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Tagesblog am 16. Mai 2014

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17:40 Uhr: So, jetzt ist Feierabend im Tagesblog. Und weiter geht es so:
Whirlpool Productions – From: Disco To: Disco

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16:45 Uhr:
Grade ist mir die Nachricht ins Auge gesprungen, dass Dave Grohl eine eigene Serie auf HBO machen soll. Es soll darin um Studios gehen, wie schon in "Sound City", wo Grohl filmisch ein legendäres Studio in Los Angeles porträtiert hat. Ich mag solchen Kram ja. Ich finde es immer sehr faszinierend, den Entstehungsprozess von Musik vor Augen geführt zu bekommen. Zu sehen, wie das entsteht, was so wunderbar klingt. Zu sehen, wie kompliziert es ist, Musik leicht klingen zu lassen. Wer sowas auch mag, dem sei gesagt: Unbedingt diese Doku über The Notwist anschauen!
https://www.youtube.com/watch?v=sl02t54b8Ok

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16:11 Uhr:
Bei Eröffnungen von Ausstellungen wird oft a) viel geredet und b) ein bisschen was getrunken. Als das heute Morgen in der Redaktionskonferenz zur Sprache kam, stellten wir fest: a und b laufen in solchen Situationen oft nicht ganz reibungslos ab. Ein Alltagsduell.




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15:04 Uhr:
Kurzer persönlicher Wochenrückblick:

  1. Schönstes Instagram-Foto, das ich diese Woche gesehen habe:


  2. Schönster Satz, den ich diese Woche gehört habe: "Warum kann ich meine Stimme hören, aber meinen Blick nicht sehen?" (Offenbar ein Zitat von Karl Valentin)


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13:55 Uhr:
Zwei Meldungen aus dem Ressort "Weisheit und Politik":

  1. jetzt-User rod-kieselfuercht hat ein fiktives Interview mit Helmut Schmidt geführt.

  2. Die Bild-Zeitung hat ein echtes Interview mit Helmut Schmidt geführt. Darin kritisiert der Altkanzler die Ukraine-Politik der EU. Er wirft ihr Größenwahn vor, das jüngste Beispiel sei "der Versuch der EU-Kommission, die Ukraine anzugliedern".

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13:39 Uhr:
Ich muss hier dringend kurz ein paar Glückwünsche loswerden. Ich habe nämlich gerade die Auswertung des jetzt.de-Bundesliga-Tippspiels der gerade abgelaufenen Saison entdeckt. Der erste Glückwunsch geht natürlich an die Gewinnerin canettinchen, die nicht nur gewonnen, sondern auch alle Rekorde gebrochen hat. Und der zweite Glückwunsch muss dringend an Digital_Data überbracht werden. So akribisch wie er das Tippspiel ausgewertet hat, ist wahrscheinlich nicht mal Pep Guardiola in seinen Spielanalysen.

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13:27 Uhr: Es naht das Wochenende vor dem Wochenende der Europawahl. Ich bin sehr froh, wenn die vorbei ist, weil ich langsam die vielen Wahlplakate nicht mehr sehen kann. Die machen mir schlechte Laune. So sehr, dass ich mich auch über Wahlplakate-Busting nicht mehr wirklich freuen kann. Wobei ich gestehen muss: Manche sind ganz gut gelungen.
[plugin imagelink link="http://urbanshit.de/bilder_urbanshit/2014/05/wahlplakat-busting-eu-urbanshit-11.jpg" imagesrc="http://urbanshit.de/bilder_urbanshit/2014/05/wahlplakat-busting-eu-urbanshit-11.jpg"]

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12:08 Uhr:
Für die Mittagspause kurz ein paar Links mit Bewegtbild zum Anschauen:
  1. Was mit Weltraum

  2. Was mit Wu-Tang

  3. Was mit Himbeerhase: https://www.youtube.com/watch?v=A9HV5O8Un6k

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11:22 Uhr:
Bin gerade über eine Startnext-Kampagne gestolpert: Die "Front deutscher Äpfel" möchte ein Buch rausbringen. Die Anti-NPD-Satiriker feiern nämlich zehnjähriges Jubiläum und wollen das zum Anlass nehmen, eine "Anleitung, um souverän und leichtfüßig mit Rechten umzugehen", zu verfassen.

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10:58 Uhr:
Früher haben Bands sehr viel Geld für Musikvideos ausgegeben. Bands wie Guns'n'Roses haben da glaube ich Budgets verbraten, über die sich mancher Kinoregisseur sehr gefreut hätte. Die niederländische Band "Adam" hat nicht viel Geld ausgegeben. Die Damen haben einfach einen Vibrator gekauft. Und dann versucht, ihr Lied zu singen, während sie einen Orgasmus haben. Willst du sehen? Dann bitte hier entlang, zur Topsexliste.





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9:59 Uhr:
Konferenz! Bis gleich...

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9:53 Uhr:
Blick auf Twitter: In den Trends sind Markus Lanz und Wolf Schneider, der große Mr. Sprachpapst, der Generationen von Journalistenschülern böse Träume beschert hat. Er war gestern bei Lanz zu Gast. Was genau da passiert ist, muss ich später noch rausfinden. Konnte das bislang nicht ermitteln, weil ich nach fünf Minuten Lanz-Sendung sehr dringend eine Pause brauche. (Für sachdienliche Hinweise in den Kommentaren bin ich dankbar) Nur so viel: Wolf Schneider hat vom Krieg erzählt. Klar, das tut er immer, diesmal aber nicht im übertragenen Sinn.

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9:11 Uhr:
Noch ein Guten-Morgen-Thema: Der heutige Ticker stellt die Schlafanzugfrage. Denn die Welt teilt sich ja, wie Valerie sehr schlüssig darlegt, in zwei Gruppen von Menschen auf: Schlafanzugmenschen und Nichtschlafanzugmenschen.


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8:35 Uhr:
Wir haben diese Woche angefangen, Redaktions-Spotify-Playlists zu basteln. Ich bin leider noch nicht dazu gekommen, da wirklich was Vollständiges und Vorzeigbares hinzulegen. Muss ja aber auch nicht immer alles vorzeigbar sein im Leben. Also, bitteschön, reinhören, es ist ein Anfang:

Chris' Playlist

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8:30 Uhr: Guten Morgen. Eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte: Ich habe einen leichten Kater. Die gute: Es ist Freitag.

„Rollt mich hier raus!“ - Wie ich einmal Helmut Schmidt interviewte

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Herr Bundeskanzler Schmidt, wir begrüßen Sie zu diesem Gespräch.


Schmidt: Wie bitte?


(lauter) Herr Bundeskanzler Schmidt, …


Schmidt: Schmidt reicht, danke.


Herr Schmidt, …


Schmidt: Die Frage ist so nicht richtig ges-tellt.


Sie war auch noch nicht fertig. Herr Schmidt, …


Schmidt (will etwas sagen, aber wird selbst unterbrochen)


Nein, jetzt rede ich. Sie sind hier, um von uns befragt zu werden, und zwar, wo sich ihr Leben nun rundet, zum ersten Mal seit ihrer Bonner Zeit, ohne die Themen vorher abgesprochen zu haben. Wir dürfen fragen, was wir wollen. Das ist der Deal.


Schmidt: Das war ein Fehler meiner Sekretärin, der da gemacht wurde. Aber nun bin ich ja einmal hier.


Das freut uns. Herr Schmidt, lassen Sie uns über ihre Zeit in der Hitlerjugend sprechen.


Schmidt: Ich war niemals in der Hitlerjugend.


Unsere Recherchen haben aber ergeben …


Schmidt: Ich war in der Marine-Hitlerjugend. Das ist etwas Anderes.


So? Worin genau besteht denn der Unterschied?


Schmidt: Die Marine-Hitlerjugend hat mit Wasser zu tun. Die normale Hitlerjugend hat es nicht.


Ja, wir sehen das ein, Wasser, löschen, Kriegsbrände. Das sind natürlich durchaus pazifistische Assoziationen, die man da hat - ziemlich reif für das Alter.


Schmidt: Das will ich meinen, ja. 


Sie sind also aus Pazifismus in die Hitlerjugend …


Schmidt (unterbricht): In die Marine-Hitlerjugend!


Sie sind also aus Pazifismus in der Marine-Hitlerjugend gelandet?


Schmidt: Kann man zumindest so sagen.


Überspringen wir einmal ihre Zeit als Oberleutnant und Batteriechef in der Wehrmacht. Oder möchten Sie sich dazu äußern?


Schmidt: In der Zeit haben sich meine Führungsqualitäten gezeigt und voll entwickelt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.


Verstehen wir. Ein schmerzvolles Kapitel.


Schmidt: Auch das.


Aber den Tod ihres eigenen Kindes öffentlich zu thematisieren, war Ihnen nicht zu schmerzvoll.


Schmidt: Nicht ich, das waren die Reporter, die das thematisieren wollten, so wie Sie. Ich habe das nur abgenickt.


Sie haben ja auch sonst einiges abgenickt. Die Stationierung von Pershing-Raketen auf deutschem Boden, Neuverschuldung in bis dahin nicht gekanntem Maß, …


Schmidt: Das war in den 70ern so in Mode und man würde es heute vielleicht anders machen. Aber Schlaghosen trägt man ja heute auch nicht mehr, vers-tehen Sie?


Heute hat man nicht mehr die Wahl, Herr Schmidt - außer bei Schlaghosen. Die Zinsen, verstehen Sie? Aber sprechen wir über etwas, das Sie nicht abgenickt haben: Mehr Sicherheit für Peter Lorenz zum Beispiel. Forderte der CDU-Bürgermeisterkandidat ja 1975. Er behauptete, „gefährlich“ zu leben.


Schmidt: Wissen Sie, ich habe schon bei der S-turmflut 1962 …


Ja, ja. Und Peter Lorenz, Gefahrenpit?


Schmidt: Sicherlich spielen Sie auf Personenschützer an, die ich selbst sehr zu schätzen weiß. Nur waren mir die Annehmlichkeiten dieser praktischen Helfer zu Lorenz‘ Zeiten nicht bewusst wie heute. Das Alter, vers-tehen Sie? 


Sie haben ihm geantwortet, ich zitiere: „Der Peter Lorenz, der das verantwortet, diesen Unfug, der muss sich offenbar nachts in seiner Wohnung ängstigen.“ Kurze Zeit später ist er entführt worden. 


Da hatte ich Angst um meinen Ruf. Wir konnten den Lorenz aber ja im Gefangenenaustausch für einige Leute aus der Baader-Meinhof-Bande wieder freibekommen.


Z. B. Verena Becker und andere, die später in Mordanschläge verwickelt waren. Während des Deutschen Herbstes ‘77 sperrten Sie sich dann gegen erneute Gefangenenaustausche und RAF-Leute haben den entführten Hanns-Martin Schleyer erschossen.


Schmidt: Wir haben aus der Sache mit Lorenz viel gelernt. Irgendwann musste ja einmal Schluss sein mit diesen Gefangenenaustauschen.




Bild: Zwez / MSC


Herr Schmidt, hätte man nicht schon die Lorenz-Entführung verhindern können, um nie in diese Schlamassel hineinzugeraten?


Schmidt: Hätte, hätte, Mentholzigarette. Das ist Spekulation und wenn dann Schluss gewesen wäre mit sowas, hätte ich niemals die Landshut retten können. Das ist keine Spekulation.


Das ist wahr.


Schmidt (erstaunt): Sie geben mir also Recht.


Wir geben Ihnen Recht.


Schmidt: Gerade waren Sie noch die einzigen Yournalisten der letzten 20 Jahre, die mir nicht s-tändig Recht gegeben haben, und nun fangen Sie damit an!


Da haben Sie Recht.


Schmidt: Das kann ich auch woanders haben!


Sie können ja gehen.


Schmidt: Sehr lustig! (zu seinen Sicherheitsleuten) Rollt mich hier raus.


Herr Schmidt, wir danken Ihnen für das Gespräch!


 


 

Am flammenden Grill

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Von alten Tomaten, gemobbten Mitarbeitern oder Müllbergen ist nichts zu sehen, zumindest nicht hier, in der Burger-King-Filiale im Münchner Osten. Die Tische sind geputzt, die Mitarbeiter sind freundlich, packen die Fast-Food-Tüten zusammen. Andreas Bork, 47, greift zu seiner Stärkung, einem eher nicht sehr Fast-Food-typischen Saft. Der Deutschland-Chef von Burger King will ausführlich über die Krise sprechen – und nebenbei natürlich Qualität und Service testen.



Bürger in Essen gegen Burgeressen: Nach Günter Wallraffs Reportage nehmen auch Bürger am Protest gegen die Arbeitsbedingungen bei Burger King teil. Und hängen Bilder wie diese auf.

Schmeckt es ihm überhaupt noch? „Klar“, sagt Bork, das Hemd mit dem Burger-King-Logo auf der linken Brust ist strahlend weiß, „ich war in den vergangenen zwei Wochen noch häufiger als sonst, nämlich jeden Tag, in einem unserer 697 Restaurants in Deutschland“, sagt er. Sein bevorzugtes Testobjekt ist dabei der Whopper.

Zwei Wochen – so lange währt die Eskalation der Krise nun schon, die eigentlich vor einem Jahr begann: Damals verkaufte Burger King Deutschland seine letzten 91 eigenen Filialen an die Unternehmer Ergün Yildiz und Alexander Kolobov und deren Yi-Ko-Holding. Die Unternehmer kündigten nach dem Trockenwerden der Tinte nicht nur zahlreiche Arbeitnehmer, sondern auch den Tarifvertrag. Vor zwei Wochen brachte dann der Investigativ-Journalist Günter Wallraff mit Kollegen beim Privatsender RTL Bilder aus dem Innenleben der Yi-Ko-Filialen: Angeblich frisches Gemüse lag Stunden herum, mangels Spülmaschine müssen Gerätschaften mitunter per Hand gewaschen werden, Dosen mangels Öffner mit Scheren geöffnet werden.

Seitdem steht Burger King mit seinen 25000 Mitarbeitern in Deutschland in der öffentlichen Kritik. Einer aktuellen Umfrage zufolge wollen nur noch 15 Prozent der Befragten eine Burger-Semmel kaufen. „Die Lage ist ernst, das stimmt“, gesteht Bork. Er sei in intensiven Gesprächen mit den Franchisepartnern, die die Burger-King-Restaurants betreiben. In dieser Woche hat er die Restaurant-Chefs der Yi-Ko-Filialen zusammengerufen. Sehr emotional sei das Treffen gewesen. „Wir haben Angst gespürt, aber auch Stolz und Hoffnung.“ Seine Kollegen Nicole Gottschalk und Stefan Kost ersetzen den abgesetzten Geschäftsführer Yildiz – und hätten nun die „schwierige Aufgabe“, die Leute bei der Yi-Ko zu begeistern. „Jetzt erst recht“, sei die Reaktion, berichtet Bork, der mehrere Tage im Jahr selbst hinter dem Tresen steht: weil er den Kontakt zu Grill und Gemüse nicht verlieren will.

Eine der wesentlichen Aufgaben der Interimsführung sei es, so Bork, „eine maximale Zahl der Gerichtsverfahren schnell und einvernehmlich beizulegen“. Der Betriebsfrieden hat gelitten durch Dutzende Arbeitsrechtsstreitigkeiten, die Yi-Ko vor allem gegen Betriebsräte führt. So gravierend war das Vorgehen, dass sich Sahra Wagenknecht und die Bundestagsfraktion der Linken ablichten ließ mit dem Plakat: „Solidarität mit den Betriebsräten und Beschäftigten bei Burger King.“

Das Wichtigste allerdings sei, so Bork, dass die Menschen nun wieder Vertrauen gewinnen. Vertrauen, dass es tatsächlich „flammengegrilltes Fleisch mit frisch geschnittenen Zwiebeln und Tomaten“ gibt, was sie bei Burger King als den wichtigsten Unterschied zum viel größeren Wettbewerber McDonald’s halten. Der Weg dazu ist nach der Vorstellung von Bork Transparenz: „Wir beauftragen nun etwa den angesehenen TÜV Süd, der als externer Kontrolleur in alle unsere Restaurants geht, zusätzlich zu den internen Kontrollen.“ Neben den Laborprüfungen und Vor-Ort-Tests will Bork in einigen Restaurants die Küchen für das Publikum öffnen: „Wir haben nichts zu verbergen.“

Zuletzt hatte die weltweit tätige FastFood-Kette Burger King das Geschäftsmodell grundlegend geändert. Alle eigenen Restaurants wurden verkauft, Burger King ist nur noch ein Franchise-Unternehmen, das vor allem Lizenzen vergibt, die Standards setzt und Werbung macht. Das hat Auswirkungen: In der Deutschland-Zentrale wurden vor Kurzem angeblich 90 von 120 Stellen gestrichen. „Zahlen sind da nicht so erheblich“, sagt der studierte Betriebswirt und ehemalige Unternehmensberater Bork dazu. Entscheidend sei, dass das Geschäftsmodell funktioniere und die 165 Franchisenehmer in Deutschland gut betreut würden. Nach der Strategieänderung seien zwar einige Aufgaben nach draußen oder an die Zentrale in den USA gegeben worden. Insofern seien „einige Kürzungen möglich“ gewesen. Der Service für die Franchisenehmer sei dennoch gut.

Aber wird nicht zu viel gespart, wäre es vielleicht nicht zu dem Skandal gekommen, wenn Burger King mehr Mitarbeiter hätte? „Das sieht von außen vielleicht so aus“, räumt Bork ein. „Aber wir haben immer intensiv und partnerschaftlich mit diesem Franchisenehmer gearbeitet und ihn unterstützt und trainiert.“ Das Franchisemodell lebe von den Leuten und der Expertise vor Ort. In den allermeisten Fällen gelinge das: „Im Fall von Yi-Ko ist das offensichtlich nicht ausreichend gewesen.“ Deswegen habe man die Konsequenzen gezogen und den Geschäftsführer abgelöst. Bork will nun nicht ausschließen, dass der bis vor einem Jahr unbekannte Kleinunternehmer Yildiz und sein Partner im Hintergrund, der Russe Kolobov, die Burger-King-Filialen bald wieder verkaufen.

Mitreden wird dabei allerdings auch die US-Zentrale in Miami. Burger-King-Weltchef Daniel Schwartz regiert von dort aus das Fast-Food-Imperium und trimmt es für die maßgeblichen Eigner, die Finanzfirma 3G Capital und die Justice Holding des Karstadt-Investors Nicolas Berggruen, auf Gewinn. Deutschland ist dabei der größte Auslandsmarkt für Burger King und zuletzt deutlich gewachsen, sagt Bork. So finde nun auch die Krise in Miami Beachtung. Druck von dort spürt der Deutschland-Chef aber nicht: „Weil wir viele Freiheiten haben, eigentlich alle: Das Produktsortiment, die Preise, die Werbung – das sind alles unsere eigenen Entscheidungen.“

Natürlich habe er in den vergangenen Tagen mehrmals mit Schwartz gesprochen. Und? „Daniel Schwartz hat vollstes Vertrauen in das Team und ist sich sicher, dass wir das meistern werden“, berichtet Deutschland-Statthalter Bork. Der hofft, dass sich die Aufregung möglichst bald legt, und plant schon einmal die nächsten Burger-King-Eröffnungen in diesem Jahr. Denn: „Die Fastfood-Branche hat keine Krise, die Leute wollen schnell und unkompliziert essen, das passt in die heutige Zeit.“

Daran, meint zumindest Bork, würden die momentanen Probleme nichts ändern.

Massenproteste gegen Erdoğan

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Die Bergwerkskatastrophe mit bislang 282 Toten im westtürkischen Soma hat eine Protestwelle gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan ausgelöst. In Istanbul demonstrierten am Donnerstag Tausende Menschen mit einer Sitzblockade. Auf ihren Transparenten stand: „Es ist kein Unfall, es ist kein Schicksal, es ist Mord!“ Erdoğan hatte bei einem Besuch in Soma am Vortag zwar sein Bedauern geäußert, aber bei einer Pressekonferenz erklärt: „Solche Unfälle passieren ständig.“ Er verglich das Drama mit Unglücken in Kohlegruben in England im 19. Jahrhundert und mit jüngeren Vorfällen in China.



"Solche Unfälle passieren ständig", sagte Premierminister Erdoğan während einer Pressekonferenz. Im Unglücksort Soma wurden derweil Massengräber ausgehoben.

In der 120 Kilometer von Soma entfernt gelegenen Ägäis-Metropole Izmir gingen etwa 20 000 Menschen auf die Straße. Polizisten reagierten mit Wasserwerfern und Tränengas. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Disk, Kani Beko, der an der Spitze eines Protestzugs marschierte, musste verletzt in ein Krankenhaus gebracht werden. Berichte über Proteste gab es auch aus Mersin und Antalya.

Wütende Reaktionen löste auch das erst über soziale Netzwerke und am Donnerstag auch in vielen Zeitungen verbreitete Foto des Erdoğan-Beraters Yusuf Yerkel aus, der in Soma einen auf dem Boden liegenden Demonstranten mit Fußtritten traktiert. Ein AKP-Unterstützer erklärte über Twitter, der Demonstrant sei kein Angehöriger der toten Bergleute, sondern Mitglied einer radikallinken Partei. Die Empörung hat dies nicht gedämpft. Erdoğan war bei seiner Visite in Soma am Mittwoch auch ausgebuht worden. Er musste kurzfristig in einem Supermarkt Zuflucht suchen. Am Donnerstag reiste auch Präsident Abdullah Gül in die Stadt. Er versprach Aufklärung und sagte: „Es ist ein großer Schmerz, und es ist unser aller Schmerz.“

In Soma wurden bereits Massengräber ausgehoben und am Donnerstag schon die ersten Toten bestattet. In dem Unglücksstollen wurden immer noch 100 Bergleute vermutet. Die Rettungskräfte rechneten aber kaum damit, sie noch lebend zu bergen. Erst hieß es, in der Grube habe es am Dienstag einen Brand eines Transformators gegeben. Ein Ingenieur, der vor Ort war, sagte später aber, eine ungenutzte Kohlelagerstätte habe sich erhitzt. Das Kohlenmonoxid sei durch die Schächte und Stollen gezogen. Angesichts des bislang schwersten Industrieunglücks in der Türkei riefen vier Gewerkschaften zu Streiks gegen schlechte Sicherheitsstandards auf.

Heiliger Ort

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Die weißen, roten und blauen Lichter der Polizeiautos orgelten wieder durch Manhattan, nichts und niemand ging mehr, alles stand und stockte, aber die Stadt verlor die Nerven trotzdem nicht: Der Präsident kam hier durch, und die am Straßenrand zu dem für New Yorker ungewöhnlichen Zustand der Rast verdammten New Yorker freuten sich und hielten, wie bei einer Schweigeminute, einfach einmal inne.
Zwei Dinge standen, nach den Verlautbarungen des Weißen Hauses, auf seinem Programm. Eine Rede über Infrastrukturpolitik an der Tappan Zee Bridge, die oberhalb von New York über den Hudson River führt und von Leuten, die beruflich die Sicherheit von Brücken testen, privat vorsichtshalber schon seit Jahren nicht mehr befahren wird; diese Brücke, die größte im Bundesstaat, wird jetzt ersetzt. Und die offizielle Eröffnung des 9/11 Museums am Ground Zero.



Berührend: Während der frühere New Yorker GouverneurGeorge Pataki eine Rede hält, werden Fotos von Opfern des Terroranschlags an die Wand projiziert.

Beides ist überfällig, und beides sind Dinge, die den Menschen hier am Herzen liegen. Weswegen Obama dann auch Sätze sagte wie: „All jene, die wir verloren, leben in uns fort.“ Und: „Nichts wird uns brechen.“ Aber diese präsidentielle To-do-Liste zeigt eben auch, wie sehr das Gedenken an die Anschläge vom 11. September 2001 mittlerweile zwischen die Bewirtschaftung der Alltagsprobleme zurückgetreten ist. Das machte die Eröffnung des Museums wiederum nur noch dringender. Dermaßen oft war die nach hinten verschoben worden, aus allen möglichen Gründen, dass man kaum noch glauben mochte, das Warten werde je ein Ende haben.

Als es diesen Donnerstag dann endlich soweit war, nahm nämlich eine Geschichte ihr Ende, die zum Schluss leider vor allem durch die Gereiztheiten zwischen den Beteiligten und den Betroffenen Schlagzeilen produzierte. Das ist deswegen so schade, weil man die Gedenkstätte, anders als den sogenannten Freedom Tower, im Großen und Ganzen als eher gelungen bezeichnen kann. Der Turm, der das zerstörte World Trade Center ersetzen soll, ist ein Kapitel für sich, und der ambitionierte Symbolismus, den der später von dem Projekt abgezogene Architekt Daniel Libeskind sich dafür einst ausgedacht hatte, ist inzwischen nicht mehr als eine Fußnote. Geblieben ist davon nur die Höhe von 1776 Fuß (541 Meter) als Anspielung auf das Jahr der Unabhängigkeitserklärung – Zahlenmystik, die sich dem Auge, das ja nun einmal kein Maßband ist, nicht einmal mitteilt, zumal ein großer Teil der Strecke durch eine schnöde Antenne ermogelt wird.

Die Zwillingstürme des alten World Trade Centers waren tatsächlich niedriger (415 Meter), wirkten durch ihre Schlankheit aber höher; sie überragen den Neubau in jeder Beziehung bis heute. Was nun die Qualität der 2011 eingeweihten Memorial Plaza auszeichnet, ist die Tatsache, dass deren Architekt Michael Arad die Erinnerung an diese verlorene Höhe (und alles andere, was damals verloren ging) konsequent durch die entgegensetzte Bewegung bewahrte: Auf den Grundflächen der Zwillingstürme befinden sich nun quadratische Löcher, an deren Rändern stürzen Wasserfälle in nicht absehbare Tiefen und bilden dabei den finalen Zusammensturz der Türme immer wieder nach. Ja, das ist pathetisch, und ja, das hat auch die Funktion, die jeder städtische Springbrunnen hat, nämlich den Lärm des Alltags akustisch auszublenden. Aber es ist auch ergreifend, und es stülpt das, was an den Twin Towers erhaben war, kurzerhand um, diese sogenannten Pools sind inverse Wolkenkratzer, das Gedenken geht unauslotbar in die Tiefe.

Das neue Museum steigert diese Geste noch: Es geht noch tiefer, es liegt unter den Pools, es geht buchstäblich zum Ground Zero. Das ist gewiss besser als die ursprünglich einmal herumgeisternde Idee, es einfach in den schwer vermietbaren unteren Etagen des neuen Turms unterzubringen. Aber das hat auch seine Tücken.

Den Effekt einer Krypta wird dieses Museum nie loswerden, der liegt schon in seiner baulichen Natur. Dazu kommt, dass es hier als geheimes Zentrum auch tatsächlich das gibt, was in der Krypta einer romanischen Kirche als Confessio bezeichnet würde: ein abgesondertes Gewölbe um das Heiligengrab. Es hat zuletzt vor allem über diesen Punkt Kontroversen gegeben: die Einlagerung von Überresten der Opfer in einem separaten Raum, zu dem nur die Angehörigen Zugang haben – und die Gerichtsmediziner, die nach wie vor an der Zuordnung der Leichenteile arbeiten.

Einige der Angehörigen, eine Minderheit allerdings, protestierten zuletzt noch lautstark gegen die Musealisierung ihrer Toten. Bezeichnenderweise wurde hier ansonsten ja früh schon beschlossen, menschliche Überreste keinesfalls „auszustellen“. Sogar der Staub auf den Exponaten ist chemisch getestet worden, um sicherzugehen, dass er von den zusammengestürzten Türmen stammt und kein verbranntes Menschenfleisch enthält. Das Makabre solcher Erwägungen nistet gewissermaßen in der Zwitternatur des Ortes als archäologischer Stätte und Nekropole.

Alice Greenwald, die das Museum leitet, hatte zuvor am Holocaust Memorial in Washington gearbeitet, es wird nicht das primäre Ziel ihres Teams gewesen sein, das 9/11 Museum nach dem Modell von Kirchen über einem Märtyrergrab einzurichten. Vielleicht führt aber einfach die Struktur der Aufgabe zu diesem Ergebnis. Es gibt hier auf jeden Fall Märtyrer.

Es gibt auch engelsgleiche Kämpfer des Guten. Und sie alle haben Reliquien hinterlassen, die hier nun ausgestellt werden und anschaulich und in gewisser Weise auch nacherleidbar machen, was damals geschehen ist. Da ist das zerstörte Feuerwehrauto der Ladder Company 3, dessen Besatzung sich bis in den 35. Stock des Nordturms vorgekämpft hatte und bei dessen Einsturz darin begraben wurde. Und da ist aber auch die Betonwand, die Ground Zero vor den Fluten des Hudson River schützt. Dass sie damals gehalten hat, wurde damals, in den Tagen der Konfusion und der Entmutigung, als Zeichen, als Wunder und als Metapher gelesen. Die „Slurry Wall“ ist damals zu einem Monument geworden, an dem sich eine ganze Nation allmählich wieder aufrichten konnte.

Es gibt sogar ein Kreuz aus Stahlträgern, das Kreuz von Ground Zero, in den aus Flugzeugkerosin gespeisten Höllenfeuern zusammengeschweißt. Es ist wahr, dass manche dieser Trümmer einen heute eher an Kunst erinnern, das liegt auch daran, dass manche dieser Trümmer schon bei Kunstausstellungen ausgestellt waren. Gut, dass es demgegenüber eben auch die kulturelle Erfahrung von Kirchenräumen gibt, wo Kunstwerke immer noch in erster Linie Kultgegenstände sind, nicht der ästhetischen Erbauung dienen, sondern der Beglaubigung. Stimmen sind zu hören, letzte Telefonate, der Horror des Geschehenen wird vergegenwärtigt. Und es gibt, natürlich, bei all dem auch einen Satan, ausgemachte Teufel, und eine der zentralen Fragen bei der Einrichtung dieses Museums war die, wie mit denen umgegangen werden muss.
Kann man, darf man zur Dokumentation dessen, was passiert ist, Fotos der Attentäter zeigen, ohne dass die damit in eine Reihe mit den Opfern treten? Und wenn ja, wie macht man das so, dass diejenigen Hinterbliebenen, die die Gesichter der Mörder ihrer Angehörigen nicht sehen wollen, sie nicht auch sehen müssen?

Die Antwort, die gefunden wurde: Opferfotos hängen groß an den Wänden, die Täter liegen waagerecht in Vitrinen, man muss sich darüberbeugen. Und auch das Böse hat Reliquien hinterlassen: Zu sehen ist der Laptop von Ramzi Yousef, der 1993 den ersten Anschlag auf das World Trade Center orchestriert hatte und ein Neffe ist von Khalid Scheich Mohammed, dem Chefplaner des Terrors von 9/11. In einem Film ist zu sehen, wie Osama bin Laden, als er 1996 von CNN in einer Höhle interviewt wurde, den USA den Krieg erklärte. Damals hatte ihn keiner ernst genommen. Jetzt und hier haben seine Worte ein anderes Gewicht.

Das jüdische New York hatte offensichtlich kaum Probleme, sich in diesem kirchenartigen Erzählmodell wiederzufinden. Kreuze und Davidsterne tauchten auch schon in der Phase der Bergungsarbeiten immer wieder nebeneinander auf, von Helfern und Trauernden an die Wände gemalt. Was fehlt, sind die Halbmonde des Islam. Muslimische Verbände haben bis zuletzt noch dagegen protestiert, dass ihre Religion in dem etwas manichäischen Bild, das dieses Museum malt, nur als das Böse vorkommt, als der Islamismus von al-Qaida.

Aber das ist nicht ganz so. Da sind immer noch – zentrales Ausstellungsstück – die gigantischen Pfeiler aus der Fassade von Minoru Yamasakis Twin Towers: schmal, hoch und an ihrer Krone sich verdreifachend. Das erinnert nicht zufällig an Vorbilder aus der islamischen Architektur. Das ist direkt inspiriert von den Moscheen Persiens und Arabiens. Es gibt ein Zitat in den Erinnerungen von Yamasaki, in dem er die Plaza seines World Trade Centers mit Mekka vergleicht, einem Ort feierlicher, geradezu heiliger Gefasstheit inmitten entropischer Zustände. Yamasaki hatte viel Zeit in Saudi-Arabien verbracht, er hat dort etliches gebaut. Der größte Bauunternehmer des Landes damals und dadurch zweitreichster Mann nach dem Herrscher, hieß Mohamed bin Laden. Einer seiner Söhne würde viele Jahre später nicht nur die USA angreifen und Tausende Menschen töten, er würde sich auch am eigenen Erbe vergehen.

Das Museum ist ab dem 21. Mai für die Allgemeinheit zugänglich. Informationen und Vorverkauf von Eintrittskarten: http://www.911memorial.org/

Die Hilfsarbeiter

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Er ist Mitte vierzig, verkauft Gebrauchtwagen und hasst seinen Job. Er sagt, er hat drei Jahre gebraucht, um sich das einzugestehen. Er räuspert sich, ihm fällt das nicht leicht. Zehn Frauen und vier Männer hören ihm zu, sie sitzen im Stuhlkreis. Die Nächste in der Runde trägt Business-Blazer und praktischen Kurzhaarschnitt: „Ich arbeite in der IT-Branche. Das ist gar nicht mein Ding. Ich bin an einem Punkt, an dem ich mich frage: Will ich das weitermachen?“



Aus der eigenen Sinnkrise heraus, indem man andere berät? Das ist ein Klischee, gegen das sich Coaches behaupten müssen. Dabei ist das nur in seltenen Fällen wirklich ihre Motivation.

Es herrscht Selbsthilfegruppenatmosphäre. Doch die Frauen und Männer im Stuhlkreis sind nicht hier, um sich helfen zu lassen. Sie wollen selbst helfen. Sie wollen Coach werden. Und Gerhard Helm soll ihnen sagen, wie das geht. Der Mann mit dem Teddybärengesicht leitet die „Münchner Akademie für Business Coaching“, die genau genommen keine Akademie ist, sondern ein Tagungsraum im Erdgeschoss eines Münchner Messehotels: groß karierter Teppichboden, kaltes Licht, filzstiftbemalte Flipcharts an den Wänden. Die Stuhlkreisler schleudern sich gegenseitig einen Plüschball zu. Wer ihn fängt, muss sich vorstellen. „Hilfe zur Selbsthilfe ist einfach eine coole Geschichte“, sagt Gerhard Helm und wirft den Plüschball in die Runde.

Wie viele Coachs es in der Bundesrepublik gibt, weiß niemand so genau. Das liegt daran, dass es kein geschützter Beruf ist. Dass man also keine Ausbildung braucht, um als Coach arbeiten zu dürfen – egal für welche Zielgruppe. Ob für Singles, die lernen wollen, wie man effizient flirtet. Für Paare, die lernen wollen, wie man effizient liebt. Oder für Karrieristen, die lernen wollen, wie man effizient Karriere macht. Zur letztgenannten Sparte gehören die sogenannten Business-Coachs, von denen es hierzulande laut Marktanalyse der Universität Marburg 8000 gibt. Das passt nicht mit den Zahlen des Deutschen Bundesverbands Coaching zusammen, wonach jedes Jahr 4000 Menschen eine Ausbildung zum Business-Coach absolvieren, doch eines bestätigen alle Statistiken: Immer mehr Deutsche wollen als Business-Coach arbeiten.

Warum eigentlich? Und was sind das für Leute, die sich berufen fühlen, Coach zu werden?

„Wer nichts wird, wird Coach“, lautet die beliebte Antwort der Coaching-Skeptiker. Es ist ein Satz, der das Vorurteil schürt, viele Menschen würden aus Verlegenheit zum Coach. Dass es sich um Unzufriedene handelt, die den Weg aus der eigenen Karriere-Sackgasse ausgerechnet darin suchen, andere Menschen aus ebendieser Sackgasse zu befreien. Oder gehässiger formuliert: Coachs sind beruflich Gescheiterte, die anderen Erfolgsratschläge für die Karriere geben wollen.

Ist da etwas dran?

Definitiv!, möchte rufen, wer den Menschen zuhört, die rund um Ausbilder Helm im Stuhlkreis sitzen. „Bei mir ist es so, dass ich mitten in einem Veränderungsprozess stecke“, sagt eine kleine, schmale Frau mit randloser Brille, die zwölf Jahre lang als Controllerin gearbeitet hat. „Weil ich im Controlling nie meine Berufung gefunden habe“, hat sie mit Anfang 40 angefangen, Psychologie zu studieren. Jetzt kommt die Coaching-Ausbildung dazu. Danach, sagt sie, wolle sie ihre Erfahrungen weitergeben „aus den Phasen, in denen es in meinem eigenen Beruf nicht weiterging“.

Die kleine, schmale Frau mit randloser Brille, der Gebrauchtwagenhändler, die Frau mit dem praktischen Kurzhaarschnitt – sie gehören wohl zu denjenigen, über die Bernhard Kirchhoff schreibt, sie seien „selbst auf der Strecke der Eitelkeit stecken geblieben“ und wollen jetzt „ihre harmlosen Lebenserfahrungen und das Erlernte als die Quelle der Weisheit“ vermitteln. Der Düsseldorfer Coach findet: Ein guter Coach „muss eine unabhängige Persönlichkeit sein, die mit sich im Reinen ist, die sich bereits selbst therapiert hat und sich nichts mehr beweisen muss“. Klingt logisch und gut, die Frage ist nur: Kann es diesen Coach überhaupt geben?

Die Suche nach einer Antwort führt von Kirchhoffs Coaching-Zentrum um drei Düsseldorfer Straßenecken zu einem Reihenbau zwischen einem Zahnpflege-Geschäft und einem Schuhladen. Im vierten Stock hat Heide Liebmann ihren Arbeitsplatz. Ein helles 20-Quadratmeter-Zimmer mit weißen Wänden, im Regal stehen Bücher von Carl Gustav Jung und Sigmund Freud, daneben das obligatorische Flipchart. Gegenüber sitzt Heide Liebmann, weiße Bluse, Jeans, türkisfarbene Wildlederstiefeletten, Kurzhaarschnitt. Wer mit der 49-Jährigen spricht, erlebt eine Frau, die mit sich im Reinen zu sein scheint. Doch das ist sie nicht. Sie findet das gut so.

„Ich bin nicht perfekt“, sagt Liebmann, „und ich glaube auch nicht, dass da draußen irgendein Coach rumläuft, der noch nie Selbstzweifel hatte.“ Heide Liebmann macht kein Geheimnis draus, dass ihr Leben nicht immer glatt gelaufen ist. Sie ist Anfang 20 und Politikstudentin, als sie die Diagnose Morbus Crohn bekommt: eine chronische Darmentzündung. Sie rutscht in die Depression, das Studium bekommt sie nicht auf die Reihe. „Ich war eine sehr unglückliche junge Frau.“ Nach mehreren Jahren Psychotherapie schöpft sie wieder Kraft, wechselt den Studiengang, wird Literaturübersetzerin, kommt über eine Zeitarbeitsfirma in einen großen Telekommunikationskonzern – und wird dort Pressesprecherin. Dass sie es trotz Umwegen und Schicksalsschlägen so weit gebracht hat, „das hat meinem Ego schon geschmeichelt“, sagt Liebmann.

Dass sie trotzdem hinwarf, hatte mit den Hierarchien im Konzern zu tun: „Vielleicht habe ich zu lange studiert und war deswegen verdorben für die Art, sich in hierarchische Strukturen einzufügen.“ Sie sei nicht damit klargekommen, dass sie jede Entscheidung vom Geschäftsführer absegnen lassen musste, dass dessen Sekretärin in ihren Pressemitteilungen rumkritzelte. „Ich war total unzufrieden“, erinnert sich Heide Liebmann. Und sagt einen Satz, der genau so im Stuhlkreis des Münchner Messehotels gefallen ist: „Ich habe mich damals gefragt: Will ich das weitermachen?“

Sie holt sich Hilfe bei einem Coach – und hat ein Aha-Erlebnis: „Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich in der ersten Sitzung zu dem Coach sagte: Was Sie können, will ich auch können. Ich hatte das Gefühl, endlich angekommen zu sein.“ Nun, elf Jahre später, hat Liebmann sich als Coach etabliert. 160 Euro nimmt sie für eine Stunde. Pro Monat hat sie zwei bis vier Klienten, außerdem macht sie Online-Coaching und hilft anderen Coachs, ihre Webseiten zu texten. Sie verdient kein Vermögen, aber kann gut davon leben. Nur eines ärgert Heide Liebmann maßlos: Wenn es über Coachs mit brüchigen Biografien heißt, sie seien Frustrierte und Gescheiterte und deswegen nicht geeignet für den Job.

Wer solche Vorurteile hegt, sehnt sich nach einem allwissenden Lebensberater ohne Schwächen und Zweifel, nach einem Lebens- und Karrierestreber. Doch das sei eine Illusion, glaubt Heide Liebmann. „Wer denkt, dass man perfekt sein muss, um Coach sein zu dürfen, der hat unter Umständen selbst ein großes Problem.“ Am meisten, so scheint es, fürchten Coaching-Skeptiker, dass ein Coach die eigenen Defizite in der Beziehung zum Klienten aufarbeiten könnte. Dass diese Furcht nicht ganz unbegründet ist, gibt Heide Liebmann zu. „Es ist immer die Verführung da, die eigene Lösung dem anderen überzustülpen. Coaching-Kompetenz heißt, dass man das erkennt und das lässt.“ Und trotzdem hält sie ihre eigenen Lebens- und Karrieretiefs für eine Stärke. „Wenn ich erzähle, dass ich auch durch eine Phase von Krankheit und Depression gegangen bin und dass ich selbst ganz viel verkehrt gemacht habe, dann ist das für Klienten oft sehr erleichternd.“

Wer ist denn nun der bessere Coach: der Gescheiterte oder der scheinbar Fehlerfreie? Am besten fragt man eine, die es dorthin geschafft hat, wo alle Coachs hinwollen: in die Vorstandsetagen der Dax-Konzerne. Wer die Top-Manager des Landes coacht, sollte schließlich wissen, wie ein guter Coach gestrickt sein muss. „Wer nichts wird, wird Coach? Was für eine Unverschämtheit so etwas zu behaupten“, sagt der Münchner Coaching-Guru Sabine Asgodom. Natürlich gebe es, wie in jedem Beruf, auch schlechte Coachs, aber: „Einen ganzen Berufszweig so schlechtzumachen, das finde ich einfach billig.“ Eine eigene Sinnkrise hält Sabine Asgodom sogar für eine „gute Motivation“, um Coach zu werden. „Wenn alles im Leben glatt gelaufen ist, glaube ich, kann man kein so guter Coach sein, wie wenn man schon einmal gescheitert ist, Schicksalsschläge erlebt oder mal den Job verloren hat. Brüche im Leben sind nur gut fürs Coaching, weil man sich in den anderen hineinversetzen kann.“

Zurück im Münchner Messehotel. Die Veranstaltung ist zu Ende, der Stuhlkreis verwaist. Nur Coach-Ausbilder Gerhard Helm ist noch da, reißt die filzstiftbekritzelten Blätter von den Flipcharts und packt zusammen. Man müsse schon ganz genau aufpassen, wen man da zum Coach ausbilde, sagt Helm. „Denn es gibt Leute, die suchen nicht ihre Berufung, sondern im Prinzip Hilfe.“ In solchen Fällen könne nur ein Psychologe helfen. Helm muss es wissen, er hat selbst Psychologie studiert. „Da gab es früher auch mal die Idee, dass ein Therapeut selbst austherapiert sein sollte.“ Aber das, sagt Helm, sei genau so irrsinnig wie die Illusion vom Coach, der über alle Zweifel erhaben ist.

Feuer frei

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Mit Großprojekten hat Rheinland-Pfalz in jüngster Zeit keine so guten Erfahrungen gemacht. Der von der Landesregierung einst erträumte Erlebnispark am Nürburgring scheiterte kläglich. Der Regionalflughafen Hahn muss um sein Überleben bangen. Und bei der gigantischen Hochmoselbrücke müssen die Konstrukteure mit technischen Problemen kämpfen. Nun gibt es neue Aufregung über eine Investition, wieder in der Eifel, einer beschaulichen, wenn auch wirtschaftlich nicht sonderlich florierenden Region. In Landscheid mit seinen gut 2000 Einwohnern, laut Eigenwerbung allesamt konservative und traditionsbewusste, wenngleich weltoffene Menschen, soll eine riesige Schießanlage entstehen, eine der größten in Europa. Das sorgt, wie könnte es anders sein, für Zwist.



Wird in Landscheid bald von morgens bis abends geballert? Gegner der geplanten Schießanlage befürchten das und protestieren gegen den zu erwartenden Dauerlärm.

Viele Anwohner fürchten, dass vor ihrer Haustür ein regelrechtes Ballermann-Projekt entstehen soll, mit Knallerei rund um die Uhr. Sie machen gegen den Schießplatz mobil – und können, zur eigenen Überraschung, inzwischen sogar auf einen Erfolg hoffen. Aber der Reihe nach.

In Landscheid gibt es schon seit gut vier Jahrzehnten einen Schießplatz, betrieben vom Verein Wurftaubenclub. Man kann dort mit Schrotmunition auf Scheiben schießen, zwei Mal pro Woche, auf knapp vier Hektar Land. Alles im Rahmen, regt keinen auf. Nun aber muss der bleiverseuchte Boden saniert werden. Das kostet mutmaßlich einige hunderttauschend Euro, die weder der Verein noch die Gemeinde aufbringen können. Da traf es sich gut, dass der Vorsitzende des Wurftaubenclubs seit Langem mit Michael Ostendorf befreundet ist, einem Freizeitjäger und Geschäftsführer eines erfolgreichen Farben-Unternehmens aus dem nordrhein-westfälischen Coesfeld. Ostendorf ist seit Kinderzeiten ein Freund. Und er machte der Gemeinde ein Angebot: Er übernimmt die Anlage, saniert den Boden, baut das Ganze auf etwa 15 Hektar für gut drei Millionen Euro zu einer Art Erlebnis-Schießplatz aus – mit Gastronomie, Ausbildungszentrum und Waffengeschäft. Sieben Tage pro Woche soll dann geschossen werden, bis zur Dämmerung. Gäste aus Deutschland, Belgien, Frankreich und den Niederlanden kämen in die Eifel und Gewerbesteuer in die Gemeindekasse. Mehr noch: Etwa 20 Jobs würden geschaffen, sagt Ostendorfs Schießplatz-Beauftragter Bernd Bahr.

Nicht schlecht für einen kleinen Ort in einer strukturschwachen Region. Das dachten sich offenkundig auch die Kommunalpolitiker der Gemeinde, in der die CDU den Ton angibt. Im Februar votierten sie mehrheitlich grundsätzlich für das Projekt. Doch dann drehte sich die Stimmung.

Die Kritiker der geplanten Riesenschießanlage, ein bunter Haufen von Anwohnern, Natur- und Kulturschützern und sogar katholischen Geistlichen, wollen keinen Ballerplatz in ihrer Heimat. Der befürchtete Dauerlärm würde die Einheimischen die Nerven kosten und Touristen vertreiben. Außerdem würde er womöglich die Immobilienpreise drücken und Haus- und Wildtiere bis hin zur Turteltaube verschrecken, argumentieren die Gegner. Sie haben sich in einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen und sammeln nun Stimmen für ein Bürgerbegehren.

Für die dazugehörige Online-Petition ist Thomas Simon zuständig. Der IT-Unternehmer ist Vorsitzender des Fördervereins der Zisterzienser-Abtei Himmerod. Das im 12. Jahrhundert gegründete Kloster hat eine glorreiche Vergangenheit, geriet aber in jüngster Zeit in finanzielle Turbulenzen. Die Mönche, die heute Gäste für spirituelle Kurzaufenthalte empfangen, sind dringend auf Geld angewiesen. Einen Ballerplatz in der Nachbarschaft können sie gar nicht gebrauchen, weshalb auch die Mönche gegen das Projekt sind. Der Fördervereinsvorsitzende Simon ist sicher, dass die 5000 Stimmen, die für das Bürgerbegehren mindestens notwendig sind, zusammenkommen. Er verweist darauf, dass sich die Dinge gerade sehr bewegen, wenige Tage vor der Kommunalwahl am 25. Mai. „Es tut sich was“, sagt Simon.

Dafür ist vor allem Dennis Junk verantwortlich. Der 29-Jährige Christdemokrat wird, wenn kein Wunder geschieht, am 25. Mai zum Bürgermeister der Verbandgemeinde Wittlich-Land gewählt. Er wird damit künftig etwas zu sagen haben, auch in Landscheid. Und vom Schießplatz hält er, gelinde gesagt, wenig. „Ich glaube, das Projekt wird am Ende des Tages am Lärm scheitern“, sagt der Bürgermeister-Kandidat. Er hat mit seiner Frau, einer Radiologin, über die Sache gesprochen. Die hat wiederum mit ihren Mediziner-Kollegen geredet, und dabei setzte sich, so Junk, die Erkenntnis durch, dass permanente Knallerei den Menschen nicht zugemutet werden könne. Selbst wenn gesetzliche Grenzwerte eingehalten würden, seien Einbußen für die Lebensqualität zu befürchten. Junk ist, wie er sagt, kein Technik-Feind, keiner, der die Leute vor Unbill aller Art zu schützen verspricht, in der Hoffnung auf ein Kreuz bei der Wahl. Windräder und Stromtrassen müssten kommen, wenn man es ernst meine mit der Energiewende, erklärt er. Aber der Schießplatz sei das Vorhaben eines Privatinvestors und nicht unbedingt ein Projekt des öffentlichen Interesses.

Der CDU-Mann setzt sich mit seiner Kritik auch von etlichen seiner Parteikollegen ab, die bislang viel Sympathie für den Großschießplatz hatten. Zugleich nimmt er sie aber auch in Schutz. Auch jene Christdemokraten, die bisher grundsätzlich für den Ausbau gewesen seien, hätten stets gesagt: „Es muss leiser werden.“

Aber was ist leise? Und ab wann wird es laut? Darüber wird in der Eifel noch gestritten werden. Denn der Investor lässt erklären, nach seinem Schießplatz-Ausbau würde es nicht mehr, sondern weniger Lärm geben. Überhaupt, so sein Beauftragter Bahr, machten die Gegner mit falschen Behauptungen Stimmung. Nie und nimmer würde es 28000 Schüsse am Tag geben, wie die Gegenseite verbreite. Diese Zahl sei „abenteuerlich“. Bahr spricht von etwa 6000 Schüssen, die zudem nicht rund um die Uhr abgefeuert würden. Kein Mensch, der bei Verstand sei, wolle in der Dunkelheit auf Scheiben schießen, schon gar nicht im Winter. An Schießwütigen, die in der Gegend herumknallten, sei man eh nicht interessiert. Einen „Event-Charakter“ solle die Anlage haben, gehobenes Niveau.

Die kritische Haltung des mutmaßlich nächsten Verbands-Bürgermeisters Junk nehmen die Bauherrn in spe mit spürbarem Befremden auf. „Das mag die Einschätzung Junks sein“, sagt Bahr. Die amtierenden Verantwortlichen jedenfalls sähen die Sache anders. Deshalb mache er sich auch keine Sorgen um das Millionen-Projekt – im Moment jedenfalls, ergänzt er. Pikiert ist Bahr schon: über Junks Vergleich zwischen privaten Investitionen und öffentlichem Interesse.

„Ist ein Schuhgeschäft im allgemeinen Interesse?“, fragt der Schießplatzbeauftragte. Und erinnert – zu Recht – daran, dass die Debakel Nürburgring und Airport Hahn eben nicht von Privatanlegern verursacht wurden, sondern von Politikern.

Nachbarschaftsstreit im All

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Jetzt hat die Weltpolitik endgültig auch den Weltraum erreicht. Seit sich 1975, mitten im Kalten Krieg, erstmals amerikanische Astronauten und sowjetische Kosmonauten im Orbit umarmten, gab es in der bemannten Raumfahrt eine vertrauensvolle Kooperation zwischen ihren Heimatländern – selbst wenn sie weiter unten heftige politische Konflikte ausfochten. Mit dieser Zurückhaltung ist nach der russischen Annexion der Krim offenbar Schluss: Beide Seiten instrumentalisieren die Zusammenarbeit, und manch einer kocht auf dem Krisenherd sein eigenes Süppchen.



Russland und die USA müssen in Bezug auf die ISS zusammenarbeiten. Im Moment herrscht in der zwischen beiden aber nicht so ein Einklang, wie einen diese russischen Puppen in Kasachstan, die den japanische Astronaut Koichi Wakata (l.), den russischen Kosmonauten Mikhail Tyurin (M.) und den US-amerikanischen Astronauten Rick Mastracchio (r.) darstellen, vermuten lassen.

Gleich drei Ankündigungen hat der russische Vizeministerpräsident Dmitrij Rogosin am vergangenen Dienstag gemacht. Erstens will Russland keine Raketentriebwerke mehr an die USA liefern, wenn Washington nicht zusagt, sie ausschließlich zivil zu verwenden. Zweitens schließt Moskau Anfang Juni Bodenstationen des Satellitennavigation-Netzwerks GPS auf seinem Boden. Und drittens wolle Russland ab 2020 das bisher für die ISS ausgegebene Geld anderweitig verwenden. Es schlägt also womöglich den amerikanischen Vorstoß vom Januar dieses Jahres aus, die Station mindestens bis 2024 zu betreiben.

Die Russen haben mit der Auseinandersetzung in Raumfahrtfragen allerdings nicht angefangen. Anfang April hatte die Nasa erklärt, sie lege die Zusammenarbeit mit ihrem russischen Pendant Roskosmos auf Eis, nahm aber die ISS ausdrücklich aus. Die Regierung in Washington verhängte zudem Sanktionen gegen Rogosin selbst. Das nutzte das amerikanische Unternehmen SpaceX, das seinen Anteil am Geschäft mit Satellitenstarts ausbauen will. Es dürften nun keine russischen Triebwerke für amerikanische Atlas-Raketen mehr eingeführt werden, klagte es nach einem Bericht der Webseite Spacenews vor einem Bundesgericht.

„Das sind sehr gute Antriebe, die Amerikaner selbst haben nichts Vergleichbares“, sagt Ulrich Walter, der 1993 als deutscher Wissenschaftsastronaut mit einem amerikanischen Spaceshuttle im All war und nun Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München lehrt. Vor allem ist die Atlas die einzige Rakete, die militärische Nutzlasten von Bedeutung für die nationale Sicherheit transportieren darf. Tatsächlich stoppte ein Bundesrichter das Geschäft für kurze Zeit, bis die US-Regierung erklärte, sie wisse gar nicht, ob Rogosin die Hersteller der Triebwerke wirklich kontrolliere. Das lässt sich als Ausflucht werten, der Vizeministerpräsident ist für die Raumfahrt in seinem Land zuständig. Aber da war der Schaden offenbar schon angerichtet.

Eine ähnliche Vorgeschichte hat die Sache mit dem GPS-Stationen. Ihre Antennen dienen der ständigen Feineinstellung der Signale; für die normalen Nutzer, selbst in Russland, sind sie unerheblich. Aber Roskosmos würde gern korrespondierende Stationen in den USA für sein Navigationsnetzwerk Glonass errichten; das hat der US-Kongress den Russen verweigert. „Die ganze Raumfahrt ist inzwischen derart vernetzt, dass keine Seite mehr ohne die andere kann“, sagt Walter.

Das gilt erst recht für die ISS. Tatsächlich könnten die Russen, wie Rogosin andeutete, ihre beiden Module rein technisch betrachtet allein betreiben, während Amerikaner, Europäer, Kanadier und Japaner das für ihren Teil nicht einmal zusammen hinbekämen. Zudem verfügt Roskosmos zurzeit über die einzigen Raketen, die das Personal zur ISS transportieren und dort abholen. Am Mittwoch ist eine russisch-amerikanisch-japanische Crew nach sechs Monaten zurückgekehrt; in zwei Wochen starten drei weitere Astronauten, darunter der Deutsche Alexander Gerst – jeweils mit Sojus-Raumfahrzeugen.

Roskosmos ist aber auch auf die hohen Zahlungen angewiesen, die die Nasa und ihr europäisches Pendant Esa überweisen. Außerdem dürfte auch Rogosin bei nüchterner Analyse erkennen, dass er die Amerikaner vor allem der Firma SpaceX in die Arme treibt. Sie könnte es sogar schaffen, bis 2020 auf ihre Falcon-Raketen eine bemannte Dragon-Kapsel zu setzen. Auch die Esa, die so tut, als ginge sie der aktuelle Streit nichts an, hätte das Potenzial, aus ihrem unbemannten Raumtransporter ATV eine Kapsel für Astronauten zu entwickeln. Ulrich Walter hält die Ankündigungen aus Moskau daher für „Drohgebärden und Ausdruck der augenblicklichen Gemütslage“. Dass die Russen wirklich aus dem Projekt ISS aussteigen, glaubt er nicht.

Lied voller Höhepunkte

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Frauen mit Orgasmus und Gesang
Ja, wie die Kollegen von Noisey schon zurecht festgestellt haben: Natürlich ist das geklaut von "Hysterical Literature". Trotzdem ist es irgendwie auch ganz niedlich, den Mädels von ADAM dabei zuzusehen, wie sie versuchen, sich auf ihr (zugegebenermaßen nicht sehr kompliziertes) Liedchen zu konzentrieren, während sie einen Orgasmus haben. Vielleicht liegt's aber auch am charmanten niederländischen Akzent der Rothaarigen?
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=3h37xswCoY0


Wählen statt Sex
Die Dänen mögen's ja manchmal etwas drastischer. Um die Leute zum Wählen zu bekommen, haben sie nun einen Comic-Spot gestartet, in dem Vote-Man, ein Typ, der stark an einen BDSM-Club-Stammgänger erinnert, Menschen zum Wählen zwingt. Warum er dafür anfangs sich von drei Frauen gleichzeitig verwöhnen lassen muss, wird nicht ganz klar.
https://www.youtube.com/watch?v=FjbBSLZlpsQ&list=UUyoywsky9S8fli4eSVCUKWw


Drei, zwei, eins – ääh, doch nicht!  

Jungfräulichkeitsversteigerungen klingen erstmal sehr lukrativ - 3,8 Millionen Dollar waren 2009 das Höchstgebot für eine Bachelorstudentin aus San Diego, die so in einem Bordell ihre Unschuld verlieren wollte. Allerdings stieg sie dann doch aus ihrer eigenen Deflorierung aus. Auch die 28-jährige Medizinstudentin Elizabeth Raine hatte jetzt ein Angebot in Höhe von 800.000 Dollar für den Jungfräulichkeitsverlust vorliegen - und cancelte den Deal. Ihr Grund: Die Medien hätten irgendwann eh ihre Identität enttarnt und dem Skandal wollte sie zuvorkommen. Deshalb hat sie sich selber geoutet und die Auktion abgebrochen, um ihren Ruf nicht zu verlieren. Man fragt sich dann allerdings schon, wie doll der jetzt noch ist? Da will wohl jemand eine Medienkarriere machen...


Via musingsofavirginwhore.com

Keine Lust auf Körper verkaufen?
Dann probiert's doch einfach mit euren getragenen Unterhosen! Eine junge Waliserin namens Mia hat erst kürzlich in einem (leider mittlerweile gelöschten) Reddit-Thread erklärt, wie das geht. Sie selbst verkaufe ihre getragenen Strumpfhosen und Unterbuchsen bereits seit ihrem 15. Lebensjahr und das sehr lukrativ - bis zu 33.000 Dollar mache sie damit im Jahr. Ganz wichtig allerdings: Die Preise anziehen (haha): Je länger die Tragzeit umso teurer der Schlüppi. Auch wichtig: Nachweisen, dass man selbst die Teile auch wirklich getragen und verdreckt hat. Wie das funktioniert, darauf verlinken wir jetzt aber nicht.

Jetzt aber das Angebot zum Geld verdienen - versprochen!
Du bist zwischen 25 und 35 und guckst gerne Pornos? Dann ist dieser Job super für dich - vorausgesetzt es stört dich nicht, die Filmchen nach deinem Konsum zu zensieren. China sucht nämlich einen professionellen Porno- und Nacktbildchengucker, der den schweinischen Inhalt aus ihrem Internet klaubt. Jahresgehalt: 32.000 Dollar. Vielleicht dann doch lieber getragene Unterwäsche verkaufen, hm?

Kommen wir zu Gratis-Jobs
Nämlich den sogenannten Hand-Jobs. Eine Autorin von Jezebel hat erst bei ihren Freundinnen rumgefragt, was sie davon halten, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen: "Mache ich nur, wenn ich mit der Person nicht schlafen möchte" / "Man kann das gar nicht falsch machen, außer der Typ fängt an zu wimmern" / "Muss immer in einen Blowjob übergehen". Die Antworten der Männer: "Traurig" / "Okay beim Fernsehen" / "Erinnert mich an traurige Schulzeiten." Fazit? Keiner braucht Hand-Jobs. Außer vielleicht, um dieses lustige Video zu drehen:
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=SAnjUhQvGi0

Keiner liebt Roboter
Einer Studie zufolge will nur einer von fünf Briten mal Sex mit einem Roboter haben. Noch schlimmer erging es da nur dem Serben Predrag Jovanovic. Der hatte 5000 Frauen bei Facebook gefragt, ob sie mit ihm zusammen sein möchten - und keine hat "ja" gesagt. Überhaupt haben nur 15 überhaupt geantwortet. Seine Begründung für die Aktion? In seinem Dorf seien alle sehr alt oder bereits verheiratet. Armer, armer Predrag!  

Dinge, die Frauen so den ganzen Tag tun
Am Ende wollen wir euch natürlich nicht dieses Redaktionsfundstück vorenthalten: Tamponfirmen haben immer noch sehr seltsame Vorstellungen davon, wie Frauen ihren Tag verbringen. Auf jeden Fall scheinen sie nicht zu arbeiten.

Gebet eines Alternden

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Hallo Ihr Lieben,
heute morgen schrieb mir ein 84jähriger lieber Freund: "... So leben wir weiter im Glauben und nicht im Schauen.. das fällt oft so schwer.... vor allen Dingen, wenn man schon gebrechlicher ist. 'Herr Jesus, hilf Du doch unseren Kranken, die uns am Herzen liegen' LG"
Dann hörte ich bei meiner morgendlichen Hör-Bibel dazu das passende Gebet:

Psalm 39

1 Dem Vorsänger, dem Jeduthun.
Ein Psalm Davids.

2 Ich habe gesagt: Ich will auf meine Wege achten,
dass ich nicht sündige mit meiner Zunge;
ich will meinen Mund im Zaum halten,
solange der Gottlose vor mir ist.

3 Ich war gänzlich verstummt, schwieg auch vom Guten,
aber mein Schmerz fraß in mir.

4 Mein Herz entbrannte in mir,
durch mein Nachsinnen wurde ein Feuer entzündet,
da redete ich mit meiner Zunge:

5 Lass mich mein Ende wissen, o HERR,
und was das Maß meiner Tage ist,
damit ich erkenne, wie vergänglich ich bin!

6 Siehe, nur Handbreiten lang hast du meine Tage gemacht,
und die Dauer meines Lebens ist wie nichts vor dir.
Wahrlich, jeder Mensch, wie fest er auch steht, ist nur ein Hauch! (Sela.)

7 Ja, als Schattenbild geht der Mensch einher;
nur um Nichtigkeit machen sie so viel Lärm!
Er häuft auf und weiß nicht, wer es einsammeln wird.

8 Und nun, Herr, worauf soll ich hoffen?
Meine Hoffnung gilt dir allein!

9 Errette mich von allen meinen Übertretungen,
mache mich nicht dem Narren zum Gespött!

10 Ich schweige und tue meinen Mund nicht auf;
denn du hast es getan.

11 Nimm deine Plage von mir,
denn ich vergehe wegen der Schläge deiner Hand!

12 Wenn du jemand züchtigst mit Strafen um der Sünde willen,
so lässt du seine Schönheit vergehen wie die Motte –
jeder Mensch ist nur ein Hauch! (Sela.)

13 HERR, höre mein Gebet und vernimm mein Schreien!
Schweige nicht zu meinen Tränen;
denn ich bin ein Fremdling bei dir,
ein Gast wie alle meine Väter.

14 Blicke weg von mir, damit ich wieder froh werde,
bevor ich dahinfahre und nicht mehr bin!

Psalm 39
Die Schlachter-Bibel 2000

klau|s|ens liebt das "Recht auf Vergessen" und das "Recht auf Vergessenwerden"

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lau|s|ens, man hat beim EuGH entschieden, in gewisser weise gegen “Google”.

und nun wird das “Recht auf  Vergessen” bzw. “Recht auf Vergessenwerden” zum geflügelten wort. es war dieses urteil, das all das erbrachte:


>> URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 13. Mai 2014 (Verfahrenssprache: Spanisch)


„Personenbezogene Daten – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung solcher Daten – Richtlinie 95/46/EG – Art. 2, 4, 12 und 14 – Sachlicher und räumlicher Anwendungsbereich – Internetsuchmaschinen – Verarbeitung von Daten, die in den Seiten einer Website enthalten sind – Suche, Indexierung und Speicherung solcher Daten – Verantwortlichkeit des Suchmaschinenbetreibers – Niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats – Umfang der Verpflichtungen des Suchmaschinenbetreibers und der Rechte der betroffenen Person – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 7 und 8“


In der Rechtssache C‑131/12<<


ja, das urteil, ja, das urteil. wie hieß es noch?


was hast du?


ich vergesse so vieles, im alter, du verstehst.


und was machst du?


ich schreibe mir was auf, ich gucke nach, ich schaue bei GOOGLE.


was denn alles?


wo liegt berlin? – auch da schaue ich bei GOOGLE.


wegen des vergessens?


ja, ja, ich kann gar nicht anders. eigentlich vergesse ich alles, selbst meine hausnummer: und dann schaue ich bei GOOGLE. das ist mein neues hirn.


GOOGLE soll aber nun endlich extra mal dieses und jenes vergessen, weil die menschen ein recht haben, dass dieses oder jenes vergessen wird. (sagt ja auch der EuGH.)


gestern habe ich dich, klau|s|ens, noch beschimpft, als “trottel”. du erinnerst?


ja, sicher. das werde ich auch für alle zeit in aller welt dir vorhalten!


siehst du: du bist also gegen das vergessen.


mal bin ich dagegen, mal bin ich dafür: heute so, morgen so.


aber was soll denn nun vergessen werden? und was nicht?


woher soll ich das wissen?! lass mich ja in ruhe mit deinen hinterfotzigen fragen, du klägling.


das ist ja auch eine beleidigung.


ja, ja, aber ist jede zwangsversteigerung auch eine beleidigung?


wie soll ich das wissen?


du hältst dich immer an die gerichte: die sollen dann die arbeit machen. das geht doch nicht!


der text gleitet uns aus den fingern.


ich weiß, ich schwanke wie ein dickes ölfass dahin, durchs leben, durchs vergessen. dann sind da untaten aller art, von denen es keine zu vergessen gibt. die ganze aufarbeitung der NS-zeit ist ein kampf gegen das vergessen. bedenke auch das!


ich zitiere aus position 99 aus dem schwierigen originaltext des EuGH-urteils.


nein, ich!


“Somit ist auf Frage 3 zu antworten, dass Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen sind, dass im Rahmen der Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmungen u. a. zu prüfen ist, ob die betroffene Person ein Recht darauf hat, dass die Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird, wobei die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraussetzt, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entsteht. Da die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, überwiegen diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu der Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn sich aus besonderen Gründen – wie der Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben – ergeben sollte, dass der Eingriff in die Grundrechte dieser Person durch das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, über die Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste Zugang zu der betreffenden Information zu haben, gerechtfertigt ist.”


manchmal möchte man alles vergessen, was man einfach nicht kapiert.


du könntest doch dein hirn verklagen, auch mit blick auf das recht zu vergessen, aber jetzt mal umgekehrt: du klagst dein hirn an, weil es einfach nicht kapieren will, was doch so einfach zu verstehen ist.


wir könnten einfach mal einfordern, dass das menschliche hirn und jedwede suchmaschine vor dem gesetz gleich sind, also ebenso behandelt werden … und dass nur das vergessen vergessen werden darf. (aber viel weiter sind wir dann auch nicht.) – ich zitiere position 89 aus dem urteil:


>>Mit Frage 3 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen sind, dass die betroffene Person vom Suchmaschinenbetreiber verlangen kann, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten rechtmäßig veröffentlichten Internetseiten mit wahrheitsgemäßen Informationen über sie zu entfernen, weil diese Informationen ihr schaden können oder weil sie möchte, dass sie nach einer gewissen Zeit „vergessen“ werden.<<


und ich position 90:


>>Nach Auffassung von Google Spain, Google Inc., der griechischen, der österreichischen und der polnischen Regierung sowie der Kommission ist diese Frage zu verneinen. Google Spain, Google Inc., die polnische Regierung und die Kommission machen insoweit geltend, Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 gewährten den betroffenen Personen nur unter der Voraussetzung Rechte, dass die betreffende Verarbeitung nicht den Bestimmungen der Richtlinie entspreche, oder aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus ihrer besonderen Situation ergebenden Gründen, und nicht bereits, weil die Verarbeitung ihnen ihrer Auffassung nach schaden könne oder sie möchten, dass die Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, dem Vergessen anheimfallen. Nach Auffassung der griechischen und der österreichischen Regierung hat sich die betroffene Person an den Herausgeber der Website zu wenden.<<


und ich nun position 91:


>>Herr ::::::::::::::::::::: sowie die spanische und die italienische Regierung vertreten die Auffassung, die betroffene Person könne der Indexierung der sie betreffenden personenbezogenen Daten durch eine Suchmaschine widersprechen, wenn die Verbreitung der Daten mit Hilfe der Suchmaschine ihr schade und ihre Grundrechte auf Schutz personenbezogener Daten und Achtung des Privatlebens, die das „Recht auf Vergessenwerden“ umfassten, gegenüber den berechtigten Interessen des Suchmaschinenbetreibers und dem allgemeinen Interesse an der Informationsfreiheit überwögen.<< (den namen des klägers habe ich gelöscht und durch doppelpunkte ersetzt.)


puh, jetzt haben eine ganze menge zitiert, aber den größten textmengenteil des urteils in diesem blog schlicht vergessen.


… vergessen wollen! aus faulheit! (aber klau|s|ens und zweitklausens sind schon jetzt unvergessen. schon jetzt!)






HOMEPAGE VON KLAU|S|ENS:
http://www.klausens.com

Kunsthistoriker vs. Freibier-Schnorrer

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Die Situation:  


Das Problem ist schon auch, dass die Kuratorin im vorliegenden Fall ein mit grellem Lippenstift nachkolorierter Loriot-Sketch ist. Und dass sie die Veranstaltung als Bühne begreift. Mehr für Kunst und Schönheit als für sich selbst. Aber trotzdem. Sie führt also nicht kurz ein in das ausgestellte Werk, sie doziert über die Fotografien. Einzeln. Lang. Interpretiert, liest, spürt, leidet in sie hinein. Oft auch wild. Über die „verborgen brennende Sexualität“, die der rote Lippenstift einer sonst abweisend steif dastehenden Frau verrät. Über die gelben und grünen Pfeile, „die – in unterschiedliche Richtungen weisend – die sonst monochrome Ordnung und die klaren Linien des Fotos zu zerreißen scheinen“. Sie sagt „Sujet“ statt Motiv. Sie benutzt oft das Verb „evozieren“. Oft auch falsch. Der erste Lachkrampf bricht sich nach knapp zehn Minuten Bahn. Verständlich. Aber auch unfair. Denn bei Vorträgen auf Vernissagen lachen ja meistens Menschen, die eher nicht wegen seelischer Erbauung durch Kunst da sind, sondern wegen Alkohol. Also explizit nicht die eigentlichen Adressaten.


Dort treffen sie aufeinander:


Auf Vernissagen und überall sonst, wo dem Freibier ein Vortrag über Ästhetik im Weg steht. Selten also etwa auch auf Filmpremieren. Wobei meist eine umgekehrte Proportionalität gilt: Je kleiner der Rahmen, je kleiner also auch die Alkoholvorräte, desto länger der Vortrag. Desto zugespitzter also auch der Konflikt.

Darum hassen sie einander:   


Der Wege wegen. Bei Kunst – vor allem bei ihrer Interpretation – geht’s ja meistens ums Eck. Oft auch auf Umwegen. Trinkern liegen die kurzen Strecken mehr – grad raus zum Beispiel. Und am besten gradaus an die Bar.


Das ist die besondere Schönheit dieses Konflikts: 


Je später der Abend, desto schärfer gezeichnet die Trennlinien, desto schwieriger die Kommunikation, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Fragen nur noch mit Gegenfragen beantwortet werden: „Wem, frage ich mich, zerreißt die Diskrepanz aus Sinn und Sinnlichkeit nicht das Herz?“ – „Wem, frage ich euch, soll ich noch ein Bier mitbringen?“


Das können wir von ihnen lernen:
 


Fünf Kurze in der Kunst und fünf Kurze an der Bar: ganz andere Welten. Pastos und Pastis auch.

Wir haben verstanden: KW 20

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Franz Leitmayer unser liebster Cluedo-Mitspieler, lebt

Die überraschendste Begründung, wenn ein Westcoast-Rapper zum 15-minütigen Interview zwei Stunden zu spät kommt: "Musste noch Zähne putzen".


Ein Interviewpartner, der starken Minzduft verströmt, ist aber schon ganz angenehm. Vor allem, wenn er offensichtlich erst vor Minuten den letzten Joint ausgedrückt hat.

Der Song "Belgique Belgique" von Friedrich Liechtenstein ist zwar nicht mehr neu – aber er dauert exakt so lange, wie man bei schönem Wetter braucht, um vom SZ-Verlagsgebäude bis zum Gärtnerplatz zu radeln!

http://www.youtube.com/watch?v=_7_6hPDDXGc

Das Klima funktioniert offenbar noch und die Eisheiligen tragen ihren Namen zurecht.

Der Münchner Wohnungsmarkt ist noch fieser ist als der in Düsseldorf.

Ein Kuchen aus Eiern, Mehl und Nutella ist durchaus ernstzunehmen.

Offenbar ist es unmöglich, einen gelungenen WM-Song zu machen.

Die Rundfunkgebühren müssen erhöht werden. Denn die ARD kann sich offenbar keine guten Programmierer leisten. Stichwort Quizduell.


"Das Schweigen der Lämmer" ist ein wahnsinnig guter Film.

Früher haben Rapper wie Jay-Z Gangsterkram gemacht. Heute kriegen sie von den Schwestern ihrer Frau auf die Nase.

Frühjahrsmüdigkeit gibt's echt. Lauter lebende Beweise rundherum!

Ist uns egal, wenn Ryan Gosling gar kein Shirt trägt, auf dem Macaulay Culkin ist, der ein Shirt trägt, auf dem Ryan Gosling ist, der ein Shirt trägt, auf dem Macaulay Culkin ist. Wir wollen einfach glauben, dass es so ist, wegen super.

Das große Erdbeerfressen geht los!

Mal wieder gemerkt: Eine der geilsten Funk-Bands – und zwar der Welt – kam aus München:


http://open.spotify.com/track/3D64E7BS9NZLgSvguA2zgf


Parkhäuser können sehr schön sein.

Haste Kaffee am Schuh, haste Kaffee am Schuh. (Hier mehr.)

Die schlimmsten Sätze beginnen mit »Ganz ehrlich ...«, »Darf ich dich mal was fragen ...« oder »Als ich heute Morgen joggen war ...«

Bester erster Satz der Woche, weil die ganze herzzerreißende Geschichte schon drinsteckt: "Die Facebook-Nachricht kommt von Jens, den ich sehr lange nicht gesehen habe, ohne es zu merken."

Auch herzerreissend: Charlotte als Avril Lavigne.

Die Zahl der Menschen, die ertrinken, weil sie in einen Swimming-Pool gefallen sind, und die Zahl der Filme, in denen Nicolas Cage auftaucht, hängen statistisch zusammen. 

Jungs, was soll der Beschützerinstinkt?

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Als Brüder, insbesondere als große, finden wir euch super. Es ist toll, wie ihr uns Tricks beibringt: Höhlen bauen mit sechs, Carrera-Bahn-fahren mit acht und das Bier mit dem Feuerzeug aufmachen mit 14. Dafür sind wir euch dankbar.

Aber es gibt, ungefähr zeitgleich zur Feuerzeug-Lektion mit 14, einen Moment, da kippt unser großer-Bruder-kleine-Schwester-Verhältnis ins Ungute. Es ist der Moment, in dem ihr kapiert, dass wir uns  liebesmäßig für Jungs interessieren und Jungs sich eventuell auch liebesmäßig für uns. Plötzlich verwandelt ihr euch von dem coolen Bruderkumpel in einen bevormundenden Vollspießer oder/und Vollprolet.

Ein Beispiel: Mein erster Freund war ein netter Junge. Nur ein Jahr älter als ich und so wohlerzogen, dass er mich nach jedem Date nach Hause brachte. In dem Moment, in dem mein großer Bruder uns auf einer Party beim Knutschen beobachtete, sah er plötzlich alles so rot, wie der Erdbeer-Limes war, den wir auf dieser Party tranken. Das Fazit der Knutscherei waren demolierte Stühle, Rumgebrülle und ein sehr angeknackstes Verhältnis zwischen mir und meinem Bruder. Noch lange Zeit ließ mein Bruder, wie auch viele große Brüder anderer Freundinnen, keine Gelegenheit aus, in großer Runde darüber zu monologisieren, welcher Mann für mich gut genug war und welcher nicht und wovor diese dreisten Typen sich gefälligst in Acht nehmen sollten.

Meine These also: In dem Moment, in dem eine kleine Schwester sich mit einem anderen Mann einlässt, werdet ihr hypersensibel.

Nur, warum? Ihr wünscht euch doch nicht ernsthaft lebenslange Jungfräulichkeit für uns. Habt ihr vielleicht nur Angst vor komischen Geräuschen aus dem Nebenzimmer? Oder glaubt ihr etwa wirklich, wir seien so hilflos und schwach, dass wir dringend einen männlichen Aufpasser bräuchten? Oder ganz anders: ist das ganze Gehabe gar nicht zu unserem Schutze gedacht, sondern reine Eifersucht eurerseits, weil plötzlich ein anderer Mann in unserem Leben wichtig wird? Ist es euch in Wahrheit sogar ziemlich wurscht mit uns und unseren Loverboys und ihr veranstaltet den Terror nur deshalb, weil ihr euch so eurer sogenannten "Männlichkeit" (Stärke, Autorität etc.) vergewissern könnt? Oder denkt ihr womöglich, wir erwarteten dieses Verhalten von euch, weil es zur Rolle des starken Bruders dazugehört? Höchstverwirrt bitten wir: Klärt uns auf!

Auf der nächsten Seite liest du die Antwort von lucas-grunewald.
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Zunächst einmal: Schwestern unterscheiden sich ja von Tanten oder Müttern dadurch, dass sie die einzigen weiblichen Ableger unserer Familie sind, die sich in einer ähnlichen Peergroup bewegen wie wir. Die Chancen stehen also gut, dass wir unsere Schwestern in Jugendjahren irgendwann an Orten treffen, an denen man Bierflaschen mit Feuerzeugen öffnet, am Bushäuschen oder vor dem runtergebogenen Festivalzaun.

Nun sind diese Örtlichkeiten häufig auch bei anderen Nachwuchs-Bieröffnern beliebt. Und wo eine Traube junger Menschen gemeinsam Biere öffnet, muss man kein verholzter Sittenwächter sein, um als älteres Familienmitglied ein wenig wachsam zu werden. Schließlich bringt ein Mehr an Erfahrung immer auch ein Mehr an Verantwortung, und ein Mehr an Bier in Jungsbäuchen, soviel wissen wir, bedeutet immer auch ein Mehr an Busenwitzen und anderen Schmierigkeiten. Nennt es pathetisch, nennt uns Taliban, aber der Schutz der kleinen Schwester vor den Unwägbarkeiten des Älterwerdens gehört ein paar Jahre lang zu unserer Berufsbeschreibung als ältere Brüder.

Und damit zum ungleich verzwickteren Teil deiner Frage: Jungfräulichkeit, Sex, Geräusche aus dem Nebenzimmer. Über die sexuellen Erfahrungen unserer kleinen Schwestern machen wir uns ähnlich gern Gedanken wie über die Lieblingsstellung unserer Tante oder den genauen Zweck des Babyöls im Bad unserer Eltern. Es ist so: Tut alles, worauf ihr Lust habt – aber lasst uns bloß damit in Ruhe. In dem Moment, indem ihr aber nach sieben Alkopops dem Stürmer-Lasse aus unserer Fußballmannschaft den Mundraum ausleckt, stellt ihr euer Sexpaket mitten in unseren Vorgarten. Wir stolpern dann ständig darüber oder müssen fortan umständlich drübersteigen. Und wenn man sich dauernd an etwas das Schienbein anhaut, ist es schwer, so zu tun, als wäre es nicht da.

Irgendeine Haltung müssen wir zu all diesen Dingen ja entwickeln, und im Zweifelsfall ist das erstmal eine ablehnende – je weniger Alkopops im Spiel sind, desto weniger robust ist diese Abwehrhaltung in der Regel, und wenn Stürmer-Lasse uns irgendwann beim Sonntagstee das Milchkännchen reicht, ist von unserem Schutzreflex schon lange nichts mehr übrig. Wächst sich alles raus. 
 
lucas-grunewald

Sturmfreie Bude für eine kleine Katze!!!

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Der kleine Kater Gui-Gui (gesprochen Tschu-Tschu) war wieder einmal auf seiner stündlichen Patrouillie. Dabei streifte er durch das Haus, und passte auf, dass keine Feinde in das Haus seines Herrchens eindrungen. Er passte immer gut auf sein Herrchen auf. Manchmal, wenn er gerade Lust hatte, dann zeigte er seinem Herrchen auch Kunststücke, zum Beispiel wie man einen Ball holte. Das fand das Herrchen dann toll, streichelte Gui-Gui und sagte seltsame Dinge in seiner Sprache zu Gui-Gui. Manchmal fauchte das Herrchen aber auch regelrecht. Zum Beispiel wenn Gui-Gui das doofe Tuch, das über dem Fenster hing bestrafte, weil Herrchen sich mehr damit beschäftigte, als mit ihm. Dann kratzte der einjährige Kater Löcher hinein. Aber er wusste auch nicht, warum Herrchen dann immer sauer wurde. Kann Gui-Gui doch nichts dafür, wenn ihn das blöde Tuch ärgert.


 


Aber auf den Patrouillien gab es eine Tür, die immer verschlossen war. Manchmal fürchtete der kleine Kater sich, dass sich hinter der geheimen Tür achtbeinige Feinde oder sogar andere Katzen verborgen hielten.


 


Aber heute war etwas anders als sonst das spürte Gui-Gui sofort. Sein Herrchen war nicht da. Aber da war noch etwas. Vielleicht waren ja Feinde eingedrungen. Also erstmal auf Patroulie.


Keine Feinde. Bis jetzt. Aber etwas Besonderes. Die Tür zum geheimen Raum stand offen. Also: umschauen und rein. Drinnen auch umschauen und –schnüffeln. Keine Feinde. Keine anderen Katzen. Gut. Ein Bett. Auch gut. Erstmal legte er sich hinein und schlief.


 


Später kam dann das Herrchen zurück und fand in seinem Bett einen ziemlich verschlafenen kleinen Kater vor. Dem gefiel es dort aber so gut, dass er nicht mehr weg wollte.


 




νερό

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Rauschen.


Ich halte seine Hand und höre nur das. Rauschen. In seinen Augen steht der Schmerz, seine Verzweiflung zeichnet strenge Linien um seinen Mund. Er ist schön, so. Fast schöner als zuvor.


Er bewegt die Lippen und ich weiß. Ich werde sie nie wieder schmecken.


Wann hat es angefangen, das Denken. Ein leises Plätschern erst, zögernd fast, unmerklich wie ein entfernter Fluss.
Aber seine Haut – seine Augen – er - berührte mich und das war. Alles. Wieder. Und wieder. Und jedes Wort nur Lust und jeder Moment nur hier. Und so wäre es noch immer - 

- doch es wurde lauter.

Bis es in seinen Augen stand und ich seine Hand nahm. 



Und gleich werden seine Finger durch die meinen gleiten - diese Berührung, eine letzte.
Mit jedem Schritt wird es kälter werden, mein Herz ganz leise. Ich werde atmen. Weiter. 

Bis sie da ist, Stille.
Und es bleibt.
Ruhig. 

Verlust

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Am 04. Mai 2010 verschwand sie spurlos.
Erst war sie nur eine Nacht weg.
Dann einen ganzen Tag. Zwei Tage. Drei Tage. Eine Woche.
Einen Monat. Ein Jahr. Für immer.
Ich wusste gleich am ersten Tag, als sie weg war, dass sie nie mehr kommen würde.
Ich hatte die allerschlimmsten Befürchtungen, und sie wurden wahr. Ich habe die Gedanken an sie immer verdrängt, versucht ihr Verschwinden zu ignorieren, aber es hat nie geklappt.
Manchmal breche ich einfach zusammen. Und weine. Und weine. Und weine. Bis keine Tränen mehr da sind.
Sie war ein Teil meines Lebens und nun fehlt dieser Teil, ein Teil von mir. Ich bin ohne sie nicht mehr ich, nicht mehr ganz.

Ihr Tod, nein, ihr Verschwinden, hat einen Teil meiner Seele ausgelöscht, einfach so, ohne Vorwarnung.
Ich quäle mich Tag für Tag mit einer Ungewissheit, an der ich irgendwann zerbrechen werde. Was ist mit ihr passiert?
Ist sie tot? Ist sie noch am Leben? Geht es ihr gut?
Die Fragen nach dem warum und wie machen mich verrückt.

Ist sie in einem Katzenhimmel? Katzenhimmel, ein schönes Wort, nicht wahr?
Ein Himmel nur für Katzen. In dem sie, nach ihren sieben Leben, für immer ruhen können.
Aber wenn Katzen wirklich sieben Leben haben, warum bist du dann nicht mehr bei mir?

Es war doch erst dein erstes Leben. Du warst noch so jung.
Ich weiß, ich müsste längst über deinen Verlust hinweg sein.
Aber das bin ich nicht.

Das werde ich nie. Man sagt immer, die Zeit heilt alle Wunden.
Aber in Wahrheit gewöhnt man sich doch nur an den Schmerz, den man tagtäglich mit sich herum schleppt.

 „I know, that everything happens for a reason. I believe that. And I also know, that one door closes and another one opens.“

Aber leider habe ich bis jetzt noch keine neue Tür gefunden, die sich geöffnet hat.

Brief an einen bestimmten jemand

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Glaubst du an das autistische Kind ?
Ich belästige dich !
Und schaue,
Nichts passiert.

 Ich gehe weiter
in die Welt.
 Gucke nach oben und nach unten.
Und jetzt ?
Nichts
trinke zu viel
An Abenden wie diese.
 Ja
Ich traue mich zu Einsamkeit
auch ohne dich !!! 

Schleuderware

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Eigentlich erstaunlich, dass wir in dieser Kolumne noch nie die überaus lebensbejahende und kreative Brache der Sexshops behandelt haben. Dieses Exemplar in der Landsberger Straße gehört mit Sicherheit seit vielen Jahren zu den Münchner Klassikern und hat höchstwahrscheinlich die Dekoration in seinen sechs (!) Schaufenstern schon ebenso lange nicht ausgetauscht. Worum es hier geht, wird trotzdem sofort klar: Es präsentieren sich griechische Säulenkapitelle neben Neonröhren und Seidenschals auf Marmorboden. Dazwischen Blätter und Blüten und immer wieder in großen Lettern die Hinweise auf das umfangreiche Sortiment. Neben „Massagegeräten“ und „Kontaktmagazinen“ werden hier auch die typischen Sexshop-Utensilien „Stadtplan“ und (im Schaufenster daneben) „Wirksame Arzneimittel“ angeboten. Gut zu wissen.

Armes Deutschland

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Bis vor wenigen Stunden hatte sie noch Hoffnung. Hoffnung auf eine Chance. Jetzt, am Nachmittag, ist da nur noch die Enttäuschung. Und ein bisschen Frust. "Ich habe einen Unterschied gespürt", sagt Andina-Eliza Mitroi (23). Sie meint: einen Unterschied in der Behandlung zwischen deutschen Bewerbern und ihr. Sie, die erst im Oktober aus Rumänien nach Deutschland kam, die als Akademikerin hochqualifiziert ist, deren Deutsch aber noch Lücken hat. Sie, die von einem dualen Pflege-Studium träumt, aber bisher nicht mal einen Praktikumsplatz findet.



Andina hat in Rumänien einen BWL-Bachelor abgeschlossen, möchte in München aber ein duales Pflege-Studium absolvieren. Allein: Sie findet nicht einmal einen Praktikumsplatz.

Der "Monitor Jugendarmut in Deutschland 2014", den die Bundesarbeitsgemeinschaft katholische Jugendsozialarbeit (BAK KJS ) heute beim Katholikentag in Regensburg vorstellt, meint auch Andina, wenn er von einem gestiegenen Armutsrisiko bei Jugendlichen spricht. Gut 20 Prozent der Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren – also jeder Fünfte – sind in Deutschland armutsgefährdet. In der Gesamtbevölkerung ist es jeder Sechste. Das heißt: Sie können unerwartete Ausgaben nicht bestreiten, haben zum Teil kein Geld für vollwertige Mahlzeiten oder die Miete. Wer als alleinlebende Person weniger als 980 Euro monatlich zur Verfügung hat, ist armutsgefährdet. Unter jungen Migranten sind sogar mehr als 30 Prozent von diesem Risiko betroffen. 

Nadezhda Krainenko nennt verschiedenen Gründe, warum die Chancen so ungleich sind. Sie ist Beraterin beim Münchner Jugendmigrationsdienst "In Via" und betreut auch Andina. "Ein großer Faktor sind mangelnde Deutschkenntnisse", sagt Krainenko. Zwar hätten die Migranten oft einen Schulabschluss und wollten gerne arbeiten, ihr Deutsch sei für die Berufswelt aber noch nicht gut genug. Der erste Schritt müsse dann ein Intensivkurs sein. 

Bestes Beispiel: Andina. Sie schließt ihr Abitur in Rumänien mit der Durchschnittsnote 1,7 ab, absolviert direkt im Anschluss ihren Bachelor in Betriebswissenschaften. Arbeiten möchte sie jedoch immer schon als Kinderkrankenschwester – in Rumänien hat sie diese Möglichkeit nicht. Stattdessen hält sie sich mit mehreren Jobs über Wasser, ist Friseurin und Buchhalterin. "Von einer einzigen Tätigkeit kann man in Rumänien nicht leben. Junge Menschen haben dort keine Chance." Es gibt nur wenige Arbeitsplätze, der Lohn ist gering. " Deshalb arbeiten viele schwarz", sagt Andina. Weil ihr Freund Sergio als Ingenieur viel im Süden Deutschlands unterwegs ist, träumen sie oft von einem besseren Leben. Deutschland gleicht einer Verheißung: Löhne, die zum Leben reichen. Geschäfte, in denen man freundlich bedient wird.  

Jetzt leben sie in  Obergiesing – nachdem dutzende Vermieter allein bei ihrem rumänischen Nachnamen abwinken. Sergio wurde versetzt, Andina begleitete ihn, ließ Eltern und Freunde zurück. "Für ein besseres Leben musst du alles machen", sagt sie. Besser ist es hier allerdings nur dank Sergio. "Ohne ihn ginge es nicht. Ich habe Glück, dass er mich versteht."

Der Monitor des BAK KJS gibt einen Überblick über elf Quellen: Datenreporte, Statistiken und Studien. Er zeigt wenig überraschend, dass die Chancengerechtigkeit in Deutschland noch immer unterdurchschnittlich ist, dass Erwerbstätige und Hochgebildete weniger armutsgefährdet sind und dass die Zahl derer, die weiterhin eine Ausbildungsstelle suchen, drastisch steigt – 2012 waren  es 76.000, 2013 schon 83.600 Jugendliche. 

Der Monitor zeigt aber auch, wie viel schlechter die Chancen für Migranten sind. Die Zahl derer, die eine Ausbildung beginnen, liegt 2012 bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund bei 44 Prozent. Bei Migranten liegt sie bei nur 29 Prozent. 

Und noch etwas wird deutlich: Jugendliche mit Migrationshintergrund sind nur zu 66 Prozent mit ihrer Ausbildungsstelle zufrieden, bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund liegt die Zahl zehn Prozentpunkte höher. Migranten werden oft unter ihren Möglichkeiten angestellt – 20 Prozent von ihnen sehen ihren Ausbildungsplatz als Notlösung oder berufliche Sackgasse. 

Andina wurde nach ihrem Vorstellungsgespräch zum dualen Pflegestudium übrigens eine Alternativmöglichkeit angeboten: eine einjährige Ausbildung zur Pflegefachhilfe. Ein Job, den laut Krainenko häufig Absolventen einer Mittelschule machen.
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