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350 - Sebastiano del Piombo: St. Agatha


Gender

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In meinen Texten verwende ich die weibliche Form von Wörtern nicht, wenn es nicht Sinnvoll ist.
Ich schreibe also zum Beispiel "Schüler", nicht "SchülerInnen" oder "Schüler_innen" oder noch schlimmeres.
Zum einen stolpere ich persönlich immer über so etwas. Ich kann keinen Text vernünftig flüssig lesen, der in dieser Form gehalten ist.
Zum anderen ist es grammatischer Blödsinn. Die männliche Form ist in unserer Sprache nun einmal die allgemeine.
Und ganz ehrlich, bei "Schülern" denke ich an Schüler, mehrere... männlich und weiblich. Bei "SchülerInnen" denke ich nur an Mädchen (und daran, wie ich schon wieder beim Lesen gestoppt wurde...).
Das kann doch nicht nur mir so gehen...

Einige Gender-Pseudowissenschaftler haben es mittlerweile auf die
Spritze getrieben. Fefe hatte das mal schön erklärt und auseinandergefummelt: http://blog.fefe.de/?ts=addeacc3

Schaukel

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Da steh ich also möglichst lässig mit Drink an der Bar und irgend so ein Arschloch küsst meine Traumfrau. Am liebsten würde ich den Kerl anschreien aber was sagt man in so einer Situation? „Ich hab sie zuerst gesehen!“ oder einfach: „Sie hat was Besseres verdient!“. Der Bass dröhnt und hallt wunderbar durch den ganzen Körper, der Abend war super bisher: eine Menge guter Freunde sind mit gezogen, der DJ kann was und sie ist da. Es war von Anfang an klar dass sie da sein würde, darum bin ich überhaupt erst hier. Umarmung zur Begrüßung, kurz gequatscht, Musik war sowieso viel zu laut. Jemand gibt eine Runde aus und natürlich fehlt sie dabei nicht. Danach wieder alle auf die Tanzfläche, sie direkt neben mir, dann haben wir uns irgendwie verloren aber immer wieder Augenkontakt gehabt. Oder bilde ich mir das nur ein? Also erst mal Verschnaufpause, Bar, Drink. Ich merke den Alkohol und der Pegel ist fast genau richtig, nur noch einen Tick mehr damit das mit dem Mut auch hinhaut. Der Track ist gut, die Tanzfläche bebt, ich nicke nur zum Beat, aber lasse mich gerne anspornen. Oder ist es das Adrenalin? Ist heute vielleicht der Abend für den entscheidenden Schritt? Ich sehe mich um und suche sie, finde sie und kann nicht mehr wegsehen. Verflucht es geht einfach nicht. Wie lange starre ich die beiden jetzt schon an? Zehn Minuten? Dauert der Kuss zwischen denen schon zehn Minuten? Mach dich nicht lächerlich, reiß dich zusammen. Oder sei wenigstens der tragische Held, sorge für einen entsprechenden Abgang erhobenen Hauptes! Ich zucke zusammen, leere den Drink in einem Zug und muss fast Husten. Ein letzter Blick zurück – nein scheiß drauf, tu dir das nicht an, der Ausgang liegt sowieso in der anderen Richtung. Ich schiebe mich Richtung Garderobe. Die Schlange ist verdammt lang aber natürlich nur in die eine Richtung. Alle wollen rein, Spaß haben und scheinen mit ihren fragenden Blicken eher zu sagen: „Ja, besser du gehst nach Hause Looser“. So schnell habe ich meine Jacke glaube ich noch nie zurückbekommen. Gut so, denn noch hat keiner meiner Freunde bemerkt, dass ich mich heimlich aus dem Staub mache. Sobald ich draußen bin schlendere ich los, was wenn jemand anruft und frage wo ich abgeblieben bin? Oder Handy einfach ausschalten im Club war doch eh kein Empfang? Ach scheiß drauf. Eigentlich rauche ich ja nicht aber wenn der Abend schon gelaufen ist warum dann nicht mit ner Kippe besiegeln? Scheiß drauf! Als ich den Kopf in den Nacken legen und den Rauch genüsslich ausatme fällt mir der klare Himmel auf. Keine einzige Wolke, es ist kühl, fast kalt und die Sterne glänzen. Ich halte Inne. Irgendwie bin ich in einer düsteren Seitenstraße gelandet, linker Hand liegt ein verlassener Spielplatz und dahinter scheint sich ein Park anzuschließen. Ich lasse mich auf einer der Schaukeln nieder und genieße die unverhoffte Abgeschiedenheit. Jetzt erst wird mir bewusst was passiert ist und eigentlich möchte ich weinen, aber nein ich muss auflachen. Lachen über mich selbst: ein dramatischer Abgang, bitte was? Wie sollte das ablaufen? Das sie hinter dir herkommt um dich aufzuhalten? „Oh, ich hab den falschen geküsst hab ich grad gemerkt und dann an dich gedacht, du willst doch nicht etwa schon gehen?“ Na klar, wahrscheinlich. Vollidiot. Die Schaukel fängt in gemächlichem Rhythmus an zu quietschen, als ich mich abstoße. So wie sie es immer in den Horrorfilmen tun, wenn der unnatürliche Wind aufkommt. Ich blicke wieder gen Himmel aber der hat einen passenden Vollmond nicht zu bieten, höchstens dreiviertel. Ob man die Sterne erreichen kann wenn man hoch genug Schaukelt? Mir ist die Kindlichkeit dieses Gedankens egal, hier kann mich sowieso niemand sehen und wenn doch: was soll's? Ich gebe mehr Schwung, das quietschen wird energischer. Wie war das noch mit dem Überschlag, war der physikalisch gesehen möglich? Ich lege es nicht drauf an und lasse die Schaukel auspendeln. Feigling. Schon wieder zu feige. Die Schaukle kommt langsam zum Stillstand und irgendwie trifft es mich doch. Dass sie ihn küsst und nicht mich, beschissenes Gefühl. Also gönne ich mir doch eine Träne, wenigstens eine.

Auszüge aus dem "Wolkenbilder Regelwerk" (Teil 1)

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(Auszug aus Kapitel 2: Richtlinien, Seite 31)


Die Interpretation von Wolken ist vordergründig eine Ausdrucksform der subjektiven Empfindungen und basiert somit in erster Linie auf dem Vorstellungsvermögen und der Fantasie des Betrachters. Folglich fällt ein direkter Vergleich zweier Wolkendefinitionen, vor allem mit fortschreitender Erfahrung und damit steigendem Abstraktionsniveau des Betrachters, mitunter nicht  einfach aus. Um derlei Differenzen im Wettbewerbsszenario zu vermeiden wurden von der International-Cloud-Pictures-Assoziation (ICPA) einige allgemeine Richtlinien entworfen, nach denen sich die Teilnehmer eines fairen Wolkenbilderwettkampfes richten sollten. Natürlich stehen diese Einschränkungen in keinerlei Bezug zur Gewichtung der Imagination des Betrachters, welche in keinem Fall begrenzt oder gedämpft werden sollte.


Generell eignet sich jegliche Wolkenart zur Interpretation und Schaffung von Bildern. Sogar feine Eiswolken, wie die typischen Cirrus-Formationen in großer Höhe, lassen sich in Betrachtung integrieren um beispielsweise eine einfache Betonung, die komplexe Unterstreichung einer Bewegung oder gar die intensive Verdeutlichung eines dramatischen Momentes zu erreichen. Als Grundgerüst dienen wiederum sicherlich die schweren, wassergeschwängerten Stratus- sowie
Cumuluswolken durch ihre mächtig anmutende Präsenz und dem fortwährenden, oft als unruhig empfundenen, Neu- und Umbilden ihrer Formation. Die wohl beeindrucktesten Wolkenbilder lassen sich allerdings durch die kolossalen Cumulonimbuswolken bilden, die an Impression kaum zu übertreffen sein dürften.

Offene Runde mit Nummer 15.232

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... mit Dank an Schuhschein

klau|s|ens bringt den ziegelstein ohne gentechnik heraus (kunstaktion)

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klau|s|ens, wieder eine erfindung von dir!


von uns, zweitklausens, immer von uns! es ist eine erfindung und zugleich auch eine kunstaktion.


ein ziegelstein mit einer etikettierung: “ohne gentechnik”!


das wird heutzutage immer wichtiger. es wird in bestimmten, wachsamen kreisen zu einem verkaufsargument: “ohne gentechnik”. (wo doch so vieles voller gentechnik ist!)


und du als alter hase und geschäftsmann bringt dieses label nun auf einen ziegelstein auf.


ich will die welt beruhigen.


inwiefern?


mag es auch da und dort millionen produkte mit gentechnik geben (wir schrieben vorgestern über fast food und mcdonald’s), so gibt es aber zugleich immer noch millionen produkte ohne gentechnik.


und darauf möchtest du unsere aufmerksamkeit lenken!


ja, die welt ist schö-schö-schön: aber man muss das schöne auch sehen. (oh, herr, wir danken dir für die schöpfung!)


wie recht du hast! (schade nur, dass bei den vielen schrecklichen baumaterialien der gute, alte ziegelstein immer wieder zu kurz kommt! schade! zumal er – in der klausens-produktionslinie – ganz und gar genfrei ist.)


leider – das will ich an dieser stelle eingestehen – sind wir uns gar nicht sicher, ob der ziegelstein so ganz und gar genfrei ist. denn jede tongrube kann ja heutzutage durch futterproduktion und tiermast irgendwie verseucht worden sein: wer weiß es genau?


aber wir verkaufen ihn dennoch als “ohne gentechnik” und werden reich!






HOMEPAGE VON KLAU|S|ENS:
http://www.klausens.com

Wie das Internet... ohne Brille sehen kann

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Das Problem

Betrifft alle, die eine Brille oder Kontaktlinsen tragen. Und indirekt auch alle, die einen Brillenträger kennen. Denn früher oder später verlegt dieser Brillenträger seine Brille und tapst dann sehr aufgeregt und mit beiden Händen tastend durch die Wohnung und flucht sehr laut. Denn er sieht ja nichts. Auch nicht seine Brille.    

Die Lösung

Ist verblüffend einfach. Man nehme den Zeigefinger und rolle ihn so ein, dass in der Mitte ein kleines Loch entsteht. Je kleiner, desto besser. Dieses Loch halte man sich vor das Auge, dem Brille oder Linse abhanden gekommen ist. Und schon wird die Welt hinter dem Loch wieder scharf und klar.

Warum? Eine funktionierende, sich vergrößernde oder verkleinernde Linse im Auge – oder die Kontaktlinse oder das geschliffene Brillenglas – tut nichts weiter als das viele Licht zu bündeln und es auf einen Punkt auf unserer Netzhaut auf einen Punkt zu lenken, wo die Rezeptoren das Licht aufnehmen und die Signale weiter in Richtung Hirn jagen, also: Zu fokussieren. Wenn das nicht funktioniert, wird das Bild unscharf – und man muss eben die Öffnung so stark verkleinern, dass nur Licht aus einer Richtung durchdringt und das Bild auf der Netzhaut scharf wird. Die ungebündelten Lichtquellen, die das Bild unscharf werden lassen, werden quasi einfach ausgesperrt. Das klingt jetzt vielleicht sehr kompliziert, ist aber in diesem Video sehr gut erklärt. 

http://www.youtube.com/watch?v=OydqR_7_DjI#t=44

Apfelablauf

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Ich hatte gestern einen Scheißtag. Kochen hat geholfen, Stress abzubauen, obwohl was Kochen angeht, bin ich ein echter Versager. Komisch, oder?

 


 

Nachtschicht - die jetzt.de-Kettengeschichte, Teil 2

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Den ersten Teil der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 2 von jetzt-Userin chrinamu:





Was aber noch lange nicht heißt, dass Anna Lust hat, draußen nach dem Rechten zu sehen. Sie tut es trotzdem und läuft mit gegen die Kälte hochgezogenen Schultern über den menschenleeren Vorplatz, der auch nachts noch stark nach Benzin stinkt. An der Waschanlage parkt ein Auto, das aber gar nicht parkt, sondern ganz offensichtlich von einem unverschämten Eckpfeiler gebremst worden ist. Blechschaden und ein kaputter Spiegel, es liegen Scherben am Boden. Aus dem Autoradio plärrt ein Fußballmoderator und am Steuer sitzt dorian-steinhoff. Er sieht nicht glücklich aus. Vielleicht liegt das daran, dass die ältere Frau auf dem Beifahrersitz lautstark mit ihm schimpft. „Ich hab doch gesagt, du sollst schauen, wo du hinfährst…“

Anna muss grinsen und tritt ans Fahrerfenster heran. „Hallo, Dorian“, grüßt sie betont munter. „Kann ich helfen?“

„Ich muss was mit dir besprechen“, sagt dorian-steinhoff und steigt so lässig aus, als sei er nie gegen den Eckpfeiler gedonnert. Die Frau schimpft im Hintergrund leiser weiter, während Anna und dorian-steinhoff in den warmen Verkaufsraum gehen.

„Es geht um deinen Namen, Anna“, erklärt dorian-steinhoff, während er einen misstrauischen Blick auf den großen Haufen „Männerabend“-Chips im Eingangsbereich wirft. „Wir müssen dich umbenennen. Der Kosmos hat das so durchgedrückt.“

„Umbenennen? Warum? Und in was?“ Immer diese wankelmütigen Männer, denkt Anna seufzend.

„Kunigunde“, erwidert dorian-steinhoff, „es geht nicht anders, du musst Kunigunde heißen. Mit so einem nichtssagenden Namen wie Anna kannst du keine Romanze erleben. Du weißt doch, Minnesang und sowas. Große Gefühle!“

„Warum kann denn eine Anna keine Romanze erleben? Hast du noch nie was von Ben liebt Anna gehört oder was?“ Anna mag ihren Namen, das kann man unschwer erkennen, vor allem aber mag sie keine von oben befohlenen Namensänderungen. „Denkst du vielleicht auch mal dran, dass ich dann meinen Perso und allen Papierkram ändern lassen muss? Als hätte ich geheiratet oder so! Was für ein Aufwand!“

„Aber das ist es wert, Ann…äh, Kunigunde, glaub mir.“ dorian-steinhoff legt ihr die Hand auf den Arm. „Ben liebt Anna, das mag ja für Teenager noch angehen, aber du bist jetzt erwachsen, da braucht man auch mal richtige Literatur. Große Charaktere aus der Weltliteratur. Nur mit dem richtigen Namen ist man seinem Schicksal auch gewachsen – meinst du nicht, ich weiß, wovon ich spreche?“

Kunigunde seufzt wieder, doch ihr fällt leider kein gutes Gegenargument ein. Wann hat eigentlich das Standesamt geöffnet? Wahrscheinlich wieder mal nur vormittags, dabei wollte sie nach der Nachtschicht doch ausschlafen. „Okay, aber kann ich dann wenigstens auch einen Dienstwagen haben? Der Weg zur Arbeit mit dem Bus ist ziemlich umständlich zu diesen Uhrzeiten…“

„Sorry, sowas können wir uns im Moment nicht leisten, Kunigunde. Die Krise im Qualitätsjournalismus hat uns halt auch im Griff. Hast du denn kein Fahrrad?“ dorian-steinhoff schaut nervös nach draußen, offensichtlich ist ihm die Frau im Auto wieder eingefallen. Hat er da eben eine Tür zuschlagen hören?

„Wer ist denn die…na, der große Charakter der Weltliteratur, der da mit dir im Auto saß?“ Kunigunde schnappt sich einen Schokoriegel aus dem Regal, reißt die Packung auf und beißt betont langsam hinein. Möge Preußen-Paule doch in der Hölle schmoren mit seinem Kontrollzwang.

„Oh, das… Ich weiß nicht, wie ich das am besten erklären soll“, murmelt dorian-steinhoff, und Kunigunde registriert mit Interesse, dass er errötet. Jetzt, da sie darüber nachdenkt, fällt ihr auf, dass die Frau ihr ein bisschen bekannt vorkam. Aus dem Fernsehen vielleicht?

Du willst wissen, wie es weitergeht? Teil 3 der Kettengeschichte erscheint am Donnerstag, den 08.05.

Freundliche Erinnerung

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Was schaffst du in zehn Sekunden?

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Mit der Werbung und dem Journalismus ist das ja so eine Sache: Wir leben von ihr (Anzeigen) und gleichzeitig verachten wir sie auch ein bisschen, denn die Vermischung von Werbung und redaktionellen Inhalten ist nie gut. Nun haben sich aber auch journalistische Inhalte und das Bloggen immer mehr ineinander verschränkt, was dazu führt, dass man oft dazu verleitet wird, sehr lustige oder auffällige Werbungen zu verlinken oder als Inspiration für Textideen zu nutzen. Bevor jetzt im Ticker der Aufschrei kommt: Nein, dies wird keine journalistische Fachidiotendiskussion. Nur eine kurze Rechtfertigung, weshalb wir euch folgenden Spot zeigen wollen:
http://www.youtube.com/watch?v=QG-ORLkMiyY

In dem Spot von Windows 8 sollen drei Frauen unter Militärdrill-ähnlichen Bedingungen innerhalb von zehn Sekunden ihr Make-up anlegen. Einzig die Frau, die ihre Gesichtsdeko akribisch vorbereitet hat, schafft das - in dem sie ihren Kopf auf den Tisch knallt. Ob es so clever ist mit diesem Spot in Verbindung mit dem Slogan "Beautiful and fast" zu zeigen, dass Windows 8 unter optimalen Vorbereitungsbedingungen auch sehr schnell sein kann, sei mal dahingestellt.


Noch zehn, neun, acht...

Was wir uns allerdings angesichts dieser zehnsekündigen Meisterleistung fragen: Was schaffst du, ganz realistisch gesprochen, in zehn Sekunden? Kannst du einen ganzen Cheeseburger essen? Dir die Zähne putzen? 10 Treppenstufen laufen? Somit eröffnen wir im Ticker ganz feierlich die Zehnsekundenolympiade und fragen: Was wäre deine Disziplin?

Tagesblog - 2. Mai 2014

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17:01 Uhr Je me fais aller à Zuhause maintenant! In einigen Minuten gibts hier alles, was wir diese Woche verstanden haben.

16:48 Uhr
Puh, ich hab noch nicht richtig kapiert, worum es in diesem Text so ganz genau geht, aber ich ahne, dass es etwas ist, was mich sehr interessiert: "Can Social Scientists Save Themselves? An intellectual crisis in the age of TED talks and Freakonomics."Hat SZ-Feuilleton-Mann Andrian Kreye gerade auf Facebook gepostet. Landet auf meiner "Things I would like to read but I never ever really manage to read"-Liste. Und die ist ungefähr so lang, dass man mit der einen ganzen Pudonger Wolkenkratzer umwickeln, auslegen und ausstopfen könnte. Bäm!

16:20 Uhr
Oh oh oh oh oh oh oh oh oh, das neue Video von Pierre Henry ist ja schon raus! Ouuh, mon amour, ouh petitfour, c'est délicieux!

http://www.youtube.com/watch?v=omCZ89mkdJs#t=220

15:28 Uhr
"Neulich stand ich am Pissoir, starrte die Wand an und dachte daran, dass ich mir endlich die DVD mit dem alten Adventsvierteiler "Der Seewolf" kaufen möchte, den ich in meiner Kindheit so gern gesehen habe, als plötzlich einer der Kollegen reinkommt und fragt, ob ich an der Betriebsfeier sowohl beim Bowling als auch beim anschließenden Essen dabei sein werde oder nur beim Essen."

Ein sehr guter, ehrlicher, irgendwie skurriler, aber doch berührender und vor allem sehr gut geschriebener Text von jetzt-User glassonionüber das Im-Leben-Sein, in der Arbeit sein, die Beziehung zu Kollegen und Familie und wirren Träumen. Solche Texte wünsche ich mir wieder viel mehr auf jetzt.de.

15:03 Uhr
Ich versuche schon den ganzen Tag, das hier mal zu lesen. Geht um Internet und Macht und wahrscheinlich irgendwie auch um die Zukunft von Reichweite und Journalismus. Falls ich in diesem sterbenden Metier irgendwann noch mal was reißen will, sollte ich mir das vielleicht mindestens mal zu Gemüte führen. Starte gleich neuen Versuch.

14:14 Uhr
Nadja hat grad noch mal durch den Raum gerufen, wie gut eigentlich dieser Satz von Johannes Grenzfurthner in dem Neon-Interview ist:

"The great gender unifier is your asshole."

Das, liebe Tugendfurien, ist mal ein Satz zur Gleichberechtigung, den man sich tatsächlich tätowieren lassen müsste.

13:46 Uhr
Lily Allen hat heute Geburtstag und bringt außerdem auch noch ihr neues Album raus. Erik hat mal kurz bei ihr angerufen und gefragt, wie es so geht und was so geht. Gut finde ich, dass auch sie nicht davor gefeit ist, Leute auf Instagram zu stalken und dabei von sich selbst angewidert zu sein.





13:03 Uhr
Und die Teresa hat übrigens neben der Liebes-Uni-Sache NOCH was Tolles im Großraumbereich Sex geschrieben. Leider nicht für uns, sondern für die Neon, aber empfehlen tu ichs trotzdem, weil es so spannend ist: Ein Interview mit dem Künstler Johannes Grenzfurthner zum Thema Sex und Technik, und zur Frage, wie realistisch diese Siri-Liebe in dem Film "Her" eigentlich ist. Die Moral der Geschicht ist eigentlich nichts anderes, als: Alles, was wir tun, tun wir nur, um unsere sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Aber lest selbst.

12:49 Uhr
Hier übrigens, der Jan legt heut Abend im Pathos auf. Disco-House, sagt er. Animal Trainer sind auch dabei. Und Jans zwei Freunde Jakob und Daniel alias Pierre Henry auch. Die sind eh die coolsten Typen am aktuellen Firmament, hört selbst. Geiler Song, oder? Hier ist ihr Facebook. Ich bin voll Fan.

12:38 Uhr
"Reingeschaufelt". So red ich eigentlich nicht. Immerhin hab ich nicht "reingespachelt" gesagt. Oder "schnabuliert". Jetzt wirds langsam brenzlig, ich höre lieber auf, bevor ich noch schlimmere Sachen vorschlage.

12:33 Uhr
Wie so'n Tag in Jogginghose fühlt sich das Leben im SZ-Hochhaus heut an, sagt Jan. Find ich auch. Weil alle frei haben. Außer uns. Also fast. Den Heribert Prantl hab ich zum Beispiel auch gesehen, vorhin als ich mir meine Spargel mit Hollandaisesauce in der Kantine reingeschaufelt habe. Der muss auch ran heut. Darauf erst mal ein Mandelhörnchen.

11:36 Uhr
Wie wäre es, an der Uni das Geheimnis der ewigen Ehe studieren zu können? Religiöser Bullshit? Verblendete Romantik? Oder sinnvolle Seelenbildung? Wie wir alle wissen, gibt es in Amerika alles, was seltsam klingt, und deshalb gibt es dort auch Seminare namens "Marriage 101". Dort soll man lernen, wie eine Liebesbeziehung im besten Fall für immer hält. Teresa hat es aufgeschrieben.

11:19 Uhr
Frische SZ-Texte auf der Seite. Die Regierung hat keinen Bock mehr auf Snowden, ZDF neo macht eine Sendung über Klone und natürlich was zum 1. Mai und Fäusterecken.

Ich werd das mit dem 1. Mai übrigens nie verstehen. Ist das nicht die weltdümmste und bravste und ineffizienteste Sache der Welt, an einem Tag Krawall zu machen, an dem es alle erwarten und es irgendwie 'erlaubt' ist, und an dem es deshalb erst recht keiner ernst nimmt? Ist es denn nicht ganz und gar das Gegenteil von Rebellentum, am 1. Mai auf die Straße zu gehen?

11:02 Uhr
Was macht man an so einem Brückentag allein zu Hause? Popkulturwissen auffrischen und in Nostalgie schwelgen natürlich. Gut, dass ich für euch alte Bridge-Chiller eben dieses Quiz hier aufgetan habe: "How many of these 90s album covers do you recognise?"

Mein liebstes ist natürlich das hier. Mit der Krabbe. Krebs. Schalentiererich. Na, was ist da für Musik drauf?





09:47 Uhr
So, eine kleine News-Auswahl aus meinem ganz persönlichen News-Filter.

- Dieser Politiker-Typ, der aussieht wie einer von den Suffköppen aus der Studentenverbindung, neben der ich wohne, hat auf einer Schröder-Party mit Putin angestoßen und sagt jetzt er habe halt "die Gesprächsmöglichkeiten" nutzen wollen. Sicher hat seine Hausaufgaben früher auch immer "der Hund gefressen". Schön aber auch, mal wieder zu hören, welches Leben der Gerechten der gute alte Gerhard Schröder mittlerweile führt.

- David Shrigley stellt grad in der Pinakothek der Moderne aus. Ich hab kürzlich diese Postkarte an jemanden geschickt, sie ist super, finde ich.





- Jetzt isses raus: Peaches Geldof hatte zum Zeitpunkt ihres Todes Heroin im Blut. (Fragt sich zum Thema "mysteriöse Umstände" eigentlich nur noch, wo denn nun das Flugzeug MH Dingsda aus Kuala Lumpur geblieben ist. Aber wahrscheinlich haben sich die Wassermännchen aus dem Marianengraben längst ein schönes Hüttchen aus dem Treibgut gebaut und wir werden nie auch nur ein Fitzelchen davon wiedersehen.)

- Und gleich noch was mit dem Meer: eine erste großflächige Studie zum Thema zeigt, dass die Sache mit dem Müll in unseren Meeren weitaus verheerender aussieht, als angenommen.

So, das wars erstmal.

09:43 Uhr
Ah, schon viel besser. Und gleich gehts weiter mit den News.

09:39 Uhr
Der Morgen hat für mich heute ganz schlecht begonnen, und deshalb gibt es einen ganz besonders Mütchen kühlenden Gitarrensong zum Wachwerden und Tagstarten.

http://www.youtube.com/watch?v=PRcLWNGsKfU

Aus dem Häuschen

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Über Jahrzehnte hinweg war die Telefonzelle das kleinste Dach, das man überm Kopf haben konnte. Telefonieren war damals noch richtig privat. Man wurde gesehen, blieb aber allein und konnte der Liebsten sagen, wie schön es gestern Abend war, ohne dass jemand mithörte. „Das Wesentliche sind die vier Wände. Die Enge. Die Ruhe im Lärm. Die immerhin markierte Abgegrenztheit gegen Dunkel und Kälte. Die Stübchen-Illusion“, beschrieb einst der Dichter Alfred Polgar die Sehnsucht nach dem Schutz der Zelle.

Heute sind die Quasselbuden mit der altbundesrepublikanischen Kippen- und Urin-Note samt gefledderten Telefonbüchern selten geworden. Bei mehr als 100 Millionen Mobilfunkanschlüssen und scheinbar immer mehr Menschen, denen es nichts ausmacht, den Ärger über einen Geschäftskunden oder die Probleme mit der Freundin ganzen Zugabteilen mitzuteilen, ist die gute alte Zelle aus dem Straßenbild weitgehend verschwunden.



Auslaufmodell Telefonzelle. Vielleicht eignen die Häuschen sich ja noch zur Tierhaltung?

Von mehr als 160000 öffentlichen Apparaten vor der Jahrtausendwende sind nur noch 40000 übrig geblieben, meist frei stehende Telefonsäulen, die weder vor Regen noch vor der Neugier der Mitbürger schützen. Und wenn der Umsatz unter zehn Euro im Monat fällt, werden auch diese häufig entfernt. Doch nicht alle Telefonhäuschen landen auf dem Schrottplatz der Geschichte. Für einige gibt es sogar ein Happy-End.

Seit 2013 verkauft die Telekom die gläsernen Gesprächskabinen. 450 Euro plus Mehrwertsteuer kostet das ginstergelbe Original der Bundespost, das Modell „TelH78“. Das magenta-graue „TelH90“ im Telekom-Design gibt’s schon für 350 Euro plus Mehrwertsteuer.

Wer sich einen Quadratmeter Nostalgie kaufen will, muss die 250 bis 350 Kilo schweren Ungetümer allerdings selbst abholen und notfalls mit einem Anhänger quer durch die Republik fahren. Die Telekom lagert ihre bundesdeutschen Kulturgüter in einem Waldstück nordwestlich von Michendorf bei Potsdam. 3000 Telefonhäuschen sind dort akkurat nebeneinander aufgereiht. Sie werden dort repariert, neu zusammengebaut, irgendwo in Deutschland wieder eingesetzt – oder eben verkauft. Wie viele der Häuschen schon an die Frau oder den Mann gebracht wurden, verrät ein Sprecher der Telekom nicht.

Nur so viel lässt er durchblicken: Die Liebhaber der Zellen sind erfinderisch. Gern werden sie zu Mini-Bibliotheken umfunktioniert. Gartenfreunde nutzen sie als Gewächshaus, Filmstudios und Theater als Requisite. Zu Duschen wurden die Häuschen auch schon umgebaut. Und selbst Unternehmen finden Gefallen an dem Kommunikationsklassiker – als lärmgeschützte Telefonkabinen für Handygespräche.
Alfred Hitchcock, der in seinem Horrorthriller „Die Vögel“ Tippi Hedren in einer Zelle Zuflucht vor den Angreifern aus der Luft suchen ließ, hatte oft erzählt: Es sei sein Traum, einen ganzen Spielfilm in einer Zelle zu drehen.

Ein Mann kündigte kürzlich der Telekom an, sich einen anderen Traum erfüllen zu wollen. Er möchte seine Frau mit einem gelben Modell überraschen. In so einer Zelle hatte er seine Gattin vor 35 Jahren kennengelernt.

Willst du gefressen werden?

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Als Werner Herzog vor einigen Jahren mit einem Kamerateam in die Höhle von Chauvet hinabstieg, fand er dort an den Steinwänden eine Malerei vor, die sein Herz besonders erfreute. Unter den 30000 Jahre alten Bildern von Berglöwen und Pferden befindet sich eine einzige menschliche Darstellung – die einer Frau. Auf einem herunterragenden Felszapfen ist das unvollständige Bild eines weiblichen Körpers zu sehen. Um genauer zu sein, es ist die Scham einer Frau, ein Venus-Dreieck und andeutungsweise gespreizte Beine.
Der Laie sieht zunächst nur das Dreieck und hält Herzog möglicherweise für einen Schmutzfink. Tatsächlich finden sich ähnliche Fruchtbarkeitssymbole in so ziemlich jeder Höhlenmalerei des Jungpaläolithikums, also der jüngeren Altsteinzeit. Dreiecke und Ovale mit Schlitz gelten in der Archäologie nachgewiesenermaßen als weibliche Darstellungen. Direkt neben die weibliche Figur malte der Künstler noch das Bild eines Bisons. Es sieht aus, als legte es den Arm um sie. Der weibliche Akt und das haarige Biest: Die Frau und das Tier, eine urtypische Motivkombination der Menschheitsgeschichte.



Vincent Cassel als "Biest"

Eine Szene in Christophe Gans’ neuer Verfilmung von „Die Schöne und das Biest“ erinnert daran: Belle liegt alleine auf ihrem Bett, ein pompös dekoriertes Schlafgemach. Die blonde Schönheit im tiefdekolletierten Ballkleid kuschelt sich auf das von einem Fell bedeckte Bett. Sie hat sich vor dem Biest, dem scheußlichen Untier, in ihr Zimmer verzogen. Während sie nun auf dem Bett ruht, fummeln ihre Finger ausgiebig in der flauschigen Felldecke unter ihr herum. Streicheln und kraulen die hier leblose, aber weiche Tierhaut.
Auch Picasso schuf eine Reihe von Radierungen, in denen er das Minotaurus-Motiv variiert. Ein Stierkopf auf einem haarigen Männerkörper, manchmal auch nur ein bärtiger Mann mit Hörnern steigt in Picassos Bildern meist zu einer Nackten ins Bett. Die Erotik ist unübersehbar. Das ungestüme, wilde Tier als Symbol für den leidenschaftlichen Mann überwältigt die passive Schönheit – nimmt sie vielleicht sogar für sich ein. Das ist mehr als ein Bild, das ist eine Geschichte.

Die Schöne und das Biest zählt zu den sogenannten Volksmärchen, es existierte lange, bevor Menschen begonnen haben, Geschichten aufzuschreiben. Die heute verbreitete Version geht auf die französische Schriftstellerin Jeanne-Marie Leprince de Beaumont zurück und erschien erstmals 1756. Zu den Erkennungsmerkmalen gehören, neben Belle und der Bestie, ihr Vater, die Rose, der Spiegel und die Verwandlung. Gängige Märchenmotive, wie man sie auch aus Schneewittchen und Dornröschen kennt. Nach Cocteau und Disney versucht sich nun wieder ein Franzose an der filmischen Bearbeitung dieses Klassikers.

Christophe Gans beginnt seinen Film kindgerecht mit einem Märchenbuch. Ein reicher Kaufmann verliert mehrere Handelsschiffe durch ein Unwetter, sein Vermögen schwindet. Seine Kinder sind verzogen – nur die jüngste Tochter Belle übt sich in Bescheidenheit. Sie ist Vaters Liebling. Während die gierigen Schwestern, die von Gans herrlich komisch inszeniert sind, sich von einer Reise ihres Vaters Geschmeide, Kleider und Parfum wünschen, möchte Belle nur eine Rose. Der Anfang vom Ende. Der Vater pflückt die Rose von der Hecke eines verwunschenen Schlosses, nun droht ihm lebenslange Gefangenschaft. Die brave Belle aber fühlt sich schuldig und tritt die Haft an seiner Stelle an. Dem Biest gefällt das gut. Von nun an muss Belle jeden Abend mit ihm essen. Der Film deutet, wie die Vorlage, einen ödipalen Konflikt an. In einigen Szenen tauschen Vater und Tochter Zärtlichkeiten aus, einmal knurrt der Vater animalische Laute zu seiner Belle. Das Kind muss sich also vom Vater lösen und erwachsen werden. Eine klassische Coming-of-Age-Erzählung. Ein Mädchen wird zu Frau, mit Reißausnehmen, pubertären Launen, sexueller Spannung und Verliebtheit. Dem Biest sitzt Belle (Léa Seydoux) zu Beginn ihrer neuen Lebensgemeinschaft als störrische Göre gegenüber, selbstbewusst gibt sie Widerworte – eine moderne, selbstbestimmte Märchenfigur. ,„Ich mache die Regeln“, sagt das Biest. „Das werden wir sehen“, ist ihre Antwort.

Aber wo kommt sie her, die sexuelle Spannung dieser Frau-Tier-Urkonstellation? Flauschig und kuschelig kann erotisch sein, stark und wild auch. Der Mann als Biest birgt aber noch eine weitere, ganz eindeutig sexuelle Dimension: Das Biest als potenzieller Verschlinger. Gefressen werden, am einfachsten im Märchen vom Rotkäppchen abzulesen, ist eine Metapher für Sex. Erst der Wortwechsel. „Was hast du für große Augen? Was hast du für große Pfoten?“ Dann das Einverleiben. Das Vereinen zweier Körper durch die physische Übermacht des hungrigen Mannes.

Gemeint ist keine Vergewaltigung. Auch Rotkäppchen krabbelt freiwillig zu einem Wolf ins Bett, der seiner Großmutter kein bisschen ähnlich sieht. Will sie vielleicht gefressen werden? Nicht umsonst verwenden wir Ausdrücke wie „Vernaschen“ oder „zum Anbeißen“.

Die erste Begegnung zwischen dem Tier und dem Mädchen findet bei Tisch statt und ist sehr hübsch. Seine Stimme – es ist die von Vincent Cassel – raunt über ihre Schulter, während sie nur die feingedeckte, funkelnde Tafel im Blickfeld hat. Doch dann plötzlich ist seine Spiegelung im silbernen Geschirr zu sehen – sie schreit auf, erschrocken. Ein Kopf wie ein Löwe, ein wilderes Tier. Das Biest tobt, brüllt, springt und landet auf vier Pfoten. Das Biest ist, anders als Cocteaus sehr menschliche Bestie, ein reines Werk der Maskenbildner. Im Film ist der Löwenkopf digital animiert. Der dunkle Märchenwald aus sich bewegenden Bäumen und Ranken, ein zugefrorener See in sternenklarer Nacht, der opulente Thronsaal, die verwunschenen Beagle (mit hässlichen Riesenkulleraugen, ein echtes ästhetisches Problem) – alles ist Computeranimation, heller zwar als in Gans’ Erfolgsfilm „Der Pakt der Wölfe“ (2001), aber eine Legenden-Zauberwald-Stimmung kommt durchaus auf. Alles ist weniger dreckig oder bedrohlich, und trotzdem märchenhaft.

Die Schöne liegt am Ende, ganz in Rot gekleidet, im Schnee und sehnt sich nach ihrem tierischen Gefährten. Belle trägt den ganzen Film wechselnde Kleider mit Farbcodierung. Bei den Verwandlungen, dank ausführlichen Rückblenden ins frühere Leben des Schlossherren gibt es mehr als nur eine davon, denkt man an Ovid. Und überhaupt ist der ganze Film randvoll mit Symbolen und Metaphern, Mythen und Sagen.

Das ist manchmal kitschig, aber nicht störend. Wäre im letzten Akt auf die Standard-Actionsequenz verzichtet worden – als Märchenfreund hätte man komplett abtauchen können, in ein Liebesgewitter, in dem verliebt sein immer auch gefährlich ist. Letztlich siegt die besinnungslose Liebe, die keine oberflächlichen Kriterien kennt. Das ist schön und funktioniert immer. Nur eines ist schade: Von einem Beau und seiner weiblichen Bestie hat man leider bisher nie gehört. Diese Geschichte schmückt noch keine Höhlenwand.

La Belle et la Bête, Frankreich 2013 – Regie: Christophe Gans. Drehbuch: Gans, Sandra Vo Anh. Kamera: Christophe Beaucarne. Mit: Léa Seydoux, Vincent Cassel. Concorde, 112 Minuten.

Tödliche Gesetze

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Du wirst immer in unseren Herzen weiterleben!“, steht auf den schwarzen T-Shirts der Spieler. Vereinskollegen und Freunde haben am Mittwoch in Hamburg-Altona ein Benefiz-Fußballspiel veranstaltet, in Gedenken an den 17-jährigen Diren D., der als Austauschschüler in die USA gegangen war und dort in Missoula in der Nacht zum Sonntag erschossen wurde. Rund 1000 Zuschauer kamen auf dem Hermann-Schnell-Sportplatz zusammen. Die Spieler des SC Teutonia hatten zu der Aktion aufgerufen, um Spenden für die Angehörigen zu sammeln. „Wir werden immer hinter euch stehen“, sagte der Kapitän der Mannschaft der Familie.



In Hamburg wird des in den USA erschossenen Austauschschülers gedacht

Direns Vater war nicht bei dem Benefiz-Spiel, er ist in die USA gereist, um den Leichnam seines Sohnes abzuholen. Wohl an diesem Freitag will er nach Hamburg zurückkehren. Nach einer Zeremonie in der Yeni-Beyazit-Moschee am Nobistor soll der Leichnam zur Bestattung ins türkische Bodrum gebracht werden. Direns Vater sagte, er habe sich keine „Gedanken gemacht, dass hier jeder jemanden erschießen kann, nur weil er in seinen Garten gekommen ist“. Andernfalls hätte er seinem Sohn den Schüleraustausch keinesfalls erlaubt. Über den Todesschützen sagte der Hamburger: „Er soll die gerechte Strafe bekommen.“ Amerika könne nicht weiterhin Cowboy spielen.

Gemeint ist der 29 Jahre alte Mann, der Diren D. in seiner Garage in Missoula im US-Bundesstaat in Montana mit vier Schüssen aus einer Schrotflinte erschossen hat. Zuvor hatten er und seine Ehefrau eine Falle aufgestellt, mit einer Tasche in der offenen Garage sollten mutmaßliche Diebe angelockt werden. Der Schütze hatte gegenüber Bekannten den Wunsch geäußert, nur darauf zu warten, „auf so einen verdammten Burschen zu schießen“. Er muss sich nun wegen vorsätzlicher Tötung vor Gericht verantworten. Derzeit befindet er sich gegen Kaution auf freiem Fuß.

Der Anwalt des Schützen, Paul Ryan, hat angekündigt, dass sich sein Mandant auf die Gesetzgebung in Montana berufen werde – die Einwohner des Bundesstaates dürfen sich selbst und ihre Grundstücke mit Waffengewalt verteidigen. „Stand your Ground“ oder „Castle Doctrine“ werden diese Gesetze genannt. Der Schütze werde sich also nicht schuldig bekennen, sagte Ryan. „Es war spätabends, bei ihm wurde zuvor zweimal eingebrochen, es war jemand im Haus – das führte dazu, dass er glaubte, sich verteidigen zu müssen. Er fürchtete um seine Gesundheit.“ Ryan schreibt dem Getöteten eine Mitverantwortung zu: „Niemand hat ihn dazu gezwungen, in die Garage zu gehen.“ Sein Mandant habe Todesdrohungen bekommen.

In den Vereinigten Staaten wird nun heftig über die Gesetze debattiert, die es in unterschiedlichen Ausführungen in mehr als 30 Bundesstaaten gibt. Einer aktuellen Studie der Texas A&M University zufolge haben sie „keinerlei abschreckende Wirkung“. Ellie Hill, Abgeordnete im Repräsentantenhaus von Montana, sagt: „Diese Gesetze führen dazu, dass ansonsten verantwortungsbewusste Waffenbesitzer glauben, sich in Selbstjustiz üben zu können.“ Sie hat angekündigt, eine Gesetzesänderung anstreben zu wollen.
Der Initiator des entsprechenden Gesetzes von Montana, Gary Marbut, sieht keine Veranlassung für eine Gesetzesänderung: „Wir müssen das Urteil abwarten, bevor wir eine Entscheidung darüber treffen können. Eine Verurteilung des Hausbesitzers würde zeigen, dass die aktuell gültige Gesetzgebung wunderbar funktioniert.“

Noch nicht bekannt ist, ob sich der Schütze von Missoula für einen Fall wie den vorliegenden versichert hat. Auch das gibt es in den USA: Unternehmen wie Gunshield oder Armed Citizens’ Legal Defense Network bieten Versicherungen an für den Fall, dass jemand aufgrund der Gesetzeslage einen anderen Menschen erschießt – und übernehmen dann vor Gericht die Verteidigung. Auf den Homepages dieser Firmen ist übrigens nicht selten ein Link zur National Rifle Association (NRA) zu finden, jener mächtigen Waffenlobby, die sich vehement für lockere Waffengesetze einsetzt und seit Jahren um die Einführung der Stand-your-Ground-Gesetze in weiteren Bundesstaaten wirbt.

Auf der alljährlichen Zusammenkunft der NRA am vergangenen Wochenende in Indianapolis sagte die ehemalige Vizepräsidentschafts-Kandidatin Sarah Palin unter tosendem Applaus, dass man keine Patrone für einen Warnschuss verschwenden solle, weil Munition teuer sei.

Unterdessen hat die Hamburger Staatsanwaltschaft die Behörden in Montana um Einsicht in die Ermittlungsakten gebeten. Die Unterlagen sollten mit Blick auf die Einleitung eines eigenen Ermittlungsverfahrens geprüft werden, sagte Sprecherin Nana Frombach am Mittwoch in Hamburg. Ob ein Verfahren eröffnet werde, hänge von deren Auswertung ab. Die Anforderung von Ermittlungsakten gehört nach ihren Angaben zum Standardverfahren deutscher Staatsanwaltschaften, wenn ein Bundesbürger im Ausland bei einer mutmaßlichen Straftat ums Leben kommt.

Im Gymnasium des Getöteten enden die Ferien, am Montag beginnt wieder die Schule. Die Todesschüsse auf den 17-Jährigen sollen dann in allen Klassen angesprochen werden, von der fünften bis zur zwölften, sagte Thomas Bressau von der Schulbehörde. Zunächst aber werde es eine Schweigeminute für Diren geben.

Sarah und ihre Schwestern

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Ein Mann kommt nach einer Dienstreise nach Hause. Seine Freundin kommt gerade aus der Dusche, die Haare sind nass, die Beine sind nackt. Sie ist überrascht, er ist irritiert. Seit wann sie denn T-Shirts von The Clash trage, will er wissen. Die Haare seien auch irgendwie anders, länger, wie kann das sein? Sie also, um sein Misstrauen zu zerstreuen, reißt sich das verdächtige Shirt vom Leib und vögelt ihn auf der Küchenanrichte. „Das war phantastisch“, sagt er danach. Und will wissen: „Wieso hast du dich die letzten zwei Jahre so verstellt?“



Eine Welt voller Klone? In "Orphan Black" ist diese gruselige Vorstellung Wirklichkeit.

Eine Antwort bekommt er noch nicht, aber sie ginge folgendermaßen: Die Frau in seiner Wohnung sieht zwar aus wie seine Freundin Beth, aber sie ist es nicht. Sie ist ein Klon. Und es kommt natürlich noch sehr viel abenteuerlicher in der zehnteiligen ersten Staffel der Serie "Orphan Black", die in den USA bei BBC America lief. Übersetzt heißt der Titel etwa: das Waisenkind, von dem niemand weiß.

Pauls Freundin, die Polizistin Beth, hat sich umgebracht. Die Frau, die gerade Sex mit ihm hatte, braucht Geld und möchte das gemeinsame Konto von Beth und deren Freund leer räumen. Damit will sie ihre vierjährige Tochter aus der Obhut der Pflegemutter wieder zu sich zurückholen. Am liebsten gemeinsam mit ihrem Pflegebruder Felix (Jordan Gavaris), mit dem sie bei ebenjener Pflegemutter aufgewachsen ist.

Die Familienverhältnisse in Orphan  sind kompliziert, und tatsächlich sind sie noch viel komplizierter: Sarah und Beth sind nicht die einzigen „Schwestern“. Außer der Frau im The-Clash-Shirt also und Beth, der pillenschluckenden Polizistin, die sich in der Eröffnungsszene das Leben nimmt, gibt es zum Beispiel eine möchtegernhippe Deutsche, eine Vorzeigemutti vom Stadtrand mit Waffenfaible und eine höchst motivierte Wissenschaftlerin, die auf Frauen steht.

In den USA und in England läuft bereits die zweite Staffel der kanadischen Produktion, ZDF neo strahlt nun die erste Staffel und im Herbst dann die zweite aus. Die Serie läuft dort natürlich ins Deutsche synchronisiert, was schade ist, weil die Frauenfiguren ihre charmanten diversen englischen Akzente aus der Originalfassung verlieren. Der feine Unterschied zwischen den einzelnen Klonen bleibt so nur noch ein optischer.

Die Geschichte selbst ist ein wenig krude konstruiert, woran man sich bei einem Science-Fiction-Thriller nicht weiter stören muss. Dafür ist sie perfekt erzählt, beinahe jede Szene baut Spannung auf. Unnötig also, dass der öffentlich-rechtliche Sender dem Ganzen noch eine politisch-ethische Brisanz zuschreiben möchte („da steckt mehr drin“). Der bessere Grund, sich Black Orphan anzusehen, ist die kanadische Hauptdarstellerin Tatiana Maslany, die alle sieben Klone spielt und für ihre Mehrfachrolle auch gleich für den Golden Globe nominiert wurde.

Ganz neu ist das freilich nicht, die Idee, unzählige Familienmitglieder mit demselben Schauspieler zu besetzen. Bereits 1949 spielte Alec Guinness im großartigen Film Adel verpflichtet acht dünkelhafte Verwandte, die – einer nach dem anderen – von einem verstoßenen Angehörigen ermordet werden, weil der gerne sein Erbe antreten möchte. Genetisch identisch oder nur verwandt: Es ist ein Kreuz mit der Verwandtschaft.

Orphan Black, ZDF neo, 22 Uhr.

Die Kunst des Faustreckens

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Der 1. Mai führt Menschen zusammen, die ein bisschen etwas miteinander verbindet, mit der Betonung auf: ein bisschen.

Im Duisburger Stadtteil Hamborn, auf dem Platz vor dem Amtsgericht, haben sich ein paar tausend Menschen zur Maidemonstration versammelt. Auf drei Kilometer ist die Strecke angelegt, hinüber zum Landschaftspark Nord. Man darf sich das aber nicht so vorstellen, dass jeder einfach loszieht. Demonstriert wird abteilungsweise, und jede Abteilung achtet vor allem auf eins: Abstand. Ganz vorne die Gewerkschaften des DGB, die eigentlichen Veranstalter dieses Zuges. Örtliche Funktionäre sowie Reiner Hoffmann, der in zehn Tagen zum Bundesvorsitzenden gewählt werden soll, spazieren hinter einem Transparent, das „gute Arbeit“ und ein „soziales Europa“ verlangt. Ein paar hundert Leute bilden diese Gruppe, hinter ihnen tuckert ein Lkw, der scheinbar die Funktion hat, als Abspielstation für Musik etwas Stimmung zu machen. Der DJ legt „Atemlos“ von Helene Fischer auf; vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber egal.



Bei den Demonstrationen zum 1. Mai (hier: eine Demo in Berlin) stehen längst nicht alle Teilnehmer für die selben Ziele und Forderungen ein

Hauptsache, er hält all die Gruppen auf Distanz, für die eine Mai-Demo eine Gelegenheit ist, in einem Tross unterzukommen: das Dutzend Leute von der marxistisch-leninistischen MLPD, die Anhänger des kurdischen Terroristen Öcalan oder auch die Mitglieder des türkischen Vereins „Freiheit und Solidarität“.
Zwischen die beiden letzteren platziert: der Spielmannszug St. Vivaldi der Schützengesellschaft Duisburg-Laar. Die Musiker geben sich alle Mühe, auf den drei Kilometern bis zum Landschaftspark die ganze Breite ihres Repertoires zu demonstrieren, aber: Sie machen viele Pausen. Das kommt den Leuten von „Freiheit und Solidarität“ sehr zupass, die zu viel Nähe nicht gebrauchen können; „wegen der Musik“, wie ein Fahnenträger erklärt. „Hoch – die – internationale – Solidarität!“, rufen sie jeweils unverzüglich, nachdem die Flöten abgesetzt sind; den Befehl zum Losbrüllen gibt ein achtjähriges Mädchen, das mit einem Megafon ausgestattet und auch in der Kunst des Faustreckens unterwiesen wurde. „Ich Papa“, sagt der Mann daneben, mit hörbarem Stolz. Zu seiner Ehrenrettung sei allerdings gesagt, dass er nicht der einzige hier ist, der es mit dem kompletten deutschen Satz eher weniger hat. Der Zug passiert ein Plakat der CDU zur Kommunalwahl – „Duisburg kann besser“, steht darauf.

All das kriegt natürlich nicht mit, wer an der Spitze dem Ganzen Seriosität geben muss. Dafür hat der 1. Mai ja doch zu viel Tradition, als dass der DGB ihn Sektierern oder Extremisten überlassen wollte. In Duisburg demonstriert – wie andernorts in Deutschland an diesem Tag – auch die NPD, die Polizei sperrt zeitweise den Hauptbahnhof ab. Bundesweit aber bleiben diesmal richtig schwere Krawalle aus, sogar in Hamburg und Berlin.

Der Gewerkschafter Reiner Hoffmann sagt in seiner Rede, später im Duisburger Landschaftspark, der Mindestlohn müsse für alle gelten, auch für Beschäftigte unter 18 Jahren und Menschen, die lange arbeitslos waren; ähnlich sagt es der noch amtierende DGB-Chef Michael Sommer zur gleichen Zeit in Bremen. Hoffmann greift aber auch auf, dass die große Koalition bald Tarifverträge für allgemein verbindlich erklären will, damit kein Arbeitgeber mehr aus dem Tarif fliehen kann, und er fordert die Abschaffung der kalten Progression im Steuerrecht.

Die Leute vom Spielmannszug und die von der internationalen Solidarität haben sich da längst verkrümelt. Die einen haben ihren Job erledigt, die anderen haben es wohl nicht so mit derart praktischen Fragen.

Ich habe mich im Griff.

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So sehr wie sonst kaum etwas auf der Welt.


Ich habe mich im Griff.


Auch wenn es manchmal nicht so aussieht. Ich kenne alle Tricks und Kniffe. Ich kenne den Klammergriff, ich weiß, wie man an etwas oder jemandem festhält, wider alle Vernunft, manchmal so lange und sehr, dass es schmerzt. Ich kenne Stützgriffe und Rettungsgriffe, ich weiß, wie man sich aus brenzligen Situationen zieht, wie man sich wieder in die Spur bringt, wie man sich Halt gibt, wenigstens ein bisschen, und ich kenne Würgegriffe, natürlich, ich weiß, wie es ist, wenn man sich selbst die Luft abschnürt durch irgendein blödes Verhalten, wie man sich selber manchmal hemmt, wie man sich selbst an allem hindert, am Atmen, am Handeln. Es gibt keinen Griff, den ich nicht schon einmal an mir und meinem Leben ausprobiert hätte oder ausprobieren musste. Ich kenne mich aus und


ich habe mich im Griff.


So sehr, dass ich jeden Tag aufstehe, auch wenn mir manchmal einfach nur nach liegen bleiben ist oder nach schlafen, danach, mich nicht im Griff zu haben. Weil es schwierig ist. Es ist schwierig, sich im Griff zu haben, andauernd, es ist schon schwierig genug, sich überhaupt erst einmal in den Griff zubekommen, und sich im Griff zu halten, das ist die Königsdisziplin des Ganzen. Weil man irgendwann müde wird und mürbe, weil es anstrengend wird, weil die Arme irgendwann nicht mehr mitmachen und verkrampfen und die Hände rot und rissig und wund werden, weil irgendwann alles nur noch nach Aufhören und Seinlassen ruft, man aber genau weiß, dass das die Momente sind, in denen man besonders stark festhalten muss. An sich. An allem.


Ich habe mich im Griff.


Weil man sich selbst halten muss, wenn es sonst niemand tut.

Regierung will Fall Snowden abhaken

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Die Bundesregierung lehnt es ab, Edward Snowden vor den NSA-Untersuchungsausschuss zu laden. Es widerspreche „wichtigen politischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland“, den Whistleblower in Berlin aussagen zu lassen, schreibt die Regierung nach Informationen von SZ, NDR und WDR in einer Stellungnahme . Zu befürchten stehe eine dauerhafte Belastung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Zudem könne die Kooperation der US-Geheimdienste mit deutschen Diensten „zumindest vorübergehend“ eingeschränkt werden, heißt es im finalen Entwurf des Schreibens. Vor diesem Hintergrund müsse das Aufklärungsinteresse hinter das Staatswohl zurücktreten.



Die Bundesregierung ist gegen eine Befragung Edward Snowdens vor dem NSA-Untersuchungsausschuss.

Die 27-seitige Stellungnahme der schwarz-roten Bundesregierung soll den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses an diesem Freitag zugestellt werden. Fast zeitgleich trifft Kanzlerin Angela Merkel in Washington US-Präsident Barack Obama. Den Vorwurf, Merkel habe pünktlich zu ihrem USA-Besuch das kontroverse Thema NSA-Skandal entschärft, indem sie Snowdens Befragung in Berlin verhindere, wies eine Sprecherin zurück.

In der Opposition stieß die Entscheidung auf scharfe Kritik. Der Umgang mit Snowden sei „schäbig“, sagte Linken-Chefin Katja Kipping. Merkel bringe Obama ein „zweifelhaftes Gastgeschenk“ mit und lasse mit Snowden „einen Mann im Regen stehen, der uns allen und ihr persönlich mehr als einen großen Dienst erwiesen hat“. Die Vorsitzende der Grünen, Simone Peter, sagte: „Merkel zeigt Feigheit vor dem Freund USA.“ Die Opposition möchte Snowden unbedingt in Berlin befragen. Die Regierung sieht dafür jedoch keine Veranlassung. Statt in Berlin könne der Whistleblower beispielsweise in Moskau befragt werden. Allerdings, so heißt es in der Stellungnahme weiter, sei es nach dem Gutachten einer amerikanischen Kanzlei möglich, „dass die Mitglieder des Untersuchungsausschusses in den USA strafrechtlich verfolgt werden“.

Die Grünen drohen nun damit, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Entscheidung der Koalition zu klagen. Sie verweisen auf ein aktuelles Gutachten des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert, der eine verfassungsrechtliche Verpflichtung sieht, Snowden nach Deutschland einzuladen. Die Bundesregierung wollte sich vor Freitag nicht weiter zum Thema Snowden äußern. Der Fall soll offenbar abgehakt werden.

Kürzlich bekannt gewordene Überlegungen, amerikanische und britische Geheimdienste auf deutschem Boden durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachten zu lassen, sind nach SZ-Informationen weitgehend vom Tisch. Die „befreundeten Dienste“ sollen offenbar weiterhin unbehelligt bleiben. Zwar prüft die Bundesanwaltschaft immer noch, ob sie wegen des mutmaßlichen massenhaften Ausspähens deutscher Internetnutzer und wegen des Abhörens von Merkels Handy gegen NSA-Verantwortliche ermitteln soll. In Regierungskreisen ist jedoch seit Wochen bekannt, dass die Bundesanwaltschaft schon an einer Verfügung zur Einstellung der Ermittlungen arbeitet.
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