Quantcast
Channel: Alle Meldungen - jetzt.de
Viewing all 6207 articles
Browse latest View live

Was hältst du von meinen Beats? - Über POP-Titane, Psychopathen, Genie und Wahn

$
0
0



"Setz dich mal! Hier, hör dir mal den Beat an!" Er drückt auf "Play", und lässt seinen Blick fortan nicht mehr von meinem Gesicht ab. "Hrummsch-Batsch-Hrummsch-Rumsch-Batsch..." Der Beat hört sich an, als hätte jemand eine Scheibe Schleifpapier aufgelegt. Ich versuche ein freundliches Lächeln aus mir heraus zu quetschen, wodurch dieses Lächeln irgendwie leicht gesäuert rüber kommt.

"Und, was hältst du davon?... ja, gut, ich sehe schon, gefällt dir nicht..."

Ach, da war ja was. Hab ich ganz vergessen: Der Typ hatte ja ständig meinen Gesichtsausdruck in Visier. Wozu fragt er dann überhaupt, wenn er die Antwort ohnehin an meinem Gesicht ablesen kann?

"Aber hier - hör dir mal den hier an! Hab ich zusammen mit meinem Cousin gemacht! Krass, oder?"

Er drückt wieder auf "Play", und fängt wieder an, mein Gesicht zu mustern. Ich lausche hin. "Hrummsch-Batsch-Batsch-Hrummsch-Rumsch-Batsch..." Ich versuche verzweifelt irgendwas zu finden, wofür man den Typen - und diesmal ist ja auch noch sein Cousin beteiligt - loben könnte. Und sei es nur die HiHat, die diesmal etwas wohlklingender, geordneter erscheint...

"Batsch-Hrummsch-Rumsch-Batsch..." Nee, Sorry, überhaupt nicht mein Fall. Vielleicht gibt es Leute, die solche Art von Musik mögen und schätzen - ich gehöre da jedenfalls nicht dazu. Jetzt stellt sich nur die große Frage, wie ich aus dieser Nummer wieder rauskomme, ohne ihn und seinen Cousin zu beleidigen. Mal überlegen...

Komm, Igor, jetzt sei nicht so streng! Der Typ fängt doch gerade erst an. Und du? Du machst es schon seit 17 Jahren. Wie war das denn bei dir, als du deine ersten Beats komponiert hattest? Hattest du etwa schon gleich am Anfang musikalische Glanzleistungen hingelegt? Ganz sicher nicht, oder?

Obwohl, zugegeben, du hattest auch nicht Jedermann mit deiner Scheisse genervt: "Hier, hör mal zu, wie findest du meinen neuen Beat? Jetzt sag schon! Wie findest du es? Jetzt sag schon! Sag schon! Wie findest du es?! Und wehe, du sagst, 'es gefällt mir nicht'! Wehe!!!"

Mein Gedankengang wird durch eine plötzlich aufkommende Stille unterbrochen. "Was los?", frage ich. "Nichts. Nichts ist los!"

Griesgrämig packt der Typ seinen MP3-Player zusammen und zieht seine Jacke an. "Na gut", denke ich, "wenn 'nichts' los ist - umso besser." Ich stehe auf und begleite ihn zum Ausgang. Da dreht er sich auf einmal um und fragt: "Aber jetzt sag mal ganz ehrlich: Wie fandest du meine Beats?"

Mann. Das sind genau diese Momente, die ich so sehr hasse. Die kosten so viel Kraft, psychische Kraft. In solchen Momenten wäre ich am liebsten jemand wie der "POP-Titan" Dieter Bohlen: "Ey, Junge, weißt du was - du nervst. Du nervst, und zwar ganz gewaltig! Willst du unbedingt wissen, was ich von deinen Beats halte? Ich sag's dir: Deine Beats sind der letzte Dreck. Jetzt mal ganz ehrlich! Ach, was heißt hier 'der letzte' - der aller-aller-aller-allerletzte Dreck! Du hast es einfach nicht drauf. Du bist unkreativ, du bist unmusikalisch, du bist unbegabt, und du siehst auch noch scheisse aus. Du willst unbedingt, unbedingt Beats machen, weil du denkst, du kommst damit in ein paar Monaten ganz groß raus, und wirst dann so wie Bushido. Aber weißt du was – hör auf zu träumen, mein Junge. Denk lieber an deine Zukunft. Du bist jetzt Anfang-Mitte 20. Ich gebe dir einen guten Tipp: Mach die Schule fertig, mach eine Ausbildung, und geh arbeiten, wie jeder andere auch! Und das mit den Beats und Bushido und so weiter - vergiss es einfach! Du wirst es nicht schaffen! Dazu fehlt dir schon die Veranlagung. Verstehst du! Du bist einfach unbegabt, fertig, aus. Schlag dir das aus dem Kopf..."

Mit einer solchen Antwort hätte ich gleich mehrere Fliegen mit einer Klatsche erledigt.

Erstens wäre der Typ mit Sicherheit nie wieder aufgetaucht, um mich mit seinen Homegrown-Shit zu nerven. Ich habe ja nichts gegen einen guten Homegrown. Aber diese Massen an jungen Leuten, die zu mir kommen, um mir ihre ersten selbstkomponierten Tracks vorzuspielen (und dabei genauestens meinen Gesichtsausdruck zu mustern). Das ist unglaublich, unglaublich anstrengend. Man fühlt sich regelrecht überrannt, in Beschlag genommen. Als hätte irgend jemand von dir Besitz ergriffen, und du hättest mit einem Schlag keinen eigenen Willen, keine Rechte mehr. Als ob man in die Fänge eines Psychopathen geraten wäre. Ja, genau so fühlt sich das nämlich an.

Was ja einerseits überaus positiv ist, denn Psychopathie (sowie andere psychische Störungsmuster) ist der beste Indikator für ein eventuell vorhandenes, wahres Talent. Wie gesagt: Für ein "eventuell" vorhandenes. Aber die Möglichkeit ist in dem Fall durchaus gegeben. Man denke da nur an das Sprichwort "Genie und Wahn" - es hat in der Tat sehr viel Wahrheit inne; viel mehr, als es einem Normalsterblichen in aller Regel bewusst ist.

Doch Psychopathie (sowie andere psychische Störungsmuster) beinhaltet auch gleichzeitig den Umstand, dass dieser Mensch in den meisten Fällen mittelgradig bis extrem anstrengend ist. Das fängt schon damit an: Plötzlich MUSST du alles liegen und stehen lassen, und du MUSST diesen Song hören, und du MUSST ihn bewerten, und du hast gefälligst nichts Anderes zu wollen. Was du zuvor so getrieben hattest, wie dein Tag so war, und was dich in den kommenden Tagen so alles erwarten wird, ist für einen derartigen Menschen nicht vom geringsten Interesse. Ihn interessiert nur eines: Er und seine Beats. Und du, aber nur am Rande, in der Funktion als Bewerter. Am Besten als Jemand, der immer schön brav in die Hände klatscht und vor lauter Erquickung und Entzückung sich kaum auf den Beinen halten kann – egal, was gerade gespielt wird.

Auf jeden Fall sollten deine Bewertungen nach Möglichkeit nicht negativ ausfallen. Es sei denn, du willst einen ausgeflippten Menschen in deiner Wohnung haben, der dich beleidigt, erniedrigt, bedroht, einschüchtert, erpresst, oder einfach alles kurz- und kleinschlägt. (Wenn man schon so töricht ist, einen solchen Menschen in seine Wohnung zu lassen. Leider sind die meisten Normalsterblichen erst dann richtig auf dem Laufenden, wenn es bereits zu spät ist.)

Ich persönlich habe nichts gegen Psychopathen. Im Gegenteil. Ich pflege sogar regelmäßig Umgang mit ihnen, bedingt alleine schon durch unser gemeinsames Interessengebiet: Die Musik. (Ob auch ich psychopathische Züge habe, bleibt natürlich weiterhin ein Buch mit sieben Siegeln.)

Vorzüge hin, Vorzüge her: Der Umgang mit genial-wahnsinnigen Menschen ist und bleibt anstrengend. (Und mit einfach-wahnsinnigen Menschen natürlich auch.) Und das Schlimme dabei ist: All diesen Nachwuchskünstlern scheint das irgendwie nicht in den Kopf rein zu gehen. Die fragen sich dann: Was ist los mit ihm? Wieso ist es für ihn auf einmal anstrengend, sich MEINE Beats anzuhören?

Aber - irgendwie sind wir jetzt ziemlich weit vom eigentlichen Thema abgeschweift. Und das eigentliche Thema war: Was wäre gewesen, wenn ich jetzt der "POP-Titan" wäre, und unserem Nachwuchskünstler einen ordentlichen verbalen Einlauf verpasst hätte. Dann hätte ich gleich mehrere Fliegen mit einer Klatsche erledigt. Erstens hätte ich, wie bereits angesprochen, den Nachwuchskünstler ziemlich schnell vom Halse, und er würde auch garantiert nicht mehr wieder kommen.

Zweitens hätte er all seinen Musiker-Kumpels von dem Vorfall erzählt. Das heißt, mich würde in Zukunft wirklich niemand mehr nerven.

Und drittens hätte ich ihn davor bewahrt, einen unglaublich dummen Fehler zu begehen: Dass er nämlich seine gesamte künftige Freizeit und Energie auf das Beat-Programmieren verplempert, in der Hoffnung, er würde eines Tages Bushido-mässig ganz groß rauskommen. Anstatt seine Freizeit und Energie auf etwas zu konzentrieren, was ihn wirklich voran bringen würde: Schule, Ausbildung, Beruf. Er weiß natürlich nicht, dass ich meinen Schulabschluss und meine Berufsausbildung samt Weiterbildungszertifikaten und Arbeitszeugnissen schon längst in der Tasche habe. Da kann man sich natürlich entspannt zurück lehnen und einen auf Dr. Dre machen. Denn sollte es mit der Musik doch nicht klappen, kann ich ja jederzeit wieder in meinen Beruf einsteigen.

Aber wann hätte ich ihm das alles erzählen sollen? Ich kam doch gar nicht dazu. Im Moment interessiert ihn sowieso nur dieses eine Thema:

"Wie fandest du meine Beats?"

Hmm. Wie fand ich seine Beats... Tja, was soll ich jetzt machen. Ich bin nicht der "POP-Titan". Ich bin ich: Ein netter, junger Mann, der so nett ist, dass er nichtmal zu einer ehrlichen, direkten Antwort fähig ist. Denn diese Antwort würde unweigerlich "Scheisse" lauten.

"Hmmm. Deine Beats... Nun ja.. Was soll ich sagen... Hmm... Also ich fand den zweiten Beat etwas besser wie den Ersten. Der Erste hat mir persönlich jetzt nicht so sehr gefallen, wenn ich ehrlich bin. Aber wie gesagt: Es ist meine Meinung, mein Geschmack. Geschmäcker sind ja unterschiedlich, das weißt du ja..."

"Und was hat dir an dem zweiten Beat besser gefallen wie an dem ersten?"

Boah ey, jetzt geht‘s los. Jetzt komm ich aus dieser Nummer überhaupt nicht mehr raus. Das wird jetzt mindestens ne halbe Stunde dauern, dieses Gesülze....

Ich blicke auf die Uhr. "Weißt du was - dieses Gespräch würde jetzt etwas länger dauern. Und ich hab jetzt gleich einen Termin." (Was nichtmal gelogen war, ich hatte tatsächlich einen.) "Aber Eines vorab: Ich fand beim zweiten Beat die HiHat etwas besser platziert. Es hatte mehr Rhythmus irgendwie. Aber wie gesagt - es würde jetzt viel zu lange dauern, um mit dir all die Einzelheiten zu besprechen..."

Früher, als Kind, und auch noch später als Jugendlicher, war ich noch anders drauf. Da kam "Diplomatie" in meinem Wortschatz noch nicht vor. Ich war zwar nicht so ekelhaft wie der "POP-Titan". Sonderlich zimperlich war ich aber auch nicht.

Wie hätte ich damals, in so einer Situation reagiert? Hmm... Mal überlegen... Auf jeden Fall hätte ich gesagt: "Weißt du was: Deine Beats sind scheisse. Und du bist auch scheisse. Und jetzt verpiss dich mal, ich hab noch was zu tun!.."

Ja, so war das früher bei mir. Bis ich 18 wurde. Und dann hieß es plötzlich: Erwachsen werden. Verantwortung übernehmen. Mit erwachsenen Menschen kommunizieren. Konsequenzen tragen. Auf einmal hatte ich hier Hemmungen, und da Beklemmungen, und so weiter, und so fort...

"Ey, Junge, weißt du was!" - die Stimme des Nachwuchskünstlers unterbricht meine Gedanken und holt mich wieder zurück, in diese ekelhafte Situation, die ich so gerne beendet hätte. "Weißt du was! Ich sag dir mal was. Ich hab dir jetzt zwei Beats von mir vorgespielt. Zwei Beats. Von mir, und von meinem Cousin. Wir haben zusammen zwei Stunden lang an dem Beat gefeilt und geschraubt. ('Wow', denke ich mir. 'Ich habe an meinen Beats bis zu vier Wochen gefeilt und geschraubt. Aber rede ruhig weiter, ich bin ganz Ohr...') Wir haben diese Beats allen unseren Leuten vorgespielt. Und weißt du, was die Leute alle gesagt haben? Sie haben gesagt: 'Hammer, Junge, Hammer. Wirklich. Bombe! Absolut Bombe! Fast so gut wie Bushido!' ('Oh mein Gott!', denke ich, 'das ist jetzt nicht wahr, oder?')

Dann komm ich zu dir. Und du kriegst nichtmal das Maul auf. Und wenn du das Maul aufkriegst, dann nur um mir zu sagen, dass beim zweiten Beat irgendeine HiHat besser gesetzt ist, oder was?

Ey Junge, was für eine HiHat? Erzähl mir doch nicht so eine Scheisse! Ich mach das jetzt seit 5 Jahren! ('Oooooh Shiiiiit! Seit 5 Jahren machst du das jetzt schon?! Na da hätte der 'POP-Titan' auf jeden Fall eine Freude mit dir!..')

...da ist nämlich überhaupt keine 'HiHat' oder sowas drinn! Da ist eine 'CL' drinn, und das war's dann auch schon! ('CL' - damit meint er sicherlich die 'Closed HiHat'. Er hat wohl die Beschriftung 1 zu 1 von irgend einer 808-Sampling-CD übernommen. Aber rede ruhig weiter. Ich bin ganz Ohr. Mir hat’s nämlich langsam echt die Sprache verschlagen...)

...Und du erzählst mir was über 'HiHat'... Meine Fresse... Aber daran kann man erkennen, dass du in Wirklichkeit überhaupt keine Ahnung von Musik hast. Du kannst nur die Sachen Anderer schlecht reden. Und mehr kriegst du nicht auf die Reihe!

Alle sagen, dass unsere Beats Bombe sind. Nur du behauptest etwas anderes. Und weißt du warum - weil du in Wirklichkeit nur deine eigene Mucke gut findest. Nur deine eigene. Komm, gib's doch zu, Alter!"

Um das literarische Niveau dieser Erzählung halbwegs in Schwung zu halten, endet mit der letzten Zeile auch offiziell die Geschichte. Demjenigen Leser, der sich für den tatsächlichen Ausgang interessiert, möchte ich noch kurz darüber berichten.

Nachdem das Nachwuchstalent das Wort "Alter" zu ende ausgesprochen hat, ergriff augenblicklich der kindliche-jugendliche Igor von mir Besitz. Das ist, zur Erinnerung, Derjenige, in dessen Wortschatz "Diplomatie" noch nicht vorkommt.

Es war ein kurzer Prozess. Kurz und schmerzlos. Binnen einer Minute war der Typ draußen. Er ist freiwillig rausgegangen. Draußen hat er dann noch eine Weile herumgebrüllt und herumgepoltert, und dann verstummten allmählich seine Lebenszeichen. Was ich ihm zum Abschied mit auf den Weg gegeben habe, möchte ich hier nicht aufzählen. Denn es würde das literarische Niveau dieser Erzählung vollends in den Keller drücken.

Nachdem der Tumult zu ende war, setzte ich mich auf das Bett, und holte mein aktuelles Lieblingsbuch heraus: "Meister und Margarita" von Michael Bulgakow. In dem Buch findet sich etwas weiter hinten eine Sammlung an wunderbaren Kurzgeschichten. Zufällig erwischte ich genau die Richtige:

"Ich war zu Besuch bei (einem großen russischen Schriftsteller, werde den Namen in Kürze hier einsetzen). Seine Haushälterin öffnet mir die Tür und führt mich durch's Haus. Beim Durchgehen fängt sie auf einmal an, sich laustark über die ganzen Nachwuchs-Literaten zu beschweren, weil sie dem Meister wohl die letzte Kraft geraubt hatten. 'Hier, meine neue Geschichte; hier, mein neuer Roman... Das MÜSSEN Sie lesen, unbedingt! Und er war ja immer so nett, und hat stets gesagt: Ja, ist gut, lassen Sie es hier, ich werd es durchlesen, und es dann mit Ihnen besprechen. Wäre er doch bloß so gewesen wie (ein anderer großer russischer Schriftsteller, werde seinen Namen in Kürze hier einsetzen) Er hat diesen Leuten immer gleich direkt gesagt: Sie können nicht schreiben, und werden es auch niemals können, denn Sie sind kein Schriftsteller. Und jetzt machen Sie, dass Sie hier rauskommen!'"

Die folgenden Tage habe ich überlegt, ob ich mir ein T-Shirt anfertigen soll mit dem Aufdruck: "Ich will deine Beats nicht hören!" Als ich dann wieder runter kam, verwarf ich diese törichte Idee glücklicherweise wieder. "Nein, mit dieser Einstellung würdest du dich abkapseln und verschließen, und eventuelle Talente verpassen. Also halte deine Ohren weiterhin immer schön offen, und gib den Nachwuchskünstlern die Chancen, die du damals nie bekommen hattest. Aber du solltest endlich mal lernen, ehrliche Kritik zu üben. Ehrliche Kritik, die nicht vernichtend ist..."

Igor K

Das Leben so zu nehmen wie es ist

$
0
0
Oftmals schleppe ich mich morgens nach einer etwas fabulösen Nacht ins Büro und quäle mich immer wieder mit der gleichen Frage. Der Frage nach dem Sinn des Lebens, dem was davor und vielleicht danach kommt.

Sein Leben so zu akzeptieren wie es ist, ist oftmals nicht ganz leicht. Zu oft werden Entscheidungen hinterfragt, Beziehungen und der Job gewechselt, Freundschaften an den Nagel gehängt und die eigene Familie für Fehler in meinem Leben verantwortlich gemacht. 

Der Weg in die Freiheit beginnt für mich heute - zumindest nehme ich mir das täglich aufs Neue vor. Ein wenig Yoga zum Ausgleich der Seele, deutsches Trash TV um mich mit Anderen vergleichen zu können und vielleicht doch einzusehen, dass es mein Leben unterm Strich doch gutmit mir meint, ein wenig Spielspass mit Online Rubbellose für den Nervenkitzel und um mein Glück herauszufordern und ein kühles Augustiner Bier um als gebürtiger Münchner seiner Verpflichtung nachzukommen.

Und dann endet dieser Tag auch schon wieder und ich merke es war wohl die beste Entscheidung, mein Leben so anzunehmen wie es ist.  

Die Fluchsuchmaschine

$
0
0
Die Nachrichtenagentur Interfax musste sich ein wenig winden, als sie in dieser Woche von einem neuen Vorstoß der russischen Verbraucherschutzbehörde berichtete, das Internet zu säubern. Denn was genau auf dem Index steht, durfte Interfax laut geltendem Recht selbst nicht nennen. Es handle sich um die Wörter der russischen Sprache auf „Ch, P, Je und B“ sowie ihre Abwandlungen, hieß es in der Meldung verschämt.



Im April 2013 hat Putin das Gesetz gegen den Gebrauch von Schimpfwörtern in den Medien unterschrieben. Jetzt gibt es die passende Suchmaschine dazu.

Jeder Russe weiß, was gemeint ist. Er hört diese Wörter viele Male am Tag, von Handwerkern, die statt des Nagels ihren Daumen treffen, und auch von Politikern, die glauben, die Mikrofone seien abgeschaltet. Sie sind vielfältig verwendbar: als Beschimpfung ebenso wie als Ausdruck von Erstaunen und sogar Anerkennung. Geballt oder eingestreut in einen Satz zur Bekräftigung des Gesagten.

Nur aus den Medien sind sie seit einem Jahr verbannt. Im April 2013 hat Präsident Wladimir Putin ein Gesetz unterschrieben, das den Gebrauch von Flüchen in Fernsehen, Radio, Zeitung und Internet verbietet. Seitdem hätten „Spezialisten der Behörde etwa 5000 Medien im manuellen Verfahren überprüft“, sagte ein Sprecher der Verbraucherschützer der Iswestija. Nun sollen sie technische Unterstützung bei ihrer mühseligen Kleinarbeit bekommen: Für umgerechnet eine halbe Million Euro hat die Behörde ein Computerprogramm entwickeln lassen, das das Internet automatisch nach verbotener Lexik durchsucht, eine Art staatliche Fluchsuchmaschine also.

Weil sie ihre Arbeit gewissenhaft verrichten, holten sich die Verbraucherschützer zunächst Rat von höchster Instanz und baten Linguisten der Russischen Akademie der Wissenschaften um eine Klärung der Frage, die jeder Straßenkehrer im Schlaf beantworten kann: Welche Ausdrücke gehören eigentlich zum „Mat“, dem Basiswortschatz des russischen Fluchs? Die Liste ist nicht lang, sie umfasst lediglich vier Wörter, die die Wissenschaftler so umschreiben: „Die unzulässige Bezeichnung des männlichen Geschlechtsorgans, die unzulässige Bezeichnung des weiblichen Geschlechtsorgans, die unzulässige Bezeichnung des Koitus und die unzulässige Bezeichnung einer Frau von liederlichem Verhalten sowie jegliche Spracheinheiten, die aus diesen gebildet werden“. Die Kunst des russischen Mat besteht darin, aus so wenig viel zu machen, also diese vier Basiswörter so zu kombinieren, dass daraus lange Schimpftiraden werden. Viele Russen sind wahre Meister in dieser Kunst.

Sendern und Verlagen, die gegen das Verbot verstoßen, drohen Geldstrafen bis zu umgerechnet 4000 Euro. Bei Wiederholung kann ihnen die Lizenz entzogen werden. Wenn im August eine weitere Gesetzesverschärfung in Kraft tritt, sind davon auch Blogger und Nutzer von Twitter und Facebook betroffen, die sich dann registrieren lassen müssen, wenn sie mehr als 3000 Leser am Tag haben.

Weil sie nicht nur für die Sauberkeit der eigenen Beiträge verantwortlich sind, sondern auch für die Kommentare, die Leser hinterlassen, wird das Fluchverbot zu einem weiteren staatlichen Mittel, um unliebsame Stimmen zum Verstummen zu bringen. Dann genügt es, anonym einige derbe Wörter in Kommentaren zu hinterlassen und sie danach der Verbraucherschutzbehörde zu melden – und schon kann ein Internet-Portal oder ein Blog gesperrt werden. Man möchte fluchen – wenn man denn dürfte.

Spannungen im Reaktorkern

$
0
0
Die Bilder des Kernkraftwerks Süd-Ukraine nahe der Stadt Juschnoukrajinsk zeigen eine wahre Idylle. Die drei Reaktoren in ihrem ochsenblutroten Stahlzylindern sind auf offiziellen Fotos des Kraftwerksbetreibers Energoatom zwischen Sonnenblumen zu sehen, hinter Blumenrabatten oder über einem Stausee. Natürlich scheint die Sonne.

Politisch betrachtet müssten jedoch dunkle Wolken über der Anlage stehen. Zwei der drei Blöcke sind derzeit ein Symbol für den Konflikt, der die Ukraine erschüttert. In ihren Kernen stecken Brennelemente russischer und westlicher Produktion direkt nebeneinander. Jeder der Hersteller wirft dem anderen nun vor, die Sicherheit der Anlage zu gefährden. Auch in den Atommeilern der Ukraine wird um Einfluss gerungen. Russland möchte seine Macht über Land und Reaktoren erhalten, die Regierung in Kiew und die AKW-Betreiber wollen sich dem Westen zuwenden.



Die Frage nach den Atomreaktoren steht mit im Zentrum des wirtschaftlichen Konflikts zwischen der Ukraine und Russland.

Ohnehin gehört die Energiefrage zum wirtschaftlichen Kern des Konflikts. Im Westen bekannt ist das Problem mit dem Erdgas, für das die russischen Lieferanten nun drastisch erhöhte Preise fordern. Gleichzeitig erzeugt die Ukraine fast die Hälfte ihres Stroms mit 15 Kernreaktoren russischer Bauart, für die bisher der russische Staatskonzern Rosatom Uran lieferte. Schon warnt der amtierende Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk, Russland wolle Energie als „neue Atombombe“ gegen sein Land einsetzen – vor dem Hintergrund der Tschernobyl-Katastrophe, die sich 1986 in der Ukraine abspielte, ein bemerkenswerter Vergleich.

Zwar hat der Chef von Rosatom Mitte März die Versorgung garantiert: „Wir haben komplizierte Beziehungen zur Ukraine, aber es gab keine Unterbrechung und wird keine geben“, sagte Sergei Kirijenko laut staatlichem ukrainischen Informationsservice. Dennoch hat Jazenjuk selbst kurz danach Manager des US-Konzerns Westinghouse in Pennsylvania getroffen, berichtet das Wall Street Journal; wenig später verlängerte seine Regierung einen Liefervertrag mit den Amerikanern bis 2020. Es geht um Nuklearbrennstoff für Hunderte Millionen Dollar im Jahr. Westinghouse möchte bis zu ein Viertel des ukrainischen Bedarfs decken und so seine Fabrik in Schweden auslasten. Der Vertrag bezeuge die Qualität der eigenen Produkte, freute sich der Konzernchef.

Dabei ist auch die Beziehung zwischen dem Reaktorbetreiber und dem US-Konzern nicht konfliktfrei. Immer wieder gab es Streit um die gelieferten Brennelemente, die angeblich gefährliche Designfehler aufwiesen. Zweimal wäre Westinghouse fast aus dem Land geflogen; dass das Unternehmen jetzt wieder gefragt ist, hat weniger technische als politische Gründe.

Aus Russland kommen bereits heftige Proteste gegen den Westinghouse-Deal. Schon Mitte April meldete sich der Radiosender Voice of Russia mit der Meldung, die Ukraine sei auf bestem Wege, 15 weitere Tschernobyl-Desaster anzurichten. In russische Reaktoren passe nur russischer Brennstoff. Die Botschaft wurde auf vielen Kanälen verbreitet. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel bekam entsprechende Post vom stellvertretenden Vorsitzenden des Industrieausschuss der russischen Duma, Wladimir Gusenew.

Brennelemente sind in Prinzip Bündel von einigen Hundert langen dünnen Röhrchen, den Brennstäben, die mit Urantabletten gefüllt sind. Sie geben die bei der Kernspaltung entstehende Wärme an umgebendes Wasser ab, das an ihren dünnen Wänden entlangströmt. Abstandshalter und Stützbleche sorgen für die mechanische Stabilität des Brennelements.

Westinghouse versucht seit langem, im Geschäft mit Brennstoff für russische Reaktoren Fuß zu fassen. In Tschechien und Finnland ist der Konzern damit gescheitert. Problematisch ist, dass der Kern russischer Meiler radikal vom Design westlicher Kernkraftwerke abweicht. Die Brennelemente haben einen sechseckigen, nicht quadratischen Querschnitt; Abstände, Drücke, Temperaturen, beigesetzte Chemikalien, die Anordnung der Steuerstäbe, alles ist anders. Es ist, also wollte ein deutscher Sportwagenhersteller Kurbelwellen für chinesische Schiffsdiesel fertigen.

Hinzu kommt: Die Westinghouse-Brennelemente stehen in unmittelbarer Nachbarschaft mit ihren Pendants russischer Herkunft, deren Design jüngst substantiell verändert wurde. Dazu waren die russischen Lieferanten aufgrund fortgesetzter Mängel gezwungen. Laut einem Bericht der internationalen Atombehörde IAEA von 2005 zeigten vier Prozent der bis dahin verwendeten Elemente Lecks, ein Viertel von ihnen musste vorzeitig aus dem Reaktorkern entfernt werden – eine untragbare Ausschussquote. Das Inventar eines Reaktors wird aber nicht auf einen Schlag ausgetauscht, sondern über Jahre hinweg. Darum steckten die Westinghouse-Fabrikate irgendwann neben alten wie neuen Produkten der Russen.

2012 kam es zum Eklat: Etliche der erst ein Jahr zuvor eingesetzten amerikanischen Elemente wiesen mechanische Schäden auf, sie waren verbogen. Eine solche Veränderung birgt die Gefahr, dass im Ernstfall Steuerstäbe nicht schnell genug in den Reaktor geschoben werden können, um die nukleare Kettenreaktion zu stoppen. Die Kraftwerksbetreiber mussten, so sagten sie, für die am stärksten beschädigten Elemente Ersatz aus Russland beschaffen. Weil Rosatom inzwischen einen langfristigen Liefervertrag mit substantiellem Rabatt angeboten hatte, schien es, als habe Westinghouse seine Schuldigkeit getan und könne abtreten.

Doch die Vertreter des US-Konzerns gaben nicht auf. Bis heute beharren sie, die Ursache der mechanischen Verformungen sei in den benachbarten russischen Brennelementen neuer Bauart zu suchen, so als habe es Armdrücken im Reaktorkern gegeben. „Sie haben sich um bis zu 30Millimeter verbogen, weit über die Auslegungsgrenzen hinaus“, so Westinghouse-Sprecher Hans Korteweg. „Darum haben unsere Elemente kleinere Schäden erlitten, die aber niemals die Brennstäbe, sondern immer nur die äußeren Teile betrafen.“ Schon 2013 seien die Westinghouse-Elemente mit leichten Änderungen von der Atomaufsicht wieder freigegeben und eingesetzt worden. Ein neues Design, das spezifisch auf die Probleme der russischen Elemente Rücksicht nehme, liege derzeit noch bei der Atomaufsicht zur Genehmigung.

Es ist wenig Wunder, dass der russische Hersteller TVEL – Tochter von Rosatom – dieser Darstellung vehement widerspricht. „Es gab ein mechanisches Versagen in den Westinghouse-Elementen“, zitiert der Branchendienst Platts Fuel den TVEL-Manager Peter Lawrenjuk. Seine Firma hatte 2012 darauf gedrängt, an der Untersuchung der Probleme mit den Produkten der Konkurrenz beteiligt zu werden. Als ihnen das verweigert wurde, hätten die Russen die weitere Gewährleistung für ihre Brennelemente abgelehnt, wenn sie mit amerikanischem Material zusammen betrieben würden, sagen deutsche Nuklearexperten. Für sie liegen dem Problem Designfehler von Westinghouse zugrunde.

Angesichts des Konflikts um die Ukraine fragen sich viele Fachleute allerdings, ob eine sachliche Bewertung noch möglich ist. Da wirkt eine weitere Meldung beunruhigend: Ministerpräsident Jazenjuk hat Mitte April die langjährige Vorsitzende der staatlichen Atomaufsicht „auf eigenen Wunsch“ entlassen und durch einen früheren Stellvertreter ersetzt, der zuletzt Manager bei der Betreiberfirma Energoatom war. Er sei kompetent und integer, so der Eindruck, den Vertreter der deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit von dem Mann bei früherer Zusammenarbeit gewonnen haben.

Der neue staatliche Aufseher entscheidet allerdings jetzt über die Anträge seiner ehemaligen Firma – unter anderem, welche Brennelemente verwendet werden dürfen. „Man kann nur hoffen, dass die Atomaufsicht zuerst die realen Risiken analysiert und nicht die politische Situation, wenn sie ihre Entscheidung trifft“, sagt Borys Kostiukovskyy vom Energieinstitut der Nationalen Akademie in Kiew.

Ein Rapper mit überraschender Schulkarriere

$
0
0
Jeremy Paxman, ein wegen seines harten Stils berüchtigter BBC-Journalist, konnte es sich nicht verkeifen: Er sprach seinen Gast mit „Mister Rascal“ an – zu Deutsch etwa: „Herr Schlingel“. Dass der Mann mit dem Künstlernamen Dizzee Rascal überhaupt in Paxmans Sendung „Newsnight“ eingeladen worden war, galt schon als außergewöhnlich. Rapper aus East London werden dort gewöhnlich nicht interviewt, und schon gar nicht werden sie nach ihrer Meinung zum Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen befragt. Aber Dylan Kwabena Mills, 1985 als Sohn eines Nigerianers und einer Ghanaerin in Tower Hamlets geboren, ist es gewohnt, Neuland zu betreten. Für sein Album „Boy in Da Corner“ erhielt er 2003 als erster Rapkünstler überhaupt den begehrten Mercury Music Prize.



Ein Rapper, der sich regelmäßig zum politischen Geschehen äußert: Bald könnte ein Interview mit Dizzee Rascal an britischen Schulen analysiert werden.

Oft äußerte er sich zu politischen Fragen. Und auch bei Paxman entspann sich ein bemerkenswertes Gespräch: Dizzee Rascal bezeichnete Barack Obama als „unmittelbares Symbol der Einheit“, sprach über die Rolle von Hip-Hop bei der Politisierung junger Menschen und meinte augenzwinkernd, auch er könne vielleicht britischer Premierminister werden.

Dieses Interview mit einem Hip-Hop-Künstler, der einmal sagte, er wolle „die Musik meistern wie Bruce Lee die Kampfkunst“ könnte demnächst Teil des englischen Schul-Curriculums werden. Die zuständige Kommission plant laut Medienberichten, den Lehrstoff für den höchsten britischen Schulabschluss um „unorthodoxe Texte“ zu erweitern. Dazu gehört laut Guardian zum Beispiel auch eine Aussage des Komikers Russell Brand vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema Drogen. Die Schüler könnten zudem über den Twitter-Feed der Times-Kolumnistin Caitlin Moran geprüft werden oder über „I Am The Secret Footballer“, die anonym veröffentlichten Lebensbetrachtungen eines Fußballprofis.

Die Prüfungskommission begründet ihre Pläne damit, dass die Schüler so Gelegenheit hätten, „eine größere Bandbreite an Texten zu analysieren – ob gesprochen oder geschrieben, literarisch oder unliterarisch“. Die neuen Texte sollten traditionelle wie die Werke Shakespeares dabei nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.
Dieses Versprechen hat aber nicht verhindert, dass nun viele Kritiker besorgt vor der Verwässerung des Lehrplans warnen. Das Bildungsministerium unter dem Tory Michael Gove ließ sofort verlauten, dass Schulen, die „so einen Unsinn“ bei der Abschlussprüfung anböten, sich bewusst sein sollten, dass ihre Schüler womöglich nicht an den besten Universitäten angenommen würden. Der selbst sehr reformfreudige Gove hatte jüngst gesagt, der Englischunterricht solle sich künftig wieder stärker auf Shakespeare konzentrieren.

Dizzee Rascal hat sich mittlerweile per Twitter-Tweet zu den Plänen geäußert. Er findet, sein Interview in der Schule durchzunehmen sei „mental“ (übersetzt: verrückt) und wünscht allen Schülern „viel Glück“.

Lykke Li: "Die Liebe ist ein Puzzle"

$
0
0
jetzt.de: Du hast dein Album „I never learn“ genannt, da liegt die erste Frage auf der Hand. Was lernst du denn nie?
Lykke Li: Die Antwort liegt auch auf der Hand, oder?

Wahrscheinlich schon. Geht es um die Liebe?
Ja, es geht um die Liebe. Auch wenn ich denke, dass ich mich in vielen Bereichen in den letzten Jahren verändert habe, und zwar weitgehend zum Positiven, so habe ich den Eindruck, dass ich mich in der Liebe auf der Stelle bewege. Ich tue mich immer noch sehr schwer in Beziehungen.

Warum ist das so?
Die Liebe ist ein Puzzle, das ich nicht gelöst kriege. Und ich will das auch gar nicht. Denn schwere Puzzles sind spannend, ich beiße mir gerne die Zähne daran aus.




"Ich denke oft, ich will vor allem deshalb heiraten, damit ich später über die Scheidung schreiben kann."

Die neuen Songs wie zum Beispiel „Love me like I’m not made of Stone“, „Never gonna love again“ oder „Sleeping alone“ handeln vom Verlassen, vom Verlassen werden, von der Einsamkeit. Ist während der Arbeit an dieser Platte wieder eine Beziehung zerbrochen?

Ja.

Hatte dein vorheriges Album „Wounded Rhymes“ nicht auch das Ende einer Liebe zum Thema?
Hatte es.

Und dein Debüt „Youth Novels“ doch ebenfalls.
So ist es. Deshalb auch der Titel „I never learn“.

Bist du momentan wieder liiert?
Das möchte ich nicht verraten. Ich glaube aber grundsätzlich, dass andere junge Frauen ähnliche Erfahrungen mit der Liebe machen wie ich. Dadurch, dass ich Songs darüber schreibe, bekommt das Thema bei mir bloß eine viel stärkere Dramatik und Gewichtung. Wenn bei mir eine Liebe scheitert, und bis jetzt sind noch alle gescheitert, dann beschäftigt mich das halt extrem, und ich verfasse dementsprechend extreme Texte.

Wissen die Männer das, wenn sie sich mit dir einlassen?
Die Jungs sind Musen, und das wissen sie. Teilweise waren sie ja mehrere Jahre lang mit mir zusammen. Es ist in Ordnung für sie, wenn ich später Songs über meine Zeit mit ihnen schreibe. Und wenn nicht, dann können sie auch nichts daran ändern.

Brauchst du Liebesdramen, um kreativ sein zu können?
Manchmal habe ich leicht den Verdacht, dass ich das Drama kreiere, über das ich dann schreibe. Ich verdränge diesen Gedanken jedoch schnell wieder, weil er mir unangenehm ist.

Käme eine glückliche Liebe für dich überhaupt in Frage?
Alle meine Beziehungen waren ja am Anfang glücklich. Ab und zu wünschte ich mir, ich hätte ein ruhigeres Leben. Aber wer mit Mitte 20 verheiratet ist, im Häuschen auf dem Land sitzt und zwei Kinder hat, der wünscht sich womöglich mein unstetes Großstadtleben. Wir wollen doch immer das, was wir nicht haben, oder? So ist der Mensch. Und in der Tat träume ich manchmal davon, verheiratet zu sein und glücklich. Aber dann kommt mir immer dieser seltsame Gedanke.

Welcher?
Ich stelle mir vor, vor allem deshalb eine Ehe eingehen zu wollen, damit ich später über die Scheidung schreiben kann. Ich glaube, mir kann passieren, was will - ich werde nie ein fröhliches Pop-Album mit glücklichen Texten machen. Ich bin keine Miley Cyrus oder ein Pharrell Williams. Die dunklen Seiten der Musik und der Kunst ziehen mich einfach mehr an.

Du hast als Kind mit deinen Eltern unter anderem in Nepal, Marokko und Portugal gelebt. Mit 19 bist du aus aus dem heimischen Ystad nach Brooklyn gezogen, um Sängerin zu werden. Später nach Stockholm, und jetzt lebst du seit zwei Jahren in Los Angeles. Kann es sein, dass du nicht nur in der Liebe, sondern insgesamt im Leben die Abwechslung magst?
Das kann sehr gut sein. Ich bin als Nomadin aufgewachsen, und mir gefiel das recht gut, häufig an neue Orte umzuziehen. Meine Kindheit war sehr bunt und vielfältig. Ich bin von Anfang an eine Abenteuersucherin gewesen. Das ist einfach in meiner Seele drin. Meine Eltern sind in dieser Hinsicht ganz ähnlich wie ich.

Wahrscheinlich liebst du es, auf Tournee zu sein?
Seltsamerweise überhaupt nicht. Eine Tour ist immer sehr hektisch, und man sieht so gut wie gar nichts von Orten, an denen man sich aufhält. Am besten an meinem Beruf gefällt mir die Phase, wenn ich von einer Tournee nach Hause komme.

Die meisten deiner Kollegen erzählen genau das Gegenteil. Nämlich dass es ihnen schwerfällt, runterzukommen und wieder den Alltag zu bewältigen.
Ich finde das toll. Wäsche waschen, in den Supermarkt gehen, die Wohnung putzen, Freunde treffen, ausschlafen. Das ist doch herrlich. Eine Tour ist auch körperlich sehr anspruchsvoll und erschöpfend. Danach muss ich mich immer ausruhen. Nach dem Ausruhen fange ich dann an zu schreiben.

Was bedeutet denn das Songschreiben für dich?
In mir sammeln sich so viele Emotionen und Eindrücke an. Die müssen irgendwann aufgeschrieben werden. Sonst würde ich platzen oder verrückt werden und könnte nicht weiterleben. In der Regel schreibe ich alleine, am liebsten am Klavier bei mir zuhause in Los Angeles. Ich brauche die Welt da draußen nicht immer. Das ist auch das Schöne an L.A. Die Stadt ist sehr anonym, die Menschen leben in ihrer eigenen Welt – sei es im Haus oder im Auto. Los Angeles ist eher ungesellig, und das gefällt mir gut.

Deine Produktionspartner kommen aus verschiedenen Welten. Björn Yttling ist Kopf des Indie-Pop-Trios Peter, Björn & John. Greg Kurstin ist ein Superstarproduzent, der mit Pink und Katy Perry arbeitet. Wie passt das zusammen?
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich fühle mich keiner bestimmten Welt wirklich zugehörig – weder dem Alternativ-Pop noch dem Mainstream. Es ist doch viel interessanter, sich eben nicht entscheiden zu müssen und sich den üblichen Schubladen zu verweigern.

Du sagst, deine Musik soll das „guilty pleasure“ deiner Generation sein. Was meinst du damit?
Ich denke an Songs wie „Total Eclipse oft the Heart“ von Bonnie Tyler oder „I want to know what Love is“ von Foreigner – das waren die peinlichen Lieblingslieder aus der Generation meiner Eltern. Dabei finde ich, das sind tolle Songs, die einem überhaupt nicht peinlich sein müssen. Und ich mache ja nun auch nicht die total abgefahrene schräge Musik. Sondern Lieder mit viel Gefühl und Melodie, die trotzdem schön und ernsthaft sind.

Vor zwei Jahren wurde deine Welt ziemlich durchgerüttelt, als der belgische Musiker und Produzent Stephen „The Magician“ Fasano deinen Song „I follow Rivers“ für die Tanzfläche remixte und in Deutschland und vielen anderen Ländern damit auf Platz Eins landete. Wie hast du es empfunden, auf einmal ein richtiger Popstar zu sein?
Der Song hat meine Karriere stark beschleunigt. Und es ist natürlich aufregend, ein Lied komponiert zu haben, das die Menschen tatsächlich kennen. Es fühlt sich allerdings bis heute so an, als wäre der Song ohne mein Wissen explodiert.

Wie meinst du das?
Als der Remix veröffentlicht wurde, richtete ich gerade mein Häuschen im Laurel Canyon in Los Angeles ein. Ich habe dann noch ein paar TV-Auftritte gemacht, aber im Kopf war ich praktisch schon weiter, nämlich bei den Ideen für das neue Album.

Was bedeuten dir der Charterfolg und der damit einhergehende finanzielle Wohlstand?
Nicht so viel. Für mich persönlich hat sich gar nichts dadurch geändert, dass ich einen Hit hatte. Ich finde es bis heute eher unangenehm, im Auto oder Café zu sitzen, und sie spielen plötzlich mein Lied.




Das Album „I never learn“ ist vergangene Woche erschienen.

Zeitbrei

$
0
0
Zeit ist klebrig wie Brei, alles matschig, wenig deutlich. Geräusche immer abwechselnd fokussiert und als Rauschen. Zeit vergeht nicht oder in Sprüngen. Das große Ganze nicht mehr erfassen können , dafür kleine Details auf einmal genau, fast in Zeitlupe. Ewige kurze Momente, springen hin und her, berühren.

Und das Internet so?

$
0
0
Edward Snowden soll doch vom NSA-Untersuchungsausschuss befragt werden, am 15. Mai wollen die USA die Netzneutralität aushebeln und Snapchat muss beim Datenschutz nachbessern. Dann wären da noch die Fragen, wie der Iran zukünftig Whatsapp handhaben will und warum eigentlich niemand so richtig gut mit dem Online-Journalismus Geld verdient? Das ist nur eine Auswahl an Netzthemen, die gerade öffentlich diskutiert werden. Wenn man dann auch noch drei Tage gemeinsam mit 6000 anderen Menschen über die re:publica in Berlin läuft, fallen einem noch gefühlte 500 weitere Fragen ein. Was soll die digitale sexuelle Revolution sein? Wie läuft Überwachung eigentlich in Indien ab? Und was geht in der digitalen Gamebranche? Um all diese Fragen einmal ordentlich durchzusortieren – die fünf wichtigsten Erkenntnisse und Themen von der re:publica 2014.  

1. Überwachung als Thema alleine zieht nicht 


Das Internet hat wegen der NSA an Glanz verloren. Als „kaputt“ hatte Sascha Lobo es bereits Anfang des Jahres beschimpft, jetzt wurde auf der re:publica behauptet, die Überwachung mache „impotent“.  Sarah Harrison, Wikileaks-Aktivistin und Edward Snowden-Vertraute, sagte, man solle sich mal vorstellen, ganz Norwegen würde einen ausspionieren - so viele Mitarbeiter habe nämlich das US-Überwachungssystem.

Tatsächlich muss man den re:publica-Machern wohl dafür auf die Schulter klopfen, dass sie das Oberthema „Into the wild“ gewählt haben und nicht „Into the NSA“. Die erste Forderung bei der Eröffnung der Konferenz von Veranstalter Markus Beckedahl war zwar „Asyl für Edward Snowden“, damit das Thema Überwachung aber nicht nur trocken ist, gab es auch sehr lustige Veranstaltungen zum Überthema „Datenschutz“. Die Präsentation einer angeblichen Google-Erfindung namens „Google Nest“ zum Beispiel, bei der man seine Daten gegen Diebstahl versichern lassen kann und dafür eine eigene Drohne bekommt – aufwendige Webseite inklusive. Allein die empörte Reaktion der Zuschauer (die danach natürlich alle behaupteten, die Satire sofort erkannt zu haben) zeigte, wie Menschen sich vielleicht wirklich mal für das Thema Überwachung interessieren könnten – nämlich dann, wenn sie in Form einer Drohne an ihr Schlafzimmerfenster klopft.  

2. Der Demokratisierungsgedanke schwächelt 


Der Internetfrust kommt vor allem daher, dass durch die Überwachungsskandale ein ganz großes anderes Ideal des Internets bröckelt: Der Gedanke, dass man mit seiner Hilfe die Welt bilden und demokratisieren wird. Das liegt, wie Sascha Lobo es in seiner Session dem Publikum an den Kopf warf, auch am Geld: „Ihr twittert es, aber ihr überweist nicht. Eure Eltern überweisen“, sagte er in seiner wütenden Rede über die mangelnde Finanzierungsbereitschaft der Crowd. Das mussten die Zuschauer natürlich erstmal eifrig twittern. Tatsächlich haben viele der guten auf der re:publica vorgestellten Ideen Finanzierungsprobleme. Barrierefreiheit, Bildung für alle, ungerechte Verteilung der Ressourcen – das sind alles gute Themen, bei denen die Menschen ihre nachdenklichen nerdbebrillten Köpfe schütteln und einen sentimentalen Tweet absetzen oder eine Petition starten. Viel mehr passiert dann aber auch nicht.  

3. Wichtigstes Wort? Ich! 


Die Selbstreferenzialität der re:publica-Menschen ist immens. „Ich bin ja auch vernetzt in der Startup-Szene“ sagen sie oder „ich finde, die re:publica ist dieses Jahr echt Kommerz.“ Dann reden sie über ihren Blog, dokumentieren das Gespräch mit einem Selfie. Klar, das sind auch Klischees, aber die Masse an „Ich-Sätzen“ auf dieser Veranstaltung ist schon erstaunlich. Natürlich ist Eigenvermarktung in der Netzszene wichtig. Aber ob die Hersteller von Häckselmaschinen sich selbst auf einer Haushaltsmesse auch so wichtig nehmen würden? Vermutlich nicht. Gary Turk, dessen Video „Look up from your smartphone“ in den letzten Tagen ja so gerne geteilt wurde, würde auf der re:publica vermutlich im Rahmen eines hysterischen Anfalls zusammenbrechen. Dass die Menschen dort auf dem Klo zusammenstoßen, weil alle so gebannt den Twitter-Stream verfolgen, ist dort nämlich keine Seltenheit. Aber so lernt man sich ja auch kennen.  


4. Die aufregenden Sachen finden im Untergrund statt
 


Es heißt immer, die re:publica sei eine Spezialinski-Veranstaltung. Das ist falsch – die Macher haben sich in den letzen Jahren deutlich bemüht, mehr Themen für Netzidioten ins Programm aufzunehmen. Wie der menschliche Körper hat allerdings auch das Internet eine Oberfläche und Innereien. Die Oberfläche des Internets wird häufig gelobt – sie ist für alle öffentlich einsehbar, jeder hat Zugriff, kann sie remixen und wenn jemand morgen etwas erfände, das den Hunger in der Welt stoppt, könnte er es dort allen mitteilen. Theoretisch. Faktisch ist das oberflächliche Internet, wie die meisten Menschen es benutzen, allerdings ziemlich mainstreamig geworden. Auf der re:publica gab es deshalb auch bereits ein paar Veranstaltungen zu den Innereien des Netzes – wie Tor-Netzwerke, die einen anonym auf sonst nicht sichtbare Internetseiten surfen lassen– wo streamen wohl noch die kleinste aller möglichen illegalen Handlungen ist. Dieser Bereich wird in den nächsten Jahren immer mehr Raum einnehmen – schließlich war Bloggen vor ein paar Jahren auch noch etwas Hochdiffiziles, heute kann es jeder Großvater.


5. Man muss es mit Humor nehmen


Die meisten Dinge im Netz sind spontan und flüchtig – und oftmals sehr, sehr lustig. Auch auf der re:publica gab es einen Meme-Generator, zahlreiche Einhörner, Emoji-Karaoke, Go-Pro-Hunde und Dildos aus dem 3-D-Drucker. Es gab Satire, Kunst und ziemlich viel zu Lachen. Gleichzeitig wurde die diesjährige re:publica als „die politischste aller Zeiten“ bezeichnet. Vielleicht ist das die Lösung der großen Fragen im Internet – man sollte nicht alles und vor allem nicht sich selbst so wahnsinnig erst nehmen. Dann diskutiert es sich auch über die schweren Themen viel besser. 

Mädchen, was findet ihr an grauen Haaren gut?

$
0
0


Die Farbe Grau ist in etwa so beliebt wie Burger King und Wladimir Putin. Graues Wetter, grauer Star, graue Panther – braucht kein Mensch. In einem besonderen Fall sieht die Sache allerdings anders aus: Auf graue Haare steht ihr Mädels total.  

Bestes Beispiel (wie in fast allen Stil-Fragen): George Clooney. Seit Menschengedenken steht der elegant ergraute Clooney für den Inbegriff von lässigem Style und selbstverständlicher Sexyness – und zwar nicht trotz, sondern wegen des grauen Schopfes. Ihn umgibt eine ungeheure Smartness.  

Zugegeben: Für einen Hollywood-Star ist es kein Kunststück, Frauenherzen zu erobern. Doch in diesem Fall liegt die Sache anders. Graue Haare gelten unter euch Frauen mittlerweile gemeinhin als attraktiv, unabhängig davon, ob sie vom Weltstar oder dem Nachbarn getragen werden. Es gab mal eine Zeit, in der niemand graue Haare haben wollte. Da wurde gefärbt und getönt, was das Supermarktregal hergab. Und wem graue Haare angedichtet wurden, der sputete sich, eine Unterlassungsklage auf den Weg zu bringen. Womit wir wieder bei Putin wären – beziehungsweise seinem Busenfreund Gerhard Schröder.    

Damals, etwa zehn Jahre ist das her, war die Welt noch einfach und durchschaubar. Es galten allgemein verständliche Gesetzmäßigkeiten: Graue Haare = hohes Alter = kein guter Fang. Pech für jene Männer, denen die Farbpigmente schon in den Dreißigern ausgingen. Heute sorgt sich kein Mann mehr ernsthaft wegen der ersten graumelierten Stoppeln, die durch seinen Bart schimmern. Vielmehr stellt sich eine abgeklärte Gewissheit ein: Der Weg vom Normalo zum Frauenschwarm ist nicht mehr weit, bald schon werden Schläfen und Kopfhaar folgen.  

Doch was ist es, das Grauhäupter in euren Augen so attraktiv macht? Ist es der wohlige Hauch von Weisheit, der Männer mit grauen Haaren umgibt? Ist es die Hoffnung, einen patriarchalischen Beschützer vor euch zu haben? Oder ist es der Mythos, graubehaarte Männer würden später nicht an Haarausfall leiden?   Und noch etwas: Mir ist schon klar, dass ihr nicht plötzlich alten Säcken verfallt, nur weil sie graue Haare haben. Der zottelig-faltige Typ à la Dumbledore ist sicher nicht euer Ding. Aber welche Kriterien sind es dann, nach denen ihr entscheidet? Helft mir, ich verstehe euch nicht.

Auf der nächsten Seite liest du die Antwort von merle-kolber

[seitenumbruch]In dem Film „Im August in Osang County“, der dieses Frühjahr in den Kinos lief, gibt es eine Szene, bei der ich ziemlich nachdenklich, wenn nicht gar traurig wurde. Da sagt Meryl Streep, deren Ehemann sich aus Frust ertränkt hat: „Frauen sind schön, wenn sie jung sind. Danach nicht mehr. Ein Mann kann seine erotische Ausstrahlung behalten bis ins hohe Alter.“ Später sagt sie noch: „Wären wir nicht alle besser dran, wenn wir aufhören würden bei diesen Dingen zu lügen und die Wahrheit sagen? Frauen sind nicht sexy, wenn sie alt sind.“ Schluck.  

Natürlich ist das eine klischeehafte Aussage. Es gibt alte Frauen, die toll und attraktiv aussehen. Aber sind das so richtige Vorbilder für uns? Ihr habt George Clooney über den ja quasi alle sagen, er hätte erst ergraut seine ganze Sexyness errungen. Und wen haben wir? Helen Mirren? Die sieht toll aus, keine Frage. Aber mit der wollt ihr vermutlich weniger schlafen, als wir mit George Clooney. Wenn wiederum eine jüngere Frau als Helen Mirren, zum Beispiel Prinzessin Kate Middleton um bei den Engländern zu bleiben, einen gräulichen Ansatz zeigt, sind alle entsetzt: „Hat sie etwa vergessen nachzufärben??“ Keine Überraschung also, dass es in dieser Altersklasse keine Vorbilder für uns gibt.  

Wenn ich also ganz tief in mich reinhöre und deine Frage rekapituliere, spielt in dieser ganzen Diskussion um eure ach so attraktiven grauen Haare wohl auch eine Rolle, dass Frauen das Altwerden an sich selbst so schlimm finden. Dass es wenige bis gar keine Frauen unter 40 gibt, die offensiv ihre grauen Haare zeigen und uns als Vorbilder dienen könnten. Hat Meryl Streep also vielleicht doch Recht?  

Wie du so treffend beschreibst – eine Zeitlang müssen Männer diese Angst auch gehabt haben. Da wurde noch penibel übergefärbt oder von Pur „ein graues Haaaaaaaaar“ bescheppert. Mittlerweile scheint es allerdings das Agreement zu geben, dass graue Haare bei Männern für Weisheit und Selbstbewusstsein stehen. Dass nichts unangenehmer als offensichtlich gefärbtes Männerhaar ist. Bei Frauen ist dieser Trend allerdings nicht angekommen. Über die ersten grauen Härchen lachen wir noch. Werden es mehr als zehn, ist’s auf einmal aber nicht mehr so lustig. Dann wird automatisch gefärbt – und das bis ins hohe Alter. Ich kann mich erinnern, dass meine Oma bis Mitte 70 eine rote Dauerwelle trug. Die Akzeptanz für die eigenen grauen Haare kam erst mit der Einsicht, dass sie vielleicht auch einen Rollstuhl braucht. Das hat ganz schön lange gedauert.  

Vielleicht liegt in dieser Beobachtung auch die Antwort auf deine Frage. Wenn ihr prüfend vor dem Spiegel steht und behauptet, eure Friseurin hätte gesagt, die hellen Haare seien gar nicht grau sondern nur ein sehr helles blond, dann lächeln wir wissend und sagen, sie würden euch so oder so gut stehen. Genauso versichern wir euch, dass eure Geheimratsecken eigentlich ganz niedlich wären und die Zornesfalten auf der Stirn ein Zeichen, dass ihr einfach nur seeeehr viel nachdenkt. Und Intelligenz ist ja auch attraktiv. Kurz: Wir sagen euch, dass älterwerden okay und attraktiv ist und das meinen wir auch so.  

Ein Stück weit tun wir das aber auch aus einem ganz egoistischen Grund: Um den Trend der attraktiven grauen Haare auch für uns zu nutzen. Damit ihr, wenn es dann so weit ist, auch bei uns nachsichtig seid und wir nicht bis an unser Lebensende Farbe auf unseren Ansatz klatschen müssen. Und vielleicht auch öffentliche Personen wie Das wäre wirklich fabelhaft – könntet ihr darüber einmal nachdenken? 

Wir haben verstanden: KW 19

$
0
0
Am ersten Tag der Münchner-Freibäder herrschten elf Grad Außentemperatur. Die erste Besucherin fand das besser als letztes Jahr.




++++

jetzt-User in der Realtität treffen ist ziemlich schön. Ihr solltet mal vorbeikommen!

++++

Im Berliner Aquarium gibt es Fische ohne Augen. So sehen die aus:
[plugin imagelink link="http://p5.focus.de/img/fotos/origs598103/2475128246-w300-h200-o-q75-p5/wissen-cavefish.jpg" imagesrc="http://p5.focus.de/img/fotos/origs598103/2475128246-w300-h200-o-q75-p5/wissen-cavefish.jpg"]

++++

In Düsseldorf und Köln heißen Spätis/Kioske/Trinkhallen Büdchen. Büdchen!


++++

Aus einem 3D-Drucker kann man Sexspielzeug ausdrucken.

++++


Eigentlich ein Wunder, dass da noch niemand drauf gekommen ist: die Freistoßmauer mit liegendem Flachschuss-Schutz.
http://www.youtube.com/watch?v=CczPSU7EH9A

++++

Ein Hemd, auf das kleine Delfine gedruckt sind, bringt Menschen zum Lächeln.

++++

Auch in Berlin haben nicht alle Clubs um 7 Uhr morgens noch geöffnet.

++++

Smartphone-Hass ist momentan offenbar sehr Zeitgeist. Beweist zum Beispiel der Erfolg des Videos "Look Up" und die Seite Notonappstore.com.
https://www.youtube.com/watch?v=Z7dLU6fk9QY

++++


Das einzig (!) Schlimme am Ins-Smartphone-Starren ist das Doppelkinn, das man davon kriegen kann.  

++++

Egal, wer wie höflich fragt: Frauen leihen einem auf der Straße eher nie ihr Handy. Typen eher schon.


++++

In der Pick-up-Community gibt es einen Move namens “Bundeswehr-Opener“.


++++


Auf dem Tempelhofer Feld hat man immer Gegenwind.

++++

Immer gut: auf dumme Beleidigungen mit Humor reagieren.
https://www.youtube.com/watch?v=VP7k1QkkhZk

++++

Die deutsche Version des Anti-Rassismus-an-der-Uni-Hashtags #ITooAmHarvard ist #AuchIchBinDeutschland. Die zwei Tumblr (hier und hier) sind wirklich gut gemacht. Über "I, Too, Am Harvard" hat für uns Sina vor einer Weile geschrieben.

++++  

Das mit dem Ernste-Botschaft-in-die-Kamera-halten ist derzeit äußert in. Sogar im Weißen Haus.

[plugin imagelink link="http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.1955027.1399538217/640x360/michelle-obama.jpg " imagesrc="http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.1955027.1399538217/640x360/michelle-obama.jpg "]

Hier steht noch mehr über Michelle Obama und die entführten nigerianischen Schülerinnen.  

++++ 

„Normal“ wird im NSU-Prozess völlig neu definiert. Zum Beispiel mit Hitlerbild an der Wand. Oder mit Nazi-Tattos. Oder mit rassistischen Facebook-Posts. Mehr Erkenntnisse und Momente aus dem Prozess hat Felix von NSU Watch hier erzählt.

++++

Das wohl schönste Resümee dieser Woche: “Pimmel raus, Stimmung! Denn wir sind alle verliebt.”




Was hast du diese Woche verstanden? Schreib es uns in den Kommentaren oder auf Twitter unter dem Hashtag #jetztverstanden.

Alte Freunde

$
0
0
-Hey!
Sie umarmt ihn fest.
Er weicht leicht zurueck.
"Hey!"
- Wie geht's dir?
Er schaut auf den Boden. Steckt die Haende in die Hosentaschen.
"Sorry, dass ich so spaet bin."
"Du kennst mich ja." schiebt er schnell hinterher und laechelt nervoes.
Sie lacht. Umarmt ihn ein weiteres Mal.
- Wow! Sechs Jahre! Kannst du es glauben?
Sie schaut in eingehend an. Der Haaransatz ist etwas tiefer. Die Figur etwas gemuetlicher. Aber ansonsten: der gleiche laessige Kleidungsstil, die gleichen abgekauten Naegel, nur die nervoese Art ist ungewohnt.
"So was willst du machen?"
- Egal! Hauptsache wir koennen uns irgendwohin setzen und ungestoert quatschen.
Sie schaut sich um.
- Am Besten nicht hier. Ich habe keine Lust auf Zuhoerer.
"Ich hab mein Auto da drueben geparkt. Wir koennen auch nach xy fahren, da ist es unwahrscheinlicher, das wir Jemanden bekanntes treffen."
- Gute Idee.

Auf dem Weg nach xy erzaehlt er von seiner Studienzeit, seiner Schwester und seinem Bruder, vom Leben nach dem Abi. Dabei vermeidet er sie direkt anzusehen.
"Mist! Wo fahre ich eigentlich her?"
Er wendet.

Als sie in der Sonne im Cafe sitzen, erzaehlt sie, vom Stress im Studium, von ihrer Fernbeziehung, von alten und neuen Freundschaften. Sie schaut ihn an. Er schaut auf die Plaza. Sie moechte ihn am Liebsten schuetteln.
- Sei doch nicht so steif! Ich bin's doch nur, denkt sie.
Er erzaehlt ihr von Hochzeiten und Geburten, von Einstiegsgehaeltern und untreuen Partnern.
Dabei greift er nach ihren Zigaretten.
"Darf ich?"
Sie ist schockiert.
- Seit wann rauchst du? Du warst doch immer der verhemente Nichtraucher.
"Ach, mal ab und zu. Eine Gewohnheit aus dem Studium."
Endlich scheint er sich zu entspannen.
Er raucht ihre halbe Schachtel.

"Waere es nicht schoen wenn wir unsere Kinder in Z aufwachsen sehen koennten? Du und dein Freund koennt doch hierhin ziehen." sagt er ploetzlich.
Sie schaut ihn unglaeubig an.
-Leben in Z fuer immer?
"Ja warum nicht?"
- Aus hunderttausend Gruenden,moechtest du meine TopTen hoeren?
Sie ist fassungslos.
- Wir haben doch immer Plaene geschmiedet, wie wir hier weg koennen und wo wir mal wohnen werden. Erinnerst du dich?
"Ja, aber denk doch mal an die Lebensqualitaet hier und eigentlich ist es doch hier gar nicht so schlecht."
Sie runzelt die Stirn.
Sie hat die vielen Gespraeche in lauen Sommernaechten vor ihrem oder seinem Haus nicht vergessen. Sie hatten ueber die Schule gelacht, ueber die Lehrer, die Eltern, die spiessigen Mitschueler und deren belangloses Vorstadtleben. Es hatte niemanden gegeben, der sie besser verstand. Sie waren unzertrennlich gewesen. Ein Blick hatte ausgereicht, um zu kommunizieren. Das war viele Jahre her.
Sie hoert ihn weiter reden ueber die Vorteile der alten Heimatsstadt. Aber sie hoert schon nicht mehr zu. Sie schaut ihn an.

-Er ist ein Fremder, denkt sie.

Sechs Jahre sind eine lange Zeit.


Wie ich einmal eine Kettengeschichten-Geschichte schrieb

$
0
0

Da mich meine Arbeit als technischer Übersetzer in jüngster Zeit zu Tode langweilt, wie sich jeder intelligente Mensch leicht denken kann, lenkte ich mich vor einigen Tagen im Internet ab. So stieß ich auf eine überaus lebendige Jugendwebseite.


Alle anderen Webseiten, die ich bis dahin kannte, hielt ich für vollkommen widerwärtig. Die Webseite der Frankfurter Allgemeinen war widerwärtig kapitalistisch, die Webseite der Neuen Zürcher Zeitung, die ich in meiner Kindheit sehr schätzte, war zu dieser Zeit schon lange nicht mehr das, was sie in meiner Kindheitserinnerung immer noch ist. Die Webseite des Nachrichtenmagazins Spiegel wiederum enthielt mehr Werbung als Nachrichten und diese so genannten Nachrichten verdienten ihren Namen nicht. Die einzige Webseite, die mich also interessierte, war die Jugendwebseite, auf die ich gerade gestoßen war, und zwar auch nur aus einem einzigen Grund, nämlich eines Leseraufrufs, der dort kaum sichtbar platziert war.


Darin erklärte die Redaktion, sie suche Autoren für Prosabeiträge, die auf dieser mich so interessierenden Jugendwebseite nach der Einsendung veröffentlicht werden sollten, was mich natürlich reizte. Endlich bestand die Aussicht, bald einen Text im Internet zu finden, der voll und ganz meinen Ansichten entspricht, was natürlich nur ein von mir selbst verfasster Text jemals kann.


Sofort schrieb ich eine als Abenteuergeschichte getarnte Abhandlung über die Gewölbeformen romanischer Kirchen meiner Heimat, weil mir dieses Thema im Internet unterrepräsentiert erschien, und schickte die Abhandlung, sofort nachdem ich sie beendet hatte, an die Redaktion. Kaum hatte ich den Text an die Redaktion geschickt, lehnte sie ihn mit einer Email, die ich postwendend bekam, auch schon ab. Man habe bereits einen Autor gefunden, der besser geeignet sei, hieß es in der Email. Ich solle es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal versuchen, was ich auch tat. Wieder schrieb ich einen Beitrag für die Webseite, aber auch dieser Beitrag, den ich zu einem späteren Zeitpunkt an die Redaktion schickte, wurde abgelehnt. Diesmal lag die Ablehnung daran, dass der Text den Begriff Antisemitismus enthielt, was im hiesigen Raum, wie es schien, und im Besonderen auf dieser Webseite nicht vertretbar war. Das Erscheinen jeder an eine tatsächliche Person erinnernden fiktiven Person in einem solchen fiktiven Prosabeitrag, führe nämlich dazu, dass sich die tatsächliche Person, die sich in dieser fiktiven Person wiederzuerkennen glaubt, warum auch immer, aufs Äußerste schämen müsse, da sie schließlich auf diese Weise mit Antisemitismus in Verbindung gebracht werde und damit zwangsläufig Gefahr laufe, ihr dann verpfuschtes Leben alsbald von eigener Hand beenden zu wollen, lautete in ausführlicher Form sinngemäß die Begründung, welche mir die verantwortliche Redakteurin, sie hieß Nadja Schlueter, in der an mich gerichteten zweiten Ablehnungsemail mitteilte. Obwohl ich das Wort Antisemitismus in dem Prosatext nur mit Kartoffelgerichten in Verbindung gebracht habe und mit keiner Person, stopfte sie ihre Ablehnung in mich hinein.


Enttäuscht schrieb ich Nadja Schlueter eine wütende Antwort-Email und ich vergaß nicht, darin ihr weiches, also schwaches Herz zu erwähnen, das es wohl kaum zulassen werde, diesen meinen Prosabeitrag, der so viel Mühe und monatelange Recherche erfordert habe, erneut abzulehnen. Natürlich war kein Wort von dem, was ich Nadja Schlueter schrieb, wahr. Ich kannte sie bis dahin nicht und konnte also über ihr Herz nur Mutmaßungen anstellen. Den Prosabeitrag hatte ich in der Mittagspause verfasst, nachdem in der Zeitung von einem Traktorunfall zu lesen war, der sich in der Nachbarschaft ereignete, was dann auch im Wesentlichen den Inhalt meines Textes darstellte. Einzig das Wort Antisemitismus hatte ich aus einer Laune heraus noch zusätzlich hineingeschrieben, um die geforderte Zeichenanzahl zu erreichen. Der Text entbehrte dadurch letzten Endes jeglicher Logik und las sich auch unnötig kompliziert. Aber Vorgaben sind Vorgaben, dachte ich, selbst wenn sie von der Redaktion einer Jugendseite kommen. Gerade deshalb zeigte ich mich völlig intransigent, als die Redaktion den Text aufgrund dieses Wortes nicht veröffentlichen wollte.


Als ich am nächsten Tag die Jungendseite besuchte, um sie anschließend für immer aus meiner Lesezeichenliste zu entfernen, war der Beitrag so erschienen*, wie ich ihn geschickt hatte. Er enthielt auch das Wort Antisemitismus. Ich nehme an, es gab keinen anderen Text, der statt meines eigenen an der vorgesehenen Stelle hätte veröffentlicht werden können, und auch der späteste Zeitpunkt, zu dem noch Beiträge eingereicht werden konnten, war natürlich längst vorüber gewesen. Die Leser haben sich, wie aus einigen Kommentaren, die unter dem Text hinterlassen wurden, hervorgeht, sehr über das Wort Antisemitismus amüsiert und bis zur Stunde interessiert mich nichts mehr als die Frage, ob jemand Nadja Schlueter eine Beschwerde-Email geschickt hat, um sie zu fragen, wie man es wage, einen solchen Beitrag mit dem Wort Antisemitismus überhaupt zu veröffentlichen!


 


*Der betreffende Text findet sich hier: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/586597/Die-jetztde-Kettengeschichte-Teil-3

...und Tschüss!

$
0
0
Der Radikale 




Die Ausgangssituation:

Die Wohnung ist rappelvoll. In einem Zimmer tanzen welche, in der Küche rauchen sie und im Wohnzimmer läuft psychedelische Musik. Da setzt du dich auf das Sofa in der Ecke. Mit deinem Sitznachbar unterhältst du dich einen Abend lang über neue Projekte, weil ihr zufällig im gleichen Bereich arbeitet. Ihr interpretiert die neuesten Science-Fiction-Thriller. Lacht über dieselben Zitate. Kurz: Ihr habt eine gemeinsame Ebene! Als deine Freunde weiterziehen wollen, musst du irgendwie mit – deine Bekanntschaft bleibt noch.

Das sagt er zum Abschied:
"Dir dann noch ein schönes Leben!"

Das bedeutet es:
Der Radikale hat gerade den Flammenwerfer gezückt und die kleinen Pflänzchen deiner entstehenden Zuneigung erbarmungslos niedergebrannt. Gemeinsame Ebene? Denkste. Die Knock-out-Verabschiedung unter den Abschiedsfloskeln bedeutet: Wir werden uns nie wiedersehen. Du gehst deinen Weg, ich gehe meinen. Einerseits: Wieso sollte man etwas beschönigen? Der Radikale ist halt extrem ehrlich. Andererseits: Brutal unhöflich. Denn: Was soll das eigentlich?

So gehst du damit um:
Wer erbarmungslos alles Weiterführende unterdrückt und den Zauber der ersten Begegnung so leichtfertig zerstört, der hat entweder ein sicheres Urteilsvermögen, eine feste Beziehung oder sich insgeheim den ganzen Abend gelangweilt. Er hat aber auch was von einem arroganten Trottel. Deshalb ist der Umgang mit dem Radikalen ist eigentlich leicht. Du kannst seine Verabschiedung entweder kontern: "Danke, da bin ich mir sicher“, sagen und so deine Coolness wahren. Wenn du das mit der Gewitztheit nicht so drauf hast, musst du schnaufen, aufstehen und mit wehendem Haar den Raum verlassen.

Das denkst du am nächsten Tag:
"Wer hatte den eigentlich eingeladen?"
[seitenumbruch]Der Witzbold 




Die Ausgangssituation:

Den Witzbold erkennt man schon, wenn man den Raum betritt, den die Firma zwecks Team-Beschnupperung gemietet hat. Er lacht mit weit geöffnetem Mund und so laut, dass sich alle zu ihm umdrehen. Der Abend mit dem scherzenden Sprücheklopfer kann erheiternd sein, wenn er intelligent ist. Aber natürlich hofft man innerlich, dass er wenigstens dann etwas ernster wird, wenn es ja darauf ankommt, einen guten letzten Eindruck zu hinterlassen. Bei dir!

Das sagt er zum Abschied:
Er ruft vielmehr: "Bis Baldrian". Und lacht dann schallend. Er findet das selbst so unglaublich witzig, dass er noch eine zweite und dritte Verabschiedungsfloskel hinterher schießt: "Tschausen", zum Beispiel oder "Paris, Athen, Auf Wiederseh’n!". Gleich danach wieder lautes Gelächter.

Das bedeutet es:

Deine Bekanntschaft hält sich ernsthaft für irre witzig. Und ist deshalb eigentlich ein bisschen einfach gestrickt. Sie sagt die Abschiedsfloskeln zwar ironisch, ist aber eigentlich wirklich stolz auf ihre Sprachspiele, obwohl sie sich die gar nicht selber ausgedacht hat.

So gehst du damit um:

Wenn du nicht gezwungenermaßen mit ihr zusammenarbeitest, musst du dich bei dieser Bekanntschaft sofort entscheiden, ob du ihr Lachen süß findest und die Witze ignorieren kannst. Falls du dich mit ihr einlässt, wirst du beides nämlich immer hören. Immer. Falls du nichts mehr mit ihr zu tun haben willst, reicht ein High Five. Das findet sie bestimmt ganz cool.

Das denkst du am nächsten Tag:
"Puh, jetzt erstmal einen Baldrian-Tee!"
[seitenumbruch]Der Anhängliche 




Die Ausgangssituation:
Du wartest an der Bar auf dein Bier und kommst mit deinem Sitznachbarn ins Gespräch. Bei manchen Menschen hat Bier nicht nur den Effekt, dass sie irgendwann ihren Körper nicht mehr sicher im Raum bewegen können. Sie werden zudem "kuschelig". So auch der Anhängliche. Er streichelt erst sein Bierglas, dann sein eigenes Gesicht und seinen Oberschenkel und irgendwann dein Bein/deinen Arm/was auch immer er von seinem Platz aus von dir erreichen kann. Dabei wird er immer weicher und teigiger im Gesicht.

Das sagt er zum Abschied:
"Komm an mein Herz. Du bist echt was Besonderes."

Das bedeutet es:

Diese Verabschiedung ist genau so (Einschätzung abhängig von deinem Alkoholpegel) unbeholfen/niedlich/nervig wie der Anhängliche selbst. Eigentlich will er dich gleich abknutschen. Weil er das aber nicht mehr richtig hinkriegt, umarmt er dich halt lange.

So gehst du damit um:
Leider verläuft dein Interesse am Anhänglichen antiproportional zu seiner körperlichen Bedürftigkeit. Mit seiner Verabschiedungsfloskel verliert er deshalb unweigerlich auch den allerletzten Rest seiner eventuell verbleibenden Coolness. Weil du dich gezwungenermaßen an deine Großmutter erinnert fühlst sagst du: "Jaja, komm“, und tätschelst, wenn du nett bist, noch mal seine Schulter.

Das denkst du am nächsten Tag:

"Oh nein, hab ich dem gestern eigentlich meine Nummer gegeben?"
[seitenumbruch]Der Formelle




Die Ausgangssituation:
Du hast dich eigentlich schon am Anfang gewundert, warum der Mensch diese merkwürdigen Schuhe anhat. Sie sehen aus wie Schuhe, die zur Abendgarderobe gehören, gleichzeitig wurden sie aber ganz offensichtlich schon oft als Straßenschuhe missbraucht. Na ja, denkst du, man kann nicht alles haben. Schlechter Schuhgeschmack ist ja besser als schlechter Musikgeschmack, oder? Über Musik jedenfalls könnt ihr euch blendend unterhalten. Der Mensch, den du auf dieser abseitigen Ausstellungseröffnung kennen lernst, weiß mit deinen Lieblingsbands was anzufangen und sagt Sätze wie "Na ja, ich finde ja Leute, die die Strokes/beliebige andere Indie-Band ‚prätentiös’ nennen, ein bisschen aufgesetzt und angepasst." Der Formelle ist undurchschaubar. Du bist dir nicht sicher, warum ihr eigentlich redet.

Das sagt er zum Abschied:

"Wenn du Lust hast, könnten wir ja mal schauen, ob wir ein weiteres Treffen hinkriegen." Kein Handnehmen, kein Kuss auf die Wange. Stattdessen: Eine eckige Umarmung, bei der sich möglichst nichts vom Körper berührt.

Das bedeutet es:
"Ich bin verklemmt und das Leben geht an mir vorbei, während ich metamäßig über alle möglichen Dinge nachdenke."

So gehst du damit um:
Du kannst dir die ganze Zeit nur noch vorstellen, wie er seine Socken zusammenrollt und ordentlich in seine ausgebeulten Anzugschuhe steckt, bevor er ins Bett geht. Oder Cornflakes zum Frühstück isst und sich danach mit einer Serviette den Mund abputzt. Deshalb gibst du dem Formellen die Hand statt deiner Nummer.

Das denkst du am nächsten Tag:

"Ich muss wieder mehr auf MDMA weggehen."
[seitenumbruch]Der Nicht-Verabschieder 




Die Ausgangssituation:
Seit zehn Minuten läuft das Gespräch mit dem Nicht-Verabschieder nur noch schleppend, die Redepausen werden länger. Ihr seid beide neu in der Stadt und müsst Leute kennen lernen. Verlegen trinkt ihr immer mal wieder ein paar Schlucke Kaffee. Die Gesprächsthemensuche rattert in deinem Kopf ohne Unterlass alle Smalltalkbereiche durch. Da is’ nix mehr! Besser also, man macht einen Schnitt.

Das sagt er zum Abschied:

Nichts. Der Nicht-Verabschieder schaut sich verlegen im Café um. Etwa eine Minute betrachtet er die Stehlampe neben dir. Er faltet seine Hände. Es ist sehr still, aber der Nicht-Verabschieder lächelt.

Das bedeutet es:

Der Nicht-Verabschieder ist sozial inkompatibel und hat keine Freunde. Er versteht nicht, wie das mit dem Kontakten funktioniert und wird es auch nie lernen.

So gehst du damit um:
"Ja, dann...", sagst du und greifst schon mal nach deiner Jacke. Der Nicht-Verabschieder sitzt vor dir und schweigt. Zweiter Versuch: "Ich muss noch was arbeiten heute, ich würd’ dann mal gehen." Plötzlich kommt Leben in den Nicht-Verabschieder. Er trinkt seinen Kaffee ganz aus. Oh-oh! Er wird doch nicht... Doch! "Wo lang musst du?", fragt er vor der Tür. Du weißt, es ist schon egal, in welche Richtung du jetzt zeigst, denn der Nicht-Verabschieder wird sowieso mitkommen, egal wie groß der Umweg für ihn sein wird. Und dann, an der nächsten U-Bahnstation/deiner Haustür/der Ecke, an der ihr euch jetzt wirklich trennen müsst: Scheues Schweigen seinerseits. Die Verabschiedung musst du übernehmen und zwar schleunigst, damit keine Zeit bleibt, eine neue Verabredung auszumachen. Kurz drücken. Und dann: Nix wie weg!

Das denkst du am nächsten Tag:

"War da was?"

klau|s|ens erfasst den vorläufigen WM-kader voller inbrunst und mit einem LIVE-gedicht

$
0
0

klau|s|ens, der WM-kader des deutschen fußballs für brasilien 2014 ist endlich, endlich, endlich bekannt. (puh. ich muss auf die toilette: es ist alles so bewegend  und innerlich aufrührend!)


wir haben es LIVE im fernsehen verfolgt, so begeistert und so aufgeregt waren wir.


es geschah vor 2 tagen in frankfurt. 8.5.2014.


beim DFB.


vor der presse, vor den medien: jogi löw sprach, aber dann kam danach der “erweiterte WM-kader” (jener dann nicht aus löws mund) mit bildern und einer anderen stimme irgendwie aus dem off.


löw sprach erst allgemein, aber die entscheidenden namen, die musste er dann nicht aufsagen. man wollte ihn davon entlasten, dass er durch nichtnennungen spieler öffentlich vor den kopf stoßen könnte.


weil doch spieler fehlen!


oh ja, oh ja: wir haben wochenlang nicht geschlafen, weil alles “um den kader” so wichtig und so essentiell ist.


wenn gomez nicht fährt, der adler nicht, der kruse nicht, der ter stegen nicht, der westermann nicht, einer der 2 bender nicht, lasogga nicht, bernd leno nicht,  usw. – was bleibt? geht das denn?! darf das denn?! kann das denn?!


der “erweiterte WM-kader”: ach, ich könnte es immer wieder sagen: “der erweiterte WM-kader”. (und was bei den einen gilt: fitness, totale fitness, gilt bei den anderen nicht. alles ist wundervoll widersprüchlich. die argumente sind keine echten argumente. löw will eben den haben und den anderen nicht. das mit der “fitness” stimmt nur manchmal.)


ich finde bei aller “fitness” das wort “kader” per se so schön: es ist das meistgenommene wort aller fußballgespräche der letzten jahre. (auch außerhalb der WM.): immer ist der kader zu stark oder zu schwach oder falsch besetzt oder muss aufgestockt werden. das gilt für alle mannschaften der bundesligen. die journalisten und ex-spieler, die heute als spielkenner auftreten, wären ohne das wort “kader” vollkommen verloren.


der kader! 30 namen! der erweiterte!


hier, da ist dein kader: Manuel Neuer, Roman Weidenfeller, Ron-Robert Zieler, Jerome Boateng, Erik Durm, Kevin Großkreutz, Benedikt Höwedes, Mats Hummels, Marcell Jansen, Philipp Lahm, Per Mertesacker, Shkodran Mustafi, Marcel Schmelzer, Lars Bender, Julian Draxler, Mario Götze, Leon Goretzka, Andre Hahn, Sami Khedira, Miroslav Klose, Toni Kroos, Max Meyer, Thomas Müller, Mesut Özil, Lukas Podolski, Marco Reus, Andre Schürrle, Bastian Schweinsteiger, Kevin Volland und Matthias Ginter.


davon fallen noch welche weg! müssen es nicht am ende 23 sein, die gemeldet werden? am 2. juni oder so? 23?


gewiss, aber im paninibuch stehen sowieso nur 17 spieler!


das ist ungerecht.


ich weiß, aber panini soll (welch glück? welch können?) alle spieler erfasst haben, die auch im erweiterten WM-kader sind. – na, was sagst du jetzt? das nenne ich clever von panini! die sind ganz nah am nerv des DFB. die wissen, welche 17 spieler man bedenkenlos drucken kann.


ich sage nichts, denn ich er”götze” mich an den DFB-pressekonferenzen … und an den stumpfen fragen der meist männlichen journalisten.


das ist eine kultur für sich.


und bald geht es wieder los: pressekonferenz um pressekonferenz, bei der WM dann wohl täglich: ein wahnsinn! und ein genuss! die ewig selben fragen, die ewig selben antworten, nur ein bisschen anders als am tag zuvor.


was haben wir gedichtet?


LIVE zur kadervorstellung?


ja!


wir dichteten, als jogi löw noch sprach, aber die namen und bilder der erwählten erweiterter-WM-kader-spieler noch nicht angezeigt (und noch nicht offiziell bekannt) waren.


was?


DER KADER SPRICHT


Der angestrebte
Erfolg ist eine
Konzession an die
Entscheidung der
Diskussion in
Aller Überzeugung
Steht das klare
Ja der individuellen
Enttäuschung


Copyright Klau|s|ens in allen Schraibwaisen und Schreibweisen, am 8.5.2014, Donnerstag, LIVE, gegen 12:44 und 12:45 Uhr MESZ, zur Pressekonferenz beim DFB Frankfurt im Fernsehen, allerdings in Königswinter-Oberdollendorf gedichtet. (Es spricht gerade Jogi Löw, der Bundestrainer.)





HOMEPAGE VON KLAU|S|ENS: http://www.klausens.com

MUSIKANTEN-UNIVERSALWISSEN

$
0
0







MUSIKANTEN-UNIVERSALWISSEN

Es sprach so pfiffig-schnell die Flöte:
Wie schön, dass ich nicht tröte!
Das sagte trübe die Trombone:
Mensch, die ist ja gar nicht ohne!







Frühstück für Singles

$
0
0
Eine berühmte Band hat mal gesungen: "All you need is love".

Das ist vielleicht übertrieben formuliert weil Nahrung und n' Platz zum wohnen auch recht wichtig sind. Wie ich vor kurzem auf der Heimfahrt im Gespräch mit meinem türkischen Taxifahrer sagte: Hauptsache ist doch, du liebst.





Er hatte beim passieren eines Schwulenclubs erzählt, daß er letzte Nacht von hier 2 Jungs heimgebracht hätte, die nicht bis zu Hause warten konnten, betonte aber, daß er gar nichts dagegen habe. Generell. Also daß es 2 Jungs waren. Und so.
Wir waren uns jedenfalls einig, daß es vielleicht nicht gerade ästhetisch ansprechend war die beiden knutschend auf dem Rücksitz zu haben, es aber mit einem gemischten Paar genauso gewesen wäre und daß jeder lieben soll wen er mag.
Und daß die Hauptsache ist, daß man es tut.

Nach der obligatorischen Frage warum ich denn alleine nach Hause führe fiehl ich erleichtert, daß dem so war, in mein Bettchen. Heute Morgen gibt es ein zufriedenes Frühstück ganz für mich alleine. Und ein ganzer Tag liegt vor mir, an dem ich gar nichts zu erledigen habe und niemand etwas von mir erwartet. So lasse ich mir Alleine-sein gefallen.





Ich gehöre zum Typ Einsiedler, wie man sich vielleicht schon denkt. Jemand, der prima tagelang alleine zu Hause rumbrasseln kann ohne viel Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen.
Es ist nicht gut, wenn es länger vorkommt- denn ich vergesse nach einer Weile wie man mit Leuten draußen auf der Straße umgeht und das Selbstbewußtsein läßt nach. Es ist zu einfach nicht zu kommunizieren und ich bin ein fauler Mensch.

Aber ich brauche es auch, das mit dem einsiedeln. Wie man so schön sagt: Ich bin eigen. Und die Einsamkeit- naja, die kommt ab und zu vorbei, erzählt mir wie schrecklich alles ist und daß ich Gesellschaft brauche die mich kennt und in mich reingucken kann und versteht was geht ohne das ich einen allergischen Anfall gegen die Person bekomme. Also gehe ich unter Leute und gucke sie mit ne' Weil an. Und dann gehe ich wieder heim und bin ganz froh, daß von denen keiner da ist.





Natürlich ist das Blödsinn. Man braucht den sozialen Kontakt. Ich bin der Überzeugung das daß wichtigste im Leben Freunde sind. Also: richtige Freunde, die man liebt und pflegt. Die sind wichtig, wichtiger als die Leute, mit denen man das Bett teilt (auch wenn einem Hormone ab und zu was anderes erzählen wollen). Weil die da bleiben wenn solche Sachen vorbei sind.

Damals, als ich eine Weile meine Zeit damit verbrachte anonyme Weisheiten in den Kleinzeigen eines einschlägigen Gothic-Magazins zu veröffentlichen, schrieb jemand der das gleiche Hobby hatte: "Einsamkeit ist nicht so schlimm, solange man sie mit sich selbst verbringt und nicht mit Selbstmitleid."
Schon damals ein alleiniger Mensch fand ich das gut übersetzt. Heute würde ich es so sagen: Einsamkeit ist etwas anderes als Alleine-sein.
Alleine-sein ist kein Problem. Einsamkeit ist das Gefühl, das einem das Alleine-sein versaut.






Wohin gehst du?

$
0
0
"Wohin gehst du?" So ruft sie hinter ihm her und lauscht. Nichts ist zu hören, nur ein Nachhall im Flur. Ein zorniger Nachhall, produziert von einer Tür, die wütend ins Schloss geworfen wurde. Seufzend geht sie zum Fenster, blickt durch die Gardine zur Straße hinunter. Wie verschwommen sieht sie ihn dort gehen ... schmal, die Schultern hochgezogen, so stapft er durch den Schnee. Selbst die Fußstapfen sehen zornig aus ... die Ränder hochgestülpt, so fest muss er aufgetreten sein. Wieder seufzt sie ... er ist so schwierig, es ist so schwer, ein Gespräch mit ihm aufrecht zu erhalten. Sie winkt ihm vorsichtig hinterher, sich bewusst, dass er sie wegen der Gardine ja sowieso nicht sehen kann. Überhaupt ... er würde sich ja sowieso nicht umdrehen, zurückblicken zu ihr, die gerade mal wieder hilflos über diese Sache nachdenkt. Wie konnte es nur so weit kommen ... wann hatte sie den Kontakt zu ihm verloren? Vor ein paar Wochen, vor ein paar Monaten oder sogar Jahren? Sie wusste es nicht, wusste nur, dass es ihr immer schwerer fiel, Zugang zu ihm zu bekommen - eine "vernünftige" Reaktion auf Fragen, deren Antworten ihr wichtig waren - ihm wohl eher nicht.

Erschöpft von der vergangenen Diskussion erhob sie sich, ging in die Küche und goss sich ein Glas Wasser ein. Es schmeckte schal, natürlich, die Flasche war mal wieder nicht zugedreht. Wie oft hatte sie ihn schon gebeten, doch einfach den Deckel fest aufzuschrauben. Sie mag kein Wasser, dem die Kohlensäure schon entwichen war. Aber daran denkt er einfach nicht, selbst die kleinste Gefälligkeit war ihm schon zuviel. Dabei tat sie doch alles, um ihm das Leben leicht zu machen. Sie wusch, sie kochte, sie kümmerte sich um alles, was das tägliche Leben betraf. Da war es doch nicht zuviel verlangt, das er wenigstens die Wasserflasche zudrehte, wenn er sich ein Glas eingegossen hatte. Nun wurde sie wütend. Sie knallte das Glas auf den Tisch und schwor sich zum hundersten Male: Wenn er nachher nach Hause kommt, dann wird Tacheles geredet - so geht es nicht weiter. Sie riss den Kühlschrank auf, knallte die Flasche ins Türfach. Und Essen würde sie auch nicht kochen, sollte er doch Hunger schieben. Schließlich war im Eisfach genug, was er in die Mikrowelle schieben konnte.

Sie dachte darüber nach, was sie ihm alles sagen würde, wenn er heimkäme. Malte sich aus, wie er versuchte, ihr ins Wort zu fallen, ihr seine Gegenargumente entgegenzuschleudern, sie aus der Fassung zu bringen versuchte. Solange, bis sie aufgab und einfach still wurde. Aber diesmal nicht, schwor sie sich. DIESES MAL NICHT!

Sie zuckte zusammen. Es klingelte an der Tür, einmal, zweimal ... laut und aufdringlich. Über ihre Gedanken hinweg war es dämmrig geworden. Sie erschrak, hatte sie soviel Zeit mit Nachdenken verbracht? Es schellte wieder - diesmal noch fordernder und lauter, wie ihr schien. An der Tür angekommen, schaute sie durch den Spion. Zwei Männer standen vor der Tür, in dunkles Grün gekleidet, ihre Gesichter wirkten verschlossen ... irgendwie betreten. Sie öffnete die Tür, ein merkwürdiges Gefühl, als ihr die Kälte den Rücken hochkroch. Der erste Satz, unverständlich ... welche Sprache war das? Sie verstand kein Wort, fragte immer wieder nach aber sie konnte sie nicht verstehen. Auch als einer der Männer ihren Mantel vom Haken nahm, ihr diesen sorgsam umhängte, sie bat, sie möge ihn doch anziehen .. sie verstand sie einfach nicht. Warum sollte sie mitkommen? Was hatten sie vor? Sie versuchte, um Hilfe zu schreien - irgendjemand musste sie doch hören? Warum kam keiner?

Der Raum war hell, die Strahler taten ihren Augen weh. Konnte nicht jemand das Licht ausschalten? Und die Heizung anmachen? Es war doch viel zu kalt für ihn wie er da so lag, schmächtig, die Schultern hochgezogen, nackt. Er schlief doch, er brauchte eine Decke, verstand das denn keiner? Sie wollte ihren Mantel ausziehen, ihn damit zudecken ... der Mann hinter ihr hinderte sie daran. Was fiel ihm ein, es war doch ihre Pflicht, dafür zu sorgen, das er es warm hatte. Wütend schlug sie um sich, man hielt sie fest, etwas piekste an ihrem Arm und sie fühlte, wie eine flüssige Ruhe sich in ihren Adern breit machte.

Es war dunkel in der Küche, die Dame, die sie nach Hause begleitet hatte, saß am Tisch. Sie öffnete den Kühlschrank, holte eine Flasche Wasser heraus. Wieso war die Flasche fest zugedreht? Das tat er doch nie, obwohl er wusste, das sie Wasser hasste, das dadurch ohne Kohlensäure war. Sie stellte die Flasche auf den Tisch, goss 2 Gläser ein und lauschte.

Kein Geräusch war zu hören, nur die zornigen Schwingungen einer wütend zugeknallten Tür waren noch zu spüren ... Sie hörte sich rufen:

Wohin gehst du?

Kleiner Tikka

$
0
0
Er öffnete die Tür, die Zeitung lag schon wieder neben der Treppe, mitten im Blumenbeet. Wenn er diesen Zustellburschen in die Finger bekäme, dem würd er was erzählen ... von wegen ordentlicher Zustellung und so. Beugte sich hinunter, zog an der Zeitung - natürlich, mitten im Stachelbusch gelandet. Er zerrte, hörte das Ratschen und fragte sich missmutig, welcher Artikel jetzt wohl dran glauben musste. Brummig stopfte er sich die Zeitung in die Tasche seines Bademantel und versuchte, die Zeitungsreste herauszupflücken.

Autsch! Hastig zog er seine Hand zurück und begutachtete seinen Handrücken. Auch das noch, vier feine Risse waren zu sehen, aus dem linken quoll langsam aber stetig ein kleiner Blutstropfen hervor. Verdammte Dornen, irgendwann würde er ihn ausgraben und auf dem Kompost werfen. Er schaute herunter, kaum noch Papierfetzen zu sehen, so könnte man es durchgehen lassen. Plötzlich wurde sein Blick aufmerksam, ganz unten am Stamm war eine Bewegung zu sehen gewesen. Er trat näher, schob vorsichtig mit dem Pantoffel den vorderen Ast beiseite. Da lag etwas. Ein winziges, zerrupft wirkendes, jämmerliches Bündel. Als der Ast aus dem Weg war, griff er vorsichtig in die Lücke. Tastete langsam hinunter, spürte dreckverklebtes Fell an seinen Fingerspitzen. Kalt fühlte es sich an, zögernd hielt er inne. Ein totes Etwas anfassen? Vielleicht sollte er es einfach liegenlassen, die Natur würde schon ihr Werk tun und in wenigen Tagen wäre nichts mehr übrig.

Während er noch so dastand und in den Busch hineinblickte, bewegte sich unter seinen Fingerspitzen etwas. Kaum merklich strichen diese klebrigen, dreckverschmierten Fellspitzen über seine Fingerkuppen. Er beugte sich noch etwas tiefer, umfasste dieses winzige Fellknäuel mit der Hand und zog es behutsam an Dornen und Ast vorbei ans Licht. Musterte es, drehte es im fahlen Morgenlicht hin und her. Wie klein das Ding war, gerade mal eine Handvoll ... und wie schmutzig. Er hielt es auf Armeslänge von sich, drehte sich um und marschierte durch die offene Haustür direkt ins Bad. Riss ein Handtuch aus dem Regal, warf es in das Waschbecken und platzierte dieses kleine, graue, dreckige Etwas darauf. Hatte er sich doch  getäuscht? War die Bewegung nur Einbildung gewesen? Ein kleiner Windhauch, der ihn genarrt hatte? Leben vortäuschte, wo doch keins mehr war?

Vorsichtig hob er das Handtuch hoch, behutsam darauf bedacht, dem kleinen Wesen (falls es denn noch lebte) kein Leid anzutun. Ließ warmes Wasser laufen, benetzte seine Hand damit und begann, das Wasser vorsichtig über das Fell zu träufeln. Immer wieder, sah zu, wie der Schmutz sich löste, in kleinen Schlammfurchen in das Handtuch sickerte. Warum musste es auch ein weißes Handtuch sein, welches er in der Eile herausgezogen hatte. Weil du nur weiße Handtücher hast, dachte er bei sich. Er blickte wieder auf das kleine Etwas hinab, das Wasser hatte sein Werk getan und nun lag da eine winzige Katze vor ihm. Ganz zusammengerollt, den Kopf wie zum Schutz zwischen den Vorderpfoten verborgen. Er zog ein neues Handtuch hervor, rieb leicht über das nasse Fell, ganz vorsichtig darauf bedacht, sanft zu streicheln, nur die Nässe vorsichtig fortzunehmen.

Da - es rührte sich tatsächlich was. Kaum wahrzunehmen, aber es war da. Das Bündel atmete. Ganz sacht bewegte sich das Fell, jetzt die linke Pfote, die über einem zerknittert wirkendem Ohr lag. Rasch zog er ein neues Tuch aus dem Fach, bettete das winzige Geschöpf vorsichtig um und trug es hinüber in die Küche. Bettete es direkt neben dem warmen Ofen in den mit alten Zeitungen gefüllten Weidenkorb und trat einen Schritt zurück. Beobachtete, beugte sich wieder vor, stubste sanft mit dem Zeigefinger in das jetzt wie ein graues Wollknäuel wirkende Bällchen. Zupfte das Handtuch höher, mehr Wärme schaffend, trat wieder zurück und wartete. Sah aus den Augenwinkeln seine Tasse Kaffee stehen, tastete langsam danach. Das Bällchen regte sich, die Beine streckten sich, langsam der ganze Körper. Ob es jetzt stirbt, dachte er betroffen. Vielleicht war es schon kurz davor und ich habe es ihm nur erleichtert. Ein wenig wärmer gemacht, nicht so kalt wie unter dem Busch.

Er setzte sich, zog seine Tasse zu sich heran. Alles, ohne das Bündel aus den Augen zu lassen. Es streckte sich weiter, drehte langsam den Kopf, das zerknitterte Ohr blieb weiter zerknittert, das andere entfaltete sich, stellte sich auf, drehte sich. Gebannt beugte er sich hinunter, sah jede Bewegung, jedes Zittern der winzigen Schnurrhaare. Und fuhr zurück! Er schaute jetzt in ein paar tiefblaue Augen, ohne Vorwarnung hatten sie sich geöffnet, starrten ihn an. Sahen ihn an, als ob sie ihn kennen würden, wiedererkennen, besitzergreifend, auffordernd. Nimm mich hoch, wärme mich, gib mir zu Essen! Wieder beugte er sich herunter, schob seine Hand langsam unter das kleine Fellbündel. Hob es hoch. Wie klein es war, füllte gerade seine hohle Hand aus, rollte sich wieder zusemmen, 2 Pfoten mit winzigen Krallen umschlossen seinen Daumen. Als wüsste es nun, das alles gut werden würde.

Es war dunkel geworden, er saß im Wohnzimmer. Das Feuer im Kamin brannte, seine Pfeife ruhte im Aschenbecher. Kalt, noch keinen Zug hatte er sich heute gegönnt. Auf seinem Schoß lag ein winziges Fellbündel. Zusammengerollt, schlafend. Der kleine pralle Bauch hob und senkte sich, wenn man ganz still war, hörte man ein leises Brummen. Zärtlich strich der alte Mann über das Fell, seine von vieler Arbeit vernarbten Handflächen umschlossen das kleine Geschöpf. Es schmiegte sich in die Höhle, die Pfoten stemmten sich im Schlaf dagegen, das leise Brummen ging in ein zufriedenes Schmatzen über. So saß der alte Mann noch lange in die Nacht hinein, bewachte das winzige Wesen und träumte von kommenden Zeiten. Zeiten, in denen ein kleiner Kater ihm Gesellschaft leisten würde.

Willkommen kleiner Tikka!

Wie mich Helmut Schmidt desillusionierte

$
0
0

Vor kurzem sah ich einen Film über die sogenannte Spiegelaffäre, Dokufiction, sagt man wohl heute, ein Wort, das ja auch mehr oder weniger gut beschreibt, was ich hier tue. Formidabel, dachte ich, es geht um eine Reihe vortrefflicher Persönlichkeiten, Rudolf Augstein, Maria Carlsson, vielleicht um Adenauer, den gewitzten Greis. Aber natürlich kam dieser Film, ebenso wie andere Medien, das musste ich enttäuscht zur Kenntnis nehmen, nicht ohne Helmut Schmidt aus, einem der größten Scharlatane unserer Zeit (das sage natürlich nicht ich, sondern der ehemalige Feuilletonchef der ZEIT, Fritz Raddatz, ein ebenso gewitzter Greis wie Adenauer einer war).


Mir wurde bewusst: Trotz einiger Handicaps ist Helmut Schmidt als Zuschauerzugpferd, um nicht zu sagen -maulesel von nichts und niemandem einzuholen. Kein Redakteur kommt, auch wider besseres Wissen nicht, an Helmut Schmidt vorbei. Selbst nackte Brüste würden im öffentlich-rechtlichen Abendprogramm wohl weniger gut funktionieren, beim Privatfernsehen mag das anders sein. Und sogar in diesem Text ist Helmut Schmidt geradezu omnipräsent, wenn auch nicht im O-Ton. Denn ich habe seine Nummer im Telefonbuch leider nicht gefunden. Das ist meine eigentliche Enttäuschung, die letzten Endes auch der Grund für diesen Jammeraufsatz ist.


So erkannte ich schlagartig: Helmut Schmidt gibt sich zwar als Mann des Volkes, aber wenn es darauf ankommt, ist er nicht erreichbar! Je mehr Gedanken ich darüber anstellte, desto mehr Dinge fielen mir auf, die ich für ebenso unstimmig hielt in Schmidts Selbstdarstellung. Immerzu erzählt er davon, wie ihm die Rettung der entführten Lufthansa-Maschine Landshut glückte oder wie eng er mit der später hingerichteten Widerstandskämpferin Bontjes van Beek befreundet war, die er in Interviews liebevoll Cato nennt – eine Freundschaft von Seelenverwandten, möchte man glauben. Selten erzählt er hingegen von seiner Offizierslaufbahn in der Wehrmacht, die wohl ebenso interessant gewesen sein muss, oder wie unter seiner Kuratel die Schuldenspirale in Gang kam, die doch heute ebenso große Auswirkungen auf das politische Geschäft hat wie Fragen der Flugsicherheit. Hier liegt ein Missverhältnis vor, wie mir schien.


Natürlich, ich könnte nun einfach einen anderen Helmut Schmidt aus dem Telefonbuch anrufen, um einen O-Ton zu bekommen, es gibt genug solcher Menschen mit Namen Helmut Schmidt, und ein Foto brauchen wir für diesen Text nicht unbedingt, auch wenn es besser wäre. Allerdings, das zeigt die Erfahrung, Leser haben durchaus ein feinsinniges Gespür in solchen Dingen: Die Empörung der Bevölkerung wäre mir gewiss. Wütende Amazon-Rezensionen zu einem Buch von Volker Zastrow*, der ähnlich vorgegangen ist, geben einen Vorgeschmack darauf, was mir blühen würde, befragte ich den falschen Helmut Schmidt. Um so etwas zu riskieren, liegt mir mein Bild in der Öffentlichkeit zu sehr am Herzen.





Bildquelle: Kleinschmidt / MSC


*http://www.amazon.de/product-reviews/3499616327/ref=sr_cr_hist_1?ie=UTF8&filterBy=addOneStar&showViewpoints=0

Der Sonntag mit Oliver Koletzki

$
0
0
Name: Oliver Koletzki
Spitzname: Olli
Alter: 39
Geburtsort / Wohnort: Braunschweig / Berlin
So erkläre ich meinen Job meiner Oma:  Menschen betrinken sich am liebsten zu Musik. Ich bin derjenigen, der die Musik zum Besäufnis macht.
Mein liebster Wochentag: Freitag - endlich Wochenende!
Aktuelle Projekte:
https://www.youtube.com/watch?v=AQUwWTn_klA



00:10 Uhr: Mit meinem Tourmanager Hawks zum ersten Auftritt nach Stuttgart! Glück gehabt - Sixt hat 'ne neue S-Klasse mit Massagesitzen rausgerückt.



00: 50 Uhr: Vor dem Gig noch schnell einen Mitternachtssnack mit dem Veranstalter und meinem Tourmanager.



02:30 Uhr: Alle Arme oben! Der Club Romy S in Stuttgart war ausverkauft und alle glücklich.



04:15 Uhr: Weiter zum zweiten Auftritt nach Mannheim zur Timewarp.



04:55 Uhr: Wahnsinnsstimmung bei der Timewarp. Ich bin in fünf Minuten dran!



07:30 Uhr: Feierabend. Es ist wie immer schon hell. Schnell nach Hause nach Berlin.



14:45 Uhr: Nach relativ wenig Schlaf neben meinem geliebten Hund Nikki aufgewacht.



15:15 Uhr: Mit Frau und Hund auf dem Flohmarkt am Boxhagener Platz.



19:10 Uhr: Der Frühling kommt! Ich hab' noch schnell die defekten Glühbirnen unserer Terrassenbeleuchtung ausgetauscht.



20:30 Uhr: Fran und ich sind große Chilly-Gonzales-Fans und schauen heute Abend zum x-ten Mal seinen Film Ivory Tower.



22:20 Uhr: Was gibt es Schöneres als einen Sonntag vor dem Kamin ausklingen zu lassen?
Viewing all 6207 articles
Browse latest View live