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Jungs, welche Kondome sollen wir besorgen?

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Das Thema Verhütung sollte keine Einbahnstraße sein – es geht hier ja schließlich um Geschlechts-Verkehr, gell?! Weshalb wir euch heute folgende Frage stellen wollen, die wir uns in dieser Woche ganz schnöde von jetzt-Userin the-wrong-girl abgeschrieben haben - immerhin mit ihrer Erlaubnis. 





 Aufgescheucht von den überall herum hängenden Mach’s mit!!!!!-Postern beschließen wir mal wieder, uns mit dem Thema Verhütung auseinanderzusetzen und trotz höchster Scham-Pein (!) vor dem nächsten Club-Besuch Kondome zu besorgen. Also schnell rein in den Drogeriemarkt des Vertrauens und nach dem Kauf anderer lebensnotwendiger Dinge (Apfel-Mango-Saft, Schlamm-farbener Nagellack, Q-Tips und Studentenfutter der Kategorie „Luxus-“) kommen wir endlich zu dem Bereich, wo sich all die „Ferner-Liefen“-Artikel finden: Kontaktlinsenflüssigkeit, Fußpflege und das, was man in verklemmteren Zeiten Ehehygiene-Artikel nannte. 

Und dann fängt das große Rätselraten angesichts der Auswahl an: Es gibt bekannte Marken, preiswerte Hausmarken, farbige Kondome, solche mit Noppen, welche für zu-früh-Kommer, solche mit Extra-Reservoir und andere, die das Vergnügen der Frau dank Noppen vergrößern sollen (aus unserer Perspektive eine eher vernachlässigbare Kategorie, wenn es um Kondome geht). Alle in einer Größen-Ordnung, die man sonst nur von Starbuck’s kennt: „Tall, Grande, Venti, beziehungsweise XL, XXL und XXXL. 

 Wenn wir nur uns selbst als Maßstab anlegen würden, kämen wir mit den preiswertesten, medizinisch unbedenklichsten und neutralsten Kondomen der mittleren Größe nach Hause. Aber um uns geht’s ja in diesem Fall nur zum Teil. Also sagt uns doch bitte schnell vor unserem nächsten Einkauf: Welche Kondome sollen wir besorgen, wenn wir welche besorgen? 

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von elias-steffensen.

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Die Jungsantwort von elias-steffensen:

Ich bin ja selbst schuld. Weil ich’s schließlich noch eigenhändig aufgebracht habe, das Thema. „Kommt“, habe ich gesagt, „lasst uns doch die Idee von the-wrong-girl aufgreifen!“ „Die ist doch super“, habe ich auch gesagt; und dabei wahrscheinlich noch aufmunternd in die Hände geklatscht. Ich Depp. Und jetzt sitze ich hier und denke als vorletzte Amtshandlung vor meinem Urlaub über anderer Leute Schwänze nach – Länge, Breite, Höhe, Krümmung, Form, Eichelvolumen im Verhältnis zum Schaft. Was gibt’s da alles? Welche Missverhältnisse sind möglich? Was ist normal? Alles, um ganz sicherzugehen, dass ich nicht irgendwas grob außer Acht lasse, wenn ich sage: Über Vieles könnt ihr euch viele Gedanken machen, aber darüber eher nicht.  





Wobei ihr daran schon merkt, dass ich mit Annahmen jongliere, die trotz intensiven Grübelns empirisch nicht zu unterfüttern sind. Ich kenne wenige Fremdschwänze persönlich und ich habe mich noch nicht mit vielen Jungs intensiv drüber ausgetauscht, was da nun das Wahre für sie ist.  

Ich lehne mich aber trotzdem mal so weit aus dem Fenster, zu sagen, dass der Austausch fehlt, weil es für eben uns kein gewaltiges Thema ist. Wir reden ja von den Gelegenheiten, bei denen man den anderen noch nicht gut kennt. Wer in einer langjährigen Beziehung mit Kondomen verhütet, kann schließlich so viel mit Passformen experimentieren, wie alle Beteiligten wollen. Wenn wir also in diesen noch sehr frischen Zeiten mit euch schlafen, ist eh noch alles so neu und unbekannt und erforschenswert und aufregend und ein bisschen stressig ja vielleicht auch, dass für das Kondom – also seine Passform, oder die Frage, ob das jetzt wie viel Prozent mehr Gefühl durchlässt – keine Hirnzelle mehr übrig ist.  

Und wäre doch eine übrig, arbeitete die vermutlich bei den meisten ins Leere. Bei Kondomen ist es letztlich nämlich wie bei allem anderen auch: Die Nutzung allein macht noch lang keinen Experten. Die meisten von uns werden’s ähnlich wenig wissen wie ihr. Wer vorm Kauf von iPod-Dockingstationen nicht das Magazin von Stiftung Warentest studiert, fängt bei Gummis auch nicht damit an. Und dann kauft man je nach Veranlagung entweder den Kram, den man aus Funk und Fernsehen kennt, oder eben genau den nicht. Ich kann mir bis zum nächsten Kauf auch nicht merken, welche Marke sich nun wie angefühlt hat. Erst recht nicht im Vergleich zu anderen.

Und selbst wenn ich’s könnte, wüsste ich noch lange nicht, wie sich das nun für einen anderen Penis darstellt. Denn da gibt es nun natürlich schon noch einen Unterschied, den ihr allerdings vermutlich sogar besser kennt als wir: die Größe. Wenn er weit aus der Norm gerät, wird’s schon eng oder hat keinen Halt mehr. Als Optionen gibt’s dementsprechend nur: für die Größen-Randbereiche mitkaufen oder auf Norm hoffen.

Und das wäre zum Schluss auch mein sehr subjektiver Rat für alle, die keinen Präser-Setzkasten neben dem Bett haben wollen: mittlere Größe, kein Geschmack, dünner fühlt sich etwas besser an, ist aber weniger stabil (noch mal: Statistik und Wahrscheinlichkeit), Farbe ist egal aber eher auch neutral, Noppen ganz nach eurem Geschmack. Die Zu-früh-Kommer-Präventions-Teile funktionieren schon, betäuben aber auch. Da sollte man also erstens in Verbindung mit Schnaps und Drogen das richtige Maß kennen und zweitens vielleicht eine sehr charmante Formulierung mitliefern. Die müsst ihr euch aber bitte selbst ausdenken!

Wir haben verstanden: KW 26

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  • Werbeagenturen, die spontan auf Biss-Attacken während eines Fußballspiels reagieren, können ganz schön witzig sein.

  • Will man es als deutsche Kleinstadt zu internationalem Ruhm bringen, sollte man eine Stein-Vagina aufstellen. Irgendwer wird damit schon Quatsch machen.

  • Dass die Öffentlich-Rechtlichen sehr viel Geld für Fußballrechte ausgeben, bedeutet noch lange nicht, dass sie dann auch so über Fußball berichten, wie es angemessen wäre.

  • Es ist sehr rührend, eine kleine Schwester zu haben, die unter der Woche mitten in der Nacht nach dem Tanzen gehen zu einem ins Bett krabbelt, weil ihr der Heimweg in die eigene Wohnung zu lang ist.

  • Man kann nicht nur Joghurtbecher und Altpapier recyclen, sondern auch Musik: In den USA bekommt zum Beispiel elektronische Musik, die in Europa niemand mehr so richtig will, das Etikett "EDM" und macht eine Handvoll europäischer DJs zu Millionären.

  • Es gibt eine Zeitspanne beim Sich-einen-Bart-wachsen-lassen, durch die muss man sich schon sehr durchkämpfen. Auch und vor allem ästhetisch.

  • Der Aufwand lohnt aber in 99 Prozent aller Fälle. 

  • Anton Hofreiter könnte jetzt echt mal ein paar Merkel-Beschimpfungen auswendig lernen.

  • Man geht viel zu selten allein ins Kino.

  • Die Steigerung von "Jogi Löw im Hemd" ist "Jogi Löw im nassen Hemd".

  • In Recife in Brasilien regnet es im Juni im Schnitt  viermal so viel wie in einem gewöhnlichen Juni in Hamburg.

  • Traurig, aber wahr: Alleine das Herunterladen von Fitness- und Gesundheits-Apps bewirkt noch keine Veränderungen des Lebensstils oder Bauchumfangs.

  • Man kann an einem Tag auch sieben Mal Döner essen.

  • Total irre: nach gefühlt 20 Jahren mal wieder "No One Knows" von Queens of the Stone Age hören und sofort das Bedürfnis verspüren, in ein Auto einzusteigen und zu einem nahgelegenen Badestrand zu fahren. Man ist halt doch nur ein besserer Pawlowscher Hund...


http://vimeo.com/69371715
  • Pumuckl ist immer noch eine der besten deutschen Serien, die es jemals gab.

  • Es gibt wirklich Menschen, die einen aus Wut darüber, dass man auf der falschen Radwegseite fährt, absichtlich und mit voller Wucht umfahren.

  • Gut, wenn sie dabei selbst hinkrachen und man sich selbst gerade noch fangen kann.

  • Schlecht, wenn man sich vorstellt, dass sie dasselbe vielleicht auch mit dem Auto tun würden.

  • Bum-Bum-Eis schmeckt immer noch.

  • Die oft lange Suche nach guten Ärzten lohnt sich eben doch.

  • Das Gurkenkrokodil ist der neue Käseigel.

  • Homosexuelle, Prostituierte und Häftlinge dürfen in Deutschland kein Blut spenden. Heterosexuelle mit ständig wechselnden Partnern auch nicht.

  • "Trafikant" ist ein gutes, altes österreichisches Wort für Tabakverkäufer.

  • Ein wirklicher Verlust ist es nicht, dass ein Großteil der WM-Fanschminke wegen gesundheitlicher Bedenken wieder aus dem Verkehr gezogen werden muss.

  • Die Tierschutzpartei ist die einzige, die immer noch Wahlwerbung auf Münchner Straßen macht. Versteht das jemand?

  • Neue Vorderreifen: ca. 300 € (pro Stück); verbogene Vorderachse: ca. 2000 €; sich darauf mit 'nem guten Wein richtig weglöten: unbezahlbar.

  • Wegen akuter Geldsorgen ein Depot auflösen: beruhigend, aber aufwändiger als man denkt.

  • Man sollte sich – zumindest auf dem Wasser – nur noch mit einem Kajak fortbewegen!

Weg, nur weg!

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Der Keller  





Nach dem Abi dachte ich, einfach mal ein paar Monate auf dem Bau arbeiten, dass muss geil sein. Den ganzen Tag draußen, körperliche Arbeit, ehrliche Leute. Bis ich dann einen Job auf einer Düsseldorfer Großbaustelle hatte, war es Oktober, den ganzen Tag draußen war nicht mehr der Traum, der er im Juni gewesen war, und körperliche Arbeit hat nun mal auch seine Schattenseiten. Also brauchte ich irgendwann meine Pausen.  

Einfach so herumstehen, damit kommt man auf dem Bau nicht lange durch. Bevor ich durchatmen konnte, hatte einer einen Steinhaufen gefunden, der besser einen Meter weiter links liegen sollte und das war’s dann mit der Ruhepause. Irgendwann führte mich eine dieser Aufgaben in den Keller eines der unfertigen Gebäude. Das war perfekt: kein Licht, kein Regen – und nach einer Weile wird man einfach vergessen. Der Job war gerettet.

Immer wenn ich mal eine Pause brauchte oder mich aufwärmen wollte, ging ich in einen der Keller und setzte mich auf eine Kiste oder einen Stapel. Völlig ungestört.  

Und das Beste: Irgendwann gewinnt man in der Dunkelheit einen unschätzbaren Heimvorteil. Jeder, der neu in den Keller trat, brauchte einige Sekunden, um sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Ich hingegen konnte die orientierungslos Herumirrenden messerscharf sehen. Die Zeit reichte in der Regel, um schnell noch einen beschäftigten Eindruck zu machen. Der Höhepunkt meiner Kellerzeit war sicher, als einer der Kollegen im Dunkeln über eine – für mich deutlich sichtbare – Kabeltrommel stolperte und auf dem frisch bestrichenen Boden landete. Herrliches Gefühl der Überlegenheit.  

piet-vanriesenbeck        

Die Stammkneipe





Dienstagnacht im vorletzten Sommer. Ich bin seit zehn Stunden unterwegs, mit dem Auto aus Hamburg, wo ich ein paar Monate gearbeitet habe. Unterwegs habe ich eine lange Pause gemacht, und ich bin sowieso schon spät losgefahren. Darum ist es fast eins, als ich endlich in München ankomme. Ich bin müde und der Bauch tut mir weh vom langen Sitzen. Ich will nur noch ins Bett.

Als ich die Wohnungstür aufschließe, stehe ich im hell erleuchteten Flur. Aus dem Wohnzimmer kommt Musik, und in der Küche räumt ein fremdes Mädchen mit Putzhandschuhen den Kühlschrank aus. Sie bemerkt mich erst, als ich in der Tür stehe: “Hallo”, sage ich. Mein Untermieter kommt ins Zimmer, das Mädchen ist seine Freundin. Er fragt: “Hattest du nicht gesagt, du kommst morgen?” Hatte ich definitiv nicht. Das weiß ich sicher, weil ich ihm vor ein paar Tagen den Termin noch mal geschrieben habe. Er hatte geantwortet, das wäre in Ordnung. Er würde dann zu seiner Freundin ziehen. Ob einen Tag früher oder später, das wäre egal.

Eigentlich finde ich es scheiße, dass er noch da ist. Ich bin klebrig und staubig und muss dringend schlafen. Aber ich will auch nicht rumspießen. Außerdem bin ich zu müde, um mich jetzt mit diesen fremden Menschen auseinanderzusetzen. Darum sage ich bloß, dass ich in einer Stunde noch mal wiederkomme. Und dann stehe ich im Dunkeln vor meiner Haustür.

Mein Viertel ist nicht unbedingt die Gegend, in der man Dienstagsnachts problemlos noch eine offene Kneipe findet. Aber Glück gehabt: In der Bar gegenüber brennt noch Licht. Leider gehen die letzten Gäste gerade. Der Barmann (er heißt Soner, das weiß ich inzwischen) muss irgendwie gesehen haben, dass ich nirgendwo anders hin kann und winkt mich trotzdem hinein. So ähnlich muss es bei den Alpenvereinshütten sein, die weisen einen auch nicht ab, wenn man im Dunkeln an die Tür klopft. Ich erzähle kurz, was los ist, er stellt mir ein Bier hin und lässt mich am Tresen sitzen, während er den Laden aufräumt und die Tische zusammenschiebt. Eigentlich keine große Sache, und ich bin auch vor dieser Nacht manchmal in dieser Bar gewesen. Aber seitdem ist es meine Stammkneipe.  

Karoline Meta Beisel

Auf der nächsten Seite: Flucht vor dem Prügelproll in den Gitarrenladen
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Der Gitarrenladen





Ich war nie gut in der Tanzschule. Vielleicht ist das der Grund, wieso ich als 14-Jähriger an einem Sommertag über Julian herzog. „Blondi“, „Angeber“ – Vergleichbares werde ich meinem besten Freund Björn ins Ohr gefaucht haben, nachdem wir Julian zwanzig Meter von uns in der Hagener Einkaufspassage gesichtet hatten.

Julian konnte gut tanzen. Die Lästerei nahm kein Ende, Björn und ich waren kleine Punkte, die exponentiell hoch über der Rageskala flogen. Das Problem: ein Spitzel (guter Freund von Julian) stand hinter uns. Der Spitzel (größer als wir) petzte und stand im nächsten Moment mit Julian vor Björn und mir, den zwei kleinen Punkten.

Was in den nächsten Minuten passierte, weiß ich nicht mehr so genau. Eskalation. Flüche, Tritte, Schläge, Björn, der pragmatisch zum Bus flieht, ich, der rast- und ratlos in Schuhgeschäften, Handyshops und Pizzerien mögliche Fluchtpunkte sucht, Julian, der zwei Armlängen hinter mir herläuft. Der Spitzel hatte seinen Job getan, er ist wahrscheinlich ein Eis essen gegangen.

Julian und ich rennen also. Er tanzt nicht nur besser als ich, Julian läuft auch schneller. Kurzes Intermezzo der Gewalt: ein Tritt in die Kniekehle, ich gehe fast zu Boden, zum Glück nur fast, jetzt klebt Julian nicht mehr so nah an mir. Und da fällt es mir ein.

Als ich keuchend bei Carlo ankomme, ist Julian mindestens zwanzig Armlängen von mir entfernt. „Carlo, da kommt einer, der will mich verkloppen.“ Carlo kennt mich, ich war schon öfter da. „Kein Problem“, sagt er und schließt den Gitarrenladen von innen ab. Julian verflucht die Glastür, haut einmal drauf, lässt das aber gleich wieder sein, als Carlo (größer und breiter als Julian und ich zusammen) ihn böse anguckt. Julian beschließt, erst einmal aus Carlos Blickfeld zu weichen.

Carlo sitzt den ganzen Tag an der Glastür. Kommt ein Kunde, schließt er auf. Julian tigert immer wieder vor den Laden, nicht nur einmal, sondern in den nächsten sechs Stunden alle zehn Minuten einmal. In der Zeit teste ich gefühlt 47 Gitarren, fantastisch, diese Gretsch, nur leider so teuer, aber wie schlimm ist eigentlich die Ibanez, die mit einem soliden Zuschuss von Oma vielleicht finanzierbar wäre? Ich vergesse Julian. Irgendwann kommt Carlo, er sagt: „Der ist weg. Und wir machen zu.“ Aus Dankbarkeit investiere ich mein komplettes Taschengeld in Saiten.

Julian, den Tänzer, habe ich in der Tanzschule komischerweise nie wiedergesehen. Vielleicht hatte er schon alle Moves drauf? Ich wurde kein besserer Tänzer. Aber Gitarre spiele ich heute ganz gut.

jurek-skrobala     

Die Toilette





Vier Minuten sind okay. Oder lieber nur dreieinhalb? Sonst denkt noch jemand, die Praktikantin hat das Reizdarmsyndrom.

Die Praktikantin bin ich. Ich sitze auf der Toilette. Vom Großraumbüro ist die Tür zum Toilettenraum gut einsehbar. Also besser nur dreieinhalb Minuten brauchen. Ich nehme mir noch zwei Blätter Klopapier und tupfe damit nochmal auf meine Augen. Ich gehe zum Waschbecken, lasse kaltes Wasser über meine Hände laufen und schaue in den Spiegel. Geht. Und ich trage ja Kontaktlinsen, die kneifen manchmal. Falls jemand wegen der roten Augen fragt. Ich verbrachte während dieses Praktikums viel Zeit auf dem Klo. Aber ohne diese anderthalb Fliesen und Einsamkeit hätte ich es nicht überstanden.  

Das Praktikum begann so, wie es – menschlich – zwei Monate lang weitergehen sollte. „Hallo, da ist dein Platz. Ich sag dir gleich, mittags musst du dir jemanden suchen, mit dem du essen gehst, Redakteure gehen nicht mit Praktikanten essen.“ Der Satz kam aus dem Mund der Ressortleiterin. Sie verhielt sich meist ruhig. Nur wenn der Chefredakteur ins Zimmer kam, begann sie, mich hysterisch anzukeifen. „Was hast du da wieder geschrieben? ‚Letztes Jahr‘. Es heißt nicht ‚letztes Jahr‘. Es ist ja nicht das letzte Jahr in der Menschheitsgeschichte! Sag mal, haben sie dir gar nichts beigebracht?“ Und immer, wenn sie merkte, dass sie die ungeteilte – klar, bei der Lautstärke – Aufmerksamkeit des Chefs hatte, setzte sie noch nach, dramatisch mit dem Kopf schüttelnd: „Wie dumm bist du eigentlich?“

Das stimmt schon mit dem „letzten Jahr“, das sehe ich ja ein. Und ich werde das auch nie wieder falsch machen. Nur hätte ich mir das auch ohne Demütigung gemerkt. Aber so ging das jeden Tag, manchmal nicht nur ein Mal. Die Ressortleiterin lachte über jeden Tippfehler und wenn ich ein Wort falsch aussprach. Sie schimpfte laut, wenn ihr ein Foto, das ich ausgesucht hatte, nicht gefiel. So laut, dass die anderen im Büro sich nach uns umdrehten. Und sie redete vor anderen schlecht über mich. Darauf bedacht, dass ich das auch mitbekam. Und ich: traute mich nicht zu widersprechen oder mich irgendwie zu wehren.

Die anderen Redakteure um uns herum waren eigentlich nett. Aber keiner von ihnen wagte es, mich in diesen Situationen zu verteidigen. Sie schauten dann auf ihre Tastaturen, als ob sie die Brösel zwischen den Tasten zählen würden. Heute macht mich das wütend. Damals machte es mich einfach nur traurig. So traurig, dass ich nicht anders konnte als weinen. Auf der Toilette.

Die Toilette war der einzige Ort, an dem ich meine Ruhe hatte. Da durften meine Lippen zittern, mein Kinn auch. Da durften die Tränen über meine Wange laufen, ich konnte sogar leise schluchzen. Es sah und hörte niemand. Diese Gewissheit machte die Schimpfanfälle ein bisschen weniger schlimm und sorgte dafür, dass ich vor der Ressortleiterin niemals glasige Augen bekommen habe. Ich hatte ja meine dreieinhalb Minuten.

josephine-schleich

Auf der nächsten Seite: Flucht vor dem Atomkrieg in die Bademantelhöhle.
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Die Bademantelhöhle





Der sicherste Ort der Welt befindet sich im Badezimmer meiner russischen Großeltern – zwischen dem Heizkörper, der Waschmaschine und einer riesigen Blechkanne, in der mein Opa Obst für sein Selbstgebranntes gären ließ.

Egal ob ein “Mangelhaft” in Mathe oder der Atomkrieg, der mir mit acht viel Sorgen machte –  alle Probleme blieben hinter der Wand aus Bademänteln und Handtüchern, das meinen Zufluchtsort von der Außenwelt abschirmte, zurück.

Einmal schlug eine alte Nachbarin, die auf mich aufpasste und die ich gruselig fand, vor, Verstecken zu spielen. Daraufhin harrte ich vier Stunden in meinem Badezimmerversteck aus. Hätte die Dame meine Großeltern nicht alarmiert - ich hätte noch viel länger aushalten können. Hier gab es einen Vorrat an Büchern und Lutschbonbons (alle andere Süßigkeiten schmolzen in der Hitze), eine Taschenlampe, einen Taschenmesser und einen Karte der Umgebung – für den Fall, dass ich von meinem Zufluchtsort aus tatsächlich fliehen muss.

Die Zweizimmerwohnung in Russland, in der vier Generationen lebten – Uroma, Großeltern, Mama, ich – war immer zu eng. Es gab keinen Ort, an dem kein anderer war. Aber mein Badezimmer-Eck gehörte mir allein. Manchmal kam jemand vorbei und wusch sich die Hände. Manchmal holte Opa die Riesenblechkanne ab um in der Küche Schnaps zu destillieren, in einem komplizierten Röhrensystem, das aussah wie ein Physikexperiment. Ansonsten änderte sich in meinem Reich kaum etwas. Das Obst gärte vor sich hin. Die Waschmaschine brummte. Dieser Zufluchtsort war wie meine Familie selbst: Warm. Gemütlich. Manchmal ziemlich stickig.  

wlada-kolosowa 

Der Wald





Vor ein paar Jahren machte ich ein Praktikum in einer Psychosomatischen Klinik. Das war okay. Der Wald daneben war göttlich. Es traf sich, dass die Praktikumszeit, es war im Sommer, auch Partyzeit war. Freunde waren in der Stadt, wir feierten das Ende der Klausuren, den Sommer und vor allem uns selbst – ich habe nachts nicht viel geschlafen. Also schlief ich tagsüber.  

Zwischen den verschiedenen Programmpunkten der Patienten hatte ich immer ein bisschen Freizeit. Mal 20 Minuten, mal 50. Zwar sollte ich im Schwesternzimmer Patientenakten lesen, doch ich wollte mich lieber selbst heilen. So habe ich mich alle 20 Minuten, die ich frei hatte, zum Schlafen davongestohlen. Weil es für Praktikanten kein Extra-Zimmer gab, mich niemand entdecken sollte und durch die ganze Klinik auch noch Baulärm dröhnte, schlich ich mich 200 Meter weiter  – in den Wald.  

Dort suchte ich eine moosige Stelle, stellte einen Handywecker, kuschelte mich auf die Seite, legte den Kopf in die Hände. Und schlief. Wenn ich aufwachte, war ich vollkommen verzückt: leichter Wind rauschte durch die Bäume, durch die Blätter fielen Sonnenstrahlen, trunken von der Hitze krabbelten ein paar Insekten umher. Alles war so grün, frisch und lebendig – außer ein paar Vögeln, die fröhlich zwitscherten, war alles still.  

Dann klopfte ich mir Stöckchen und Moos aus den Haaren, hüpfte zurück, und machte in der Turnhalle Entspannungsübungen mit Baulärm. 

anne-kratzer

Wochenvorschau: So wird die KW 27

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Wichtigster Tag der Woche:  
Gleich der Montag. Mit Montagen hat es für mich eine besondere Bewandtnis: Ich komme da nicht in die jetzt-Redaktion, sondern habe entweder frei oder arbeite für andere Menschen. Diesen Montag arbeite ich zwar, muss dafür aber praktischerweise an einen bayerischen Bergsee. So viel frische Luft wird's frühestens wieder Samstag geben.

Kulturelles Highlight:
 
Es ist Filmfest in München, dagegen kann der Juli ansonnen, wie er will. Vielleicht geh ich unter der Woche spontan abends schon in irgendwas Arthäusliches, was jemand empfiehlt, der sich durch das bibeldicke Programm geackert hat.





Gebucht, ausgedruckt und bereitgelegt sind aber schon die Tickets für den Freitagabend, 22:15 Uhr im City-Kino: „Die lange Nacht der Shocking Shorts“. Da werden die zehn Finalisten des diesjährigen Horror-Kurzfilmwettbewerbs gezeigt. Ich hab ja nämlich eine bärenstarke Schwäche für Schockerfilme.  

Soundtrack: 





Das hier liegt schon zwei Wochen auf meinem Schreibtisch und der Festplatte meines Mp3-Spielers und es wird immer besser. Clipping, das ist Hip Hop, überraschenderweise vom legendären Nirvana-Label Sub Pop, was schon einiges darüber aussagt, wie er klingt: stark lärmend und scharfkantig, hochrelevant jedenfalls und direkt vom Grenzzaun zwischen Genie und Unhörbarkeit. Hier mal eine der eingängigeren Nummern vom Album:

http://www.youtube.com/watch?v=skSUr8lFLnU  

Wochenlektüre:
 
Nix aktuelles. Ich les gerade zum ersten Mal den „menschlichen Makel“ von Philip Roth. Gute Geschichte um Rufmord, Prüderie und Rassismus in den USA. Wobei die Sexfantasien der älteren Protagonisten und deren Probleme mit Potenz und Kontinenz mich jetzt, nach knapp 200 Seiten, schon allmählich nerven. Les ich's zu Ende? Die Woche wird es zeigen, wahrscheinlich sogar schon der Montag am bayerischen Gebirgssee.  

Kinogang?
Auf jeden Fall am Freitag, siehe oben - ansonsten böte sich aber auch ein Besuch in Münchens schönstem Open-Air-Kino an, das jetzt auch endlich angefangen hat: Auf der Seebühne im Westpark läuft zum Beispiel am Samstag "Blau ist eine warme Farbe". 

Geht gut diese Woche:  
Alte Hosen über dem Knie abschneiden und sich darin wie ein erwachsener Schuljunge im Sommermodus fühlen!  

Geht gar nicht:
 
Sommerlesezeit mit geifernden Altmännerfantasien verschwenden. Und wie in den meisten anderen Wochen auch: durch Null teilen.

Woher der Hass? SUVs

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In einer Episode der „Simpsons“ kauft Homer den „Canyonero“: Ein SUV, ein Sport Utility Vehicle, ein Stadtauto also, das an einen Geländewagen erinnert. Marge wird im „Canyonero“ zum Straßenrowdy, rettet damit aber später die Stadt vor einer Nashorn-Herde. Im dramatischen Finale geht der Wagen in Flammen auf.

Die Episode stammt aus dem Jahre 1999, als die SUVs in den USA modern wurden, und vereint viel vom Spott und der Kritik, die diese Autos seitdem und vor allem seit ihrem Siegeszug in Europa auf sich ziehen. „Super unnützes Vehikel“ nennt man sie gerne, weil sie viel Platz wegnehmen, viel Sprit verbrauchen und eigentlich nur auf geteerten Straßen rumfahren, wo man keinen Allradantrieb braucht. Viele SUVs haben auch gar keinen, aber die Karosserie tut so, als sei einer drin. Die Statistiken arbeiten den SUV-Hassern zu: hohes Überschlagsrisiko und bei Unfällen eine Gefahr für die Fahrer kleinerer PKW.

https://www.youtube.com/watch?v=7ZeFDe44Ddo&feature=kp

Auch der Autodesigner Paolo Tumminelli hat in einem Interview dem Anti-SUV-Lager das Wort geredet: Die Autos seien extrem umweltschädlich und verführten zu riskanterem Fahren.

Umweltschädlich, gefährlich, unpraktisch, das ist natürlich alles ganz schön blöd. Aber das sind andere Sachen auch. Plastiktüten zum Beispiel. Oder Flugzeuge. Über die aber eher rational-besorgt gesprochen wird: Man müsse eigentlich auf Flugreisen verzichten, aber manchmal wolle man ja doch weiter verreisen und der Paul müsse so oft auf Dienstreise in die USA etc. pp. Menschen, die viel fliegen oder sich im Supermarkt eine Plastiktüte mitnehmen, werden nicht gehasst. Sie werden auch nicht ausgelacht. SUV-Fahrer schon. Denn der SUV-Hass ist hämisch. Das liegt vor allem daran, dass es sich bei einem Auto immer noch um ein Statussymbol handelt, mit dem der Besitzer etwas repräsentieren will. Das Problem ist, dass man beim SUV nicht so genau weiß, was es repräsentieren soll – weil sich das Image des Autos von zwei gesellschaftlichen Seiten her speist.

Auf der einen Seite die Proll-Kultur der USA, der Heimat des SUV: Jungs mit Basecaps und Goldschmuck, die sich wie Gangster fühlen (oder welche sind), und mit einer Hand am Steuer durch die Straßen cruisen, um ihr Revier zu markieren oder zu fünft jemanden hochzunehmen; Notorious B.I.G., einer ihrer berühmtesten Vertreter, wurde gar in einem SUV erschossen. Auf der anderen Seite die obere-Mittelschichts-Mutter, bei der im Kofferraum keine extra Soundanlage verbaut ist, sondern eine Reihe Tüten mit dem Wocheneinkauf steht, und die im SUV Claras Klavierunterricht, Moritz’ Fußballtraining, das Raclette-Essen mit den Schneiders und am Wochenende das Wallis ansteuert.

Diese beiden Spektren, Gangster und Familie, gehen genauso wenig zusammen wie die beiden Elemente des SUV – Gelände und Stadt. Den Betrachter bringt das durcheinander. Wie kann ein Auto gleichzeitig für Gangster und für Familie sein? Was sagt das über die Gangster, was über die Familien? Sind die einen doch bürgerlich oder die anderen womöglich der wahre Abschaum der Gesellschaft?

Dass das SUV weder Fisch noch Fleisch ist, dass die Prolls es fahren und die Muttis, dass es zu groß für die Parklücke ist und zu schwach für Paris-Dakar, das können viele nicht gut ertragen. Auf welche Lebenseinstellung soll man denn da jetzt schimpfen? Keine Ahnung, schimpfen wir also auf das, was offensichtlich ist: Größe! Gewicht! Verbrauch! Und natürlich auf das eine, von dem man sichergehen kann, dass Gangster und die obere Mittelschicht es gemeinsam haben: genug Geld, um es zu verschwenden, und den Wunsch, das allen anderen zu zeigen. Denn etwas, dass so sehr und auf so verwirrende Weise stört, würde man ja gerne einfach übersehen, ausblenden, wegschieben. Geht aber nicht, wenn es gleichzeitig so groß ist. Wenn man neben einem SUV steht, ist man ja in der Regel gerade mal groß genug, um durchs Fenster ein paar Flüche hineinzurufen.

Tagesblog - 30. Juni 2014

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17:26 Uhr: Ich verabschiede mich nun auch tränenreich von euch. Das Kuchenrezept von Michel wird nachgelegt. Das letzte Stück esse ich.





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17:04 Uhr:
Wir haben gerade tränenreich unseren Superpraktikanten Michel Winde verabschiedet. Er hat uns aber noch etwas zum Abschied dagelassen (neben dem Fantakuchen, der sehr sehr lecker war): Fünf sehr lustige, schlaue und lehrreiche Filme.





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16:45 Uhr:
Im Kosmos gibt es heute auch Schönes zu finden: Zum einen den Text vom glitzerkugelüber den Zwack (ein Kind) mit unstillbaren Nudelhunger

Zum anderen: Sommertagebuch, Teil 4: mehr Feuer und mehr Dramatik von ein-oxymoron

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15:23 Uhr:
Habt ihr euch in letzter Zeit irgendwie schlechter gefühlt? Traurig? Antriebslos? Ohne jeglichen Grund? Dann wart ihr vielleicht unfreiwilliger Teilnehmer an einer Facebookstudie. Die nämlich hat gezeigt: Wenn man Usern immer nur deprimierende Posts auf der Pinnwand anzeigt, verschlechtert sich ihre eigene Stimmung. 

Die Ergebnisse hat Facebook schon vor ein paar Wochen herausgegeben, aber ein neues Statement hat nun alle noch einmal darauf aufmerksam gemacht und jetzt hagelt es Kritik.

Was wir uns fragen ist nicht, ob Facebook das darf oder nicht, oder was die Wissenschaftsethik dazu sagt, wenn man Probanden für einen Versuch heranzieht, ohne dass sie das wissen. Vielmehr ist doch die Frage: Wird Facebook eine Art Gehirnwasch-Plattform? Anscheinend beeinflusst uns das, was wir dort sehen, sogar unser Unterbewusstsein und wir denken dabei nichts Böses, weil es ja eigentlich unsere Freunde sind, die dort posten, oder?

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15:16 Uhr:
Montag ist Kosmoshörertag!!! Und wir haben einen neuen ganz tollen! Diesmal von jetzt-Userin felina mit Tanztee und Disney und alles was ein guter Hörer braucht. 





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15:06 Uhr:
Das übrigens kommt dabei heraus, wenn ich in der Kantine einen einem Anfall von Dekadenz erliege und denke, ich sei reich. 





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14:20 Uhr:
Unser Kind wurde ein paar Monate vor der WM geboren. Seine ersten Worte waren "Jogi Löw".

Eigentlich finde ich das hier ganz schlimm, aber irgendwie auch echt witzig. 

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14:03 Uhr:
Hattet ihr schon einmal eine interkulturelle oder interreligiöse Beziehung? Eigentlich denkt man ja immer, das sollte doch kein Problem mehr sein heutzutage. Wo die Liebe eben hinfällt. In der Realität aber sieht das dann oft ganz anders aus. 

Hier ist ein interessanter Text mit dem Titel "The Reality of Dating White Women When You're Black". Anscheinend gab es so viele Antworten und Kommentare auf den Text, dass sich das Magazin entschieden hat, auch davon einige zu veröffentlichen. "Who You Love Is a Political Choice"

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13:38 Uhr:
Kollege Jan Stremmel hat mir gerade den coolsten Helm der Welt gezeigt:

[plugin imagelink link="https://scontent-a-lhr.xx.fbcdn.net/hphotos-xaf1/t1.0-9/10340006_10152573525093324_4637818216839802975_n.jpg" imagesrc="https://scontent-a-lhr.xx.fbcdn.net/hphotos-xaf1/t1.0-9/10340006_10152573525093324_4637818216839802975_n.jpg"] via Mark Brown

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12:19 Uhr:
 User Bangshou hat da in den Kommentaren ein sehr spannendes Thema angesprochen. Ich hab natürlich gleich mal weitergegoogelt nach dem "Pflanzenfressenden-Mann". Ganz kurz zur Erklärung: Bei dem Thema geht es quasi um eine Entwicklung der Geschlechterverhälnisse, die in Japan zu beobachten sind - so behaupten zumindest einige. 

Hier ist ein ganz interessanter Artikel, in dem erklärt wird, was so einen Mann ausmachen soll und - sehr fragwürdig wie ich finde - was eine Frau bei welchen Typ man tun muss, um ihn in eine Beziehung zu bekommen...

Denkt ihr da ist was dran? Oder haltet ihr das für Blödsinn? Kann man so etwas auch bei uns beobachten?

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11:51 Uhr:
Das Video hier ist nicht neu, aber ich habe mitbekommen, dass einige so denken, wie ich bis vor kurzem gedacht habe: "Fußball und Fußballfloskeln - wie lustig kann das schon sein. Das schaue ich mir nicht an."

Aber wie sich herausgestellt hat: Es ist doch lustig. Also für alle, die es noch nicht kennen: hier anschauen.

http://www.youtube.com/watch?v=mf72t9B_CEI

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11:41 Uhr:
Irina und Sui sind beide 19 Jahre alt, aber zwei junge Frauen wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, zumindest wenn es um Sex geht:

Die eine möchte gar keinen - die andere nur mit Peitsche





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10:58 Uhr:
Ihr seid echte Western-Fans? Dann wird euch dieses Video gefallen. Ich bin kein Western-Fan, aber ich fand's trotzdem (Achtung Wortwitz) zum Schießen!

http://vimeo.com/79306807

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09:44 Uhr:
Kommt euch die Erde auch manchmal ein bisschen voll vor? Mir ging es gerade nach einer Woche Urlaub im toscanischen Nirgendwo so. Da kommt man wieder nach München und überall, wirklich überall, sind Menschen. 

Aber vielleicht müssen wir uns nur etwas gedulden, bis wir endlich wieder mehr Platz haben. Denn vielleicht zieht die Hälfte der Erdbevölkerung bald auf eine neue Erde - 16 Lichtjahre von unserer entfernt. 

Wenn das wirklich möglich wäre, was würdet ihr tun: Schnell auf zur anderen Erde und dort was Neues starten, oder lieber hier bleiben, die Ruhe genießen und die anderen dort machen lassen? Mann kann sich ja irgendwann mal besuchen.

Falls ihr wissen wollt, wie sich zweiteres wohl anfühlen würde, einfach heute zwischen 22 und 23.30 Uhr mal durch die Straßen gehen...

[plugin imagelink link="http://cdn4.sci-news.com/images/enlarge/image_2029_1e-GJ-832c.jpg" imagesrc="http://cdn4.sci-news.com/images/enlarge/image_2029_1e-GJ-832c.jpg"] via sci-news.com

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09:27 Uhr:
Zitat des Tages: "Mario Kart is a tool to teach children that fairness is a myth." von @Cennydd

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08:31 Uhr:
Bei Kollege Biazza darf jeder gerne anrufen - vorausgesetzt er hat vorher auf die Mailbox gesprochen, was er will, eine Mail oder SMS geschrieben oder eine Brieftaube geschickt. Nichts mag er weniger als Anrufe mit unbekannter Nummer. Wie ist das bei euch so?

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08:11 Uhr:
Was sonst so los ist:

  • Eine holländische Fluglinie hat sich erfolgreich einen Shitstorm eingefangen, in dem sie nach dem Sieg gegen Mexiko in der WM das hier twitterte




  • In der Ostukraine endet in ein paar Stunden die Feuerpause. Putin fordert eine erneute Verlängerung

  • Die italienische Küstenwache hat am Wochenende wieder 1600 Flüchtlinge an Land gebracht. Auf einem Boot wurden 30 Leichen gefunden

  • In einer Audiobotschaft hat die Islamistengruppe ISIS ein Kalifat für den Irak und Syrien ausgerufen. Kalif, also "Anführer der Muslime" sei Isis-Chef al-Bagdadi.

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07:28 Uhr:
Guten Morgen zusammen. Für mich ist es ja morgens schon immer eine große Herausforderung aus dem Bett zu kommen. Falls euch das anders geht und diese Challenge in der früh zu einfach ist - das wäre das nächste Level:

Hose anziehen OHNE HÄNDE!

http://www.youtube.com/watch?v=ZwfLgXJpQd0

Wenn ihr die Herausforderung annehmt, schickt uns doch bitte ein Video davon!

Wie hat sich dein Telefonverhalten verändert?

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Mich treibt zum Beispiel ein Hamburger gerade in den Wahnsinn. Vielleicht auch eine Hamburgerin, genau kann ich’s nicht sagen, weil ich nur die Nummer auf meinem Handy kenne beziehungsweise eben nicht: +4940/80undsoweiter. Jeden Tag, seit knapp zwei Wochen. Immer ungefähr zur gleichen Zeit. Ein bisschen ist das schon auch eine Prinzipienfrage für mich geworden. Und wenn du das jetzt liest, Keule: Spricht mir verflucht noch mal auf die Mailbox und zwar mit Namen UND deinem Anliegen. Dann werde ich dich mehr als gerne zurückrufen. Aber ich will vorher wissen, worum’s geht.  




Manche gehen gar nicht mehr ran.

Mir ist schon klar, dass das alles etwas verstockte Ausmaße annimmt. Aber: Ein Anrufer ist für mich zunächst mal jemand, der in den privaten Raum eindringt. Ein Störenfried. Nicht, wenn er Freund ist. Nicht, wenn er Familie ist (mit beiden telefoniere ich gerne und proaktiv – wenn auch nicht gerne sehr lang). Wohl aber, wenn er Fremd ist. Oder auch entfernter Bekannter. Dann will ich wissen, was er will, bevor ich mit ihm oder ihr rede. Es könnte ja auch ein Sodomist sein, der mir Tiernamen vorstöhnen will, oder jemand, der gerne hätte, dass ich ihm beim Umzug helfe. Es hilft, das vorher zu wissen und in Ruhe überdenken zu können. Mir jedenfalls. Weil ich mich sonst überrumpelt fühle und vielleicht Dinge (zu)sage, die ich später bereue. Und das tut ja niemandem gut.  

Die Kollegin Waechter hat darüber schon vor Jahren einen ironisch wütenden Text geschrieben. Sie hat mich für meine vielleicht etwas spleenige Eigenheit entsprechend auch verhalten beschimpft. Aber es gab auch Zuspruch. Sogar Kollegen, die es am liebsten haben, per Textnachricht auf einen Anruf vorbereitet zu werden. Auch das ist mir sympathisch.  

Und dir? Gehst du immer ran, wenn’s klingelt? Oder willst du auch wissen, wer was warum von dir will? Telefonierst du überhaupt noch, oder schreibst du nur noch? Kurz: Wie hat sich dein Telefonverhalten verändert? Sag’s uns – schriftlich lieber, ja?

Alles so schön bunt hier

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München – Was ist eine „normale“ Familie? Mutter – Vater – Kind? Vater – Vater – Adoptivkind? Alleinerziehende Mutter – Kind? Frau – Frau – kein Kind? Wer hat da die Hosen an? Muss man heiraten? Wer arbeitet, wer bleibt zu Hause? All diese Fragen treiben die Union seit Jahren heftig um; wie keine andere Partei ringen CSU und CDU um ein Familienleitbild. Um eine Richtlinie, eine ungefähre Umrahmung dessen, was in der Gesellschaft schon lange zum Leben gehört und das die christlich orientierten Anhänger nicht allzu sehr verstören soll. Eine Expertise, die die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung nun veröffentlicht, bricht mit so ziemlich allem, was konservativen Politikern bisher heilig war. Demnach ist alles möglich. Zwar ist das verheiratete Ehepaar mit Kindern nach wie vor der Maßstab. 100 Prozent der Befragten sehen das so. Landläufig verstehe man unter Familie aber zu fast 90 Prozent auch homosexuelle Paare, Patchworkkombinationen oder Alleinerziehende. Es sei eine „zentrale Schwäche“ der Politik, der Vielfalt des Familienlebens nicht ausreichend gerecht zu werden, so die Erkenntnis.



So kann Liebe auch aussehen: Eine homosexuelle Lebenspartnerschaft.

Auseinandersetzungen mit „Kampfbegriffen wie Rabenmutter oder Heimchen am Herd“ sollten beendet, der „Familiendiskurs sollte entideologisiert“ werden, heißt es in der Analyse mit dem Titel „Familienleitbilder in Deutschland“. Klare Worte vor dem Hintergrund, dass sich Unionspolitiker intern wie auch mit den Familienexperten anderer Parteien hinter dem Schild „Wahlfreiheit“ immer wieder bekriegen: Mal darf die Betreuung von Kleinkindern in Krippen die klassische Familie nicht ersetzen. Mal ist die Unterstützung berufstätiger Mütter Teufelszeug, weil das die traditionellen Werte verändere. Und gerne wird auf der anderen Seite der CSU-Liebling Betreuungsgeld als „Herdprämie“ geschmäht.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) beauftragt, hier für Klarheit zu sorgen. 5000 Menschen zwischen 20 und 39 Jahren wurden befragt. „Das Spektrum hat sich erweitert. Die traditionelle Rollenverteilung in der Familie, die noch um 1960, zumindest im Westen Deutschlands, selbstverständlich war, verliert an Bedeutung“, sagt Christine Henry-Huthmacher von der KAS. Beim Versuch, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, seien junge Frauen heutzutage so zerrissen wie nie zuvor. Auch Väter stünden unter steigendem Druck, weil sie einerseits mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, wie die große Nachfrage nach der Elternzeit zeige – die Arbeitgeber zögen aber nicht wie gewünscht mit.

Weitere Thesen und Forderungen des Papiers der Konrad-Adenauer-Stiftung:

Bei der Suche nach Ursachen für die sinkenden Geburtenraten haben sich Politik und Forschung zu sehr auf die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie konzentriert. Eine große Rolle spielt jedoch auch, was in den Köpfen passiert – es gibt die kulturellen Leitbilder eines „normalen“, „richtigen“ und „guten“ Zusammenlebens als Paar oder als Familie. Und da gehen persönliches Gefühl und öffentliche Meinung stark auseinander.

„Es gibt keine positiv besetzten Familienleitbilder in Deutschland“, sagt Norbert Schneider, Direktor des BiB und Autor der Expertise. „Jedes Bild beinhaltet sofort eine Negativfolie: Nehmen Sie die klassische Mutter und Ehefrau, die sich um Haushalt, Mann und Kinder kümmert. Ihr wird vorgehalten, dass sie es sich gut gehen lasse oder dass man sie gut ausgebildet habe und sie diese volkswirtschaftlichen Kosten nun verschwende. Die berufstätige Mutter hingegen ist mit dem Gegenteil konfrontiert.“ Der Aussage „Ein Kleinkind leidet, wenn die Mutter berufstätig ist“ stimmen der Studie zufolge teils mehr als 60 Prozent der Befragten in Polen, Italien, Österreich – und Westdeutschland zu. Im Osten Deutschlands sind es nur 34 Prozent, eine Folge der als „normal“ empfundenen Berufstätigkeit von Frauen in der DDR.

Auch wenn Leitbilder im Kern stabil seien, sei ein Wandel im Lauf weniger Jahrzehnte möglich und durchaus politisch beeinflussbar, heißt es in der Studie für die Adenauer-Stiftung. BiB-Chef Norbert Schneider nennt als Klassiker die Anerkennung nicht ehelicher Lebensgemeinschaften: Bis 1972 war die Vermietung von Wohnungen an nicht verheiratete Paare ein Straftatbestand, fiel unter den Kuppeleiparagrafen. Heutzutage achtet niemand darauf, ob die Nachbarn einen Ehering tragen. In der Expertise heißt es weiter: Die derzeitige Familienpolitik sei in hohem Maße zu einseitig an der Ehe orientiert, sie biete oft keine Hilfe bei durch Brüche gekennzeichneten Familienbiografien. Das alles sei nicht mehr zeitgemäß. So profitiert etwa eine kinderlose Ehe vom Ehegattensplittung, nicht aber die nicht eheliche Stieffamilie. Nachdem lange Zeit latent das klassische Bild der Hausfrauenehe bestimmend war, müssten nun Wege gefunden werden, die Wünsche von Vätern nach mehr Familienleben und jene von Müttern nach mehr Berufstätigkeit zu fördern.
In diesen Tagen verschickt die KAS ihr Leitbild auch an die Unionsabgeordneten im Bundestag. Die werden darin Sätze wie diese lesen: Die Familienpolitik lässt keine strategische Ausrichtung erkennen. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es wenig eindeutige und teilweise widersprüchlich Signale. Die Familienpolitik ist zersplittert: „Mehr als 150Maßnahmen und unübersichtliche Zuständigkeiten erschweren die Inanspruchnahme zustehender Leistungen.“ Wirtschaftliche Interessen stehen deutlich vor denen der Familien: „Es mangelt am unbedingten Willen, die Arbeitswelt in Deutschland familienfreundlicher zu gestalten.“ Die Mahnung der Adenauer-Stiftung: Familienpolitik sollte keine Leitbilder vorgeben, sondern die Vielfalt des Familienlebens und der dahinter stehenden Leitbilder vorbehaltlos akzeptieren.

Die Sätze werden nicht allen konservativen Abgeordneten gefallen, einem aber schon: Dem CDU-Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg, der familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion ist und selbst eine Lebensgemeinschaft führt, die laut Umfrage inzwischen von 97 Prozent vorbehaltlos als Familie angesehen wird. Er ist nicht verheiratet mit der Mutter seines dreijährigen Sohnes. Mit der Studie gebe die Adenauer-Stiftung einen Impuls, sagt Weinberg: „Es ist wichtig, dass wir in der Familienpolitik keine Modelle des Zusammenlebens als falsch oder richtig vorschreiben. Wir sind in einem Prozess der Veränderung von Familienleitbildern.“ Darauf müsse seine Fraktion politisch reagieren – wertegebunden und ohne dem Zeitgeist hinterherlaufen zu wollen. „Die Expertise führt zu einer Tempoverschärfung in der Wahrnehmung von Einstellungen von jungen Familien“, so Weinberg. Wenn das Familienbild der CDU nicht mit dem übereinstimme, was gesellschaftlich gewollt werde, bekomme die Partei Akzeptanzprobleme.

Warum Weinberg gegen Ladenöffnungszeiten am Sonntag ankämpfen wird, begründet er so: „Da spielt nicht nur das Thema Kirche eine Rolle, wirklich. Es ist nun mal einer der wenigen Tage, an denen die Familie für sich zur Ruhe kommen kann.“

Kreuzberger Mächte

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Berlin – Der Laden mit den teuren Kinderschuhen in Berlin-Kreuzberg hat vorübergehend dichtgemacht. Die Rollläden sind heruntergelassen, ein Schild sagt: „Wegen Krankheit (Polizeiallergie) geschlossen.“ Auch sonst befindet sich das Viertel rund um die Ohlauer Straße im Ausnahmezustand, seit bald einer Woche schon. Ganze Straßenzüge sind gesperrt, ringsum stehen am Wochenende dicht an dicht die Fahrzeuge der Polizei, bis zum Paul-Lincke-Ufer mit seinen schicken Cafés und den teuren Altbauwohnungen. Polizeibeamte, wohin man schaut, an manchen Tagen sind es 900.



Die Flüchtlinge der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule geben sich auf einer Pressekonferenz selbstbewusst.

Von der Absperrung kann man einen Blick auf einen Zaun und das Gebäude dahinter werfen, und dieses ist der Grund für den Ausnahmezustand: die frühere Gerhart-Hauptmann-Schule, ein Backsteinbau mit einem Sportplatz und ein paar Flachbauten davor. Vor eineinhalb Jahren haben Flüchtlinge das Gebäude nach einem Protestmarsch besetzt. Geduldet von den Kreuzberger Behörden, die Schule stand leer. Im Laufe der Zeit richteten sich mehrere Hundert Flüchtlinge aus Afrika hier ein, Roma-Familien und Obdachlose aus dem Park. Was als Provisorium für den Winter gedacht war, wurde zum Problem: An der Schule gab es Gewalt, Drogen wurden gefunden, Ende April wurde ein Mann erstochen bei einem Streit um die einzige Dusche. Vergangenen Dienstag beschloss der Bezirk nun, das desolate Gebäude räumen zu lassen. Die Bewohner sollten umziehen in Unterkünfte in Charlottenburg und Spandau. Sollten: Denn zwischen vierzig und achtzig Leute haben sich in der Schule verschanzt. Sie stehen auf dem Dach, halten Transparente hoch. Auf eines ist mit blauer Schrift „Hands off“ gemalt, Hände weg. Sie wollen die Schule nicht verlassen. Einige haben gedroht, vom Dach zu springen oder das Gebäude anzuzünden. Auf Fotos vom Dach sieht man Flaschen mit Lappen darin, sie sehen aus wie Molotow-Cocktails.

Für die einen ist das Protest. Für die Aktivisten etwa, die sich neben den Absperrungen auf dem Bürgersteig eingerichtet haben. Ein Klapptisch, eine selbstgebastelte Litfaßsäule, noch mehr Transparente. An eine Hausmauer sind Zettel geklebt. „Ohlauer Infopoint“ nennt sich das, auf den Zetteln steht, dass man nicht einverstanden sei mit der Politik des Senats. Über Monate haben Senat und Bezirk mit den Bewohnern der Schule verhandelt, um sie zum Gehen zu bewegen. Der grün regierte Bezirk will die Schule leer haben und zu einem legalen Flüchtlingsheim umbauen, für 70 Leute. Man stellte den Flüchtlingen Unterkünfte in Aussicht und eine Prüfung ihrer Asylverfahren. Doch die Aktivisten fordern, dass die Flüchtlinge ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten. So lange sollen sie in der Schule bleiben, so lange wollen sie selbst vor der Schule protestieren.

Für andere ist das hingegen längst Party. Von überall kommen am Wochenende Leute an die Ohlauer Straße. Sie sitzen vor den Absperrungen auf der Straße, aus Lautsprechern kommt Musik, es riecht nach Joints. Eine Gruppe Rollstuhlfahrer guckt hinüber zur Schule, sie trinken Schnaps und diskutieren über die Band „Frankie Goes to Hollywood“. Eine junge Frau schiebt ihren Bugaboo-Kinderwagen am Laden mit den teuren Kinderschuhen vorbei und bleibt an der Absperrung stehen, eine Bierflasche in der Hand. Die Stimmung ist irgendetwas zwischen dem alljährlichen Kreuzberger Myfest am 1. Mai und den Momenten, wenn der Berlin-Marathon durch den Kiez läuft.

Am späten Samstagnachmittag kommen dann auch mehrere Tausend Leute vorbei. Die Demonstranten, die wegen der Flüchtlinge durch Kreuzberg ziehen, mit Transparenten und Getrommel. Ebenfalls die typische Kreuzberger Mischung, Aktivisten, Alt-68er, Hipster, junge Familien, auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele ist wieder dabei, blaues Jackett, rosa Hemd, am Vortag war er bei den Flüchtlingen auf dem Dach. Polizisten, Absperrungen und ein Hauch von Krawall liegt in der Luft – Kreuzberg ist an diesem Wochenende ganz bei sich.

Wie es weitergeht, ist ungewiss. Vor der Gerhart-Hauptmann-Schule herrscht ein seltsames Patt. Die Bewohner wollen nicht heraus aus dem Gebäude, die Polizei soll nicht hinein. So sagte Christian Ströbele auf der Kundgebung, dass es keine gewaltsame Räumung geben werde. Auch sonst ist die Situation verfahren. Unklar ist, wer für die Flüchtlinge zuständig ist. Viele sind über Lampedusa nach Deutschland gekommen, im November 2012 zogen sie in einem Protestmarsch von Würzburg nach Berlin. Die einen schlugen ein Camp auf dem Kreuzberger Oranienplatz auf, das inzwischen geräumt wurde. Die anderen besetzten die Schule. Die Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin forderte den Berliner Innensenator am Wochenende auf zu garantieren, dass die Flüchtlinge nicht abgeschoben werden, um die Situation zu entschärfen. Der Innensenator fühlt sich nicht zuständig, da die Asylverfahren in anderen Bundesländern liefen.

Und die Flüchtlinge? Am Freitagnachmittag treten drei Bewohner vor die Schule. Junge Männer mit Baseball-Kappen, sie sprechen Englisch. Sie sagen, dass sie ein Recht hätten, hier zu sein. Sie gehen zurück in die Schule, die Polizisten nehmen wieder ihre Positionen ein. In den Fahrzeugen, an den Absperrungen, schräg gegenüber dem Schuhladen. Einer sagt, er rechne damit, dass er noch länger hier stehen werde.

Mindestens zweifelhaft

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Es geht um eine historische Entscheidung: Wenn am Donnerstag der Bundestag wie geplant den gesetzlichen Mindestlohn auf den Weg bringen wird, bekommt Deutschland vom Jahr 2015 an als 21. EU-Land einen gesetzlichen Mindestlohn. Die große Mehrheit der Deutschen ist dafür, doch solange das Bundesarbeitsministerium und die Abgeordneten im Arbeits- und Sozialausschuss des Bundestags noch an den letzten Details des Gesetzes arbeiten, reißt die Kritik nicht ab.



Verdi-Chef Frank Bsirske sagt von den geplanten Mindestlohn-Ausnahmen, sie seien "grobe Wählertäuschung". 

An diesem Montag dürfen Experten bei einer Anhörung im Bundestag ihre Bedenken vortragen. Sachverständige und Verbände haben mehr als 200 Seiten an Stellungnahmen eingereicht, von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger bis zum Bundesverband Schnellgastronomie und Imbissbetriebe. Und alle wollen in letzter Minute noch schnell etwas ändern.

Viel Neues dürfte es aber nicht mehr geben. Auch die Ende vergangener Woche beschlossenen Ausnahmen dürften bleiben, selbst wenn Verdi-Chef Frank Bsirske der SPD in der Bild am Sonntagsogar „grobe Wählertäuschung“ vorwirft. So bleiben Schnupper-Praktika während der Ausbildung oder des Studiums für drei Monate und nicht für sechs Wochen vom Mindestlohn ausgenommen. Landwirte und Obstbauern können bei den mehr als 300000 Erntehelfern Kosten für Unterkunft und Verpflegung auf die 8,50 Euro anrechnen. Und für die 160000 Zeitungsausträger soll eine zweijährige Übergangszeit gelten, bis ihre Arbeitgeber die 8,50 Euro zahlen müssen. Ebenfalls könnte es noch in einigen Branchen neue bundesweite Tarifverträge geben, die es erlauben, die 8,50 Euro Ende 2016 zu unterschreiten. An diesem Montag kommen deshalb ebenfalls die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und der Hotel- und Gaststättenverband zusammen. Sie verhandeln über eine Lohnuntergrenze, die etwa für Küchenhilfskräfte, Hotelpagen oder Kellner gelten könnte.

Einigen Beobachtern geht es aber längst nicht mehr allein um die Ausnahmen. Sie fragen sich, wer, wie den Mindestlohn in Zukunft anpassen soll, und ob er überhaupt bezahlt wird.

Die Einhaltung des Mindestlohns soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls überwachen. Deren Mitarbeiter sind in der Zoll- und Finanzgewerkschaft organisiert, und die fordert in ihrer Stellungnahme nicht nur bis zu 2500 neue Beschäftigte in der FKS, um eine „hinreichende Prüfquote“ erreichen zu können.
Die Gewerkschaft warnt auch davor, dass der Mindestlohn „in Kernbereichen“ unterlaufen werden könnte.

Dazu zählt sie Branchen wie die Landwirtschaft, Sortier- und Verpackungsbetriebe, Callcenter und das Taxigewerbe, also Wirtschaftszweige, in denen die Arbeitgeber häufig Akkord- oder Stücklöhne zahlen, die von den geernteten Kilogramm, erzieltem Umsatz oder geleisteten Einheiten abhängen. Ohne klare Rechtslage sei es hier schwierig, Abrechnungsbetrug überhaupt aufzudecken, heißt es bei der Gewerkschaft.

Die Zollbeamten rechnen außerdem mit einem „erheblichen Anstieg der Scheinselbständigkeit“. Gerade bei kleinen Unternehmen sei zu befürchten, dass Beschäftigte entlassen „und als Scheinselbständige, also mit Werkverträgen, wieder beschäftigt werden“.

Auch die Kritik an der Mindestlohnkommission nimmt zu. Kürzlich war der Arbeitsausschuss in Großbritannien, um von den Briten zu lernen. Dort wurde die Lohnuntergrenze bereits 1999 eingeführt. Seitdem gilt das Mutterland des Kapitalismus als Musterland des Mindestlohns. Derzeit beläuft er sich dort auf umgerechnet etwa 7,90 Euro für mindestens 21-Jährige. Mehr als eine Million Briten profitieren davon.

Selbst die Arbeitgeber, die einst einen Stellenkahlschlag befürchteten, halten den Mindestlohn für eine Erfolgsgeschichte. Bei der Arbeit am deutschen Gesetzestext war daher viel vom britischen Vorbild die Rede. Nur: Was ist davon geblieben?

Auf der Insel entscheidet die Low Pay Commission über die Höhe der Lohnuntergrenze. Der Runde gehören je drei Vertreter der Arbeitgeber und drei Gewerkschafter sowie drei unabhängige Wissenschaftler an, alle gleichberechtigt mit Stimmrecht. Ihre bislang stets einstimmigen Empfehlungen sind nicht verbindlich, in der Regel setzt die jeweilige Regierung die Vorschläge aber um. Die Kommission, die ein eigenes Budget für die Forschung hat, prüft auch regelmäßig, ob durch den Mindestlohn die Arbeitslosigkeit steigt.

Anders sieht es nach dem Gesetzesentwurf des Arbeitsministeriums in Deutschland aus: Zwei Wissenschaftler können lediglich beraten. Abstimmen dürfen nur die drei Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften plus der Vorsitzende. Außerdem soll die Mindestlohn-Kommission sich bei ihren Beschlüssen „nachlaufend an der Tarifentwicklung“ orientieren. Maßgeblich soll dabei der Tarifindex des Statistischen Bundesamtes sein, der die Entwicklung der tariflichen Monatsverdienste widerspiegelt. Darauf haben die Arbeitgeberverbände und der DGB gepocht, um zu verhindern, dass die Kommission die Lohnfindung bei Tarifgesprächen beeinflusst.

Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, hält beides für falsch: „Die Bundesregierung will die Wissenschaft an den Katzentisch der Kommission verbannen. Das ist ein schwerer Fehler, denn insbesondere die Beteiligung der Wissenschaft hat in England zur breiten Akzeptanz des Mindestlohns geführt“, sagt sie. Auch sollte die Kommission bei ihren Vorschlägen nicht dem Tarifindex folgen müssen. „Damit wäre sie völlig überflüssig, denn dies könnten auch zwei Sachbearbeiter des Statistischen Bundesamtes übernehmen“, kritisiert Pothmer. Auch wäre so der jeweils neue Mindestlohn stets nach hinten gerichtet. „Eine nachlaufende Anpassung birgt die Gefahr, dass sich der Mindestlohn losgelöst von der jeweiligen Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage entwickelt“, sagt die Grünen-Politikerin.

Auch in der Union wachsen die Widerstände gegen die Kopplung an den Lohnindex. Matthias Zimmer, Vizechef der Arbeitnehmergruppe in der Unions-Fraktion, warnt davor, die 8,50 Euro per Index im Gesetz „politisch fortzuschreiben“. Welche Funktion solle die Kommission dann noch haben, fragt sich der CDU-Politiker.

Die Grünen-Frau Pothmer ist sich jedenfalls sicher: Reisen wie die des Ausschusses nach Großbritannien bilden.

Dampfen statt rauchen

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„Mein 1. Monat ohne Tabak zu verbrennen geschafft – der erste seit 29 Jahren“, jubelt tamtam21 in einem Internetforum. Ihm ist gelungen – oder zumindest hat er den ersten Schritt getan –, wovon zehn Millionen Deutsche träumen: mit dem Rauchen aufzuhören. Tamtam21 hat die Zigaretten entsorgt, nicht aber den Hang zum Nikotin. Eine „E-Zigarette“ liefert ihm nun den Suchtstoff mehrmals täglich. Statt Tabak zu verbrennen, verdampft eine nikotinhaltige Flüssigkeit in einer batteriebetriebenen Pfeife und strömt in seine Lungen – den Dampf findet er weitaus angenehmer als den Rauch von Zigaretten. So wie er berichten nicht wenige im „Forum über das elektronische Rauchen“ von ihren Erfahrungen – viele benutzen die elektronischen Zigaretten, um vom Tabak wegzukommen. Doch ersetzen sie damit nicht lediglich eine Sucht durch eine andere?



Die E-Zigarette als gesündere Alternative zum Tabak-Stängel? Da es bisher keine Langzeitstudien gibt, sind sich selbst Experten nicht einig darüber. 

„Eine Milliarde Menschen könnten im 21. Jahrhundert an den Folgen des Rauchens sterben, wenn nichts passiert“, warnte Wilson Compton von den amerikanischen National Institutes of Health (NIH) auf der europäischen Wissenschaftskonferenz Esof in Kopenhagen. „Wir müssen dringend nach Alternativen suchen. Das ist eine Schlüsselfrage für die öffentlichen Gesundheitssysteme.“

Ob die elektronische Zigarette diese Alternative sein könnte, ist selbst für Experten wie Compton schwer zu beantworten. Forschung über Langzeitrisiken gibt es noch nicht – erst seit 2007 sind Dampfzigaretten auf dem Markt. Fakt ist: Während beim Rauchen konventioneller Zigaretten 4000 verschiedene Stoffe in den Körper gelangen, atmen „Dampfer“ nur Nikotin und Trägerstoffe wie Propylenglykol ein.

„Es ist der Rauch, der einen umbringt, nicht das Nikotin“, ist Deborah Arnott überzeugt. Als Geschäftsführerin der Organisation „Action on Smoking and Health“ ist die Britin nicht dafür bekannt, Risiken des Tabakkonsums zu verharmlosen, im Gegenteil: „Rauchen ist die größte vermeidbare Todesursache im Vereinigten Königreich“, schreibt die Organisation; zahlreiche Auszeichnungen hat Arnott für ihre Aufklärungskampagnen erhalten. Für wesentlich hält die Aktivistin jedoch nicht, die Sucht an sich auszuradieren, sondern „von Tabak ausgehenden Schaden zu minimieren“. Die E-Zigarette sei da ein klarer Fortschritt. „Diese Produkte können Rauchern helfen, aufzuhören“, sagt Arnott.

Erste Studien deuten zumindest darauf hin, dass Dampfer ihren Zigarettenkonsum auf mittlere Sicht einschränken. Rund jeder zweite Teilnehmer einer italienischen Studie rauchte nach 24 Wochen E-Zigaretten-Konsums nur noch weniger als die Hälfte der üblichen Anzahl Zigaretten. Jeder fünfte Proband kam ganz ohne Kippen aus; die meisten aus dieser Gruppe behielten jedoch das Dampfen bei. Bemerkenswert: Alle Teilnehmer hatten vor der Studie gar nicht die Absicht, mit dem Qualmen aufzuhören.

Dem positiven Zeugnis für E-Zigaretten schließen sich Experten wie Thomas Hartung nur bedingt an. „Nikotin ist sicher keine gute Substanz“, sagt der Lehrstuhlinhaber für evidenzbasierte Toxikologie an der Johns Hopkins Universität. „Wir wissen, dass die Produkte Risiken haben.“ So könne Nikotin die Apoptose, den programmierten Zelltod, stimulieren, und erhöhe somit das Krebsrisiko. Auch fruchtschädigende Wirkungen und eine Verengung der Blutgefäße seien nachgewiesen. Dennoch würde Hartung hartgesottenen Rauchern „unbedingt zum Umstieg raten“. Das Gesundheitsrisiko sei mit E-Zigaretten sicher „um den Faktor Zehn reduziert“, sagt Hartung. Einfach weil man dabei 4000 potenziell schädliche Substanzen weniger einatme.

Während die Experten diskutieren, schaffen die Konsumenten Fakten. 2013 machten die E-Zigaretten-Hersteller erstmals mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz – immer noch ein Bruchteil des Hunderte Milliarden Dollar schweren Tabakmarkts, doch jeden Monat kommen rund zehn Marken dazu. Forscher von der Universität San Diego zählten 7700 verschiedene Geschmacksrichtungen, von Tiramisu bis Waldfrucht. In Deutschland erwartet die Branche 2014 einen Umsatz von mehr als 200 Millionen Euro.

Der Boom bringt Wissenschaftler in ein Dilemma: Elektronische Zigaretten sind zwar nicht gesund, die Risiken nicht quantifiziert – soll man sie dennoch empfehlen, einfach weil die Alternative noch schädlicher ist? Einige befürchten zudem, dass E-Zigaretten nicht nur auf Raucher anziehend wirken, die ihre Sucht in den Griff bekommen wollen – sondern auch Jugendliche zum Nikotinkonsum verleiten. Zumal, wenn das Dampfen als „gesündere“ Alternative beworben wird. Das Deutsche Krebsforschungszentrum warnte bereits vor süß schmeckenden „E-Shishas“, die auf Pausenhöfen zirkulieren.

Nicht einfacher wird die Situation dadurch, dass große Tabakkonzerne die E-Zigarette als Zukunftsprodukt entdecken, nachdem sie den Trend lange verschlafen haben. Reihenweise werden derzeit E-Zigaretten-Hersteller von Branchenriesen wie Japan Tobacco geschluckt. Die Industrie fürchtet, dass die E-Zigarette ihr „Kodak-Moment“ sein könnte – und sie ähnlich wie der Hersteller analoger Filme den Sprung in ein neues Zeitalter verpasst. Nun Produkte der Tabakindustrie zu empfehlen, stößt Aktivisten bitter auf, denn Big Tobacco hat kaum ein aufrichtiges Interesse daran, Raucher von ihrer Sucht zu befreien. In vielen Ländern geht der Konsum von Zigaretten zurück. Die Strategen der Industrie dürften versuchen, den Konsum auf anderem Wege zu stabilisieren.

In dieser verworrenen Gemengelage fehlen Forschern vor allem Daten über mögliche Risiken der E-Zigarette. „Das Nikotin gelangt beim Dampfen viel schneller in die Blutbahn. Das könnte ein Grund sein, warum Raucher so gern umsteigen“, sagt Compton. „Wir wissen noch nicht, wie sich diese schnellere Aufnahme auf den Körper auswirkt.“ Unklar ist auch, welche Chemikalien beim Verdampfen der Aromastoffe entstehen, die in vielen der „Liquids“ – den auswechselbaren nikotinhaltigen Flüssigkeitscontainern – enthalten sind.

„Die Konsumenten sind der Wissenschaft enteilt, wir müssen das aufholen“, fasst Compton die Situation zusammen. In den USA hat die mächtige „Food and Drug Administration“ (FDA) deshalb ein milliardenschweres Forschungsprogramm aufgelegt, um Langzeitfolgen des Dampfens zu untersuchen, und ebenso mögliche Auswirkungen auf „Passivdampfer“. Mit Ergebnissen rechnen die Forscher in ein bis zwei Jahren. In Europa gibt es bislang nichts Vergleichbares. 

Wenn der Sensenmann kommt

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Berlin – Bewaffnete Drohnen sind in Deutschland ein Reizthema. Die Bundeswehr hätte sie gern, während große Teile der Öffentlichkeit die unbemannten Flieger äußerst kritisch sehen. An diesem Montag sollen im Verteidigungsausschuss des Bundestages Befürworter und Gegner ihre Argumente in einer öffentlichen Anhörung vortragen. Einige Antworten vorab:



Unbemannte, aber bewaffnete Flieger sind ein heikles Thema.

Warum die Anhörung?

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) weiß genau, wie heikel das Thema ist. Ihr Vorgänger und Parteifreund Thomas de Maizière hatte es während seiner Amtszeit zunächst offensiv angesprochen und eine Entscheidung über die Anschaffung von Kampfdrohnen noch vor der Bundestagswahl 2013 angekündigt – war aber von seinen Parteifreunden ausgebremst worden: Sie wollten das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten. Von der Leyen hat eine eigene Festlegung bisher vermieden. Stattdessen, so erklärte sie diese Zurückhaltung, solle es zunächst eine breitere Debatte geben (die in Wahrheit seit einiger Zeit geführt wird), außerdem sollten sich die zuständigen Parlamentarier positionieren. Nach der Anhörung will die Ministerin dann Stellung beziehen.

Um welche Drohnen geht es?

Es geht um Fluggeräte der sogenannten Male-Klasse. Das steht für „Medium altitude, long endurance“, – also Drohnen mittlerer Flughöhe mit langer Durchhaltefähigkeit. Zu dieser Klasse gehört auch das Modell Heron, das die Bundeswehr derzeit unbewaffnet zur Aufklärung in Afghanistan einsetzt. Der Leasing-Vertrag für diese Geräte läuft allerdings aus, die Frage ist, was danach kommt. Der Euro Hawk hingegen, über dessen Scheitern im vergangenen Jahr beinahe der damalige Verteidigungsminister de Maizière zu Fall gekommen wäre, gehört zur sogenannten Hale-Klasse: „High altitude, long endurance“. Diese Drohnen fliegen höher als Male-Drohnen. Zudem handelt es sich beim Euro Hawk um eine reine Aufklärungsdrohne.
Werden die Drohnen bewaffnet sein?

Als gesichert darf gelten, dass die Bundeswehr künftig eigene Male-Drohnen zur Verfügung haben wird, von der Leyen hat sich kürzlich im Haushaltsausschuss entsprechend geäußert. Außerdem ist bereits klar, dass diese Flieger bewaffnungsfähig sein werden – das liegt schon daran, dass die zwei Modelle, die in der engeren Auswahl sind, beide bewaffnungsfähig sind: der US-amerikanische Predator B, auch unter der Bezeichnung Reaper bekannt, dem englischen Begriff für „Sensenmann“ – und die israelische Drohne Heron TP, das Nachfolgemodell der in Afghanistan genutzten Heron. Vonseiten des Ministeriums ist ohnehin „konzeptionell eine Bewaffnungsfähigkeit gefordert“, wie es dieser Tage in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken hieß. Die Opposition aus Linken und Grünen bezeichnet die Anhörung deshalb als Farce: Alles stehe bereits fest. Allerdings ist mit der Festlegung auf eine Bewaffnungsfähigkeit noch nicht gesagt, dass die Geräte tatsächlich mit Waffen ausgerüstet werden. Das könnte nachträglich geschehen. Die Frage der Bewaffnung wird von der Leyen beantworten müssen.

Wann sollen die Drohnen da sein?

Hier muss man unterscheiden: Angestrebt ist, möglichst gemeinsam mit europäischen Partnern eine eigene Drohne zu entwickeln – das steht bereits im Koalitionsvertrag. Da solche Entwicklungen aber nicht nur Jahre, sondern zumeist Jahrzehnte brauchen, wird zusätzlich eine sogenannte Überbrückungslösung angestrebt, also der Kauf entweder von Reaper-Drohnen oder Heron TP-Modellen. Das dürfte in den nächsten Jahren geschehen.

Droht das nächste Drohnen-Debakel?

Der Euro Hawk scheiterte an der Problematik der Zulassung, und tatsächlich stünden ähnliche Fragen bei Male-Drohnen an: Wo und wie könnte die Bundeswehr mit ihnen im Inland eigentlich üben? Allerdings sollte man im Verteidigungsministerium aus der Pleite gelernt haben. Zudem will von der Leyen den Rüstungssektor neu organisieren. Am Samstag bestätigte das Ministerium einen SZ-Bericht, wonach nun zunächst mehr als 30 externe Berater eines Konsortiums aus der Unternehmensberatung KPMG, der Beratungsfirma P3 Ingenieurgesellschaft und der Kanzlei Taylor Wessing neun zentrale Rüstungsprojekte durchleuchten.

Von schlechten Eltern

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Pasadena, eine bürgerliche Vorstadt von Los Angeles. Bassam „Barry“ Al- Fayeed (Adam Rayner), ein freundlicher Kinderarzt, bereitet sich auf einen unüblichen Familienausflug vor. Der Sohn seines Bruders Jamal (Ashraf Barhom) heiratet – im Phantasieland Abbudin im Mittleren Osten. Der Job von Jamal und Barrys Vater (Nasser Faris): Diktator. Barry wird das später so formulieren: „Meine Familie war im Unterdrückergeschäft.“

In Pasadena wird darüber kein Wort verloren. Barrys Frau Molly (Jennifer Finnigan) weiß nur Vages über den Mann, mit dem sie seit 19 Jahren verheiratet ist. „Euer Großvater ist eine Art König“, erklärt sie den Kindern im Flugzeug, das Bruder Jamal ausschließlich für die Familie aus Los Angeles gemietet hat. Als amerikanische Ehefrau sieht Molly in dem Ausflug das Gute: Nach der ganzen Zeit soll sich Barry mal so richtig mit seinem Vater ausquatschen. Was sie noch nicht weiß: Der Vater hat ihm als Neunjährigem beigebracht, wie man Männer abknallt, die der Herrscherfamilie ans Leder wollen.



Nach dem Riesenerfolg von "Homeland" – hier eine Szene aus der allerersten Episode – gehen die gleichen Macher nun mit "Tyrant" an den Start.

Auftritt Jamal. Der durchgeknallte Bruder fährt im roten Lamborghini vor, Led Zeppelin brüllt aus den Boxen, vorher sehen wir ihn beim Hass-Sex mit seiner Frau. Wir lernen: Jamal ist der lunatic in der Familie. Der Irre, der im Land geblieben ist, während Barry sich rausnahm, den amerikanischen Traum zu leben. Barrys Vergangenheit holt ihn nun ein. Molly, die gesprächsbereite Amerikanerin, wird seine Kommunikationsstörung, Gewaltbereitschaft und „Zugeknöpftheit“ nicht mehr verstehen. Aha, so ist er also, der Mann aus dem Mittleren Osten. Auch das lernen wir.

Soll Tyrant, die neue Serie, von FX als Hit fest eingeplant, sich tatsächlich um Männerprobleme drehen? Am Morgen nach dem Piloten am letzen Dienstag fühlten sich einige TV-Blogs an eine gutgemachte Soap mit vielen Explosionen, Jungfrauen-Sex, Prostituierten-Sex, Erschießungen und schnellen Autos erinnert – Denver Clan während des arabischen Frühlings. In der Tat gibt es seifige Momente, etwa wenn Barry mit seinem alten, schwachen Vater spazieren geht und dieser leise jammert, dass er sehr alleine sei, „jetzt wo Saddam und Gaddafi nicht mehr sind“.

Tyrant ist nach Homeland der nächste Versuch, Amerika versus den Mittleren Osten zu erklären: individuelle Entfaltung gegen familiäre Verantwortung. Und natürlich haben die amtierenden Experten diese Aufgabe übernommen. Die Homeland-Macher Howard Gordon (auch 24) und Gideon Raff sind zwei der Executive Producers. Ang Lee (Life of Pi) sollte Regie führen, sagte aber wegen „Müdigkeit und Burnout“ ab. HBO kämpfte um die Serie, verlor jedoch; Showtime winkte ab. FX landete den Coup, weil der Sender die größtmögliche künstlerische Freiheit anbot. Harry Potter-Regisseur David Yates übernahm die Inszenierung des Piloten.

Nach den Vorwürfen, mit Homeland künstlich Angst zu schüren, hatte Howard Gordon sich vorsorglich schon vor Drehbeginn mit Mitgliedern von Muslims on Screen and Television (MOST) beraten, einer Organisation, die Serienschreiber konsultieren können, wenn sie Klischees und falsche Mittlerer-Osten-Phantasien vermeiden wollen. Die kleine MOST-Konferenz bestand aus zwei Ägyptern, einem Syrer und einem Iraker.

Der syrische Teilnehmer befand Tyrant für sehr gut, vor allem die Darstellung des Diktators sei „für Hollywood-Verhältnisse sehr differenziert“. Tyrant ist jedoch nicht angetreten, um ein möglichst detailgetreues Diktatoren-Porträt zu zeichnen oder direkte Parallelen zwischen Syriens Baschar al-Assad und Barry herzustellen: dem Zurückgekehrten aus der westlichen Welt, der in der alten Heimat zu ungeahnter Gewaltbereitschaft tendiert.

Tyrant gibt sich psychologisch statt politisch. Diesmal aber spielt sich das Drama nicht im Kopf einer bipolaren Blondine ab wie in Homeland, sondern in einer durchschnittlichen Vorstadtfamilie und in der Männerpsyche eines Kinderarztes, der seinen inneren Godfather-Konflikt austragen muss, eine der Urängste aller Einwanderer in die USA: Du kannst dein Land verlassen, aber das Land nicht dich. Ist es das, was Gordon meint, wenn er sagt, er hätte die Serie gern „emotional korrekt“?

Mit anderen Worten: Vito Corleone konnte zwar wie ein Kennedy feiern, aber dann, im entscheidenden Moment, bricht der sizilianische Pate in ihm durch. So ergeht es auch dem netten Barry in Tyrant. Er kann noch so viele süße, bürgerliche Kinder in Pasadena behandeln, am Ende bleibt er der Diktatorensohn.

Merkwürdig: 20 Jahre schon ist er in Amerika, aus Bassam wurde Barry, und doch hält man es nach der Pilotfolge für denkbar, dass Barry sich auch in einen Irren verwandelt wie sein Bruder.

Der Konflikt betrifft natürlich auch Barrys Familie, etwa Tochter Emma (Anne Winters) , über die es auf dem Tyrant-Twitteraccount heißt: „Ein normales Teenager-Girl in einer gefährlichen Welt aus Wohlstand und Macht. Kann es sich selbst beschützen?“

Tyrant wird uns in zunächst zehn Episoden die Antwort geben, aber nach den Andeutungen im Piloten wird Emma es nicht schaffen und durch den Kontakt zur reichen Familie ihres Vaters ein durchtriebenes Luxus-Biest werden, sobald es in Kontakt mit Vaters alter, reicher Familie kommt. Die Vorlage für diese Existenz hat Emma jedoch schon in ihrem Heimatland gelernt und ist mit der Erziehung als american girl gut gerüstet, wenn es um die Beschäftigung mit Luxus und Macht geht. Um Emma müssen wir uns also weniger Sorgen machen als um ihren Vater.

Bitte nur kuscheln

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Wenn Irina einen Jungen küsst, denkt sie an Toilettenpapier, Milch und Zahnpasta. "Küsse fühlen sich für mich einfach nicht natürlich an", sagt die 19-jährige Abiturientin. Sie langweilt sich dabei – und geht im Kopf schon mal ihre Einkaufsliste durch.

  Irina* ist ein hübsches Mädchen mit langen blonden Haaren, das gerne reitet, Filme guckt und nachts mit Freunden um die Häuser zieht. Aber es gibt da etwas, das sie grundlegend von den meisten Gleichaltrigen unterscheidet: Irina hatte noch nie Sex. Und will, dass das so bleibt. Nicht wegen ihres Glaubens oder anderer Überzeugungen, sie verspürt einfach keine Lust. Bei der Vorstellung, mit jemandem zu schlafen, bekommt sie ein unangenehmes Gefühl. "Nicht direkt Ekel. Eher wie bei einem Zahnarztbesuch", sagt Irina mit leichtem österreichischem Dialekt.

  Irina wirkt nervös. Sie rutscht auf dem Stuhl am Kaffeehaustisch hin und her, zupft an den Ärmeln ihres engen schwarzen Tops. Sie redet nicht oft über das, was sie jetzt erzählen wird. Vor allem nicht mit Fremden.





  Irina ist asexuell. Das heißt, dass sie sich von anderen Menschen nicht sexuell angezogen fühlt, weder von Frauen noch von Männern. In einer Gesellschaft, in der Nacktheit und Sex einem aus fast jedem Musikvideo und Bushaltestellenplakat entgegenspringen, in der Pornos nur einen Wisch auf dem Smartphone entfernt sind, ist das nicht leicht. Schon gar nicht, wenn man jung ist und sich sowieso bei allem, was mit Sex zu tun hat, fragt, wie das geht, und wo die Grenze zwischen "normal" und "nicht normal" verläuft.

  Die Zweifel kommen in der Pubertät. Natürlich. Als ihre Freundinnen ständig über süße Jungs reden, kann sie deren Begeisterung einfach nicht teilen. Das verwirrt und beunruhigt sie. "Mir ging es lange Zeit sehr schlecht, weil ich nicht wusste, was mit mir los ist. Ich dachte zuerst, dass ich lesbisch sei, aber dann merkte ich, dass mich auch Mädchen nicht auf diese Art interessierten." Als viele ihrer Freundinnen beginnen, mit Jungs auszugehen, denkt Irina, sie sollte das besser auch tun. Sie will ja nicht auffallen. Sie will sich beweisen, dass sie wie alle anderen ist. Mit 16 lernt Irina Daniel kennen. Sie werden ein Paar. Miteinander schlafen tun sie nicht. Daniel will, Irina aber nicht. Für sie wird es schon beim Küssen komisch: "Ich habe daran gedacht, dass die Bakterien meines Freundes drei Monate in meinem Mund bleiben", sagt Irina lachend.

  Daniel fragt Irina immer wieder, ob sie mit ihm schlafen will. Sie verbringt gerne Zeit mit ihm, genießt die Nähe und kuschelt auch gerne. Nur erregt ist sie dabei nie. Sie beginnt ihm auszuweichen, verbringt ganze Zugfahrten mit der Suche nach Ausreden, mit denen sie ihn noch länger hinhalten kann: Sie sei noch nicht bereit für Sex. Sie habe zu viel Stress in der Schule. Sie fühle sich nicht wohl in ihrem Körper. Sie fühle sich nicht schön. Daniel akzeptiert das. Er will auf sie warten, beginnt aber mit der Zeit selbst, an sich zu zweifeln und sich zu fragen, ob er gut genug für sie sei und sie ihn wirklich liebe. In den zwei Jahren mit Daniel denkt Irina, sie sei wirklich verliebt. Mittlerweile weiß sie, dass sie sich das eingebildet hat. Um dazuzugehören, um nicht anders zu sein als ihre Freundinnen. Sie hatte zu Daniel eine "enge psychische Bindung", wie sie sagt. "Aber nicht mehr und nicht weniger. Und die habe ich auch zu meinen anderen Freunden."

Asexuell sein bedeutet auch: Die Erwartungen der Familie enttäuschen.



  Nach zwei Jahren Beziehung macht sie Schluss. Ihre Freunde trösten sie mit Sprüchen: "Du findest schon den Richtigen." – "Lass dir Zeit." Sätze, die sich Irina selbst lange einzureden versucht hat. Heute ist sie überzeugt, dass sich an ihren Gefühlen nichts ändern wird. Dass es weder an Daniel noch an anderen Jungs liegt und sie auch keine Nachzüglerin ist. "Ich war schon damals erwachsener als die meisten Gleichaltrigen", sagt Irina.

  Sie will endlich wissen, was mit ihr los ist und recherchiert im Internet. Als sie auf Wikipedia den Eintrag über Asexualität liest, ergibt plötzlich alles Sinn. Endlich hat sie Erklärungen für ihre Freunde, die sie für schüchtern halten und sie verkuppeln wollen. Es tue ihr leid, dass sie sich das nicht früher eingestanden und so auch Daniel verletzt habe, sagt sie und schaut dabei auf den Boden.

  Irina findet AVEN – ein Online-Forum, das mittlerweile die wichtigste Plattform für Asexuelle in Deutschland ist. AVEN steht für "Asexual Visibility and Education Network" und ist einer der wenigen Orte im Internet, wo man mehr über das Thema erfahren und sich mit anderen Asexuellen austauschen kann. Irina lernt dort Leute kennen, denen es ähnlich geht. Asexuell ist nicht gleich asexuell, es gibt durchaus Unterschiede. Der Frankfurter Sexualforscher und Arzt Volkmar Sigusch erklärt: "Im allerengsten Sinn bedeutet asexuell zu sein, dass Menschen am eigenen Körper keine sexuellen Reaktionen erleben, etwa beim Mann eine Erektion." Es gibt aber auch Asexuelle mit vermindertem Trieb, die ihre Lust nur allein ausleben, indem sie sich selbst befriedigen. Manche Asexuelle führen auch ganz normale Beziehungen, nur eben ohne Sex. Andere – wie etwa Irina – können sich nicht verlieben und empfinden keine romantischen Gefühle für andere.
 
 Das Wissen, dass sie nicht die Einzige ist, tut Irina damals gut. Die Gespräche mit anderen Asexuellen motivieren sie, mit ihrer Familie darüber zu reden: "Sie wissen mittlerweile, dass ich ziemlich sicher nicht heiraten und Kinder haben werde. Sie werden sich damit abfinden müssen." Wie sie diese Worte wählt, zeigt: Asexualität bedeutet nicht nur, keinen Sex zu haben. Keinen Sex zu haben, heißt auch, dass man wahrscheinlich keine Familie gründen wird. Dass man Erwartungen nicht erfüllt. Eltern enttäuscht. Irina kommt aus einem kleinen österreichischen Dorf, sie ist mit Haus, Hund und Geschwistern aufgewachsen. Irinas Eltern hätten zwar akzeptiert, dass sie sich ihre Zukunft anders vorstellt, erzählt sie. Manchmal wirke es aber, als hofften sie insgeheim, ihre Asexualität sei nur eine Phase.

  Irina redet nicht mit jedem über das Thema, auch in diesem Text möchte sie lieber unerkannt bleiben: "Ich will nicht als krank abgestempelt werden. Die wenigsten wissen ja, dass Asexualität keine Einstellung ist", sagt Irina. "Entweder man ist es, oder man ist es nicht."
 
 Geforscht wird zum Thema kaum. Laut einer kanadischen Studie definiert sich circa ein Prozent der Weltbevölkerung als asexuell, in Deutschland gibt es keine offiziellen Statistiken. Viele denken, Asexualität sei eine Krankheit. Manche Psychotherapeuten und Ärzte versuchen, Asexuelle zu therapieren. Kein Sex haben, das ist offenbar schwer vorstellbar in einer sexuell liberalisierten Gesellschaft, in der viele Tabus längst gefallen sind. Bondage, SM, Fetische – alles weitgehend akzeptiert, soll doch jeder im Bett machen, was er will. Nur gar nichts machen, das geht offenbar nicht. Irina wird das immer dann bewusst, wenn Leute ihre Asexualität einfach nicht akzeptieren. Wenn sie fragen, wie sie wissen könne, dass sie Sex nicht mag, ohne es versucht zu haben. "Probier’s doch mal", sagen sie, weil sie nicht begreifen können, wie man das nicht wollen kann. Schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Menschen haben lange für Gleichstellung gekämpft und viel erreicht. Asexuelle müssen ihre Umgebung erst noch davon überzeugen, dass sie überhaupt existieren.
 
 Dr. Volkmar Sigusch kritisiert die Pathologisierung der Asexualität. Dass sich immer mehr Menschen zu ihrer Asexualität bekennen, hält er aber auch für eine gesellschaftliche Entwicklung: "Das Sexuelle hat heute für viele Menschen den großen Reiz verloren, der früher durch striktere Verbote gesteigert wurde", sagt Sigusch. Er sehe das langsam steigende öffentliche Bekenntnis zur Asexualität als einen Fortschritt unserer Sexualkultur: "Die Asexuellen zeigen uns, dass das sexuelle Zeitalter nichts Ewiges und Gottgewolltes ist und sich möglicherweise bereits seinem Ende zuneigt."

  In ihrem Freundeskreis ist ihre Asexualität nur noch selten ein Thema. Zum Beispiel wenn beim Ausgehen ein Typ Irina antanzt, ohne zu ahnen, dass er keine Chance hat. Dann brechen ihre Freunde schon mal in Gelächter aus. Oder wenn sie bei einer Sexszene die Begeisterung ihrer Freunde albern findet. Wohlgemerkt albern, nicht etwa störend. "Ich bin asexuell, nicht prüde", betont sie.

  Wenn sie sich entscheiden könnte, würde sie sich immer für die Asexualität entscheiden. "Mir fehlt ja nichts in meinem Leben."

*Alle Namen von der Redaktion geändert.

Kosmoshörer (Folge 21)

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Montag
In dem Altenheim, in dem ich arbeite, war heute Sommerfest. Für die Musik war ein Live-Musiker zuständig, der Schlager aus den letzten 40 Jahren spielte. Bei solchen Veranstaltungen wird immer wieder Musik à la Captain Cook und seinen singenden Saxophonen vorgetragen - und gerade das bleibt mir auch immer im Gehörgang. Da hilft auch keine Dauerbeschallung von anderer Musik, die ich mehr bevorzuge... Ohrwurm bleibt Ohrwurm.
http://www.youtube.com/watch?v=OeI3AKH66F4

Dienstag
Heute Abend ging's nach einem laaaangen Tag relativ spontan auf ein Konzert von Caspian. Ich bin schon lange ein kleiner Fan dieser Band und so war es längst überfällig, sie mal live zu erleben. Empfohlen hat sie mir vor Jahren ein jetzt.de-Freund, zu dem ich mittlerweile keinen Kontakt mehr habe. Falls du das hier liest: Vielen Dank :) Die Vorband (Lehnen aus Österreich) fand ich auch nicht unbedingt übel. Da ich Caspian so gut fand, musste ich der Merchandise-Tante gleich noch während des Konzertes einen Besuch abstatten und habe folgendes ergattert:




http://www.youtube.com/watch?v=zM5agHmBTTc

Mittwoch
Mein Freund holt mich von der Arbeit ab und wir suchen überall nach einem Geburtstagsgeschenk für seinen kleinen Bruder. Leider werden wir nicht so recht fündig und so einigen wir uns darauf, ihm einfach einen Zuschuss für seinen Führerschein in einen schönen Umschlag zu stecken. Auf dem Nachhauseweg machen wir noch einen Abstecher bei meinem Lieblingsmetzger (haha, Wortwitz...) und holen uns leckeres Neuland-Hack. Zuhause kochen wir gemeinsam und hören fm4, es läuft Junip. Ich könnte mir nichts Passenderes an einem so regnerischen Tag wie heute vorstellen. 
http://youtu.be/RON64QRzo8E


Später kommt Morrissey, und irgendwie bedauere ich es, nichts von den Smiths und/oder Morrissey zu besitzen, denn seine Stimme mag ich schon sehr gern.
http://www.youtube.com/watch?v=yRYpd3_roHg

Zugleich muss ich dann auch an Farin Urlaub denken:
http://www.youtube.com/watch?v=yeqU9ueGQu0

Donnerstag
Heute hab ich sturmfrei. Da Deutschland gegen die USA spielt, haben mein Freund und unser Mitbewohner beschlossen, dieses Spiel außerhalb unserer Wohnung zu gucken. Ich wiederum habe mich entschlossen, zuhause zu bleiben, da ich gerne allein bin. Ich packe meine neueste musikalische Errungenschaft aus und bin verzückt: rotes Vinyl! Den Soundtrack von „only lovers left alive“ habe ich mir vor ein paar Wochen gekauft, auch den Film (gesehen mit meiner kleinen Schwester und josephinekilgannon) mochte ich. Auf dem Sofa hörend dämmere ich dann so vor mich hin... Kurz vor dem Einkauf dieser Platte habe ich mir schon einen anderen tollen Soundtrack gekauft, und zwar den von „Inside Llewyn Davis“.
http://www.youtube.com/watch?v=TYX04yodiEs

http://www.youtube.com/watch?v=T9yPd5nQJNc

Freitag
Wieder eine Veranstaltung im Altenheim, diesmal ein Tanztee. Zu beginn meiner Tätigkeit dort habe ich mich stets gesträubt, auf solchen Festivitäten zu tanzen... jedoch bin ich im Laufe der Zeit schnell über meinen Schatten gesprungen und habe dann doch mit den Bewohnern getanzt, bzw. habe keine Ausrede mehr erfunden, wenn mich ein älterer Herr zum Tanze auffordert. Man kann ihnen einfach eine so große Freude damit bereiten! Heute tanze ich mit einer 91-jährigen Dame, die mir geduldig Schrittfolgen der verschiedenen Tänze erklärt. 

Und immer wieder stelle ich mir die Frage, welche Musik gespielt werden wird, wenn ich mal in dem Alter bin und auch im Altersheim landen sollte. Ich habe keine Lust, mit Lady Gaga, DJ Guetta und Konsorten meinen Lebensabend zu verbringen. Da hätte ich bei meinem persönlichen Tanztee doch lieber meinen Ohrwurm von heute morgen:
http://www.youtube.com/watch?v=k8jqUHYiSl0

Samstag
Da der Bruder meines Freundes (wie bereits am Mittwoch geschrieben) Geburtstag hatte, fuhren wir heute zu seiner Familie in die sonnige Oberlausitz. Später am Abend ziehen wir uns vollgefressen in unser Übernachtungsquartier zurück. Wir schlafen in dem alten Kinderzimmer der Schwester meines Freundes. Mir sticht ein CD-Stapel ins Auge. Zwischen Future Trance und ChartXPress entdecke ich Bravo Hits 27. Plötzlich fühle ich mich sehr alt. Wer außer mir erinnert sich noch an Rollergirl? An Christian Wunderlich? An Mark ´oh oder Lene Marlin? Ich werde wehmütig aber mich tröstet der Gedanke, dass viele andere Künstler immer noch aktiv sind. Leider funktioniert der hier herum stehende CD-Player nicht mehr, dabei hätte ich zumindest ein Lied, ein großartiges Cover, wie ich finde, gehört. Das hole ich jetzt hiermit nach:
http://www.youtube.com/watch?v=EBjuoMy9FUU

Sonntag
Gegen Mittag kehren wir in die große Stadt zurück, der Nachmittag zieht an uns vorüber. Abends stehe ich in der Küche und höre beim Kochen fm4. Während ich Spätzle zubereite, läuft auf fm4 ZIMMERSERVICE, d.h. die Hörer können sich wünschen was gespielt werden soll. Zum ersten mal höre ich von Nino aus Wien, mir gefällt wie und worüber er singt. Es passt zum Sonntagabend. Zudem liebe ich Wiener Dialekt, ich denke, das ist zumindest einer der Gründe, warum ich fm4 höre.
http://www.youtube.com/watch?v=tLaX3IOw13A

Auf der nächsten Seite: der ausgefüllte Musik-Fragebogen von felina

[seitenumbruch]Gute Musik - was ist das für dich? 
Da mir selbst dazu die Worte fehlen, würde ich gern ein pathetisches Zitat von Pohlmann anbringen:

„Es war Musik die mir half mich
Aus dem Gefängnis der Gedanken zu befreien
Es war Musik die mir ein tiefes Verständnis
Davon gab ich selbst zu sein 
(…)
Musik macht, dass es doppelt so weh tut
Musik macht, dass es nicht mehr so schmerzt“

All das macht gute Musik für mich aus.

Wie hörst du Musik: Klassisch im CD-Spieler, auf dem Handy, über Streaming-Portale? 
Meistens höre ich Musik auf meinem mp3-Player, ich habe meine Musik einfach gerne immer und überall mit dabei. Gerne aber auch über den Compact 1100 meines Freundes – den Klang über diese Anlage finde ich einfach am besten. Was jedoch dagegen spricht, ist die Tatsache, dass ich auch gerne über meinen Laptop Musik höre – gerne bei Youtube die erstellten Playlists, da ich hier am schnellsten aussuchen und somit hören kann, was ich möchte. Beim Kochen oder morgens im Bad wiederum höre ich gerne Radio.

Wo hörst du Musik? Vor allem unterwegs, nur daheim, zum Einschlafen? 
Überall. Nach dem Aufstehen im Bad, dann in der Küche. Später auf dem Weg zur Arbeit. Nach der Arbeit zurück auf dem Weg nach Hause. Dort dann gerne bei Hausarbeiten auch über meinen Laptop. Über die Anlage höre ich dann aber auch gerne Musik.

Hast du eine Lieblingsband oder Musiker, von denen du alles hörst? 
Mittlerweile nicht mehr, vor 10 Jahren jedoch war ich ein riesiger Red Hot Chili Peppers-Fan und ich besitze immer noch alle Alben von ihnen – auch das letzte mit dem neuen Gitarristen, wobei ich mich wegen ihm nicht mehr entscheiden kann, ob ich die Band immer noch gerne höre oder nicht... Als ich 16 war, war John Frusciante die Liebe meines Lebens, natürlich habe ich ihm damals ewige Treue und Loyalität geschworen.

Welche Musik magst du gar nicht und warum? 
Was ich gar nicht mag, ist der ganze sexistische Kackscheiß à la Robin Thicke. Wie kann den Musik mit seinen Texten erfolgreich sein? Ich versteh die Welt nicht. Dazu kommt dann noch das ganze Eurodancezeug, was in den Charts hoch und runter läuft und alles andere gleichförmige, was in den gewöhnlichen Radiosendern gedudelt wird – das klingt doch alles gleich, fällt das keinem auf?

Was war deine erste eigene Platte - und wohin ging dein Musikgeschmack von da aus? 
Also meine erste eigene CD (!) waren die Megahits of Disney. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich damals war, vielleicht 8 oder 9? Ich liebte sie über alles, konnte jedes Lied mitsingen. Mittlerweile habe ich nur noch die Hülle, die CD selbst ist mir verloren gegangen. Wenige Zeit später fand ich die Kelly Family toll. Abgelöst wurden sie von den Spice Girls, mein Liebling war Mel C, dazu beigetragen hat damals bestimmt, dass sie am gleichen Tag Geburtstag hat wie ich. Dann kam irgendwie ein Bruch und ich fand Liquido und Limp Bizkit toll. Während einer Englischstunde in der 7. oder 8. Klasse mussten wir den Text „Wish You Were Here“ von Pink Floyd korrigieren, damit wurde meine Liebe für Rockmusik der 60er/70er geweckt. Ab da an gab's für mich kein Halten mehr und ich habe die alten Platten meiner Eltern rauf und runter gehört. Die Liebe sowohl für Pink Floyd, Black Sabbath, Led Zeppelin, den Doors, Jimi Hendrix, etc. als auch für Vinyl ist mir immer noch erhalten geblieben. Meine erste LP war dann „Pink Moon“ von Nick Drake. Auch jetzt höre ich am liebsten Rockbands, die sich an ihren Vorreitern orientieren. Neu dazu kam aber im Laufe der Zeit auch ein wenig elektronische Musik (da war Moby der Wegbereiter), als auch schwermütige, melancholische, dramatische klassische Musik. Gerne höre ich auch deutsche Singer-/Songwritersachen, z.b. Gisbert zu Knyphausen. 

Gehst du gern auf Konzerte, und auf welche zuletzt? 
Ohja! Regelmäßig und gern, in den letzten Wochen war ich bei Black Sabbath (zusammen mit meinem Papa, als kleines Dankeschön für die musikalische Wegbereitung), Rodrigo y Gabriela (einfach großartig!), the Notwist, die Nine Inch Nails (standen beide schon lange auf meiner Liste) und Band of Skulls (absolut empfehlenswert!).


Wie entdeckst du neue Musik und was ist deine neueste Entdeckung? 
Meine kleine Schwester schreibt häufig Rezensionen über neue Platten und/oder Konzerte und empfiehlt mir daher regelmäßig neue Künstler. Ich höre aber auch gerne alternative Radiosender wie fm4, radio 1 oder fluxfm, die mir diesbezüglich häufig unter die Arme greifen. Hilfreich ist auch die Tatsache, dass mein Freund und ich einen kompatiblen Musikgeschmack haben. Ein großer Pluspunkt in unserer Beziehung ;)
Meine neueste Entdeckung ist das aktuelle Ty Segall Album und die Band Bass Drum of Death 
http://www.youtube.com/watch?v=i_NFaM_HzAo


Verrate uns einen guten Song zum...  Aufwachen:
http://www.youtube.com/watch?v=JMbuJXQCIvo


Tanzen:   
http://www.youtube.com/watch?v=FYH8DsU2WCk

Traurig sein:  
http://www.youtube.com/watch?v=g8Yoz9Nh21k

Sport treiben: 
http://www.youtube.com/watch?v=QW-ZIUNAH7U

Alle Kosmoshörer findet ihr wie immer gesammelt hier:
Kosmoshörer

Möchtest du  auch Kosmoshörer werden und deine Musik-Gewohnheiten dokumentieren? Dann schreib eine jetzt-Botschaft an teresa-fries oder eine Mail an teresa.fries@sueddeutsche.de





Fünf Filme der Woche

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Schwarz-rot-blöd
Klingt komisch, ist aber so: Die WM ist für echte Fußball-Fans eine schwere Zeit. Es ist die Zeit des kollektiven Rauschs. Eventfans laufen durch die Straßen, singen „Humba täterääää“ und halten sich zur Nationalhymne die rechte Hand aufs Herz. Biergärten mutieren zur Schland-Hölle, schwarz-rot-geile Besoffenheit flirrt über die Fanfeste – egal, wie der Spielstand lautet. Den echten Fans bleibt nur ein Ausweg: Private Viewing im eigenen Wohnzimmer. 

http://www.youtube.com/watch?v=vQBF2qsG_Z8


Immer mitten in die Fresse rein
Der Hype war groß, die Ernüchterung auch: Vor gerade mal drei Monaten flatterte das „First Kirst“-Video, in dem sich vermeintlich Fremde die Zunge in den Hals steckten, durchs weltweite Internet – war aber nur gefaket. Nun hat es in „The Slap“ seinen ebenso viralen wie romantischen Nachfolger gefunden. Vermeintlich Fremde werden gebeten, sich gegenseitig ordentlich eine zu schallern. Das Ergebnis: recht amüsant – für Beteiligte ebenso wie für Unbeteiligte. Ein Fake? Na gut. Wer es noch härter braucht: bitte sehr

http://www.youtube.com/watch?v=ninOz5ValUM


Lauf, Forrest, lauf!
Okay, ich gebe es zu: Ich habe diesen Film – wahrscheinlich als einziger Mensch dieser und aller anderen Zeitzonen – nicht gesehen. Umso gespannter habe ich indes den Trailer verfolgt – und zwar den „honest“, den ehrlichen Trailer. Seit Dienstag haben das neben mir knapp 1,7 Millionen anderer Menschen getan. So wie ich das verstanden habe, geht’s um Forrests Lebens- und Liebesgeschichte. Wer hätte das gedacht? 

http://www.youtube.com/watch?v=jvcex-loSJ4&index=59&list=PL0sHkSjKd2roowJbtmJJdBoCLq4eE6KMP


Wie ein Mädchen
Schon klar, das hier ist Werbung. Aber irgendwie doch Werbung mit vernünftiger Botschaft. „Wie ein Mädchen“ – diesen Ausdruck nutzen viele als Beleidigung. Und grätschen damit ins Selbstbewusstsein junger Frauen. Die Binden-Firma Always tritt nun an, die Redewendung „like a girl“ umzudeuten (und den eigenen Namen aufzupolieren). Natürlich werfen, schwimmen, laufen und treten junge Frauen „like a girl“ – aber warum sollten sie das Rennen deshalb nicht gewinnen? Auch der Hashtag #likeagirl läuft derzeit einigermaßen heiß. 

http://www.youtube.com/watch?v=XjJQBjWYDTs&list=PLrEnWoR732-BHrPp_Pm8_VleD68f9s14


Immer wenn es regnet...
Schon seit Stunden schlägt der Regen gegen die Scheiben des SZ-Gebäudes – ginge es nach Blumentopf, müsste ich deshalb den gesamten Tag über an Recife denken. Jenen Ort also, an dem die deutsche Nationalmannschaft am Donnerstag in einem Regenmatch 1:0 gegen die USA gewann. Ich jedoch – immer auf der Höhe der Zeit – bin mit den Gedanken natürlich längst in Porto Alegre. Jenem Ort, an dem die deutsche Nationalmannschaft heute Abend 2:0 gegen Algerien gewinnt. Und sei es nur deshalb, damit Blumentopf noch ein paar mehr Highlights in der ARD-Berichterstattung setzen dürfen. Gerne auch mit weiteren Freundeskreis-Reminiszenz. 

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=rMeP4Xs1siA

Seminar: Ein neuer Name für die FDP!

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Guten Morgen und willkommen zu unserer Vorlesung "Einführung ins Marketing".

Jetzt legen Sie mal alle Ihre iPads und Handys beiseite und hören zu. Denn heute wollen wir uns einem besonders spannenden Thema widmen: Dem Branding. Unter diesem Begriff versteht man das Management einer Marke. Kleines Beispiel: Wir alle kennen Tempo-Taschentücher. Der Markenname "Tempo" hat sich so sehr in unseren Sprachgebrauch eingebürgert, dass wir ihn sogar synonym für Taschentücher aller Marken verwenden. Das kann man also als sehr erfolgreichen Markennamen bezeichnen. Diese Produkte stehen für Qualität. Ähnliches haben auch "Uhu" oder "Tesa" geschafft.

Besonders wichtig ist es allerdings beim Markenmanagement, dass der "Markenkern", also das, wofür das Produkt steht, klar definiert ist. Würden wir unter dem Begriff "Tempo" nun zum Beispiel Kaugummis verkaufen, würde das den Kunden irritieren. Merke: Die Verschiebung eines Markenkerns darf nur ganz behutsam verfolgen.

Jetzt werden Sie sich allerdings fragen: Was, wenn meine Marke Ihren Markenkern nicht mehr erfüllen kann? Wenn "Juniortüte" nur noch nach Billig-Spielzeug und Matschburger klingt und "D2" nach bullettengroßen Prepaid-Handys? Exakt: Ich benenne es um! Mache aus der Juniortüte das "Happymeal", aus D2 "Vodafone" und manchmal sogar aus Raider "Twix". Rebranding nennt man das - manchmal bleibt das Produkt dabei das gleiche, nur der Name wird fancier. Manchmal ändert sich aber auch der Markenkern des Produktes.


Hausaufgabe: Einen neuen Namen für die FDP finden. Und eine neue Farbe vielleicht direkt mit.

Nun sind wir eine ganz Bachelor-untypische Vorlesung, weshalb Sie hier für den heutigen Nachmittag noch eine knifflige Hausaufgabe bekommen: Stellen Sie sich vor, eine ehemals große deutsche Partei namens "FDP" sagt nach katastrophalen Wahlergebnissen öffentlich, sie habe "keine Denkverbote" und denke deshalb über einen neuen Parteinamen nach. Der Markenkern war mal was mit "liberal" und "freiheitlich", manche behaupten auch was mit "Geld" und "mehr Eigenverantwortung" - welchen einen Markennamen würden Sie unter diesen Grundvoraussetzungen vorschlagen?

Und wenn wir schon dabei sind, die Gedanken kreisen zu lassen: "Bündnis 90 / Die Grünen" ist als Markenname schon sehr sperrig und auch "SPD" und "CDU" klingen eher nach Russisch Brot, als nach aufregenden Parteien. Also: her mit neuen Namen!

Tagesblog - 1. Juli 2014

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17:39 Uhr: Tag vorbei. Tschüß, ihr Schnuffis! Morgen umarmt euch hier Kathrin Hollmer.

++++

17:26 Uhr:
Aopropos Twitter: Man wies mich gerade darauf hin, dass Susan Boyle mal einen Hashtag zu ihrem Album-Release hatte, der ähnlich in die Hose ging wie Thickes Q&A-Versuch. Und zwar: #susanalbumparty Hihi. Hihihihihi.

Und damit wären wir wegen unseres pubertären Humors auch schon beim Thema des letzten jetzt.de-Textes für heute: eine funkelnagelneue Topsexliste, zusammengenähnt von Friederike von Helden und mit Bradley Cooper, guckt:


Hihi. Hihihihihi.

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16:30 Uhr:
Charlotte "The Haunboss" bzw. "The Charles" Haunhorst hat mich gerade auf das Twitter-Q&A mit Robin Thicke aufmerksam gemacht, mit dem der Musiker sein "Deine Texte sind sexistisch und du bist es auch, du Arsch"-Image aufpolieren wollte. Ging zwar nach hinten los, aber die Fragen, die ihm auf Twitter gestellt wurden, sind teils sehr lustig.
Die zum Beispiel:



Mehr davon gibt's drüben auf Jezebel.

++++

16:07 Uhr:
Wer erinnert sich noch an "She Moves" von "Alle Farben"? Gibt's jetzt als Unplugged-Version mit Video - und zwar als allerallererstes hier auf jetz.de. Whatswhua, Weltpremierensuperjetztde! Zum angucken und -hören hier entlang bitte. 


 Voll verträumt bei schönem Licht: Frans Zimmer aka Alle Farben (rechts) und Sänger Graham Cindy.

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15:01 Uhr:
Habe gerade ein bisschen in den Usertexten gestöbert und bin auf ein phänomenalwunderschönes Fotoalbum von jetzt-Userin woistderfuchs gestoßen, das ich sofort auf die Startseite gepackt habe. Den Koordinaten im Titel (31° 38′ N, 8° 0′ W) und der Motive nach zu urteilen scheint das...Algerien zu sein? Oder irre ich mich? 
Update: Man gab mir den Hinweis, dass es sich um Marrakesch handelt. Marokko also, nicht Algerien - mein inneres Koordinatensystem ist demnach nicht ganz verlässlich. Und ich will jetzt sofort hin.
[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/wo/woistderfuchs/text/regular/1020599.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/wo/woistderfuchs/text/regular/1020599.jpg"] Wow...
[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/wo/woistderfuchs/text/regular/1020622.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/wo/woistderfuchs/text/regular/1020622.jpg"]...und Miau.

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14:38 Uhr:
Im heutigen Ticker haben wir ja nach neuen Namen für die FDP gefragt. Das soll jetzt kein Vorwurf an euch sein, aber: Über die Facebook-Seite der SZ kamen eindeutig mehr Vorschläge rein als über die Ticker-Kommentare. Macht aber nix, weil wir euch natürlich trotzdem viel lieber haben, ihr seid nämlich nur halb so anstrengend. Ach was, nur ein Zehntel so viel!

Genug der Schleimerei, hier ein kleines Best-of der Namensvorschläge für die FDP auf Facebook:
Wili (Die Wirtschaftsliberalen)
OMOFNM (Och Menno, Opportunismus funktioniert nicht mehr)
Die Leichtmatrosen
Die Kapitalisten
Mondenkind 

Ein Mensch will übrigens einfach alle Parteien zu einer zusammenlegen, die heißt dann: Bunte deutsche Einheitspartei der Mitte. BDM.

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14:22 Uhr:
In dieser Woche wird im Bundestag über den Mindestlohn abgestimmt - noch steht nicht fest, in welchem Rahmen genau er auch für Praktikanten gelten wird, weil verschiedenste Ausnahmen im Gespräch sind. Auf unserem Tumblr "Was Praktikanten verdienen" haben wir in den vergangenen Wochen Praktikumserfahrungen gesammelt. 150 Zuschriften erreichten uns, die wir anonym veröffentlicht haben. Kathrin hat sie alle mit analytischem Blick gesichtet und sortiert - und für uns Bilanz gezogen, wie es aktuell in der Praktikantenwelt aussieht, was sich ändern und was bleiben muss und ob der Mindestlohn überhaupt die Lösung aller Probleme wäre. Unbedingt lesen!




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13:21 Uhr:
Kann heute keine Geschichten aus der Kantine erzählen, weil ich in der Mittagspause mein Fahrrad in die Werkstatt bringen musste. Darum hier drei Punkte zum heutigen Kantinenbesuch von...

...Charlotte:
- Nudeln mit Pfifferlingen
- dunkles Schokomousse mit karamellisierten Mandelsplittern
- sie trägt ein weißes T-Shirt und hat sich nicht bekleckert.

...Kathrin:
- Linsencurry (sehr gut)
- ganz viele Erdbeeren (auch sehr gut)
- auch ihr T-Shirt blieb sauber.

....Jan:
- Erdbeerstand
- Tommy Jaud
- Bastian Pastewka

12:07 Uhr:
Die Filmfestwoche hier in München hat begonnen und das erste Wochenende habe ich gleich verpasst, weil ich nicht in der Stadt war. Darum konnte ich auch die ersten beiden Folgen der Serie "Gomorra" über die itaienische Mafia (und natürlich nach der Idee von Roberto Saviano), die gestern dort liefen, nicht anschauen. Dabei will ich die Serie ganz dringend sehen! Den Trailer finde ich nämlich schonmal sehr spannend - und das, obwohl er keine Untertitel hat und ich kaum ein Wort verstehe. Ich bitte um Übersetzungshilfe von Usern, die Italienisch sprechen!
http://www.youtube.com/watch?v=FsMnW43n3AI

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11:39 Uhr:
Die Bar bei mir gegenüber hat mich gestern mit den Geräuschen, die aus ihr rauskamen, zwar über alle Torchancen und Tore der deutschen Nationalmannschaft informiert - über die anschließende Analyse allerdings nicht, die heute Morgen überall (und auch in unserer Konferenz) Thema war: Per Mertesacker schnauzte den Reporter an. Kann man sich natürlich auch nachträglich im Internet angucken. Uns stellte sich dazu die Frage: Für wen hat man mehr Verständnis? Ich bin ja Team Merte, wegen verschwitzt. Und ihr?
http://www.youtube.com/watch?v=imOcy4w30lg

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10:31 Uhr:
Konfrenz vorbei, Michels Abschiedskuchen ist nun endgültig leer und unsere Köpfe waren's heute auch. Gibt aber trotzdem schon was zu Lesen: Marlene hat für das "Lexikon des guten Lebens" aufgeschrieben, wie man sich am besten gegen Penisverlängerungs-bitteüberweisemir10000Euro-ihregefälschteTelekomRechnungs-Mails wehren kann.

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09:48 Uhr:
In der sueddeutsche.de-Konferenz ging es heute sehr lange um Fußball. Wen wundert's?

In der Welt passiert aber auch noch anderes, dazu hier ein kleines, durchaus unvollständiges Update:

- Die entführten israelischen Jugendlichen wurden tot aufgefunden. Dadurch spitzt sich die Lage im Land drastisch zu und Israels Armee fliegt Luftangriffe auf den Gazastreifen.

- In der Bayernkaserne in München wurden Flüchtlinge untergebracht - dort herrschen aber äußerst unwürdige und ungesunde Bedingungen. Bernd Kastner hat sich das mal genauer angesehen.

- Frankreichs Ex-Präsident ist in Polizeigewahrsam. Er soll einen Juristen bestochen haben, um an Informationen aus einem laufenden Verfahren zu kommen.

Und für alle, die schon wach genug für kreativen Output sind: Bitte hier entlang zum Ticker und mit Charlotte Haunhorst neue Namen für unsere alten Parteien sammeln.

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09:07 Uhr:
Guten Morgen liebes jetzt.de! Bevor es gleich losgeht, schicke ich euch mit einem Lied in den Dienstag. Ich war nämlich gestern in der altehrwürdigen Lach- und Schießgesellschaft, um zwei Texte vorzulesen. Auch da: der gute Christoph Theussl, seines Zeichens österreichischer Liedermacher und dadurch natürlich mit extrafröhlichen Liedern im Gepäck:
http://www.youtube.com/watch?v=6an4YoqKQvI

Am Abgrund

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Im November 2000 gewann George W. Bush die amerikanische Präsidentenwahl; vieles spricht dafür, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zuging. Sein Gegenkandidat, der bisherige Vizepräsident Al Gore, hatte eine halbe Million mehr Wählerstimmen gewonnen; die entscheidende Mehrheit der Wahlmännerstimmen wurde aber, aufgrund eines umstrittenen Gerichtsurteils, Bush zugesprochen.



Al Gore hat in einem großen Buch Gedanken zu großen Fragen und zur Zukunft der Menschheit aufgeschrieben.

So blieb Gore, der sich dann vor allem auf sein ökologisches Engagement konzentrierte, das Schicksal Barack Obamas erspart: als Politiker an den großen Versprechungen gemessen zu werden, die er als Kandidat formuliert hatte. Muss das so sein? Ist Amerika, ist die Welt so kompliziert und so sehr den Interessen des großen Geldes ausgeliefert, dass Reformer als Politiker in jedem Fall scheitern müssen? Mit seinem neuen Buch versucht Gore eine Antwort auf diese Frage zu geben.

Am Titel gibt es nichts zu deuteln. Al Gores neues großes Buch heißt „Die Zukunft“, und von der Zukunft der Menschheit handelt es. Wenn vor 100 Jahren ein Buch so hieß, signalisierte das Emphase, Fortschrittsglauben, soziale oder technische Himmelsstürmerei. Heute verweist so ein Titel auf das angstvolle Bewusstsein kommender Katastrophen.

Nun ist Weltangst ja eher eine europäische Grundkonstante. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn ein Amerikaner der Zukunft ins Auge blickt, wird sich die Angst schon in Grenzen halten. So erdrückend sich die Probleme auch ausnehmen: Am Ende krempelt der Amerikaner einfach die Ärmel auf: Yes, we can.
Dabei macht Gore es sich nicht einfach. Sorgfältig untersucht er die Entwicklungen, die unsere Fähigkeit beschädigen, die Zukunft für unsere Kinder und Kindeskinder zu gestalten. Deftiger gesagt: Der Autor beschreibt den Untergang der aufgeklärten westlichen Zivilisation.

Was tun? Na, was schon: Ärmel aufkrempeln. Auf Faktencheck und Analyse folgt nach vielen Seiten ein sehr kurzer Schlussausblick. Gibt es doch noch Hoffnung? Ja, sagt Gore. Und die Hoffnung heißt – richtig geraten – Amerika. Die USA seien „das einzige Land, das die notwendige weltweite Führungsrolle übernehmen kann“.

O je. Nähme man diesen Satz tatsächlich als Fazit, müsste man das Buch ohne Umschweife in die Tonne schmeißen. Nicht wegen Anti-Amerikanismus, sondern wegen Al Gore. Härter kann man die Hoffnung auf Amerikas Fähigkeit, die Zukunft zu meistern, kaum dementieren, als Gore das hier tut. Das dritte Buchkapitel, „Machtfragen“, kulminiert in einer Abrechnung mit dem politischen System der Vereinigten Staaten. „Integrität und Effizienz der amerikanischen Demokratie“, schreibt Gore, seien „nahezu vollständig zusammengebrochen“, die daraus resultierende „Unfähigkeit, schwierige politische Entscheidungen zu treffen“, blockiere zugleich „die Fähigkeit der ganzen Welt, den Weg in eine nachhaltige Zukunft zu finden.“

Gore, der sich „als Politiker in der Entwöhnungsphase“ bezeichnet, stützt seinen dramatischen Befund nicht nur auf eigene Erfahrungen, sondern auch auf seine Analyse dessen, was er „die historische Verschiebung der Grenzlinie“ zwischen den „kapitalistischen und demokratischen Sphären“ nennt. Dass sein Vertrauen auf Amerikas Kraft seinem Misstrauen gegenüber dem jetzigen amerikanischen System widerspricht, ist offenkundig. Systemkritik, so radikal oder wenig radikal sie auch ausfällt, kommt ohne Korrektive nicht aus; sie leitet ihre Parameter aus idealen, also aus utopischen Zuständen ab. So ist es immer auch der Geist der Utopie, der sich in Verfassungstexten demokratischer Staaten, allen voran in der amerikanischen Verfassung, abbildet.

Dass amerikanische Systemkritiker diese Differenz zwischen utopischem Anspruch und eingelöster Realität häufig unterschätzen, lässt sich womöglich erklären (etwa theologisch, mit Augustinus’ Theorie vom Gottesstaat: nur die civitas Dei ist perfekt, irdische Staatskonstruktionen hinken dem Ideal allenfalls hinterher). Aber: es lässt sich nicht ändern. Gores Buch nicht ernst zu nehmen, wäre dennoch ein Fehler. So paradox sich sein Amerika-Optimismus ausnimmt, so gut gelingt ihm die Beschreibung der drohenden Katastrophe.

Nüchtern gesagt, ist das Buch tatsächlich eine Bestandsaufnahme von allem, und somit das Ergebnis einer unglaublichen Recherche-, Interpretations- und Systematisierungsarbeit. Poetischer ausgedrückt liest es sich wie Dantes Gang durchs Inferno – ein ebenfalls streng systematisch gebautes Abbild zeitgenössischen Katastrophenbewusstseins – in einer Version fürs digitale Jahrtausend.

Bei allem bleibt Gore sachlich; nur zwei der sechs Kapitel flößen schon in ihren Überschriften Furcht ein. Das vierte, „Auswüchse“, führt Trends vor, deren jeder schon für sich genommen auf den nicht mehr umkehrbaren Untergang der alten Zivilisation weist: so die Manipulation menschlicher Entscheidungsfreiheit und menschlichen Glückstrebens durch konsumfixierte Marketingstrategien, das Wachstum der Städte oder die Verknappung nicht ersetzbarer elementarer Ressourcen wie Wasser oder Mutterboden. Im sechsten Kapitel, „Am Abgrund“, entfaltet Gore das Thema, mit dem er bisher zumeist in Verbindung gebracht wurde: die ökologische Zerstörung der Erde. Die heftigste Angstfaszination indes erzeugt die Lektüre des fünften Kapitels, das unter dem schlichten Titel „Die Neuerfindung von Leben und Tod“ die aberwitzige Entwicklung der Gentechnik beschreibt.

Doch die Hölle ist im ganzen Buch gegenwärtig. Die am Ende ausgemalten Schreckensvisionen scheinen auch in den beiden großen Anfangskapiteln auf, in denen Gore die „Welt-AG“, also das im Zeichen des durchdrehenden Kapitalismus vernetzte Globalkartell von Finanzmacht und Politik, dem Potenzial eines globalen „Weltgehirns“ gegenüberstellt, das mit den Kommunikations- und Mitbestimmungsmechanismen eben dieser Vernetzung entsteht. Liest man das genau, zeigt sich: Chancen zur Bewältigung der Zukunft sieht Gore in Wahrheit weniger in der Rekonstruktion amerikanischer Führungsstärke als in einer ethisch verantwortlichen Mobilisierung des Weltgehirns gegen die Welt-AG.

Dabei ist dem Autor klar, dass es naiv wäre, dem neuen Weltgehirn blind zu vertrauen. Wenn alles mit allem vernetzt ist – wie sollte sich dann das Weltgehirn in Opposition zur Welt-AG bringen lassen, ja sogar über deren Zukunft entscheiden? Oder schlicht marxistisch gefragt: Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt, bestimmt dann nicht auch die Welt-AG das Weltgehirn? Wie viel ist das Kommunikations- und „Mitbestimmungs“-Potenzial der sozialen Netzwerke wert – im Vergleich zu den Manipulationsmöglichkeiten, die jene Netzwerke den Strategen des Kapitals und ihren politischen Ausputzern an die Hand geben?

Seine Suche nach einem Ausweg aus diesem Dilemma stützt Gore bemerkenswerterweise immer wieder auf einen großen europäischen Theologen, den lange Zeit als Kryptokommunist verfemten Jesuiten Teilhard de Chardin, und auf dessen These von der evolutionären Aufhebung des Gegensatzes von Geist und Materie in einer vernetzten neuen Welt, der „Noosphäre“.

Von dieser Idee ist Gore fasziniert, und angesichts der fortschreitenden Digitalisierung des Weltwissens kann man das gut verstehen. Die Frage bleibt allerdings, ob er im Bann der Faszination womöglich dazu neigt, das „alte“ humane Potenzial, also die Einsichtsfähigkeit und den Handlungsspielraum individuellen Denkens zu unterschätzen. Das läuft auf die sein Buch in gewisser Weise zusammenfassende Diskussion einer möglichen anthropogenetischen Singularität hinaus: Kann es, vielleicht schon in naher Zukunft, einen Punkt geben, an dem die Geschichte des intelligenten Homo sapiens endet – und jenseits dessen die Geschichte einer vernetzten Superintelligenz beginnt, die den Menschen als Subjekt der Schöpfung ablöst?

Al Gore: Die Zukunft. Sechs Kräfte, die die Welt verändern. Aus dem amerikanischen Englisch von Anna Emmert, Thomas Pfeiffer und Werner Roller. Siedler Verlag, 2014. 624 Seiten, 26,99 Euro.

Entführte israelische Schüler sind tot

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Tel Aviv – Die drei entführten israelischen Jugendlichen sind im Westjordanland tot aufgefunden worden. Nach einer 18 Tage dauernden intensiven Suche wurden die Leichen am Montagabend nördlich von Hebron unter einem Steinhaufen entdeckt. Israels Premier Benjamin Netanjahu rief das Sicherheitskabinett zusammen, um über weitere Schritte zu beraten. Vor der Sitzung erklärte er: „Die Hamas ist verantwortlich, und die Hamas wird bezahlen“. Aus dem Gazastreifen meldete sich ein Sprecher der Organisation mit einer Warnung an Netanjahu. „Wenn er Gaza den Krieg erklärt, öffnet sich für ihn das Tor zur Hölle.“



Bei einem Gedenkgottesdienst in New York hält ein Kind das Foto der entführsten israelischen Jugendlichen.

Die 16 bis 19 Jahre alten Talmudschüler Eyal Yifrach, Gilad Schaer und Naftali Frenkel waren am 12. Juni verschwunden, als sie von einer Siedlung in der Nähe von Bethlehem aus per Anhalter zu ihren Eltern nach Hause fahren wollten. Einem der drei Jugendlichen war es noch gelungen, per Telefon die Polizei zu informieren. Allerdings wurde der Notruf zunächst als Scherz abgetan und nicht weiter verfolgt. Ersten Angaben zufolge waren die drei Jugendlichen schon kurz nach der Entführung erschossen worden.

Weit über die Suche nach den verschwundenen Schülern hinaus geriet die Aktion von Beginn an zum größten israelischen Militäreinsatz im besetzten Westjordanland seit dem Ende der zweiten Intifada im Jahr 2005. Häuser wurden durchsucht, Straßensperren errichtet und mehrere hundert Palästinenser, zumeist Mitglieder der radikalislamischen Hamas, verhaftet. Dies zielte darauf ab, die Infrastruktur der Organisation weitgehend zu zerschlagen.

Am Montagabend kündigte auch Wirtschaftsminister Naftali Bennett harte Reaktionen an. „Dies ist eine Zeit für Taten, nicht für Worte“, sagte er. „Es gibt keine Gnade für Kindermörder.“ Vize-Verteidigungsminister Danny Danon forderte, „dieses tragische Ende muss auch das Ende der Hamas sein“. Die gesamte palästinensische Führung müsse einen hohen Preis zahlen. Nahe Hebron wurden israelische Truppen zusammengezogen. Aus zwei Dörfern wurden heftige Schusswechsel gemeldet. Schon in den vergangenen Tagen hatte sich die Lage auch rund um den Gazastreifen deutlich zugespitzt.

Neben der Militäraktion verfolgt Netanjahu das Ziel, einen Keil in die erst vor kurzem gebildete Einheitsregierung der Hamas und der Fatah von Präsident Mahmud Abbas zu treiben. Abbas verurteilte nach anfänglichem Schweigen die Entführung, seine Sicherheitskräfte kooperierten mit den Israelis bei der Suche nach Tätern und Opfern. Nach dem Fund der Leichen berief er eine Dringlichkeitssitzung der Palästinenserführung ein. Die Hamas hat sich zwar nie zu der Tat bekannt, sie jedoch als Mittel zur Freipressung palästinensischer Gefangener zur Heldentat verklärt.

US-Präsident Barack Obama bezeichnete den Mord an den Schülern als „sinnlosen Terrorakt gegen unschuldige Jugendliche“. Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte „geschockt“ auf die Nachricht. „Es handelt sich um eine verabscheuenswürdige Tat, für die es keinerlei Entschuldigung geben kann“, erklärte sie.
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