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Späte Einsicht

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Madrid – Mehr als zwei Dutzend Immobilienbüros haben in den vergangenen Monaten in Madrid eröffnet. Auch in anderen spanischen Großstädten zeichnet sich eine deutliche Belebung in der Branche ab. Kein Zweifel: Wie die gesamte Volkswirtschaft kommt auch der Immobilienmarkt aus der Krise, wenn auch langsam und vermutlich mit Rückschlägen. Die Spuren der Immobilienblase, die vor sechs Jahren platzte und die gesamte Volkswirtschaft mit herunterriss, sind im ganzen Land zu sehen: Zehntausende Bauruinen, Hunderttausende leer stehender oder nicht vollendeter Wohnungen.



Die Bauruine in Playa Honda ist ein Überbleibsel der geplatzten Immobilienblase.

Mittlerweile ist eine Fülle von Studien über das Entstehen der spanischen Krise entstanden. Die meisten Autoren sind sich einig darin, dass sie geradezu ein Paradebeispiel für ein hausgemachtes Desaster ist. Sie ist die Folge der Inkompetenz und Selbstüberschätzung von Politikern und Bankdirektoren sowie der Naivität der Kreditnehmer. Sämtliche Kontrollmechanismus versagten in eklatanter Weise. Überdies brachte der Bauwahn ein nie gekanntes Maß an Korruption mit sich. Mit der Aufarbeitung der kriminellen Machenschaften, die in die Führungsgremien aller großen Parteien hineinreichen, ist die spanische Justiz allerdings offenkundig überfordert.

Am Anfang stand die Idee, mit Impulsen für die Bauwirtschaft eine desolate Wirtschaftslage mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit zu überwinden. Diese hatte der sozialistische Premier Felipe González 1996 hinterlassen, als er nach 14 Jahren an der Regierungsspitze amtsmüde und zermürbt auch von Korruptionsaffären in den eigenen Reihen seinen Abschied von der Politik nahm. Sein konservativer Amtsnachfolgers José Maria Aznar gab die Parole aus, jeder Spanier müsse das Recht auf ein Ferienhaus haben, durchaus mit patriotischem Unterton: Warum sollten die reichen Nordeuropäer den Spaniern die schönsten Baugründe wegnehmen?

Wichtigste Voraussetzung dafür wurde eine Liberalisierung des Bodenrechtes: Die Bürgermeister konnten nun nahezu unbegrenzt Ackerland und auch oft genug Naturschutzgebiete zu Bauland umwidmen. Hinzu kamen niedrige Kreditzinsen in der Euro-Zone. So wurde in den folgenden Jahren das Küstengebiet weitgehend zubetoniert. Die Wirtschaftszahlen, die Aznars Superminister für Wirtschaft und Finanzen Rodrigo Rato vorlegte, machten im Ausland so großen Eindruck, dass er zum Chef des Internationalen Währungsfonds aufstieg. Ausländische Banken, darunter auch die größten deutschen Geldhäuser, pumpten Milliarden in den spanischen Markt.

Die Konservativen wurden nach acht Jahren abgewählt, die Regierung übernahm 2004 der Sozialist José Luis Zapatero. Die Wirtschaftspolitik vertraute er dem bisherigen EU-Kommissar Pedro Solbes an. Beide sahen im Bausektor auch ein ideologisches Feld: Nicht nur die Besserverdienenden sollten sich eine zweite Wohnung leisten können, sondern jedermann. Baukredite wurden steuerlich begünstigt; die Banken verloren jegliche Hemmungen, um noch höhere Umsätze zu machen, die Maßstäbe für die Bonität setzten sie stark herab.

Innerhalb von drei Jahren vervierfachte sich unter Solbes das Gesamtvolumen an Immobilienkrediten, 2007 wurden in Spanien mehr Wohnungen gebaut als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Die Bau- und Immobilienbranche machte nun zwölf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus, fast doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt. Über Warnungen vor einer Überhitzung der Konjunktur mokierte sich der frühere EU-Kommissar – heute rechnen Kommentatoren ihn, seinen Chef Zapatero sowie den Konservativen Rato zu den größten Nullnummern in der modernen Wirtschaftsgeschichte Spaniens.

Zwar hat das Platzen der Immobilienblase den Bankensektor schwer erschüttert, aber keineswegs zu massenhaften Zwangsräumungen geführt, wie es gerade ausländische Medien oft darstellen. Es gab nur wenige Zehntausend im Laufe von sechs Jahren, über die genaue Zahl streiten sich die Experten. Die meisten Krisenverlierer hatten nämlich Kredite für eine Zweitwohnung aufgenommen. Nach wie vor ist Spanien europäischer Spitzenreiter bei privatem Immobilienbesitz: 83 Prozent wohnen in den eigenen vier Wänden, 36 Prozent aller Familien verfügen über eine Zweitwohnung oder ein Ferienhaus, doppelt so viele wie in der Bundesrepublik.

Politische Brisanz haben die Folgen der Immobilienkrise dennoch, wie die Europawahlen im Mai belegten: Kleine linke Gruppierungen, die eine strengere Regulierung der Finanzindustrie fordern, brachten mehr als die Hälfte der Wähler hinter sich. Die Krise hat nachhaltig das Vertrauen in die Politiker der großen Parteien erschüttert, zumal offensichtlich geworden ist, dass weder sie, noch die Bankdirektoren für ihre Fehlentscheidungen haftbar gemacht werden. Thomas Urban

Was mir das Herz bricht: Marode Fußballtore im Dschungel

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Es ist wahrscheinlich egal, in welchen Teil der Welt man reist, und wahrscheinlich ist es auch egal, ob man sich in einer Großstadt befindet, auf einer kleinen Pazifikinsel oder in einer Wüste. Es ist immer dasselbe: Wo es Menschen gibt, gibt es auch einen Fußballplatz. Aber jeder Fußballplatz ist anders. Vor allem, was emotionale Reaktionen angeht.  





Wenn ich, nur zum Beispiel jetzt, mit der S-Bahn am Fußballplatz des FC Neufahrn vorbei fahre, löst das in mir rein gar nichts aus. Amateurfußball, Parkplatz, Fluchtlichtanlage, Vereinsheim. So what. Die Menschen, die hier Fußball spielen oder ihren Kindern dabei zusehen, tun das, weil es ihr Leben weniger langweilig macht oder weil sie es immer schon getan haben. Es ist ihr Hobby. Es ist ihre Freizeitbeschäftigung.  

Wenn ich aber, auch nur zum Beispiel, solche Tore wie auf einer Reise im Senegal sehe, ist es anders. Dort standen auf einer kleinen Halbinsel in einem abgelegenen Flussdelta, in der staubigen Ebene zwischen zwei Dörfern, zwei einsame, verbeulte Tore ohne Netz. Sie sahen aus, als würde jeder beherzte Pfostentreffer ihre Existenz gefährden. Ungefähr in der Mitte zwischen ihnen waren zu allem Überfluss noch die Spuren des Eselkarrens zu sehen, der hier gerade durchgefahren war, wie jeden Tag, weil er irgendwas vom Bootssteg in die Dörfer brachte. So ein Anblick bricht mir das das Herz.  

Zuerst ist da diese Rührung, die einen überkommt, wenn man das Gefühl hat, etwas Purem und Wahrhaftigem zu begegnen. Eine Fläche und zwei Tore darauf, mehr braucht der Mensch nicht zum Glück. Fußball ist ein so simples Spiel, es funktioniert hier genauso wie in der Welt der Vereinsheime und Flutlichtanlagen und es hat sich überall durchgesetzt, bis in die entlegensten Winkel des Planeten. Aus diesem Grund drückt in einer Reisegruppe, die durch ein Dschungeldorf im Amazonas und dabei an einem maroden Dritte-Welt-Tor vorbei wandert, auch garantiert mindestens einer den Instagram-Auslöser. Denn das Bild sagt: Seht, ich habe wahre Schönheit erkannt.

Gleichzeitig macht das marode Tor aber den Unterschied zwischen Wohlstandswelt und Armut besonders deutlich. Theoretisch müssten Fußballplätze immer gleich aussehen, weil dort, egal wo sie sich befinden, immer dasselbe Spiel gespielt wird. Tun sie aber nicht. Hier gibt es kein Vereinsheim, sondern einen Baum, unter dem manchmal ein paar Alte sitzen, wenn die Jungen spielen. Hier gibt es kein Flutlicht und die Solarlampen, die ein UN-Hilfsprojekt im Dorf aufgestellt hat, stehen eben nur im Dorf und nicht bei den Toren. Hier ist Fußball keine Freizeitbeschäftigung, weil kaum jemand Arbeit hat. Im Gegenteil: Die Tore sind Projektionsfläche für die Hoffnung, die manche der Jungen hier haben. Sie kennen die Geschichten von den Stars, die es aus kleinen Dörfern, dunklen Vorstädten oder Slums in die Weltspitze geschafft haben. Sie sind Vorbilder für die Jungen, die auf die Dschungel- und Steppentore schießen. Aber die allermeisten dieser Hoffnungen werden enttäuscht, der Großteil der Jungen wird mit seinem Freistoß nie einen anderen Pfosten treffen als den einen, den sie schon ihr ganzes Leben lang immer mal wieder getroffen haben. 

Am Donnerstag beginnt die WM in Brasilien. Vier Wochen lang werden Millionäre in hochmodernen Stadien unter Beobachtung von sehr vielen, über den ganzen Globus verteilten Menschen Fußball spielen. Aber das ändert nichts daran, dass jeden Tag über den ganzen Globus verteilt sehr viele arme Menschen auf schlechten Plätzen mit schiefen Toren Fußball spielen. Unter Beobachtung von niemandem.

Fünf Wochen Durchfall - gebucht!

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Tansania, M’tae. Inzwischen habe ich mich mindestens 367 Mal gedreht auf diesem Ding, das ich lieber nicht Matratze nenne. Ist auch arschkalt in dem Zimmer ohne Fensterglas und die Scheißdrecksmoskitostiche jucken. Vor allem aber: die Reis-mit-Bohnen-Zwangsdiät für Vegetarier bekommt mir nicht so gut. Sobald ich eingeschlafen bin, wache ich wieder auf, weil ich auf Toilette muss. Zum Glück habe ich die Stirnlampe, die mir Papa trotz heftiger Proteste am Tag vor dem Flug heimlich in den trekkingtauglichen Wanderrucksack geschmuggelt hat, denn hier gibt es keinen Strom. Meinen leeren Handyakku erwecke ich morgen in der kollektiven Landestation des Ortes zum Leben. Empfang werde ich trotzdem nicht haben, aber egal.  

„Das ist halt das echte tansanische Leben. Richtig ursprünglich“, denke ich dann beim Benutzen der Wasserkellen-Klospülung. In meiner Euphorie spritze ich meine nackten Flipflop-Füße mit der trüben Flüssigkeit aus der niedrigen Schüssel voll.



Bei diesem Bild von Armut müssen manche Leute an politische und soziale Probleme denken. Andere würden stattdessen gerne einen Like-Button drücken.

Wenn ich meine Uhr zehn Monate zurückdrehe, befinde ich mich an einem der ärmsten Orte in dem für afrikanische Verhältnisse einigermaßen reichen Land. Und ich bin begeistert. „Karibu“, also "Willkommen", sagt man in ganz Tansania zusätzlich zum "Hallo" – und hier fühlt es sich nicht wie eine Floskel an. Ich probiere ein einfacheres, aber gleichzeitig härteres Leben aus. Und es scheint zu passen. Ja, ich bin zwischen Lehmhäusern und Wellblechdächern so glücklich wie lange nicht mehr. Obwohl ich mich gerne mal wieder bei meinen Freunden melden würde, unter chronischem Durchfall leide und über Rückenschmerzen jammere.  

Wieder zurück im Jetzt scrolle ich in meinem Facebook Newsfeed über das obligatorische Wellblech-Foto aus dem Brasilienurlaub meiner Kommilitonin –27 Likes bekam sie dafür. „Wie kann man so ignorant mit einem Bild von Armut umgehen?“, denke ich wütend. Im nächsten Moment quält mich ein hartnäckiger Gedanke: „Hast du nicht selbst ein Bild von tansanischen Kindern mit Karies-Lächeln und abgewetzter Kleidung geteilt?“ Stimmt, habe ich. Plötzlich fühle ich mich ertappt – und muss mir ziemlich ungemütliche Fragen stellen: Zieht mich Armut irgendwie an? Und wenn ja, warum? Setzen wir mit unseren Reisen und Fotos denn nicht die Würde anderer Menschen herab?  

Kritiker schreien jetzt: „Natürlich macht ihr das, ihr verzogenen Westkinder!“ Für Reisen in ärmere Gegenden haben sie Begriffe wie „Menschensafari“ oder „Armutspornografie“ parat. Tatsächlich erlebt die sehr fragwürdige Branche des Slumtourismus einen Boom wie einst der Ballermann. Kommerzielle Anbieter oder karitative Einrichtungen machen in Städten wie Rio de Janeiro, Kapstadt und Neu-Delhi mit geführten Touren durch Armenviertel richtig Geld. Dabei trampelt man teilweise zu zwanzigst in ein Zuhause, fotografiert hemmungslos in der Privatsphäre der Bewohner herum und ist fasziniert bis schockiert. Durch solche Exkursionen werden Familien oftmals als Opfer stilisiert und durch mitleidige Zooblicke entwürdigt. Genauso ignorant ist es, wenn wir Touristen die Slums als kulturelle Eigenheit mit einem gewissen fremdartigen Charme abstempeln. Schließlich sind sie ein politisches und soziales Problem. Wenn wir für Touren bezahlen, geben wir den Regierungen in Brasilien, Südafrika und anderswo Anreize, Armut nicht zu bekämpfen, sondern zu vermarkten.    

Für die meisten Backpacker kommt organisierter Slumtourismus nicht in Frage, schließlich will man das fremde Land lieber auf eigene Faust erkunden. Ein gewisses Maß an Voyeurismus haben unsere Exkursionen in arme Gegenden aber auch an sich. Was gefällt uns also so an ihnen? Tja, da ist natürlich diese generationsbedingte Neugierde, aber auch eine tief sitzende Abneigung. Wir jungen Leute wollen uns unbedingt abgrenzen von unseren Eltern und dem Deutsch sein. Das Grauen vor dem Sinnbild des Spießbürgertums ist groß: der Socken-in-Sandalenträger, der sich am Hotelbuffet vordrängelt, vor acht Uhr mit hämischem Grinsen eine Liege in Bestlage reserviert und meistens nicht mal „sänk ju“ sagt. Genauso schlimm scheint die jugendlichere Variante des Trichtersäufers auf Malle. Vor dieser all-inclusive-Mentalität ekeln wir uns so sehr, dass wir krampfhaft darauf bedacht sind, Interesse an anderen Ländern, Lebensstilen und Sprachen zu zeigen. Manchmal machen wir uns es dabei leider so einfach, tansanische Lehmhütten genau wie die Slums von Rio als einen integren Teil der fremden Kultur zu simplifizieren.  

Das Phänomen kann man etwas sperrig, dafür aber auf den Punkt mit einem Wort benennen: Horizonterweiterungsreise. Wie ein Kompass führt uns der Drang, mehr von der Welt zu sehen, riechen, schmecken und fühlen an Orte, die vorher unbekannt waren.Wir wollen wissen, wie es sein kann ohne Konto, Leistungsdruck und erste-Welt-Sorgen. Wir haben das Bedürfnis, Geschichten zu erleben, auf die wir später gefühlsduselig zurückblicken – und leben dadurch in einer ganz verrückten Zeitform, dem Futur II. Ein romantisches Pärchenwochenende am Bodensee, Piña Coladas am Pool oder die Städtereise nach Barcelona generieren weder krasse Erfahrungen noch legendäre Geschichten oder besonders viele Likes auf Facebook oder Instagram. Zumindest glauben wir das.  

So ein Generationsding sollte man nicht missbilligen, aber kritisch sehen. Sofern ich nicht gerade mit Glücklichsein beschäftigt war, habe ich im tansanischen Bergdorf über Moskitostiche, das Funkloch und die Rückenschmerzen gemeckert. An einem Ort, an dem die meisten Menschen an der Armutsgrenze leben und Nahrungsmittel lange Wege auf dem Kopf schleppen müssen, finde ich diese Waschlappigkeit im Nachhinein eher unangebracht. Dafür habe ich mich nie wie ein Zoobesucher benommen und mich mit den Menschen ausgetauscht statt ihnen zuzusehen – hier liegt für mich die Abgrenzung zum Slumtourismus. Ich finde, um einem fremden Ort näher zu  kommen, dürfen wir auch mal einen Monat lang die Armut anderer Menschen und die Tücken unseres Verdauungssystems kennen lernen. Dabei sollten wir eines nie vergessen: Das Leben in Lehmhütten und Wellblechhäusern fasziniert uns nur deswegen, weil wir kleine Unannehmlichkeiten genau wie großes Elend mit dem Betreten des Sicherheitsbereiches am Flughafen zurück lassen können.

Fünf Songs für den WM-Start

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Alexis Taylor – Without A Crutch

http://vimeo.com/97414814  

So formschön wie Alexis Taylor müsste man sich grämen können! Er hat seit Freitag eine neue Platte draußen, und es ist kurios: Während sein Hauptprojekt Hot Chip seit einigen Jahren mit jedem Album fröhlicher klingt, winden sich die Solosachen dieses Mannes in immer tiefere Bedröppeltheit hinein. Wunderbar bei all diesem Sommergegrinse ringsum!

Bob Moses – I Ain’t Gonna Be The First To Cry


http://www.youtube.com/watch?v=MzKrszohZVY  

Aha, zwei Burschen mit Korg-Sampler und E-Gitarre! Die Kanadier Bob Moses kommen in derselben Mannschaftsaufstellung daher wie Darkside, die Konsens-Band des vielgerühmten Nicolas Jaar. Und auch klingen tut das nicht unähnlich, so lasziv schummer-housig. Aber ein teuflisch guter Song bleibt ein teuflisch guter Song, also rauf auf den Playbutton!

Spoon – Rent I Pay


http://www.youtube.com/watch?v=NOPfmfRVWmk#t=67  

Die einst cleverste Indierockband Amerikas hat seit Jahren mal wieder ein neues Album im Landeanflug. Dieser Song hier wurde soeben auf Youtube freigelassen - und yeah, zur Abwechslung von dem ganzen Digitalkram schnuckelt so ein bisschen hausgemachter Gitarrenschichtkuchen wieder ganz gut rein!  

Blood Orange – You’re Not Good Enough


http://www.youtube.com/watch?v=7gtdpnKbT10&feature=youtu.be  

Dev Hynes heißt der maximaltalentierte Mensch hinter Blood Orange, der unter anderem für die Chemical Brothers Songs geschrieben hat - und soeben auch für den Film „Palo Alto“. Die Romanvorlage dazu stammt von James Franco, der auch die Hauptrolle spielt, Regie hat die Jüngste aus dem Coppola-Rennstall geführt (Vorname: Gia). Prädikat: schwerst indietrendverdächtig, v.a. wegen der weißen Socken in Sandalen!

Glass Animals – Black Mambo

http://www.youtube.com/watch?v=tNygDLi9gb4&feature=kp  

Und dann liegt noch das hier ganz oben in der CD-Kiste: Vier Engländerburschen, deren Debüt-Platte gerade allseits von der Musikpresse gehighfived wird. Angenehm bergseekühler R&B, in den zwanzig gehäufte Esslöffel großartig-vertrackter Ideen eingerührt sind!

Wie viel "Wir" brauchst du?

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Fangen wir doch mit Tennis an. Der Fußball kann ja nicht immer schuld sein und außerdem ist Philipp Kohlschreiber "ein krasser Idiot". Behauptete Freund J. jedenfalls vor knapp zwei Wochen. Und er sagte es mit der etwas unkontrollierten Inbrunst, die Menschen eher nur entwickeln, wenn etwas in ihnen gegärt hat und sich dann sehr spontan Bahn bricht. Auch laut also.  

Grund für den Ausbruch waren die damals bereits etwas zurückliegenden Querelen um Kohlschreibers fehlendes Davis-Cup-Commitment (die Spiele passten ihm offenbar nicht recht in Turnier- und Trainingsplan und verletzt war er ja auch). "Wenn ich die Möglichkeit habe, für mein Land zu spielen", stellte J. also fest, und sein Ton klang da schon etwas bürstenschnittig, "dann muss das doch das Größte für mich sein." Das befremdete mich.  

Ich kenne J. als grundentspannten, weltoffenen Halodri mit Affinität zu langen Feiern und viel Essen. Patriotismus war mir an ihm bis dato nicht aufgefallen. Ich kann also nicht sagen, ob er immer schon da war (der Patriotismus), oder ob die nahende WM ihn vielleicht weckte. Ich traue mich seither auch nicht, zu ergründen, wie tief das alles geht: "Wenn ich die Möglichkeit habe, für mein Land in den Krieg zu ziehen, dann muss das doch das Größte für mich sein", hat er aber noch nicht gesagt, obwohl es für mich sehr ähnlich klingt. Aber dass "Wir" bei der Fußball-WM in Brasilien jetzt dann dieses oder jenes tun oder dringend lassen müssen, das hört man schon oft von ihm. Von überraschend vielen Menschen ja.  


Wieviel davon willst du?

Ohne jetzt ganz tief einsteigen zu wollen, halte ich alle Nationen für ein widerwärtiges Konstrukt, begründet auf nichts anderem als einem gigantischen Gewaltakt, der zum Ausschluss aller führte, die eben nicht drinnen sind. Wer das jetzt für jahrhundertealte Linken-Phrasen hält: stimmt schon. Trotzdem zum Beispiel mal in die Krim schauen. Da kann man das grad ja wieder ganz gut beobachten. Nahostkonflikt auch.  

Egal. Es gibt ja auch besonnene Zeitgenossen, den Bundespräsidenten zum Beispiel, der der Deutschtümelei weithin unverdächtig ist, und der freut sich in der Bild auch sehr auf die WM. Das Motto "alle im gleichen Rhythmus" klinge nämlich "wie ein kraftvolles Anfeuern oder wie ein großartiges Versprechen auf Gemeinschaft, Gefühle, Ausgelassenheit! Ich muss an das Sommermärchen 2006 denken, als wir Gastgeber waren."  

Deshalb also: Wie hältst du’s mit alldem? Kannst du das Wir-Gefühl verstehen? Ist es für dich etwas, das Menschen Kraft gibt? Weil es gar in unserer Natur begründet ist, dass wir uns abgrenzen wollen? Gibt es das für dich: ein positives Gemeinschaftsgefühl innerhalb einer Nation? Fahnen am Auto? Schwarz-rot-goldene Schminke im Gesicht? Patriotismus: gut; Nationalismus: schlecht? Oder zwei Seiten derselben Medaille? Und welche Rolle spielt der Sport da? Oder, zusammengefasst: Wie viel "Wir" brauchst du?

Sand in der Sonnenmilch

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In seinem privaten Leben ist Georgios Sotiriou, braunäugig und eher der mediterrane Hauttyp, vermutlich selten auf Sonnencreme angewiesen. In seinem Labor dagegen hat der Forscher von der Harvard School of Public Health in Boston praktisch tagtäglich mit UV-Filtern zu tun, genauer gesagt mit Nanoteilchen aus Zinkoxid. Die stäbchenförmigen Partikel sind definitionsgemäß kleiner als 100 Nanometer und stecken in fast jeder mineralischen Sonnencreme. Sie spiegeln Sonnenlicht einfach weg, lassen sich leicht verteilen und bilden auf der Haut – im Gegensatz zu Cremes mit größeren Zinkoxidteilchen – keine zähe, weiße Schicht. Eigentlich also eine gute Sache, wären da nicht Bedenken zu möglichen Gesundheitsrisiken.



Sonnencreme kann umstrittene Nanoteilchen aus Zinkoxid beinhalten.

„In-vivo und in-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass Zinkoxidnanopartikel in der Lunge akut toxisch und in menschlichen Nervenzellen zell- und gentoxisch wirken können“, schreibt Sotiriou im Fachblatt Environmental Science Nano. Er hat die Partikel deshalb hauchdünn mit Siliziumdioxid beschichtet, dem Hauptbestandteil von Sand. Es ist im Nanoformat schon seit vielen Jahren als Rieselhilfe in Kochsalz oder Tütensuppen im Einsatz. Die Hülle aus Nanosand verhindert, dass sich Zink-Ionen aus dem Oxid lösen, die in hohen Dosen giftig wirken und zum Beispiel eingeatmet Entzündungen in der Lunge verursachen können. Sie verringert die Gentoxizität des nackten Zinkoxids Sotiriou zufolge um den Faktor drei.

Ganz neu ist die Strategie allerdings nicht. Nanopartikel für Kosmetika sind in der Regel schon heute beschichtet, um mögliche Gesundheitsrisiken zu minimieren. Doch Sotiriou ist überzeugt, eine besonders gute Beschichtungsmethode gefunden zu haben. „Die meisten der üblichen Schichten werden in flüssigen Medien produziert und sind oft sehr dick und porös “, behauptet er. „Wir stellen unsere Siliziumdioxidschicht in der Gasphase her und erhalten eine geschlossene Hülle.“

Solche Versuche belegen, wie tief das Unbehagen über Nanopartikel auch in Wissenschaft und Industrie sitzt. Die Teilchen sind schließlich so klein, dass sie tiefer in den Körper eindringen als je ein Material zuvor. Außerdem haben sie ganz andere physikalische und chemische Eigenschaften als die gleiche Substanz in größeren Einheiten: Nanogold zum Beispiel ist purpurrot. Die bisherigen Versuche, die Stoffe zu regulieren, haben nicht viel zum Vertrauen der Verbraucher beigetragen.

So müsse sich zum Beispiel niemand vor Nanozink fürchten, ob nun unbeschichtet, porös oder dicht umhüllt – besagt eine Stellungnahme des EU-Komitees für Verbrauchersicherheit (SCCS). Demzufolge dürfen Sonnencremes aus dem Drogerieregal bis zu 25 Prozent Zinkoxid-Nanopartikeln enthalten. Das Gleiche gilt für Lotionen mit Nano-Titandioxid, obgleich der Weißmacher aus Wandfarbe und Zahnpasta als eher problematisch angesehen wird. Der Grund für die Freigabe: Die Teilchen blieben im Wesentlichen auf der Haut kleben und kämen zumindest auf diesem Wege nicht mit lebenden Zellen in Kontakt.

Trotzdem ist es wohl sinnvoll, die Winzlinge zu entschärfen, denn die SCCS-Entwarnung hat Einschränkungen. So gilt sie bisher nur für intakte Haut und ausschließlich für die bewerteten Nanomaterialien mit bestimmten Kristallstrukturen, Größen und Beschichtungen. „Angesichts der Vielfalt der Teilchen und der unterschiedlichen Beschichtungen kann es hier keinen Freibrief geben “, betont Thomas Platzek vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), der Mitglied im SCCS ist. Zudem kommen immer neue Varianten der winzigen UV-Filtermaterialien auf den Markt. Auch künftige Zusatzstoffe, die Cremes tiefer in die Haut eindringen lassen, könnten eine Neubewertung des Gesundheitsrisikos erforderlich machen. „Außerdem sollte die Sonnencreme nicht aus einer Treibgasdose gesprüht werden, weil dann lungengängige Aerosole entstehen können“, warnt der Wissenschaftler.

Seit Juli vergangenen Jahres müssen alle Kosmetikprodukte, die Nanoteilchen enthalten, mit „nano“ gekennzeichnet und beim SCCS gemeldet werden. Das Expertengremium prüft dann, ob nach derzeitigem Kenntnisstand eine Gefährdung möglich ist. Das ist Platzek zufolge aber oft schwierig. „Der Forschungsbedarf ist riesig“, betont er. Manche in der Toxikologie etablierten Tests funktionieren für Nanopartikel zudem schlicht nicht, zum Beispiel der bakterienbasierte Ames-Test, mit dem die Gentoxizität einer Substanz festgestellt werden kann. „Wir haben erst in den letzten fünf Jahren gelernt, dass dieser Test im Zusammenhang mit Nanopartikeln sinnlos ist“, sagt der Wissenschaftler. Im Gegensatz zu menschlichen Zellen fehlt den Bakterien ein Mechanismus, um die winzigen Partikel in die Zellen zu schleusen. Negative Testergebnisse könnten deshalb eine falsche Sicherheit vorgaukeln. Jetzt entwickeln Forscher aussagekräftigere Untersuchungen mit Säugerzellen.

Im Fall von Titandioxid sind zudem die Folgen einer ganz besonderen Eigenschaft bisher noch gar nicht so recht untersucht worden. Das Material wirkt fotokatalytisch und kann unter Sonneneinstrahlung aggressive Sauerstoffatome freisetzen. Diesen Effekt macht man sich unter anderem für die Reinigung von Abwasser und Autobahnluft zunutze. Am Körper ist er aber nicht erwünscht. Was die Substanzen unter UV-Licht zudem in biologischen Systemen anrichten können, versuchen zurzeit Forscher von der Leibniz-Universität Hannover herauszufinden. Sie testen die Wirkung verschiedener Titandioxid-Nanomaterialien auf Haut-, Lungen-, Darm- und Nervenzellen. Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor.

Auch wegen solcher Unsicherheiten liegt der Harvard-Forscher Sotiriou mit seinen Beschichtungsversuchen voll im Trend. „Das Schlagwort in der Nanotechnologie heißt heute Safer-by-Design“, sagt Christina Ziemann vom Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) in Hannover. Dabei gehe es darum, Nanoteilchen schon bei der Herstellung sicherer zu machen. Die Teilchen in eine Hülle einzuschließen, ist dabei nur eine Strategie. Eine andere ist, direkt chemisch einzugreifen. Forscher der University of California in Los Angeles etwa haben Zinkoxidpartikel mit Eisen gedopt, das ebenfalls dafür sorgt, dass sich weniger Zink aus dem Oxid löst.

Außerdem arbeiten Wissenschaftler an Methoden, das Risikopotenzial von Nanopartikeln an chemisch-physikalischen Eckdaten wie Größe, Struktur, Form oder Oberflächenbeschaffenheit festzumachen. „Dann könnte man die Produktion so steuern, dass im Idealfall potenziell gefährliche Teilchen gar nicht erst entstehen“, ist Ziemann überzeugt. Bisher ließen mangelnde Standards, zu wenige verlässliche Versuche am lebenden Organismus und Langzeituntersuchungen für viele Materialien nur Spekulationen zu.
Die Safer-by-Design-Forschung ist dabei längst nicht mehr nur ein Anliegen von Wissenschaftlern und Verbraucherschützern. „Sie wird auch von der Industrie vorangetrieben“, sagt die Toxikologin. „Die Unternehmen wollen schlicht nichts produzieren, was wegen möglicher Gesundheitsrisiken später wieder vom Markt genommen werden muss.“

Von Andrea Hoferichter

Hochwürden Honky Tonk

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Jung ist er gewesen und töricht, singt er mit weit geöffneten Armen seinem Publikum in den heißen, dunstigen Abend entgegen. Jung und wütend, eitel und anmutig. Und mit jedem Wort verändert Mick Jagger seine Mimik: terribel theatral, fabelhaft überdeutlich wechselt er die Rollen – vom ewigen Teenie zum Sex-Maniac zum arroganten Showmaster – bis er bei der Zeile ankommt: „I was out there“ – er, der krokodilhäutige Chronist der wilden Zeit, war dabei, damals, da draußen. Immer noch ist Jagger ein Bühnenmonster von beachtlicher Jaggerizität – „a nice bunch of guys“, eine hübsche Ansammlung mehrerer Typen, wie sein Schlagzeuger Charlie Watts ihn mal beschrieb. Hochwürden Honky Tonk, His Mickness.



Die Rolling Stones am Dienstag auf der Berliner Waldbühne: (von links) Keith Richards, Mick Jagger und Ron Wood. 

Als „Out Of Control“ 1998 erschien, gab es die Stones schon mehr als 35 Jahre. An diesem Dienstagabend in der ausverkauften Berliner Waldbühne, wo die Band das erste von zwei Deutschlandkonzerten ihrer aktuellen Welttournee spielte, verstand die Zeilen selbstverständlich trotzdem jeder als gloriose Ode an die Sechziger. Das Jahrzehnt, in dem die Rolling Stones die STONES wurden: die prototypischste, sagenumwobenste, die le-gen-där-ste Rockband, die die Popkultur am Jüngsten Tag hervorgebracht haben wird.

Erlebt haben diese Zeit natürlich längst nicht mehr alle der 22000 Zuschauer. Die Stones-Zunge auf den T-Shirts ist nicht mal mehr Ersatzrebellion. Sie ist eines der Popzitate, das fünfzig Jahre überlebt hat und sie ist das Symbol des wunderbaren Schwindels, der die diese Band umgibt. Denn bei aller beachtlichen, fast gespenstischen Jugendlichkeit von Jagger, der schlangentanzend und nervös zuckend unermüdlich über die Bühne hetzt, aber auch der Frische von Keith Richards und Ron Wood: den Rock’n’Roll, den sie meinen, gibt es schon eine gute Weile nicht mehr. Und das letzte wirklich große Album der Band war womöglich, Hand aufs Herz: „Some Girls“. 1978. Aber ihre großen Songs – „Midnight Rambler“, „Gimme Shelter“, „Brown Sugar“ und „Honky Tonk Women“ – klangen auch an diesem Abend immer noch so, wie sie zu klingen haben, also genauso dringlich, beschwörend, laut. Sagen die Ohren, sagt die Magengrube, das Gehirn aber, die verdammte Vernunft unter der Schädeldecke, die weiß schon: In Wahrheit ist das hier ein Feierabendritual für spektakelgeile Kirmes-Trottel wie uns alle, die alt genug sind, um sich wieder jung fühlen zu wollen: „It’s Only Rock’n’Rock (But ILike It)“. Niemand patscht so schön auf der Tasttatur der ewigen Sechziger herum, Sex, pling, Zynismus, pling-pling, Chaos, wumm, und bisschen Rebellentum, bumm.

Am Ende steht man als Schlaumeier aber natürlich doch ganz blöd da. Wenn Jagger für „Sympathy For The Devil“ im schwarz-roten Federumhang auf einer in rotem Licht glühenden Bühne als Miss Mick zur ersten Strophe ansetzt – „Let me please introduce myself“ – dann ist das doch so nah an einer Teufelsbeschwörung, wie man der eben kommen kann, wenn man zwei, drei Stunden vorher vor seiner Mietwohnung brav in die U-Bahn eingestiegen ist. Wirklich geheimnisvoll ist er da und grazil, und so spitzbübisch dämonisch, dass es einem schon die Schuhe auszieht. 

Mieter können jetzt leichter untervermieten

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Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat mit einem weiteren Urteil die Rechte von Mietern gestärkt. Wer aus beruflichen Gründen eine Mietwohnung zeitweise nicht nutzen könne, habe einen Anspruch auf Untervermietung, entschied der BGH am Mittwoch. Demnach kann ein Vermieter auch zu Schadenersatz verpflichtet sein, wenn er die Erlaubnis zur Untervermietung verweigert. Dies gilt zumindest dann, wenn an der Untervermietung eines Teils der Wohnung ein „berechtigtes Interesse“ bestehe. Ein solches sei im vorliegenden Fall gegeben, da das moderne Erwerbsleben Flexibilität in Bezug auf den Arbeitsort erfordere, urteilte der VIII. Zivilsenat. (AZ: VIII ZR 349/13)



Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Vermieter sind dazu verpflichtet, einer Untervermietung bei "berechtigtem Interesse" zuzustimmen. 

Der BGH entschied zugunsten eines Ehepaars aus Hamburg, das seine Dreizimmerwohnung Anfang 2010 für die Dauer eines mehrjährigen beruflich bedingten Aufenthalts in Kanada teilweise untervermieten und danach wieder übernehmen wollte. Lediglich einen Raum wollten sie zum Lagern persönlicher Gegenstände und für gelegentliche Übernachtungen nutzen. Erst nach einer Niederlage vor dem Amtsgericht Hamburg stimmte der Vermieter Ende 2011 der Untervermietung zu. Für die Zeit bis dahin verlangten die Mieter Schadenersatz in Höhe von knapp 7500 Euro. Der BGH gab dem Paar jetzt recht.

Die im Arbeitsleben verlangte Mobilität und Flexibilität begründen nach den Worten des Vorsitzenden Richters Peter Frellesen mehr denn je den Anspruch auf die teilweise Untervermietung einer Wohnung nach Paragraf 553 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Demnach haben Mieter das Recht, einen Teil ihrer Wohnung unterzuvermieten. Allerdings brauchen sie dafür die Zustimmung ihres Vermieters, der diese aber bei „berechtigtem Interesse“ des Mieters nicht verweigern darf. Mit diesem im Jahr 2001 neu gefassten Paragrafen soll eine Wohnung, die auch dem Erhalt eines gemeinsamen Haushalts und damit Ehe und Familie dienen soll, Bestandsschutz erhalten.

Der BGH erklärte, dass der Anspruch auf teilweise Untervermietung auch dann bestehe, wenn der Mieter ein Zimmer einer größeren Wohnung für sich behalte, „um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder es gelegentlich zu Übernachtungszwecken zu nutzen“. Er müsse nicht darin wohnen. Die vollständige Untervermietung einer Wohnung ist in Paragraf 540 geregelt. Hier wird dem Mieter bei Ablehnung einer Untervermietung lediglich das Recht auf außerordentliche Kündigung gegeben.

Der Deutsche Mieterbund begrüßte das Karlsruher Urteil. Es sei „gerecht und praxistauglich“. Es schaffe die Flexibilität, die ein Mieter heutzutage haben müsse. Das Recht auf Untervermietung werde angesichts des knappen Wohnraums in Großstädten immer wichtiger – etwa für Studenten, die ins Ausland gingen.
Erst in der vergangenen Woche hatte der Bundesgerichtshof das Hausrecht von Mietern gestärkt. Ein Vermieter habe nicht in jedem Fall ein Betretungsrecht und dürfe auch aus der Wohnung gewiesen werden. 

Einsam im Turm

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Vancouver – Auf den ersten Blick ist die West 23rd Avenue in Vancouver eine gemütliche Wohngegend. Blühende Bäume, ein Grasstreifen neben der kaum befahrenen Straße, Einfamilienhäuser mit kleinen Vorgärten. Hier wohnen Rosa und Peter Stenberg in einem zweistöckigen Haus, das sie vor vierzig Jahren erwarben und seither gut instand hielten. Das Nachbarhaus ist nur sechs Jahre alt, fast doppelt so groß wie ihres, aber nicht mehr gut genug für den reichen Besitzer aus China.



Die Skyline der Stadt mit den teuersten Häusern in ganz Noramerika.

Er bot es kürzlich zum Verkauf an – für 2,5 Millionen Euro. „Das war ein erschwingliches Arbeiterviertel“, sagt Peter Stenberg, Universitätsprofessor im Ruhestand.

Diese Zeiten sind endgültig vorbei: Vancouver ist heute die Stadt mit den teuersten Häusern in Nordamerika, vor New York und San Francisco. In der west-kanadischen Küstenmetropole beträgt der durchschnittliche Hauspreis derzeit umgerechnet 920000 Euro. Es ist nicht so, dass die meisten Einwohner von Vancouver wohlhabend wären: Das durchschnittliche Jahresgehalt beträgt 47000 Euro. Vermögende aus der ganzen Welt bringen ihr Geld hierher, investieren es in Marmorwände, Alabastersäulen, goldene Wasserhähne, versinkbare Fensterfronten.

Die Stenbergs leben im Dunbar-Viertel, weil es von hier nur zehn Autominuten zur Universität UBC sind, wo Peter Stenberg bis vor kurzem lehrte. Sie bezahlten einst 40000 Euro für ihr Haus, heute wird dessen Wert auf 1,6 Millionen Euro geschätzt. Läuft man von der Bushaltestelle auf ihr bescheidenes zweistöckiges Heim zu, bemerkt man wuchtige Villen mit hohen Gartenmauern und schmiedeeisernen Toren, die die kleinen Grundstücke fast sprengen. Solche Neubauten sieht man heute in vielen Gegenden Vancouvers. Die Einheimischen nennen sie wegen ihres aufdringlichen Stils „Mausoleen“.

Die Villa auf dem Nachbargrundstück der Stenbergs ist gerade erst verkauft worden, aber die neuen Bewohner sind noch nicht eingezogen. Die Stenbergs vermuten jedoch, dass es erneut reiche Chinesen sind. Der Immobilienagent war ein Chinese. Und auch die Familie, die die Villa verkaufte, stammt aus China. „Das Haus wurde für die Bedürfnisse des chinesischen Marktes gebaut“, sagt Rosa Stenberg. In der US-Zeitschrift The New Yorker lasen die Stenbergs, dass Vancouver eine Superstar-City geworden sei, so wie London, Paris und Mailand. Ein Ort, wo Geld in Immobilien geparkt wird. Denn die drittgrößte kanadische Stadt ist sicher, schön, sauber und stabil.

Ein weiter Weg von der Holzfällersiedlung, in der Mitte des 19. Jahrhunderts nur einige tausend Leute lebten. Andy Yan, ein Stadtplaner bei der Firma Bing Thom Architects, nennt Vancouver eine „Hedge City“, eine Stadt, mit der Vermögende einen Teil ihres Geldes gegen Risiken in ihrer Heimat absichern. „Vancouver ist gesellschaftlich und politisch stabil, das Klima ist ausgeglichen mit relativ milden Wintern und nicht zu heißen Sommern, und unser Schulsystem ist toll“, sagt Yan. „Und wir Kanadier sind sehr freundliche Leute.“ Während es für reiche Russen vor allem London ist und für Lateinamerikaner Miami, bevorzugen betuchte Chinesen Vancouver – wegen seiner langen Geschichte mit chinesischen Einwanderern.

Der chinesische Nachbar der Stenbergs hatte das Haus, das einst auf dem Grundstück stand, gleich abreißen lassen. In der neuen Luxus-Villa lebte seine Frau mit den drei Kindern, während der Vater weiter seinen Geschäften in China nachging. Aber nach sechs Jahren war ihm das Dunbar-Viertel nicht mehr gut genug. Die Familie zog ins prestigeträchtigere Point-Grey-Viertel. Dort sind die fünf teuersten Häuser in Vancouver zu finden. Allen voran das gigantische Anwesen des ehemaligen Lululemon-Gründers Chip Wilson, das 36 Millionen Euro wert ist.

Immer wieder werden in Vancouver gut erhaltene Häuser platt gewalzt, obwohl die Käufer in der Regel mehr als drei Millionen Euro dafür bezahlten. In Point Grey kauften Stenbergs chinesische Nachbarn ein Grundstück, rissen das Haus ab und bauten sich eine viel größere Villa. „Die reichen Chinesen wollen in total neuen Häusern wohnen“, sagt Rosa Stenberg. Im Viertel Shaughnessy, wo früher vor allem „altes Geld“ wohnte – die Nachkommen von Holzbaronen und Bergwerkmagnaten –, müssen deren Residenzen neuen klotzigen Palästen Platz machen. Die ausländischen Käufer suchen vor allem eine Investition, weniger einen Raum zum Wohnen. Die Folge sind „Zombie-Quartiere“ wie Coal Harbour, ein modernes Stadtviertel, wo laut einer Erhebung ein Viertel der Luxuswohnungen fast immer leerstehen, trotz bester Aussicht auf Wasser und Berge.

Die Stenbergs sollten, eigentlich, mit ihrem Millionen-Haus glücklich sein. Doch ihre Kinder können es sich nicht mehr leisten, in der Nähe der Eltern zu wohnen. Schon heute ist der Anteil der Mieter in Vancouver mit 52 Prozent viel höher als in Gesamt-Kanada mit 30 Prozent.

Auch Fotografin Kim Stallknecht weiß, dass sie sich nie wird ein eigenes Haus in Vancouver leisten können. Sie lebt seit über 20 Jahren im trendigen Viertel Kitsilano zur Miete. „Ich kann nicht glauben, was in meiner Stadt passiert, da können nur noch Reiche mithalten“, sagt sie. Eine ihrer Freundinnen, die anonym bleiben will, ergatterte vor elf Jahren eine kleine Wohnung mit einem Schlafzimmer. Ihr Traum wäre ein Zimmer mehr, denn sie braucht ein Büro. Doch diesen Traum wird sie sich nicht erfüllen können, sagt sie: „Der Hauskauf in Vancouver ist heute ein Blutsport.

Tagesblog - 12. Juni 2014

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17:30 Uhr:
Als vorläufig letzte Amtshandlung als Tagesboss empfehle ich nun den Lifehack der Woche, besonders hilfreich für das Münchner Wetter der Woche: Sonnenbrand-Healing mit Schwarztee! Ausgebuddelt vom Lifehacker in Charge Michel.

Ich wünsche einen angenehmen Abend - morgen entertaint euch hier Christina, das wird ein Spaß!

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16:40 Uhr:
Donnerstag heißt immer auch: Die Kettengeschichte geht weiter! Die vergangene Folge endete ja mit einem dramatischen Hilferuf von Anna (einer der heftigsten Cliffhanger bisher, finde ich!). Folge 8 hat nun Userin octopussy geschrieben, und sie hat das derart hitchcockhaft spannend hingekriegt, dass ich nach der Lektüre erstmal Deo nachlegen musste.

Dringend lesen, hier geht's lang!

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16:20 Uhr:
Ohjeohjeohjeohje...





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15:20 Uhr:
Kleine Homestory zwischendurch: Charles Haunhorst macht morgen eine Flugreise und hat dafür soeben den Boardingpass ausgedruckt. Ob sie den ins Handgepäck bekommt?





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14:45 Uhr: Ich denke immer noch über einen guten Wimpelwitz nach, der zu diesem Bild passt:





Wie wäre es mit dem?

"Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Wagen?"
"Weiß nicht."
"In dem einen sitzt ein Hosenscheißer und Schreihals - in dem anderen ein Kleinkind."

Ich gebe zu: Zündet noch nicht so ganz.

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14:00 Uhr:
Tagesbloggen bei jetzt.de - das ist ja ein bisschen wie Tagebuchschreiben mit Tourette. Plus Publikum. Schöner und ehrlicher sind natürlich die Texte in echten Tagebüchern von interessanten Menschen der Zeitgeschichte. Heute ist "Tag des Tagebuchs", und ein paar handverlesene deutsche Musiker haben die Aufzeichnungen von Prominenten vertont, zum Beispiel von Kurt Cobain oder Romy Schneider.

Wir haben den Sänger von "Messer" (die auch dabei sind) gefragt, was den Reiz von Tagebuchtexten ausmacht. Und wie es ist, einen Text zu vertonen, den jemand geschrieben hat, nachdem sein Kind ums Leben gekommen ist. Sehr interessantes Gespräch - jetzt hier lesen!  

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13:20 Uhr:
So, zweiter Pausengong vorbei, weiter geht's hier! Euer Wunsch ist mir wie immer Handlungsanweisung, deshalb hab ich Biazza mitten im Nachtisch vor die Kamera gezerrt, seines Outfits wegen. Frech-mediterran, mit Spuren von Segelyacht-Potenzial:





(Die Flecken auf Hals und Ärmel stammen übrigens von der verschmutzten Smartphone-Linse des Kollegen Winde.)

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12:20 Uhr:
Es gibt diese drei Plätze in jeder Stadt, da sitzen sie abends alle und haben gemeinsam gute Laune. In München sind das zum Beispiel der Gärtnerplatz, der Königsplatz und die Stufen unter der Reichenbachbrücke. Mercedes hat sich gefragt: Warum sitzen die Leute immer in riesigen Hunderterklumpen an denselben Orten - wenn es doch Dutzende andere gibt, die fast genauso schön sind, nur halt nicht so beliebt? Also hat sie sechs von diesen Orten in der zweiten Reihe besucht - zum Beispiel den obigen Nussbaumpark - und das ganze für unsere München-Seite (heute in der SZ) so lauensteinig aufgeschrieben, dass es eine Pracht ist.

Hier ist das Ding, unbedingt lesen!    

Und wir gehen jetzt mittagessen, der Schlüter'sche Bauch knurrt.


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12:00 Uhr:
Für die nächsten Wochen ist Deutschland ja wieder Wimpelhausen. (Hier bei "Schland-Watch" sammeln sie die fabelhaftesten Auswüchse, von Nationalfruchtzwergen bis hin zum vollbeflaggten Durchfallmittel.) Jedenfalls, als ich heute morgen in die Redaktion radelte, machte ich spontan diese Fotos:





"Wart's ab", dachte ich, "damit kannst du im Tagesblog bestimmt irgendeinen Witz machen und der Kosmos wird dich mehr lieben als Mercedes!" Aber jetzt fällt mir nix lustiges dazu ein.

Machen wir einen kleinen Wettbewerb? Was ist der lustigste Joke zu diesen Fotos? Vorschläge bitte in die Kommentare!

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11:25 Uhr:
Als ich gestern diesen Trailer sah, bekam ich ganz schwitzige Hände vor Freude - Charlotte weigerte sich trotzdem, ihn in den Tagesblog aufzunehmen. Aber wisst ihr was, heute bin ich der Tagesboss und brülle heiser: Es! Gibt! Einen! Zweiten Teil! Von! DUMM UND DÜMMER!

http://www.youtube.com/watch?v=lGXHVlEklgQ

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11:00 Uhr:
Haben gerade ausgiebig konferiert. Donnerstags ist das immer besonders fidel, weil wir uns die Jungs- oder Mädchenfrage für Freitag ausdenken. Der genauere Inhalt dieser Gespräche fällt natürlich unter das Jungsmädchenfragenschweigegelübde, das jeder von uns hier am ersten Arbeitstag ablegen muss - nur soviel, es fielen heute unter anderem folgende Worte:

- Vakuumverpackung
- Blendi
- Chick-Lit
- EMP-Katalog
- Tic-Tac-Ticker

Da staunt ihr, was?


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9:45 Uhr:
Apropos Wir-Gefühl: Wer mal mit richtig guten Leuten Schunkeln und Huggeln will, die zufällig vor derselben Bühne sitzen, wenn Jakob Biazza einen Text vorliest: Bald gibt's Gelegenheit dazu! Am übernächsten Freitag, den 20. Juni, veranstalten wir mal wieder einen jetzt.de-Kneipenabend in München. Das ist immer eine Spi-, Spa-, Spitzensache, sag ich euch - nicht nur, weil wir den gesamten Eintritt in Freibier fürs Publikum investieren, sondern auch, weil ihr euch gar nicht vorstellen könnt, wie klein wir alle in echt sind und wie gut wir duften!

Hier gibt's Gästelistenplätze zu gewinnen. (Aber der Eintritt kostet eh nur 6 Euro, dafür kann man hier in Schwabing nicht mal parken!)

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9:30 Uhr:
Wenn heute Abend diese Dingsdameisterschaft in Brasilien losgeht, geht auch wieder das hier los: Das Geschunkel und Gehuggel mit wildfremden Menschen, die zufällig vor derselben Leinwand sitzen, wenn Manuel Neuer einen Ball mit den Händen fängt. Viele lieben dieses Verschmelzen mit der fremden Masse - andere sagen: bleib mir bloß vom Leib mit deiner Spontanverbrüderung, Fußball, du Kacknationalismuskatalysator!

Im Ticker fragen wir deshalb heute: Wie viel brauchst du von diesem umstrittenen Wir-Gefühl, das es nun wieder in jeder Salatbar mit Fernsehanschluss gibt?

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9:00 Uhr: Guten Tach, liebe Freunde! Ich schreite gerade zum ersten Mal in maximaler Sommermontur durch die Redaktionstür.




Im Kopfhörer läuft gerade noch dieses Monster von einem Song: "Sunshine Hotel" von einem längst vergessenen Pianisten namens Richard T. Bear. Der stammt aus einer Zeit, in der Saxofonisten noch Saxofon-Motivkrawatten trugen und Pianisten solche Kimonos:

http://www.youtube.com/watch?v=vF9wcfJKKww

Ich hol mir eben einen Kaffee und bin gleich zurück. Macht's euch doch schon mal gemütlich.

Princess Plattenbau

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Das hier ist Manhattan aus dem Bilderbuch. Der Times Square blinkt und leuchtet, das Rockefeller Center ist nur ein paar Straßenecken entfernt, gelbe Taxis drängen an Touristenmassen vorbei. Die legendäre Adresse: 1626 Broadway, New York. Hier im Comedy-Club Carolines on Broadway sind schon amerikanische Stars wie Jerry Seinfeld oder Billy Crystal aufgetreten. Doch heute lächelt ein deutsches Gesicht auf den Plakaten am Eingang: Cindy aus Marzahn, beziehungsweise „Cindy out Marzahn“ – so viel Englisch hat es dann doch auf das Poster am Broadway geschafft. „Sold out“ steht darüber. Vor dem Eingang stehen die Leute Schlange, alle sprechen Deutsch.



Cindy aus Marzahn alias Ilka Bessin verkörpert den "American Dream". Nun ist sie im New Yorker Comedy-Club Carolines on Broadway aufgetreten – vor 300 Zuschauern. Die Tickets wurden verschenkt. 

„Welcome to the gorgeous Princess of Plattenbau“, ruft der Ansager, und Cindy aus Marzahn hüpft auf die Bühne, in ihrem pinkfarbenen Jogginganzug, mit grellen Make-up-Schichten und zur Feier des Ortes mit einer Schaumstoff-Freiheitsstatuen-Krone im gebleichten Lockenberg. Bis zur ersten Zote vergehen nur Sekunden: „Oh, you have abeautiful Blick on my Geschlechtsteil“, sagt sie zu einem Mann in der ersten Reihe. „My vagina, vestehste.“ So geht das weiter, in feinstem deutsch-englischen Kauderwelsch mit zotigem Berliner Einschlag. „I’m abit under-birded“, ruft sie ins Publikum, und sucht (erfolglos) einen Freiwilligen für einen One-Night-Stand. „Dit heißt untervögelt.“ Das New Yorker Publikum johlt.

Cindy aus Marzahn ist ein Phänomen. Die Kunstfigur aus dem Berliner Arbeiterviertel Marzahn ist eine dicke Langzeitarbeitslose mit mauen Chancen bei den Männern, die über Unfälle im Sonnenstudio, Frauenarztbesuche („Muschi muss zum TÜV“), Plattenbau-Prolls und Fressattacken herumblödelt – meist auf ihre eigenen Kosten. Damit hat Ilka Bessin, der Mensch hinter der Figur, einen Nerv getroffen: In Deutschland tritt sie als Cindy vor Zehntausenden auf. Sie co-moderierte Wetten, dass..?, und sie hat unzählige Comedy-Preise gewonnen. 2012 schrieb sogar die New York Times ein Porträt über „die versehentliche Komödiantin des Volkes“.

Das mit dem versehentlich hat einen Grund: Bessins Karriere war alles andere als geplant. Die 42-Jährige aus Brandenburg wollte eigentlich Clown werden, eine DDR-Ausbildungsberaterin riet ab, stattdessen machte Bessin eine Ausbildung zur Köchin in der Betriebsküche des VEB Wälzlagerwerks Luckenwalde. Später arbeitete sie als Kellnerin in einer Disco, stieg zur Geschäftsführerin auf, wurde dann Hotelfachfrau, noch später Animateurin auf einem Kreuzfahrtschiff und war dann jahrelang arbeitslos in Berlin. Dass sie in der Nachwuchs-Show im Berliner Quatsch Comedy Club landete, war Zufall, eigentlich wollte sie sich dort als Kellnerin bewerben, hatte aber jemanden am Telefon, der die Talente für die Bühne buchte. Es war ihr Durchbruch. Hier in New York würde man das den „American Dream“ nennen.

Aus dem Ostberliner Plattenbau bis nach Manhattan ist es ein weiter Weg, könnte man meinen. „Och, so schwer war das gar nicht, wir haben das schon vor ein paar Jahren überlegt und dann einfach den Laden gemietet“, sagt Bessins Manager Sascha Rinne. „Dit Goethe-Institut hat mich einjeladen“, witzelt Cindy auf der Bühne. Das stimmt natürlich nicht, und das mit dem „Sold Out“ ist auch kein Zufall: Cindys Managementfirma hat fast alle Eintrittskarten für die Broadway-Show verschenkt, inklusive Getränkegutschein.

Und das Publikum? Im Carolines sitzen an diesem Abend ein Praktikantengrüppchen aus Mannheim, ein paar Touristen und die halbe deutsch-amerikanische Handelskammer. „Do you understand me when ick Deutsch spreche?“, ruft Cindy. „Weil when ick Englisch spreche, bin ick so schnell, dit versteht keiner.“ Für ihren ersten und einzigen Auftritt am Broadway ist Cindy zum ersten Mal nach Amerika gereist, und nun weidet sie jedes Klischee aus. „Die Leute sind ganz schön unförmig“, sagt sie. „Ich sollte herziehen, hier hab ich zum ersten Mal keine Minderwertigkeitskomplexe.“

Die einzigen Amerikaner im Carolines sind an diesem Abend die Kellner, die etwas ratlos gucken, als Cindy auf Denglisch eine Cola light bestellt. „Wat, hier gibt’s keine Cola light?“, fragt sie. „Dicke Leute trinken doch immer Cola light. Hier müsste es doch ein Cola-light-Imperium geben.“ Das Publikum sekundiert: Cola light gibt es in Amerika nicht, das heißt hier Diet Coke.

Abgespeckt, das passt auch zu diesem Abend. Statt vor Zehntausenden steht Cindy am Broadway vor etwa 300 Leuten, und die Hardcore-Fans, die ihre Texte auswendig kennen, sind auch nicht dabei. Aber Cindy kommt an, es lachen auch jene, die wegen der Freigetränke gekommen sind und sich eigentlich vorgenommen hatten, Cindy zu profan zu finden.

„Ich war schon ein bisschen mehr aufgeregt als sonst“, sagt Bessin hinterher. „Ich fand das ein gutes, offenes Publikum, die Leute haben an den richtigen Stellen gelacht.“ Der große Amerika-Durchbruch sei das nicht, sagt sie, „ich bilde mir nicht ein, als Nächstes im Madison Square Garden zu spielen.“ Aber es habe Spaß gemacht: „Ist doch toll, wenn da ‚sold out‘ auf dem Plakat steht. Auch wenn es vielleicht eher outverschenkt heißen müsste.“

Alles so schön friedlich

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Berlin – Hält Google sich nun an sein eigenes Motto – und tut wirklich nichts Böses? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, auf welcher Seite man steht.



Hat die Berilner Start-up-Szene mit etablierten Technologieunternehmen vernetzt: Simon Schäfer.

Simon Schäfer zum Beispiel gehört zu denen, die Google viel Bewunderung entgegenbringen. Als Partner der Investmentfirma JMES hat er schon in viele neu gegründete Technologiefirmen investiert. Er glaubt an den Austausch – und er hat der boomenden Berliner Start-up-Szene dazu nun einen weiteren Ort gegeben. Ein Campus, auf dem etablierte Technologieunternehmen sich mit jungen Gründern vernetzen – und voneinander profitieren. Der fünfstöckige Bau, eine ehemalige Brauerei, auf die ein Neubau aufgesetzt wurde, bietet Platz für bis zu 600 Mitarbeiter. An der ehemaligen Grenze zwischen Ost- und West-Berlin erstreckt sich das Areal auf über 16000 Quadratmeter. Internetfirmen können hier Tische mieten, kleine und große Büros, je nach der Phase, in der das Start-up gerade steckt.

Google unterstützt die Factory über drei Jahre hinweg mit einer Million Euro, bietet Seminare, Gratis-Software und Veranstaltungen für Unternehmer und Entwickler an. In einem Mentorenprogramm sollen Google-Experten Start-ups aus ganz Berlin in der Factory beraten. Für all jene also, die es so wie Schäfer in der quirligen Gründerszene von Berlin zu etwas bringen wollen, tut Google viel Gutes: Der Internetkonzern hat schließlich auch – anders als die klamme Hauptstadt – eine Menge Geld. Und gerade daran fehlt es den Gründern.

Schäfer greift gern zu Metaphern aus der Biologie, wenn er über die Berliner Szene spricht: „Ein frühes Ökosystem braucht Austausch“, sagt er, die Factory sei ein „Lebensraum“. Und zwar einer, in dem nicht der Große den Kleinen frisst, sondern ihm helfend unter die Arme greift – und einem Start-up vielleicht mal einen interessanten Mitarbeiter abwirbt. Als Vorbilder nennt Schäfer die Epizentren der Internetgeschäftswelt: den Googleplex, den Apple- Campus, die Facebook-Headquarters. „Wir sind aber keinen Aktionären, sondern den Gründern verpflichtet.“

Die Sache ist nur: In Deutschland haben viele inzwischen Zweifel daran, dass der Große die Kleinen wirklich nicht fressen wird. Vielen ist Google zu mächtig geworden. Kleinere Anbieter von Internetportalen beispielsweise haben sich in Brüssel beschwert, dass Google sie in der Trefferliste seiner Suchmaschine viel zu weit unten listet. Verzehrter Wettbewerb, lautet der Vorwurf. Die hiesigen Verlage fürchten sich, die Autoindustrie ebenfalls – auch wenn sie dies nur hinter vorgehaltener Hand zugibt.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) fordert bereits eine Zerschlagung. Googles Verwaltungsratschef Eric Schmidt hat gerade in einem Interview mit dem Spiegel gesagt, dass er gern mit seinen Kritikern zu Abend isst. Und tatsächlich haben sich die beiden Männer am Dienstagabend getroffen. Deutschland ist schließlich wichtig für Google. Nicht nur wegen seiner Gründerszene.

Gabriel dürfte Schmidt nicht von seiner Idee überzeugt haben, dass es besser für den Internetnutzer, für die Wirtschaft, ja für die ganze Welt ist, wenn Google in viele kleine Teile aufgespalten wird. Zerknirscht wirkt er jedenfalls nicht. Im Gegenteil, Schmidt ruft die jungen Unternehmer in der Factory auf, sich zu kleinen Googles zu entwickeln, groß zu denken, ja global und ihre Geschäftsideen nicht nur für Berlin oder Deutschland zu entwickeln. An die deutsche Politik hatte Schmidt nur einen Ratschlag: Schafft dem Land ein schnelleres Internet an und zwar schnell!

Das von den europäischen Richtern verhängte Lösch-Urteil gegen Google, mit dem die Nutzer ihr Recht auf Identität wahren sollen, kommentierte Schmidt nur kurz: „Wir sind sehr enttäuscht.“ Doch jetzt werde man sich eifrig dran machen, die Vorgaben umzusetzen. Schließlich wollten die Richter das Internet ja auch für die Skeptiker zugänglich machen.

Der Vertreter des bösen großen Monopolisten gab sich also handzahm und das passte eigentlich auch ganz gut zu der Einweihungsfeier für den neuen High-Tech-Campus. Denn die wirkte eher wie ein niedliches Nachbarschaftsfest: Kleine Buden mit gestreiften Markisen, Lichterketten und fröhliche Wimpel, auf den Tresen stehen Teller mit Mini-Cupcakes. Und Schäfer verkündet stolz, dass unter den Mietern der Factory die Mozilla-Stiftung, die Musik-Plattform Soundcloud und sogar das Online-Netzwerk Twitter sind. Miteinander statt gegeneinander – so präsentiert Schäferdieses pulsierende Ökosystem.

Im zweistöckigen Büro von Soundcloud, dem Aushängeschild der Berliner Start-up-Szene, steht der Einzug schon kurz bevor. In der riesigen Design-Wohnküche glänzt eine gewaltige Espressomaschine silbern in den Raum hinein. Auf Holztischen warten orange Kabelbündel auf die Laptops der 200 Mitarbeiter.

„Das hier ist ein historischer Ort der Trennung“, sagt Rowan Barnett, ein Brite, der seit zehn Jahren in Berlin lebt, und für Twitter neue Märkte erschließt. „Genau neben dem Hauptgebäude verlief früher die Mauer. Und jetzt arbeiten hier Firmen aus Amerika und Deutschland zusammen.“ Die Arbeit hier werde Twitter stärken, ist sich Barnett sicher.

Das stört keinen. Twitter ist ja noch nicht Google. Vor Twitter fürchten sie sich in Deutschland noch nicht.

Karten für den jetzt.de-Kneipenabend gewinnen!

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Der letzte jetzt.de-Kneipenabend war schön, liegt aber schon sechs (!) Monate zurück. Höchste Zeit für eine Neuauflage!

Wir wollen euch am Freitag, den 20. Juni im Münchner Theater Heppel&Ettlich einen Abend lang aus den gesammelten jetzt-Werken vorlesen (Texte aus dem online-Magazin, von den Printseiten in der SZ und aus den Magazinen; Texte über München, Popkultur, das Leben und das Lieben, Schönes, Lustiges und Trauriges) und natürlich auch diesmal wieder die besten jetzt.de-Rätsel mit euch spielen. Zu gewinnen gibt es Schnäpse und andere schöne Preise. Nach der Lesung gibt es gute Musik zum Beisammensein und sich gepflegt einen Schwipps antrinken – für den wir sorgen, indem wir unseren Anteil der Abendeinnahmen an der Bar in Freibier für das Publikum investieren. Klingt nach einem sehr guten Kneipenabend, oder?

Kommt vorbei, wir freuen uns auf euch! Der Eintritt kostet 6 Euro - aber wir verlosen fünf Mal zwei Gästelistenplätze. Und wer die gewinnt, der kommt natürlich umsonst rein. Um an der Verlosung teilzunehmen, schicke einfach eine E-Mail mit dem Betreff "Kneipenabend" an muenchen@jetzt.de

Die Verlosung läuft bis einschließlich Mittwoch, den 18. Juni. Die Gewinner werden am Donnerstag, den 19., per E-Mail benachrichtigt – also rechtzeitig ins Postfach gucken!

Die Vergessenen

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Es gibt Orte in der Stadt, sagen wir mit einem Brunnen darauf und von Bänken gesäumt, die sind eigentlich schön. Man steht da, guckt eine Weile und denkt genau das: Eigentlich gar nicht schlecht hier. Warum nur bin ich nie hier? Ach, denkt man weiter, ein anderes Mal vielleicht, und wieder geht man seiner Wege und setzt sich natürlich auch ein anderes Mal nicht hin.
 
Denn das ungeschriebene Gesetz lautet nun mal: Da, wo alle sein wollen, muss es wohl auch am schönsten sein. Und schon sind all jene Orte, an denen es sich nicht so sehr drängt, zu den hässlichen Entlein des öffentlichen Raumes diskreditiert.




Der Vater-Rhein-Brunnen zwischen Praterinsel und Deutschem Museum
 
Vielleicht gibt es speziell in München zu viele schöne Orte, so dass die, die nur ein kleines bisschen weniger schön oder anders schön sind, zu schnell vergessen werden. Und vielleicht stimmt es ja sogar: Vielleicht ist es im Vergleich zu den eindeutig Schönen auch ein winziges bisschen zu schattig oder zu schmutzig oder zu wenig zentral und deshalb lässt sich eben nur selten jemand genussvoll nieder und bringt alle seine Freunde mit.
 
Und so schwebt dann eine leicht ungute Stimmung über dem Platz. Und mit ihr die Frage, wie sie eigentlich da hingekommen ist, diese Stimmung: Wer war zuerst da, Stimmung oder Müll und Trinker? Ist es der Ort an sich, der schuld an seiner Dynamik ist? Kommt es nicht maßgeblich auf sein Publikum an? Wenn nur genug nette Menschen auf eine ganz bestimmte, wohlige Art und Weise darauf rumsitzen und ihm Leben einhauchen, dann ist doch jeder Platz gemütlich, oder?
 
Lösen kann man dieses Rätsel wohl nur, indem man es ausprobiert. Die vergessenen Orte bergen ja auch den schönen Gedanken, dass selbst in der jahrelang bewohnten Stadt nie schon alles gesehen, alles abgegrast, alles abgelebt und durchgespielt ist. Dass sich die Standbeine des eigenen Stadtbildes immer auch noch mal verschieben könnten. Dass der Alte Botanische Garten der neue Gärtnerplatz sein kann, oder der Finanzgarten der neue Alte Nördliche Friedhof – wenn nur einer anfängt, es mal auszuprobieren. Und dass von da aus die Stadt dann plötzlich wie eine ganz andere aussieht und alles neu ist, obwohl man gar nicht umgebaut hat.

Neptunbrunnen am Alten Botanischen Garten





So ist es hier: Voller Hasen und schöner Blumen und Parkcafé-Biergarten-Hintergrundgeräuschen. Allerdings liegt hier, am Alten Botanischen Garten, auch eine Schmuddeligkeit in der Luft. Die Dichte der aggressiv gelangweilt dreinschauenden Menschen mit Discounter-Plastiktüten und der um jede Ecke wabernde Alkohol-, Kippen- und Schweißdunst verleihen diesem Ort keine sehr heimelige Atmosphäre.
 
Das könnte man draus machen: Den cooleren, ruhigeren, entspannteren Stachus. Wegen des weniger aufgeregt sprudelnden Erfrischungsbrunnens. Und weil man hier zwischen Maxvorstadt, Hauptbahnhof und Stachus fast noch zentraler und um ein Vielfaches prächtiger herumsitzt, vor allem angesichts des geradezu budapesterisch anmutenden Justizpalastes gegenüber. Es bräuchte halt nur eine Art, na ja, „Publikumsinitiative“. Bisher haben die Schönheit dieses Parks offenbar nur jene entdeckt, die müde vom Pöbeln vorm Hauptbahnhof waren. Vielleicht kriegen sie ja bessere Laune, wenn man ihnen ein paar junge, fröhliche Menschen zum Sitznachbarn macht.

Finanzgarten am Hofgarten





So ist es hier: Zwischen Hofgarten und Englischem Garten liegt der Finanzgarten, dessen zweiter Name viel bezeichnender ist: Dichtergarten. Er wirkt etwas vergessen und entsprechend märchenhaft verwildert, aber auf eine gute Art. Die hügeligen Wege und saftig-grünen Lichtungen geben einem das starke Gefühl, durch ein sommerliches Waldstück zu gehen. Und es gibt sogar eine alte Grotte, die zu Ehren Heinrich Heines mit einer Bronzefigur und einem winzigen Brunnen ausgestattet wurde. Leider fehlen auch hier Mülleimer, weshalb die meisten ihren Dreck da ablegen, wo sie sich persönlich einen vorstellen könnten.
 
Das könnte man draus machen: Die Geheim-Rumhängalternative zum Hofgarten und den perfekten Lese- und Kurzwandelort für zwischendurch. Man müsste eben ein paar Mülleimer spendieren und in der Heine-Grotte mal feucht durchwischen. Aber dann wäre alles wieder fein.
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Unterer Vorplatz des Friedensengels





So ist es hier: Die Aussicht ist natürlich von oben besser, deshalb ist der Platz hier unten schon von Natur aus nur die zweite Wahl. Aber er ist weit und dauernd sonnenbestrahlt und die Isar ist gleich nebenan. Außerdem gibt es zwei ziemlich hübsche, wie gespiegelt daliegende Gärten links und rechts, mit jeweils einer geheimnisvoll unzugänglichen aber immer frisch gemähten Wiese in der Mitte. Im Zentrum des Platzes sollte eigentlich stets ein Springbrunnen in die Höhe schießen, der in diesem Jahr offenbar aussetzt. Und dann gibt es natürlich noch den geheimen Tunnelgang, der einem vom Isar-Spazierweg erst den Zugang zu diesem schönen Ort ermöglicht.
   
Das könnte man daraus machen: Zum Beispiel die beiden Brunnen wieder einschalten. Das Unkraut zwischen den Pflastersteinen wegzupfen und abends ein schöneres Licht anmachen. Die beiden erstaunlich streng gepflegten Gärten links und rechts sind bis jetzt nur Versteck für garantiert unbeobachtete Knutschende oder Beziehungsbeender. Sie könnten aber, öffnete man Rasenflächen, der perfekte Ort für Sommer-Raves oder ähnlich gesellige Freiluftveranstaltungen sein (das volkstümliche, jährlich hier stattfindende „Friedensengelfest“ blenden wir jetzt mal freundlich aus).

Maximiliansplatz





So ist es hier: Dunkel und baumgesäumt wie auf einem Waldcampingplatz. Dazu sehr laut durch die Straße nebenan. Der dunkel angelaufene, germanische Nornen-Brunnen mit seinen groben, strengen Figuren verbreitet eine ähnlich positive Stimmung wie ein Beichtstuhl, und der herumliegende Müll hat angesichts der beiden lauten Straßen links und rechts etwas leicht Autobahnraststättiges.
   
Das könnte man draus machen: Weil an Straßenlärm und fehlender Aussicht nichts zu machen ist, muss mit geselliger Atmosphäre aufgetrumpft werden. Die direkt benachbarte Rote Sonne sollte sich im Tagesbar-Segment versuchen und hier ein jüngeres Pendant zum Café Luitpold und dem Oskar Maria eröffnen. Dazu ein kleiner Straßenkiosk für alle, die im Rest des Parks auf ihrer eigenen Decke rumsitzen wollen, und schon würde der gesamte Platz die uneitlere und vor allem grünere Alternative zur goldbestaubten Briennerstraße und dem Promenadeplatz.
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Nussbaumpark am Sendlinger Tor




 
So ist es hier: Aufgeräumt und sauber. Es gibt einen großen, modernen Spielplatz und ein Bodenschachbrett, schöne Pflanzen und sanfte Hügel. Leider schneidet ein Asphaltweg, der im Verhältnis zum Park breit wie eine Autobahn wirkt, den Park etwas unschön in zwei Teile.

Das könnte man draus machen: Die grüne Ruhepause abseits von Sendlinger-Tor-Marktbuden, Alpen-Imbiss und Krankenhausviertelsterilität - und den idealen Freiluft-Radler-Trink-Platz, wenn die Terrassen von Loretta-Bar, Aroma-Café und Konsorten schon wieder seit dem Vormittag hoffnungslos überfüllt sind.

Vater-Rhein-Brunnen





So ist es hier: Links und rechts treibt glitzernd die Isar vorbei, es gibt Bänke, es gibt einen großen, hellen Brunnen, auf dessen Rändern man sitzen und die Füße reinhängen könnte. Und weiter hinten kommt gleich die Praterinsel. Aber es gibt hier, auf der Verlängerung der Museumsinsel, eben auch das vor Dreck starrende Schild mit dem Namen des Brunnens. Und die „Hier kein Winterdienst“-Schilder – mitten im Sommer. Moos auch. Viel! In Summe also das Gegenteil von Detailverliebtheit.
 
Das könnte man draus machen: Zum Beispiel das Schild mit dem Namen des Brunnens mal putzen. Ein paar Mülleimer aufstellen, Unkraut zupfen und Treppe und Steine von Moos und schwarzem Dreck reinigen. Den Brunnen ordentlich auffüllen und beleuchten und die Beete, in denen jetzt Rattengiftfallen stehen, zumindest ein bisschen bepflanzen. Dann könnte man mit dem sommerlichen Abendbier im Rucksack glatt mal vom Gärtnerplatz hierher abwandern.

Romy Schneider hätte es gefallen

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jetzt.de: Hendrik, führst du selbst Tagebuch?
Hendrik Otremba: Ich bin daran gescheitert. Vielleicht bin ich zu undiszipliniert oder zu beschäftigt, um selbst so ein Tagebuch zu führen. Wenn ich was Persönliches schreibe, kommt meistens ein lyrischer Text dabei raus. Sowas landet dann auch oft bei Messer. Die Band ist also mein Tagebuch.  

Kannst du nachvollziehen, dass manchen Leuten diesen Dialog mit sich selbst brauchen?

Klar! Tagebücher sind erstmal Werke der Erinnerung. Ich unterrichte an der Fachhochschule Studierende, die Logbücher schreiben sollen. Dadurch, was die an Selbsterkenntnis durch dieses Aufschreiben bekommen, weiß ich, was das für einen Wert hat. Ich glaube, dass das Festhalten von Momenten zu einem bewussteren Leben führt. Vielleicht bewegt mich das hier jetzt, es doch nochmal zu versuchen...  

Hast du das "Tagebuch der Anne Frank" auch in der Schule gelesen? Das ist ja klassischer Schulstoff.

Bei mir in der Schule nicht. Und ich war da auch in einem Alter, in dem ich mir selbst die Sachen gesucht habe, die mich interessieren. Ich will es aber gern noch lesen.  

Der heutige Tag des Tagebuchs geht auf Anne Franke zurück. Am 12. Juni 1942 hat sie ein Notizbuch geschenkt bekommen, das dann ihr Tagebuch wurde.

Das ist ein sehr guter Gedenktag. Da macht es auch Sinn, dass wir mit Messer dann einen Tag später bei den Tagebuchtagen spielen.  



"Messer" vertonen Romy Schneiders Tagebuchaufzeichnungen - die Schauspielerin war "eine Lichtgestalt mit ganz dunklen Seiten", sagt Frontmann Hendrik Otremba (2.v.l.)

Die Tagebuchtage sind ein kleines Festival bei Oelde in NRW, bei dem sich deutsche Bands berühmte Tagebücher vornehmen und sie vertonen. Gisbert zu Knyphausen hat zum Beispiel die Aufzeichnungen von Kurt Cobain bearbeitet. Tom Liwa kuratiert das Festival und spielt auch selbst. Ihr habt euch das Tagebuch von Romy Schneider als Textgrundlage ausgesucht. Warum grade das?

Romy Schneider ist bei uns ein Leitmotiv. Ich habe sie oft gemalt und sie ist auch auf dem Cover unseres aktuellen Albums. Auf der ersten Platte ist auch ein Text drauf, der "Romy" heißt. Irgendwie interessiert sie mich. Eine Lichtgestalt mit ganz dunklen Seiten. Tom Liwa hat mir den Tipp gegeben, ihr Tagebuch zu lesen. Die ersten zwei Drittel sind die klassische Form des Tagebuchs, sie fängt in der Kindheit an. Für Messer ist es schwierig, so glückliche Sachen abzubilden. Darum haben wir es uns einfach gemacht und uns eher mit dem letzten Drittel beschäftigt, wo es tragisch und traurig wird. (lacht)  

Das Buch ist ja im Handel erhältlich – aber fühlt es sich nicht seltsam an, private Zeilen einer Toten auf der Bühne zu singen?

Romy Schneider war eine Künstlerin, die sowieso immer viel Privates nach außen getragen hat. Ich glaube sogar, dass ihr das vielleicht gefallen hätte. Ich will sie auch ja nicht imitieren. Das ist meine Adaption von ihrem Text. Ich glaube aber auch, dass sie später, als sie gemerkt hat, dass sie berühmt wird, ihren Schreibstil änderte. Da rechtfertigt sie sich mal oder sie schimpft. Vielleicht wusste sie, dass das später alles zu lesen sein wird.  

Gab es eine Stelle, die für dich besonders heraussticht und an die du dich erst nicht herangetraut hast?

Ja, die gab es auf jeden Fall (blättert im Tagebuch): "3. Juli 1981. Mein 14-jähriger Sohn David und ich haben ein sehr liebevolles Verhältnis zueinander. Er ist mir ein wunderbarer Gefährte. Ich glaube ich habe alle Schwierigkeiten überwunden und bin völlig wiederhergestellt." Dann, zwei Tage später schreibt sie: "Mami! Mein Kind! Mein Kind ist tot!" Da wendet sie sich an ihre eigen Mutter und trauert um ihr Kind. Ihr Sohn ist an dem Tag tödlich verunglückt. Als ich das im Proberaum vorgelesen hab, fanden das schon alle krass. Aber es geht uns um eine Würdigung und wir haben beschlossen, das Buch zum Thema zu machen und dann muss das auch mit rein.  

Ihr spielt bei den Tagebuchtagen ein Konzert und macht keine Lesung. Habt ihr Songs aus den Tagebuchaufzeichnungen gemacht?

Wir haben das jetzt ein paar Mal geprobt und es wird eher eine Improvisation. Ich habe mir einige Stellen in dem Buch markiert. Diese Zusammenstellung ist mein Text. Als letztes Lied werden wir an dem Abend aber auch unseren Song "Romy" spielen.  

Weißt du, was die anderen Bands für das Festival vorbereitet haben?

Nein. Wenn ich es wüsste, wäre meine Reaktion aber auch: Die machen das so? Dann dürfen wir das auf keinen Fall auch so machen! Ich freu mich in erster Linie drauf, dass wir mal Sachen spielen, die nicht unser normales Tour-Set sind. Da können ja auch spannende Sachen passieren, wenn man nicht alles genau vorbereitet. 

Die jetzt.de-Kettengeschichte, Teil 8

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Was bisher geschah: Die Tankstellen-Angestellte Anna bekommt während ihrer Schicht zwielichtigen Besuch und flieht vor ihrem öden Job und ihrem akribischen Chef Paul Wisselmann aka "Preußen-Paule" - auf einem Traktor. Ihr Ziel: Das Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier, bei dem Annas großer Schwarm Gerwin Gewinner antritt. Dort begegnet Anna der Fee Tinkerbell, die sie in die seltsame, märchenhafte Welt des Turniers entführt. Etwa zeitgleich erwacht Preußen-Paule in seinem Geheimversteck unter der Tankstelle, in dem er eigentlich über Anna wachen wollte. Er ahnt: Sie ist in Gefahr! Er macht sich auf den Weg, sie zu suchen. Und dann klingelt auf einmal sein Handy - und Anna sagt "Hilf mir!"

Alle vorigen Teile der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 8 von jetzt-Userin octopussy:



"Anna?" Nix. "Anna!" Knistern. Abgehacktes Flüstern "Pauli! Villa...Tinker…böse…das Kleid!" Ein gellender Schrei fährt Paul durch Mark und Bein. Heißkalt. Das Adrenalin schießt durch die Adern. Anna in Gefahr, er wusste doch gleich, dass diese Bande was gegen sie im Schilde führt. Da hat ihn die Tankstellenerfahrung nicht getrügt. Es sind die Nächte, in denen man fürs Leben lernt, das hat er schon immer gesagt.  

Er steht neben dem Auto in dieser düsteren Landstraßenkulisse, die jedem Gruselfilm alle Ehre macht. "Ok, sortieren, Luft holen. Was war das gerade?" Paul redet mit sich selbst. Er macht das immer, wenn er zu viel gleichzeitig im Kopf hat. Es hilft. Ab auf die Landstraße, dem Trecker hinterher und nur eins im Kopf: Seine Anna. Da war es wieder, das "seine". Wieder überschlagen sich die Gedanken. Anna hat angerufen. Ihn. Und sie braucht Hilfe. Seine. Er haut mit geschlossener Faust auf das Autodach. Der Schmerz erdet ihn. Diese komische Bande, die nach Anna gefragt hatte. Das Plakat vom Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Turnier. Es muss mit diesem Turnier was sein. Was hat sie gesagt? "Konzentrier dich, Paul, konzentrier dich!" Er legt seine Stirn auf das kühle Blech des Wagens. "Pauli. Villa. Kleid." Da war nochwas. "Trink." Trink? Nein nein, anders.  

"Das Kleid. Böse", manifestiert sich in seinem Kopf und er weiß jetzt, wo er hin muss. Zur Villa, über die die alten Leute reden. Von Geistern und Sünden. Paul steigt ins Auto, knallt die Tür zu, gibt Gas. Die Gänge haut er gnadenlos rein, er peitscht den sonst so zögerlichen 90PS Motor auf die Beschleunigung eines Galopprennpferds. Die Bäume fliegen an ihm vorbei, die Kurven nimmt er so scharf, dass der Wagen auszubrechen droht, doch er ist ein sicherer Fahrer. Da! Flackerndes Licht hinter der nächsten Kurve. Die Villa! Er verlangsamt. Hält an. Vor dem eisernen Tor stehen große Feuerschalen und überdimensionierte Spielfiguren säumen wie Wächter den Weg. Wieder driften seine Gedanken…Eyes Wide Shut, Charlie und die Schokoladenfabrik, Corpse Bride… "Stop!" ruft seine innere Stimme. "Du musst Anna retten!"  

A_N_N_A  

Die Villa und ihr Geheimnis - Liesel Maier, die Oma aus der Brennerstraße, die ihren 66er E-Type jeden zweiten Samstag für Handwäsche und Volltanken vorbeibrachte, hatte ihm davon erzählt. Von dem geheimen Zugang, der früher Bediensteten zum Schmuggeln von Nahrungsmitteln und Liebschaften diente. Paul muss auf die Westseite, Hindernis ist einzig der sumpfige Grund im Wald, doch da waren Liesels Worte: "Der Herzschlag macht den Schritt, der Blick reicht zu den Sternen." Die Zweige schlagen ihm ins Gesicht, es ist egal. Da! Der Sumpfgrund. Er schaut nach oben. Die Bäume öffnen sich zu einer Schneise, die Sterne glühen. Der Herzschlag rast, aber das ist ja auch kein Spazierweg. Ein Schritt falsch und der Grund verschlingt ihn. "Badabumm badabumm" dröhnt der Herzschlag durch seinen Körper, die Füße fliegen. Schlamm spritzt auf. Paul findet sich vor einer kalten nassen Mauer wieder. Er hört Lachen und Musik aus der Villa. "Wie komme ich jetzt rein?" fragt er sich und tastet die Steine ab. Seine Hand fasst einen Stern und wie von Geisterhand öffnet sich die Mauer. Fledermäuse fliegen ihm entgegen. Spinnenweben fangen ihn.  

Er eilt den Gang entlang, bis er Licht sieht und Stimmen hört. Eine glockengleich: "Wir haben sie! Wir haben die Tankenschlampe!" Paul beisst in seine Hand, um nicht laut aufzuschreien. Ein heiseres männliches Lachen antwortet: "Hähähä, ich wusste, dass ich sie mit diesem Turnier ködern kann, die ist dumm wie Brot diese Schnepfe." Die helle Stimme: "Gerwin, du bist und bleibst eben ein Gewinner. Und nun? Sie hat das Zauberkleid an und ist erstmal ruhig gestellt." - "Tink…" Gerwin wird durch Pauls Aufstöhnen aufgeschreckt. "Was war das? Mach dein scheiß Elfen-Feen-Leuchten an, hier muss jemand sein!" Paul guckt auf seine Hand. Er hat so fest zugebissen, dass Blut auf den staubigen Boden tropft. In seinem Kopf formieren sich wieder die Buchstaben.  

A_N_N_A  

Anna kauert in diesem prinzessinnenartigen Kleid auf dem Dachboden. Durch die brüchigen Ziegel dringt die aufgehende Sonne. Sie will sich bewegen, kann aber nicht. Das Kleid umschlingt sie wie eine Zwangsjacke. „Pauli“ kommt tonlos über ihre Lippen.  

P_A_U_L 

Wie das Internet... einen Sonnenbrand behandelt

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Das Problem:
Mit Sonnenbränden sollte man nicht spaßen – Hautkrebs und so. Darauf haben einige von euch bei unserem Sommerbürger-Battle zurecht hingewiesen. Falls ihr euch in der Pfingsthitze trotzdem den Pelz verbrannt habt, hier der ultimativ einfache Lifehack gegen Sonnenbrand-Schmerz.



Erste Hilfe ganz einfach: Schwarzer Tee gegen Sonnenbrand.

Die Lösung:
Du brauchst: ein paar Beutel schwarzen Tee (Earl Grey), eine Wanne, ein altes Tuch, einen Wasserkocher und einigermaßen viel Wasser. Als erstes erhitzt du das Wasser, schüttest es anschließend in die Wanne und lässt drei oder vier Teebeutel ordentlich ziehen. Wenn sich das Wasser auf Raumtemperatur abgekühlt hat, einmal das Tuch eintauchen, auswringen und etwa 30 Minuten lang auf den Sonnenbrand legen. So beruhigt die Haut sich, wird gekühlt und vor Entzündungen geschützt. Am nächsten Morgen sieht der Sonnenbrand schon gar nicht mehr ganz so arg aus. Das alles sollte allerdings innerhalb der ersten Stunden geschehen, nachdem die Sonne euch verbrannt hat. Wichtig ist auch, dem Körper von Innen Flüssigkeit zuzuführen – also: viel trinken. Und wenn der Sonnenbrand schon Blasen wirft, sofort zum Arzt gehen. Denn damit ist wirklich nicht zu spaßen.

Das Ketchup-Debakel

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„Niemals“, antwortete ich entschieden als mir meine beste Freundin ein unmoralisches Angebot machte. Janina fragte mich tatsächlich, ob ich für 1.000 D-Mark einen ganzen (!) Teelöffel Ketchup essen würde.





Dieser Korruptionsversuch trug sich auf dem Pausenhof der Heumaden-Grundschule zu, lange bevor mich Taschengeldnöte und studentische Armut bestechlich machten. Ich habe auch dann noch großmütig abgelehnt, als Janina ihr hypothetisches Angebot auf eine Millionen anhob, die höchste Zahl, die wir mit neun Jahren kannten. Zu groß war mein Ekel vor dem Tomatenmatsch.

Der Grund, weshalb ich den milliardenschweren Teelöffel so vehement ablehnte, beruht auf einer ganz eigenen Geschichte. Sie hat damit zu tun, dass ich es die Jahre vorher mit dem Ketchup-Konsum übertrieb. Meistens scheitert man damit ja an den Regeln der Eltern. An einem heißen Tag in der Stuttgarter Wilhelma ließen mich Mama und Papa beim Mittagessen einfach mal machen, vielleicht wegen ihres Sonnenstichs, vielleicht weil meine Oma sie beschwichtigte: „Ach, das bisschen Ketchup auf den Pommes wird dem Kind schon nicht schaden...“  Tat es aber doch. Schließlich quetschte ich die rote Pampe tütenweise auf meinen Teller. Ich stopfte, stopfte weiter, kleckerte und fühlte mich zufrieden mit meinem Essen und der Welt – bis ich es einige Stunden später mit derselben Eile wieder ausspuckte.  

Ich hatte mich überfressen. Aus meiner Liebe zum Ketchup wurde so ein Hass, der mich bis heute von Burgerresteraunts und Pommesbuden fernhält. Für das ganze Desaster konnte ich nichts, es war wie mit der berühmten Chipstüte: einmal aufgerissen, landet der Inhalt bis zum letzten Krümel im Mund. Das Ganze läuft wie auf Autopilot ab, man ist machtlos. Deswegen haben meine Schwester (Gurken), der Cousin (Nutella), die Freundin (heiße Himbeeren an der eigenen Kommunion) und ich ähnliche Erfahrungen mit dem Überfressen und den Folgen gemacht.

Nun aber zu den Vielfraßen im Kosmos: An was hast du dich schon mal überfressen? In welchem Alter und in welcher Situation? An was überfrisst du dich heute noch? Oder bist du inzwischen immun gegen solche Fressattacken? Musstest du dich, wie ich, schon mal hinterher übergeben? Und beeinträchtigen dich die Nachwirkungen noch heute in deinem Essverhalten?

Tagesblog - 13. Juni 2014

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17:32 Uhr: Jaja, am Abend wird der Faule fleißig und deshalb bekommt ihr hier noch schnell die Mädchenfrage, die sich heute einem Thema widmet, das mir bei jeder U-Bahn-Fahrt auf den Nägeln brennt: Der Interpretation gewisser männlicher Sitzhaltungen.


Außerdem habe ich nach ewig langer Sucherei ein paar Bilder entdeckt. Achtung! Jetzt kommt eine Bildergalerie der geballten guten Laune. Angeschnallt? Na dann kann's ja losgehen.


Egal, wie dein Wochenende wird. Ob du bei einem schönen Glas Wein die neuesten Illustrierten liest....


...oder auf einem Konzert so dermaßen die Sau raus lässt....


...oder auf einer Party so richtig hart abgehst.....


....oder doch lieber das Geschehen aus der sicheren Distanz beobachtest, hab ein gutes Wochenende ganz nach deinem Geschmack. Bis Montag!"


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16:30 Uhr:
Entschuldigt bitte die lange Pause, ich hab die ganze Zeit so Zeugs gemacht. Aber ma sieht auch was, nämlich folgendes: Schnell noch vor dem Feierabend was für den Small-Talk lesen: Ein Doppelinterview mit zwei Museumsleitern. Klingt dröge? Es geht aber um GESCHLECHTSTEILE!!!!

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13:28 Uhr:
Eigentlich bin ich ja immer diejenige, die die Kollegin mit witzischen Bildlein aus dem Internet nervt. Aber heute finde ich partout nichts, was die Stimmung auflockern könnte. Außer vielleicht das hier:
* Sophie Servaes, die im Internet unzählige Blogs und Tumblrs und Sachen betreibt, hat für alle Fußball-Idioten einen Tumblr gestartet. Er heißt Fussiriot und ist ziemlich lustig.

* die Krautreporter haben übrigens vor 15 Minuten ihr Ziel erreicht und 900 000 Euro eingenommen. Damit machen sie jetzt ein Jahr werbefreien Online-Journalismus. Wir gratulieren sehr und freuen uns schon. (Und Max Scharnigg, der alte Haudegen ist auch dabei)




* Kennt ihr schon "Broad City"? Die Serie läuft seit Januar auf Comedy Central und ist so eine Art Stoner-Girls-Feminismus-Comedy-Dings. Und alles, was ich bisher davon gelesen und gesehen habe, macht mich ganz hibbelig. Ich habe noch keine einzige Folge dieser Serie gesehen, aber auf meiner mentalen Liste der To-Watch-Shows steht "Broad City" ganz weit oben.
http://www.youtube.com/watch?v=4GnJ5Y5cB6I
 

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12:32:
So, schön in zehn Minuten die Nudeln reingepresst und wieder zurück am Platze. Wir sind ja hier schwer am Schuften, gell?! Auch nachts, wenn wir eigentlich schlafen sollten. Dann müssen wir nämlich all die Links und Sachen lesen und gucken, für die wir tagsüber keine Zeit hatten. Dieses wohlbekannte Phänomen nennt sich "Bedtime Procrastination" und wird euch hier von nadja-schlueter erklärt. 




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11:52 Uhr:
Wann warst du zuletzt Nacktbaden? Hast betrunken lauthals Lieder durch die Straßen gegrölt? Hattest Sex in der Umkleide oder im Freien?
jetzt-Userin estevilimu stellt all diese Fragen und ich muss zu meiner schande gestehen: Ähhh..... keine Ahnung? Und wie sieht das bei dir aus?


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11.37 Uhr:
Mist! Francesco erzählt so viel Gutesüber die Kurfürstenstraße, dass ich möglicherweise mein selbst auferlegtes Schwabing-Boykott aufgeben muss. Ach, es gibt Schlimmeres...



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10:44 Uhr:
Ah, endlich wieder Redaktionsinterna für das geneigte Publikum. Wir haben heute einen Mitarbeiter, dessen Namen nicht genannt werden soll, und der hat einen Ganzkörperanzug unter seiner Hose an. Glauben wir jedenfalls. Was meint ihr?





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9:44 Uhr:
Das sind die Themen, die in der großen Konferenz bei sueddeutsche.de besprochen wurden:

- die Lage im Irak, wo die Islamisten mittlerweile 60 Kilometer vor Bagdad stehen.

- die Elektroauto-Firma Tesla stellt alle Patente der Öffentlichkeit zur Verfügung. Das ist einerseits ein ziemlich gelungener Marketing-Gag. Andererseits auch sehr, sehr großartig für die Öffentlichkeit.

- Die Reaktionen auf den (exklusiven) Beitrag des britischen Premiers David Cameron in der Süddeutschen Zeitung, in dem er noch einmal den Streit um die Wahl des nächsten EU-Kommissionspräsidenten anheizt.

- und noch eine persönliche Beobachtung des heutigen Chefs: die Badeseen rund um München verlieren ihr Wasser. Woran liegt's? Am Chef selbst? Am Wetter? Mal schauen, ob es zum Topthema wird... 

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9:10 Uhr:
So, erst mal tief durchatmen und darüber nachdenken, ob eine Grundschule in Stuttgart den tatsächlich den Namen "Heumaden-Grundschule" trägt. Oder ob daniela-gassmann sich da verschrieben hat. Muss ich sie gleich mal im Ticker fragen. Und eintragen, an welchen Speisen ich mich einst überfressen habe.

A propos Stichwort "Fressen": Wie hat euch eigentlich die WM-Eröffnungsfeier gefallen? Ich muss das wissen, weil ich selbst sie nicht gesehen habe wegen mangelndem Interesse. Seitdem ich im Besitz eines Tablets bin, höre ich nur noch Fernsehen, während ich auf den Computer-Bildschirm starre. Bestimmt kein besonders anregender Anblick.

Für qualifiziertere Analysen der Dinge rund um die Fußball-Weltmeisterschaft in, na?, Brasilien verweise ich euch an dieser Stelle an die ausgezeichnete Arbeit unserer Kollegen von sueddeutsche.de. Die machen da alles. Und super. Und interessant.


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8:35 Uhr:
Guten Morgen, eigentlich war ich ja schon vieeeel früher da, aber dann kam ich nicht ins Zimmer rein. Und jetzt muss ich gleich in die Morgenkonferenz. Deshalb nur ganz kurz: Ich bin wieder da! Und das ist mein erster Tagesblog. Hoffentlich geht das mal gut....

Zur Aufmunterung und wegen TGIF dieses allerbeste Li-La-Laune-Bild:

Achtung! Deutschländisches Deutsch!

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Das Wiener Bildungsministerium sorgt sich um das österreichische Deutsch, weil immer mehr Jugendliche Tomate statt Paradeiser und Sahne statt Obers sagen. Nun soll eine Broschüre für den Unterricht dem sinkenden „sprachlichen Selbstbewusstsein“ entgegenwirken. Johannes Bauer, Direktor des renommierten Bundesgymnasiums Wien 9 (BG9) und Lehrer für Mathematik und Sport, hat schon mal selbst getestet, wie gut sein Gespür für sprachliche Vielfalt ist.



Österreichisch Schüler würden ihr sprachliches Selbstbewusstsein verlieren, fürchtet die Regierung.

SZ: Mitten im „Matura“-Stress gibt es diesen Vorstoß für „österreichisches Deutsch als Bildungssprache“. „Abitur“-Stress sollte ich ja wohl besser nicht sagen. Setzen Sie das jetzt sofort um?

Johannes Bauer: Ich hätte das ehrlich gesagt nicht mitgekriegt, wenn die Medien nicht berichtet hätten. Aber der Vorstoß, Schüler für Unterschiede in Sprachräumen zu sensibilisieren, ist durchaus interessant. Die Idee dürfte jedoch, fürchte ich, schnell wieder untergehen. Wir haben in der Bildungspolitik weitaus größere Herausforderungen als diese zu stemmen – um das Wort Probleme zu vermeiden.

Die Materialien enthalten Memory-Wortkarten und Beispiele, die eh jeder kennt, also Marille oder Kipferl. Funktioniert so etwas wirklich?

Das hängt von der Schulstufe ab. Für eine Supplierstunde wären solche Materialen recht gut geeignet.

Stopp, was ist eine Supplierstunde?

Eine Vertretungsstunde.

Dann machen wir doch gleich mal einen Test, ob Sie diese Sensibilisierung auch nötig haben: Was ist eine Parte?

Ein Schreiben, das man ausschickt, wenn jemand gestorben ist.

Und ein Bartwisch?

Ein kleiner Handbesen mit Haaren zum Aufkehren. Man kehrt sozusagen mit einem Bart.

Sie brauchen also keinen Kurs in Sprachloyalität. Muss man das denn: die Sprachloyalität der Jugend schulen?

Im Unterricht würde ich diese Übungen für entbehrlich halten. Regionalität verschwindet ja nicht automatisch mit der Globalisierung. Aber es kann sicher nicht schaden zu wissen: Es gibt ein österreichisches, ein deutschländisches und ein schweizerisches Deutsch.

„Deutschländisches Deutsch“ ist eine seltsame Erfindung der Wissenschaftler. Stefan Zweig, Friedrich Torberg, Erich Fried waren hier am BG9 Schüler. Diese großartigen Sprachkünstler haben doch solche Unterschiede auch nicht gemacht.

Jeder Literat saugt aus allen Kulturräumen, die ihm zur Verfügung stehen, das auf, was er braucht und was ihn prägt. Das kann man weder steuern noch bremsen. Die Künstler, die an dieser Schule waren, haben österreichische und deutsche Literatur geprägt. Aber vielleicht hatten sie auch das Glück, dass die Globalisierung die Sprache damals noch nicht so beeinflusst hatte.

Ist das Projekt vielleicht ein Versuch, die Piefkenisierung der Jugend aufzuhalten?

Ich kann keine Piefkenisierung erkennen. Wir haben etwa 20 Prozent Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache, das ist für Wiener Verhältnisse wenig. Unter die anderen 80Prozent fallen viele Kinder mit einem chinesischen oder serbischen – und mit einem österreichischen Elternteil. Oder mit einem syrischen Vater und einer deutsch-türkischen Mutter, die zweisprachig sind und trotzdem tiefstes Wienerisch sprechen. Man fängt besser nicht an, hier zu unterscheiden. Diese Kinder sind sozialisiert im österreichischen Deutsch, haben aber keine Angst vor deutschländischem Deutsch, kennen also die Konfitüre genauso wie die Marmelade und den Rauchfangkehrer wie den Schornsteinfeger.

Jetzt wird es kompliziert. Sie sagen, österreichisches Deutsch sei üblich und populär. Das Bildungsministerium glaubt aber offenbar, es sei am Aussterben.

Ich höre deutschländisches Deutsch vor allem von Deutschen, was ich wenig überraschend finde. Die Deutschen sind die größte Ausländergruppe in Österreich. In der Praxis halte ich die Panik für Schmarrn. Aber: Alles ist, wie meist im Leben, in der Realität sogar noch viel komplizierter. Ich erlebe nämlich, dass österreichische Begriffe, die viele Menschen als normal empfinden, von anderen Österreichern gar nicht gekannt werden. Das hat aber nichts mit der Piefkenisierung zu tun, sondern viel mit Herkunft, Elternhäusern und Sprachwitz.

Zum Beispiel Gschlader, Jaukerl, Bosnigl, oder Gschrapp? Die sind nämlich in der Broschüre gar nicht enthalten.

Gschrapp ist ein kleines Kind, ein Bosnigl ist jemand, der einem anderes Böses will, und ein Jaukerl ist eine Spritze, eine Injektion. Gschlader sagt mir selbst nichts.

Der Kabarettist Karl Farkas scherzt, Deutsche und Österreicher unterschieden sich durch die gemeinsame Sprache. Welche anderen Unterschiede sehen Sie?

Keine, die ich in einer deutschen Zeitung offenlegen würde. (Lacht). Auch dazu gibt es genügend Studien, wie zum Rückgang des Österreichischen. Wichtig ist: Unterschiede machen nicht an Sprach- und nicht an Staatsgrenzen halt. Bayern und Salzburger haben vielleicht mehr gemein als Kremser und Grazer.
Kann österreichisches Deutsch österreichisches Selbstbewusstsein stärken?

Es hieße die Sprache zu überfordern, dazu braucht es mehr. Andererseits: In Deutschland wird Österreichisch gern als komischer Dialekt, als Urlaubssprache veralbert. Das nagt natürlich durchaus an unserem Selbstbewusstsein.

Offenbar ist die Identitätssuche hierzulande ein langfristiges Projekt. Österreich ließ 1995, beim EU-Beitritt, seine Sprache symbolisch als Kulturgut anerkennen und zwei Dutzend Begriffe, vorwiegend für Nahrungsmittel, schützen. Geht es da vielleicht um Wirtschaftsinteressen und Markennamen, um Supermärkte und Regionalprodukte? Oder ist die neue Initiative doch eher ein Rückfall in den Wir-sind-anders-Provinzialismus?

Weder noch. Damals wie heute ging und geht es um psychologische und ökonomische Folgen der Globalisierung: Je mehr alles eins zu werden droht, desto mehr bildet sich Individualität heraus, die dem Mainstream zu entfliehen droht. Nachdenken, einen Impuls setzen, an eine Tradition erinnern – das ist doch in Ordnung.

Im Widerstreit von Regionalisierung und Globalisierung gibt es Länder, die viel weiter gehen. Frankreich etwa schützt seit 1994 seine Sprache mit einer Quote für Popsongs im Radio. Kommt das hier vielleicht auch bald? Mehr Fendrich und Ambros, weniger US-Charts.

Die Kids suchen sich zum Glück ihre Zugänge selbst und finden im Internet, was sie gut finden.
Das Österreichische geht verloren, heißt es, weil Jugendliche deutsches Fernsehen schauen. Sind RTL und Sat1 schuld?

Na ja, mal ehrlich, österreichische Sendungen für den österreichischen Markt gelten unter den Kids leider nicht gerade als urcool. Eher als ur fad.

Johannes Bauer, Direktor des Gymnasiums an der Wasagasse in Wien, kann eine lange Liste prominenter Absolventen vorlegen, darunter Stefan Zweig und Erich Fried. Im deutsch-österreichischen Sprachstreit rät er zu Gelassenheit.
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