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Unsere Stadt soll schöner werden

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Wenn du nur von hässlichen Dingen umgeben bist, wirst Du irgendwann selber hässlich.“ Das sagt die rauchig umdüsterte Stimme aus dem Off, im aktuellen Werbespot der Hornbach-Gruppe, die zu den größten Betreibern von Bau- und Gartenmärkten in Europa zählt. Zu sehen ist ein Mann von hinten. Kapuzenpulli. Spitzhacke über der Schulter. Morgengrauen.




Unseren Städten fehlt eine kulturell-gesellschaftliche Absprache, keine Verzierungen im eigenen Garten, meint Gerhard Matzig 

Wie er so dasteht und die Stadt überblickt, Brücken, Häuser, Straßen und Plätze, erinnert er an den Sensenmann. Nur dass Gevatter Tod nicht als Schnitter unterwegs ist im Sinne des Propheten Jeremia, also um uns zu nehmen „das Kind von der Straße weg, von den Plätzen die jungen Männer“. Er ist unterwegs im Sinne des Hornbach-Marketings, um uns zu bringen...eine Seilspann-Markise, den Kletterfelsen „Step2“, einen Carport-Bausatz und womöglich die zaunartige PVC-Sichtschutzmatte „in Efeuoptik“.

Diese je drei Quadratmeter großen Zaunersatz-Teile in Efeuoptik sind, das Stück zu je 39,95 Euro, aus Plastik. Sie „imitieren natürlichen Bewuchs“, wobei sie an jene Kunststoffblumengedecke von der Autobahnraststätte erinnern, deren Anblick man nur mit Hilfe eines guten Traumatherapeuten überwinden kann. Wer diesen Efeu genau betrachtet, muss über die selbstbewusste Ästhetik-Lehre der Hornbach-Kampagne staunen.

Die Kampagne heißt „Mach was gegen Hässlich“ und versucht derzeit per Spot, Plakat oder im Netz (via Instagram oder Facebook) die Schwarmintelligenz zu nächtlichen Verschönerungsaktionen mit Hilfe des Baumarkt-Grabbeltisches zu motivieren. Mit Blick auf den Grabbeltisch (ob nun bei Hornbach, Obi, Bauhaus oder wie sie alle heißen, das ist egal, denn in ästhetischer Hinsicht sind die Sortimente kaum zu unterscheiden) ist zu befürchten: Es könnte statt um Schwarmintelligenz auch um Schwarmdemenz gehen.

Der Kapuzenschnitter aus dem Spot sagt: „Ganz egal, ob Du nur deinen alten Gartenzaun streichst oder gleich Deine ganze Nachbarschaft verschönerst, pack an und mach was gegen Hässlich.“ In diesem Sinn soll man Häuser streichen und aus alten Autoreifen am Wegesrand Blumenbeete machen; man soll Plastikrutschen aufstellen und U-Bahn-Abgänge oder Unterführungen von ihrem Betonelend befreien. Mit Hilfe des Baumarkt-Farbfächers changiert dann auch die ödeste Treppe zwischen Minz-Grün und Tebartzvanelst-Purpur. Schön ist das. Revolutionär. Ein gemeinsamer Akt des Widerstands. Und dazu auch eine Art virale Architekturkritik mit hoher street credibility. Im Clip ist dann noch der typische Hornbach-Jingle zu hören: Yippiejaja-yippie-yippie-yeah. Übersetzt heißt das: „Es gibt immer was zu tun.“ Beziehungsweise: Mache dir die Welt untertan! Beziehungsweise: Widewide wie sie dir gefällt. Tatsächlich: Der villakunterbunthafte Spot bringt die Gegenwart des individualistischen Do-it-yourself-Aufbegehrens auf den Punkt. Er illustriert unsere Zeit. Das macht die Kampagne so denkwürdig.

Bliebe dieses Etwas, das es immer zu tun gibt, im privaten Raum, appellierte also die Baumarkt-Philosophie einfach an die Lust, einen Porzellanschwan mit Kaktus für die Fensterbank zu erwerben: na und. Nirgendwo ist die Baumarktdichte so hoch wie in Deutschland. Ob aber diese Art des Discounter-Interior-Designs nun geschmacksbildend genutzt wird oder nicht: Das ist eine individuelle Entscheidung – und über Geschmack kann man nicht streiten. Allerdings gilt das nur, so lange dieser Geschmack privater Natur bleibt. Nun aber wird man aufgerufen, „gleich die ganze Nachbarschaft zu verschönern“. Und da wird es interessant – es geht jetzt nämlich um den öffentlichen Raum. Der in der Kritik steht wie kaum jemals zuvor.

Im Spot wird eine Stadt gezeigt, die nicht beliebig ist: Es ist die Stadt. Ein Ort der Tristesse, eine karge, depressiv verstimmende Betonwüste, die nach Maßgabe der Baumarkt-Farbskala nur den Bereich zwischen Mausgrau, Steingrau und Schiefergrau kennt; in der es nur Schachtelhäuser gibt – und Wohnregale. Müsste man den Clip in Begriffe übersetzen, es käme exakt das heraus, was auch in der öffentlichen Debatte um Architektur und Städtebau immer wieder aufscheint, ob in Foren oder auf den Leserbriefseiten, anlässlich der zunehmenden Projekt-Beteiligungsverfahren oder – am anderen Ende des bürgerlich-demokratischen Engagements – am Stammtisch. Ernst Bloch nannte die Architektur der Moderne, um die es letztlich auch Hornbach geht, „reisefertig“. Alexander Mitscherlich nannte die Städte als Stätten dieser Reisefertigkeit „unwirtlich“. Tom Wolfe nannte es „grell und hell und hehr und leer“, während Martin Mosebach zuletzt von „Monstrosität und Lächerlichkeit“ schrieb. Kein Wunder, dass Harald Martenstein schon vor Jahren auf die glossenhafte Idee gekommen ist, das „Architekturverbrechen“ ins Bürgerliche Gesetzbuch einzuführen. Das Leiden am Raum ist schon längst Allgemeingut.

Nur lässt es sich nicht lindern mit der individuellen Neigung zur Schönheit. Im Gegenteil: Hätte die Hornbach-Kampagne, die interessanterweise auch die zeitgeistige Welle der „Kultur der Reparatur“ (Wolfgang Heckel) reitet, Erfolg, so führte das direkt in die Hölle. Die Welt wird durch den Baumarkt nicht schöner (weil individueller oder gar menschlicher) – sondern tatsächlich nur noch hässlicher. Unsere Städte sind nicht (nur) deshalb so grausam, weil sie von unfähigen Stadtplanern und ignoranten Architekten ruiniert werden – sondern, in weit größerem Maßstab, weil wir unseren Alltag nach Maßgabe der Billigkeit und Pflegeleichtigkeit und Wegwerfbarkeit der Baumärkte ruinieren. Das gilt, denn „man kommt der Architektur nicht aus“ (Adolf Loos), für den öffentlichen wie für den privaten Raum. Siehe Efeuoptik.

Was den Städten fehlt, das sind nicht die individuell blauen Dachziegel aus dem Baumarkt, mit denen man meint, etwas Besonderes zu sein – doch um den Preis, sich ohne Gemeinsinn gemein zu machen mit all den anderen Individualisten. Was fehlt, sind nicht die schäbigen Carport-Missverständnisse (die mit Walmdach-Aufpreis noch gruseliger sind als ohne). Was fehlt, ist die Erkenntnis, dass die Schönheit der Stadt eben nicht im Auge des Betrachters liegt, sondern einer kulturell-gesellschaftlichen Absprache entspricht. Schönheit ist daher dort, wo der Baumarkt nicht ist. Man muss sich die absurd klobigen, menschenfeindlichen, renditefreundlichen Behältnisse der armselig gekleideten, sich lediglich farblich schreiend prostituierenden Hochregallager inmitten unserer Städte nur ansehen, um zu begreifen, dass von dort keine Rettung zu erwarten ist.

Genau das ist das Paradoxon, das besagtem Spot zugrunde liegt: Wir akzeptieren diesen Wahnsinn und frequentieren die Baumärkte in Deutschland an den Wochenenden millionenfach – einfach, weil sie uns etwas Billiges bieten: Discountbaukultur jeder Unart. Billig sind die Märkte aber auch deshalb, weil sie auf Qualität verzichten. Man weiß es, das ist ja der Deal. Billig ist: eine tote Fassade. Billig ist: maßstabslos. Billig ist: gut erreichbar über breiige Straßen. Billig ist: umgeben von einer Parkplatzsteppe. Mach was gegen Hässlich. Verdammt gute Idee.

Tagesblog - 11. April

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18:15 Uhr:
Und jetzt: reicht's aber auch! Deshalb wünsche ich euch ein gigantisch tolles Wochenende. Das Interview mit dem Computer-Boss gibt's doch erst morgen.

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17:45 Uhr:
Doch anders: Jungsfrage gleich nämlich. Es geht um Vorbilder, die wir sehr viel früher mal hatten. Bei Jungs sind das seltsamerweise ziemlich oft geschminkte Muskelpakete in knappen Hosen, Bassisten mit Vokuhila oder ähnliches, was eigentlich ein bisschen peinlich ist. Und bei Mädchen? Da wird's schnell spannend ...





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17:15 Uhr:
Endspurt! Ich weiß ja schon, was in der Jungsfrage steht. Verrate es aber nicht. Nur so viel: Duff McKagan taucht auf und der Ultimate Warrior - Gott hab ihn selig ... Das gibt's ab halb sieben!

Und vorher gibt's noch ein Interview mit einem, der sich für ein Kunstprojekt von 'nem Computer befehlen hat lassen, was er machen muss. Weird Shit. Braucht aber auch noch 'nen Moment ...

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15:57 Uhr:
Ich weigere mich ja seit jeher standhaft, DJs als Künstler zu akzeptieren. Warum? Genau darum:

http://www.youtube.com/watch?v=H2aySTpJ1uY

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14:53 Uhr:
Zwei Highlights in schneller Abfolge:

1) Der Stremmel wurde als "Sexbraten" bezeichnet.

2) Ich habe mir am Automaten ein Tender gekauft und zwei sind herausgefallen!





14:25 Uhr:
So, jetzt aber mal was Sinnvolles. Der Kollege Helten hat einen Text entdeckt. In dem Text geht's drum, dass wir alle immer mehr über Apps und immer weniger über Browser ins Netzt gehen - und warum das problematisch werden könnte. Ein toller Textmarker, sag ich euch. Auch einfach so, aber auch, weil die Wendung "Nix da" drin vorkommt.





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14:10 Uhr:
Dieser Typ ist übrigens schuld an meinem Kater ...




Wer ihn als erstes erkennt, darf ihn behalten ...

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12:35 Uhr:
Ich bin ziemlich großer Mars-Volta-Fan. Womit man einen tendeziell seltsamen Ruf bekommt - und in letzter Zeit eher traurig war, weil sie sich ja aufgelöst haben. Und jetzt, zack, gibt's plötzlich eine neue Band: Antemasque heißt die und sowohl Gitarrist Omar Rodriguez-Lopez als auch Sänger Cedric Bixler-Zavala sind dabei. Und noch einer: Flea nämlich, der Bassist von den Chili Peppers. Wenn das mal nix ist!

http://www.youtube.com/watch?v=4cCFuFpJ5Mc&list=RD4cCFuFpJ5Mc#t=54

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11:20 Uhr:
Wer wie ich Höhenangst hat, klickt bitte NICHT auf diesen Link! Die anderen lesen ein Interview mit einem Typen, der ungesichert auf Dächer klettert:

"Viele sagen, ich sei ein Psycho". Ja, ich zum Beispiel ...




Alle Kinder bleiben vor dem Abgrund stehen. Nur nicht Peter, der geht noch 'nen Meter.

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11:10 Uhr:
Ich habe eine Erklärung für die Log-In-Probleme bekommen:

"Gestern gab es einen Stromausfall im Rechenzentrum, davon war auch unser Datenbank-Server betroffen. Durch den ungeplanten Neustart war unser Login-System beschädigt."

Schon klar, das ist jetzt für sich noch keine Lösung. Aber es heißt ersten, dass WIR für die Probleme selbst dann nichts könnten, wenn wir sonst etwas dafür könnten. Und weil die Information von unseren Techniker kommt, heißt es zweitens, dass sie dran sind.

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10:55 Uhr:

Als Friedensangebot für alle, die die Topsexliste verpasst haben: Wie man das beste aus einem Praktikum bei TV-Movie macht ...





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10:40 Uhr:

Weil wir ja weder Techniker sind, noch programmieren können, sitzen wir selbst leider den halben Tag da und brüllen unsere Computer an, weil was nicht geht auf dem jetzt.de. Und dann schreiben wir's ins Bug-Formular. Manchmal passiert dann irgendwann was. Oft geht zum Beispiel noch mehr kaputt.

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09:40 Uhr:

Hab doch ein lustiges Foto gefunden. Sehr lustig. Ist älter. Ist mir aber egal. Denn es ist sehr lustig!





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09:10 Uhr:

Guten Morgen liebes jetzt.de. Ich habe heute kein Foto vom Radelweg durchs sonnige München für dich. Und auch noch kein lustiges Video/Foto/Blog. Dafür aber einen Kater. Einen schweren. Bisschen zu spät war ich auch.

Tipps wären also sehr lieb. In der sueddeutsche.de-Konferenz gab's keine, dafür aber Diskussionen über Merkel in Griechenland, Schavan bei der Ehrendoktor-Verleihung und eine Hitlertasse im Haus der Geschichte in Bonn. Starten wir also in den Tag.

PS: Bitte keine Globuli empfehlen. Glaube ich nicht dran! Und ihr? Fragt der heutige Ticker.

PPS: Nein, ich bin nicht wie angekündigt Mercedes. Wir haben getauscht. Sorry ...

Kleiner Brauner

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Christian Zurbrüggen hat sich jetzt einmal hingesetzt und den Chinesen einen Brief geschrieben, um ihnen zu erklären, wer dieser Adolf Hitler war.

Nicht an alle Chinesen hat er eine Mail geschrieben. Aber an die Firma, bei der er vor einigen Monaten 5000 Tassen bestellte für seine Möbelhäuser. Fünf Möbelhäuser hat Zurbrüggen in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen, mit 15000 Mitarbeitern. Die Geschäfte laufen gut, seine Einkäufer sind in aller Welt unterwegs, um etwas Nettes zu finden für die Kundschaft. Auf einer Messe sahen sie Tassen aus China, die man nicht unbedingt in Berlin-Mitte verkaufen könnte, deren Schwiegermutter-Charme in Ostwestfalen aber durchaus noch seine Anhänger findet.



Nostalgie-Look mit Hitlerporträt - mittlerweile wurden die Tassen zerstört.

Der chinesische Hersteller hatte ein paar Musterexemplare dabei, mit Rosen darauf und ein paar Zeilen in Zierschrift, Briefmarken waren auch zu sehen, von Goethe und Schiller, so erinnert sich Zurbrüggen. Die Tassen wurden geliefert und verkauften sich ganz gut, 175 für knapp zwei Euro verkauften sich in einem Monat. Und so lange dauerte es auch, bis einer Kundin auffiel, dass ihr beim Morgenkaffee nicht Goethe oder Schiller entgegenschauen. Sondern Adolf Hitler. Auf einer 30-Pfennig-Briefmarke, mit Poststempel und Hakenkreuz. So etwas zu verkaufen ist in Deutschland strafbar.

„Das ist ganz fürchterlich, eine unglückliche Verkettung von Zufällen“, sagt Christian Zurbrüggen. Er ist seit Tagen damit beschäftigt, allen möglichen Medien den Vorfall zu erklären. Hitler auf der Kaffeetasse ist ein mediales Großereignis in einem Land, in dem auch die Uhr oder der Hund des Führers ganze Fernsehabende füllen.

In China sieht das Fernsehprogramm offenbar etwas anders aus, zumindest hat sich ein Tassen-Designer dort gedacht, den deutschen Kunden würde Hitler so gut gefallen wie Goethe. Vielleicht hat er sich auch gar nichts gedacht, oder war der Ansicht, dass das mit der Hitlerei ja nun auch schon eine ganze Weile her sei, man also zu einer gewissen Normalität zurückfinden könne. In Deutschland fiel beim Auspacken niemand der kleine Hitler auf den Tassen auf. Nach Angaben von Zurbrüggen sei der Diktator auch nicht auf allen Tassen zu sehen, auf manchen Exemplaren sei die Rose über die Briefmarke gerutscht. „Ich kann niemandem einen Vorwurf machen“, sagt der Möbelhauschef. Außer den Chinesen natürlich. Auf seine Email hat er noch keine Antwort erhalten, in ein paar Tagen möchte er mit einer Dolmetscherin noch einmal beim Hersteller anrufen. Und sein Geld zurückfordern. Besitzer einer Hitlertasse können diese zurückgeben und erhalten einen 20-Euro-Gutschein. Bisher haben sich aber nur ein paar wenige Kunden gemeldet.

Das Möbelhaus Zurbrüggen hat mittlerweile eine überregionale Bekanntheit erlangt, was dem Eigentümer sehr unangenehm ist. „Das hätte ich lieber anders erreicht“, sagt Zurbrüggen. Die Tassen hat er mittlerweile nicht mehr im Schrank, sie wurden vernichtet.

Sie reden nicht miteinander

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Es begann schon im Flugzeug. Auf meine Frage nach der aktuellen Situation in Kairo erwiderte mein Sitznachbar, die Lage sei unerfreulich und schwierig. Seiner Ansicht nach lag das daran, dass sich die Ägypter von Gott abgewandt hätten: „Wo bleibt unser göttliches Vermächtnis, wenn sich niemand mehr an das Wort Gottes hält?“ Der Mann war Ende 40, lebt seit 25 Jahren in der österreichischen Stadt Graz und hat vier Kinder.




Protestanten der Muslim-Brüderschaft stoßen in Kairo auf die Polizei. Droht das Land ein neues Bagdad zu werden?

Ganz anderer Ansicht war ein weiterer Mitreisender, Adel, der sich im gleichen Alter befand wie der erste, der sich jedoch ebenso wie ich zum Essen Wein bestellt hatte. Er besaß einen landwirtschaftlichen Betrieb bei Alexandria und beliefert deutsche Supermarktketten mit Bio-Obst. Aus seiner Sicht begann die Lage sich gerade zu bessern: „Die Muslimbrüder haben das Land ins Chaos gestürzt.“ Was Ägypten brauche, seien „Zucht und Ordnung“. Ein dritter Ägypter fand hingegen alles nur lustig. Hamdi, im Vergleich zu den beiden anderen jung, lebte in Stockholm und war auf dem Weg zur Hochzeit seines Bruders in Ägypten, wollte aber von dort auch eine „junge“ Frau mitbringen, die seine Mutter für ihn ausgesucht hatte.

Diese drei Ägypter mit ihren so ganz unterschiedlichen Sichtweisen vermieden es tunlichst, miteinander zu reden, obwohl sie es mit mir durchaus taten. Ein ungewöhnliches Verhalten, das ich bisher nur bei Irakern zu Zeiten der Saddam-Baath-Diktatur erlebt hatte, als Exilanten einiges daran setzten, sich bloß nicht anzusprechen. Den Ägyptern sind diese Vorsicht und Wachsamkeit – Wer weiß schon, welchem Lager der andere angehört?-, bislang fremd gewesen.

Mein letzter Besuch lag sechs Jahre zurück, und es schien sich in Kairo wie überhaupt bei den Menschen in Ägypten seitdem viel verändert zu haben. Sicherlich ist es natürlich, dass die Meinungen zur aktuellen Situation geteilt sind. Nicht natürlich ist jedoch die Tatsache, dass es zu keinem Austausch dieser Meinungen kommt, als lebe jede Gruppe, Organisation oder Strömung isoliert für sich und habe mit niemand anderem etwas zu tun.

In einer solchen Konstellation wird die Vielfalt, die eigentlich ein Segen ist, da sie Anlass zu kreativer Interaktion bietet, eher zum Grund für weitere Spaltung, wenn sie nicht gar zu Kämpfen und Zusammenstößen führt. Wer sich durch Downtown-Kairo bewegt, erlebt surreale Szenen: Vor der Kulisse sich völlig unkontrolliert und illegal ausbreitender Händlerscharen kommt es zu teilweise heftigen Handgemengen.

„Die Menschen platzen förmlich vor Wut, die müssen sie einfach irgendwo ablassen,“ erläutert mir der Fahrer des Goethe-Instituts Kairo, der selber kaum unter dem staatlichen Machtvakuum und dem Chaos gelitten hat, die infolge der langen Reihe von Aufständen und der Umstürze seit dem 25. Januar 2011 herrschen. Die Ägypter, bislang bekannt für ihre Geduld und Friedfertigkeit, streifen dieses in der arabischen Welt über sie verbreitete Klischee ab und übernehmen nun den Part der „zu Gewalt neigenden“ Iraker. Was ist auf einmal mit den Leuten los?

Als die Umwälzungen in Ägypten begannen, die ja zunächst von der jungen Generation aus den urbanen Mittelschichten vorangetrieben wurden, bezeichneten Beobachter das, was dem autokratischen Regime und seinen Stützen widerfuhr, als blitzartigen Schock. Niemand schenkte der viel weiter reichenden Erschütterung Beachtung, welche die Bevölkerung zuerst erfasst hatte. Sie ist nicht nur der eigentliche Grund für die politische Verwirrung und die unklaren Vorstellungen davon, was mit dem Staatsapparat geschehen war. Sie begründet auch die Verunsicherung darüber, wie nun mit den revolutionären Ereignissen und deren Folgen umgegangen werden soll. Eine Verunsicherung, die sich sogar unter den jungen Leuten beobachten lässt, welche die Revolution auf dem Tahrir-Platz anführten.

Auf Seiten des Staates herrschte insbesondere zu Zeiten der Regierung Ahmad Shafiqs die Ansicht vor, dass weniger der politische Prozess zu verfolgen, sondern zunächst eine sozio-ökonomische Beruhigung herbeizuführen sei. Alsdann hatte man sich vorgenommen, die Gegensätze zwischen den jugendlichen Vorreitern der Revolution und den älteren Generationen sowie zwischen den benachteiligten ärmeren Bevölkerungsschichten und der urbanen Mittelschicht in Kairo, Alexandria und anderen Städten zu befrieden.

Die Vorreiter der Revolution dagegen sahen in der Tatsache, dass sich ihnen nun die Muslimbrüder auf dem Tahrir-Platz anschlossen, einen schlagenden Beweis für die Überzeugungskraft der von ihnen aufgeworfenen Ideen. Sie glaubten tatsächlich daran, nun stünde man endlich geeint hinter der Forderung nach Freiheit, und jeder befürwortete nun den modernen Zivilstaat, in dem Bürgerrechte geachtet werden und – zumindest in Ansätzen – Gerechtigkeit in der Ressourcenverteilung erreicht sei.

Die Armee wiederum, die ja die eigentliche Zielscheibe des ersten Aufstandes gewesen war – die Absetzung Mubaraks bedeutete unter anderem auch eine Minderung ihrer Macht –, wusste sehr wohl, dass alles nur eine Frage der Zeit war und die verunsicherten Menschen angesichts des allgemeinen Chaos schließlich doch wieder Zuflucht bei ihr suchen würden.

So ist es nun mal in Übergangsphasen, die zwangsläufig selbstgerechte und überhöhte Vorstellungen mit sich bringen. Die jeweils anderen gelten als irregeleitet, überflüssig, als Fremdkörper. Solche Vorstellungen schüren alte Gegensätze in Ägypten, viel mehr, als es die 30-jährige Herrschaft Mubaraks vermochte.

Es stimmt, dass sich in Ägypten nicht dieselbe ethnische und religiöse Vielfalt findet wie im Irak. Und dennoch erinnert die postrevolutionäre Lage seit 2011 hier in vielem daran, wie es den Irakern 2003 erging, als sie feststellten, dass sie unterschiedlichen Volksgruppen, Konfessionen und Religionen angehörten.

Seit den Umwälzungen findet man in Ägypten nun wundersame Gesetze zur Übertragung hoheitlicher Gewalten, welche die gesellschaftliche und ethnische Spaltung – auch die zwischen den Geschlechtern – weiter vorantreiben.

So klagen gebildete ältere Ägypterinnen über das „Revoluzzerhafte“ der jungen Generation, die sich nichts mehr von ihnen sagen lässt – anders als „wir, die wir bei all unserer Aufmüpfigkeit doch niemals den Respekt vor Vater und Mutter verloren haben.“ Teile der städtischen Eliten in Kairo, Alexandria, al-Mansurah und Suez sprechen nun davon, dass „wir die Revolution gemacht haben, und nicht etwa die Muslimbrüder, dieser Pöbel, von dem man ja gar nicht weiß, wo er herkommt.“ Wenn es darum geht, einen Sündenbock für das Chaos im Land und die Herrschaft der Muslimbrüder zu finden, hört man nun auch: „Deutschland hat die Muslimbrüder immer unterstützt“ oder „Warum hasst Angela Merkel uns?“

Die Machthaber, die Opposition – sei sie nun islamistisch, liberal, kommunistisch oder nasseristisch – und die Intellektuellen behaupten alle, im Namen des ägyptischen „Volkes“ zu sprechen. Es ist ein rein illusionäres, schwammiges Begriffskonstrukt, das oft nur zu demagogischen Zwecken eingesetzt wird und den Willen zu absoluter Macht durchscheinen lässt.

Was die Ägypter jetzt brauchen, ist das Eingeständnis ihrer Diversität, auch die Anerkennung der Tatsache, dass es Meinungsvielfalt gibt. Dazu gehört auch zu begreifen, dass mindestens fünf Gruppierungen im Land existieren: die Machthaber, die Muslimbrüder, die jungen Revolutionäre, die Zuschauer und fünftens, ja, die Mütter und Väter, die weiterhin stolz darauf sind, dass ihre Söhne in der Armee und in der Polizei dienen, um „die Ordnung in Ägypten zu verteidigen“, wie es Plakate allerorten verkünden.

Wenn man nicht endlich aufhört, davon zu reden, dass jeder, der sich widersetzt, ein Eindringling ist (obwohl gerade die, die so reden, ihre Unterstützung je nach Parteizugehörigkeit aus dem Ausland beziehen, etwa aus Saudi-Arabien und Qatar), bleibt der Boden weiterhin fruchtbar für die völlige Negation des jeweils Anderen.

Die Sprengsätze und Autobomben, die mittlerweile in Kairo und anderen Städten explodieren, sind erste Symptome für Bagdader Zustände. Die Islamisten sprechen vom Faschismus des Regimes, die Säkularen vom Nazismus der Muslimbrüder und die Armee davon, dass nur sie allein der Garant von Sicherheit und Ordnung ist. Zwischen diesen Polen führt der Weg für Kairo direkt nach Bagdad.

Der allmächtige Herr Rauschebart möchte mit dir befreundet sein

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What if god was one of us? Just a slob like one of us? Joan Osborne


Am ersten Tag blickt Gott auf seine Schöpfung. Er sieht junge Menschen in viel zu engen Jeans, abgewetzten Turnschuhen, Hölzfällerhemden, riesigen Kunststoffbrillen und noch riesigeren Kopfhörern. Sie starren auf ein rechteckiges Gerät in ihren Händen. „Will auch haben“, denkt Gott. Er geht in den nächsten Apple-Store und kauft sich ein iphone.


Dann meldet er sich auf Facebook an. Der Name Gott ist schon belegt. Also nennt er sich „Der allmächtige Herr Rauschebart“. Als Profilfoto wählt er ein Selfie von sich auf dem Berg Sinai. Er sieht, dass es gut ist. Ellen Degeneres gefällt das. Es wird das meist geteilte Foto in der Geschichte des Internet.


Am zweiten Tag errichtet Gott einen Twitter-Account. Der Benutzername Gott ist schon belegt, also nennt er sich „Gott 23“. Sein erster Tweet „Himmlische Zeit am Tag des Herrn #Gott. Wie war euer WE, meine Lämmchen?“ Sebastian Vettel antwortet: Fuhr die ganze Zeit im Kreis. Gott antwortet: LOL.


Auf Facebook ist er nun mit Xavier Naidoo, Moses Pelham und Vater Abraham befreundet. Nietzsche verweigert ihm die Freundschaft. „Für mich bist du tot“, schreibt er Gott in einer PM.


Am dritten Tag hat Gott bereits eine halbe Milliarde Follower und Freunde auf Facebook. Sekündlich werden es mehr. Ständig aktualisiert er seinen Browser, weil er süchtig nach Retweets und Likes wird. Jesus schüttelt den Kopf: „Als brennender Dornbusch warst du mir lieber.“


„Schweig, wenn dein Vater chattet oder mein Shitstorm wird über dich kommen “, sagt Gott und postet auf Facebook ein Video, in dem er eine Flasche Vodka auf ex trinkt. Er nominiert Mohammed, Buddha und Charlie Sheen, es ihm gleich zu tun. Charlie Sheen gefällt das.


Der Papst kommentiert das kritisch: „In Afrika sterben Kinder und du postest so einen Scheiß.“ Gott kommentiert das mit: YOLO. Er löscht den Papst von seiner Freundesliste.


Am vierten Tag entdeckt Gott „Whatsapp“ für sich. Er eröffnet einen Gruppenchat und ändert das Thema in „Das letzte Abendmahl – Die Rückkehr des Königs“. Er lädt Jesus, den heiligen Geist und die zwölf Apostel zum Essen ein.
„Ihr besorgt das Fleisch, Jesus kümmert sich um den Wein“, schreibt er.“ Judas verlässt die Gruppe, woraufhin Gott ihn von seiner Freundesliste löscht.


Auf Facebook postet Gott das Slam-Video von Julia Engelmann mit den Worten: „Das Anagramm von Glück ist zwar nicht Mut, sondern Ckülg, trotzdem cooler Text.“ Julia Engelmann und Jan Böhmermann gefällt das.


Am fünften Tag checkt Gott über Foursqaure bei Abercrombie & Fitch ein. Er tauscht seinen weißen Schlafanzug und die Sandaletten gegen viel zu enge Jeans, abgewetzte Turnschuhe, Holzfällerhemd, eine riesige Kunststoffbrille und noch riesigere Kopfhörer. Seinen Bart lässt er stehen. Manche verwechseln ihn nun mit dem Typen aus der Edeka-Werbung. Das findet Gott supergeil. Er hört Marteria und singt nickend mit dem Beat: Oh mein Gott, dieser Himmel, wie komm ich da bloß rein?


Aus Langeweile postet er auf Facebook ein Babyfoto von Jesus. Überschrift: „Der süßeste Junge der Welt. Konnte schon mit neun Monaten übers Wasser laufen.“ Maria und Josef gefällt das. Vater Abraham kommentiert das mit: Würg, keine Sau interessiert sich für deine Babyfotos. Gott löscht Abraham von seiner Freundesliste und fordert Günther Jauch zum Quizduell auf. Es endet unentschieden.


Am sechsten Tag fühlt sich Gott einsam und meldet sich bei muenchnersingles an. Der Name Gott ist schon belegt, also nennt er sich „Der_Schöpfer“. Sein Introtext: Allmächtiger Herr sucht kultivierte Jungfrau für unbefleckte Empfängnis. Er bekommt gleich zwei Nachrichten. Die erste von Engelchen_34: Du willst doch nur poppen, du Lustgreis. Die zweite von Ich_machs_mit_jedem: Wie viel zahlst du?


Es meldet sich aber auch eine Nette: Venus vom Mars. Sie chatten den halben Tag und reden über – Gott und die Welt.


Auf Facebook ändert Gott seinen Beziehungsstatus in „in einer Beziehung mit Venus vom Mars“. Seiner Mutter gefällt das.


Eine halbe Stunde später treffen sich Venus und Gott auf Wolke sieben. Es endet im Desaster. „Du Arsch, du starrst nur auf dein iphone und hast keine Augen für mich. Und was sollen diese Riesen-Kopfhörer? Du siehst aus wie ein Idiot. Es ist aus.“ Sie knallt die Himmelstür zu und stöckelt in ihren High Heels davon. Beinahe rutscht sie auf einer Schlange aus.


Gott schreibt ihr per Whatsapp: Sry und XOXO. Vergeblich. Venus ist online, aber antwortet nicht. Gott twittert: „#VenusvomMars, du fiese Bitch. Gottes Vergebung wird nicht jedem widerfahren“ Daraufhin bricht ein Shitstorm über ihn aus. Er verliert alle seine Follower an Justin Bieber.


Auf Venus´ Pinnwand postet er „Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle?“ Dem Teufel und Wolfgang Petry gefällt das. Venus nicht. Sie ändert ihren Beziehungsstatus in „in einer Beziehung mit Lothar Matthäus“ und löscht „den allmächtigen Herr Rauschebart“ von ihrer Freundesliste.


Gott realisiert, dass die virtuelle Welt nicht real ist. Er löscht seinen Twitteraccount, löscht Whatsapp und wechselt zu Threema, schreibt als letzten Pinnwandeintrag „Fuck Facebook and live life“. Niemand gefällt das.


Am siebten Tag ruht der Herr, sprich er ist offline, weil eine Gewitterwolke sein WLAN blockiert. So verpasst er das Video von Charlie Sheen, in dem der 2 Flaschen Vodka auf ex trinkt. Amen.


matysplanet.com

"Viele sagen, ich sei ein Psycho"

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jetzt.de: Du kletterst auf Kräne, stehst in schwindelerregenden Höhen ohne Sicherung an Dächerkanten. Wie ist es, da oben in den Abgrund zu blicken?
Marcel: Das klingt jetzt scheiße irgendwie, aber es ist ein Gefühl von Freiheit. Es ist das perfekte Chaos unter mir. Wenn du die Stadt von oben siehst, siehst du die Leute entlang laufen, wie sie dem System folgen. Von oben sehe ich, wie die ganze Stadt funktioniert. Es ist schön zu sehen, dass die Anordnung der Häuser nicht so perfekt ist, wie zum Beispiel in New York. Berlin ist durcheinander und wild. Und die Sonnenaufgänge sind natürlich der Hammer von da oben.

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Du bezeichnest dich als Roofer, auf Deutsch heißt das Dachdecker. Was ist Roofing für dich?

Für mich ist es Extremsport. Es geht darum, ungesichert auf Gebäude zu klettern, aber auch darum, Fotos zu machen. Am besten steht man möglichst weit an der Kante und fotografiert nach unten, die Beine mit auf dem Bild. Die Betrachter des Fotos sollen ein Schwindelgefühl bekommen. Natürlich geht es auch darum, möglichst hoch zu kommen. Das ist das Geile daran: Nach oben ist immer Platz, man kann mir nicht vorschreiben, wohin ich gehe.

Aber Roofing ist verboten, es gilt als Hausfriedensbruch.

Ja, das ist die Ironie dabei. Es ist ein Ausbrechen aus dem Alltag mit seinen Regeln. Aber klar, wenn ich auf ein öffentliches oder privates Gebäude gehe und erwischt werde, dann kann ich sogar ins Gefängnis kommen. Wäre ich vorbestraft, gäbe es dafür zwei Jahre Haft.

Wie bist du zum Roofing gekommen?
Durch das Internet natürlich. Auf Youtube habe ich Videos von Marat Dupris gesehen, er ist Russe und der bekannteste Roofer überhaupt. Dann habe ich gedacht: „Mensch, das ist ja echt Hammer, was der macht.“ Der Typ, der lebt sein Leben. Ich mag die Idee, dass er die Welt aus einem anderen Blickwinkel sieht. Alle Welt sieht von unten nach oben, aber er, er sieht von oben nach unten. Plötzlich habe ich angefangen, beim Zug fahren auf die Hausdächer zu schauen und beim Laufen durch die Stadt nach oben zu gucken. Und wenn ich denke, da muss ich hoch, dann geht’s ans Observieren.

Wie läuft das ab?

Ich plane meine Tour Wochen im Voraus. Die Vorbereitung ist das A und O. Ich sehe ein Gebäude, das mir gefällt, zum Beispiel den Kalhoff Tower mit seiner Aussichtsplattform.  Dann stelle ich mir vor, welchen Blick ich von da oben habe und ob etwas im Weg ist. Also den Fernsehturm aus einer anderen Perspektive oder die seitliche Sicht auf den Tiergarten und die golden angestrahlte Siegessäule. Ich schaue aber nicht nur auf Wahrzeichen, sondern auch auf die Symmetrien. Die geben den künstlerischen Effekt auf dem Bild. Und dann checke ich die Faktoren: Ist das Wetter gut, ist das Objekt abgeschlossen, gibt es Security? Ich mache Sicherheitskameras ausfindig. Und ich muss ja auch bedenken: Wie komme ich wieder herunter? Wenn eine Dachluke zufällt, was mache ich dann?

Hast du Lieblingsorte zum Roofen? In Köpenick gibt es ein verlassenes Fabrikgebäude, früher war da eine Filmfabrik drin. Das ist mein erstes Mal gewesen, am 8. September 2011 bin ich da hoch. Der Sicherheitszaun hatte ein Loch und durch die Steintreppe und ein paar Leitern konnte ich nach oben steigen. Seitdem war ich über 50 Mal dort. Es ist nicht hoch, 50 Meter vielleicht, aber es ist traumhaft schön. Von da sehe ich die ganze Stadt, Adlershof, den Fernsehturm, Hellersdorf. Es ist auch super zum Picknickenmit Freunden.

Roofst du denn oft mit Freunden?

Nein. Auf verlassene Gebäude kann ich meine Freunde zwar mitnehmen, aber weil es sonst illegal ist, ist es schwer, eine Community zu bilden. Ich habe eine Facebookgruppe gegründet, in der andere ihre Fotos veröffentlichen können. Doch im Moment fühle ich mich noch sehr alleine mit dem Hobby. Ich hätte gerne jemanden, mit dem ich das teilen kann. In Deutschland kenne ich nur einen einzigen Roofer– der wohnt in Düsseldorf. Und wenn du auf Leute zugehst und sagst: „Hey, ich klettere gerne auf Dächer, magst du nicht mal mit?“, dann reagieren viele ablehnend und sagen, ich sei ein Psycho. Der Freund meiner Mutter sagt zum Beispiel, dass ich vollkommen irre bin.  

Beeindruckt dein Hobby nicht auch viele?
Das könnte man denken. Auf einer Party habe ich mal ein Mädchen kennengelernt, das mir gefiel. Am nächsten Morgen das typische Klischee: Sie bei mir, wir sitzen beide am Frühstückstisch. Ich habe ein Panoramabild vom Sonnenuntergang in Mariendorf, das an der Wand hängt, drei Meter lang. Sie hat gefragt, ob ich das gemacht habe, dann habe ich erzählt, dass ich dafür auf das Hausdach geklettert bin. Sie war total schockiert davon. Sie hat mich dann in Facebook gelöscht und ich habe nie wieder etwas von ihr gehört. 

klau|s|ens kann die REWE-öffnung bis 24 uhr kaum glauben

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klau|s|ens, weißt du noch? damals? als wir von den öffnungszeiten in anderen ländern hörten?


damals dachten wir: was muss new york nur für eine stadt sein. da kann man bis 24 uhr einkaufen. oder hongkong. oder wo sonst. überall waren die geschäfte so lange auf.


und wir deutschen dachten: oh, da haben wir was verpasst.


über die jahre haben sich die dinge schleichend geändert.


nun sind die geschäfte auch bei uns lange auf, immer länger.


erst war es immer halb sieben, abends. samstags sogar nur bis 14 uhr. damals.


nun kam es aber bis 8 uhr abends, bis 9 uhr abends, aber nun sogar bis 24 uhr abends.


REWE macht bis 24 uhr abends auf, und zwar zum beispiel in koenigswinter-oberdollendorf. ab bzw. seit 1.4.2014.


man kann sich das gar nicht vorstellen, man kann sich auch nicht vorstellen, dass es auf dauer bleibt.


LIDL hat nur bis 21 uhr.


REWE hatte bis dahin bis 22 uhr und legt nun noch 2 stunden drauf.


das ganze passiert nicht in new york, auch nicht in taiwan.


nein, diese 24-uhr-öffnungszeiten sind “bei bonn”, in königswinter-oberdollendorf.


wir können und wollen es nicht glauben.


aber es ist so.


wir brauchen niemals mehr nach new york zu fahren oder fliegen!


niemals mehr, denn durch die langen öffnungszeiten ist new york nun auch in deutschland, selbst in halb-städtischen regionen. selbst da.


alles ist new york: das shoppen hat uns die welt erschlossen.


wir preisen die öffnungszeiten und bücken uns demütig vor den regalen.


wir werden in tiefster dunkelheit kaufen, allein schon aus dank und zum dank.


nie war das leben intensiver!


shoppen bis 24 uhr, irgendwo in deutschland.


die freizeit ist nun ausgefüllt, der zufriedensheitfaktor wächst … parallel zum ausbluten des kontostandes.


REWE ist unser hero. und dann mick jagger. beide haben mit echtem und direktem und unverblümten kommerz zu tun.


diese echtheit kommt bei uns gut an.






HOMEPAGE VON KLAU|S|ENS:
http://www.klausens.com

04/14

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Es war am Nachmittag.
Und dazu noch ein sehr schöner. Keine Wolke trübte den Himmel, als ich Dich in sommerlich leichter Kleidung stehen sah.
Vor unserem Treffen war ich skeptisch, ob es überhaupt einen Sinn macht Dir zu begegnen. Was sollte ich mit einer Frau die deutlich älter ist anfangen ? Außerdem waren Deine Lebensumstände auch nicht gerade einfach. Aber wir hatten uns vor diesem sonnigen Nachmittag schon offen ausgetauscht und es gab keine Erwartungen.
Wir schlenderten zum nächsten Café, ließen uns nieder und unterhielten uns über vieles, auch persönliche Dinge wurden nicht ausgespart. Du warst entspannt, locker und flockig. Du wirktest  jünger. Ich wusste immer noch nicht was ich von Dir wollte. Aber es war einfach nett mit Dir. Viel schöner, als ich es mir davor vorgestellt hatte. Unser Zeitrahmen war standardgemäß, nach ca. 2 1/2 Stunden ging jeder wieder seinen eigenen Weg.
Einen Tag später wollte ich dann per Nachricht aus Dir herauskitzeln wie es weitegeht und teilte Dir mit, dass ich Dich schon wieder treffen mag.  Es dauerte allerdings einige Tage bis ich überhaupt wieder etwas von Dir hörte. Du hättest noch keine Zeit gehabt meine Nachricht zu beantworten.
Ich hatte keine Erwartungen an Dich und die habe ich jetzt auch nicht. Und trotzdem bin ich auch von Dir etwas enttäuscht. Klartext scheint schwer zu sein.

KOMMANDANTENSAGA – RUSSUKRAINE-GEDICHT –

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KOMMANDANTENSAGA

RUSSUKRAINE-GEDICHT –

Wir lagen der Krim end-Lich(t aus) zu Füßen
Ihre Autonomie sei auch mal durchzulutschen

Da aber wandelten Bohrfinger durch die Nächte

Zogen feuernd an unseren Haaren und Existenzen

Wie vertrauten jedwedem im höchsten Untergang
Und der Unbelehrbarkeit des Menschseibehältnisses

Kein Kopf da – nun wollen wir mehr Meer mehren

Suchen alles im Panzer-All des Nichtlassenkönnens


Kam waffnende Sehnsucht aus den Wäldern der Taiga

Da jeder sich um jedes nur reiße stoße drücke

Gewichten wir neu die Idee des Souveräns

Bekümmern uns um angezettelte Aufstände


Wovon wir nichts Wahres mehr kaum-wissen

Andere es stets besser als das einstmalige Humanum






Löst sich das Internet auf?

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Angestrichen:
Das wahrscheinliche Endergebnis ist, dass das Netz ein Nischenprodukt wird.

Wo steht das denn?

In einem Blogeintrag von Chris Dixon. Er investiert Geld in Start-Ups aus der Technologie und Internetbranche und macht sich deshalb gerne Gedanken um die Zukunft des Internet. Momentan macht er sich Sorgen über eine Veränderung, die seiner Meinung nach längst begonnen hat und nicht mehr aufzuhalten ist.  

Worum geht es da?
Um unser Nutzungsverhalten, das sich langsam aber sicher verändert. Weil immer mehr Menschen ein Smartphone in der Tasche haben, verschiebt sich die Internetnutzung auf PC  oder Laptop deutlich in Richtung Unterwegsnutzung. Das mobile Netz auf dem Smartphone oder Tablet ist die Zukunft.  

So weit, so bekannt. Weniger bekannt ist ein Nebeneffekt dieser Verschiebung, der sehr große Auswirkungen haben könnte. Auf dem Smartphone ist nicht der Browser – Safari, Firefox, Chrome und so weiter – das größte und wichtigste Tor ins Internet. Dort sind es die Apps. 85 Prozent der Smarthone-Nutzer sagen, dass sie lieber Apps nutzen als mobile Webseiten. Klingt vertraut: Wenn wir auf dem Smartphone unseren Kontostand checken wollen, öffnen wir die App unserer Bank, anstatt den Browser, wo wir erst noch umständlich die URL eintippen müssen. Wenn wir wissen wollen, ob es ein Gewitter geben wird, öffnen wir die Wetter-App und nicht die Wetter-Webseite im Browser. Und das Es ist in so gut wie allen Bereichen so: Auf den Smartphone-Bildschirmen sind die direkten Zugangstüren schon bereit, wir müssen nicht erst durch die Tür mit den schweren Türflügeln gehen und durch die große Eingangshalle tapsen, bis wir dahin gelangen, wo wir wirklich hinwollen.  



Browser auf dem Smartphone-Schirm. Bald schon ein Bild der Vergangenheit?

Und was steckt da noch dahinter?

Eventuell ziemlich viel. Denn unser Nutzungsverhalten beeinflusst, wie sich der Markt internetbasierter Anwendungen verändert. Wenn also mobile Webseiten weniger wichtig werden, weil immer weniger Leute ihren Browser nutzen, werden Unternehmen und alle anderen Netz-Akteure kein Geld mehr in browserbasierte Angebote stecken. Was sie wiederum weniger interessant für die Nutzer macht und ihre Abwanderung ins App-Land voran treibt. Und so weiter. Deswegen kommt Dixon zu seiner Einschätzung, dass das Browser-Internet in Zukunft ein Nischenprodukt werden wird.  

Jetzt könnte man sagen: Na und, mir doch egal – Hauptsache, es funktioniert alles und wir sind glücklich, und wenn wir uns dabei ein bisschen nerviges Getippe auf diesen unsäglichen Smartphone-Tastaturen sparen, ist doch alles super!

Nix da, sagen die Bedenkenträger: Wenn es so kommt, sagen sie, schnürt man dem Netz viel von seinem Innovations- und pluralistischem Potenzial ab. Denn innovative Ideen haben es schwer, je höher die Zugangshürden sind. Ein App-dominierter Markt würde diese Hürden höher setzen, schreibt Dixon. Er begünstige eine „Die Reichen werden reicher“-Dynamik, die letzten Endes zu Konzentration führen würden. Vor allem aber sei der Markt der Apps momentan kein gänzlich freier (und schon gar kein pluralistischer) Markt. Er ist in der Hand der App-Store-Besitzer, also in der Hand von Google und Apple. Die können theoretisch kontrollieren, welche Apps sie zulassen und welche nicht, welche sie promoten und welche nicht. Was ihnen nicht passt, passiert nicht – Apple zum Beispiel habe alle Apps zurückgewisen, die irgendwas mit Bitcoins am Hut haben, schreibt Dixon. Was wäre gewesen, fragt Dixon, wenn die Macher von Google, Youtube, Ebay, Wikipedia und Facebook um Erlaubnis hätten bitten müssen, um ihre Ideen zu verwirklichen?  

Natürlich ist nicht zu erwarten, dass sich von heute auf morgen alles umkrempelt und man Angst haben muss, bald nur noch eine leere Wüste zu finden, wenn man den Browser öffnet. Erst recht ist nicht zu erwarten, dass deswegen demnächst eine Revolution ausbricht und die Internetnutzer für den Erhält der aussterbenden Spezies Browser demonstrieren. Aber es ist nicht falsch, solche Zukunftsszenarien im Hinterkopf zu behalten. Allein deshalb, weil sie einem mal wieder ins Bewusstsein rücken, dass das Internet noch im Kleinkindalter ist und dass längst nicht ausgemacht ist, dass es morgen noch so aussieht wie heute.


Mädchen, Thema Vorbilder von früher

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Duff McKagan! Es sollte mit Duff McKagan anfangen. Notfalls ginge wohl auch Axl Rose oder Tommy Lee oder Eddie van Halen oder so. Aber Duff ist besser. Weil die anderen Erste-Reihe-Premium-Poser sind. Superstars ihrer Zeit. Duff war immer zweite Reihe. Bollwerk. Working-Class-Hero am Bass. Nicht sehr schön, dafür aber ungeduscht. Man musste wenigstens ein winziges Bisschen „deep into the shit" sein, um ihn zu kennen. Und um ihn zu feiern ohnehin. Das gibt ihm noch mehr Kraft. Denn es geht um Helden. Und um früher. Und Ironie.

Wir sind auf Duff McKagan gekommen, weil wir in der Konferenz über den Ultimate Warrior gesprochen haben. Der geschminkte Wrestler mit seinem etwas bekloppt manischen Gerüttel an den Ringseilen – dessen Tod vor ein paar Tagen uns aber heimlich doch ein kleinwenig traurig gemacht hat. Deshalb schnell noch ein paar Wrestlernamen, einfach, weil die so lustig sind: Jake „The Snake" Roberts, Bret „The Hitman" Hart, Brutus „The Barber" Beefcake, „The Rocket" Owen Hart, Earthquake, The Undertaker, The Bushwhackers. Herrlich!

Duff oder der Ultimate Warrior sind für uns jedenfalls mehr als Musiker oder Sportler. Sie sind längst Codes, wie es sie so oft gibt in der Pop-Kultur: Normen und Werte, auf die wir uns implizit geeinigt haben. Irgendwer sagt ihre Namen und viele Andere fangen an zu johlen. Weil mit den Namen die Bilder kommen: vom Vokuhila, den T-Shirts mit den abgeschnittenen Ärmeln, dem Gorilla-Press-Bodyslam, mit dem der Krieger, der Ultimative, seinen Gegnern den Rest gegeben hat. Wie bei einer besonders beliebten Simpsons-Szene, die alle sofort abspulen können, wenn nur einer das Stichwort gibt.

Und dann freuen wir uns sehr. Allerdings mit einer kleinen Hintertür, offengehalten vom Keil der Ironie. Weil: Natürlich denken wir an Duff und Hulk und Axel und „The Snake" und all die anderen heute noch mit diesem etwas seltsam gemeinschaftlichen Stolz zurück, weil sie schon damals als Idole eigentlich nicht getaugt haben. Weil ihnen auch ein gerüttelt Maß Peinlichkeit innewohnt. Herrlich, again!

Was ich nun komisch finde: Ich glaube, ihr habt das nicht. Oder sehr anders. Jedenfalls habe ich noch nie beobachtet, wie eine von euch – nur zum Beispiel jetzt – „Pippi Langstrumpf" sagt, und die anderen im Brustton in einen „widdewiddewitt und drei macht neune"-Gesang einfallen. Warum? Fehlt euch die Distanz zu euren früheren Vorbildern? Sind sie euch heute peinlich? Weil ihr sie damals vielleicht ernster genommen habt als wir unsere? Hattet ihr vielleicht gar keine? Oder äußert sich das alles bei euch nur anders? Und wenn ja: Wie? Beziehungsweise bei wem? Kurz gesprochen: Wer ist euer Ultimate Warrior?

[seitenumbruch]



Entschuldigung, ich musste kurz eine Natron-Tablette einwerfen, bei „widdewiddewitt" ist mir leider körperlich übel geworden. Nichts gegen Pippi, nichts gegen Bibi Blocksberg, nichts gegen Disney-Filme. Würd ich meinen Kindern jederzeit zum Angucken und Anhören geben. Aber schon allein wegen so blöder schnörkeliger Gesängeleien (die ich schon in Disney-Filmen immer nicht ertragen habe), liegen sie jenseits von ironischer Aufwertungstauglichkeit. Und als Jugendidole gelten sie ohnehin nicht. Und deshalb passen sie auch nicht als Pendant zu deinem Duff oder deinen Warriors, oder wie sie alle heißen. Denn Pippi und Bibi, das war noch vor unserer Ironie-Fähigkeit und vor unseren Coolness-Posen. Und auch vor euren. Auch wenn's bei euch halt da nicht Bibi, sondern eher Benjamin Blümchen war oder nicht Pippi, sondern Kalle Blomqvist.

Aber später? Als bei euch Warrior und Duff waren, wer war da bei uns? Mit 12, 13, 14? Da muss ich sehr lang dasitzen und mir das Rosenwasser der Kollegin Lauenstein ins Gesicht sprühen, um besser nachdenken zu können. Ich kann mich keiner weiblichen Helden entsinnen. Wenn wir so total ironisch-nostalgisch reden, dann kommen da nur irgendwelche Stars und Sternchen ins Spiel, in die wir verknallt waren. Aaron Carter, Nick Carter, die waren top so zwischen neun und 13. Aber das sind ja jetzt Verknalltheiten. Beknackt witzige Helden, die man sich heut noch aufs T-Shirt drucken würde, eher nicht. Wobei: Da gab es ja noch Sailor Moon. Aber war das nicht eher Softporn, den meine Eltern streng verboten hätten, wenn sie mich das hätten gucken sehen? Und auch gleiche Kategorie: Mehr so Auf-die-Fresse-Sexy-Sehnsucht als wertvoll-vielschichtige Popkultur?

Meine These ist ja grad, dass das vielleicht daran liegt, dass bei uns Mädchen im Gegensatz zu euch Jungs gleich nach der Kindheit das sexuelle Interesse erwacht. Unsere Helden sind dann entweder Jungs, wegen direkt verknallt, oder Sailor Moon Babes, mit natürlich extrem versexisiertem Pornofrüherziehungseffekt.

Bei euch Spätreifenden ist da, wo bei uns das sexuelle Erwachen direkt an die Kindheit anschließt, noch so ein seltsamer, nutzloser verpickelter Zwischenraum von etwa vier, fünf Jahren, in denen ihr Mädchen noch doof findet, mit eurem Körper noch nichts anfangen könnt, mit Benjamin Blümchen aber auch nicht mehr. Deshalb müsst ihr euch in dieser Zeit auf irgendwelche starken Helden konzentrieren, die euch vormachen, wie es ist, wenn man irgendwann man mal ein kerniger Superman ist, und sich nicht mehr so nutzlos fühlt in der Welt.

Deshalb gibt's bei euch solche Warriors. Wir überspringen das. Wir wollen lieber gleich knutschen.

martina-holzapfl

fensterblick

Essen, lesen, nachts wach sein - der Wochenrückblick

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Montag
Nabil und Tom kennen sich, seit Tom auf seiner Syrienreise in Homs bei Nabil gecouchsurft hat. Über facebook bekam Tom vor einiger Zeit noch mal eine Nachricht von seinem syrischen Freund: „Hi Tom, wie geht es dir? Ich muss dich um einen Gefallen bitten.“ Alexandra Rojkov hat aufgeschrieben, was diese Nachricht ausgelöst hat. Und wo Nabil jetzt ist. Ein sehr lesenswerter Textüber eine couragierte Entscheidung. Außerdem hat Dorian am Montag mit der jungen Autorin Franziska Wilhelm über zwei Bücher gesprochen. Wie es in seiner Kolumne die Regel ist, waren das eine Neuerscheinung, nämlich Amy Hempels Kurzgeschichtensammlung „Die Ernte“. Und Franziskas Lieblingsbuch, „Mister Aufziehvogel“ von Haruki Murakami.

Dienstag 
Ein bisschen ist unsere Redaktion ja auch eine Schicksalsgemeinschaft, wie sie Anne im Ticker beschrieben hat. Wir interviewen, portraitieren und schreiben aber nicht nur gern, sondern wir gucken auch Filme. Welche, hat Chris zusammengestellt. Am witzigsten war an diesem Tag übrigens Jans Vergleich von Windows und „Wetten, dass...?“ in Bildern. Mit beiden geht es ja zu Ende.





Mittwoch
„Auch Herzen können Herzen brechen“– am Mittwoch hat uns Kathrin erklärt, wann es an der Supermarktkasse bei ihr leise "Knack" macht. Wenn der Kassierer nämlich fragt: „Sammeln Sie Herzen?“ – und sie niemand nimmt. Wah! Das ist grausam, sobald man mal genauer darüber nachdenkt.

Auch interessant: Was Nachtarbeiter machen, die wachen müssen, wenn sonst alle schlafen. Therese hat vier Menschen getroffen, die ihre nächtliche Zeit für besondere Dinge nutzen.
 
Donnerstag ...
... ging es um Essen und Literatur. Frühmorgens schon mit dem Bett-Esser oder Nicht-Bett-Esser-Ticker von Lucas, dann mit Nadjas Ausflug in einige Münchner Buchhandlungen. Und Kathrin hat uns eine Kochmagazinschau gebastelt.




Lina Muzur, 33, Lektorin beim Hanser Verlag, bei "Buch in der Au".

Freitag!
„Löst sich das Internet auf?“, hat Chris gefragt. Weil immer mehr Menschen mit Smartphones und Tablets über Apps ins Internet gehen, stecken Unternehmen mehr Mühe in ihre Apps – und weniger in ihre Websites. Was die genauen Konsequenzen sind, könnt ihr in seinem Textmarker nachlesen.

Was ich außerdem saucool finde: Julia war mit einem Roofer unterwegs. Der hampelt auf Dächern rum. Nix für Leute mit Höhenangst!


Flaschendrehen in Kunstverpackung

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Eine Woche lang zeigen beim Münchner Radikal-Jung-Festival Nachwuchsregisseure Theater und Performances. Eine davon war „The Lottery“ von den Isrealis Keren Sheffi und Saar Székeley. Die Zuschauer wurden zu Akteuren: in einem Sozialexperiment hörten sie vier Stunden lang auf die Befehle eines Computers. Moritz Beichl, 21, hat mitgemacht, hier erklärt er, wie das so ist, wenn einer dem anderen einen Orgasmus schenken soll – und dabei ein Bild rauskommt.  

Jetzt.de: Wie sah das Experiment genau aus?
Moritz:
Wir waren anfangs etwa 35 Leute und wurden in einen Büroraum geführt, wo wir vier Stunden blieben. Es gab Bier, Wein, Wodka, ein bisschen was zu essen, einen Entspannungsbereich mit Matratzen und Kissen, ein „Gefängnis“ aus Glaswänden, was zu lesen, Stühle. Und einen Computer.  




Was passiert, wenn der Computer sagt: "Go and cry"?

Und der hat euch Aufgaben gegeben. Welche? 
Ich sollte zum Beispiel die Person umarmen, vor der ich am meisten Angst hatte. Gerade die hatte lustigerweise die Aufgabe, den zu beobachten, der gerade die Person umarmen soll, von der er am meisten Angst hat. Dann sollte ich im Sitzen tanzen, für immer mit dem Rauchen aufhören oder einer Fremden zehn Minuten lang in die Augen sehen. Immer wieder musste ich mich mit bestimmten Leuten über ein vorgegebenes Thema unterhalten. Zwei von uns sollten zum Beispiel ganz viele Sexstellungen vorführen, eine sollte einer anderen einen sehr tollen Orgasmus bereiten, während diese sich vor ihr zu fürchten hatte. Sie haben sich dann in ein Zimmer verkrochen und kamen wieder, mit einem selbstgemalten Bild – dem Orgasmus. Einer anderen wurde gesagt „Go and cry“.

 Es gab aber keine Kontrollinstanz, wir konnten also immer selbst entscheiden, ob wir eine Aufgabe erfüllen oder nicht. Das Spannende war, dass man oft nicht wusste, ob einer jetzt tut, was er selbst tun möchte, oder ob er macht, was der Computer ihm aufträgt. Als ich den anderen, die irgendwann angetrunken nur noch Party gemacht haben, sagte, sie sollten wieder auf den Computer achten, glaubten sie zum Beispiel, dass das meine Aufgabe ist. Besonders gegen Ende hin, als wir ziemlich betrunken waren, wurde das sehr konfus. Ich habe das dann irgendwann voll ausgenutzt, krasse Sachen ausprobiert und geflirtet.  




Normalerweise studiert Moritz Regie, bei "The Lottery" saß er tanzend auf dem Boden

Das Experiment beruht auf der „Lotterie in Babylon“, einer Kurzgeschichte des Argentiniers Jorge Luis Borge. Darin geht es um einen Staat, dessen Bürger von einer Lotterie gesteuert werden. Der Autor eures Experiments wollte, dass ihr durch die Regeln merkt, dass euch immer im Leben Regeln leiten, nur normalerweise unbewusst. Die israelische Zeitung Haaretz schrieb, wer an diesem Experiment teilnehme, verliere den Glauben an den freien Willen. Hast du deinen noch?

 Ja. Ich emfand genau das Gegenteil, wir konnten selbst bestimmen, was passiert. Es hat ja niemand kontrolliert, was wir tun. Ich konnte mich bei jeder Aufgabe dafür oder dagegen entscheiden.  

Was zeigte das Experiment also deiner Meinung nach?

Es sollte uns fremden Leuten näher bringen. Das hat geklappt. Einfach, weil wir so absurde Situationen durchleben mussten. Deswegen hat es mir sogar viel Spaß gemacht, obwohl ich Mitmachtheater meistens doof finde. Und es sollte uns Beliebigkeit und Zufall vorführen. Denn ich glaube, die Aufgaben waren völlig willkürlich. Auch zu Beginn, bevor wir in den Raum geführt wurden, stellten uns Interviewer komische Fragen, wie ob wir mit ihnen schlafen würden und welche Partei wir wählen. Das war sehr beliebig, die Fragebögen wurden sicherlich danach weggeworfen. Am Ende hieß es dann einfach – und warum auch immer „Nummer 31, du hast das Spiel gewonnen.“

Berliner Gespräche Teil 1

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Zwischen ihnen stand ein kleiner runder Tisch aus dunklem Holz, darauf eine Vase mit duftenden, blauen Hyazinthen. Der Kellner kam mit ihrer Bestellung und stellte die zwei Cappuccinos vor sie auf den Tisch. Sie hatten alle Mühe einen Anfang für dieses Gespräch zu finden und so schwiegen sie sich eine Weile an, während Paula gedankenverloren Zucker auf ihren Kaffee streute und so lange umrührte, bis der Milchschaum völlig in sich zusammengefallen war.


„Wie geht’s deinem Bruder?“, fragte Georg leise und versuchte ihren Blick einzufangen. Er konnte sehen, wie ihre Wangen ein wenig Farbe bekamen, offensichtlich hörte sie diese Frage nicht gerne. Paula sah ihn nicht an, sondern kramte in ihrer großen Lederhandtasche nach einer Zigarette, pustete auf den Filter und zündete sie an. „Keine Ahnung. Das weißt du doch. Wir haben keinen Kontakt“. Ihre Stimme wurde eine Nuance höher, wie immer, wenn sie über ihre Vergangenheit sprach. „Ich will auch gar keinen Kontakt zu ihm. So ist es gut.“ Es fühlte sich merkwürdig an, so über ihren Bruder zu reden, fast als gäbe es ihn nicht. Und das in der Stadt, in der er lebte, irgendwo. Vielleicht noch immer in der selben Altbauwohnung in Neukölln wie damals, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten.


Es war vier Jahre her, als sie nach der Geburtstagsfeier ihres Onkels noch mit ihm um die Häuser gezogen war. Juri war auch dabei gewesen, der gutaussehende Freund ihres Bruders, den sie Jahre zuvor auf einem Elektrofestival kennengelernt hatte. Sie waren tanzen gegangen, zwischendurch waren Juri und Tom, ihr Bruder, immer wieder verschwunden, um sich auf dem Klo eine Line Speed reinzuziehen. Paula hatte das gewusst, aber es war ihr egal. Ihr Bruder war alt genug, er war der ältere. Gegen Drogen hatte sie sowieso nichts, nur mochte sie es manchmal nicht, wie sich die Leute dann benahmen. Sie selbst kiffte nur ab und zu, für alles andere fehlte ihr der Mut. Der Abend war lustig gewesen, sie hatte sich ans Bier gehalten und im Morgengrauen waren die drei mit klingenden Ohren zu Tom nach Hause getorkelt. Paula hatte auf der Couch geschlafen, von vibrierenden Bässen der Nachbarsmusik noch lange wachgehalten und war am nächsten Morgen mit ihrem Vater zurück nach Bayern gefahren.


„Dein Bruder war schon immer komisch. Dauernd hat er irgendeinen Scheiß gelabert und alle damit genervt.“ Georg hatte sich zurückgelehnt und wirkte entspannter. Er nahm einen großen Schluck von seinem Cappuccino und erzählte weiter: „Er ist einfach total kaputt. War er schon immer. Und das mit den Drogen...“ „So ist er eben. Er ist...sensibel. Es ist viel Scheiß passiert und er hat das nicht abgekonnt. Ich weiß nicht...“ Paula kaute auf ihrem Fingernagel. Sie war zerknirscht. Alle schimpften über Tom, sagten, dass er verrückt sei und aggressiv. Keiner wusste das besser als sie, aber sie hatte das Gefühl, ihn verteidigen zu müssen. Keiner durfte so über ihn reden, er war doch ihr Bruder. Trotz allem. „Wenn einem so viel Mist passiert, dann kann man schon mal ausklinken. Und ja, die Drogen... das war wohl nich gerade hilfreich. Es ist eben...“. Paula seufzte laut. Sie hatte keine Lust mehr, darüber zu reden. Dieses Gespräch führte sie dauernd und es drehte sich nur immer um sich selbst. Sie hatte das Gefühl, nur den Voyeurismus ihrer Zuhörer zu befriedigen, wenn sie ihren Bruder schlecht machte. Schließlich war es damals ein riesen Skandal in ihrem Dorf gewesen. Sie zündete sich noch eine Zigarette an und wischte sich etwas Asche vom Oberschenkel.


 Sie hasste ihren Bruder. So wie man nur jemanden hassen konnte, den man eigentlich liebt. Oder einmal geliebt hat. Und sie dachte nicht gerne an ihn. Wenn sie an Tom dachte, tauchten diese verfluchten drei Jahre wieder in ihrem Kopf auf. Die beschissenen drei Jahre, die ihre behütete Kindheit löschten und durch Chaos und Tragödie ersetzten. Und nun saß sie hier, in Neukölln, in seinem Kiez, mit Georg, der früher einmal Toms Freund gewesen war. Eigentlich kannte sie Georg nicht gut. Er war immer einer von den Großen gewesen. Er war um einiges älter als sie und lebte schon lang nicht mehr in ihrem Dorf, als Paula ein Teenager wurde. Jetzt waren sie beide erwachsen, mehr oder weniger. Manchmal chatteten sie, dann machte er ihr Komplimente, die sie nicht ernst nahm. Aber es machte Spaß, Georg war gut für ihr Selbstbewusstsein und stillte ihr Verlangen nach Aufmerksamkeit. Er war liiert, aber es kümmerte sie nicht. Sie wusste sowieso nicht, wo das hinführen sollte. Als klar war, dass sie ein paar Tage in Berlin sein würde, hatten sie sich zum Kaffee trinken verabredet. Und jetzt saßen sie hier.


Georg sah nicht besonders gut aus. Er war nur ungefähr so groß wie sie und hatte ein kleines Bäuchlein, das sich deutlich durch das T-Shirt abzeichnete. Er trug einen Vollbart, eine randlose Brille und hatte ziemliche Geheimratsecken. Aber er war nett zu ihr, sagte ihr, dass sie schön sei und sexy, und so hatte Paula sich ein kurzes schwarzes Kleid angezogen und etwas zu viel Mascara aufgetragen, bevor sie losgegangen war.


Georg begann, sich mit geübten Handbewegungen eine Zigarette zu drehen. Er fegte die Tabakkrümel vom Tisch und fragte: „Wie geht’s deinem Vater?“ Paula lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Er hat Krebs.“ Sie wusste selbst nicht, warum sie das manchmal machte. Sie hasste den ganzen Scheiß, der gerade in ihrem Leben passierte, aber manchmal, und dann auch nur ganz kurz, genoss sie es, damit zu provozieren und von anderen als das arme, bemitleidenswerte Mädchen gesehen zu werden, das genug für zwei Menschenleben erlebt hatte und dadurch beinahe unantastbar wurde. Sie sah im dabei direkt in die Augen, als erwartete sie, dass er unter ihrem Blick zu Staub zerfiel. Sie blinzelte und die Milde kehrte wieder in ihre Augen zurück. „Es wird schon wieder. Ist ja nicht das erste Mal. Zum Glück haben sie es früh erkannt und er ist sofort operiert worden.“ „Welchen Krebs hat er?“ Georg hatte angefangen, seine Brille mit einer Serviette zu putzen. Der leere Blick ihrer Augen hatte ihn beunruhigt. Paula legte die Unterarme auf den Tisch und erzählte beinahe beiläufig, aber sie konnte den schrillen Ton in ihrer Stimme nicht ganz unterdrücken. „Lunge. Diesesmal. Das letzte Mal war es Darmkrebs. Er hat damals sogar aufgehört zu rauchen, aber das hat wohl nichts gebracht.“


Georg sah Paula an. Sie blickte verschämt zur Seite, als er sie musterte. Sie war hübsch mit ihren großen dunklen Augen, den langen Wimpern und den vollen Lippen. Einzigst der Nasenring erinnerte noch an das Hippiemädchen, das sie früher gewesen war, mit roten Dreadlocks und kunterbunten Klamotten, die nie zusammen passten. Er wollte ihre Hand nehmen. Georg wusste selbst nicht genau, ob es an ihrer traurigen Geschichte und ihrem müden Blick lag, der sie so anziehend für ihn machte, aber in diesem Moment wünschte er sich, er könnte sie küssen. Er schloss für ein paar Sekunden die Augen und stellte sich vor, wie sie wohl nackt aussähe. Dann fragte er: „Weiß dein Bruder, dass dein Vater krank ist?“  


ES

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Es frisst mich auf. Ich löse mich auf in meiner eigenen Psyche wie Salz im Wasser. Als wäre meine Psyche eine aggressive Säure die sich langsam in mir ausbreitet und alles wegfrisst was ihr in den weg klommt. Und übrig bleibt nur die Lehre. Dieses schreckliche Gefühl der Machtlosigkeit. Es ist fast schon wie in solchen Nahtoderfahrungen. Ich sehe mich selbst da liegen verheult, blutend, schreiend und sehe wie ich langsam zergehe… zerfließe in Blut und Tränen bis ich nicht mehr da bin… oder es sich zumindest so anfühlt.

YourTaskToday 76: the-wrong-girl setzt mondrian ein denkmal!

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Ich hatte leider nur eine sehr begrenzte Auswahl an Teilen zur Auswahl und musste daher etwas improvisieren.
Und bevor hier einer hyperventiliert: der Beitrag ist natürlich außer Konkurrenz. Bin ja Jury.

Partei Bewegungs Knall Effekt . BÄM

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und mit 3 dimensionalem exponentiellem Schub . . rast das Ding los . . da komm ich als einzelner net mit.

Baut mit und teilt falls Ihr Bock habt.

grüße euer conceptual_andi

http://strukturpartei.de


edit. wenn ich den artikel hier ändern darf .. arbeite ich hier am positionspapier...

unser platz

Die Liebe zum Hass

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#Hoodiejournalismus, #Flausch, #sexistischeKackscheisse, #aufschrei, „dieses Internet", Kaffeetweet, „große Sandalen-Liebe" - wenn ich all das schon höre, muss ich kotzen. Meine Timeline ist verstopft von altklugen Hobby-Senf-Ablassern und Selfie-Bloggern, die außer der Bedienung des Internets meist nichts so richtig gut können, sich aber leider genau deshalb für eine neue kulturelle Elite halten. Verfall der menschlichen Intelligenz, wüte ich, Hirnvermüllung! Durchschaubare Netzrudel-Arschkriecherei,  Vorbeileben an der Essenz, anmaßende Selbstdarstellerei, Rühren im eigenen Brei! So irrelevant! So nehme diese selbsternannten Internetexperten doch endlich keiner mehr ernst!

Die Tatsache, dass ich darüber jetzt einen Ich-Text schreibe, einen metamäßigen Ich-Text im Internet über lauter von mir selbst als angeblich irrelevant betitelten Hirnmüll, ist natürlich extrem ballaballa. Ich bin ein wandelnder, umherirrender Widerspruch, in diesem Moment vielleicht die anmaßendste von allen Ins-Internet-Schreibern. Würde ich einfach meinen Mund halten und meine Finger in diesen Minuten vermeintlich Wichtigeres tippen lassen, hätte ich all meine Probleme gelöst.



Unsere Autorin muss sich eingestehen: Sie liebt es, sich aufzuregen.


Klare Sache also: Ich sollte dringend aufhören, a) Tweets zu lesen, über die ich mich nur aufregen muss, b) mir auf instagram doofe Fotos anzugucken, über die ich mich nur aufregen muss, c) die Profile entfernter Bekannte zu stalken, über die mich nur aufregen muss.

Kann ich aber nicht! Weil es mir nämlich Spaß macht. Die Wahrheit ist, ich liebe es, mich aufzuregen. Eine seltsam verbotene Befriedigung kleidet mich dabei von innen aus, eine herrliche Genugtuung und auch ein Triumphgefühl: Je mehr ich mich darüber aufrege, wie doof und hirnverbrannt ich die anderen finde, desto mehr aale ich mich in der Gewissheit, total anders als sie zu sein und zum Glück nicht dazuzugehören.

Schon als weintrunkener, liebesbekümmerter Teenie stellt man in den ersten hochphilosophischen Diskussionen unter Freunden fest: Nicht unbedingt Hass oder Wut sind das Gegenteil von Liebe, sie sind nur eine andere, eventuell noch viel verkorkst-bedürftigere Form davon. Das wahre Gegenteil von Liebe ist Desinteresse. Und Desinteresse hieße in diesem Fall nichts anderes als: Den "Entfolgen"-Button drücken.

Habe ich natürlich schon oft gemacht. Denn dahinter verbirgt sich ja auch immer wieder eine kleine eitle Genugtuung: Aus meinem Leben, du Idiot! Früher oder später ertappe ich mich aber wieder dabei, wie ich, abends im Bett oder mittags im Bus, beim gedankenverlorenen Rumscrollen wieder auf ein kürzlich entfolgtes Profil klicke und schadenfreudig nachsehe, was für einen Bullshit der oder die schon wieder verzapft hat. Und wie ich mich dann freue, wenn ich eine nigelnagelneue Doofheit finde, über die ich mich ärgern kann! Oh holy Lord of the sweet Ärgernis!

Denn Desinteresse ist langweilig. Desinteresse sorgt nicht für euphorische Herzhüpfer und empörte Adrenalinschübe. Was ist das für ein Leben, ohne Gossip-Faktor, ohne ein paar gepflegte alltägliche Ausraster, ohne ein paar ehrlich unreflektierte Arschloch-Lästereien? Da kann man ja gleich ins Kloster gehen.

Vielleicht ist es also so: Meine pseudoentfolgten Twitterer sind meine heimlichen Klatschmagazine, die ich natürlich nur und ausschließlich und ab und zu mal im Wartezimmer lese. Auf die ich genauso gut verzichten könnte. Aber ohne die halt leider auch alles ein ganz klein bisschen weniger geil ist.
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