangiertes Sushi-Ensemble: für jene Genüsse eben, die man mit der Kamera einfangen kann. Geht es um die persönliche Handschrift eines Spitzenkochs, dann darf gemäß dem Urheberrecht kein anderer, auch kein Restaurantgast, unbefugt ein Bild veröffentlichen.

Die Frage ist nur, ob alles, was in Berlin oder anderswo auf den Teller kommt, Kunst ist. An dem Punkt wird es für Gastronomen heikel. Nur wer wirklich etwas Einzigartiges gekocht hat, kann das Urheberrecht in Anspruch nehmen. Eine hohe Hürde, sagt der Kölner Urheberrechtsanwalt Niklas Haberkamm. Ein Richter werde sich nur in seltenen Fällen einmischen, um einem Koch gegen unerwünschte Fotografen zu helfen; bei der Anrichtekunst japanischer Spitzenköche vielleicht. Bislang ist es dazu nie gekommen.

Die Masse der Speisen, 'einfache, alltägliche und vorbekannte Gestaltungen ohne ein Mindestmaß von Individualität und Aussagekraft', wie es in der kühlen Sprache des einschlägigen juristischen Kommentars der Professoren Artur-Axel Wandtke und Winfried Bullinger heißt, genießen keinen Schutz. Zumindest aus Sicht des Urheberrechts sind sie zum fotografischen Abschuss frei.

Küchenchefs können trotzdem ihre eigenen Regeln aufstellen, sofern sie nicht nur die Kochmütze aufhaben, sondern auch den Hut, also das Hausrecht haben. Darauf weisen die Juristen noch hin: Ein Wirt kann durchaus von seinen Gästen verlangen, dass sie höflicher sind, als es das Gesetz verlangt. Genau das tut der Berliner Wirt mit seinem Zettel. 'Essen fotografieren verboten', das lässt sich auch übersetzen in: Wer den Koch nicht wie einen Künstler behandeln mag, der soll doch gehen.

Nummern des Todes

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Der BND soll keine Daten weitergeben, die bei der Menschenjagd per Drohne helfen - Schindler weicht diese Regel nun auf

Vor dem tödlichen Angriff kommt das Surren: eine Drohne weit oben am Himmel, oft nur ein kleiner schwarzer Punkt, gesteuert aus sicherer Entfernung. Der Auftrag ist klar: Verdächtige ins Visier nehmen, Raketen abschießen. Bumm.

Zuerst aber muss das Ziel gefunden werden, es ist die eigentliche Herausforderung im amerikanischen Drohnenkrieg. Oft helfen Komplizen der Geheimdienste. Sie, so jedenfalls erzählen es etwa die Leute im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, heften kleine Sender an die Pick-ups von Verdächtigen. Oder es helfen Späher, die versteckt im Hinterland Ausschau halten. Manchmal reicht aber auch schon die Handynummer eines Verdächtigen. Das Funksignal eines Mobiltelefons hat nach Ansicht von Experten schon so manche Rakete zu ihrem Ziel geführt.



Bei Drohnenangriffen werden auch Handysignale verwendet, um die Opfer zu orten.

Eine Regel des Bundesinnenministeriums besagt, dass deutsche Stellen keine Daten an die Amerikaner übermitteln dürfen, die für eine unmittelbare Ortung verwendet werden können. Dazu müssten nach der Logik des Drohnenkriegs auch Handynummern gehören. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des NDR-Magazins "Panorama" gab BND-Präsident Gerhard Schindler allerdings jüngst die interne Regelung aus, dass Handydaten an Partnerdienste weitergereicht werden dürfen. Zur Ortung seien sie untauglich. Per Präsidenten-Dekret bestimmt Schindler also, dass nicht sein kann, was nicht sein darf - oder wie es in einer BND-Stellungnahme heißt: "Diesbezügliche Unklarheiten wurden ausgeräumt."

In der Vergangenheit hatten die deutschen Dienste so ihre Bedenken mit den Amerikanern, wohl nicht ganz zu Unrecht. Das Bundeskriminalamt etwa weigerte sich in mindestens einem Fall, Informationen über Verdächtige weiterzugeben. Und dann war da noch der 4. Oktober 2010: Eine amerikanische Drohne zerfetzte im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet mehrere Männer, unter ihnen den 20-jährige Bünyamin E. aus Wuppertal und den Iraner Shahab D. aus Hamburg. Zuvor hatten deutsche Behörden Bünyamins Handynummern und die seiner Freunde an die Amerikaner weitergeleitet.

Der tödliche Luftschlag entfachte eine Diskussion: Welche Informationen können unbedenklich an die Amerikaner weitergegeben werden? Was gehört noch zur Bündnistreue? Und wo fängt schon die Beihilfe zu Hinrichtungen per Drohne an? Es sind Fragen, welche die von Schindler so geschätzte deutsch-amerikanische Zusammenarbeit belasten.

Der BND-Präsident vertraut den US-Diensten, doch nicht alle Mitarbeiter teilen dieses Grundvertrauen. So distanzierte sich ein Referatsleiter deutlich von seinem Chef und dessen freizügiger Linie, was die Weitergabe von Mobilfunknummern angeht. Der Mann wurde nach Recherchen der SZ und des NDR wenig später versetzt. Darauf angesprochen antwortete der BND: "Rotationen sind integraler Bestandteil der Personalentwicklung."

Vorwürfe, die deutschen Dienste hätten Beihilfe zu Drohnenangriffe geleistet, weist die Bundesregierung seit jeher zurück. Und der BND verweist gerne darauf, dass die für die Amerikaner bestimmten Informationen mit einem Zusatz versehen werden: Die übermittelten Daten dürfen demnach "nicht als Grundlage oder Begründung für unangemessene Maßnahmen" oder "zum Zwecke des Einsatzes körperlicher Gewalt" verwendet werden. Eine Nicht-zur-Menschenjagd-Regel also, ein Schriftstück im Beamtendeutsch, damit ist das Problem für den Geheimdienst offenbar erledigt. Dabei ist es mehr als fraglich, dass sich die Amerikaner darum scheren. Ein hochrangiger CIA-Offizier, der einst selbst Einsatzbefehle für Drohnen abgezeichnet hatte, sagte der SZ vor nicht allzu langer Zeit: "Die Deutschen meinen, sie haben keine Rolle gespielt? Woher wollen sie denn wissen, ob ihre Informationen entscheidend waren oder nicht?"

Für US-Präsident Barack Obama sind Drohnen längst die Waffen der Wahl. Seit seinem Amtsantritt flog das US-Militär mehr als 350 Angriffe, mindestens 3000 Menschen starben, unter ihnen viele Zivilisten. Die gezielte Tötung in Afrika unterstützt das amerikanische Militär auch von Standorten in Deutschland aus. Bei seinem Deutschlandbesuch im Juni ging Präsident Obama auch kurz darauf ein. Die Bundesrepublik sei kein Startpunkt für Drohnenangriff, beharrte er. Dass US-Standorte in Deutschland in Amerikas Drohnenkrieg eingebunden sind, bestritt er nicht.

Ninjas mit Kameras

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Während auf Brasiliens Straßen Molotov-Cocktails fliegen, laufen im brasilianischen Fernsehen die Telenovelas. Eine Gruppe junger Reporter streamt deshalb von den immer noch andauernden Protesten live ins Netz. Vor kurzem wurden sie dafür verhaftet

Bevor Felipe zur Arbeit geht, setzt er sich eine Gasmaske auf oder schlingt sich ein Tuch um den Kopf mit den dunklen Locken. Der 28-Jährige schützt sich damit vor Tränengasbomben und Gummigeschossen. Felipe ist Ninja-Reporter. Sein Arbeitsplatz sind die Straßen von Sao Paulo, sein Arbeitsgerät ist ein Smartphone. In Brasilien demonstrieren die Menschen seit Wochen gegen die Korruption der Regierung, gegen die bevorstehende Fußball-WM und für bessere Krankenhäuser und Verkehrssysteme. Felipe und seine 50 jungen Kollegen vom Reporterkollektiv Midia Ninja berichten per Handy und Internet-Livestream darüber, was auf diesen Protesten in den Großstädten Brasiliens passiert.



Felipe (zweiter v.r.) mit seinen Ninja-Kollegen. Sie wollen zeigen, was etablierte Medien aussparen.

Während die Ninjas im Netz fliegende Molotov-Cocktails und Tränengasattacken zeigen,  läuft im brasilianischen Fernsehen allabendlich die Telenovela „Amor a vida“. Berichten TV-Sender doch über die Demos, dann meist regierungsfreundlich und aus sicherer Entfernung; zum Beispiel von einem Hubschrauber aus. Auch in Deutschland interessieren sich die Medien kaum noch für die Proteste in Brasilien, seit die Massen-Events Confed-Cup und Papst-Besuch vorbei sind. Dadurch wirkt es oft so, als seien die Demonstrationen vorbei. Dabei gehören die Proteste für viele junge Brasilianer mittlerweile zum Alltag.   Die Ninja-Reporter treten mit ihrer Berichterstattung im Kampf um die Meinungsmacht gegen ihre Kollegen aus den großen Medienkonzernen an: „Wir wollen das Mediensystem revolutionieren, den Zeitungen und Fernsehsendern hier kann man nicht mehr vertrauen“, sagt Felipe. Diese Unzufriedenheit mit klassischen Medien gibt es auch unter Demonstranten in anderen Ländern: Auch bei den Demonstrationen in der Türkei in diesem Sommer skandierten Protestierende „Die Medien haben sich verkauft!“ Einer der Gründe: Ein türkischer TV-Sender hatte eine Pinguin-Dokumentation gezeigt, während die Polizei Demonstranten attackierte. Auch in der Türkei verbreiten Aktivisten mittlerweile online eigene Nachrichten, vor allem per Twitter. Auf sozialen Netzwerken sind auch die Midia Ninjas sehr aktiv.



Mit dem Smartphone in der Menge. Ein Ninja-Reporter, ausnahmsweise ohne Tuch vor dem Gesicht.

Felipe ist einer der Mitgründer des Journalisten-Kollektivs und lebt mit 30 anderen Ninjas in einem Gemeinschafts-Haus in Sao Paulo. Das machen sie auch, um Geld zu sparen, denn im Moment finanzieren die Ninjas ihr Reporter-Dasein hauptsächlich durch Zweitjobs als Fotographen, Designer oder Kameraleute. Kennengelernt hat Felipe viele seiner jetzigen Kollegen in seinem Kommunikationswissenschaft-Studium. Damals organisierten sie zusammen unabhängige Musik-Festivals. Nicht alle leben in Sao Paulo; Midia Ninja hat auch Häuser in Belo Horizonte und Rio de Janeiro. Felipes Job hat keine richtige Beschreibung, er arbeitet wahlweise als Kameramann, Fahrer, Social Media Manager oder kümmert sich ums Marketing.

Traditionelle Medien werfen den Ninjas Parteilichkeit vor


Was Felipe und seine Kollegen machen, gefällt mittlerweile 157 000 Menschen auf Facebook – der brasilianischen Polizei allerdings gefällt es nicht: Undercover-Polizisten nahmen zwei der Ninja-Reporter auf einer Demo vor zwei Wochen in Rio de Janeiro fest. Begründung: "Anstiftung zur Gewalt". Da beide den gesamten Abend gefilmt und eindeutig nicht zu Gewalttaten aufgerufen hatten, musste die Polizei sie schließlich freilassen – nachdem Hunderttausende junge Brasilianer Fotos und Videos von der Festnahme im Netz verbreitet hatten und einige hundert vor dem Polizeirevier demonstrierten. Am nächsten Tag berichteten alle großen brasilianischen Medien über die Aktion. „Sogar das nationale Fernsehen hat ein Smartphone-Video von uns in den Nachrichten gezeigt, das hätten sie früher nie getan“, erzählt Felipe.   Traditionelle Medienhäuser wie die Tageszeitung „O Globo“ werfen den Ninjas aber Parteilichkeit vor. Denn die Reporter zwischen 20 und 35 filmen die Demonstrationen nicht nur, sondern protestieren auch oft selbst mit. Sie arbeiten zwischen Aktivismus und Journalismus. Felipe findet das in Ordnung: „Die traditionellen Journalisten sind auch parteiisch – sie zeigen das nur nicht offen, sondern tun so, als seien sie objektiv. Außerdem sind wir mit etlichen Kameras im Einsatz. So haben wir verschiedene Perspektiven auf die Proteste und zeigen sowohl das Verhalten der Demonstranten als auch das der Polizei.“ Mittlerweile beschäftigt sich sogar das US-amerikanische Journalismus-Labor „Niemann Lab“ mit den Ninjas. Sie loben, dass die jungen Reporter so transparent vorgehen.

Momentan arbeiten die Ninja-Reporter daran, die vielen hundert Informationen zu sortieren, die ihre Zuschauer ihnen jeden Tag senden. Sie müssen immer wieder entscheiden, was sie per Facebook und Twitter weiterverbreiten. Um die Kommunikation mit ihren Usern zu vereinfachen, bauen sie gerade eine neue Internetseite auf. Die Ninjas befinden sich in einer immerwährenden Experimentierphase. Einfluss auf die Arbeitsweise der traditionellen Medien haben sie übrigens jetzt schon genommen: Seit kurzem schicken große Medien eigene Smartphone-Reporter zu den Demonstrationen. Sie sollen den Ninja-Stil kopieren.  

Dieser Text entstand bei den Recherchen für das Journalismus-Experiment
Crowdspondent: Mission Brasilien. Bei diesem Projekt berichten Lisa Altmeier und Steffi Fetz aus Brasilien über die Themen, die ihnen ihre Leser vorschlagen.

Jungs, warum lenkt ihr so komisch?

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Immer zum Wochenende: Jungs fragen Mädchen fragen Jungs. Weil manches kapiert man einfach nicht bei denen. Heute: Der Handteller am Lenkrad.

Die Mädchenfrage:



Immer, wenn jemand „viertel vor drei“ sagt und damit wahrscheinlich meint, dass er in einer Viertelstunde irgendwo sein muss, aber viel zu spät dran ist, kann ich mich seinem Zeitdruck nicht widmen. Ich bin dann nämlich plötzlich viel zu beschäftigt damit, mich an die Fahrschule zu erinnern. Laut Fahrlehrer war „viertel vor drei“ nämlich die aller-, allerbeste und sicherste Art, das Lenkrad zu halten. Dafür musste man es sich als Uhr vorstellen und die rechte Hand auf die drei und die linke auf die neun legen. Andere Fahrlehrer propagierten „zehn vor zwei“, und mittlerweile, in Zeiten flächendeckender Servolenkung, lässt mancher sich sogar zu „zwanzig vor vier“ hinreißen. Hauptsache beide Hände am Lenkrad. Denn was mein Fahrlehrer nie gesagt hat und was sicher auch kein Fahrlehrer jemals sagen wird, ist: „Lenk ruhig mit einer Hand, das reicht.“ 

Natürlich nimmt sich nach der Fahrschule kaum noch jemand ein Vorbild an irgendwelchen Uhrzeiten. Autofahren soll ja möglichst lässig vonstatten gehen, ansonsten wird man verdächtigt ein langweiliger, sicherheitsbesessener, verängstigter Mensch zu sein. Also: auf graden Strecken den Ellebogen auf den Fensterrahmen oder den Arm auf dem Knie ablegen, das Lenkrad nur ganz leicht umfassen und sehr oft auch mit nur einer Hand. Das reicht. Bloß muss man ja manchmal auch noch richtig lenken, immerhin sind deutsche Straßen nicht die Route 66. Und eben dann, wenn scharfe Kurven oder gar U-Turns zu bewältigen sind, oder wenn das Auto rückwärts in eine Parklücke gefahren werden muss, tut sich auf einmal ein Unterschied auf, zwischen euch und uns. Wir kurbeln beidhändig am Lenkrad herum, während ihr einfach nur den Handteller drauflegt und einarmige, große, runde Bewegungen vollführt. Wenn ihr rückwärts fahrt, kombiniert ihr den linken, lenkenden Handteller gerne mit einem um die Kopflehne des Beifahrers gelegten rechten Arm. Dann füllt ihr fast das ganze Auto aus und das Lenkrad ist eine Verlängerung eures Arms. Als wolltet ihr das Auto nicht bloß fahren, sondern mit ihm verschmelzen, als wärt ihr ein Teil des Autos, und zwar der wichtigste.  

Ich schwöre: Ich habe noch nie eine Frau so lenken sehen. Aber eine Menge Männer und zwar nicht nur solche, denen das Auto ein Statussymbol ist. Darum frage ich mich: Wieso macht ihr das? Habt ihr zu viele Filme geschaut, in denen männliche Fahrer lässig lenken? Hat euch das unbewusst beeinflusst? Fühlt es sich durch die weitläufige, runde Bewegung so an, als wäre das Auto eigentlich ein echt großer Truck und dann wird die deutsche Straße eben doch ein bisschen zur Route 66? Oder bewältigt ihr so einfach nur das viertel-vor-drei-Trauma aus Fahrschulzeiten?

Die Jungsantwort von eric-mauerle:



Schließt bitte mal einen Moment eure Augen und stellt euch einen Rennfahrer in einem Formel-Eins-Wagen vor. Enges Cockpit, die Hände um das Lenkrad gekrampft, das so nah vor seinem Körper angebracht ist, dass er es abnehmen muss, um Platz zum Aussteigen zu haben. Sieht der Rennfahrer auf dem Bild in eurem Kopf lässig aus? Hat er es bequem? Sieht dieses Bild nach Freiheit aus? Nach Unabhängigkeit? Nach Fahrt in den Sonnenuntergang oder ans Meer?  

Eben. Genau das sind aber die Dinge, die wir Jungs fühlen, wenn wir unseren Führerschein zum ersten Mal in den Händen halten. Der Atlantik scheint plötzlich sehr nahe, genauso wie das nächste – oder das erste – große Abenteuer. Und in ein Abenteuer, das ist ja wohl klar, zieht man nicht mit „Viertel vor Drei“-Lenkradhaltung.  

Das Auto ist für uns generell ein bisschen mehr Wohlfühlort als für euch. Mag daran liegen, dass wir als Kinder fortwährend welche geschenkt bekommen, zum Herumschieben, Draufsetzen oder mit der Fernsteuerung durchs Wohnzimmer Sausen. Oder daran, dass in den Filmen und auch sonst meistens Männer hinter dem Steuer sitzen, und wir deswegen irgendwann sehr vertraut sind mit der Symbiose Auto und Mann. Jedenfalls: Wo man sich wohlfühlen will und soll, macht man es sich bequem, und einen Arm im Auto irgendwo abzulegen, sei es auf den Fensterrahmen oder auf den Schaltknüppel. Außerdem will man ja manchmal auch noch rauchen, was trinken oder das Radio richtig einstellen. Geht alles schlecht mit zwei Händen am Lenkrad. 

Beim Einfahren in eine Kurve oder beim Einparken die zweite Hand wieder ans Lenkrad zu führen, erscheint uns nicht nötig. Wäre ja auch irgendwie eine Art Kapitulation vor der Straße oder der Situation, ein Geständnis, dass das Autofahren jetzt unsere volle Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert. Also Handteller drauf und Rührlenkung –übrigens eine tolle Bewegung, weil man zwar alles im Griff hat, aber eben nicht fest zupacken muss dabei.  

Wir rührlenken aber glaube ich noch aus einem anderen Grund: Wegen unseres grundsätzlichen Hangs zur Selbstüberschätzung und zum Besserwissen, die sogar denen von uns innewohnt, die man nicht als Besserwisser bezeichnen kann. Wir tendieren dazu, Dinge anders zu machen als uns Beipackzettel, Sicherheitshinweise und Mütter vorschreiben. Für den Fahrlehrer gilt das in besonderem Maße. Der will uns zügeln und zu Sicherheit ermahnen, während wir der Meinung sind, in den heimlichen Fahrstunden, die wir mit unseren Vätern schon auf abgelegenen Parkplätzen absolviert haben, längst zu den besten Autofahrern unter der Sonne gereift zu sein. Die einhändige Rührlenkung ist der erste Ausdruck unserer Fahrlehrer-Rebellion, unserer „Hab alles im Griff“-Haltung. Dass die auch ein bisschen dämlich ist und der Fahrlehrer schon recht hatte mit seiner Empfehlung zu beidhändigem Lenken, merken wir leider auch irgendwann. Früher oder später rutscht nämlich jeder Mal ab, wenn er nur mit einer Hand durch die Kurve kurbelt. Kann einen ganz schön erschrecken. Und dann sitzen auch wir wieder in der Formel-Eins-Krampfhaltung.

Das Pop-Poesialbum. Heute ausgefüllt von Travis-Sänger Fran Healy

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Fran Healy ist ein begabter Musiker und kann auch noch ziemlich gut zeichnen und malen. Trotzdem passieren ihm auch peinliche Fehler auf der Bühne und er muss vier Jahre baggern, bis er ein Mädchen rumkriegt. Das und mehr hat er in unser Poesiealbum geschrieben.



Travis. Mit Hutträger und Sänger Fran.

Name: Fran Healy
Spitzname: Franny
Alter: 40
Job: Sänger
Früher wollte ich aussehen wie: Clark Kent aka Superman. Das war mit 6 Jahren. Mit 12 wollte ich aussehen wie Michael Hutchence. Und noch etwas später wollte ich aussehen wie Michael Stipe.
Stattdessen sah ich aus wie: der typische Kunststudent.
Wenn ich heute in den Spiegel schaue, sehe ich: das gealterte Ich. Und ich bin glücklich mit dem, was ich sehe.
Ich gehöre auf die Bühne, weil: ich noch nie Angst davor hatte.
Außer Musik kann ich auch noch: Zeichnen und Malen. Ich bin ja auch auf die Kunsthochschule gegangen.
Das kann ich noch nicht, würde ich aber gerne können: Ich wollte immer gerne Skateboard fahren können. Aber ich kann's einfach nicht, habe schon so manchen Sturz erlebt. Glücklicherweise leben wir in einer Zeit, in der man nie zu alt sein kann zum Skateboardfahren, also kann ich es vielleicht noch lernen.
Meine Eltern haben mir beigebracht, dass: man immer etwas machen sollte, das man liebt.
Sie waren stolz auf mich, als: Meine Mutter war stolz auf mich, als ich einen Songwriting-Wettbewerb gewann. An sich war es ihr egal, ob ich es als Musiker schaffen würde oder nicht – aber auf eine gute Art egal. Sie wusste ja, dass ich etwas machte, das mich glücklich macht, das war für sie die Hauptsache. Und wenn ich damit auch noch Erfolg hatte, hat sie sich umso mehr gefreut.

http://vimeo.com/69391280

Sie waren enttäuscht von mir, als: wir zusammen nach Japan fliegen wollten, und ich am Flughafen gemerkt habe, dass ich meinen Pass vergessen habe.
Das erste Mal verliebt war ich: mit 12 in Catrina. Sie war in meiner Klasse, und als ich sie zum ersten Mal sah, passierte es: Booom! Es war sofort um mich geschehen. Vier Jahre später waren wir ein Paar.
Das letzte Mal gelogen habe ich: Ich lüge nie. Ich glaube fest daran, dass man nicht lügen sollte. Macht einfach keinen Sinn.
Noch nie habe ich: ein Insekt gegessen. Die Vorstellung gefällt mir nicht.
Mein größter Fehler: passierte mir in Wales, genauer in Cardiff. Wir tourten gerade mit Oasis, spielten vor Tausenden von Menschen. Das Schlimmste, was man in Cardiff machen kann, ist das Publikum mit „hello Swansea" zu begrüßen, also die walisischen Städte zu verwechseln. Leider habe ich genau das gemacht.
Mein größter Traum: Dass aus meinem Sohn ein guter Mensch wird. Mehr kann ich nicht erreichen.
Wenn ich eine 4-er-WG gründen dürfte, dann zusammen mit: Brad Pitt, weil er cool ist, Jamie Oliver, weil wir einen guten Koch brauchen, und Steve Martin, weil er lustig ist.
Wenn mein Leben verfilmt würde, trüge das Werk den Titel:„When does it start raining?"
Wenn ich mir einen Satz tätowieren dürfte, dann:„Be useful", und zwar auf der Brust.

Travis' neues Album "Where you stand" erscheint am 19. August.

Alaaaaba und die Hosenposer

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Die letzte Woche gab es bei uns Vegetarische Schinkennudeln, Beobachtungen zur Tangatechnik und ein schwül-sommerliches Musiker-Interview.

Draußen Schlafen
Auch wenn es heute nicht besonders gemütlich draußen ist, die nächste Hitzewelle ist schon auf dem Weg! Ob der heimische Balkon oder ein Plätzchen an der Isar dann die besseren Alternativen für das stickige Schlafzimmer sind? Wir haben das Mal ausprobiert und an verschiedenen Orten in München eine Nacht im Freien verbracht. Vom idyllischen Sternegucken bis hin zur Ameisenplage war alles dabei.



jetzt.de-Mitarbeiter Moritz Baumstieger hat eine Nacht auf dem Balkon geschlafen

Alaaaaaaba!
Guardiola, ein mexikanischer Politiker? Mit deutschem Fußball kennt sich der österreichische Musiker Mirac zwar nicht sonderlich gut aus, für eine fulminante Rap-Hymne auf den Bayernspieler David Alaba hat es aber allemal gereicht! Im Interview von Simone Grössing verrät der 24-jährige Rapper, was es mit dem Track auf sich hat und wie die Österreicher den FC-Bayern finden.

Veggie-Schinkennudeln?
Trotz Gemüse-Burgern bei McDonalds und Veggie-Days in Kantinen - auch bei uns gibt es nach wie vor Orte, an denen Vegetarismus für eine Krankheit oder zumindest eine vorübergehende Spinnerei gehalten wird. Berghütten sind so ein Fall. Auf fleischfreie Gerichte fernab der Dampfnudel darf ein Vegetarier hier nicht hoffen. Dementsprechend schwierig ist auch das Verhältnis zum Hüttenwirt. Jakob Biazza hat den Konflikt in der neuen Reihe "Alltagsduelle" mal genauer analysiert.

Whisper-App
Wer sich trotz Gottesfurcht etwas zuschulden kommen lässt, bringt das einfach bei der nächsten Beichte zur Sprache und schon ist der innere Seelenfrieden wieder hergestellt. Schwieriger wird es für die Ungläubigen. Was, wenn man den Mist, den man gebaut hat, noch nicht mal der besten Freundin erzählen will? Die Whisper-App schafft Abhilfe! Hier kann jeder ganz anonym seine persönlichen Peinlichkeiten und Fehltritte posten und von anderen beurteilen lassen.

Schwüle Musik
Chillwave. Diese schwül-sommerliche Musikrichtung ist nämlich genau das Richtige für die momentanen Temperaturen. Passend zum Wetter erscheint jetzt das neue Album des Chillwave-Künstlers Washed Out. Jetzt.de-Mitarbeiter Jurek Srobola hat ihn zum Interview getroffen.



Musik für schwüle Tage: Der Künstler Washed Out hat ein neues Album herrausgebracht

Hosenposer und Tangatechnik
Apropos schwül-sommerlich: Es ist wieder Freibad-Saison! Unsere Hilfsbademeister Jan Stremmel und Jakob Biazza haben sich deshalb eingehend mit Hosenposer, Machorollen und Tangatechnik beschäftigt und ein Freibad-ABC voll wissenswerter Fakten zusammengestellt.

Und politisch so?
Obama ist sauer auf Putin. Gut, die besten Freunde waren sie eh nie. Aber seit Russland dem Whistelblower Edward Snowden Asyl gewehrt, ist das Verhältnis besonders eisig geworden. Jetzt hat der amerikanische Präsident sogar ein geplantes Treffen mit dem Kremlchef abgesagt.

Clip der Woche:
Eine Band cancelt kurzfristig den fest eingeplanten Auftritt? Egal! Dann gibt man deren Song einfach selbst zum Besten. So geschehen in der Show des US-Komikers Stephen Colbert. Nach einer angeblichen Absage von Daft Punk präsentiere Colbert seine grandiose Version von "Get Lucky". Unterstützung gab es unter anderem von Matt Damon und "Breaking Bad"-Star Bryan Cranston.



US-Komiker Stephen Colbert bei seiner "Get Lucky"- Performance

Internet-Spiel der Woche:
Wir bleiben thematisch beim Whistleblowen: Wer Spaß an Jump’n’Run - Games hat und sich schon immer mal wie Edward Snowden fühlen wollte, sollte eine Runde "Eddy’s run" zocken. Hier muss man Drohnen ausweichen und Agenten mit Laptops abwerfen.

"Nordic Walking müsste eigentlich German Walking heißen"

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Adam Fletcher ist Brite und lebt in Berlin. Er hat ein Buch über die Eigenarten der Deutschen geschrieben, über Schorle, den Tatort und Fenster auf Kipp. Ein Interview über Macken und Gewohnheiten

Adam Fletcher hat sich in England nie richtig wohlgefühlt. Als ein Jobangeobt aus Leipzig kam, zog der Brite kurz entschlossen nach Deutschland. Das war vor sechs Jahren. Jetzt hat er seine Beobachtungen über die großen und kleinen Eigenartigkeiten der Deutschen in einem Buch zusammengefasst: “Wie man Deutscher wird. In 50 einfachen Schritten. Eine Anleitung von Apfelsaftschorle bis Tschüss.”

jetzt.de: Adam, bevor ich dein Buch gelesen habe, war mir nicht klar, dass Versicherungen so etwas typisch Deutsches sind. Wie wird das in England gehandhabt?
Adam Fletcher: Bevor ich nach Deutschland gezogen bin, habe ich nie von so etwas wie Versicherungsberatern gehört. Jetzt kümmert sich meine deutsche Freundin Annett um meine Versicherungen. Sie hat auch eine Haftpflichtversicherung für mich abgeschlossen. Obwohl ich wirklich nicht weiß, wofür man sowas braucht.

Und Apfelschorle hast du auch nicht gekannt? Was trinkt man denn in England, wenn man kein Bier trinkt?
Wir trinken Wasser, oder wir trinken Saft, aber wir mischen es nicht. In Deutschland scheint man der Meinung zu sein, dass sich ein Getränk allein im Glas einsam fühlen würde.

Gibt es eine Eigenschaft, die deiner Meinung nach besonders bezeichnend für die Deutschen ist?
Vielleicht die Gründlichkeit. Es gibt hier das Sprichwort: Man macht etwas richtig, oder man lässt es ganz bleiben. Ein gutes Beispiel dafür ist Nordic Walking. Nordic Walking müsste eigentlich German Walking heißen. Man scheint sich gedacht zu haben: Spazieren gehen ist nett, aber wie können wir es besser machen? Dann kauft man sich erstmal die richtige Ausrüstung.

Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass hier vieles anders ist als in England?
Da ging es um Mülltrennung. In England haben wir damals alles in eine Tonne geworfen, und so habe ich es in meiner ersten WG in Leipzig auch gemacht. Am Anfang haben meine Mitbewohner nichts gesagt und alles im Nachhinein sortiert. Irgendwann haben sie mich dann zur Seite genommen und mir erklärt, wie das mit dem Müll funktioniert, und wir sind auch zum Altglascontainer gelaufen.





Und wie wurde daraus ein Buch?
Zuerst hatte ich die Idee für das Cover, auf dem typisch deutsche Dinge dargestellt sind. Das haben wir als Poster und T-Shirt auf meinem Onlineshop The Hipstery verkauft. Aber die Leute haben mich ständig gefragt, was die einzelnen Symbole bedeuten. Daraus ist ein Artikel mit 20 Schritten entstanden, und daraus wiederum das Buch.

Sag mal ganz ehrlich, was hältst du wirklich von Kartoffeln?
Ich bin ein großer Kartoffelfan. Wir Engländer sind genauso verrückt danach wie ihr. Wir sind nur nicht so kreativ, was die Verarbeitung anbelangt.

Du schreibst in der Einleitung, du hättest dich in England nie richtig zu Hause gefühlt. Fühlst du dich in Deutschland zu Hause?
Komplett. Wenn ich in Europa bin, ist Deutschland meine Heimat. Zumindest in Leipzig und Berlin, wo ich bisher gelebt habe, fühle ich mich zu Hause. Ich bin ein großer Deutschlandfan.

Wie fühlt es sich an, wenn du nach all den Jahren in Deutschland zwischendurch nach England kommst?
Der Smalltalk in England bringt mich um. Ich hätte gerne eine Stoppuhr, um jedes Mal zu messen, wie lange mein Vater über das Wetter redet. Das ist ja nicht sehr interessant. Jeder, der ein Fenster hat, weiß, wie das Wetter ist. Aber mein Dad redet darüber, als hätte er Insiderinformationen. Vielleicht ist mein Vater ein Extremfall, aber eigentlich sind alle Engländer so. Man sitzt auf bequemen Sofas im Wohnzimmer und tauscht einen Haufen Wörter aus. Und ich muss in England über jeden Satz genau nachdenken: Gibt es irgendeine denkbare Möglichkeit, wie meine Familie den Satz falsch verstehen könnte? Subtext ist in England sehr wichtig. Es ist immer besonders interessant, wenn Annett mit nach England kommt. Sie ist wie ein Tornado, wenn sie einen Raum betritt. Sie ist so deutsch.

Mit welchen Klischees über die Briten bist du in Deutschland konfrontiert worden?
Die Engländer trinken zu viel. Sie fritieren alles. Sie können keine Fremdsprachen. Das stimmt auch alles. Vielleicht schreibe ich als nächstes das Buch “How to be British”.

Adam Fletcher: Wie man Deutscher wird / How to be German. Zweisprachiges Buch in deutsch und englisch, Verlag C.H. Beck, 8,95 Euro.

"Ich will dich zurück. Ganz doll unbedingt."

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Gerade getrennt und deine ehemalige Freundin schickt Fotos neuer Liebschaften? Da geht noch was! Dein träger Ex wird auf einmal zur Sportskanone? Dann vergiss es. Sechs Szenarien, die erklären, was das Verhalten frisch getrennter Partner wirklich bedeutet - damit du auch wirklich die richtigen Schlüsse ziehst.

Es musste so kommen: Nach monatelanger Krise habt ihr euch nun doch getrennt. Vielleicht mit einem riesigen Knall, vielleicht auch einvernehmlich, in jedem Falle aber: (vorerst) endgültig. Doch irgendwas ist da immer noch zwischen euch. Vertrauen? Sehnsucht? Wut? Hass? Hängt ihr immer noch zusammen rum? Meldet sich dein Ex-Freund bei deinen Eltern? Hält deine Ex auf einmal Händchen mit Mädchen? Was getrennter Partner mit ihrem Verhalten wirklich sagen wollen, das verrraten wir dir hier. Und merke: Obwohl es nicht geschlechtsneutral aufgeschrieben ist, gilt jedes Szenario für Männer wie für Frauen. Denn in der Trennungsphase sind alle gleich.

Szenario 1: Es gibt kein Zurück


Das passiert nach der Trennung:
Spätestens zwei Tage nach der Trennung stolperst du morgens beim Verlassen deiner WG über eine Kiste, in der du alle – und zwar wirklich alle – Sachen findest, die du in der Wohnung deines Partners liegen hattest. Sogar die angebrochene Tempo-Packung, die du nach deinem letzten Schnupfen neben dem Bett deponiert hattest, ist dabei. In der Kiste findet sich auch ein Zettel mit einer genauen Liste der Dinge, die du "bitte sofort zurückbringen" sollst, dazu der Hinweis, das Paket zu schicken oder einfach vor die Tür zu stellen und keinesfalls zu denken, du könntest den Austausch der Sachen für ein Wiedersehen nutzen. In einem Umschlag liegen 37,25 € und eine Quittung von der Aral-Tanke um die Ecke.

Das bedeutet es:
"Ich habe mich noch nie so in einem Menschen getäuscht und will dich komplett aus meinem Leben streichen"

So geht's weiter:
Ihr kommt euch nie wieder näher als die acht Meter zwischen Bar und Tanzfläche, die euch trennen, als ihr euch nach vier Monaten mal wieder zufällig in einem Club seht. Der Blick, den du erntest, macht auch auf diese Distanz unmissverständlich klar, dass ein Annäherungsversuch mindestens in einem lauten Wutausbruch, eventuell sogar in Handgreiflichkeiten enden würde.

Auf der nächsten Seite: Der Partner, der einfach nicht geht.

Szenario 2: Er wird nicht gehen


Das passiert nach der Trennung:
Nachdem du mit ihm Schluss gemacht hast, siehst und hörst du eine Zeitlang nichts. Nach etwa fünf Wochen rufen deine Eltern an: „Der Hans hat uns vergangene Woche übrigens einen sehr netten Brief geschrieben?" –„Bitte?!" –„Wir mochten den ja sehr." –„Und was ..." –„Ihm tut das ja alles sehr leid, mit der Trennung. Uns übrigens auch. Der war so nett. Wir mochten den ja sehr."

Das bedeutet es:
„Ich will dich zurück. Ganz doll unbedingt. Aber ich kann's nicht sagen. Denn ich würde mir ja eine Abfuhr einhandeln – schließlich hast du mich verlassen, weil ich dich die meiste Zeit mit den großen Augen eines sehr traurigen Hundes angeschaut habe, der sich ungeliebt fühlt, statt dich mit irgendwas zu beeindrucken."

So geht's weiter:
Ein wenig hängt das von deinem Umfeld ab, denn er wird in loser Folge auch deinen Geschwistern und ein paar deiner nicht ganz engen Freunde über den Weg laufen und ihnen – passiv aggressiv – erzählen, dass ihm das ja alles sehr leid tue, mit der Trennung. Er wird das besonnen sagen. Wie Menschen, die routiniert auf Verrückte einreden. Der Subtext ist klar: du Täter, er Opfer. Aber natürlich ein eigentlich überlegenes Opfer, das auch noch Mitleid empfindet für den Täter. Wenn du Glück hast, erkennt dein Umfeld in ihm das weinerliche Weichei, das er ist. Wenn du Pech hast, mochten sie ihn ja sehr. Dann wird er nicht gehen. Besonnenheit ist eine heimtückische Waffe.

Auf der nächsten Seite: Wenn alles bleibt, wie es ist.
Szenario 3: Alles wie gehabt 

Das passiert nach der Trennung:

Eine Woche nach dem einvernehmlichen Trennungsgespräch ruft sie dich an und sagt: „Heeey, ich wollte dir nur kurz erzählen, dass meine kleine Schwester den Studienplatz bekommen hat, auf den sie sich beworben hat, den mit der krassen Eignungsprüfung, cool, oder?“ Oder er schreibt dir eine sms mit den Worten: „Ich feiere am Freitag meinen Geburtstag mit ein paar Freunden in unserer Stammkneipe und würd' mich freuen, wenn du vorbeikommst! Wahrscheinlich bist du sowieso dort, wie ich dich kenne ;)“. Eigentlich passiert also nichts – alles geht weiter wie vorher, abzüglich Küsse und Sex (die aber vorher auch schon ziemlich rar waren).  

Das bedeutet es:

„Ich kann nicht besonders gut alleine sein und würde dich darum gerne warmhalten – für den Fall, dass sich in den nächsten sechs Monaten niemand anders findet, mit dem ich eine Beziehung eingehen könnte.“ 

So geht’s weiter: Nach spätestens einem halben Jahr seid ihr wieder zusammen, heißt: Ihr macht immer noch weiter wie vorher, nennt es jetzt aber wieder „Beziehung“. In etwa einem Jahr trennt ihr euch wieder, kommt dann wieder zusammen, trennt euch dann wieder und immer so weiter – bis irgendwann in einer der Trennungsphasen doch eine neue Liebe in dieses Gefüge platzt. Und dann wird’s richtig eklig. 

Auf der nächsten Seite: Fotos vom neuesten One-Night-Stand


Szenario 4: Potenzprahlerei 

Das passiert nach der Trennung:

Dein Handy piepst, ein Foto ist angekommen. Absender: deine Exfreundin, von der du dich vorigen Monat getrennt hast. Auf dem Foto sieht man einen gutaussehenden jungen Mann, ihren neusten Bettgenossen. Das ist bereits das dritte Bild dieser Art innerhalb von vier Wochen und auf jedem war ein anderer Typ zu sehen. Meistens mit einem kurzen Kommentar versehen wie „Das ist Robert. Wir hatten ein ONS und es war der Hammer.“ Jetzt hast du aber wirklich genug und bittest das Mädchen, mit dem du bisher einmal geschlafen hast, bei eurem nächsten Treffen ein Bild von ihr machen zu dürfen. Du schickst es deiner Ex und schreibst: „Das ist Mona. Wir haben Sex. Oft.“ 

Das bedeutet es:

„Ich bin sehr, sehr verletzt, vermisse dich unendlich, tröste mich mit dahergelaufenen Sexualpartnern und weiß mir nicht anders zu helfen, als dich ebenfalls zu verletzten. Bitte. Komm. Zurück. Zu mir!!!“ 

So geht’s weiter:

Ihr geratet in eine Phase höchster Verzweiflung, in der ihr euch mit Informationen aus euer beider Leben, die den jeweils anderen eifersüchtig oder traurig machen sollen, nur so bombardiert. Eure Freunde raunen sich „Die sollen erst mal wieder klarkommen“ zu und beginnen, euch zu meiden, weil ihnen das langsam echt zu abgefahren wird. Eure Kommunikation über heiße Liebesnächte, unendliche Orgasmen und blaue Flecken ist also fortan euer Lebensinhalt. Bis einer von euch irgendwann merkt, wie bescheuert das eigentlich ist. Mehr als ein „Wir müssen reden“ braucht es da schon gar nicht mehr, um euch wieder zusammen zu bringen. Und wenn ihr durchhaltet, könnt ihr in ein paar Jahren gemeinsam über diese seltsame Episode lachen.

Auf der nächsten Seite: Uferwechsel

Szenario 5: Der Uferwechsel


Das passiert nach der Trennung:
Deine Ex lässt sich die Haare schneiden. Auf sechs Millimeter. Im Club siehst du sie ab und zu in Begleitung einer ungeschminkten Frau mit Bürstenschnitt. Auf deine freundschaftlich fidele Geburtstags-Mail antwortet sie eine Woche zu spät mit einem sachlichen „danke, nett von dir, gruß k." Ein paar Wochen später erzählt dir ein Kumpel: "Deine Ex hat am Freitag mit einem Mädchen rumgeknutscht - is' ja voll verrückt, Alter!"

Das bedeutet es:
„Du darfst das jetzt bittebittebitte nicht persönlich nehmen, aber: In Wahrheit hatte ich nie Migräne."

So geht's weiter:
Erst nach einer überstürzten Rucksackreise und zehn asketischen Monaten fühlst du dich bereit für neue Dates. Allerdings irritierst du die Frauen, mit denen du dich triffst, durch deine gehetzten Nachfragen. „Wirklich, du findest das Shirt schön?! Also meinst du so richtig schön, wie ein Mann in einem Shirt aussehen sollte, oder eher ein neutrales, bloß so dahingesagtes ‚schön'?"

Auf der nächsten Seite: Wandel zur Sportskanone

Szenario 6: Der Aufsteiger

Das passiert nach der Trennung:
Ihm aus dem Weg gehen? Kein Problem, denkst du: Einfach donnerstags die gottverdammte Kneipe meiden, in der er immer mit seinen langweiligen Freunden kickert. Sonst macht der Schluffi ja eh nix außerhalb seines Wohnzimmers (eine Tatsache, die nicht ganz unerheblich für deinen Entschluss war, dich zu trennen). Doch ein paar Monate später überholt er dich plötzlich frühmorgens im Park beim Joggen. Er trägt die Haare jetzt kürzer und hat sich tatsächlich eine Sporthose und ein atmungsaktives Tanktop besorgt. Ein paar Wochen später erzählt dir eine Freundin mit vielsagendem Blick, dein Ex habe auf Facebook ein „voll süßes selbstgedrehtes Geburtstagsvideo" für eine hübsche Rothaarige gepostet. „Hatte der eigentlich immer schon so definierte Schultern?"

Das bedeutet es:
„Du hattest ja sowas von recht – wir waren echt voll toxisch füreinander. Die Trennung hat mir endlich die Augen geöffnet: Wenn man sein Leben in die Hand nimmt, macht wirklich alles mehr Spaß!"

So geht's weiter:
Ungläubig verfolgst du, wie dein vormals träger Ex sich von einer blassen Raupe in einen Schmetterling verwandelt. Er beginnt einen Master of Business Administration, trainiert im Schwimmbad für den Stadt-Triathlon, und irgendwann triffst du ihn auf der Kirmes, wo er den Kindern seiner neuen Freundin Luftballons kauft. Als er hört, dass du immer noch keinen Neuen hast, legt er kurz die Stirn in Falten, knufft dich dann in die Seite und spendiert dir eine Zuckerwatte.

Sternschnuppen und Volksfestbesuch

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Wo sollte man diese Woche unbedingt hingehen? Welchen Film sehen und was auf keinen Fall verpassen? jetzt-Mitarbeiter planen ihre Woche. Heute mit Sternegucken, Straßenmusik und Gäubodenvolksfest.

Wichtigster Tag der Woche: der Donnerstag. Da ist Mariä Himmelfahrt und in vielen Teilen Bayerns und im Saarland bedeutet das: Feiertag!  

Politisch interessiert mich... wie es mit Mollath, Snowden und in Ägypten weitergeht. 

Wochenlektüre:Der beste Tag meines Lebens“ von Ashley Miller und Zack Stentz liegt schon eine Weile auf meinem Nachttisch und wurde bisher immer von Magazinen, Zeitungen und anderem Krams verdrängt, das soll sich diese Woche unbedingt ändern. Ich bin nämlich sehr gespannt, was Colin, ein Junge mit Asperger-Syndrom, an diesem Tag erlebt.

Kinogang? Das Kinogehen im Sommer habe ich erst vor kurzem für mich entdeckt: Abends im kühlen Kinosaal bei „Ich – einfach unverbesserlich 2“ wurde ein irre heißer Tag mit Blutspenden und einem anstrengenden Interview doch noch ein  guter Tag. Am Wochenende werde ich meine Oma ins Kino entführen, vom bayerischen Krimi „Dampfnudelblues“ hat sie schon das Buch gelesen und geliebt, und ich mag Sebastian Bezzel und den trockenen Humor der beiden Österreicher Michael Ostrowski und Robert Palfrader.  

http://www.youtube.com/watch?v=CFW2yAa3tj4  

Und dann läuft ja auch noch Sofia Coppolas „The Bling Ring“ an...  

Soundtrack:
Ich höre fast nur auf Empfehlung und habe keinen Plan, wann welche Alben erscheinen, bis mir jemand davon erzählt oder die CD in die Hand drückt. Von der zauberhaften Straßenmusik von Peter Jones &The Lazy Bandits hab ausnahmsweise mal ich herumgeschwärmt. Ich habe ihn im Urlaub in Kopenhagen auf der Straße gehört, mich an einen Brunnen gelehnt und eine Stunde lang einfach nur zugehört. Die CD, das beste Souvenir der Welt, höre ich seitdem fast jeden Tag. Im Auto, in der Arbeit und im Bad ist dann auch ein bisschen Kopenhagen.  

http://www.youtube.com/watch?v=3JMQcpEFQbk  

Was ich diese Woche auf jeden Fall tun werde: mindestens ein Mal aufs Gäubodenvolksfest in Straubing gehen. Das hat am Freitag begonnen und zu Besuch in meiner niederbayerischen Heimat muss ich unbedingt mal hin. Im Dirndl und allem, was dazugehört. Im besten Fall hüpfe ich danach noch in einen See.





Wenn ich diese Woche irgendwo anders sein könnte... wäre das ganz weit weg von der Stadt. Mindestens einmal im Sommer müssen mein Freund und ich ausgiebig sternschnuppenschauen. Wir warten meistens, bis die Chancen, welche zu sehen, gut sind, in der Nacht von Montag auf Dienstag zum Beispiel. Dann erreicht der Meteorstrom der Perseiden seinen Höhepunkt, das bedeutet bis zu hundert Sternschnuppen pro Stunde. In der Stadt werden wir davon nicht besonders viel sehen, probieren werden wir's trotzdem.  

Schnell erledigen:
einen Liegestuhl organisieren. So einen wünsche ich mir immer beim Himmelgucken, schaffe es aber nie, mich vorher darum zu kümmern.

Einfach laufen lassen!

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Jeder muss mal, sogar DJs. Damit dann im Club nicht die Musik ausgeht, hat fast jeder von ihnen ein besonderes Lied dabei. Es muss möglichst tanzbar sein, möglichst zeitlos - aber vor allem: möglichst lang. Fünf DJs erzählen von den Songs, die sie retten, wenn die Blase zwickt.





Benny Bundt
, Heart und Milchbar, München  
Prince – I Wanna Be Your Lover (Dimitri from Paris Re-Edit)  
Länge: 7 Minuten
, 29 Sekunden         

http://soundcloud.com/heymailing/i-wanna-be-your-lover-dimitri

"Ich habe mir den Song ausgesucht, weil er in jedes Set passt. Man weiß ja nie vorher, wann man genau auf's Klo muss, und der passt immer gut: ein schönes Partylied, zwar lang, aber nie langweilig. Der Weg auf die Toilette ist ja in vielen Clubs sehr weit. Nur als Beispiel, im Heart: Da geh ich raus aus dem DJ-Pult, quer über die Tanzfläche, durch das Restaurant, durch den Keller und dann sind es immer noch 20 Meter bis zur Herrentoilette. Wenn ich das in fünf Minuten schaffe, bin ich schnell.    

Vor dem Klo selbst sind oft lange Schlangen. Da muss ich mich schon hinstellen und sagen, dass ich der DJ bin und es gleich keine Musik mehr gibt, wenn ich mich nicht vordrängeln darf. Das klappt fast immer, aber hin und wieder glauben mir die Leute nicht und denken, ich will mich wichtig machen. Zum Glück steht da meistens jemand, der mich kennt und die Situation aufklären kann. Einmal war ich auf dem Klo und merke plötzlich, dass die Musik aus ist. Ich nur so: ,Oh Gott'. Zwei Minuten lang ist absolute Stille, ich stehe am Pissoir und kann ja nicht einfach weg. Ich renne also schnell zurück und sehe, dass einer der Gäste gedacht hat, er müsse auch mal den DJ machen. Dabei hat er aber den Aus-Knopf gedrückt."

Auf der nächsten Seite: Hilfe aus dem Publikum.
Carla Commodore, Fuchs & Elster, Berlin
Brian Auger - Kiko
Länge: 5 Minuten
, 23 Sekunden 

Brian Auger – Kiko

"Wenn man Sixties auflegt, sind die Songs immer sehr kurz. Da muss ich Leute anhauen, die rumstehen und sich zutrauen, den Regler hochzuschieben. Aber wenn es hart auf hart kommt, lege ich einen Sampler auf und es gibt drei Sekunden Pause zwischen den Tracks. Das ist dann halt so. Der DJ ist immer im Fokus und vor dem Pult ist meist eine Traube, die ganz genau guckt, was ich mache. Da kann es schon passieren, dass sie fragen, ob ich schon aufhöre, wenn ich mal auf die Toilette muss.

Vor Frauenklos sind die Schlangen immer länger. Wenn ich also merke, das könnte knapp werden, gehe ich gleich auf's Männerklo. Einmal war ich auf der Toilette und kam nicht raus - weil die Tür so geklemmt hat, dass man das Schloss nicht öffnen konnte. Da war ich schon leicht panisch, denn es geht ja nicht nur um die Musik. Ich habe auch zwei Plattenkoffer dabei. Das sind, wenn man gut quetscht und packt, knapp hundert Platten, die dann unbeaufsichtigt rumstehen. Da habe ich durch die Klotür gerufen, dass bitte ganz schnell jemand kommen muss von der Bar, weil der DJ auf dem Klo eingesperrt ist. Zum Glück hatte ich genau an dem Abend einen Gast darum gebeten, die nächste Nummer aufzulegen, darum ging das noch einmal gut."

Auf der nächsten Seite: die Playback-CD.
DJ Louie Prima aka Globalution, Astra Kulturhaus, Berlin 
Alice Francis – Gangsterlove (Tune Brothers Vocal-Mix)  
Länge: 6 Minuten, 32 Sekunden       

Alice Francis – Gangsterlove - Tune Brothers Vocal Club Mix

"Ich lege seit 26 Jahren auf und habe natürlich Überlebensstrategien. Erstens: Ich schaue, wie die Atmosphäre ist – so ein Clubabend hat ja seine eigenen Bewegungen und Frequenzen, da muss der Toilettengang gut getimed sein. Wenn viel los ist, halte ich das eine halbe Stunde zurück. Später ist auf dem Dancefloor mehr Luft, da nutze ich die Gelegenheit. Zweitens: Ich suche den richtigen Song aus. Zu unserer Elektroswing-Reihe kommen gut und gerne tausend Leute, da muss man sich immer durchkämpfen. Meist spiele ich diese Nummer von Alice Francis, sechseinhalb Minuten reichen ja. Aber wenn es besonders voll ist, lege ich eine CD ein, die ich bereits vorher gemixt habe. Da könnte ich auch eine Stunde wegbleiben.    

Einmal kam etwas dazwischen und ich wusste: Ich schaff' es nie rechtzeitig zurück. Ich höre also den Song, er dauert noch eine halbe Minute und ich bin immer noch auf der Toilette, kurz vor Funkstille, wie man so schön sagt. Und zack, auf einmal kommt ein neuer Song, die Leute tanzen einfach weiter! Ich hatte natürlich keine Ahnung, was da los ist. Da ist ein Techniker eingesprungen. Er hat gesehen, das Lied ist gleich zu Ende und den Regler für den nächsten Song hochgeschoben."

Auf der nächsten Seite: Wenig Bier trinken!
Nan-Hi Kim, Die hängenden Gärten von Ehrenfeld, Köln  
The Rah Band – Night Wind  
Länge: 7 Minuten
, 42 Sekunden        

http://www.youtube.com/watch?v=ju0DfpGJG2Y

"Das ist mein Lieblingssong von dem Album, längenmäßig perfekt für die Pinkelpause: Ich muss mich nicht hetzen, kann ruhig auf's Klo gehen und hab danach noch genügend Zeit, mir den nächsten auszusuchen. Wenn ich alleine auflege, was ja sowieso immer stressiger ist, trinke ich nicht so viel Bier. Ich habe das Gefühl, wenn man dann einmal auf die Toilette geht, muss man alle fünf Minuten. Das versuche ich natürlich zu vermeiden. Mein Glück ist aber sowieso, dass viele meiner Freunde selbst auflegen und dann kurz einspringen.    

Einmal bin ich von der Toilette gekommen und mein Handy war weg. Da war das Geschrei natürlich groß, das war das Schlimmste, ich brauche mein Telefon ja immer, es bestimmt meine ganze Kommunikation. Ich war nur zwei Minuten weg, das Handy lag unter dem Plattenspieler. Aber als ich zurückkam, war es weg. Ich hab dann erstmal einen Schnaps getrunken und eine SMS an meine eigene Nummer geschickt: ,Wenn du mir das Handy wiederbringst, kriegst du einen Gin Tonic aufs Haus.' Da kam leider nichts zurück. Egal welche Pinkelplatte ich auflege – seit damals kommt mein Handy immer schön mit auf die Toilette."    

Auf der nächsten Seite: die Magnet-Methode.

Tutku, Hafenbahnhof, Hamburg  
Outkast – Spottieottiedopalicious (Nacey Remix)  
Länge: 6 Minuten, 16 Sekunden      

http://soundcloud.com/nacey/outkast

"Ich bin mit HipHop aufgewachsen, Outkast ist eine meiner Lieblingsbands – und bei dem Song ist es fast schon wie bei einer klassischen Konditionierung: Wenn ich den spiele, muss ich fast automatisch auf's Klo und danach einen Drink an der Bar holen. Hat sich einfach so eingebürgert. Wenn man alleine auflegt, ist man auf sich selbst angewiesen, da hat man definitiv auch mehr Stress. Nebenbei mal eben eine Kippe drehen geht halt nicht. Das ist schon nervig. Und auch der Klogang selbst ist viel stressiger: Wenn ich zum Beispiel losgegangen bin und dann erst sehe, dass die Schlange vor dem Mädchenklo lang ist, es also megaknapp wird – dann verdrück ich's mir, gehe wieder zurück und lege weiter auf.    

Andererseits kann ich das auch ganz gut steuern: indem ich die Leute auf die Tanzfläche locke. Ich spiele einfach zwei bis drei gute Tanztracks, und beim vierten, wenn alle abgehen, weiß ich, die Toilette muss jetzt frei sein. Dann gehe ich schnell. Was mir neulich passiert ist: Ich war kurz weg und als ich zurückkam, war ein Typ mit seinem Kollegen hinter dem Mischpult und hat gescratcht. Er fand das super witzig. Ich nicht, aber naja, es gibt halt auch solche Typen."

Küchen-Zauber

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Manche Promiköche erwecken den Anschein, sich der gesunden Ernährung verschrieben zu haben. Doch häufig halten ihre Verheißungen einem kritischen Blick kaum stand


In Sachen Gesundheit scheinen prominente Köche rastlos unterwegs zu sein. Sie sorgen sich um die Bekömmlichkeit des Schulessens, bekochen Kranke, schneiden zwischendurch im Fernsehen in atemraubendem Tempo Gurken in Scheiben und fügen den mehreren Tausend Kochbüchern, die das Wort "gesund" im Titel tragen, immer noch weitere hinzu. Ihr Publikum glaubt ihnen bereitwillig, wie Erhebungen aus Großbritannien nahelegen: Mehr als drei Viertel der Befragten waren der Ansicht, dass die Rezepte der Promiköche per se gesund seien.

Aus Großbritannien kommen allerdings auch Berichte, die Zweifel wecken, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. Ausgerechnet in einer Zeitschrift namens Healthy and Organic Living schlug der britische Fernsehkoch Antony Worrall Thompson vor einiger Zeit als delikate Salatzutat das Schwarze Bilsenkraut vor. Dabei ist die auch als Hexenkraut bekannte Pflanze hochgiftig. Der extreme Irrtum ist ein Einzelfall. Doch zerstörten kürzlich britische Wissenschaftler den heilen Kosmos der Kochbuchsammler, als sie auf die Idee kamen, die bestverkauften Rezeptsammlungen einmal genauer zu analysieren - und mit Fertigmahlzeiten aus dem Supermarkt zu vergleichen.



Auch nicht gesünder als Essen aus der Dose? Starkoch Jamie Oliver.


Das Ergebnis der im British Medical Journal veröffentlichten Studie war ernüchternd. Die Rezepte von Stars wie Jamie Oliver waren nicht gesünder als die Mahlzeiten aus Dosen und Pappkartons. Im Durchschnitt wiesen sie sogar mehr Kalorien, Fette und gesättigte Fettsäuren auf. Eine Schweinshaxe mit allerlei Beilagen von Nigella Lawson, deren Kochbücher auch in Deutschland erscheinen, brachte es auf mehr als 1300 Kilokalorien pro Portion. Das gehaltvollste Supermarktgericht hatte nur 870 Kilokalorien.

Kurze Zeit später prüften Ernährungswissenschaftler der Insel insgesamt 900 Rezepte von 26 Promiköchen. Nur 13 Prozent aller Kochanleitungen entsprachen mit ihrem Gehalt an Kalorien, Fetten, Zucker oder Salz den offiziellen Empfehlungen. Die Bestseller der Branche könnten "ein bislang unterschätzter Faktor bei der Entstehung des Übergewichts sein", urteilten die Autoren im Fachjournal Food and Public Health. Allerdings ist nicht bekannt, wie oft die Rezepte tatsächlich nachgekocht werden.

Wenn es schon den Großen der Branche offenbar an Gesundheitsbewusstsein mangelt, wie sieht es dann mit dem Koch im Lokal an der Ecke aus? Erhebungen aus verschiedenen Ländern offenbaren zum Teil große Wissenslücken, was gesundheitsrelevante Aspekte zu einer Mahlzeit angeht. In einer Befragung britischer Köche gaben 81 Prozent an, ein sicheres Mahl für einen Allergiker zubereiten zu können. Doch in einem Wissenstest offenbarten viele der Köche eklatante Fehlannahmen. So glaubten fast 40 Prozent fälschlicherweise, dass Kunden, die versehentlich ein Allergen zu sich nahmen, durch Wassertrinken eine schwere Reaktion verhindern könnten. Über die Zöliakie, die Glutenunverträglichkeit, wussten Köche in Großbritannien sogar noch weniger als eine zufällig ausgewählte Gruppe von Laien. In Irland ergab eine Befragung von Küchenchefs und Catering-Managern, dass fast 80 Prozent die grundlegenden Hygienevorschriften nicht kannten. Drei Viertel von 300 US-Küchenchefs waren der Überzeugung, normalgroße Portionen zu servieren. Doch was sie auf die Teller luden, überschritt die von den Fachgesellschaften vorgeschlagenen Größen um das Zwei- bis Vierfache. In einer weiteren amerikanischen Studie zeigten sich mehr als die Hälfte der befragten Köche gar nicht oder nur "etwas" vertraut mit dem Kaloriengehalt ihrer Speisen. Das Wissen und die Rezepte von deutschen Köchen wurden in diesen Studien nicht untersucht.

Was den Kalorien- und Fettgehalt der Speisen angeht, bezweifelt Gerhard Jahreis, Ernährungswissenschaftler der Universität Jena, dass deutsche Köche viel gesundheitsbewusster zu Werke gehen als ihre Kollegen im Ausland. "Gesundheitliche Aspekte sind zwar ein Teil der Ausbildung", sagt Jahreis. "Doch die sehr jungen Lehrlinge verinnerlichen dieses Wissen wohl nicht." In der Praxis komme es in erster Linie auf den Geschmack an. "Und den bekommt man nun mal durch die Zugabe von Fett am einfachsten hin." Demgegenüber schätzt Danielle Prechtl vom Arbeitsmedizinischen Präventionszentrum in Erfurt die gesundheitlichen Kenntnisse hiesiger Köche immerhin als "solide" ein.

Wie sich dieses Wissen auf die Speisen auswirkt, die Köche ihren Kunden servieren, ist unklar. Wie aber essen die Profis selbst? Beherzigen sie dabei, was sie über Gesundheit und Ernährung wissen? Offenbar nicht, haben Prechtl und Jahreis vor drei Jahren festgestellt. Auch wenn sich Köche in der Öffentlichkeit gerne zeigen, wie sie entspannt ein Huhn streicheln und im Kreise von Freunden und Kollegen ihre nahrhaften, frisch zubereiteten Mahlzeiten zelebrieren - die Zunft lebt ungesund, zum Teil sogar bestürzend schlecht. Im Vergleich zu einer Gruppe Büroangestellter aßen die Küchenarbeiter weniger Gemüse und mehr Fleisch, hat Prechtls Studie ergeben. Zudem rauchten die Köche doppelt so häufig, und die Analyse ihrer Blutparameter sowie psychologische Einschätzungen ergaben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Köche fühlten sich in ihrer Arbeit viel gestresster als die Büroangestellten. Warum, das zeigen die Interviews von Psychologen, die zwölf Küchenchefs kleinerer Restaurants in New Jersey interviewt haben. Die Befragten schilderten ihre Küchen als eng, laut und grell beleuchtet; die Angestellten sind in dieser dampfenden Enge stets mit mehreren Arbeiten gleichzeitig beschäftigt - bis weit nach Mitternacht. Während die Gäste schlemmten, stillten die Köche ihren Hunger durch Verkostungen, Süßigkeiten und Softdrinks. Das, was einer Mahlzeit am nächsten kam, war für 83 Prozent der Profis der Gang ins nächste Fast-Food-Lokal.

Zeit, um sich mit aktuellen Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft zu befassen, bleibt bei diesem Arbeitsalltag kaum. So klingt nach verzweifelten Ausflüchten, was sich einige der Köche an Ideen zu gesunder Ernährung zurechtgelegt hatten: Obst könne den Stress auch nicht wettmachen, Alkohol sei gut fürs Herz.

Solche Innenansichten kontrastieren hart mit der Welt der Fernsehköche, in der höchstes Wohlbehagen und Gastlichkeit in der Küche suggeriert werden. Diese Illusion dürfte wohlkalkuliert sein. Schließlich verkaufen zahlreiche bekannte Köche, auch in Deutschland, eine Vielzahl von Küchenzutaten und treten zugleich in den Reklamepausen auf. Dabei scheint manches von dem, was die TV-Experten bewerben, nur schwer mit dem üblichen Verständnis von gesunder Ernährung vereinbar zu sein. Alfons Schuhbeck warb wiederholt für eine Fast-Food-Kette, Alexander Herrmann machte Reklame für Fertig-Brühwürfel. Cornelia Poletto und Ralf Zacherl priesen schon Wurst der Großindustrie an.

Wer sich gesund ernähren möchte, dem rät der Jenaer Forscher Jahreis, sich eher am eigenen, "gesunden Menschenverstand" zu orientieren. Die allerneueste Verheißung aus der Scheinwelt der Kochshows braucht es dazu nicht.

Der Stoff, aus dem die Ferien sind

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Weil höhere Mathematik vielen Studenten zu hoch ist, floriert die private Nachhilfe. Zum Beispiel in Dresden


Der Dozent beginnt seine Stunde mit der Absage einer anderen. Nächste Woche, sagt Sebastian Bauer, müsse ein Termin leider ausfallen, und wäre dies ein gewöhnliches Seminar, die Studenten würden nun auf irgendeine Weise und in jedem Fall ironisch ihr Bedauern ausdrücken. Stattdessen: "Aber wie sollen wir denn dann die Klausur schaffen?", fragt Katharina. "Es gibt ein Leben neben der Nachhilfe", sagt Bauer. "Aber nicht so kurz vor der Klausur!", sagt wiederum Katharina. Die Gruppe, sechs Frauen und ein Mann, versucht so hartnäckig wie erfolglos, Bauer umzustimmen.

Zwei Semester dauerte die Statistik-Vorlesung der angehenden Wirtschaftswissenschaftler der TU Dresden, an diesem Donnerstag steht die große Abschlussprüfung an. In der vorletzten Übung mit Sebastian Bauer, Doktor der Mathematik, geht es nach dem Termin-Gequengel entsprechend schnell zur Sache, nämlich um "bedingte Wahrscheinlichkeiten". Gegenstand der ersten Aufgabe ist ein anfälliger Sender, der Nullen und Einsen nur mit begrenzter Zuverlässigkeit ausbringt. Die Studenten sollen die Wahrscheinlichkeit berechnen, eine Eins zu empfangen, obwohl eine Null gesendet wurde. Darum also geht es in dieser Aufgabe auf Seite 134 des Skripts - und darum geht es hier, bei der privaten Nachhilfe Vlax in Dresden, auch im Großen und Ganzen: Studenten mit mindestens mittelgroßen Schwierigkeiten zu befähigen, eine gute Note in der Klausur zu empfangen.



Zu schwer? Immer mehr Studenten nehmen Nachhilfe, unter anderem in Mathematik.


Zwar bietet Vlax auch Nachhilfe für Schüler an, das Angebot richtet sich aber im Wesentlichen an Studenten. Für erstere gehört Nachhilfeunterricht längst zur Normalität. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung schätzt den Markt auf 1,1 Millionen Schüler pro Jahr, deren Eltern geben dafür zwischen einer und eineinhalb Milliarden Euro aus. Der Markt für Studenten wurde noch nicht vermessen, sicher ist nur, dass er zügig wächst. Waren bislang vor allem Repetitorien für Juristen üblich, fragen nun immer mehr Studenten Nachhilfe in beispielsweise Mathematik nach. Die Universitäten haben auf diese Nachfrage zwar mit eigenen Angeboten reagiert, auch klassische Nachhilfeschulen erweitern ihr Angebot auf Studenten. Allein für Mathe gibt es spezielle Angebote zum Beispiel in Göttingen und Wuppertal, in Dortmund und Berlin. Dem gegenüber steht ein riesiger Bedarf, das zeigen schon die vielen Abbrüche etwa in den Ingenieurwissenschaften. Dort liegen die Studienabbruchquoten für Bachelorstudierende zwischen 30 Prozent an Fachhochschulen und 48 Prozent an Universitäten - alles potenzielle Kundschaft, zum Beispiel für Jana Veckenstedt.

Vor acht Jahren hat die Diplom-Mathematikerin Vlax gegründet, im ersten Monat machte sie einen Umsatz von gerade mal 500 Euro. "Es gab keinen Businessplan oder sonst etwas von dem, das man da berücksichtigen sollte", sagt Veckenstedt. Geklappt hat es trotzdem. Derzeit geben

20 Dozenten insgesamt 35 Kurse, 400 Studenten nehmen pro Semester das Angebot von Vlax wahr, zu Preisen zwischen zehn und 40 Euro pro 90 Minuten, je nach Gruppenstärke. Die allermeisten in zwei angemieteten Räumen in der Nähe des Campus, ein paar wenige online im Einzelunterricht via Skype.

Veckenstedt organisiert die Nachhilfe als Freiberuflerin, vorher arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dresden. Wäre sie dort geblieben, "hätte ich eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen müssen, mit diesem Veröffentlichungswahn. Das wollte ich nicht. Ich wollte unterrichten, das war meine Ambition."

Nachhilfe gebe es zwar wie Sand am Meer, aber das sei oft reine Vermittlungssache. Die Anbieter brächten Studenten und Dozenten zusammen und kassierten dafür ab. Auf der Webseite von Vlax gibt es zwar auch eine Börse, allerdings nur eine für Studenten, die sich dort in Gruppen für bestimmte Fächer zusammenfinden können, um den Preis für den Einzelnen zu reduzieren - und um für das Institut eine bessere Quote pro Dozent zu erreichen.

Bleiben zwei Fragen. Warum schließen die Studenten sich nicht gleich selbst und an einem kostenpflichtigen Anbieter wie Vlax vorbei zu Lerngruppen zusammen? "In so einer Gruppe hat ja schlimmstenfalls gar keiner einen Plan, da gibt es dann null Synergieeffekte", sagt Benjamin, Wirtschaftsstudent im vierten Semester. Und warum wird aller Klärungsbedarf nicht über die regulären Tutorien und Übungen abgefangen, welche an der Uni zu den meisten Vorlesungen begleitend angeboten werden? Katharina sagt: "In den Mathe-Tutorien wurde uns gesagt, wir müssten die Aufgaben vorher zu Hause durchrechnen und wer dann noch Fragen habe, der könne ja ins Tutorium kommen." Das aber sei keine große Hilfe, wenn man ratlos über einer Aufgabe sitze und nur die Kurzlösung zur Hand habe. "Da steht dann x = 3, aber warum x = 3 ist, das steht da eben nicht", sagt Katharina. "Hier", sagt Jana Veckenstedt, "ist es genau umgekehrt. Hier kommt man rein, hat bei manchen Aufgaben keine Ahnung, und arbeitet dann zu Hause nach."

Veckenstedt sieht die Ursache für den großen Bedarf an Nachhilfe in Mathematik oder Physik, in Stochastik und Statistik, Strömungslehre oder E-Technik eher nicht an den Universitäten. Nicht die Dozenten dort seien das Problem; wenn man überhaupt jemandem den Schwarzen Peter zuschieben wolle, dann den Schulen. Aber das will Veckenstedt natürlich nicht, auch wenn sie selbst ein wenig unter der Prüfungszeit leidet. Wegen der großen Nachfrage verlängern sich in dieser Zeit auch ihre Arbeitstage - auf zuletzt 16 Stunden. Gleichwohl: lukrative 16 Stunden.

5000 Mal Hoffnung

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Deutschland lässt ein kleines Kontingent Syrer einreisen, die dem Bürgerkrieg entkommen wollen. Das Bundesinnenministerium spricht von einem 'Zeichen der Humanität'. Flüchtlingsorganisationen jedoch fordern, deutlich mehr Menschen aufz

Als Muhamad Muhamad vor zehn Jahren nach Deutschland kam, galt seine Heimat Syrien noch als sicheres Land. Er bekam seine Aufenthaltsgenehmigung nur, weil er hier eine Frau und eine Tochter hatte. Heute arbeitet er in einem Münchner Schuhgeschäft - und kümmert sich in seiner Freizeit um Dutzende Landsleute, die in den letzten Monaten nach Deutschland geflohen sind. Seine Freunde Jawn Kafjl und Hussein Hassan etwa sind seit Oktober in Deutschland, ihre Frauen und Kinder weiterhin in Aleppo, wo jeden Tag Bomben fallen. Bisher ist es keinem der beiden gelungen, ihre Familie nachzuholen. Auch in den Flüchtlingsvertretungen von Pro Asyl rufen täglich verzweifelte Syrer an, deren Angehörige sich im Bürgerkrieg oder in einem Flüchtlingslager an der Grenze zu Syrien befinden. Flüchtlingsvertreter berichten von bürokratischen Hürden, geschlossenen Botschaften und Verzögerungen bei der Visa-Vergabe.

Für einige Familien gibt es jetzt Hoffnung: Die Bundesregierung hat entschieden, ein Sonderkontingent von 5000 syrischen Flüchtlingen aufzunehmen, sie sollen in den nächsten Tagen und Wochen ankommen. Alleinreisende Frauen und Kinder, sowie Menschen, die Angehörige in Deutschland haben, sollen davon besonders profitieren. Bislang haben sich viele illegal über das Mittelmeer durchgeschlagen, was lebensgefährlich ist. Erst am Samstag sind sechs Flüchtlinge aus Ägypten vor Sizilien ertrunken. Die 5000 Syrer sollen per Charterflug einreisen, auf Kosten des Bundesinnenministeriums.



Sicher in Deutschland: eine syrische Familie vor einem Asylwohnheim in Brandenburg.


Wer genau in diesen Flugzeugen sitzen wird, wird im Moment noch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geprüft und entschieden. Doch das Ganze soll schnell gehen: Noch im August sollen die ersten in Hannover und Kassel landen. Nach 14 Tagen Orientierungsphase in einem Gemeinschaftslager sollen die

5000 Menschen auf die Länder verteilt werden. 750 nach Bayern, 470 nach Niedersachsen, 365 nach Hessen, 50 nach Bremen - und so weiter. Die Kommunen suchen nach Unterbringungsmöglichkeiten, dringend, außerdem werden Betreuungsangebote gebraucht. Die Flüchtlinge sollen für mindestens zwei Jahre in Deutschland bleiben dürfen.

Fast zwei Millionen Syrer sind auf der Flucht, allein in Libanon gibt es jeden Tag durchschnittlich 6000 Notregistrierungen. Bringt es da überhaupt etwas, wenn die Bundesrepublik Deutschland Charterflüge für 5000 Menschen organisiert?

Es sei ein "Zeichen der Humanität" heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Ein Symbol, zusätzlich zu den Spenden Deutschlands in Höhe von 193 Millionen Euro, die in den Nachbarländern Syriens eingesetzt werden. Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland, ist jüngst von einem Besuch im Irak zurückgekehrt. Gemeinsam mit Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte er dort das Lager Domis besichtigt, wo mehr als 45000 Menschen bei Temperaturen von mehr als 40 Grad in Massen-zelten ausharren. Geplant war das Lager für 20000 Personen. Immer mehr Syrer schlagen ihre Zelte in der Bekaa-Ebene, nicht weit vom Libanongebirge, auf. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht von 1200 Spontanansiedlungen in dieser Gegend aus. Die Versorgung mit Trinkwasser, Medikamenten oder Sanitäranlagen funktioniert dort kaum noch. Diese Bedingungen durch Spendengelder zu verbessern, sei vorrangiges Ziel, findet Unicef-Chef Schneider. Die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen begrüßt er zwar, hält die Zahl aber auch für ausreichend: "Viele Syrer wollen in der Region bleiben, weil ihre Familien dort sind. Oft ist es so, dass der Vater in Syrien ist und auf das Haus aufpasst."

Wer nach Deutschland wolle, habe meist schon Familie hier, berichtet Norbert Trosien, der beim UNHCR Deutschland für Aufnahmeprogramme zuständig ist und der Bundesregierung Vorschläge zur Auswahl der 5000 Flüchtlinge gemacht hat. In aufwendigen Einzelgesprächen hat das Hilfswerk "besonders schutzbedürftige Personen" ermittelt, alleinerziehende Mütter, Waisenkinder oder Menschen, die spezielle medizinische Behandlung brauchen, sind darunter. Außerdem Menschen, die später einmal für den Wiederaufbau des Landes wichtig sein könnten. Nun bleibt abzuwarten wie das Bamf im Einzelfall entscheiden wird. Und obwohl es nicht für jeden, den er vorgeschlagen hat, reichen wird, ist Trosien glücklich, dass Deutschland überhaupt Flüchtlinge aufnimmt. Die Bearbeitungszeiten im Bamf nimmt er hin: "Man kann nicht auf alle rechtlichen und bürokratischen Schritte verzichten - auch wenn es um schnelle Hilfe geht." Andere europäische Staaten könnten sich ein Beispiel nehmen: "Deutschland ist hier Vorreiter", sagt Trosien.

Ganz anders sehen das die Flüchtlingsvertretungen. "Deutschland zieht sich massiv aus seiner Verantwortung heraus", sagt Valeska Siegert vom Bayerischen Flüchtlingsrat, "diese 5000 Menschen sind nicht viel mehr als ein Zeichen." Genau wie die deutschlandweite Vertretung Pro Asyl fordert sie die Bundesregierung auf, deutlich mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen. "Wer nicht zu diesen 5000 Auserwählten gehört, hat im Prinzip nur die Möglichkeit, illegal einzureisen und einfach hier aufzutauchen", sagt Siegert. Das sei erstens teuer und zweitens lebensgefährlich.

4852 Syrer haben von Januar bis Juni 2013 in Deutschland Asyl beantragt,

4517 davon waren Erstanträge. 2012 kamen 6201 Anträge aus Syrien. 2011, als der Konflikt begann, waren es 2634. Fast alle haben eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Die Zustände in Syrien sind eindeutig. Das Regime von Baschar al-Assad und verschiedene oppositionelle Gruppen führen einen Bürgerkrieg, der in den vergangenen zwei Jahren mehr als 100000 Menschen getötet hat.

Syrien ist nach der Russischen Föderation zurzeit das zweitstärkste Herkunftsland - bei stark steigenden Asylbewerberzahlen. Viele Kommunen und Länder, die jetzt nach Quartieren für die 5000 zusätzlichen syrischen Flüchtlinge suchen, fühlen sich überfordert. Aus der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in Berlin etwa heißt es, man wisse bisher nur, dass "sie im Herbst kommen, und dass sie in zwei Gruppen kommen." Nun suche man eben nach einer geeigneten Unterkunft für 250 schwer traumatisierte Menschen, die "am liebsten unter sich bleiben".

Schuhhändler Muhamad Muhamad steht auf der anderen Seite. Er findet, die 5000er-Quote sei noch viel zu gering - und zu exklusiv. Schließlich richtet sie sich vor allem an Menschen, die in den Flüchtlingslagern des UNHCR in Libanon registriert sind. Wer dagegen in Damaskus, Aleppo oder Kairo ausharrt, muss vermutlich noch länger warten. Wie über die 5000er-Quote hinaus mit syrischem Familiennachzug umgegangen werden soll, wird derzeit noch zwischen Bundesinnenministerium und den Ländern verhandelt.
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