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Im Extremfall lebenslang

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Großbritannien stimmt über härtere Strafen für Halter bissiger Hunde ab. Wenn sie sich für die entsprechende Verschärfung des Gesetzes aussprechen, könnten Hundebesitzer, deren Tier einen Menschen getötet hat, zukünftig zu lebenlanger Haft verurteilt werden.

Besitzer von Hunden, die einen Menschen töten, könnten in Großbritannien künftig zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Voraussetzung wäre, dass genügend Briten einer Verschärfung der Gesetze zustimmen und das zuständige Ministerium diese dann umsetzt. Seit Dienstag hat die Regierung eine Webseite freigeschaltet, auf der Bürger ihre Meinung zur strafrechtlichen Ahndung von Hunde-Attacken kundtun können. Gefragt wird unter anderem, welches maximale Strafmaß für Hundehalter die Bürger für welche Form von Attacke als angemessen empfinden. Bei Verletzungen eines Menschen durch Bisse: drei, sieben oder zehn Jahre? Beim Tod eines Menschen: sieben, zehn, 14 Jahre oder lebenslang?



Kampfhunde: Immer wieder in der Kritik. In Großbritannien wird jetzt über härtere Strafen für Halter gefährlicher Hunde abgestimmt.

Bis zum 1. September können sich Briten auf der Webseite des Ministeriums für Umwelt, Ernährung und Angelegenheiten des ländlichen Raums registrieren und abstimmen. Die Ergebnisse sind rechtlich nicht bindend, sollen aber in Überlegungen des Ministeriums einfließen, das seit 1991 bestehende 'Dangerous Dogs Act' zu reformieren. Bisher sind zwei Jahre als Höchststrafe für einen Halter vorgesehen, dessen Hund einen Menschen tötet. Darüber wird seit Bestehen des Gesetzes im Land debattiert, wann immer es zu einem neuen, schrecklichen Zwischenfall kommt. In den vergangenen acht Jahren sind 16 Briten von Hunden getötet worden. Der bisher letzte Fall ereignete sich im März dieses Jahres: Die 14 Jahre alte Jade Anderson wurde in der Wohnung einer Freundin von vier Hunden zu Tode gebissen. Ihre Eltern haben im vergangenen Monat eine Petition bei Premierminister David Cameron eingereicht, in der sie fordern, dass die Regierung Maßnahmen ergreift, die solche Attacken künftig verhindern. Begleitet wurden sie von den Eltern von John Paul Massey, der 2009 im Alter von vier Jahren vom Pitbull seines Onkels zu Tode gebissen worden war.

Der zuständige Staatsminister Rupert de Mauley sagte: 'Hundeattacken sind furchtbar, und wir brauchen harte Strafen für diejenigen, deren Hunde außer Kontrolle geraten und Menschen angreifen.' Der oppositionellen Labour-Partei geht das nicht weit genug. Sie fordert eine Meldepflicht für Hunde, was den Kommunen größere Kontrolle ermögliche. In Großbritannien werden jährlich 210000 Hundeattacken registriert, 6000 Menschen müssen sich pro Jahr wegen Bissen im Krankenhaus behandeln lassen.

In Deutschland werden Hundeangelegenheiten auf Länderebene geregelt, es gibt keine bundeseinheitlichen Gesetze. Bei Verletzungen durch Hunde werden meist Geldstrafen verhängt. Die Halterin von vier Staffordshire-Terriern, die 2010 in Thüringen ein dreijähriges Mädchen zu Tode bissen, wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Der Besitzer eines Hundes, der im Jahr 2000 in Hamburg einen sechsjährigen Jungen tötete, erhielt dreieinhalb Jahre Haft, seine Freundin ein Jahr auf Bewährung.

Auf der Insel zeigte sich am Dienstag die Gewerkschaft CWU erfreut über die geplante Gesetzesverschärfung. Ihre Mitglieder, teilte ein Sprecher mit, müssten sich pro Jahr 5000 Angriffen von Hunden erwehren. Die CWU vertritt die britischen Postboten.

Wahlplakate - lieben oder hassen?

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Bald ist Bundestagswahl und die Straßen füllen sich mit Wahlplakaten. Bist du froh, dass es sie gibt, oder nerven sie dich?

Man kann ihnen nicht entgehen und es werden immer mehr. An jeder Straßenecke und jedem Laternenpfahl, von jeder Werbefläche grinsen und sprechen sie einen an, bis man den Kopf voller Gesichter, Namen und Slogans hat. Es ist Wahlkampf und alle gehen hin – mit Wahlplakaten. „Gemeinsam erfolgreich“, ruft es von den Postern der CDU, „Das Wir entscheidet“, teilt uns die SPD mit, „Und Du?“, fragen die Grünen. Überall sieht man glückliche Familien, lachende Kinder, Menschen mit guten Jobs, zielgruppengerechte Accessoires. Die Kandidaten sind ganz wunderhübsch zurechtgephotoshopt und sehen freundlich oder seriös oder sehr klug aus.  



Alles voller Wahlplakate. Wie findest du das?

Was man von den Wahlplakaten lernt? Meistens den jeweiligen Parteislogan, viele Namen und ob da gute oder schlechte Wahlkämpfer am Werk waren. Und die Parteien erreichen, was sie mit der Plakatierung beabsichtigen: Aufmerksamkeit. Die ist zwar nicht immer positiv, zieht aber weite Kreise, zum Beispiel online, wo man eine Menge Stilkritiken oder Parodien findet.  

Wie fast alles im öffentlichen Raum ist natürlich aus das Plakatieren streng geregelt. Es wird eine Sondernutzungserlaubnis benötigt und darauf geachtet, dass Chancengleichheit besteht, also alle Parteien im gleichen Maße plakatieren. Außerdem muss die zuständige Behörde sicherstellen, dass die Plakate nicht im Straßenverkehr oder anderweitig stören. In manchen Gemeinden, heißt es in der Wikipedia, werden sogar extra Plakatständer aufgestellt, damit dann darauf und nicht frei plakatiert wird. Das soll eine „Störung des Ortsbildes“ vermeiden.  

Wie ist deine Haltung zu Wahlplakaten? Findest du sie informativ und helfen sie dir bei deiner Wahlentscheidung? Oder nerven sie dich, wenn du auf der Straße unterwegs bist und alle paar Meter mit dem nächsten Slogan konfrontiert wirst? Machst du Fotos davon und dich darüber lustig, lachst du über Parodien, würdest du sie am liebsten abreißen oder den lächelnden Gesichtern schwarze Zähne malen? Oder sind sie für dich Abbild einer funktionierenden Demokratie und darum dringend nötig? 

Vegetarier vs. Berghüttenbetreiber

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Hund und Katz, Noel und Liam, Anwohner und Barbesucher: klar. Die hassen einander von Berufs wegen. Aber es gibt schönere, subtilere Feindschaften. Denen widmen wir eine Serie. Heute: Vegetarier und Berghüttenbetreiber.




Die Situation:


So erlebt: Eine Berghütte. Gedrechselte Möbel, Hirschgeweih, Wolpertinger. Deutlich rustikal also, aber nicht so fernab der Zivilisation, dass man ein Sauerstoffgerät bräuchte, um sie zu erreichen. Ein Berghüttenbetreiber, auch deutlich rustikal, aber nicht so fernab der Zivilisation, dass man ein Wörterbuch bräuchte, um ihn zu verstehen. Und eine Vegetarierin. Die Vegetarierin stiert nach langem Aufstieg schon mindestens zehn Minuten in die Karte. Sie sucht: etwas Warmes zu Essen. Sie findet: Speckjausen, Schnitzel mit Speckbratkartoffeln und Speckknödelsuppe. Ob es denn, setzt sie an, und zwar mit dem pikierten Ton eines Menschen, der dieselbe Demütigung wieder und wieder erlebt, und hebt nach einem Räuspern etwas lauter neu an: Ob es denn wohl auch was ohne Fleisch gibt?! Denn diese Karte, die könne doch wohl nicht sein Ernst sein. Wo er denn lebe?! Der Berghüttenbetreiber hält inne, kurz nur, nimmt den Kellnerblock runter und sagt: Schinkennudeln.  

Dort treffen sie aufeinander:


Auf Berghütten, klar. Und nur dort. Leider. Interessant wäre, was passierte, begegneten sie einander mit vertauschten Rollen zum Beispiel in einem veganen Lokal in Berlin Mitte.  

Darum hassen diese beiden einander:


Wer T. C. Boyles Wenn das Schlachten vorbei ist gelesen hat, weiß: Niemand bekriegt sich fanatischer als Menschen, die etwas an sich Ähnliches wollen, sich über den richtigen Weg aber uneins sind. Gerade beim Tierschutz. Tatsächlich erleben wir einen Konflikt, der sich auf wenigstens anderen, ziemlich sicher aber höheren menschlichen Entwicklungsstufen abspielt. Die Vegetarierin tut ja etwas uneingeschränkt Sinnvolles. Und sie fängt damit am einzig möglichen Punkt an: bei sich selbst. Wie fast jeder, der mit gutem Beispiel vorangeht, hat die Ignoranz der Anderen sie aber verhärtet. Sie kann nur noch krampfhaft. Und sie empfindet die Auswahl (zu Recht) als rücksichtslos. Leider auf einer persönlichen Ebene. Der Hüttenbetreiber, zumindest dieser, lebt hingegen auf eine Art, bei der sich die Frage nach Naturschutz weniger stellt: Er erntet, was er selbst gesät, und trinkt, was er selbst gemolken hat. Nur, weil sie in einer winddichten Soft-Shell-Jacke ein paar Höhenmeter schafft, zählt die Vegetarierin für ihn noch nicht als Instanz des guten Lebens. 

Das ist die besondere Schönheit dieses Konflikts:


Er lässt sich auch anders lesen, dann nämlich, wenn Schinkennudeln ein ob der Schärfe der Anklage etwas panisch hervorgepresster, eigentlich aber ernster Vorschlag zur Güte war. Doch, doch: Das ist schon möglich. Manchmal ist es ja eine Frage der Relation. Und wer täglich mit Schweinshaxe, Gröstl und Schwarte hantiert, dem können Schinkennudeln im Eifer des Gefechts durchaus mal fleischfrei erscheinen.  

Das können wir von ihnen lernen:


Möglicherweise ist am Kulturrelativismus doch etwas dran. Oder: Die Welt ist zu heterogen für einfache Dialektik.

Unfrisiert

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Der spanische Autor Eduardo Mendozas hat mit seinem Buch "Der Friseur und die Kanzlerin" ein trashiges aber auch ziemlich unterhaltsames Buch über die Euro-Krise geschrieben.

Auf dem Flughafen in Barcelona wird die Kanzlerin erwartet. Alle sind bereit, besonders bereit aber sind der namenlose Held und seine Komplizen, um Angela Merkel zu entführen und sie durch ein Double zu ersetzen. Das klappt schneller, als es die Polizei erlaubt, und weil Merkel in dem gealterten Katalanen einen früheren Geliebten zu erkennen meint, lässt sie sich mitnehmen, ohne zu murren. Die Entführung ist gutwillig, denn sie wollen die Kanzlerin vor einem terroristischen Anschlag bewahren. Tatsächlich wird kurz darauf auf den Balkon des Rathauses geschossen, Schreie und Entsetzen, während Merkel in einer schmierigen Kneipe versucht, ihren Manolito zur Vernunft zu bringen.

So ein Plot klingt nach einem Schmarren. Und anfangs hält man Eduardo Mendoza für einen nervigen Witzigtuer, der in jedem Satz ein Späßchen unterbringen muss. Aber dann liest man das Buch wie einen Comic-Strip, grell koloriert und unverschämt unterhaltsam. Und man nimmt ihm sogar seine seltsam gedrechselten Sprechblasen ab: "Natürlich bin ich in dieser schwierigen Phase der Präadoleszenz ausschließlich mit mir selbst beschäftigt" - sagt ein dreizehnjähriges Mädchen. "Der Friseur und die Kanzlerin" ist ein Trash-Comic auf die Euro-Krise. Wenn wir schon untergehen, dann bitte so, dass wir uns totlachen.



Angela Merkel in den Händen von Entführern? Der spanische Autor Eduardo Mendoza hat darüber ein unterhaltsames Buch geschrieben.

Der Damensalon unseres Helden hat zwar täglich geöffnet, aber dass eine Dame hereinkommt und sich die Haare machen lässt, ist nicht zu erwarten. Obwohl naheliegend, spielt Merkels Frisur zum Glück keine Rolle, höchstens in einem kurzen Witz, der nicht wehtut. In den Bars und Restaurants gibt es kaum Gäste, weil die Menschen kein Geld übrig haben. Nur ein chinesisches Warenhaus, ausgerechnet gegenüber dem Salon, macht Gewinn mit billigem Tand. Am Ende kapern die Chinesen den verschuldeten Salon und richten einen Imbiss ein.

Unser Held hat Wichtigeres zu tun. Er muss Angela Merkel retten. Und er muss einen alten Freund aufspüren, den er in die Attentatspläne verwickelt glaubt. Dazu heuert er in der Fußgängerzone lebende Statuen an, die er da und dort zum Spionieren aufstellt. Der alte Freund ist ein nicht mehr ganz junger Stenz, trotzdem heißt er wie früher Romulus der Schöne. Dieser Ganove hat bereits einiges verbockt. Die Entführung der Barça-Fußballer im Flugzeug ist kläglich gescheitert. Dass sich sein neuer Partner als echter Terrorist entpuppt, trifft ihn selbst am tiefsten. Aber Zeugen dafür will er nicht haben. Auch seinen alten Freund nicht, unseren Helden, den er in der Wohnung einer Frau überrascht. Er kramt nach seiner Pistole, doch er findet sie nicht. Er denkt, er hat sie nicht eingesteckt. Und bricht in Tränen aus.

Um ihn zu trösten, sagt die Frau: "Das muss der Stress der letzten Tage gewesen sein." Wenn Frauen es allzu gut meinen, vernichten sie die Männer. Darum ist Romulus mit diesen einfühlsamen Worten erledigt.

Eduardo Mendoza: Der Friseur und die Kanzlerin. Roman. Aus dem Spanischen von Peter Schwaar. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2013. 288 S., 18,90 Euro.

Strenge Regeln für Asylbewerber

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In der Schweiz gibt es strenge Auflagen für Asylbewerber - teilweise sind auch Freibäder tabu.

Zürich - Der Sommer ist heiß, und auch die Schweizer besuchen an solchen Tropentagen gerne die Freibäder. Da ist es verständlich, dass sich die jüngste Debatte um Asylbewerber in der Eidgenossenschaft an den sogenannten Badis entzündete. Denn Schwimmbäder, so berichtete es jedenfalls ein Teil der Presse, sollten für Asylsuchende tabu sein, ebenso Sportanlagen, Kirchplätze oder Bibliotheken.

Inzwischen hat sich die Aufregung ein wenig gelegt, zum einen, weil nicht alles stimmte, was man lesen konnte, zum anderen, weil die strenge Hausordnung nicht flächendeckend für das ganze Land gilt, sondern lediglich für eine Asylbewerberunterkunft in der Gemeinde Bremgarten im Kanton Aargau. Hier hat vor Kurzem die erste vom Bund betriebene Unterkunft ihre Tore geöffnet. Die ersten 23 Personen aus Eritrea, Tibet, Sri Lanka und dem Sudan sind eingetroffen; insgesamt gibt es Platz für 130 Menschen.



Spaß im Freibad? Der soll Asylbewerbern in der Schweiz in manchen Orten verwehrt bleiben.

Weitere zentrale Auffangstationen sind geplant. Nach den Bestimmungen des revidierten Asylgesetzes werden sich die Asylbewerber höchstens acht Wochen dort aufhalten; bis dahin soll über ihre Anträge entschieden worden sein. Während ihres Aufenthaltes bekommen sie drei Franken Taschengeld am Tag; sie können zu Arbeiten - etwa beim Aufräumen im Wald oder in Bachbetten - herangezogen werden.

Die Suche nach geeigneten Standorten für diese Bundeszentren erweist sich freilich als schwierig, da die Bewohner der betroffenen Gemeinden häufig Vorbehalte anmelden. Um auf diese Ängste einzugehen, hat die Kleinstadt Bremgarten mit ihren 6500 Einwohnern in Absprache mit dem Bundesamt für Migration (BfM) in Bern Regeln für die Bewohner der Unterkunft formuliert. Die Zürcher Menschenrechtsgruppe Augenauf hatte an ihnen Anstoß genommen und dagegen protestiert. Kommende Woche werden ihre Einwände in Bern diskutiert.

Besondere Bestimmungen gelten in Bremgarten für Sport- und Badeanlagen sowie für Schulen, Alters- und Behindertenheime. Diese "sensiblen Zonen", von denen sich Asylbewerber fernhalten sollten, würden "im Interesse des guten Zusammenlebens zwischen Bevölkerung und Asylsuchenden definiert", erklärte Urs von Daeniken, der Projektleiter für Bundesunterkünfte beim BfM. Laut Mario Gattiker, dem Chef des BfM, handelt es sich aber grundsätzlich nicht um absolute No-go-Zonen. Man wolle nur verhindern, dass "50 Asylbewerber gleichzeitig auf den Fußballplatz oder in die Badi" gingen. Denn das könne zu "Friktionen und Ressentiments" führen. Für Kirchplätze und Bibliotheken gebe es ohnehin keine Verbote, wie irrtümlich berichtet worden sei.

Gattiker plädierte für die Einhaltung von "Spielregeln, damit das Zusammenleben zwischen Asylbewerbern und der Bevölkerung geordnet und möglichst konfliktfrei abläuft". Das gelte besonders in Orten, die zum ersten Mal viele Asylsuchende beherbergten. "Da ist es doch völlig normal, dass wir auch den Bedenken und Anliegen der lokalen Bevölkerung Rechnung tragen." Bislang wurden Asylbewerberunterkünfte von den Kantonen betrieben. Die Hausordnungen und Reglements indes unterliegen den Gemeinden, auf deren Territorium sie sich befinden. So hat beispielsweise die rot-grüne Stadtratsmehrheit von Zürich für ein neues Asyl-Testzentrum Beschränkungen für dessen Bewohner ausgeschlossen.

Obama sagt Treffen mit Putin ab

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US-Präsident düpiert russischen Kollegen aus Ärger über das Asyl für den Whistleblower Edward Snowden

München - US-Präsident Barack Obama hat ein für Anfang September in Moskau geplantes Treffen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin abgesagt. Grund dafür ist der Streit zwischen Washington und Moskau über den nach Russland geflohenen früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden. Die russische Regierung hatte Snowden, den die amerikanische Justiz als Geheimnisverräter per Haftbefehl sucht, trotz ausdrücklicher Warnungen der USA Asyl gewährt.

Obama hatte bei einem Auftritt in einer Talkshow am Dienstag angekündigt, dass er wie erwartet zum Treffen der Staats- und Regierungschefs der G-20-Länder reisen werde. Dieses findet am 5. und 6. September in St.Petersburg statt. Zwar sei er "enttäuscht" über die Entscheidung Russlands, Snowden Asyl zu geben, so Obama. "Obwohl wir kein Auslieferungsabkommen mit ihnen haben, hätten wir bei einem solchen Fall eines mutmaßlichen Gesetzesbrechers versucht, mit ihnen zusammenzuarbeiten." Der G-20-Gipfel sei jedoch das wichtigste Treffen für Gespräche über die Weltwirtschaft und finde nun einmal in diesem Jahr in Russland statt. Ein geplanter separater Besuch Obamas bei Putin in Moskau werde aus Protest aber gestrichen, hieß es am Mittwoch aus Washington.



Obama und Putin an einem Tisch? So schnell wird es dazu wohl nicht kommen. Der amerikanische Präsident hat jetzt ein geplantes Treffen abgesagt.

Die Absage ist ein Affront gegenüber Putin, der sich jedoch in Grenzen hält. Solange Snowden in Russland ist, kann Obama unmöglich Putin seine Reverenz erweisen, ohne daheim einen Proteststurm zu ernten. Das müsste auch Putin klar sein. Ebenso bedeutend wie die Absage von Obamas Moskau-Besuch sind ohnehin die amerikanisch-russischen Treffen, die ungeachtet des Streits über Snowden stattfinden: Obama reist nach St. Petersburg und wird dort in irgendeiner Form mit Putin zusammenkommen. Zudem treffen sich an diesem Freitag die Außen- und Verteidigungsminister der USA und Russlands zu Gesprächen in Washington.

Schon vor der offiziellen Absage hatte das Weiße Haus darüber spekuliert, ob angesichts der derzeitigen massiven Meinungsunterschiede mit dem Kreml - von Snowden über Syrien bis zur Atomabrüstung - ein bilaterales Treffen der Präsidenten überhaupt sinnvoll sei. Bei ihrer letzten gemeinsamen Pressekonferenz im Juni hatten die beiden eisig und peinlich berührt auf den Boden gestarrt. Obama warf Putin am Dienstag vor, gelegentlich in "die Denkweise und Mentalität des Kalten Krieges" zurückzufallen. Er sei aber trotzdem an einer guten Zusammenarbeit mit Moskau interessiert.

Der Computerexperte Snowden hatte während seiner Arbeit für den US-Geheimdienst NSA geheime Dokumente zur Überwachung des Internet- und Telefonverkehrs kopiert und später über die Medien öffentlich gemacht. Nach der Veröffentlichung floh er zunächst nach Hongkong, dann nach Moskau. Dort saß er wochenlang im Flughafen Scheremetjewo fest, bevor die russische Regierung ihm für zunächst ein Jahr Asyl gewährte. Snowden hat den Flughafen inzwischen verlassen und hält sich an einem der Öffentlichkeit unbekannten Ort in Russland auf.

Ungghkh - das kam unerwartet

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Eine der angesehensten Zeitungen gehört bald dem Gründer eines Online-Versandhauses. Wie wird das Amerikas Medienbranche verändern? Bei Jeff Bezos treffen die ersten Tipps und Warnungen ein.

Die Nachricht, dass die Washington Post für 250 Millionen Dollar an Jeff Bezos, den Gründer und Chef des Internet-Versandhauses Amazon, verkauft wird, war immerhin selbst noch einmal richtig klassisches Futter für den Journalismus. Seitdem darf nun auf allen Kanälen die Frage verhandelt werden, was das für dessen Zukunft heißt. Und die Art der Reaktionen ist vielleicht schon ein Teil der Antwort.



Ungenutzte Zeitungsboxen unweit der Druckerei der Washington Post

Überwiegend ist Amerika immer noch dabei, sich begreiflich zu machen, was da überhaupt passiert ist. Warum, rätseln von David Remnick im New Yorker bis zu den Analysten auf den Wirtschaftsblogs zur Zeit alle, warum kauft ausgerechnet ein Internetpionier eine Traditionszeitung? Eine der Antworten: Weil Amazon schon sein Geld mit dem Verkauf von Büchern verdient hat, also mit traditionell bedrucktem Papier. Am Ende dreht es sich immer um die eine Sache: das diffizile Verhältnis von Print und Online. Dabei ist es bezeichnend genug, wie sehr sich allein schon der Begriff der "Reaktion" durch das Internet verändert hat. Es heißt, die Geschäftsführung habe von den Mitarbeitern der Washington Post verlangt, nach der Verkündung der Neuigkeiten erst einmal zehn Minuten lang vom Twittern abzusehen. Zehn Minuten - ein neuer Kürzestrekord für eine Nachrichtensperre - waren offenbar nötig, um auf den Telefontasten Primärlaute der Überraschung zu finden, und eine weitere Stunde, um sarkastisch zu werden. Der Kolumnist Ezra Klein schrieb erst: "Das kommt unerwartet", und später: "Ich habe eine Menge Zeug von Jeff Bezos" Unternehmen gekauft, also ist das jetzt hier nur fair."

Jeff Bezos erwirbt die Washington Post als Privatmann, nicht als Zukauf zu Amazon. Dass in den Twitter-Reaktionen trotzdem meistens auf Amazon abgestellt wird, verrät einiges über die Ängste, zum Content-Lieferanten eines Online-Versands zu werden.

Gene Weingarten, der vielleicht prominenteste Kolumnist der Zeitung, zeigte ein anderes Reiz-Reaktion-Muster. Seine erste Mitteilung lautete: "Ungghkh." Etwas später aber schrieb er, seine Reaktion sei jetzt offiziell diese: Wenn der bisherige Eigentümer Don Graham sage, der Verkauf an Bezos sei das Richtige, dann glaube er ihm das. Einen Tag später hatte er den tieferen Sinn dieses Meinungsumschwungs dann in einem offenen Brief an Bezos auf der Website der Washington Post noch einmal ausformuliert. Es ist nichts anderes als die Aufforderung, mit dem Geld aus dem Internetgeschäft nach Wegen zu suchen, den klassischen Journalismus wieder profitabel zu machen - und nicht umgekehrt.

Eine Traditionszeitung für 250 Millionen seien gemessen an Bezos Gesamtvermögen ungefähr das Äquivalent zum Kauf eines 2003er Honda Civic für ihn, Weingarten. Er wolle deswegen nicht hoffen, dass das Blatt für Bezos nur ein billiges Spielzeug ist oder gar "ein Vehikel, um seine größeren Geschäfte voranzutreiben". Er sei als junger Mann einmal Redakteur beim Sonntagsmagazin des Miami Herald gewesen, als deren Herausgeber den Wunsch äußerten, das Heft möge über die Silver Knights Awards berichten, eine Preisverleihung für jahrgangsbeste Oberschüler - dummerweise ausgerichtet und finanziert von eben jenen Besitzern des Herald. Die Redaktion habe sich geweigert, und die Besitzer hätten dies, wenn auch grummelnd, akzeptiert. Dies könnte eigentlich als die Moral von der Geschichte dastehen.

Vorsichtshalber fügte Weingarten aber noch eine boshafte Pointe an: "Wikipedia sagt mir nun, einer der Silver Knight Gewinner in jenem Jahr war der kleine Jeffrey Bezos von der Miami Palmetto High School. Haha."

Das erzählt nun seinerseits eine Menge über die Gemütslage im klassischen Journalismus. Über die Reaktion von Bezos ist bislang nichts bekannt.

Klapper, klapper, klapper

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Tom Hanks und die Liebe zur Schreibmaschine

Es war natürlich ein Zufall, dass just am Wochenende, bevor der Verkauf der Washington Post an den Amazon-Gründer Jeff Bezos bekannt wurde, der Schauspieler Tom Hanks in der New York Times ein Feuilleton über seine Leidenschaft für Schreibmaschinen veröffentlichte. Aber zu den Rückblicken auf die große Zeit des Print-Journalismus und den Watergate-Skandal von 1974 gehört auf der Tonspur das Konzert der Typewriter. Hanks hat bis zu den Theaterferien am Broadway die Hauptrolle in 'Lucky Guy' gespielt, einem Stück über Aufstieg, Fall und Wiederkehr des New Yorker Star-Kolumnisten Mike McAlary in den Achtzigerjahren. In dem Stück der 2012 verstorbenen Nora Ephron, die wie McAlary für die New York Post geschrieben hatte, waren in den Newsroom schon die Computer eingezogen.



Old school? Mag sein. Tom Hanks hat sich trotzdem als Schreibmaschinen-Fan geoutet.

In seinem Artikel 'I Am TOM. I Like to TYPE. Hear That?' rührt Hanks mit Schwung die Werbetrommel für mechanische Schreibmaschinen, und zwar so, wie ein begabter Verkäufer das tun würde: Bloß nicht auf das Mitleid mit einer Ware spekulieren, die zum Aussterben verurteilt ist. Stattdessen: resolute Verwandlung aller Eigenschaften, denen sie ihr Aussterben verdankt, in grandiose Vorzüge.

Die Dinger sind schwer? Wunderbar, hier ist das Loblied auf ihre stählerne Langlebigkeit, die sie an die Seite von Stonehenge rückt. Man braucht zu viel Kraft, sie anzuschlagen? Hier ist ein Abschnitt über die physische Lust beim Schwingen von Typenhebeln, über das feine Spiel der Handmuskeln, die Klang und Lautstärke des Anschlags modulieren, 'so that the room echoes with the staccato beat of your synapses'. Es fehlt die bequeme Delete-Taste? Ein Narr, wer sich das Hantieren mit Korrekturband und die Lust entgehen lässt, ein falsch getipptes Wort unter einem Epitaph von XXXXX zu begraben.

Wie jeder gute Autor lebt der Feuilletonist Tom Hanks nicht von seinen Meinungen, sondern von seiner Sprache. Ihr, nicht seiner großen Schreibmaschinensammlung verdankt er die Verve seines Artikels. Wie klingen, zum Beispiel, Midcentury Royals? 'Like a voice repeating the word CHALK.CHALK.CHALK.CHALK.' Und die Smith Corona Skyriter? 'FITT FITT FITT like bullets from James Bond"s silenced Walther PKK.' Und wollen Sie wissen, wie 'The Great American Novel' klingt? Dann machen Sie folgendes Experiment: Schreiben Sie den Anfangssatz von 'Moby Dick' auf Ihrem Laptop, 'and it sounds like callmeishmael'. Und jetzt noch mal auf einer Olympia (Sie haben keine? Egal, Hanks hat zwei.), dann klingt das wie: CALL!ME!ISHMAEL!' Man wünscht sich, dass Sam Mendes, mit dem Hanks bei 'Road to Perdition' zusammengearbeitet hat, aus dem Feuilleton ein Gegenstück zu Becketts 'Krapp"s Last Tape' macht, den heiter grotesken Film: 'Hanks" Last Correcting Tape.'

Tunesien steuert auf politisches Chaos zu

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Die Arbeit an der Verfassung stockt, Neuwahlen stehen infrage. Auf der Straße aber verschärft sich die Konfrontation

In Tunesien verschärft sich die Auseinandersetzung zwischen der von Islamisten geführten Regierung und der Opposition, die aus laizistischen und linken Gruppen sowie verdeckten Anhängern des gestürzten Diktators Zine el-Abidine Ben Ali besteht. Das Land nähert sich einem politischen Chaos. Der Vorsitzende der Verfassunggebenden Versammlung, Mustafa Ben Jaafar, setzte die Arbeit des Gremiums am Dienstag aus, bis ein Dialog zwischen den verfeindeten Kräften beginnt - obgleich seine Ettakatol-Partei zur Regierungskoalition gehört. Premier Ali Larayedh hatte von der Versammlung verlangt, den Verfassungsentwurf bis Oktober fertigzustellen; im Dezember sollte es dann Neuwahlen geben. Dieser Zeitplan steht infrage, wenn die Versammlung nicht weiter tagt. Etwa 70 oppositionelle Abgeordnete hatten sie bereits vorher boykottiert.



Zehntausende Menschen protestieren in Tunis gegen die Regierung.

Auch auf den Straßen hat sich die Konfrontation verschärft. Am Dienstagabend hatte die Opposition die bisher größte Protestversammlung seit Beginn der Krise organisiert. Sie forderte erneut den Rücktritt der Regierung. "Noch heute wird die Regierung stürzen", riefen die Demonstranten. Zugleich verlangten sie sofortige Neuwahlen und die Auflösung der Verfassungsversammlung, deren Mandat bereits vor acht Monaten abgelaufen sei. Die Schätzungen über die Zahl der Teilnehmer schwanken zwischen 40 000 und 120 000.

Zur Opposition gehören die Volksfront (Jibhat Shaabia), ein Bündnis von zehn linken und national-arabischen Formationen, sowie die größere Nida Tounes (Der Ruf Tunesiens), die der nach der Revolution eingesetzte Übergangspremier Béji Caïd Essebsi vor gut einem Jahr lanciert hatte. Sie besteht aus linken, bürgerlichen und laizistischen Kräften, aber auch aus Anhängern des alten Regimes. Eine ihrer Stärken ist der Fernsehkanal El-Hiwar Ettounsi, der dem jetzigen Chef der Nida, Taher Ben Hassine, gehört. Andere wichtige Medien wie Nessma TV, Shems FM und die Zeitung al-Maghreb stehen gleichfalls auf Seiten der Opposition. Auch der Gewerkschafsbund CGTT mit seinen etwa 600 000 Mitgliedern unterstützt sie.

Alle diese Forderungen, besonders der Rücktritt der Regierung, weist die führende Islamisten-Partei Ennahda kategorisch ab. Sie hatte am Samstag 400000 ihrer Anhänger in Tunis mobilisiert, um zu demonstrieren, dass die Opposition nicht allein für "das Volk" spreche, wie sie regelmäßig für sich beanspruche. Ennahda-Führer Rachid Ghannouchi sagte dabei, die Verfassungsversammlung und der Premierminister seien "rote Linien, die man nicht anrühren darf". Die Opposition habe das Recht, eine Änderung zu verlangen, aber sie müsse "durch das große Tor der Wahlen" gehen, nicht auf die Straße.

In der Zeitung La Presse widersprach Ghannouchi der Anschuldigung, die Regierung sei zu nachsichtig gegen radikale Islamisten. "In den Gefängnissen sitzen 500 bis 600 Terrorverdächtige", behauptete er, ohne Einzelheiten zu nennen. Am Wochenende hatten Sicherheitskräfte ein Haus in Ouardia gestürmt, einem Vorort von Tunis. Dabei wurden fünf "Terroristen" gefangen und ein Mann erschossen. In den Bergen im Grenzgebiet zu Algerien, wo Rebellen im Juli acht tunesische Soldaten getötet hatten, setzt die Armee neuerdings auch Flugzeuge ein, um eine salafistische Kampfgruppe zu eliminieren, die dort seit Monaten operiert. Gleichzeitig zirkuliert ein Video, auf dem zu sehen ist, wie die Rebellen von unbekannter Seite neue Waffen erhalten.

Citrus Mollathiensis

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Dattelorange? Orangendattel? Was denn nun? Die Topfpflanze, die Gustl Mollath bei seiner Entlassung aus der Psychiatrie dabei hatte, animiert das Internet zum Rätselraten. Wir haben einen Botaniker um Aufklärung gebeten. Die wichtigste Erkenntnis aber ist: Hoffnung, das kann auch eine Topfpflanze sein.

Man weiß jetzt schon: Das wird ein Bild für die Jahresrückblicke sein. Gustl Mollath ist frei und verlässt die geschlossene Psychiatrie in Bayreuth - mit einer Topfpflanze in der Hand. Sie ist auf quasi jedem Foto zu sehen, das auf den Titelblättern von praktisch allen deutschen Zeitungen in Deutschland prangte. Neben der Freude über seine Freilassung beschäftigt das Internet, vor allem die Twitter-User, jetzt auch die Frage: Was hat es mit diesem kleinen Bäumchen auf sich?  



Auf dem Weg in die Freiheit: Gustl Mollath mit Pflanze.

Bei seiner Entlassung trug Gustl Mollath ein buschiges Gewächs vor sich her, er hätte sie sich auch vors Gesicht halten und sich verstecken können. Hat er aber nicht. In den Stoffbeutel, den er noch dabei hatte und mit dem er sich immer wieder den Schweiß vom Gesicht tupfte, steckte er sie auch nicht, er gibt sie nicht aus der Hand. Es ist ein rührendes Bild, das da in die Geschichte eingeht, auch wenn es keinen Tag gedauert hat, bis der erste Tumblr sich darüber lustig macht. "Crazy people holding Mollaths Pflanze" heißt er auch noch. Viel interessanter als die montierten William-und-Kate- und Markus-Lanz-Fotos ist aber die Headline, mit der viele Zeitungen und Webseiten getitelt haben: "Mit Dattelorange in die Freiheit." Dattelorange? Eine seltsame Kreuzung aus Dattel und Orange? So, wie man auch Äpfel und Birnen im Garten kreuzen kann?

Ein Anruf bei der Biologie-Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München bringt Klarheit: "Eine Dattelorange gibt es natürlich nicht", sagt Dr. Matthias Erben vom Bereich Systematische Botanik und Mykologie. "Für eine Kreuzung stammen die Pflanzen aus zu unterschiedlichen Familien. Da wäre höchstens gentechnisch etwas möglich." Aus dem Topf wachsen einfach zwei verschiedene Pflanzen mit unterschiedlichen Blättern, die schmalen gehören zu einer Dattelpalme, die anderen zu einer Zitrusfrucht. "Wahrscheinlich ist es ein Orangen- oder Kumquat-Bäumchen", sagt Matthias Erben. Wenn man genau hinschaut, sieht man auch noch zwei Palmzweige im Topf stecken.  

Als Mollath nach seiner Entlassung von Journalisten interviewt wurde (hier in voller Länge), redete er minutenlang nur über die Pflanze. Vor Weihnachten, erzählte er, habe ein katholischer Pfarrer einmal Andachten gehalten und Datteln verschenkt. Aus den Kernen habe er sich die Palme gezogen und dazu Orangenkerne eingebaut, daraus sei das Bäumchen geworden. "Datteln und Zitruspflanzen vertragen sich durchaus und können nebeneinander wachsen", erklärt Matthias Erben. "Wenn man etwa fünf unbehandelte Dattelkerne einbaut und feucht hält, keimen die ganz gut, nach ein bis zwei Monaten sieht man schon etwas. Mit trockenen dauert es etwas länger. Von Zitrusfrüchten sollte man zehn bis 20 Kerne einbauen, die keimen nach vier bis fünf Wochen, wenn man keine sterilen erwischt hat. Für beides reicht erst mal ein kleiner Topf."  

Weil er keine oder kaum Erde zur Verfügung hatte, hat Mollath MacGyvermäßig zwischendurch mit dem Inhalt von Teebeuteln improvisiert. Auch das geht, sagt Matthias Erben. "Die Samen tragen alle Nährstoffe in sich, das Ganze muss nur feucht gehalten werden, das ginge auch mit eingeweichtem Papier, Kresse überlebt ja auch in Styropor. Nur ewig geht das nicht, mit der Zeit, vor allem im Wachstum, könnten sie dann doch irgendwann verkümmern." Matthias Erben schätzt, dass Mollath die Pflanzen schon jahrelang pflegt: "Zitrusbäumchen wachsen sehr langsam, bis eines 30 bis 40 Zentimeter groß ist wie das von Mollath, dauert es schon fünf bis sechs Jahre."

Eine "Dattelorange" ist am Dienstag also nicht erfunden worden, vielleicht war für manche die Vorstellung, Mollath hätte in der Psychiatrie Dr. Frankenstein gespielt, einfach zu verlockend. Dabei ist die Erklärung viel einfacher, viel tragischer: Er brauchte eine Beschäftigung, eine Aufgabe. Und dass das gelungen ist, sei "eine große Freude" gewesen, sagte er den Journalisten. Als Mollath später im Auto saß, hielt er sie am Schoß. Vorher sagte er noch: "Sie ist jetzt schon etliche Jahre meine Mitgefangene, darum passe ich auch ein bisschen darauf auf (...) Sie hat etliche Zimmerrazzien miterlebt, da fühlt man sich schon in gewissem Maße verbunden." Lange Zeit hatte er nur sie.

La Le Lu

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Nur der Mann im Mond schaut zu: Nichts verspricht so viel Freiheit, wie eine Nacht unter freiem Himmel. Ein Test in München, mit Sternen, tollen Aussichten, Wind und unangenehmen Überraschungen.

Es ist eine Sehnsucht, auch, wenn sie eher unregelmäßig auftaucht. Denn es ist ja so: Wir lieben die Stadt, atmen sie, nutzen sie, formen sie. Eigentlich. Nur manchmal, da wird sie uns zu viel. Dann träumen wir uns weg, ins Grüne, an die Luft, unter die Sterne. Draußen schlafen: Eine Verheißung ist das. Oder? Wir haben München mal auf sein Outdoor-Potenzial getestet – an ein paar gewöhnlichen und ein paar ungewöhnlichen Orten.
   





Der Turm
Mit dem Olympiaturm ist es bei mir wie mit einem Lieblingsrestaurant: Alle paar Monate muss ich hin. Und wenn ich dann oben stehe, wünsche ich mir immer, ich könnte ihn nur ein einziges Mal ganz für mich allein haben. Am besten in einer Sommernacht. Ich würde auf der höchsten Dachterrasse der Stadt übernachten und am nächsten Morgen die erste sein, die sieht, wie die Sonne über München wieder aufgeht. Tatsächlich habe ich in 180 Metern Höhe dann aber: wenigstens ein bisschen Angst. Ich will unbedingt ganz oben schlafen, vor der Gästebuchwand. Leider kann ich mich kaum halten, weil der Wind so stark ist.

Vorhin hat hier ein Typ seiner Freundin einen Heiratsantrag gemacht, auf dem Boden rollt noch die vom Wind zerfledderte Rose hin und her. Unter den letzten Gästen waren auch sonst vor allem Paare – und ein hagerer Junkie-Typ mit starrendem Blick, ganz allein und im Jogginganzug. Kurz hatte ich Angst, er würde sich in der Toilette verstecken, um mir später aufzulauern. Aber jetzt sind sie alle weg, der Aufzugmann hat sie mit hinuntergenommen. Und ohne sie fühlt sich der Turm plötzlich an, als könne er zum Leben erwachen und mich, den ungebetenen Besuch, hinunter schleudern. Immerhin: Der Wind ist so warm wie ein Föhn auf der untersten Stufe. Außerdem gibt es hier oben weder Mücken noch Feuchtigkeit. Nur an den Lärm kann ich mich nicht gewöhnen. Der Sturm dröhnt, die Geländer rattern und klirren, manchmal knallt etwas und von den Leitern, die zur Spitze des Turms führen, geht ein helles Röhren aus. Ich glaube sogar, den Beton ächzen zu hören. Dabei hatte ich mir eine friedliche Stille ausgemalt.

Unter mir jetzt also München, nachts. Manchmal dringt ein Kreischen zu mir herauf oder das Hupen eines Lasters. Der Wind trägt willkürlich Geräuschfetzen aus der Stadt herauf und es klingt dann, als seien sie ganz nah – auf der anderen Seite der Plattform. Genau dort, wo ich nicht hinsehen kann. Zwischen halb drei und halb fünf schlafe ich dann doch, wenn auch unruhig. Irgendwann die Rettung: Ein grünlich rosafarbener Schleier legt sich von Osten aus auf die Stadt, die Lichter erlöschen und aus der schwarzen Fläche werden lauter helle Graustufen. Die Straßen sind sonntagmorgenleer und sehen sehr sauber und trocken aus. Als die Sonne gleißend da ist, beginnt alles zu glänzen. Ich warte nicht auf die ersten Gäste, die gegen neun Uhr kommen, ein sehr freundlicher Herr fährt mich schon vorher mit dem Aufzug hinunter. Zu Hause falle ich in mein Bett, in eine harmlos ebenerdige Stille.  

mercedes-lauenstein
 


Der Balkon
Schon klar: Verglichen mit Übernachtungen auf Inseln, Hügeln und an Seen ist der Balkon etwas für Anfänger. Keine Ameisen, keine gefährlichen Tiere, keine Betrunkenen, in deren Weg man sich mit seiner Isomatte gelegt haben könnte. Bad und Kühlschrank sind fußläufig erreichbar, der Morgenkaffee kommt in der gewohnten Tasse daher. Nun jedoch das große Aber: Im Gegensatz zu all den exotischen Plätzen der Einweg-Abenteurer ist der Balkon der einzige Ort, an dem man ein wirklicher Profi im Freiluftschlafen wird – weil man es regelmäßig tun kann. Und das machen wir: Immer, wenn das Thermometer die interessanten Zonen erreicht und ich nicht zu faul bin, schleppe ich die schwere Matratze aus dem Schlafzimmer und hebe sie auf den Balkon.

Dort wartet Madame schon mit einem kalten Bier, das wir dann zum Einschlafen trinken. Unser Balkon ist dafür ideal: Die Matratze passt exakt zwischen Wand und Blumenkästen, am Fußende bleibt ein bisschen Platz für Gießkanne, Gerümpel und Gummibärchen. Wir wohnen im Hinterhaus, es fahren also keine Autos unter uns, ein großer Baum verhindert zu neugierige Blicke. Und weil die Balkone leicht versetzt gebaut sind, steht nichts zwischen uns und dem Sternenhimmel.

Während Madame schon wegschlummert, lausche ich noch ein wenig in den Hinterhof hinein. Im Vorderhaus hat jemand Sex, in der WG im Nachbarhaus rechts hört jemand wie immer Reggae, ganz leise. Im Quergebäude links, ganz oben unter dem Dach, da schnarcht einer. Anscheinend gar nicht leise, aber das macht nichts: Auf dem Weg durch das gekippte Fenster, über die Hofmauer hinweg bis hinauf zu unserem Balkon verliert das Geräusch seine Eindringlichkeit. Es klingt eigentlich ganz gemütlich. 

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Die Insel
Mit dem Übernachtungsgepäck auf die Insel zwischen Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke zu kommen, ist gar nicht so leicht, der Strömung und der Steine wegen. Wir dachten, die Isar sei flacher. Drüben sind wir beide nass bis zum Nabel, dafür ist es auf der Insel umso idyllischer: auf einer Luftmatratze im Sand mit Bier und Keksen, umgeben von Wasser und den Geräuschen der Stadt, die nie ganz schläft. Erst feiern noch Leute am Kulturstrand zwei Brücken weiter, die man tatsächlich bis hier hin hört, dann folgt das Klackern der Pfandflaschensammler und ein paar Gänse rufen. Wir haben sogar Nachbarn, die auf der Insel zelten und einen Hund dabeihaben, der Müll aus dem Gebüsch schleppt. Ansonsten: keine Gesellschaft, nur ein paar Enten. Darum können wir auch ohne Angst vor pöbelnden Isarbiertrinkern unterm klaren Sternenhimmel schlafen.

Kalt ist es eigentlich nicht, nur sehr klamm und überall bleibt nasser Sand kleben, auch zwischen den Zähnen. Nach vier Stunden Schlaf zieht um fünf Uhr die Dämmerung über dem Deutschen Museum auf und das ist sehr, sehr schön. Erste Jogger sind bereits unterwegs, manche führen ihren Hund aus. Danach fahren wir in unseren Schlafsachen mit dem Rad heim. Unsere Klamotten vom Vorabend sind nämlich immer noch nicht trocken, dabei haben wir sie so liebevoll auf einen Baum drapiert. So wie echte Naturmenschen das unserer Vorstellung nach halt tun.

nadja-schlüter, charlotte-haunhorst




Die Wetterspitze
Es gibt da diesen Berg. Kreisrund ist er, wahrscheinlich aus Trümmern aufgeschüttet. Er sieht aus wie ein ein großer Kegel, auf dem abgeflachten Gipfel stehen ein paar Bäume, ebenfalls kreisrund angeordnet. Er steht dort, wo die A96 auf den mittleren Ring trifft, und ist umgeben von den Schleifen der Autobahnauf- und Abfahrt, die auch seine Form definieren. Ich bin wahrscheinlich tausend Mal an diesem Hügel vorbeigefahren, und ich fand ihn schon immer faszinierend. Wie er da so steht: ein grünes Idyll im dröhnenden Verkehr, das doch so künstlich wirkt mit seiner exakten Rundung.

Jetzt also werde ich dort übernachten. Ich komme mir sehr hobbitmäßig vor. Seitdem ich als Kind „Herr der Ringe“ gelesen habe, nenne ich ihn „Wetterspitze“, nach dem Berg, auf dem Frodo und seine Gefährten auf ihrem Weg übernachten und zum ersten Mal von den bösen schwarzen Mordor-Ringgeistern angegriffen werden. Ich habe das extra noch mal nachgeschlagen: Auch Tolkiens Wetterspitze ist „kegelförmig und oben etwas abgeflacht“. Ein Hobbit am Mittleren Ring also. Ich habe alles dabei. Schlafsack, Isomatte, Brotzeit, eine Stirnlampe, Kerzen und ein Buch. Muss super werden, Ringgeister gibt es ja hier nicht, meine einzige Sorge ist, dass der Verkehr nachts zu laut ist.
Oben ist es erstaunlich idyllisch, die Sonne geht gerade unter, hohes Gras, sanftes Grün. Ich suche einen geeigneten Platz für meine Isomatte, lege meinen Rucksack beiseite. Und merke, dass weder der Verkehr noch irgendwelche Fantasie-Monster das Problem sind. Nein, es sind, ganz banal: Ameisen. Sehr viele Ameisen. Sehr viele aggressive Todesameisen des Grauens! Überall, wohin ich auch flüchte. Mein Rucksack ist von ihnen übersät. Sie krabbeln mir die Beine hoch, in die Schuhe, irgendwie sind sie auch auf meine Arme und in meinen Nacken gelangt. Hier eine Nacht zu schlafen – daran ist nicht zu denken. So bitter es ist: Ich trete nach fünf Minuten den Rückzug an. Totaler Draußenschlaf-Fehlgriff. Immerhin weiß ich jetzt eines: Dieser Hügel ist kein Schuttberg, kein Maulwurfshügel und keine Wetterspitze. Sondern ein riesiger Ameisenhaufen. 

christian-helten
 


Der See
Handtücher, soweit das Auge reicht, lärmende Kinder und Frauen ohne Bikinioberteil, die bei 35 Grad in der Sonne schmoren. An heißen Sommerwochenenden herrschen am Riemer See fast balearische Verhältnisse. Unter der Woche wird der künstliche Badesee allerdings gerade am Abend zu einem Ruhepol: vereinzelte Schwimmer, ein paar Enten, das ein oder andere picknickende Pärchen. Während sich in der Stadt die Hitze staut, kann man sich eigentlich nichts Schöneres vorstellen, als die Nacht direkt am Wasser zu verbringen – bei leichtem Wind und Grillenzirpen.

Leider kippt diese Idylle nach Einbruch der Dunkelheit recht schnell: Anstelle des Mondes beleuchten grelle Laternen den See, und die Temperaturen pendeln sich nicht bei „angenehm kühl“ ein, sondern sinken auf „ziemlich eisig“. Aufgrund einer naiven „Es-ist-doch-Sommer“-Einstellung habe ich nur ein leichtes Baumwolltuch als Decke eingepackt, unter dem ich erbärmlich friere. Weder das mitgebrachte Bier noch die zu einem Schal umfunktionierte Schlafanzughose helfen da groß weiter. Zu späterer Stunde rotten sich dann auch noch Jugendliche zu lautstarken Trinkrunden zusammen. Wahrscheinlich feiern sie den Ferienbeginn. Sie bleiben sehr lange. Wenigstens bleibe ich in dem hohen Ufergras unentdeckt.

Als ich nach ein paar Stunden Schlaf am nächsten Morgen aufwache und steif gefroren meine Sachen packe, liegt der See wieder friedlich im ersten Tageslicht da. Bei Helligkeit gefällt er mir wirklich bedeutend besser.
paulina-hoffmann

"Alaaaaaaba!"

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Der österreichische Rapper Mirac hat dem Bayernspieler David Alaba eine Rap-Hymne gewidmet. Im Interview verrät der 24-Jährige MC, was es mit dem Track auf sich hat, wie man in Österreich über den FC Bayern denkt und was er auf Beckenbauer reimen würde.

jetzt.de: Wo warst du, als der FC Bayern die Champions League gewonnen hat?
Mirac: Ich war zu Hause und saß mit meiner WG vor dem Fernseher. Nebenbei habe ich den Alaba-Track und das Video dazu gemacht. Der Song ging sofort online, als das Finale vorbei war. Das war eine besoffene Wette von mir und meinen Mitbewohnern. Wenn die Bayern verloren hätten, dann wäre die Nummer gleich nach dem Spiel gelöscht worden.
 


Mirac, rappender Alaba-Fan.

Es gibt viele gute Fußballer. Wieso gerade ein Song über Alaba?
Bei einem Jam in unserem Proberaum hatte ein Freund vor kurzem angefangen „a milli“ von Lil Wayne zu singen. Ich hab mir dann plötzlich gedacht, dass sich „alaba alaba alaba“, statt „a milli a milla a milli“ auch ganz gut anhören würde. Dann haben wir den Beat innerhalb von 15 Minuten nachgebaut und den Text mit meinen beschwipsten Mitbewohnern während des Fußballschauens geschrieben. Abgesehen davon, dass es sich gut anhörte, hat Alaba einfach mehr Swag und Style als die meisten anderen Fußballer. Die tragen oft enge Hosen und komische Gelfrisuren. Außerdem ist er natürlich auch ein wahnsinnig guter Fußballspieler und ein Idol für viele österreichische Kids.
 
Kennt Alaba den Track eigentlich?
Ja, ich glaube schon. Er hat ihn zumindest auf Twitter geteilt, jedoch ohne weiteren Kommentar. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er ihm gefällt.
 
Hast du das Lied schon einmal in München oder Bayern gespielt?
Ja, vor kurzem am „Hakuna-Matata-Festival“ in Passau. Das war überhaupt das erste Mal, dass ich mit der Nummer live aufgetreten bin.

http://www.youtube.com/watch?v=lTcjFHH2qVw
 
Wieso? Auf deinen letzten Konzerten in Österreich kamen ja schon „Alaba“-Chöre aus dem Publikum.
Das stimmt. Aber da konnte ich den Text leider noch nicht auswendig.
 
Der ist doch gar nicht so schwer.
Das mag vielleicht nicht so leicht nachvollziehbar sein, aber gerade ganz einfache, reduzierte Texte, sind oft schwer zu merken, weil die meist nicht so gut flowen.
 
Wie beliebt ist der FC Bayern eigentlich in Österreich?
Ziemlich unbeliebt.
   
Ist man als Österreicher dann im Zweifel für Bayern oder Dortmund?
Das ist ein bisschen kompliziert. Man kann es vielleicht als Hass-Liebe bezeichnen: Es gibt da ja schon eine gewisse Nähe und Vertrautheit zwischen Bayern und Österreich und nachdem Alaba für Bayern spielt und er zweifellos der wichtigste Sportler Österreichs ist, wären wir in diesem Fall doch für Bayern.
 
Was haben Rapper und Fußballer gemeinsam?
Ich würde sagen, das Rappen an sich ist ein bisschen wie Fußballspielen. Jeder Artist hat seine Crew, seine Mannschaft, und ohne die geht nichts. Mein Rap-Kollege Crack Ignaz meinte einmal: „Swaggen ist Teamsport“. Das stimmt einfach.
 
Gibt es im Rap auch so etwas wie Fouls, die eine rote oder gelbe Karte verdienen?
Gekaufte Youtube-Klicks und erschummelte Chartplatzierungen sind sehr unsportlich, leider aber gang und gäbe.
 
Jetzt mal Freestyle: eine Punchline, in der Beckenbauer vorkommt?
Ich hab da sogar schon mal was gehabt für den Nachfolgetrack von „Alaba“: „Ich verbrenn mehr Bling Bling als Kettenraucher, hab drei Pools in meinem Garten, nenn’ mich Beckenbauer.“
 
Noch einer: Guardiola?
Wer ist das? Ein mexikanischer Politiker?

Zehn Zeichen, dass du ich bist!

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Ein amerikanischer Journalist hat Dinge aufgezählt, an denen der Leser erkennen kann, ob er eventuell die gleiche Person ist. Klingt ein bisschen verworren, ist aber eigentlich nur eine detailverliebte Eigencharakterisierung in Listenform. Wie sieht deine Liste aus?

Was macht einen Menschen zu dem, was er ist? Klar, sein Äußeres und sein Charakter, die ihn von jedem anderen unterscheiden. Aber im Detail? Wahrscheinlich muss man sagen: alles. Jede Reaktion, jede kleine Anekdote, jede Jacke, die man besitzt, unterscheiden einen Menschen von einem anderen. Der anders reagiert hätte, eine Anekdote anders erzählen würde, dessen Jacke, selbst wenn es eigentlich genau die gleiche ist, abgenutzter aussieht.  



"Hallo! Woran merk ich, dass ich du bin?"

Der amerikanische Journalist Tom Scocca hat kürzlich bei "Gawker" einen Text veröffentlicht, der mit dieser Annahme spielt. Er heißt "Twenty-Six Signs You Are Me" und listet, wie der Titel schon sagt, 26 Punkte auf, die typisch für Tom Scocca sind. Das ist natürlich ein rechter Unsinn, aber es macht Spaß, die Liste zu lesen. Hier ein paar Zeichen, dass du Tom Scocca bist: Du führst eine mentale Liste darüber, welche Schwarztees, die man im Supermarkt bekommt, am ehesten wie Hongkong-Milchtee schmecken, wenn man sie zu lange ziehen lässt und Kondensmilch dazugibt. Dein Chef ist diese Woche in Urlaub und darum stimmt niemand gegen deine blöden Konzeptideen (und darum gibt es wahrscheinlich auch diese Liste). Das Gebäude deiner alten Schule wurde abgerissen und an seiner Stelle gibt es jetzt eine ziemlich schicke neue Schule. Du heißt nicht Malcolm.  

Nachdem man all diese Punkte gelesen hat, bekommt man Lust, darüber nachzudenken, was man selbst hineinschreiben würde. Du bist zum Beispiel ich, wenn deine Katze vor drei Jahren gestorben ist. Wenn du sehr viel Traubensaftschorle trinkst. Wenn du immer noch ein Paar Lederschuhe hast, das ein so großes Loch hat, dass du es nicht mehr tragen kannst, und das du trotzdem einfach nicht wegwirfst. Und wenn du nicht Petra heißt.  

Was würdest du in eine solche Liste schreiben? Was macht dich aus? Welche Kleinigkeiten, Marotten und Dinge aus deiner Umgebung sind typisch für dich und gehören einfach zu dir? Weil 26 Punkte ein bisschen zu viel sind, lautet das Ticker-Spiel für den heutigen Tag: Zehn Zeichen, dass jemand du ist!   

Wie das Internet ... Bier mit einem Geldschein öffnet

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Ein Lifehacker macht sein Leben mit einfachen Tricks ein bisschen besser. Das Internet ist voll von Lifehackern - wir sammeln ihre besten Tricks




Das Probelm:
Gravierend! Brennend gar! Unterwegs oder auf der Draußenfeier Durst bekommen, Bier gekauft, aber: kein Öffner weit und breit. Mit dem Rauchen hast du auch vor ein paar Wochen aufgehört, ein Feuerzeug trägst du also auch nicht mehr mit dir rum.

Die Internet-Lösung: Einen Geldschein an der schmalen Seite so fest einrollen, wie du kannst. Dann noch mal in der Mitte knicken. Das V-förmige Gebilde ist stabil genug, um mit derselben Technik wie mit einem Feuerzeug den Kronkorken von der Flasche zu hebeln. Prost!


Hilft dir das? Wie öffnest du eine Flasche Bier? Hier findest du weitere Inspiration

Straßenkrieg gegen Nazis

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DJ Stalingrad alias Piotr Silaev hat einen Roman über das Leben von Jugendlichen am Rande von Moskau geschrieben. Das Buch ist voller Gewalt und Wut wie Piotrs Leben selbst. Er kämpfte früher auf den Straßen von Moskaus gegen Nazis. Seine schlimmsten Erlebnisse, so erzählt er im Interview, hat er ins Buch noch nicht mal aufgenommen.




„Wir trinken Angst, Hunger, Freude, Hass, Krankheiten, Musik, Sex, schlechte Erziehung und miese Erbanlagen. Wir schlucken all das von Geburt an, und es macht uns zu denen, die wir sind.“ In dem Buch „Exodus“ fliegen dem Leser solche Sätze wie Granaten um die Ohren. Der Roman stammt von „DJ Stalingrad“, er ist 2011 in Russland erschienen und jetzt in einer deutschen Übersetzung zu haben. In Russland erregte er wegen seiner brutalen, schonungslosen Direktheit und seiner knallenden Sprache großes Aufsehen. Erzählt wird die Geschichte eines gebildeten jungen Russen am Rande von Moskau, der durch Straßenschlachten und Schlägereien mit Nazis oder Hooligans wütet, auf der Suche nach Heldentum, Sinn, Werten, Schmerzen, dem Rausch des Moments. Hinter dem Pseudonym „DJ Stalingrad“ steht der 28-jährige Piotr Silaev, eine schillernde Figur der Moskauer Subkultur. Er war selbst Teil anti-faschistischer und anarchistischer Gruppen, die sich in Moskau Straßenschlachten mit Neo-Nazis lieferten. Unter anderem organisierte er 2010 einen Protest gegen die Abholzung des Wäldchens Chimki bei Moskau, durch das eine Autobahn gebaut werden sollte. Im Zuge des Protests ließ die russische Staatsanwaltschaft viele Aktivisten aus der anti-faschistischen Szene verhaften. Silaev floh daraufhin in die EU und erhielt in Finnland politisches Asyl. Russland gelang es, ihn auf eine Interpol-Liste gesuchter Krimineller setzen zu lassen. Daraufhin wurde Silaev 2012 bei einem Aufenthalt in Spanien verhaftet, dann aber wieder freigelassen. Nach internationalen Protesten nahm Interpol Silaev von der Fahndungsliste. Im Moment lebt er in Granada, Spanien, und arbeitet als Journalist für russische Zeitschriften.
 





jetzt.de: Dein Buch „Exodus“ erzählt von Ereignissen, die du zwischen deinem 18. und deinem 25. Lebensjahr erlebt hast. Damals warst du Teil einer antifaschistischen Gruppe in Moskau. Wie bist du zu der Gruppe gekommen?
Piotr Silaev: Also, natürlich geht es in dem Buch um persönliche Ereignisse. Aber es ist auch ein fiktives Werk. Und der Erzähler hat vielleicht Züge von mir, aber ich bin dann auch jemand anders. Den Autor sollte man nicht für einen schizophrenen Wahnsinnigen halten, der seine Komplexe und Neurosen in einem Buch verarbeitet. Auch ich habe meine Komplexe, Ängste und Sonderlichkeiten, aber ich würde sie niemals in einen Text packen, der zur Veröffentlichung gedacht ist. Aber es stimmt, dass ich im Alter von 17, 18 Jahren ein Teil von antifaschistischen Gruppen war und sofort in den Krieg mit Nazis hineingezogen wurde, der damals eskalierte. Dieser Krieg tobte vor allem zwischen 2003 und 2008. 2007 war ein Höhepunkt, als wir Oberhand bekamen und die Nazi-Szene aus den Straßen von Moskau verdrängen konnten. Aber mit dem Buch wollte ich eher unsere russische Gesellschaft beschreiben und nicht nur den subkulturellen Krieg zwischen Antifaschisten und Nazis.    

Ist der Straßenkampf, von dem du erzählst, auch heute noch Realität? 
Die Nazi-Bewegung in Russland wird existieren, solange die Autoritäten die politische Existenz dieser Nazis dulden, fördern und für sich ausnutzen. In ganz Europa haben sich Subkulturen für ein gutes Sammelbecken von rechten Parteien erwiesen, die diese Nazis für politischen Stimmenfang und Subventionen nutzen. Aber bei uns, wo Politiker und Beamte nicht selten sagen, dass „wir eine starke, junge nationale Jugend als unsere patriotische Antwort zu den modernen Herausforderungen brauchen“, ist das natürlich besonders gefährlich. Gerade jetzt, wo das russische Regime einige politische Probleme hat und sich ziviler Protest breit macht, hört man wieder solche Sätze, um Nazis für sich zu gewinnen und in den Straßenkrieg ziehen zu lassen. Dort gehen sie dann, geduldet und geschützt von Polizei und Politik, gegen Schwule, Lesben oder Einwanderer vor. In den Medien wird das dann als „patriotische Rache der russischen Jugend gegen das organisierte Verbrechen von ethnischen Gruppen“ verkauft. Diese Nazigruppen würden gern wieder die Kontrolle über die Straßen von Moskau bekommen. Aber die bewaffneten Antifaschisten-Gangs hindern sie daran.  

Wie wichtig war dir selbst die politische Idee, als du in antifaschistischen Gruppen aktiv warst?

Mit unserer anfänglichen Crew, die aus zehn bis 15 Kids bestand, nahmen wir die Nazis als Trainingsobjekt, um stärker zu werden und dann die Straßen von Moskau politisch beeinflussen zu können. So funktioniert das Straßenleben – du musst bestimmte Gruppen besiegen, dann bekommst du mehr Einfluss. Und dann kannst du mehr Veranstaltungen organisieren und am Ende hast du eine größere politische Lobby. 2003 beispielsweise wurdest du einfach dafür zusammengeschlagen, wenn du kein Nazi warst oder ein politisches Event organisiert hast. Die damals existierende organisierte linke Jugend war friedlich und wurde deswegen ständig verprügelt. Sie wurde in den Untergrund gedrängt und konnte so keine Ziele erreichen. 
 
Und deine Gruppe hat das geändert – mit Gewalt?

Wir wollten die Situation in Moskau ändern. Und je mehr Kämpfe wir gewonnen haben, desto mehr Zulauf bekamen wir. Wir haben zahlreiche Events organisiert: Konzerte, Festivals, Seminare, Workshops. Im Buch gibt es eine Episode, wo ich das erste anti-faschistische Musikfestival in Moskau beschreibe. Das war 2007. Den Erlös haben wir an ein Waisenhaus gespendet. Rund um das Festival gab es den ganzen Tag Schlägereien mit attackierenden Nazi-Gruppen. Aber wir haben sie zurückgeschlagen – und danach haben sie nie wieder versucht, ein Festival von uns offen anzugreifen. Sie haben sich von da an vor allem auf Menschenjagden und kleinere Attacken konzentriert. Aber dieses Festival war gut für unser Image in der Presse und bei den Bürgern von Moskau. Auf einmal waren wir die, die sich um obdachlose Teens sorgten und gleichzeitig die Nazis in ihre Schranken wiesen. Von diesem Image zehrt unsere Gruppe heute noch, was uns aber auch zum Nummer-1-Ziel für politische Repressionen macht.  

Gewalt ist scheinbar das, was die Jugendlichen in deinem Buch antreibt. Eine Metapher für die russische Gesellschaft?

Die schlimmsten Ereignisse, die ich selbst erlebt habe, habe ich noch nicht mal in das Buch aufgenommen. Es geht mir nicht nur um „die Gewalt“, wie du sagst. Man muss verstehen: Gewalt in allen Formen ist das Überlebensintrumentarium. Sie ist in allen Schichten vertreten. Daran ist nichts Besonderes, in dieser Hinsicht funktioniert Russland genau wie jedes Dritte Welt-Land.Mit Gewalt beherrscht das Regime die Gesellschaft und verteidigt damit seine Geschäfte. Aber die postsowjetische Gesellschaft ist sehr komplex. Und sie ist gerade für den Westen nicht leicht zu verstehen.

Inwiefern? 
Selbst im heutigen Russland können sich solche autokratischen Regime wie das von Putin, davon bin ich überzeugt, nicht lange halten. Es gibt viele in der Gesellschaft, die sich an andere Lebensstandards, Freiheiten und bessere Sozialsysteme erinnern und die sich unbewusst und intuitiv, gegen die Regeln des Regimes wehren und die sich nicht alles vorschreiben lassen wollen. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich die zu einer zivilen Miliz zusammentun, um sich gegenseitig zu unterstützen und helfen. Wenn ihnen das gelingt, können sie immer mehr Druck ausüben und so ihren Einfluss vergrößern. Aber allein Gewalt reicht natürlich nicht aus, um etwas zu verändern. Man braucht einen administrativen und zivilgesellschaftlichen Körper, der von einem mehr verlangt als nur Kampfkünste. Das haben wir ja auch mit unsereren Aktivitäten umgesetzt und bewiesen, dass man mit Strukturen erfolgreich sein kann. Ich bin diesen Weg der Veränderung ja selbst gegangen. Vom Straßenkampf zum strukturellen Protest und zivilen Ungehorsam. Und frag jetzt nicht, ob wir glauben, dass das etwas Großes in Russland verändern könne. Natürlich glauben wir, dass das alles letzten Endes keinen Sinn hat. Aber wir müssen es zumindest versuchen.   

Wummernde Bilder

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Videoprojektionen sind durch? Nicht in Weimar. Das Genius Loci Festival zeigt dort die visuelle Zukunft - brennende, mit Napalm gefüllte Skulpturen inklusive.

Zehn Jahre hat Stefan Krauss darauf gewartet, dass MTV ihn entdeckt. Vergeblich. Als der Videokünstler eine mit Napalm gefüllte Skulptur abbrennen ließ und seine Bilder auf Leinwände zwischen den Flammen projizierte, war das Musikfernsehen nicht mit dabei. Auch nicht, als er alle Wände und Decken des Weimarer Gaswerks gleichzeitig nutzte, um das Publikum in einem Bilderrausch einzuhüllen. Obwohl sich der 39-Jährige zu einem der spektakulärsten VJs Deutschlands entwickelt hat. Es geht ja eher nicht nach Weimar, wer spannende Subkultur sucht. Eher nach Berlin.  




Projektion am Residenzschloss Weimar bei Genius Loci 2012: „Under an alias“ von der Instanbuler Gruppe Nerdworking

Doch in der Hauptstadt sind Club-Visuals kaum noch ein Thema. Einer der Gründe sind die hohen Kosten für technische Ausrüstung. Weil die wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den Clubbetreibern gewachsen ist, haben viele angefangen, an der Dekoration zu sparen. Die Zeiten, als jede Veranstaltung mit neuer, verspielter Optik daher kam, sind in Berlin vorbei.  

In Weimar gibt es Beamer, Laser und anderes Equipment für wenig Geld beim Studenten-Verleih an der Bauhaus-Universität. Finanzieller Gewinn steht bei den Partyorganisatoren nicht im Vordergrund. Stattdessen ist zwischen den Veranstaltern seit über zehn Jahren ein kreativer Wettstreit in vollem Gang. Mehrere Generationen von Architekturstudenten haben ihn immer weiter vorangetrieben. „Das Publikum hier ist beleidigt, wenn es mal keine Visuals gibt“, sagt Stefan. Und mittlerweile beschränken sich er und andere Weimarer Künstler nicht mehr nur auf die Produktion blitzender Bilder zu stampfenden Bässen.  

Sepalot tourt mit Stefans Bildern


Im vergangenen Jahr haben Stefan und seine Freunde das erste Genius-Loci-Festival für Fassaden-Projektionen organisiert. Gastkünstler aus Istanbul projizierten ihre Bilder mit Hochleistungsbeamern auf das Residenz-Schloss. Das Publikum konnte zuschauen, wie die Fassade erst in wenigen Momenten alterte und dann in abstrakten Formen wieder auferstand. Besonders plastisch wirkt das Ganze, weil die Künstler vorher ein dreidimensionales Modell der Gebäudefront mit all ihren Unebenheiten und Details am Computer gebaut hatten. Mit dieser Videomapping genannten Technik lassen sich die Beamerbilder auf jeden Punkt einer Fassade gleichzeitig scharf stellen.  

http://vimeo.com/51209455 

Bei der diesjährigen Ausgabe (9. bis 11. August) werden drei historische Gebäude in der Stadt drei Abende lang bespielt: der Innenhof des Residenzschlosses, das Wittumspalais und das Hauptgebäude der Bauhaus-Universität. Die Projektionen kommen von Künstlern aus Frankreich, Österreich und Ungarn, die den internationalen Wettbewerb der Festivalmacher im Frühjahr gewonnen haben.  

Stefan organisiert das Festival nicht mehr, um seine eigene Kunst zu präsentieren. Mit seinem Kollegen Bahadir Hamdemir hat er als VJ-Duo MX10 das Publikum bei der X-Games-Aftershowparty mit raumgreifenden Projektionen und mächtigen Scheinwerfern begeistert. Auch tourt seit kurzem der Blumentopf-DJ Sepalot mit einer Videoinstallation von MX10. Er wünscht sich nun: „Es wäre schön, wenn wir mit unserem Projekt nicht nach Berlin, München, Hamburg oder Köln umziehen müssen, um den großen Durchbruch zu erzielen.“ Stattdessen soll mehr Publikum nach Weimar kommen und sehen, dass die Stadt nicht nur zum Ausflugsziel der Klassenfahrt im Deutschleistungskurs taugt.  




Lichtinstallation für Sepalot von MX10 bei der X-Games Aftershowparty in München

Wird Genius-Loci ein Erfolg, spricht sich vielleicht herum, dass es im Schatten von Schiller, Goethe und dem deutschen Nationaltheater eine Menge junge Kunst zu Entdecken gibt, so die Hoffnung der Veranstalter. Da wäre etwa das alte Gaswerk, das Kunst- und Architekturstudenten in den vergangenen 15 Jahren ausgebaut haben und das zum Treffpunkt der Projektionsszene geworden ist. Es bietet neben Veranstaltungsräumen auch Werkstätten.  

Zu Hause ist dort unter anderem Das Konglomerat, eine junge Crew, die den kreativen Wettstreit um die aufwendigste Partygestaltung fortsetzt. Nicht selten baut die Gruppe die Hallen des Werks zwei Wochen lang um. Danach findet das Publikum plötzlich eine neue Garderobe vor, kann in einer Art Arena Platz nehmen und stundenlang Skulpturen und Wandgemälde bestaunen, die das Konglomerat dreidimensional mit Beamern bespielt.

Antrieb für die Mühen sei der Spaß am Experiment, sagt Jakob Stolz. Auch der 24-Jährige ist Architekturstudent und kam vor drei Jahren aus Franken nach Weimar. Beim Konglomerat ist er für die Visuals zuständig. „Bei einer Veranstaltung sieht man, ob ein Konzept so funktioniert, wie man es geplant hat. Das erkennt man am Architekturmodell oft nicht.“ Beim kommenden Festival organisiert die Gruppe die begleitende Clubveranstaltung.

Pimp my Politizzle

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Gerade jetzt plagen sich Politiker ja wieder besonders mit der Frage, wie sie bei der Jugend besser ankommen könnten - mit durchaus beschämenden Ergebnissen. Wir helfen hier gerne: mit einer großartigen App von Snoop Lion aka Snoop Dogg.

"Inhalte überwinden!" Was sich Martin Sonneborn und die Partei schon seit längerem auf ihre Fahnen geschrieben haben, scheint nun auch beim Rest des Politikbetriebs angekommen zu sein: "Gemeinsam erfolgreich" (CDU), "Das wir entscheidet" (SPD), "Wohlstand für alle" (Die Linke), "Wir bringen neue Energie" (Die Grünen). Eine Zielgruppe erreicht man damit sicherlich nicht: Die Jugend. 

Bisherige "Politiker sind total down mit Teens und Twens"- Aktionen kamen dementsprechend auch nur semi-gut bei der Peergroup an. Eine Runde Kickern mit Jürgen Trittin? Feiern mit Horst Seehofer im P1?  Die dafür verantwortlichen PR-Berater gehören umgehend vor die Tür gesetzt! Dabei wäre es für Merkel, Rösler und Co. doch so einfach, sich jugendlich und richtig fresh zu präsentieren. Genau zur heißen Phase des Wahlkampfes hat Snoop Lion – die Reggae-Reinkarnation von Snoop Dogg – nämlich eine neue App herausgebracht. Mit "Snoopify" lassen sich dank ein paar Bling Bling-Symbolen hier und ein paar feschen Porno-Accessoires da selbst die langweiligsten Wahlplakate in richtig dopen Shit verwandeln. So kriegt man die jungen Wähler! Wir haben hier schon mal ein paar Vorschläge gemacht.



Griechenland und die Kehrwoche

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Die Troika sollte sich nicht wie ein schwäbischer Hausmeister verhalten, der auf der Treppe nach Staubkörnern sucht.

Bundeskanzlerin Merkel hat die deutsche und europäische Diskussion mit dem Bild der schwäbischen Hausfrau bereichert und geprägt. Der Kernsatz "Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben", beziehungsweise man sollte nicht mehr ausgeben als man einnimmt, ist zur Leitlinie des ambitionierten Reformprogramms geworden, das Griechenland seit 2010 durchführt. Dabei ist jedoch der Maßstab der Nachhaltigkeit und der sozialen Gerechtigkeit aus den Augen verloren worden. Das Reformprogramm, das im Kern das Potenzial hat, Griechenland zu erneuern, steht vor dem Scheitern schon in diesem Herbst.

Denn die Ergebnisse von drei Jahren Austeritätspolitik sind gemischt. Zwar nähert sich der Haushalt des griechischen Staates dem schwäbischen Standard. Durch massive Ausgabenkürzungen und leichte Mehreinnahmen konnte das Defizit von 15 Prozent aus 2009 auf knapp drei Prozent im Jahr 2012 gedrückt werden, in diesem Jahr wird sogar ein leichter Überschuss (vor Zinsen) erwartet. Athen hat seine Ausgaben von gut 112 Milliarden im Jahr 2009 auf etwa 96 Milliarden im Jahr 2012 reduziert, unter anderem durch die Reduzierung der Zahl der öffentlichen Angestellten um weit mehr als 100000.



Eine Gewerkschaftsdemonstration in Athen

Die Kehrseite dieser Erfolge ist die dramatische Entwicklung der griechischen Gesellschaft. Viele Menschen sind verarmt oder durch Gehaltskürzungen und Steuererhöhungen von Armut bedroht. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 27 Prozent, die Arbeitslosenunterstützung wird aber nur für zwölf Monate bezahlt. Danach sind Arbeitslose auf die Hilfe von Familien und Freunden oder Wohlfahrtseinrichtungen der Kommunen oder Kirchen angewiesen. Krankenhäuser und Schulen laufen im Sparmodus und können sich teils das Nötigste wie Verbandsmaterial und Heizöl nicht mehr leisten. Langzeitarbeitslose verlieren ihre Krankenversicherung. Für sie bleiben nur die Krankenstationen der "Ärzte ohne Grenzen" oder anderer karitativer Organisationen. Gleichzeitig blüht die Steuerhinterziehung wie in besten Zeiten, und mehrere Listen von Bankkunden in der Schweiz und in Luxemburg liegen ungenutzt in griechischen Ministerien.

Das Reformprogramm hat mit seinen Kürzungen und Steuererhöhungen bisher einseitig die Arbeitnehmer der griechischen Mittelschicht getroffen. Bei einem mit Deutschland vergleichbaren Preisniveau haben sie gut ein Drittel ihres Haushaltseinkommens verloren. Verbunden mit der hohen Arbeitslosigkeit und politischer Radikalisierung ergibt sich ein explosives soziales Gemisch.

Es ist unverständlich, warum sich die Troika aus IWF, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank angesichts dieser Entwicklungen weiterhin massiv auf die Entlassung einer kleinen Zahl von Staatsbediensteten konzentriert. Dieser Aspekt steht im Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit der griechischen Regierung, sodass die Auszahlung der letzten Kredittranche sogar kurzfristig verweigert wurde, weil noch 80 Namen auf der Liste der zu Entlassenden fehlten. Das ist Wasser auf die Mühlen der Opposition, die lautstark gegen das aufoktroyierte Diktat der Massenentlassungen wettert und Neuwahlen fordert. Hier hat die Troika offensichtlich das Bild der schwäbischen Hausfrau missverstanden. Sie verhält sich in den Verhandlungen mit der griechischen Regierung wie ein schwäbischer Hausmeister bei der Kontrolle der Kehrwoche. Treppenstufe für Treppenstufe wird geprüft, ob auch wirklich jedes Staubkorn entfernt wurde. Gerade die Entlassung der Staatsangestellten wirkt wie das legendäre "Kehrwochensteinle", der winzige Kiesel, den der findige Hausmeister vorher platziert hat, um zu prüfen, ob die Kehrwoche eingehalten wird. Die Stabilität des Treppenhauses scheint irrelevant.

Es wird übersehen, dass das griechische Reformprogramm auf wackeligen Füßen steht. Die beiden Regierungsparteien stehen unter Druck, bald messbare Erfolge der Einschnitte vorweisen zu müssen. Positive Haushaltszahlen reichen dazu nicht aus, es muss sich eine fühlbare Verbesserung für die Bevölkerung ergeben. Gleichzeitig bleibt der Schuldenberg in schwindelerregender Höhe. Und solange die Wirtschaft weiter schrumpft, ist unklar, wie Athen dies abbezahlen soll. Daher kursiert in der griechischen Presse immer wieder die Hoffnung auf einen zweiten Schuldenschnitt nach der Wahl in Deutschland.

Sobald aber im Oktober deutlich werden wird, dass es auf absehbare Zeit keinen Schuldenerlass geben wird und die jetzige Politik der Entlassungen und Einsparungen fortgesetzt werden muss, kann das politische Fundament der Reformen wegbrechen. Das Ergebnis wären Neuwahlen mit einem wahrscheinlichen Wahlsieg der linksradikalen Partei SYRIZA. Der künftige Ministerpräsident wäre dann Alexis Tsipras, der Mann, der fordert, dass Athen aufhört, Zinsen zu bezahlen und die Schulden einseitig aufkündigt. Die aktuelle Politik der Kreditgeber könnte dazu führen, dass ihm das Land in einer solchen Situation auf dem Silbertablett überreicht wird. Den Haushaltsüberschuss, der die Vorgängerregierung den Kopf gekostet hat, könnte er für gezielte soziale Maßnahmen nutzen, gleichzeitig die Steuern für Reiche deutlich erhöhen und somit seinen Rückhalt festigen. Zudem könnte er der Troika wie angekündigt die Stirn bieten und die Kredite entweder tatsächlich aufkündigen oder zumindest bessere Konditionen für Griechenland aushandeln. Die Folgen für die Finanzmärkte und die Haushalte der Kreditgeber sind kaum absehbar.

Daher muss ein anderes politisches Signal aus Berlin und Brüssel kommen, und die Troika muss dies entsprechend umsetzen. Es reicht nicht, das Leid der griechischen Rentner aus der Ferne zu beklagen, während in Athen Entlassungen gefordert werden. Der Druck auf die griechische Regierung muss aufrechterhalten werden. Aber das vorrangige Ziel muss sein, die Steuerhinterziehung härter anzugehen und diejenigen, die ihr Geld ins Ausland geschafft haben, mit in die Verantwortung zu nehmen. So wie bislang Kürzungen durchgesetzt wurden, sollte die Regierung von ihren Partnern angehalten werden, auch die Teile der Bevölkerung unter Druck zu setzen, die kürzlich auf obszöne Art auf Mykonos gefeiert und dabei Wolfgang Schäuble verhöhnt haben.

Das entspräche viel eher der schwäbischen Hausfrau. Sie murrt hin und wieder, hat im Kern aber ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Sie würde es nicht dulden, dass die Mieter aus dem Souterrain die Kehrwoche jeden Samstag penibel machen müssen und die Eigentümer aus der Beletage sich dazu vielleicht Ostern und Weihnachten herablassen.

Bot an Oberkellner

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In San Francisco ist ein Wettlauf unter Programmierern entbrannt: Wer reserviert am schnellsten im Restaurant? Per Telefon geht das längst nicht mehr

Das "State Bird Provisions" in San Francisco gilt als eines der angesagtesten Restaurants der Welt. Seit seiner Eröffnung im Januar vergangenen Jahres hat es einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet, Internet-Millionäre kommen hierher, der Schauspieler Jim Parsons gilt als Stammgast, auch Sharon Stone war schon da. Wer kein Millionär oder Schauspieler ist, muss versuchen, auf der Website einen Tisch zu reservieren - und bekommt als Antwort meist zu lesen: nichts zu machen, wir sind auf Monate ausgebucht.

Wer dann, so wie oft bei Internet-Reservierungen, das Gefühl bekommt, hier gehe es nicht mit rechten Dingen zu, der hat womöglich recht - wie Diogo Mónica herausgefunden hat. Der 26-Jährige ist Doktorand am Instituto Superior Técnico in Lissabon und arbeitet derzeit in Silicon Valley. "In San Francisco gibt es ein regelrechtes Rennen unter den Hipstern um Plätze in den angesagten Restaurants", sagt er. Das State Bird Provisions interessierte ihn besonders, doch trotz aller Bemühungen erhielt er stets die Mitteilung, dass Tische bis zu 60 Tage im Voraus reservierbar seien und er eine Nachricht per E-Mail erhalte, falls kurzfristig ein Tisch frei werde.



Einen Tisch reservieren? In einigen hippen Restaurants in San Franciso brauch man dazu fast Programmierer-Kenntnisse

"Mir wurde schnell klar, dass da offensichtlich Bots am Werk sind", sagt Mónica. Bots sind Computerprogramme, die selbständig im Internet agieren, ohne dass der Nutzer eingreift. Sie haben derzeit nicht den allerbesten Ruf, weil sie oft verwendet werden, um E-Mail-Adressen für Werbezwecke zu sammeln, fremde Computer auszuspionieren oder in Online-Casinos mathematisch perfekt zu pokern. Es gibt allerdings auch gutartige Bots, die sich an die sogenannten Robot Exclusion Standards halten, im Internet anerkannte Höflichkeitsregeln für solche Programme.

Mónica schrieb ein kleines Programm, das die Homepage des Restaurants automatisch jede Minute neu lud und eine Reservierungsanfrage losschickte. Dadurch fand er heraus, dass das State Bird Provisions seine Reservierungs-Homepage um exakt vier Uhr morgens erneuert und freie Tische anzeigt. Das Problem war: Nicht einmal eine Minute später waren sämtliche Plätze wieder vergeben.

Entweder, so Mónicas These, sitzen da um vier Uhr morgens zahlreiche Nerds aus dem Silicon Valley vor dem Computer und tippen minutengenau hektisch Reservierungswünsche ein - oder, was viel wahrscheinlicher ist, da lässt jemand ein Computerprogramm die Arbeit erledigen. Die erste Möglichkeit schloss er dadurch aus, dass er selbst einige Tage lang wach blieb und um vier Uhr Nachts versuchte, einen Tisch zu reservieren. "Bis sich die Homepage erneuert hatte, waren schon alle Tische weg", sagt er. So schnell könne kein Mensch reagieren.

Mónicas Verdacht: Da werden automatisch Reservierungen vorgenommen und womöglich an Menschen verkauft, die bereit sind, ein paar Dollar für einen freien Tisch zu bezahlen. "Ich kenne keine Schwarzmarkt-Homepages - aber ich glaube, dass so etwas der nächste Schritt sein könnte", sagt er. Was es in den Vereinigten Staaten bereits gibt: Unternehmen, die einen Reservierungs-Service anbieten. Open Table etwa hat mehr als 20000 Restaurants in seinem Portfolio, vor wenigen Tagen kaufte die Firma den Konkurrenten Rezbook. Weitere Dienstleister heißen Livebookings, UReserve und Yelp. Keines dieser Unternehmen wollte sich auf Anfrage der SZ zum Einsatz von Reservierungs-Robotern äußern.

Mónica erstellte sein eigenes Computerprogramm mit dem Programm Mechanize. Es braucht dafür Computerkenntnisse, ist aber auch kein Hexenwerk. Vereinfacht ausgedrückt: Seine Kreation prüft, ob es einen freien Tisch für die gewünschte Zeit gibt und füllt automatisch das Formular aus und schickt den Reservierungswunsch blitzschnell an das Restaurant. "Plötzlich konnte ich Tische reservieren", sagt Mónica. Den Code stellte er anderen Nutzern auf seinem Weblog zur Verfügung, damit jeder die gleiche Chance auf einen Tisch habe.
Der Besitzer des State Bird Provisions sei übrigens begeistert gewesen, berichtet Mónica. "Er hat sich total gefreut, dass die Menschen sein Restaurant derart mögen, dass sie solch extreme Maßnahmen ergreifen, um einen Tisch zu bekommen." Sein Programm funktioniert auch bei anderen Restaurants, der Gast muss lediglich die Parameter ändern - die Homepage der Lokalität und die notwendigen Informationen zum Ausfüllen des Formulars. Es ermöglicht potenziellen Gästen, automatisch Reservierungen bei all den Restaurants vorzunehmen, die bei dem Unternehmen Urbanspoon gelistet sind, einer populären Gastronomie-Website. Die Besucher seiner Homepage sind begeistert und kündigen an, das Programm weiterentwickeln und für weitere Gaststätten zur Verfügung stellen zu wollen.

"Damit hat der Krieg der Roboter allerdings erst begonnen", fürchtet Mónica. Es sei nämlich kaum zu erwarten, dass sich die Profi-Reservierer von Mónicas Programm ohne Gegenwehr geschlagen geben. Es gehe nun darum, einen noch schnelleren Bot zu kreieren - also einen, der schneller reagiert als alle anderen und sogleich einen Tisch reserviert. "Derzeit prüft das Programm ein Mal pro Minute, ich habe schon Verbesserungen vorgenommen wie etwa, dass das Formular in einem Schritt statt in drei Schritten ausgefüllt wird. Ich arbeite aber an einem neuen Bot, der alle fünf Sekunden nachfragt", sagt Mónica. Hilfreich wäre auch, die schnellste Verbindung zum Server der Restaurants herauszufinden und somit einen weiteren Zeitvorteil zu erlangen. "Außerdem baue ich eine kleine Website, sodass auch Menschen ohne Computerkenntnisse den Bot nutzen können", sagt Mónica.

Es kämpfen also Roboter gegen Roboter, damit Menschen zu Abend essen können. Der Anruf beim Restaurant, eine arrogante Absage - das klingt angesichts dieser Entwicklung wie eine nette Anekdote aus vergangener Zeit. Allerdings, und das zeigen die teils recht teuren Reservierungs-Agenturen: Wer reich genug ist, der bekommt meist doch einen Tisch. Manche Dinge ändern sich eben auch mit dem Internet nicht.

Freund hört mit

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Hat Snowden übertrieben? Oder ist alles schlimmer? Was wusste Steinmeier? Hat Merkel etwas zu verbergen? Wie der US-Geheimdienst die Deutschen ausspäht - und was die Sache zum Stoff für den Wahlkampf macht. Fragen und Antworten

Union und FDP sind in die Offensive gegangen. Schon unter der rot-grünen Koalition sei die Basis für die Ausspähung deutscher Bürger durch den US-Geheimdienst NSA gelegt worden, behauptet die Regierung. Zudem habe der BND den Amerikanern nicht, wie angenommen, millionenfach Daten über deutsche Bürger übermittelt - sondern nur Ergebnisse der Auslandsüberwachung. Gibt es also gar keine Beweise für die Ausspähung deutscher Bürger, die Whistleblower Edgar Snowden enthüllt hat? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Affäre.



Menschen mit Edward-Snowden-Masken in Brasilia

Ist der NSA-Skandal - aus deutscher Sicht zumindest - gar kein Skandal?

Dies ist einer der größten Skandale der jüngeren Geschichte. Der frühere Mitarbeiter des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) Edward Snowden hat viele Zehntausend Dokumente der NSA und des britischen Geheimdienstes GCHQ mitgenommen. Aus den wenigen bekannt gewordenen Unterlagen ergibt sich die Ideologie eines Geheimdienstsystems, dessen Ziel die Kontrolle der Gesellschaft ist. Neu ist der Umfang der Überwachung, ebenso die Zielrichtung, die nichts mehr mit der alten Spionage zu tun hat. Sie richtet sich nicht gegen staatliche Einrichtungen, sondern gegen jedermann. Dokumente belegen, dass die NSA insbesondere mit amerikanischen, aber auch europäischen Internetkonzernen eng zusammenarbeitet, um eine weltweite Kontrolle der Kommunikation sicherzustellen. Riesige Datenspeicher werden gebaut. Ausländer sind dabei für die NSA vogelfrei.

Wer ist im Visier der NSA?

Die knappe Antwort: Alle Menschen, die telefonieren oder das Internet benutzen.

Wen erfasst das Spionageprojekt Prism, das Snowden enthüllt hat?

Laut den Dokumenten von Snowden hat die NSA Zugriff auf die Daten zahlreicher US-Firmen - etwa Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, Skype und Apple. Die US-Geheimdienstler können E-Mails mitlesen, Suchanfragen nachvollziehen und Gespräche abhören. Sie können theoretisch jeden Vorgang im Netz überwachen. Nachdem bekannt wurde, dass das Bundeswehr-Kommando in Afghanistan schon 2011 über das Prism-Programm informiert worden war, teilte die NSA mit, was bislang in Sicherheitskreisen als unwahrscheinlich erachtet wurde: dass es mehrere Programme namens Prism gäbe, nämlich drei - das von Snowden enthüllte, außerdem aber auch noch ein "collection management tool" des US-Verteidigungsministeriums. Und dazu ein Prism-Portal zum Informationsaustausch.

Gibt es noch weitere Abhörprojekte der Amerikaner?

Prism ist nur ein Teil eines globalen Abhörprojekts der NSA. Die Snowden-Dokumente lassen die Dimension erahnen: Mit der Software X-Kesycore, so heißt es, könne man auf sämtliche Facebook-Chat-Inhalte einer Person zugreifen. Auch könne rückwirkend überprüft werden, was jemand im Internet gesucht hat. Die NSA schwärmt vom "weitreichendsten" Spionagesystem der US-Regierung. Beim globalen Lauschangriff spielt neben Prism das Projekt Upstream eine große Rolle: Damit sollen US-Geheimdienstler auf Daten von Glasfaserkabeln und Internetknotenpunkten zugreifen können.

Wann muss ein deutscher Internet-Nutzer damit rechnen, dass die NSA ihm über die Schulter schaut?

Eigentlich immer. Auf einer internen NSA-Präsentation heißt es, die Agency könne "fast alles, was ein typischer Internetnutzer macht" überwachen. Es gehört zum Prinzip des Internets, dass die Daten weitgehend dezentral gespeichert werden. So liegen viele Internetseiten aus Deutschland auf Servern in den USA, auch E-Mails, die innerhalb von Deutschland verschickt werden, laufen auf dem Weg zu ihrem Empfänger über ausländische Server, Knotenpunkte oder Kabel. Selbst wenn die NSA nicht auf deutschem Boden abgreift, hat sie also Zugriff auf die Daten deutscher Nutzer. Auch wird ein Großteil der weltweiten Internetkommunikation über amerikanische Dienste abgewickelt, etwa Microsoft, Skype oder Facebook - und auf deren Daten hat die NSA offenbar Zugriff.

Ist das legal?

Die US-Regierung sagt: ja. Alles sei von Geheimgericht Foreign Intelligence Surveillance Act (Fisa) abgesegnet worden. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass es nach deutschem Recht legal ist. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat Ende Juni ein sogenanntes Beobachtungsverfahren eingeleitet. Über ein mögliches Ermittlungsverfahren wegen Spionage ist aber noch nicht entschieden.

Welchen Stellenwert hat Deutschland für die NSA?

Deutschland ist seit dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Knoten für die US-Geheimdienste. Insbesondere in der Zeit des Kalten Krieges waren Hundertschaften von NSA-Mitarbeitern in Deutschland. Heute hat die NSA vermutlich noch drei Standorte in Deutschland: in Darmstadt, in Wiesbaden und in Stuttgart. In Stuttgart betreibt die NSA mit einem "Representative Europe Office" die offizielle Vertretung für Europa, in Darmstadt das "European Cryptology Center". In Wiesbaden entsteht derzeit für mehrere Millionen Dollar ein "Consolidated Intelligence Center". Was genau in den abhörsicheren Räumen der Anlage geschieht, ist nicht bekannt. Auf einer Landkarte der NSA ist Deutschland als einziges europäisches Land gelb eingefärbt - wohl als Indikator für besonders intensive Überwachung beziehungsweise besonders große Datenströme.

Es gibt Irritationen um die Zahl der personenbezogenen Daten deutscher Staatsbürger, die abgespeichert werden. Es zirkulierte früh die Zahl von 500 Millionen Daten. Diese Zahl wird jetzt in Frage gestellt. Lag der Enthüller Snowden also falsch?

Nein. Das Problem besteht darin, dass nur ein Bruchteil des Materials bislang bekannt ist, Miniaturen gewissermaßen. Sie lassen die Größe ahnen, aber erlauben längst keine vollständigen Überblick. Laut den Dokumenten von Snowden sollen pro Monat 500 Millionen Datensätze aus Deutschland beim US-Geheimdienst einlaufen. Wo sie erhoben werden, darüber gaben die bislang bekannt gewordenen Unterlagen keine Auskunft. Mag sein, dass es voreilige Interpretationen gegeben hat, die nun korrigiert werden müssen. Unter der Rubrik "Most Volume" sind die Codes US-987LA und US-987LB aufgeführt. Damit sollen die BND-Abhöranlage im oberbayerischen Bad Aibling sowie die Fernmeldeaufklärung in Afghanistan gemeint sein. Dort erhebe der BND Ausklärungsdaten aus ausländischen Krisengebieten - und nur diese, nicht aber Daten deutscher Bürger, so legt es die Bundesregierung nahe, seien an die NSA weitergeleitet worden.

Gibt es Hinweise darauf, dass der BND nicht die Wahrheit sagt?

Viel spricht dafür, dass der BND sorgfältig und gesetzeskonform mit den Daten deutscher Bürger umgeht. Die NSA braucht auch nicht den großen Pakt. Sie ist auf die Zulieferung des BND nicht angewiesen. Über die Programme Prism und Upstream hat sie bereits Zugriff auf die Daten von Millionen Internetnutzern weltweit - und damit auch auf Millionen Deutsche.

Was hat Frank-Walter Steinmeier 2002 als Chef des Kanzleramts genehmigt? Die Ausspähung Deutscher durch den US-Geheimdienst?

Steinmeier war einer der Männer, die nach den Terrorangriffen des 11. September 2001 die von Kanzler Gerhard Schröder den USA gelobte "uneingeschränkte Solidarität" mit Leben zu erfüllen hatten. Als Kanzleramtschef fielen die Geheimdienste in Steinmeiers Zuständigkeit. Und diese sollten, das war kein Geheimnis, ihre Zusammenarbeit mit den USA verstärken. Schon deshalb, weil die islamistischen Terrorangriffe zum Teil in Deutschland von der "Hamburger Zelle" vorbereitet worden waren. Steinmeier, so stellt es nun die Bundesregierung dar, traf eine "Grundsatzentscheidung" für ein Abkommen zwischen BND und NSA zur Schaffung des gemeinsamen Abhörzentrums in Bad Aibling. Mit Prism hatte das nichts zu tun, das Programm gab es damals noch gar nicht. Dennoch will die FDP Steinmeier vor das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) laden, weil er "die Grundlagen für die Zusammenarbeit von BND und NSA gelegt" habe. Steinmeier ist keine Amtsperson. Theoretisch müsste er einer Ladung nicht folgen.

Wird die Sitzung des PKGr am Montag Klarheit schaffen?

Das ist eher unwahrscheinlich. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla wird aller Voraussicht nach die neuen Informationen zum Austausch des BND mit der NSA NSA ausbreiten. Aber die Frage, ob die NSA weitere Daten abschöpft, wird offen bleiben. Zumal die Amerikaner selbst sich bislang nur in einer dürren schriftlichen Erklärung geäußert haben. Entsprechend werden sich Regierung und Opposition vor und nach der Sitzung weiter sehr unterschiedlich über die Lage äußern. Schon bei den letzten Sitzungen des PKGr wurde sichtbar, dass es mehr um eine gute Position im Wahlkampf als um echte, gemeinsame Aufklärung gegangen ist.

Welche Daten erhebt der britische Geheimdienst von deutschen Bürgern? Gibt er sie an die Amerikaner weiter?

Der britische Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) ist ein enger Partner der NSA - und laut Snowden noch gieriger nach Informationen. Nach Recherchen der SZ späht das GCHQ zahlreiche Unterseekabel aus, darunter TAT-14, das Deutschland mit Großbritannien und den USA verbindet und zu dessen Betreibern auch die Telekom gehört. Laut den Snowden-Unterlagen arbeiten mehrere Telekommunikationsunternehmen mit dem GCHQ zusammen, wahrscheinlich nicht unbedingt freiwillig. Über die Infrastruktur dieser Firmen läuft ein großer Teil der deutschen Internetkommunikation. Daten, die in die Hände des britischen Geheimdienstes gelangen, werden in der Regel an die NSA weitergereicht.

Wann wird das gesamte Snowden-Material zur Verfügung stehen?

Der Umfang des Materials soll gigantisch sein. Aber darf Snowden alles veröffentlichen? Erlaubt Moskau mit Blick auf die Beziehungen zu den USA umfängliche Dokumentationen? Vertraute von Snowden sollen Kopien des Materials besitzen. Warten sie seine Genehmigung zur Veröffentlichung ab und wird, wenn sich das alles über viele Monate ziehen sollte, das Publikum das Interesse noch haben, Snowdens Dokumente als Enthüllung zu verstehen? Niemand weiß darauf eine Antwort.
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